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22 Blick zurück 100 Jahre Sektion Wien Die Sektion Wien des OEAV feiert im Jahre 2005 ihr 100-jähriges Bestehen. Wie schon bei früheren Jubi- läen soll auch im Folgenden versucht werden, Bedeu- tendes und Bemerkenswertes aus diesen wechselvol- len 100 Jahren zu berichten. Bisherige Rückblicke zur Vereinsgeschichte berich- ten, dass 38 Männer, zumeist aus der 1901 gegrün- deten alpinen Gesellschaft „Die Ebensteiner“, sich zur Bildung einer neuen Sektion zusammenfanden. Dies kann aus den heute noch vorliegenden Unterla- gen mit folgenden Daten ergänzt werden: Mit dem Bescheid Z I-886 vom 22. Fe- bruar 1905 an die „Proponenten der Sektion Wien ..., zu Handen des Herrn Otto Gutowski ...“ wurde, nach Vorla- ge der Satzungen, von der k.k.n.ö. Statthalterei als der damaligen Ver- einsbehörde „die Bildung der Sektion des DuÖAV nicht untersagt“ d.h. ge- nehmigt. Zuvor hatte bereits der Cen- tral-Ausschuss des DuÖAV diese Sat- zungen „als den Satzungen des Ge- samtvereines entsprechend“ genehmigt. Darauf folg- te am 16. März 1905 die Gründungsversammlung in Anwesenheit von 23 Mitgliedern mit der Wahl des er- sten Sektionsausschusses. Damit war auf Wiener Bo- den neben der Sektion Austria und der Akademi- schen Sektion eine dritte Sektion des Alpenvereins entstanden. Die Gründer hatten ehrgeizige Pläne. So sollte diese neue Gemeinschaft aktive Bergsteiger vereinen, die sich vor allem dem führerlosen Bergsteigen ver- schrieben und für die das Leistungsprinzip an ober- ster Stelle stand. Dies fand auch darin seinen Aus- druck, dass beim Eintritt bereits ein Tourenverzeich- nis vorzulegen und dieses durch einen jährlich abzu- liefernden Tourenbericht zu ergänzen war. Durch Kurse wurde Wert auf Aus- und Weiterbildung gelegt. Die Mitgliederzahl stieg rasch, von 124 im Grün- dungsjahr auf 558 im Jahre 1909. Dies bewog die Verantwortlichen, in der Errichtung von Schutzhüt- ten ein weiteres Aufgabengebiet zu übernehmen. Bereits 1911 konnte am Giglachsee in den Schladminger Tau- ern die erste eigene Hütte eröffnet und kurz darauf die benachbarte Kein- prechthütte gepachtet werden. Der Erste Weltkrieg verhinderte weitere Aktivitäten. Umso stärker war der Aufschwung nach seinem Ende. Trotz trister wirtschaftlicher Lage und ho- her Arbeitslosigkeit stieg die Mitglie- derzahl von 1129 im Jahre 1918 auf den Höchststand von 2354 im Jahre 1922. Dies veranlasste die Ver- antwortlichen der Sektion zu weiteren Aktivitäten: Zuerst die Errichtung der bereits vor dem Krieg ge- planten Salmhütte in der hochalpinen Region des Glocknergebietes, sowie wenige Jahre darauf den Bau der neuen Dr.-Josef-Mehrl-Hütte, die ein bis dahin fast unberührtes Schitourengebiet erschloss. Blick zurück 1905–2005 Chronik der Sektion Wien des Oesterreichischen Alpenvereins von Rudolf FUCHS

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100 Jahre Sektion Wien

Die Sektion Wien des OEAV feiert im Jahre 2005 ihr100-jähriges Bestehen. Wie schon bei früheren Jubi-läen soll auch im Folgenden versucht werden, Bedeu-tendes und Bemerkenswertes aus diesen wechselvol-len 100 Jahren zu berichten.Bisherige Rückblicke zur Vereinsgeschichte berich-ten, dass 38 Männer, zumeist aus der 1901 gegrün-deten alpinen Gesellschaft „Die Ebensteiner“, sichzur Bildung einer neuen Sektion zusammenfanden.Dies kann aus den heute noch vorliegenden Unterla-gen mit folgenden Daten ergänzt werden:Mit dem Bescheid Z I-886 vom 22. Fe-bruar 1905 an die „Proponenten derSektion Wien ..., zu Handen des HerrnOtto Gutowski ...“ wurde, nach Vorla-ge der Satzungen, von der k.k.n.ö.Statthalterei als der damaligen Ver-einsbehörde „die Bildung der Sektiondes DuÖAV nicht untersagt“ d.h. ge-nehmigt. Zuvor hatte bereits der Cen-tral-Ausschuss des DuÖAV diese Sat-zungen „als den Satzungen des Ge-samtvereines entsprechend“ genehmigt. Darauf folg-te am 16. März 1905 die Gründungsversammlung inAnwesenheit von 23 Mitgliedern mit der Wahl des er-sten Sektionsausschusses. Damit war auf Wiener Bo-den neben der Sektion Austria und der Akademi-schen Sektion eine dritte Sektion des Alpenvereinsentstanden.Die Gründer hatten ehrgeizige Pläne. So sollte diese

neue Gemeinschaft aktive Bergsteiger vereinen, diesich vor allem dem führerlosen Bergsteigen ver-schrieben und für die das Leistungsprinzip an ober-ster Stelle stand. Dies fand auch darin seinen Aus-druck, dass beim Eintritt bereits ein Tourenverzeich-nis vorzulegen und dieses durch einen jährlich abzu-liefernden Tourenbericht zu ergänzen war. DurchKurse wurde Wert auf Aus- und Weiterbildung gelegt.Die Mitgliederzahl stieg rasch, von 124 im Grün-dungsjahr auf 558 im Jahre 1909. Dies bewog dieVerantwortlichen, in der Errichtung von Schutzhüt-

ten ein weiteres Aufgabengebiet zuübernehmen. Bereits 1911 konnte amGiglachsee in den Schladminger Tau-ern die erste eigene Hütte eröffnet undkurz darauf die benachbarte Kein-prechthütte gepachtet werden. DerErste Weltkrieg verhinderte weitereAktivitäten. Umso stärker war derAufschwung nach seinem Ende. Trotztrister wirtschaftlicher Lage und ho-her Arbeitslosigkeit stieg die Mitglie-

derzahl von 1129 im Jahre 1918 auf den Höchststandvon 2354 im Jahre 1922. Dies veranlasste die Ver-antwortlichen der Sektion zu weiteren Aktivitäten:Zuerst die Errichtung der bereits vor dem Krieg ge-planten Salmhütte in der hochalpinen Region desGlocknergebietes, sowie wenige Jahre darauf den Bauder neuen Dr.-Josef-Mehrl-Hütte, die ein bis dahinfast unberührtes Schitourengebiet erschloss.

Blick zurück1905–2005 Chronik der Sektion Wien des Oesterreichischen Alpenvereins von Rudolf FUCHS

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Vier Schutzhütten

Im 30. Jahr ihres Bestehens konnte die Sektion somitschon auf einen Bestand von vier Schutzhüttenzurückblicken. Eine großartige Leistung vor allemder ehrenamtlich tätigen Funktionäre, die neben ih-rem Beruf in selbstloser und uneigennütziger Weisedie Ideen des Alpenvereins verwirklichen halfen. Diegute Mitgliederbetreuung fand ihren Niederschlagaber auch in einem reichen Angebot an Sektionstou-ren. Die in den damals gesondert erscheinenden Jah-resberichten verfasste Statistik der Touren lässt er-kennen, dass viele Mitglieder ihrer Verpflichtung zurAbgabe des jährlichen Tourenberichtes auch tatsäch-lich nachkamen.

Gesellschaftspolitische Stellung

Wenn in den vorstehenden Zeilen von der Verwirkli-chung der Ideen und Ideale im Rahmen des AV undden großartigen Aufbauleistungen der Sektion die Re-de ist, so darf doch auch die gesellschaftspolitischeund ideologische Stellung nicht unerwähnt bleiben,die der Alpenverein im Allgemeinen und auch die Sek-tion Wien im Besonderen in den ersten vierzig Jahrenihres Bestehens eingenommen haben. Diese Periodefällt in eine Zeit des wachsenden Nationalismus undder völkischen Agitation. In ihr ist der Antisemitismusnichts Außergewöhnliches, er findet in allen Gesell-schaftsstrukturen Eingang, nimmt immer stärkereAusformungen an und endet letztlich unter dem Ein-fluss des Nationalsozialismus in totaler Unfreiheit. DieAusgrenzung alles Nichtdeutschen, vor allem der Ju-den, hatte um die Jahrhundertwende Politik, Gesell-schaft und auch das Vereinsleben geprägt.

Ausgrenzung

Diese Ideologie vertraten bereits bei der Gründungder Sektion viele führende Männer. Man war stolzdarauf, als erste Sektion des DuÖAV von Anfang anden Arierparagraphen in den Satzungen verankert zuhaben. Dies wurde weder von der Vereinsbehördenoch vom Zentral-Ausschuss des DuÖAV beanstan-det. Die Sektion Wien hat somit bereits bei ihrerGründung vorweggenommen, was andere Sektionenerst zu Beginn der 20-er Jahre beschlossen haben und1924 mit dem Ausschluss der jüdischen Sektion Do-nauland aus dem DuÖAV endete.Mit der Aufarbeitung seiner Geschichte bis 1945 hatsich das wiedererstandene Österreich bis in die acht-ziger Jahre sehr schwer getan oder sie ist überhauptnicht erfolgt. Die Opferrolle Österreichs wurde zu sehrin den Vordergrund gestellt.Auch die damaligen Funktionäre der Sektion Wienhaben sich von dieser Ausgrenzungspolitik nicht dis-tanziert, obwohl diese von der ersten Stunde an durchden Arierparagraphen in den Satzungen Faktum war.Dies geschah vielleicht auch deshalb, weil jene Funk-tionäre, die in mühevoller und selbstloser Arbeit nach1945 die Sektion im Sinne der heutigen Idee des Al-penvereins wieder aufgebaut haben, eben dieser Ge-neration angehörten, welche neben bergsteigerischenZielen und Idealen mit der Ausgrenzungsideologieaufgewachsen war.

Aufbruch

Das Ende des Krieges 1945 brachte große Unsicher-heit für den Bestand des Alpenvereins und seiner Sek-tionen. Behördliche Auflösung und Beschlagnahme

Dir. Ignaz Mattis …

… und „seine“ Hütte

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der Vermögenswerte führten zu Rechtsstreitigkeiten,die bis zu Beginn der 50-er Jahre andauerten. Mit derArbeit politisch unbelasteter Vorstandsmitgliederwurde eine Reaktivierung der Sektion in Angriff ge-nommen – und sie gelang auch.Bereits 1947 setzten mit der Errichtung der „Hoch-touristischen Gruppe (HG) Bergland“ alpine Akti-vitäten ein, die den enormen Nachholbedarf auch aufdiesem Sektor zeigten und zu bergsteigerischen Spit-zenleistungen in ganz Europa, aber auch in außer-europäischen Gebieten führten. Den organisatori-schen Fähigkeiten eines DI Norbert Biely gelang es,die hervorragendsten Bergsteiger aus vielen LändernEuropas als Mitglieder der HG „Bergland“ zu gewin-nen. Unter der Rubrik „Bemerkenswerte Bergfahr-ten“ findet sich in jeder Folge der „Nachrichten“ ei-ne Auflistung zahlreicher kühner Touren, Erstbege-hungen und Expeditionsfahrten in alle Teile der Welt,durchgeführt von HG-“Bergland“- bzw. Sektionsmit-gliedern. Zwischen den Jahren 1950 und 1980 er-schienen in den „Nachrichten“ etwa 80 Aufsätze, zu-meist packende Erlebnisschilderungen von „Berglän-dern“ über ihre Fahrten; mehr als 100 Lichtbildvor-träge bereicherten das interessante Vortragspro-gramm.

Umbruch

Schwerpunkte der Sektionstätigkeit waren in den er-sten Jahrzehnten der Aufbau eines tragfähigen Stan-des an aktiven Bergsteigern und vor allem die Er-richtung eines beachtlichen Hüttenbestandes. In denJahrzehnten ab 1950, als das Weiterbestehen der Sek-tion in rechtlicher Hinsicht geregelt war, galt es, diepersonellen Voraussetzungen für den Fortbestand der

Sektion zu sichern. Eine sehr aktive Jugendarbeit inden 60er, 70er und 80er Jahren war dafür bestim-mend. Daneben galten große Sorgen und Anstren-gungen der Erhaltung und dem Ausbau der Hütten.Zu den altersbedingten Sanierungsarbeiten kamenKosten durch Verkehrserschließung, zunehmendenTourismus, Behördenauflagen und ökologische Er-fordernisse. Hüttenbesitz war mehr und mehr zu ei-ner Belastung für die Verantwortlichen geworden unddie Aktivitäten des Sektionsbetriebes waren in ersterLinie von den zur Verfügung stehenden finanziellenMitteln bestimmt. Diese stammten aus Mitgliedsbei-trägen und Spenden sowie aus den Beihilfen des Ge-samtvereins.In den vergangenen zwanzig Jahren haben sich Zielund Leitbild des Alpenvereins vom Alpenerschließerund Hüttenbauer zum Alpen-, Natur- und Umwelt-schützer gewandelt. Mit vier in prachtvoller Umge-bung gelegenen Hütten ist die Sektion Wien ein wich-tiges Glied in diesem großen Ideenträger. Ihr Fortbe-stehen wird dann gesichert sein, wenn sich die Mit-glieder so wie bisher auch weiterhin „ihrer Sektion“zugehörig und verbunden fühlen.

Klettern in den 30er Jahren

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Chronologie 1905–2005Quellen: Nachrichten und Jahresberichte (soweit vorhanden) derSektion Wien.

1905 Am 16. März findet in „Hackers“ Gastwirt-schaft in Wien (nähere Adresse nicht mehr eruierbar),in Anwesenheit von 23 Personen die Gründungsver-sammlung der neuen Sektion Wien statt. Als ErsterVorsitzender wird Otto Gutowski gewählt. Zu denstrengen Kriterien der ersten Satzungen – hinsichtlichder Aufnahme neuer Mitglieder – gehörten u. a. fol-gende Bestimmungen:● Ein Beschluss des Ausschusses nach schriftlicherAnmeldung und ev. Vorlage eines Turenverzeichnissesund unter Berufung auf zwei Sektionsmitglieder. DerName des Aufzunehmenden muss zuvor in einer Mit-gliederversammlung bekannt gemacht werden.● Mitglieder können nur Deutsche arischer Herkunftwerden.● Zweck ist, die Kenntnis der Alpen zu erweitern undzu verbreiten, ihre Bereisung zu erleichtern.

1906 Als eigenes Abzeichen wird das Edelweiß mitSektionsschleife eingeführt, „damit sich unsere Mit-glieder im Gebirge leichter erkennen und die Gesin-nungsgemeinschaft betont wird“.

1907 Am 15. Jänner erscheint Nummer 1 des 1. Jahrganges der „Mitteilungen der Sektion ,Wien‘des DuÖAV“; vorerst viermal jährlich. In der Jahres-Hauptversammlung (HV) wird antragsgemäß einBaufonds eingerichtet. Innerhalb der Sektion bestehtein „Geselligkeitsausschuss“, dessen Ziel es ist, die

Mitglieder „gesellschaftlich einander näher zu brin-gen“. Über seine Anregung sollen „Übungs-Bergfahr-ten“ veranstaltet werden, um die Teilnehmer „imBergsteiger-Handwerk“ zu unterweisen. Weiters gibtes eine Wintersport-Vereinigung zur Pflege des alpi-nen Schisports. Im 8. Bezirk, Josefsgasse 12, wird ei-ne Sektionskanzlei eingerichtet, die einmal wöchent-lich zwei Stunden besetzt ist.

1908 Ignaz Mattis wird zum Ersten Vorsitzendengewählt. Mitgliederstand 430. Rege Touren- und Vor-tragstätigkeit.

1909 Auf Initiative ihrer Wintersport-Vereinigungbeantragt die S. Wien beim Gesamtverein die Errich-tung eines Winterraumes in jeder AV-Hütte (auf derHV des DuÖAV beschlossen). Übersiedlung der Sek-tionskanzlei nach 6. Bezirk, Rahlgasse 6/1/9. Kanz-leistunden zweimal/Woche. Die jährliche Wahl desSektionsausschusses wird dahin geändert, dass dieWahl für drei Jahre erfolgt, wobei jährlich 1/3 derAusschussmitglieder zu wählen ist.Plan zur Errichtung einer Schutzhütte am Giglachseein den Schladminger Tauern.

1910 Im Bericht über die Jahres-HV vom17. 12. 1909 wird auf die Erbschaft nach einem der

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Sektion wohlgesinnten Bergfreund, Herrn Pochtler,hingewiesen. Sie beträgt 38.446.09 Kronen, dies ent-spricht einer heutigen Kaufkraft von ungefähr174.500 Euro bzw. 2,400.000 Schilling und ist end-gültiger Anstoß, den ersten Hüttenbau am Giglach-see umgehend in Angriff zu nehmen. §1 der Satzungen erhält den Zusatz: „...sowie derBau und Betrieb bewirtschafteter Schutzhütten“.Im Abstand von 14 Tagen erscheinen ab 15. Märzerstmals die „Nachrichten der Sektion Wien des DuÖAV“, anstelle der bisher viermal jährlich heraus-gegebenen „Mitteilungen“. Der Jahresbericht für 1910 bringt bereits Foto undPlan der neuen Hütte am Giglachsee, welche im Ok-tober zur Benützung übergeben wird. 139 Mitgliederhaben Tourenberichte über insges. 2352 Touren ab-gegeben. Sektionstouren praktisch jedes WochenendeJänner-Oktober (ausgen. Sommermonate). Die Sek-tion Wien gibt gemeinsam mit der Fa. Stengel, Dres-den, (Verlag?) ein umfassendes Werk, „Die Schutz-hütten und Unterkunftshäuser in den Ostalpen“ her-aus.

1911 Vorstand Ignaz Mattis wird als Kassier in denHauptausschuss des DuÖAV gewählt. In der Haupt-

versammlung am 22. Dez. wird u. a. der Kauf derKeinprechthütte beschlossen.

1913 Sektionskanzlei Wien 6., Rahlgasse 6/2/18.– Eine a.o. HV am 14. 3. (anwesend 62 von 988 Mit-gliedern) beschließt mit der Übernahme eines hoch-alpinen Arbeitsgebietes im Leitertal bei Heiligenblutanstelle der alten verfallenen Salmhütte eine neue zuerrichten. Der Ausbruch des Weltkrieges im Jah-re1914 stoppt vorerst diesen Plan.

1919 Trotz der schlechten wirtschaftlichen Lageherrscht Aufbruchstimmung; 465 Neubeitritte. – Bil-dung einer Jugendwandergruppe, „welche die arischeJugend beiderlei Geschlechts durch Ausflüge, Vorträ-ge, alpine Literatur und Ausbildungskurse für dieSchönheit der heimischen Bergwelt gewinnen und zuguten Deutschen erziehen will“.

1920 Erwerb einer Baracke am Zinkboden – wirdmit 14 Schlafstellen die vorerst unbewirtschafteteneue Keinprechthütte. Im Nockgebiet wird ein ehe-maliges Knappenhaus gepachtet. Der Aufenthalt aufder Giglachseehütte ist mit drei Tagen begrenzt; Brot,Mehl und Zucker haben die Besucher mitzubringen.

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Wie im Vorjahr starker Mitgliederzuwachs.In der Schreibweise der „Nachrichten“nimmt Deutschtümelei zu (lt. Lexikon:übertriebenes Pochen auf deutsches Wesenund Volkstum).

1921 Wieder starker Mitgliederzu-wachs. Stand 2176! 50 Bewerber werdenabgewiesen.In einer a.o. HV im Februar 1921 wird beschlossen,„Mitglieder, die sich durch drei Jahre ohne triftigenVerhinderungsgrund nicht bergsteigerisch betätigen,aus der Sektion auszuschließen“ (satzungsgemäß hatjedes Mitglied bis 15. Nov. jeden Jahres einen Tou-renbericht abzuliefern).Wiederaufnahme des Projektes Salmhütte. Übernah-me des Arbeitsgebietes Schönfeld im Nockgebiet.Neuer Stützpunkt im Hafnergebiet „Moritzenhaus“.Dieses Arbeitsgebiet wird bald darauf an die SektionGraz abgegeben.

1923 Ing. Josef Schattauer wird Erster Vorsitzen-der der Sektion, Dir. Ignaz Mattis wird zum Ehren-vorsitzenden ernannt.

1924 Beschluss zur Errichtung der Salmhütte so-wie zur Herstellung einer AV-Karte „SchladmingerTauern“ (Kartograph Sektionsmitglied Hans Rohn).Rege Vortrags- und Tourentätigkeit. Zwei Sonderzü-ge zu Schneeberg bzw. Hohe Wand ausverkauft, Rein-ertrag kommt dem Baufonds zugute. Mitgliedsbeitrag pro Person und Jahr 60.000 Kronen(= nach heutiger Kaufkraft rd. € 18,60). 911 Mit-glieder berichten über insgesamt 8684 Touren.

1925 Nach der Währungsreform beträgt der Mit-gliedsbeitrag S 12,– (entspricht ca. € 34,–)

1928 Die Salmhütte ist fertig gestellt und weist be-reits 582 Nächtigungen auf. Die Gesamtkosten be-tragen S 119.101.68, nach heutiger Kaufkraft etwa€ 330.000,–/4,540.000,– Schilling. Die Finanzie-rung des Hüttenbaus erfolgt zum Teil durch Ausgabevon 2000 Stück „Darlehensscheinen“ à S 25,– (heu-te € 70,–/950,– Schilling), wovon jährlich 200 Stückincl. 5 % Zinsen durch Verlosung zurückgezahlt wer-den. Der 1919 gegründete Verein der „Turner-Berg-steiger“ schließt sich als hochtouristische Gruppe derSektion Wien an. Plan einer Seilbahn auf den Dach-stein aus der Ramsau wird vom Alpenverein alsSchändung des Landschaftsbildes bekämpft.

1929 Im 25. Jahr des Bestehens der Sektion wirddie Salmhütte am 7. Juli 1929 feierlich eröffnet. Er-ster Vorsitzender ist Franz Rudolf Juschitz. Die Sek-tionskanzlei erhält einen Telefonanschluss. Die 25. o.HV am 13. 12. beschließt den Kauf eines Hütten-bauplatzes und „gleichzeitig im Prinzip den Bau ei-ner neuen Dr.-Josef-Mehrl-Hütte“.

1930 8. März Festabend zur Feier des 25-jährigenBestandes der Sektion Wien. Eröffnung des

Feierliche Einweihung der Salmhütte am 7. Juli 1929

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Wienerwald-Alpenvereinsheimes Ran-zenbach gemeinsam mit den SektionenAustria und Wiener Lehrer. Weih-nachtsaktion für 20 Kinder armer Ein-wohner von Heiligenblut. Mit Wirkung1.1.1931 treten der Österreichische

Touristen-Klub und der Österreichische Gebirgs-Ver-ein dem DuÖAV als Sektionen bei.

1932 Ehrenvorsitzender Ignaz Mattis übernimmtwieder die Leitung der Sektion.

1933 Auf der Reiteralm bei Pichl an der Enns wirdeine bewirtschaftete Schihütte gepachtet. Sie bietet22 Personen Platz und befindet sich in einem schö-nen Tourengebiet.

1934 Im Jänner Gründungsversammlung der„Jungmannschaft“ (für 18- bis 25-Jährige).1000-Mark-Sperre Deutschlands bringt empfind-lichen Rückgang auch im Alpin-Tourismus. Bitte andie Sektionsmitglieder zum Besuch der eigenen Hüt-ten, um dem Ausfall zu begegnen. Ab Juni neuerSchriftleiter für die „Nachrichten“. In einem Rück-blick zur Vereinsgeschichte wird von 38 Gründungs-mitgliedern berichtet, das Protokoll über die Grün-dungsversammlung belegt jedoch 23 Personen. Abder September-Nummer der „Nachrichten“ werdenim Erscheinungsdatum die altdeutschen (germani-schen) Monatsbezeichnungen verwendet. In einer a.o. HV am 14. September wird bei Anwe-senheit von 48 Mitgliedern einstimmig der Bau derDr.-Josef-Mehrl-Hütte beschlossen. In der 30. o. HVwird die Giglachseehütte in „Ignaz-Mattis-Hütte amGiglachsee“ umbenannt.

1935 Am 6. Oktober wird die neue Dr.-Josef-Mehrl-Hütte eröffnet. Baukosten S 115.483,– (=nach heutiger Kaufkraft € 330.000,– bzw. 4,540.000Schilling).30 Jahre Sektion Wien – 25 Jahre Hütte am Giglach-see.Der Weg Salmhütte – Stockerscharte wird begehbargemacht. Eine Denkschrift richtet sich mit Einwen-dungen gegen Projekte im Bereich der Franz Josefs-Höhe am Großglockner (Straße in die Gamsgrubeund Seilbahn auf den Fuscherkarkopf). SchlechterBesuch der Salmhütte wird nicht nur auf ungünstigesWetter, sondern auch auf die 1000-Mark-Sperre zu-rückgeführt. Auf der Dr.-Josef-Mehrl-Hütte kosten„ein Bett samt Beleuchtung und Heizgebühr für AV-Mitglieder S 2,50 (ca. € 7.20), Vollpension, 3 Mahl-zeiten S 4,50 (ca. € 13,–), Verpflegung für Tourenge-her, Frühstück und Abendessen S 2,80 (ca. € 8,10)“.

1937 Schwacher Hüttenbesuch im Sommer 1937.In den „Nachrichten“ wird der Beschluss des Aus-schusses mitgeteilt, „den Zwang zur Berichterstat-tung für die Mitglieder“ (d.h. die Verpflichtung, jähr-lich einen Tourenbericht zu liefern), „fallen zu las-sen“; für die HG „Turner-Bergsteiger“ bleibt derjährliche Fahrtenbericht weiter verbindlich.Die österreichische Lichtbildstelle des DuÖAV (früherLaternbildstelle – Laternbild=Diapositiv) ist seit1919 in der Sektion Wien untergebracht und wird vondieser verwaltet. Sie umfasst 10.000 Bilder, hievon

Kleinglockner 1935

Kletterer in den 30ern

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können ca. 9.000 für Vortragszwecke etc. entliehenwerden.

1938 Die April-Ausgabe der damals monatlich er-scheinenden „Nachrichten“ befasst sich in sehr zu-stimmender Weise mit den Ereignissen („Anschluss“)des März 1938. Der DuÖAV wird gleichgeschaltet,heißt nunmehr Deutscher Alpenverein, gliedert sichin Zweigvereine („Zweig Wien des DAV“) und istGlied des Deutschen Reichsbundes für Leibesübun-gen. Zahlreiche Alpine Gesellschaften treten demDAV bei. Eingehende Würdigung der Verdienste deslangjährigen Sektions- und Ehrenvorsitzenden IgnazMattis zu dessen 70. Geburtstag.

1939 Die „Nachrichten“ werden auf A5-Formatreduziert; sie enthalten keine Werbungen mehr, son-dern nur Sachmitteilungen. Für eine „Reichs-Auto-bahnverbindung Nord-Süd“ wird bereits eine Unter-tunnelung des Katschberges, St. Michael/Lungau –Rennweg/Liesertal geplant.

1940 Neue Einheits-Satzungen für den DAV undseine Zweigvereine. Der „Vereinsführer“ (früher Sek-tionsvorstand bzw. Vorsitzender) ist nicht mehr zuwählen, sondern nur vorzuschlagen, da er von derGauleitung bestätigt werden muss. Eine allgemeineMitteilung besagt, dass die Abgabe eines markenfreienBergsteigeressens auf allen AV-Schutzhütten für dienächste Zukunft gesichert erscheint. Hiezu werdenHülsenfrüchte, Suppenkonserven und Haferflockenin ausreichendem Ausmaß zur Verfügung gestellt.

1941 Die „Nachrichten“ erscheinen, teils aus Man-gel an Papier, nur mehr fallweise.

1944 Im November erscheint das letzte Exemplarder „Nachrichten“ vor dem Kriegsende.

1945 Über die verworrenen Verhältnisse zuKriegsende, die Sektion betreffend, sind keine Unter-lagen vorhanden. Im November verfügt das Innen-ministerium die Auflösung des Alpenvereines und sei-ner Zweige, Beschlagnahme aller Vermögenstitel (v.a.

der Hütten) und Einsetzung von Liquidierungsaus-schüssen. Ein mehrjähriger Rechtsstreit folgt. Die be-hördliche Wiederzulassung des AV und seiner Sektio-nen dauert mitunter bis in die ersten 50-er Jahre.

1946 10. Februar: Gründungs-HV des OEAV, derden ehemaligen Sektionen empfiehlt, ebenfalls eineNeugründung zu veranlassen. Nachdem die zustän-digen Wiener Behörden mit Beschluss vom 21. Sep-tember 1946 die Sektion Wien als Verein zugelassenhaben, wird „zur konstituierenden Versammlung am7. November 1946 von einem Proponentenkomiteeeingeladen“, das ist gleichzusetzen mit dem Wieder-erstehen der Sektion Wien. 23. November: Grün-dungsversammlung des Landesverbandes Wien; imVorstand u.a. Ing. Josef Schattauer, Sektion Wien.

1947 Am 16. April wird die vormals selbständigeBergsteigergilde „Bergland“ als „Hoch-touristischeGruppe Bergland“ der Sektion Wien eingegliedert.Die Mitglieder der ehemaligen HG „Turner-Bergstei-ger“ werden eingeladen, sich der HG-„Bergland“ an-zuschließen und folgen diesem Aufruf. Am 18. Junifindet die Gründungsversammlung der Jugendgrup-pe (14–21 Jahre) statt.

1948 Berichte in den „Nachrichten“ zeugen „voneiner regen Tätigkeit, von einer Aufbruchstimmungderer, die den Krieg gut überstanden hatten und je-ner vielen jungen ambitionierten Bergsteiger, die neuin die Alpingesellschaft hineinwachsen.“

1949 Bei Saalbach wird die Wirtsalmhütte fürSelbstversorger gepachtet.

1950 Gemeinsamer Kanzleidienst in der Rahlgas-se mit den OEAV-Sektionen „Bergheimat“, „Edel-raute“, „Reichenstein“, „Steinnelke“ und „Voisthaler“mit täglichen Bürostunden, auch samstags. Im Februar Gründung des Dachverbandes VAVÖ – Ver-band Alpiner Vereine Österreichs. Elf Berg- und Schi-tourenfahrten werden ausgeschrieben. Mitglieder derHG-„Bergland“ und der Jungmannschaft sind imÖsterreichischen Bergrettungsdienst tätig.

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HG-„Bergland“-Mitglied Louis Lachenal (Frank-reich) ersteigt mit Marcel Herzog den ersten Acht-tausender, die Anapurna.

1951 Mit der Eintragung des Hüttenbesitzes derSektion in den zuständigen Grundbüchern ist dienach 1945 entstandene Situation der Unsicherheitbereinigt.Zu Ehrenmitgliedern werden ernannt: Heinrich Dimand-Pohl für seine Verdienste um die Salmhütte,die er nach dem plötzlichen Tod des Hüttenwirtes inden schwierigen Kriegs- und Nachkriegsjahren 1944–1948 vor Plünderung und Zerstörung sicherte. Hans Rohn, Kartograph, Schöpfer der 1924 von derSektion Wien herausgegebenen AV-Karte der Schladminger Tauern. Die „Nachrichten“ erscheinen mit 7–8 Folgen proJahr; darin Berichte über Berg- und Expeditionsfahr-ten, fast auschließlich von Mitgliedern der HG-„Berg-land“; sie zeigen den Nachholbedarf und die alpini-stische Aufbruchstimmung der Nachkriegsjahre. Re-ges Vortragswesen.

1952 Viele Touren, vor allem Tagesfahrten werdenausgeschrieben. Rekordjahr auf der Dr.-Josef-Mehrl-Hütte: 5707 Nächtigungen.

1953 Tod des Ehrenvorsitzenden Ignaz Mattis. Erwar Erster Vorsitzender 1908–1922 und 1932–1945.

1954 80 % der Mitglieder sind ab 1947 beigetre-ten. Sektion Voisthaler hat ihren Sitz nicht mehr inder Rahlgasse.

1955 50 Jahre Sektion Wien – Die „Nachrichten“bringen einen Rückblick zur Vereinsgeschichte, ver-fasst vom Ersten Vorsitzenden Josef Schattauer.

1962 Ing. Ferdinand Schattauer, 2. Vorsitzenderseit dem Wiedererstehen der Sektion nach dem Zwei-ten Weltkrieg, wird Erster Vorsitzender. Für die Hüt-tenerhaltung sind – teils wegen behördlicher Auflagen– große Mittel nötig. Die Volkstanzgruppe Enzian fin-det ihre Heimat in der Sektion Wien.

1963 Tod des Ehrenvorsitzenden Josef Schattauer.Mitglied seit 1906, Erster Vorsitzender 1923–1928und 1945–1962, Ehrenmitglied 1956. Er hat sichu.a. um den Wiederaufbau der Sektion nach 1945größte Verdienste erworben.

1964 Beginn von Sanierungsarbeiten auf der Ignaz-Mattis-Hütte, (Sanitäranlagen, Kläranlage, zu-sätzlicher Schlafraum) Fertigstellung 1966.

1966 Naturkatastrophen verursachen mehr alsS 60.000,– Schaden an Wegen und Steiganlagen inden Arbeitsgebieten der Sektion. Hohe Druck- undVersandkosten zwingen dazu, den Umfang der„Nachrichten“ zu reduzieren und das Erscheinen aufvier Mal pro Jahr zu beschränken.

1967 Prälat Dr. Alois Wildenauer gestorben; Sek-tionsmitglied von 1909–1929. Im Gebiet der Dr.-Josef-Mehrl-Hütte gibt es bereits einige Liftanlagen.

Julfeier Peilsteinhaus 1951

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1968 Die OEAV-Sektion „Bergheimat“, seit 1923bestehend, bisher ebenfalls in der Rahlgasse „behei-matet“, löst sich auf und schließt sich als Gruppe derSektion Wien an.

1970 65 Jahre Sektion Wien – In den „Nachrich-ten ein Rückblick zur Vereinsgeschichte, verfasst vonNorbert Biely.

1973 Hohe Aufwendungen für die Instandhaltungder Hütten, v.a. Dr.-Josef-Mehrl-Hütte (Heizung, Mo-dernisierung der Trinkwasserversorgung und Abwas-serbeseitigung).

1974 Aktive Jugendgruppe mit 56 Mitgliedern.Wieder hohe Aufwendungen für die Hütten, Ignaz-Mattis-Hütte – neues Dach, Salmhütte – neuer Kü-chenherd (per Hubschrauber), Dr.-Josef-Mehrl-Hüt-te – Anschluss an das Stromnetz bedingt auch um-fangreiche Leitungsverlegungen in der Hütte.

1975 70 Jahre Sektion Wien. Die „Nachrichten“bringen einen Rückblick zur Vereinsgeschichte, ver-fasst von Norbert Biely. OEAV-Sektion „Stuhlecker“nimmt ihren Sitz in der Sektionskanzlei.

1976 Aufrechterhaltung des Hüttenbetriebes wirddurch erforderliche Instandsetzungs- und Moderni-sierungsarbeiten von Jahr zu Jahr schwieriger (Ver-kehrserschließung, Behördenauflagen, Kostensteige-rungen). Gruppe Bergheimat löst sich auf. OEAV-Sektion Edelraute, mit bisherigem Sitz in der Rahl-gasse, tritt als Gruppe der Sektion Austria bei.

1977 Keinprechthütte – bisheriger Pachtgrundwird käuflich erworben; Pläne zur Erweiterung derHütte sowie für Sanitär- und Kläranlage.

1978 Dkfm. Friedrich Wagner, Kassier seit 1949,Hüttenwart der Dr.-Josef-Mehrl-Hütte, wird zum Eh-renmitglied ernannt. Tod von Norbert Biely. Er war 53 Jahre AV-Mitglied,Schriftleiter der „Nachrichten“ und Vortragsreferent,ausgezeichneter Kenner und gewissenhafter Chronist

alpiner Leistungen. Als Leiter der HG-„Bergland“hat er es verstanden, Kontakte zu berühmten Berg-steigern in aller Welt herzustellen und den Gedankender „Europäischen Seilschaft“ zu verwirklichen. Mitvielen Beiträgen in den „Nachrichten“ beschrieb erdie großen bergsteigerischen Leistungen von „Berg-land“-Mitgliedern. Auch ist seine Artikelserie „Wa-rum Sektion ,Wien‘?“ in den „Nachrichten“ hervor-zuheben (fünf Fortsetzungen ab Folge 3/1962); nacheinem Rückblick auf die Aktivitäten der Sektion seitder Gründung folgt eine detaillierte Auflistung dervielen hervorragenden Bergsteiger unserer Sektionund ihrer – soweit aus den Tourenberichten bekann-ten – Bergfahrten, darunter sehr viele Allein- undErstbegehungen.Pläne für einen Nationalpark Schladminger Tauern –unsere Ignaz-Mattis-Hütte und Keinprechthütte wür-den in der Kernzone liegen. Abschluss von Erweiterungsarbeiten an der Keinprechthütte.

1979 Eine sehr aktive Jugendgruppe schreibt 20 Sektionstouren aus. Mit dem Tod von Norbert Biely ist das Referat der HG-„Bergland“ verwaist, esfinden sich in den „Nachrichten“ keine Mitteilungenmehr über diese überaus aktive und alpinistisch er-folgreiche Gemeinschaft. Zu den von der Sektion vor-gelegten Erweiterungsplänen für die Ignaz-Mattis-Hütte stellen die Anrainer unerfüllbare Forderungen.Aus den „Nachrichten“ ist ersichtlich, dass die OEAV-Sektion Stuhlecker ihren Sitz nicht mehr in der Rahl-gasse hat.

1980 75 Jahre Sektion Wien. Die „Nachrichten“bringen einen Rückblick zur Vereinsgeschichte, ver-fasst vom Ersten Vorsitzenden Ferdinand Schattauer.Für Sanierungsarbeiten an der Salmhütte sindS 700.000,– erforderlich, die auch in den folgendenJahren aufgebracht werden können.

1982 Erste Baustufe auf der Salmhütte (teilw. Fenstererneuerung) durchgeführt.

1983 Neue Vereinsleitung: Dr. Hermann Gottfriedwird Erster Vorsitzender. Der langjährige Erste

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Vorsitzende Ferdinand Schattauer wird für seine Ver-dienste um die Sektion zum Ehrenvorsitzenden er-nannt. Walter Wunderlich, der viele Jahre die Ignaz-Mattis-Hütte und die Keinprechthütte betreute, er-hält die Ehrenmitgliedschaft verliehen. Aus den„Nachrichten“ geht hervor, dass die OEAV-SektionSteinnelke ihren Sitz nicht mehr in der Rahlgasse hat.

1984 Umwelt- und Naturschutzfragen nehmen anBedeutung zu. In den „Nachrichten“ erscheinen ent-sprechende Artikel. Ab Folge 1/84 tragen die „Nach-richten“ ein neues Logo.

1985 80 Jahre Sektion Wien. Die „Nachrichten“bringen einen Rückblick zur Vereinsgeschichte, ver-fasst von Dr. Friedrich Kant.

1987 Ehrenvorsitzender Ferdinand Schattauerwird 80 Jahre.

1989 Die Jungmannschaft berichtet über ihre Ak-tivitäten. Umfangreiche Bau- und Instandhaltungsar-beiten für die Ignaz-Mattis-Hütte, Salmhütte und Dr.-Josef-Mehrl-Hütte geplant. Hohe Auflagen der Ge-werbebehörde für die Mehrlhütte bedingen kostenin-tensive Investitionen. Zubau zur Mattishütte beginntmit neuerlichen Schwierigkeiten durch die Anrainerund erfordert viel Verhandlungsgeschick seitens derVereinsleitung. Für die Salmhütte wird ein kleinesWasserkraftwerk zur Energieversorgung geplant.

1990 Nebengebäude zur Ignaz-Mattis-Hütte fertiggestellt; Pflanzenkläranlage wird errichtet. Neube-wirtschaftung der Salmhütte bringt frischenSchwung: Die Gaststube ist raucherfreie Zone. An-stelle des Kleinkraftwerkes wird eine Photovoltaik-anlage geplant.

1991 Plan für den Ausbau der Keinprechthütte.

1992 Mag. Walter Hauer wird Erster Vorsitzenderder Sektion Wien. Karl Hammer stirbt 83-jährig. Erwar langjähriger Hüttenwart der Dr.-Josef-Mehrl-Hütte und „Seele der Sektionskanzlei“. Dr.-Josef-Mehrl-Hütte ist Versuchsstation des OEAV für ARA-Systeme (Abwasser-Reinigungs-Anlagen im Gebir-ge); technische Beschreibung in Folge 3/1992. Photo-voltaik-Anlage auf der Salmhütte läuft im Vollbe-trieb. Teure Sanierungsarbeiten auf der Keinprecht-hütte nötig. Erfolgreiche Abfallentsorgungsaktion imNationalpark Hohe Tauern, auch im Leitertal, demEinzugsgebiet der Salmhütte.Der Hauptausschuss des OEAV beschließt, dass sei-ne Funktionäre keine politischen Mandate annehmendürfen (Unvereinbarkeitsklausel).

1993 Pflanzenkläranlage auf der Ignaz-Mattis-Hütte ist fertig gestellt; Entsorgung einer Mülldepo-nie im Hüttenbereich durchgeführt (ArbeitsgruppeHermann Gottfried). Der Weg von der Salmhütteüber die Hohenwartscharte auf den Großglockner istneu gesichert.

1994 Zweiter Teil der Müllentsorgung im Bereichder Ignaz-Mattis-Hütte – 250 Säcke Müll werden perHubschrauber abtransportiert; behördliche Bewilli-

Mattishütte, Aquarell, H. G.

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gung für diePflanzenkläran-lage.

199590 Jahre SektionWien, mit einemRückblick zurVereinsgeschich-

te in den „Nachrichten“. Aufruf in den „Nachrichten“zur Diskussion eines neuen Leitbildes für die künfti-ge Tätigkeit der Sektion.

1996 Hans Sassmann, einer der treuesten Mitar-beiter, Leiter der „Turner-Bergsteiger“, langjährigerTouren- und Bücherwart, stirbt 95-jährig.

1997 Ehrenvorsitzender Ferdinand Schattauerstirbt 90-jährig. Er war Mitglied seit 1928, zweiterVorsitzender nach dem Zweiten Weltkrieg und von1962 bis 1983 Erster Vorsitzender und hat in jahr-zehntelanger Arbeit äußerst erfolgreich und ver-dienstvoll für die Sektion gearbeitet.

1998 Umfangreiche Investitionen auf der Ignaz-Mattis-Hütte – teilweise durch Behördenauflagen be-dingt – erfordern rd. eine halbe Million Schilling.

1999 200 Jahre erste Salmhütte. Erfolgreiche „Fa-milienwoche“ auf der Ignaz-Mattis-Hütte.

2000 200 Jahre Erstersteigung des Großglockners.

2001 Unumgängliche Sanierungsarbeiten undVerbesserungen auf der Keinprechthütte erfordern

1,5 Mio. Schilling. Familie Zechmann auf der Kein-prechthütte sowie Familie Keinprecht auf der Ignaz-Mattis-Hütte feiern das 30-Jahr-Jubiläum als Päch-ter auf „ihren“ Hütten.

2002 Berichte über Bergaktivitäten unserer Jüng-sten (Kinderwochenende etc.).

2003 Ein neuer Stützpunkt befindet sich nunmehrin 1170 Wien, Neuwaldegger Straße 33. Am gleichenOrt eröffnet Sektionsmitglied Dr. Willi Nefzger eineKletterhalle. Rahlgasse bleibt aber weiterhin Sitz derSektion. Installation einer Homepage: www.alpenverein-wien.at.

2004 Neuer Pächter auf der Ignaz-Mattis-Hütte;Mathias Keinprecht übernimmt von seinem Vater dieBewirtschaftung. Leichter Mitgliederzuwachs: NachJahren des Rückganges bzw. der Stagnation ist dieMitgliederzahl auf 962 angewachsen.

Altlastentsorgung beider Mattishütte

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Hochtouristische Gruppe„Bergland“ der SektionWien des OEAV von Jutta OLT

In der Zeit des kräftigen Wachstums der Sektion Wienund ihres hervorragenden bergsteigerischen Rufesschließen sich vielfach extreme Bergsteiger in Grup-pen und Gilden zusammen. So entstehen z.B. im Jahr1918 die „Kameradschaft vom Berge“, 1919 die„Turnerbergsteiger Wien“ und 1925 die „Hochtouris-tische Gruppe“. Letztere schlossen sich 1928 zur„H.G. Turnerbergsteiger“ zusammen.1929 wird die „Bergsteigergilde Bergland“ von Ludwig Trittenwein gegründet. Sie stellte sich die Auf-gabe, „friedlich die Weltberge zu erobern“ und dieinternationale Bergkameradschaft zu pflegen. Stren-ge Aufnahmebedingungen begrenzte die Zahl der Mit-glieder, die aber bergsteigerisch besonders hochquali-fiziert waren. Die Gruppe stützte sich von Anfang anauf persönliche Freundschaften und bergsteigerischeKameradschaft. Besonders nach dem 2. Weltkriegentwickelte man den Begriff der „europäischen Seil-schaft“. Gerade in dieser von Beschränkungen jeg-licher Art geprägten Zeit ermöglichten Kontakte undFreundschaften mit ausländischen Bergsteigern erstBergfahrten in die Dolomiten und die Westalpen. Ei-ner, dem die internationale Zusammenarbeit be-sonders wichtig war und der sich dafür mit Feuereifereinsetzte, war der „Bergländer“ Matthias Rebitsch.Eine bedeutende Persönlichkeit in der Entwicklungeiner Kontaktgruppe in Italien war Otto Eisen-stecken, in Frankreich war Lionel Terray der Mannder ersten Stunde. Später folgten Louis Lachenal,

Gaston Rébuffatund viele andere.So entstanden imRahmen der Gruppeeine Anzahl von„Kameradschaften“in den verschieden-sten RegionenÖsterreichs und imAusland. In derSchweiz entstand eine Gruppe unter der Leitung vonRuedi Schmid. In der Steiermark organisierte NorbertHausegger die Vereinigung, in Tirol Fritz Stadler,später Franz Lorenz. In Oberösterreich war Bruno Wintersteller, als „Einbeiniger“ eine Bergsteigerle-gende, eifrig für die H.G. tätig. In Niederösterreichfanden sich die „Schwarzataler“ unter Hans Lindner

Die Mitgliederliste der „H.G. Bergland“ liest sich wiedas „Who is who“ des österreichischen und interna-tionalen Bergsteigens. Es finden sich Namen wie:

Sepp BrunhuberHermann BuhlRené DesmaisonToni EggerHans GsellmannPeter HabelerToni HiebelerKlaus HoiHeinrich HolzerToni KinshoferEduard KoblmüllerHermann KöllenspergerLouis Lachenal

Helga LindnerRudolf LindnerRaimund MargreiterReinhold MessnerSilvia MetzeltinWolfgang NairzAlbert PrechtGaston RébuffatMathias RebitschMartin SchließlerLeo SchlömmerMichel Vaucher,um nur einige zu nennen.

Das Emblem der „HochtouristischenGruppe Bergland“

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zusammen. Walter Grutschnig sammelte eine Grup-pe in Salzburg um sich, während in Wien Hans Leeseine Jugendgruppe aufbaute. In den frühen 50er Jah-ren war Lees dann 1. Vorstand der „H.G. Bergland“,bevor er schließlich in die USA auswanderte.

Zur Geschichte:Bis 1936 war die „Bergsteigergilde Bergland“ eineselbständige Vereinigung. Die Selbständigkeit endetezuerst durch die autoritäre Gleichschaltungspolitikdes Ständestaates. 1936 wurde die Gilde durch die„Österreichische Turn- und Sportfront“ als Klubge-sellschaft in die Sektion „Österreichischer Touristen-klub“ des D.u.Ö.A.V. eingefügt.1939 schließlich wurde sie in die Bergsteiger-Vereini-gung des DAV übergeführt.1945, nach Zerstörung fast des gesamten Besitzes,löst sich die Gemeinschaft auf, doch im Jahr 1946 fin-det die Gruppe wieder zusammen und konstituiertsich neu unter dem 1. Vorsitzenden Otto Moog, demin den nächsten Jahren Alexander Suoch und RudolfFaux folgen.Es besteht nun eine enge, auch personelle, Verbin-dung zur Sektion Wien des Ö.A.V. Viele Mitglieder derH.G. arbeiten im Vereinsvorstand mit. In diesem Zu-sammenhang einige Namen: Norbert Biely, GustavNefzger; R. Hamburger, Rudolf Kapanek, Karl Ne-kula, Hans Sassmann, Ferdinand Schattauer, WalterWunderlich. Die Sektion Wien unterstützt die H.G.sowohl durch Bereitstellen von Raum in ihren Nach-richten für Mitteilungen, Ankündigungen und Erleb-nisberichte, als auch durch finanzielle Zuschüsse inForm von Fahrtenbeihilfen.1947 erfolgt dann die Eingliederung der Gruppe„Bergland“, vorerst als juristisch selbständige Hoch-touristische Gruppe, in die Sektion Wien des OEAV.Das Abzeichen der Bergsteigergilde, drei silberneEdelweißsterne auf schwarzem Grund, bleibt erhal-ten. 1949 wird die juristische Selbständigkeit schließ-lich aufgegeben.

Die TätigkeitDie Tätigkeit der „H.G. Bergland“ lag im Wesent-lichen in folgenden Bereichen:

● hochalpines Bergsteigen,● Expeditionsbergsteigen (Teilnahme an nationalenund internationalen Expeditionen und Organisationvon eigenen Expeditionen wie z.B. nach Spitzbergen,in den Taurus u.a.),● alpine Publikationen und Vortragswesen,● Bergrettungswesen

Ein wesentliches Mittel der Kommunikation warenvon Anfang an detaillierte Tätigkeitsberichte. Von1929 bis 1939 erschienen jährliche Jahresberichte.Nach dem 2. Weltkrieg führte man diese Traditionmit bescheidensten Mitteln mit einer kurzen Zu-sammenfassung der Jahre 1940–1946 weiter. Ab1947 gab es wieder Jahresberichte im Jahresabstand,ab 1959 im zweijährigen Rhythmus, schließlich inunregelmäßigem Abstand (1958/60, 1961/64,1965/69).Der letzte Jahresbericht für die Jahre1970–73 erschien im November 1975. Darüber hin-aus erschienen regelmäßig Mitteilungen und Erleb-nisberichte in den Nachrichten der Sektion Wien.Seit 1955 stand die H.G. Bergland unter der hervor-ragenden Leitung von Dipl. Ing. Norbert Biely. Er warauch lange Jahre überaus engagiert als Schriftleitertätig. Für ihn war das Wissen um die vereinsge-schichtliche Vergangenheit und die Tätigkeiten imVerein zusammen mit der Vermittlung dieses Wissenseine wesentliche Voraussetzung für die Erhaltung derGemeinschaft. Diesem Grundsatz folgte er mit de-taillierten Jahresberichten, der Veröffentlichung einerFülle von Erlebnisschilderungen und der Organisa-tion zahlreicher Vorträge.Als Biely 1978 stirbt, findet sich kein Nachfolger. Esgibt keine Berichte der „H.G. Bergland“ mehr, undschließlich verliert sich ihre Spur. Die „H.G. Berg-land“ war von Anfang an eine Gruppierung, die sichnicht so sehr als gesellige Vereinigung gesehen hat,sondern die vorrangig in gemeinsamen Unterneh-mungen und persönlichen Freundschaften gelebt hat.Diese wurden wohl weiter fortgeführt. Der zentraleZusammenhalt im Rahmen der Sektion Wien aber istmit dem Tod von Norbert Biely zerfallen.

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Die Kletterkurse der Jungmannschaft in denJahren 1968 bis 1976

von Gerhard SCHATTAUER

Im Jahre 1967 war die Vereinsleitung bemüht, der Ju-gend Bergsteigerausbildung mit hohem Niveau anzu-bieten. Aus der H.G. Bergland fanden sich zwei Spit-zenalpinisten, Rudi Kapanek und Hans Hofmann,die bereit waren, der Jugend ihr Können weiterzuge-ben und dabei die eigene Bergsteigerkarriere hintan-zustellen.Das Ausbildungsprogramm sah 6 Wochenenden inden Kletterbergen Peilstein, Hohe Wand undRax/Schneeberg vor. Es wurde Anfang März, oft beiwinterlichen Verhältnissen, mit dem Klettern begon-nen und schon nach kurzer Zeit zum 3. und 4.Schwierigkeitsgrad übergegangen. Die jungen Kurs-

teilnehmer waren durchwegs mit Begeisterung dabeiund in manch abgefeimter Platte hing einer in ver-zweifelter Stellung und strahlte über das ganze Ge-sicht. Ein wichtiger Teil der praktischen Ausbildungwar die Rettungstechnik mit dem Stahlseilgerät undmit jenen Hilfsmitteln, die ein Kletterer normaler-weise mit sich trägt. Unter der Woche gab es Kursezur Ersten Hilfe, Lawinenkunde u.a. Die Krönung je-des Kletterkurses war eine mehrtägige Abschlusstourin hochalpinem Gelände.Die Abschlusstouren führten in die Triebener Tauern– Gamskögelgrat, zum Dachstein – HochkesselkopfSüdwestverschneidung, ins Gesäuse – PlanspitzeNordwestwand, Kalbling Südgrat, in die JulischenAlpen – Hornweg auf den Jaluz, zum Hochschwab –Schartenspitze u.a.Als Kursleiter konnte Rudi Kapanek die Teilnehmer,nicht zuletzt durch seine Ausstrahlung, so motivieren,dass ein erstaunliches Niveau der Ausbildung erreichtwerden konnte.

Bei einer anderen Gelegenheit, es war der 15. Febru-ar 1969, wurde im Zuge des Kletterkurses eine Erst-begehung durchgeführt. Wegen dichten Schneefallssuchte der Kletterkurs Unterstand in der Naglhöhle

Ernst Mühl und Rudi Kapanek 1969

So geht etwa aus dem Tourenbuch der Jungmann-schaft hervor, dass am 4. und 5. Mai 1968 auf derRax folgende Touren von 12 Kursteilnehmern begangen wurden:

Wiener Neustädter Weg 3–4Badstubenkante 4Wachthüttelturm West 4 +Unmittelbarer Lechnermauernkessel 4–5Lechnermauernverschneidung 4

Palagruppe, Schleierkante,Rudi Kapanek 1968

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auf der Hohen Wand. Zur Aufwär-mung wurde die senkrechte Nagl-wand (V+) erstiegen, wobei daswichtigste Gerät ein Bartwisch war,der zum Ausputzen der verschneitenGriffe eingesetzt wurde. Die Tour istim ÖTK-Hohe Wand Führer unterNr. 63 beschrieben.Es ist sicher dem „Gspür“ und derUmsicht von Rudi Kapanek zu ver-danken, dass bei den gut dreihun-dert, teilweise recht anspruchsvollenTouren, kein Unfall passiert ist. Es sind aber mehrmalsin unserer unmittelbaren Umgebung andere Bergstei-ger in größten Schwierigkeiten gewesen und der gan-ze Kurs hat sich als Bergrettungstrupp bewährt:Am 2. Juni 1968 war der Kletterkurs frühmorgensmit 15 Personen im unteren Teil der Südverschnei-

dung der Großen Bischofsmütze imDachsteingebirge unterwegs. Hochdarüber in der gleichen Tour eineZweierseilschaft von „Alten Hasen“.Beim Überhang in Ausstiegsnähehielt sich der Führende von den bei-den an einem großen Ringhaken an,der aus Altersschwäche sofort aus-brach. Der Führer stürzte, alle Si-cherungen und den Seilzweiten mit-reißend, senkrecht nach unten. Aufunsere große Gruppe kam eine kra-

chende Lawine von Steinen und Körpern zu. Nur einWunder konnte helfen, und das trat auch tatsächlichein: Das Kletterseil, mit dem die beiden Unglück-lichen verbunden waren, verfing sich an einem win-zigen Felsvorsprung, die Kletterer wurden, im senk-rechten Fels hängend, gehalten, und die Steine ver-

fehlten unsere Gruppe, die so gut es ging,Deckung gesucht hatte. Wegen der Steil-heit des Geländes hatten die beiden Klet-terer keine Knochenbrüche, aber sie wa-ren ziemlich angeschlagen, ihre Kleidungwar zerrissen und sie hatten einen schwe-ren Schock. Unsere Gruppe konnte nun die erlernteRettungstechnik unter praktischen Bedin-gungen erproben.Zwei Stunden später standen die Abge-stürzten dann, zwar etwas steif, aberimmerhin aufrecht, vor der Hofpürgel-hütte, jeder mit einem Krügel Bier in derHand, und freuten sich ihres Lebens. Obsie dann eine Runde ausgegeben haben,ist in der Chronik nicht vermerkt.

Blick von der Großen Zinne,Uschi Schattauer 1971.

Jaluz, Hornweg 1973

Mojstrovka Westgrat, Wlach, Weil,Kapanek, Mühl 1973

Hohe Wand, Naglwand, Hans Hoffmann 1969

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Erinnerungen einesVereinsvorsitzenden

von Hermann GOTTFRIED

Ich blicke auf mein Bücherregal. Vor mir lehnen Wan-derkarten, Kletterführer, Tourenbücher aneinander.Ich nehme ein Tourenbuch zur Hand, beginne darinzu blättern und meine Gedanken wandern zurück invergangene Zeiten.„Gründungsversammlung Habichtsklub 5.7.1970“steht geschrieben rund um ein Gipfelfoto vom Habicht, dem östlichsten Dreitausender der StubaierAlpen. Als junger Lehrer am Technologischen Ge-werbemuseum in Wien war ich mit einer Gruppe vonSchülern und meinem Kollegen Leo Bianchi in denSommerferien in meine geliebten Berge aufgebro-chen. Ich wundere mich heute, mit welcher Unbe-kümmertheit ich diese jungen Burschen, die zum er-sten Mal hochalpines Gelände betraten, über Ha-bicht, Pfaff und Zuckerhütl führte. In den folgendenJahren – ich hatte mittlerweile bei Fritz Moravec amMoserboden eine Ausbildung zum Tourenwart fürBergsteiger absolviert – brachen wir jeden Sommerfür ein bis zwei Wochen in die Berge auf. Unsere Wege führten quer durch die Alpen, vom GroßenSonnleitstein in Hinternaßwald bis nach Zermattaufs Matterhorn. Wir bestiegen mit Schiern Großvenediger und Hocharn, erkletterten den Watze-Ostgrat und entka-men am Nadelgrat bei Saas Fee gerade noch recht-zeitig einem Wettersturz. Unsere Allerheiligenwande-rungen führten uns durch die Fischbacher Alpen,durch die Mariazeller Berge und vom Dreisesselberg

nach Sandl im Wald-viertel. So mancherHeustadl wurde uns zueinem romantischenNachtquartier. Ich lese in meinem Tourenbuch einenBericht aus dem Jahr 1972 und die Erinnerung er-wacht in mir, als wäre es gestern gewesen:

Tiroler SommerAlpinwoche Obergurgl/Ortler 2.–11. Juli 1972, 13 Teilnehmer

Wo sich der herbere Norden Tirols verabschiedet undman schon den Hauch sonniger Vintschgauer Wein-hänge zu verspüren meint, liegt das Gurgler Eisjoch.Viel Schnee liegt hinter uns und konditionsschaffen-de Spurarbeit; auch jetzt, da wir auf der JochhöheMittagsrast halten, steht in manchem Gesicht die An-strengung geschrieben, die uns mehrere Stunden langin knietiefer Schneeauflage am Gurgler Ferner ab-verlangt wurde. Eine Woche waren wir in Obergurglzu Hause: Schnee am Hangerer, Schnee am Granatenkogel, das Ramolhaus noch geschlossen,das Hochwildehaus gesperrt, Wächten am Ramol-kogel und nur am Festkogel Nordgrat warmer Klet-terfels. Aber wir gehören schließlich nicht zu jenen,die nur das Sonntagsgesicht der Berge vertragen.Heute jedenfalls strahlt die Ferne, es scheint uns, alswären wir im Zentrum der Welt, unser Blick reicht vonder Hochwilde über den Lodner und die Salurnspit-ze bis weit ab zum Ortler und wir wissen noch nicht,dass uns auch dieser in einigen Tagen, nach verhei-ßungsvollem Winken während des Aufstiegs zur Pay-erhütte, mit Schnee bewerfen und zum Rückzug zwin-gen wird.

Am Gurgler Eisjoch, R. Leeb, K. Pristernik 1972

Zurück vom Stüdlgrat,Leo Bianchi,

Reinhard Kares 1973

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Peter Rainer, Konrad Pristernik, Bernhard Wiltscheund Reinhard Kares waren die Stützen unseres Habichtsklubs. Sie besuchten erfolgreich die Touren-warteausbil-dung und wur-den zu verläss-lichen Seil-schaftsführern.Mit viel Freudeerinnere ichmich auch andie Kindergrup-pe, die ich 1973gründete: Siehießen Bergfin-

ken und gingen damals in die Volksschule. Mit gro-ßer Begeisterung und erstaunlicher Ausdauer stiegensie auf die Berge, spielten an Gebirgsbächen, bewun-

derten Pflanzen und Tiere. Für mei-nen ältesten Sohn, Michael, damalsacht Jahre alt, wurde diese Zeit rich-tungsweisend. Heute ist er beruflichals Vegetationskundler in EuropasBergen, bald auch in Übersee unter-wegs, um den Klimawandel anhandvon Standortsveränderungen derPflanzen dieser Regionen zu untersu-chen. Vor allem im Gebiet unsererHütten in den Schladminger Tauernund in den Nockbergen verbrachtendie Bergfinken erlebnisreiche Alpin-wochen. Auch Wanderungen durchdie Wiener Hausberge und so man-che romantische Höhlenfahrt stan-den am Programm. Elisabeth Fichte-nau, Irmgard Hausleitner und Wolf-gang Kölbl waren damals fröhlicheund umsichtige Begleiter der Kinder-gruppe, die sich schließlich bis in dieStubaier Gletscher und zum uraltenSilberbergwerk St. Martin amSchneeberg nahe dem Timmelsjochvorwagte.

VereinsvorsitzVon Ingenieur Ferdinand Schattauerübernahm ich zu Beginn der achtzi-ger Jahre die Leitung eines in jederHinsicht vorbildlich geführten Ver-eins. Da gab es die Vereinskanzlei in

„Bergfinken“ am Lisenser Fernerkogel, Stubaier 1974

Peter Rainer am Nadelgrat,Blick zum Dom, 1973

In der Reintaltropfsteinkluft, Kon-rad, Andi, Gabi, Hermann 1973

Matterhorngipfel, Kares, Gottfried 1973

Am Nordwaldkamm bei Haslach 1973

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der Rahlgasse, umsichtig betreut vonFrau Wagner und von Frau Dr. Kant.Da waren die Hüttenwarte Michel,Bernhard und Wunderlich, die sorgsamüber Hütteninventar, Wegenetz und Fi-nanzgebahrung wachten, den Kontaktvon Pächtern und Anrainern herstell-ten. Die „gestrengen“ Kassiere Dkfm.Wagner und später Herr Wiltschekstanden in gesundem Spannungsver-hältnis zu den Dotierungswünschen derHüttenwarte und hielten mit eisernerHand die Sektionsfinanzen im Lot. Ich erinnere michauch an Herrn Sassmann, einen bis ins hohe Alter ak-tiven Bergsteiger. Er war stets ein wacher Beobachterdes Sektionsgeschehens, der unserem Verein auch ei-nen ansehnlichen Geldbetrag vererbte.

MitarbeiterEinige dieser bewährten Vereinsstra-tegen konnte ich in meine Amtszeitübernehmen, neue kamen hinzu, eini-ge davon ehemalige Schüler des Tech-nologischen Gewerbemuseums: Gün-ter Kirschenhofer, der die Traditionder gestrengen Sachwalter für Finan-zen übernahm, Walter Hauer, Hüt-tenwart der Salmhütte, Peter RainerBergsteigerbetreuer und Hüttenwart,Bernhard Weiländer, Betreuer derJungmannschaft und Gründer derGruppe „Freizeit aktiv“. Aber auchandere Mitarbeiter konnten gewon-nen werden, was in Zeiten, in denenEhrenamtlichkeit etwas aus der Mode

gekommen war, gar nicht so selbstver-ständlich schien. Peter Huber, bis heute tatkräftiger undkompetenter Hüttenwart für Keinprecht-und Mattishütte. Jutta Olt und Karl Spru-zina, die unsere reichhaltige Vereinsbi-bliothek auf dem neuesten Stand hielten.Annelies Hanna und Frau Dr. Vetterlein,die für verschiedene Agenden, unter an-derem Umweltschutz zur Verfügungstanden. Herr Schiller, schon zur ZeitIng. Schattauers ins Vereinsleben einge-

bunden, sorgte für Kontinuität in der Führung unse-rer Volkstanzgruppe Enzian und nahm sich auch ei-ne zeitlang der Mehrlhütte an. Herr Fuchs, bis heutein der Sektion tätig, war zusammen mit Herrn Nefzger langjähriger Rechnungsprüfer für die finan-

ziellen Jahresabschlüsse der Sektion,Herr Gerhard Schattauer, der Sohndes ehemaligen Vorsitzenden, liefer-te wertvolle Sacharbeit bei der Er-stellung von Umbauplänen unsererHütten, betreute Bauverhandlungenund stand der Sektion mit Rat undTat zur Seite. Eines Mitarbeitersmöchte ich besonders gedenken:Herr Karl Hammer. Zuständig unteranderem für die Betreuung der Dr.-Josef-Mehrl-Hütte, war er zu meinerAmtszeit das Faktotum des Sek-tionsheimes. Kam als erster, ging alsletzter, sorgte für Heizung, Gemüt-lichkeit und menschliche Wärme. Erbetreute die Jahreshauptversamm-lungen der Sektion, nahm sich aller

Die „Bergfinken“ auf derSteirischen Kalkspitze1973

Ötscher, Rauher Kamm 1972

Karl Hammer liest

Hohenwartscharte 1979

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Dinge an, die zwischen den verschiedenen Kompe-tenzen liegen blieben. Der Sektionsbetrieb wurde zuseinem Lebensinhalt.

Unsere WirtsleuteWas wären Schutzhütten ohne gute Bewirtschafter. Esgehört zu den schönsten Erlebnissen der Bergsteige-rei, wenn man abends, müde von einer Tour in dieSchutzhütte zurückkehrt und das Gefühl hat, wiederdaheim zu sein. Ich erinnere mich an das freundlicheLächeln des Alfred Tockner, wenn er uns das Bier anden Tisch brachte, als wir müde vom Königsstuhloder dem Lausnitzsee in die Mehrlhütte zurückge-kehrt waren und an den herrlichen Apfelstrudel vonMarlene. Oder an den lustigen Abend nach einerStüdlgratbegehung am Großglockner, wenn ErnstlMühl in der Salmhütte seiner Zieharmonika fröhlicheWeisen entlockte, während Frau undTochter nebenan in der Küche köst-liches Essen fabrizierten. Ich meineheute noch den würzigen Ge-schmack des Zirbenschnapses aufder Zuge zu spüren, mit dem unsKarli Zechmann begrüßte, als wirvon der Zinkwand auf die Kein-prechthütte zurückkehrten. Eben sogerne erinnere ich mich an ReinhardKeinprecht und sein Team auf derIgnaz-Mattis-Hütte.

Verbindung zum GesamtvereinAls Sektionsvorsitzender bekam ichauch Kontakt zum Gesamtvereinmit dem unvergesslichen Luis Ober-

walder an der Spitze. Er hat den Verein – naturver-bundener Bergsteiger, der er ist – behutsam von einerZeit der Alpenerschließung in eine Epoche des Schut-zes und der Erhaltung unserer Bergwelt geführt, wasangesichts alter Kraftwerksbauerseligkeit so mancherMitglieder nicht immer einfach war. Wir „besetzten“das Dorfertal in Osttirol, um einen gigantomanischenKraftwerksbau zu verhindern, der den Iselfluß undviele andere Osttiroler Gewässer zu Krüppeln ge-macht hätte. Ich saß auch eine Nacht lang, in derHainburger Au und konnte den aufkeimenden Na-turschutzgedanken bei den jungen Leuten von da-mals beobachten. Wir freuen uns, zu den Pionierendes Nationalparks Hohe Tauern zu gehören und amNationalpark Donau-, March-, Thayaauen mitge-wirkt zu haben. Das nimmermüde Engagement desKameraden Hasslacher im Glocknergebiet ist mir in

unvergesslicher Erinnerung und HerrNavara, engagierter Kämpfer in denDonauauen, wurde später der Schöp-fer unserer Pflanzenkläranlagen beiMehrl- und Mattishütte. Bei der Mattishütte führten wir eine umfang-reiche Sanierung der Mülldeponien imHüttenbereich durch. Wenn heutekaum ein Tourist, wohl kaum auchein Hüttenwirt Felsspalten und Alm-mulden als Depot für Altbatterien,Plastiksäcke, Getränkedosen und der-gleichen missbraucht, zeigt das ambesten den Gesinnungswandel unsererUmwelt gegenüber, der damals inbreitem Ausmaß in Gang kam. Auchan den Wiener Sektionenverband mit

Keinprechthüttenfest 1983 Lisi, Markus und Michael, Schladminger Tauern 1983

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seinem Vorsitzenden, Herrn NorbertJaksch, denke ich gerne zurück: VieleAlltagsprobleme unseres Vereins konn-ten hier besprochen und vielfach gelöstwerden.Zuletzt gehen meine Gedanken zurückzu jener denkwürdigen Rede von Viktor Frankl anlässlich der Hundert-jahrfeier der Sektion Austria in derWiener Hofburg. Mit welch versöhnen-den Worten er jener unseligen Zeit ge-dachte, in der viele Bergkameraden ih-rer jüdischen Abstammung wegen ausdem Alpenverein verstoßen wurden.Tränen standen den meisten von uns inden Augen, als er erzählte, dass dasLetzte, das er vor den NS-Schergen im

Konzentrationslager Auschwitz erret-ten konnte, sein Alpenvereinsabzei-chen war. Ich bin glücklich, dass ich inmeiner Zeit als Sektionsvorsitzendermiterleben und dazu beitragen durfte,den Alpenverein in eine neue Zeit zubegleiten, die Altlasten sowohl mate-rieller, als auch geistiger Natur aufge-arbeitet und weitgehend entsorgt hat.Ebenso froh aber bin ich, dass meineMitarbeiter von früher den Verein er-folgreich weiterführen, durch ihre Kin-dergruppe für Kontinuität sorgen unddamit dem unschätzbaren Lebens-raum Alpen den Stellenwert bewah-ren, der ihm in unserer schnelllebigenZeit zukommt.

H. Gottfried, P. Rainer am

Großwandgipfel,Gosaukamm 1982

Däumlingkante,Gosaukamm

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Als Jahrgang 1912 gehöre ich zu jenen Zeitgenossen,deren Leben durch eine „brutale“ Besetzung und ei-ne „friedliche“ Befreiung besonders stark beeinflusstwurde. In meinem Fall waren es auch viele Zufälle.Ein glücklicher Zufall war es, dass mich Herr Kunertbeim Schifahren auf der Norwegerwiese für den Al-penverein geworben hat. Er führte die Jungmann-schaft. Das war eine Gruppe junger Burschen ver-schiedener Herkunft. Zwei meiner liebsten Kamera-den waren Walter Krapf und Sepp Tolowitsch. Walter machte mir die erstenStahlkanten für die Schi.Walter, Sepp und Kunertüberlebten den 2. Weltkriegnicht.

Heimabende und BergfahrtenHeimabend war am Mitt-woch. Geklettert wurde inden Kletterschulen des Wie-nerwaldes und am Peilstein.Die Peilsteintouren begannenan der Zonengrenze derTramway, um Fahrgeld zusparen. Am Samstag wurde inder Peilsteinhöhle geschlafen.Am Sonntagvormittag wurdegeklettert. Am Nachmittagfolgte der Rückmarsch nachWien, der uns manche Fuß-blase bescherte. Wenn imWinter Schnee lag, gab es auf

den Wienerwaldwiesen Massenbetrieb. Wir machtenda auch gelegentlich Rettungsdienst. Im Frühjahrwurden Fahrten zum Schneeberg unternommen.Transportmittel für Mann und Ausrüstung war dasFahrrad. Das erforderte eine ausgeklügelte Montagefür Schi, Stöcke und Rucksack. Man musste ein we-nig o-beinig treten.Die großen Bergfahrten im Sommer und die Schi-bergfahrten führte Herr Kunert. Materiell unter-stützte die Sektion diese Fahrten. Eine Teilnahme

wäre sonst für die meisten ausfinanziellen Gründen – man-che waren arbeitslos – nichtmöglich gewesen. Die größte Bergfahrt war wohldie Durchquerung der HohenTauern, bei der wir die wich-tigsten Gipfel erstiegen. Fort-setzung war die Kletterfahrt indie Lienzer Dolomiten. Aufden Hütten gab es Hüttengau-di. Kunert kannte eine MengeLieder, auch solche mit defti-gen Texten, die er bei Hütten-abenden vortrug. Bei Berg-und Schifahrten waren auchScherze und kleine Bosheitenüblich. Beispielsweise Ein-schmuggeln von Steinen in ei-nen Rucksack; Einstauben dermit Klister firntauglich ge-machten Schi mit Asche, wenn

Erinnerungen eines alten Mitglieds von Walter MOCNIK

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sie nicht bewacht wurden;Brausepulver in die Nachttöp-fe.Etwas unerwartet war fürHerrn Kunert folgende Bege-benheit: Bei der Karlsbader-hütte in den Lienzer Dolomitengibt es einen ganz kleinen See.Damals ragte eine Schneezun-ge in den See hinein. Wenn ei-ner über den See schwimmenwürde, wäre das eine PortionHüttenschmarren wert, ver-sprach Kunert. Die gesamteMannschaft schwamm. Daskostete zehn Schmarren.

Brenzlige SituationenEs gab auch brenzlige Situationen: Mit Walter lag ichbei einem heftigen Gewitter am Dachsteingipfel in ei-ner Felsspalte. Ein unfreiwilliges Biwak auf einerSchitour wurde mit einer Gefährtin dank guter Aus-rüstung in einem luftigen Schafstall gut überstanden.Im Gebirge wird manches verloren und gefunden.Mein Berghut, der Jahrzehnte meinen Kopf vor denWetterunbilden schützte, war ein Fundstück. Für dieZahnbürste hingegen, die wir am Olymp fanden, wä-re der Eigengebrauch bedenklich gewesen.In der Sektion gab es auch eine Mädchengruppe, dieHerr Schubert betreute. Sie hatte zur gleichen Zeitwie die Burschen Heimabend, was Folgen hatte: Eswurden zarte Bande und Seilschaften geknüpft. Miteiner Seilpartnerin, mit der ich später durch das Bandder Ehe verbunden wurde, unternahm ich Kletter-touren im Dachsteingebiet. Wir bestiegen unter an-

deren die Große und die KleineBischofsmütze.

Schwere ZeitenBeruf und Krieg waren auchfür uns eine schwierige Zeit. ImHerbst 1945 konnten wir unterBedingungen heiraten, auf dieein Vers von Wilhelm Buchpasst: „Sie hat nichts und dudesgleichen ...“. Wir hatten zu-nächst andere Sorgen als Berg-steigen. Erst 1955 konnte ichmein Versprechen einlösen,meine Frau auf den Großglok-

kner zu führen. In den Jahren danach waren wir un-ter anderem auch auf der großen Zinne. Wir gehenimmer noch nach Obertauern Schifahren. Das Autohat die Verkehrsmittel Rad und Bahn abgelöst. Quar-tier ist nicht mehr eine entlegene Hütte. Das Autobringt uns direkt vor die Haustür der Pension Tauernblick, in der wir Stammgäste sind. Steighilfensind nicht mehr Klebefelle, sondern bequeme Lifte.Abfahrten erfolgen nicht mehr im Tiefschnee, son-dern auf flacheren, bestens präparierten Pisten. Dakönnen auch die Alten noch Schifahren.

DankZum Schluss ein Dank den vielen Idealisten, die sichder Jugend annahmen und annehmen. Eine verant-wortungsvolle Aufgabe, die bei Bergfahrten auch Ris-ken hat. Zu danken haben wir aber auch jenen, dieFunktionen im Verein übernahmen und übernehmen,und damit die Traditionen des Alpenvereins bewah-ren helfen.

Walter Mocnikmit seinem Enkel

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Erinnerungen an Hans und Steffi Sassmann

von Willy NEFZGER

Eine Jubiläumsschrift der Sektion Wien darf nicht oh-ne Gedenken an zwei wunderbare Menschen bleiben,deren Leben den Bergen und dem Verein gewidmetwar.Hans Sassmann, Geburtsjahrgang 1901, kam mit denTurnerbergsteigern im Jahr 1928 zur Sektion Wien.Als ausgezeichnetem Turner und Bergsteiger gelangenihm trotz geringer Körpergröße Touren, die damalsnoch der Elite vorbehalten waren, u.a. FleischbankOstwand Dülferweg. Er war auch angesehenes Mit-glied des Öst. Alpenklubs. Bei den bis zum Jahr 1938

von den T.B.W. ausge-tragenen Schimeister-schaften auf der Gassel-höhe bei der Reiteralm,wo die Sektion Wien1933 eine Schihütte ge-pachtet hatte, fand manihn immer auf den vor-deren Plätzen, währendbei den Damen Steffi,damals noch SteffiWöll, regelmäßig dieLorbeeren einheimste.Hans und Steffi wurdenein unzertrennlichesPaar fürs Leben. Einerwar ohne den anderennicht mehr vorstellbar.

Die Sektion Wien war für sie Heimat, wo sie Freun-de und Bergkameraden fanden. Hans widmete einengroßen Teil seiner Freizeit dem Verein, lange Jahrewar er zuverlässiger Tourenbetreuer und Bibliothe-kar. Wenn ich an die Sektion Wien meiner Jugenddenke, assoziiere ich Sektion Wien mit Rahlgasse undmit Hans Sassmann.Bereits als Kind, aber auch später als Erwachsenerwar es für mich immer ein freudiges Erlebnis, wennHans und Steffi auf Besuch kamen oder wir gemein-sam eine Berg- oder Schitour unternehmen konnten.Beide konnten stundenlang Geschichten erzählen, mitVorliebe beim Bergaufgehen, während den anderenschon allein vom Gehen die Luft ausblieb. Man be-kam nie genug von ihren launigen Erzählungen undErlebnissen aus früheren Zeiten.Hans war der positivste Mensch, dem ich je begegnet

Hans Sassmann, Julfeier, 30er Jahre

Karlsbader Hütte, 30er Jahre

Das Leben führt seltsame Wegedie Menschen im irdischen Seinwir haben die glücklichsten Stundenin den Bergen gefunden. H. S.

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bin. Stets gut gelaunt, steckte sein mitreißendes La-chen jeden an. Er konnte sich auch köstlich über ei-gene Schwächen amüsieren. Wir haben auf Videonoch eine Aufnahme von ihm, wo er uns tränenla-chend erzählt, wie er, damals schon fast 90-jährig, ei-nes Tages mit dem Fahrrad, noch dazu mit dunklenSonnenbrillen, versehentlich ins FKK-Gelände in derLobau geriet, dann am nächsten Tag, um nicht wie-der in falschen Verdacht zu geraten, eine andereStrecke wählte und sich diesmal über die vielen ihmfreundlich zuwinkenden Autolenker wunderte, bis erentdeckte, dass er sich mit dem Fahrrad auf der Auto-bahn befand.Hans blieb bis ins hohe Alter sportlich aktiv, wenn erauch Steffi zuliebe, die in ihren letzten Lebensjahrennicht mehr in die Berge konnte, einige Jahre trotz gu-ter körperlicher Verfassung auf bergsteigerische Tä-tigkeiten und Schifahren verzichtete. Er begann nach1984 trotz mehrjähriger Pause wieder mit Schifahrenund angesichts seines Alters nicht unbeachtlichenBergtouren. So machte er noch mit 86 Jahren alleineeine Kammüberschreitung von der Mödlingerhütte

Richtung Zei-ritzkampl, mus-ste dabei aber inder Gegend desBlasenecks bi-wakieren. ZumGlück fand ereine gerade inBau befindlichen Almhütte wo er sich durch ein mitBaubrettern angefachtes offenes Feuer am Betonbo-den der Hütte vor dem Erfrieren rettete, allerdingsfast eine Rauchgasvergiftung erlitt. Ein direkter Ab-stieg durch unwegsames steiles Gelände brachte ihnins Johnsbachtal zurück. Und das im Alter von 86 Jahren.Seine letzten Jahre waren nicht leicht, trotz aller Be-schwerden war er aber immer freundlich und gedul-dig; vor allem dankbar für die aufopfernde Pflege vonFrau Weigel, verstarb er 1996 im 95. Lebensjahr.Hans und Steffi Sassmann – in Abänderung eines ausReader’s Digest entliehenen Ausdruckes – zwei Men-schen, die man nicht vergisst.

Letztes Rennen der T.B.W. 1938

„Alt wern ma, jung bleibn ma!“ 1988 Steffis Geburtstag 1983

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Aus dem Tourenbuchvon HANS SASSMANN* 17. 8. 1901 in Wien, + 17. 8. 1996 in Wien

Viele Jahrzehnte kam man bei einem Mittwoch-Be-such in der Rahlgasse um eine Person nicht herum:Hans Sassmann. Als Bücherwart war er ein fixer Be-standteil der Sektion, immer freundlich, auskunfts-freudig und zum Erzählen von alpinen Erlebnissenbereit. Sein großes Wissen verdankte er vor allem dereigenen Aktivität. Von seiner ersten Tour auf die Raxim Jahre 1917, bis weit in die 60er und 70er Jahreherauf erstreckt sich das Tourenverzeichnis dieseserstklassigen Bergsteigers. Viele klassische Bergfahr-ten, die bis heute einen sehr guten Klang haben, fin-den sich darin, von der Schleierkante bis zur Fleisch-bank Ostwand, vom Steinerweg bis zur Hochtor-nordwand. Unzählige Drei- und Viertausender im Wallis, Bergell,Montblanc und in praktisch allen Zentral- und Ost-alpengebieten, sind ebenso verzeichnet, wie sämtlicheklassischen Dolomitenklettereien. Als begeisterterSchitourengeher graste er mit seinen Freunden vonder Sektion Wien, den Reichensteinern und den Tur-ner-Bersteigern vor allem die Niederen Tauern, aberauch Ortler und Stubaier ab. Ausgezeichnet wurdedieses intensive Bergsteigerleben durch die Aufnahmein den „Österreichischen Alpenklub“.Seine sorgfältig verfassten Tourenbücher geben Aus-kunft nicht nur über seine persönlichen Erinnerun-gen, sondern sind auch ein Stück alpiner Zeitge-schichte.

Reinhard Wolf (der die Tourenbücher von H. S. aufbewahrt)

7.–8. 9. 1919 RAX„Vom Gr. Höllental wo wir genächtigt hatten zogen wirschon um 3.15 los, um über Katzenkopf – Zimmer –Speckbacher Hütte – Preiner Wand – Ludwig Haus dieKahlmäuer zu erreichen. Über das Inthaler-Band stiegein Teil ab, der andere über das Gamseck. Bei SchrufNächtigung.Am nächsten Tag um 6 Uhr Abmarsch zum WildenGamseck, über dieses weiter zum Ludwighaus. Nachkurzer Rast über Bismarcksteig zur Preinerwand, denMalersteig hinunter und über Bachingerbrünnl –Großau nach Payerbach. Zug im letztzen Moment er-reicht....“

5. 5. 1929 RAX„Ein trauriges Ereignis war der eigentliche Grund un-serer Fahrt. Dr. Heinrich Pfannl, unser altverehrterPräsident des ÖAK war am 1. Mai gestorben und heutefand das Leichenbegängnis in der Prein statt. Wir...gingen über den Unteren und Oberen Zimmersteig aufdas Plateau und gelangten über dieses und über diePreinerhütte in die Prein zum Begräbnis....“

6.–7. 7. 1929 ADMONTER REICHENSTEIN„Als ich am Freitag abends allein von Wien wegfuhr,hatte ich die Absicht am nächsten Tag irgendwo zufaulenzen, oder auf den Tamischbachturm zu gehen.Da traf ich Peterka in der Bahn. Er fuhr auf die Gofer-hütte als Hüttenwart und lud mich ein mitzukommen.Dort gäbe es herliche Platzeln und er wollte auch nurfaul sein. ... Nachdem wir krampfhaft versucht hattenbei Milch und Hüttenarbeit die Berge nur als „Umge-bung“ zu betrachten, kamen wir doch um 10 Uhr zuder Ansicht, dass es für eine kleine Rekognoszierungnicht zu spät sei. Aus der „Umschau“ wurde allerdings

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im späteren Verlauf eine Begehung der NW-Wand, ei-ner teilweise brüchigen, aber ganz hervorragend schö-nen Wand...“ (Abstieg über Zsigmondyweg)“

13.–15. 8. 1933 DACHSTEIN SÜDWAND„....Stockdunkel war es noch, als wir fröstelnd vor Käl-te und Spannung im Laternenschein den Weg zurWand hinüberstolperten. Als ich später am Schnee denHammer herausnehmen wollte, baute ich zwei schöne,neue Karabiner an. Um 6.45 stiegen wir ein. Die Schu-he blieben unten. Der 2. und letzte hatten je einenleichten Rucksack..... Jeder Meter, jede Seillänge führteuns in schönem und festem Fels höher, dass man fort-während jubeln könnte vor Freude und die Schwierig-keiten schwanden scheinbar unter diesen herrlichenGriffen und Tritten dahin....Wer Genuss will, Klettereiin herrlichstem Fels, eine Kletterei, bei der man sichdes Lebens freut, wer das erleben will was wir fühlten,als wir nach 8 Stunden frohen Schaffens am Gipfelstanden, der gehe den Steiner-Weg“....

4. 3. 1934 GASSELHÖHE ABFAHRTSLAUFDER T.B.W. (Turner-Bergsteiger-Wien)„Zum 3. und letzten Mal stiegen wir vom Sportzugkommend von Pichl zur Reiteralm an, um den Besitzdes Schulteis-Pokals zu erkämpfen. Das heißt, ich sag-te mir fest, daß es für mich das letzte Mal sein müßte,denn ich wollt ihn morgen unbedingt gewinnen. An-dern Tags gabs Betrieb. Die braven Schladminger mar-kierten ausgiebigst, um dem herrschenden Nebel zu be-gegnen. Scharfe Konkurrenz gaben diesmal die Ram-sauer Gäste ab, die – 3 an der Zahl – erschienen: Hei-ner Perner, der Toni und Wieser, welch letzterer auchdie beste Zeit fuhr. Mir gelang es, mich noch hinter derbesten Tageszeit zu postieren und so tatsächlich den

Pokal zu gewinnen. Meine Freude war sehr groß, mehraber freute sich noch Steffi, die sich hinter Steiner tap-fer gehalten und nach mir noch den zweiten Platz be-setzte. Das war wirklich ein großer Triumph für unszwei und der Tag ein voller geselliger Erfolg derT.B.W.“

1. 5. 1944 MONTE CELIO„Mit Kirchmeyer und Schöpf, zwei jungen Kameraden,erhielt ich vom Spieß die Erlaubnis einen Gipfel beiMonte Celio – der Name mir unbekannt – zu ersteigen.Es ist ein leicht erreichbarer Mugel mit Triangulierungund Steinmann. Am Weg dorthin kamen wir an einerWeide mit zahlreichen Maultieren vorbei, die von denItalienern hier wahrscheinlich versteckt gehalten wur-den. Der Aufstieg dauerte 4-5 Stunden von Monte Celiound ich war sehr glücklich, wieder „Bergluft nachfreier Wahl“ atmen zu können...“

2. 2. 1947 EISERNES TOR„Die Möglichkeiten sind sehr gering zum hinauskom-men und so haben wir die Ziele kleiner geschraubt. Esgeht jetzt mit Straßenbahn nach Inzersdorf, mit Bad-ner Bahn nach Leesdorf, dann zu Fuß nach Baden undauf das Eiserne Tor, Rückweg nach Mauer. HerrlichsterSchnee, Wetter nicht gut.“

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Erinnerung an einen groß-zügigen Bergkameraden

von Fritz KREYSLER

Ein Bericht über einen Erbfall, welcher der SEKTIONWIEN ganz schön unter die Arme gegriffen hat.

„Hast Du schon gehört? Wir sollen geerbt haben!“„Unmöglich; wer vererbt schon einer Sektion etwasaußer Schulden!“ „Kennen wir den Erblasser über-haupt?“ „Ich nicht; aber Du vielleicht?“ „Das ist dochalles nur Blödsinn, nur ein Märchen.“ So schwirrte esvor einigen Jahren im Kreis der Aktiven und des Aus-schusses herum. JA, es ist wahr. So lasst mich also das„Märchen“ erzählen:

Es war einmal …

Es war einmal – so fangen alle Märchen an – ein jun-ger Mann. Nennen wir Ihn HANS. Nicht „Hans imGlück“, sondern einfach HANS. Er lebte in seinerHeimatstadt WIEN, die gerade kurz nach dem letz-ten großen Krieg in Europa aus allen Wunden blute-te. Ein junger Mann mit welchen Aussichten für einenerfüllten Lebensweg? Er war ungebunden, sportlichund sehr ordentlich. Er wollte beim Wieder-Aufbauseiner Heimat zupacken und mithelfen, dass in Öster-reich wieder Ordnung herrscht. So wurde er Polizist.In seiner Freizeit versuchte er die verschiedenstenSportarten. Am liebsten ging er Richtung Höhenstra-ße, Richtung Wiener Wald: bergauf! Viel weiter warzunächst nicht möglich. Aber dann machten es dieUmstände möglich und die Wiener Hausberge: HoheWand, Schneeberg und Rax riefen. Und HANS hörtesie. Die wirtschaftlichen Möglichkeiten waren fürHANS beschränkt und das Angebot des gerade wie-der erstehenden Alpenvereins mit seinen Hütten undpreiswerten Bahn- und Bustarifen war günstig. Sowurde er Mitglied der Sektion Wien.Seine besondere Liebe galt nach wie vor den WienerHausbergen, obwohl die Zeiten besser wurden undweitere Bergfahrten möglich wurden. Meist ging er al-lein, denn er hatte zwar eine Schwester, aber sonst kei-

ne Partnerin. Bei seinen Wanderungen begann er zuden Bergen zu sprechen, und die Berge sprachen zuihm. Als es ihm in späteren Jahren besser ging, mach-te er Reisen in außereuropäische Gebirge und lerntedie Berge der ferneren Welten kennen und brachte zurErinnerung viele Photos mit, die ihn in seiner Woh-nung dann an die fernen Bergfahrten erinnerten.Als HANS anlässlich seines 40. Sektionsjubiläums ei-ne Urkunde und das Jubiläumsabzeichen überreichtbekam, zeigte er es stolz seiner Schwester. Diese,ebenfalls wie HANS ohne Partner machte ihm einenVorschlag: „Wenn wir eines Tages nicht mehr seinwerden, und das kann sehr plötzlich und unerwartetschnell geschehen, sollten wir vorher mit unserenDingen Ordnung geschaffen haben. Wie sollten unsgegenseitig als Vorerben einsetzen und als Nacherbendann deine Sektion.“ „Du hast so vernünftige Ideen,liebe Schwester. Weißt Du, so was Ähnliches habenmir die Berge, als ich das letzte Mal auf der Rax warauch zugeraunt.“ Also wurde Ordnung geschaffen.Viele Jahre vergingen seither, und HANS ging weiterins Gebirge. Er war inzwischen einsam geworden,denn seine Schwester hat diese Welt längst verlassen.HANS war inzwischen Pensionist und konnte nunauch wochentags seinen Freuden nachkommen undweit bekannte Steige der Wiener Hausberge ohne Wo-chenendtrubel begehen. Vor etwa zwei Jahren trafHANS im Stiegenhaus ein fröhliches Nachbarskindund verabschiedete sich mit einem Scherz für einenTag ins Gebirge. So leise wie er Mitglied unserer Sek-tion wurde, verabschiedete er sich auch und hinterliesuns alles, was er erarbeitet und erspart hat und ihmübrig geblieben war: eine einfache kleine, aber or-dentliche Wohnung und wie in Wien vielfach üblich,zwei Sparbüchl. Wie viel es war? Wen es interessiert,fragt halt den Kassier! Den Erzähler interessiert nur:es war alles das, was er nicht mitnehmen konnte.Die Sektion dankt beiden herzlichst für diese letzteGroßzügigkeit. Sie konnte ihre Hütten dank dieser ul-timativen Spende umfangreicher ausbauen. Und weilsie nun doch gestorben sind, leben HANS und seineSchwester in den Gedenken der Sektion weiter. Der ge-neigte Leser wird dann auf einer unserer Hütten eineGedenktafel finden und wissen: das Märchen ist wahr.

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100 Jahre Sektion Wien

Warum ich einige Zeit inder Rahlgasse verbrachte

von Fritz KREYSLER

Gleich nach meiner Pensionierung verbrachten wirmehrere Wochen entlang der Rocky Mountains underlebten mehr per Zufall als durch Planung eine Gra-duation, eine Uni-Abschlussfeier. Die Absolventen,mehrheitlich mit glasigen Augen dank nächtlicherParty, konnten kaum den Gedanken der Festredne-rin, einer in den USA sehr bekannten Politikerin, fol-gen: „GIVE YOUR DIVIDEND BACK!“ Es ist nun-mehr Zeit, der Gesellschaft das zurück zu geben, wassie in Dich bisher investiert hat!Ich weiß nicht warum, aber plötzlich bezog ich dieseAufforderung auf mich, den jungen Pensionisten undnicht lange später kam der Hilferuf der ehrenamt-lichen Mitarbeiter in den Sektionsnachrichten. ImMärchen vom „HANS“ habe ich mich zurückhaltenmüssen, nicht zu sehr autobiographisch zu werden.Aber wir beide haben in unserer Jugend viel vom Al-penverein und unserer Sektion gehabt. „HANS“ hatmehr als das gegeben – ich gab ein paar Jahre öftermal einen Mittwoch Nachmittag, wobei eine ganzeReihe von Mitgliedern mich kennen gelernt haben.

Das berührendste Erlebnis

Besonders berührende Erlebnisse in dieser Zeit warenTelephonate mit Jubilarinnen. Wie wir alle wissen,werden in unserer Sektion zur jährlichen Mitglieder-versammlung die Jubilare geehrt und dazu extraschriftlich eingeladen. Und zu Beginn meiner Tätig-

keit lebten noch mehrere alte Damen, die bereits kurznach Gründung der Sektion aktiv wurden. Sie woll-ten sich am Telephon bedanken, aber auch absagen:„… denn die Mühsalen des Alters … Sie wissen schon…“ Auch mein Vorschlag, wir würden gern Jubilaremit einem Auto abholen, fand keine Zustimmung.Aber auf einmal fing meine Gesprächspartnerin miteiner zarten, klaren Stimme von früheren Bergfahr-ten und Bergkameraden zu erzählen an, was in derSektion kurz vor und nach dem 1. Weltkrieg los war.Es waren Erinnerungen von „fast“ Gründungsmit-gliedern. Im Nu war eine halbe Stunde Telephonatrum und es war für mich klar: Die alten Mitglieder,bergerfahren und mit mittleren und größeren Fahr-ten in ihrem Tourenbuch, wollten sich nicht in derHinfälligkeit ihrer 90 Lebensjahre ihrer alten Sektionpräsentieren. Ab diesem Moment habe ich mit gro-ßem Interesse den Tourenberichten aus der Grün-dungszeit gelauscht.Ich wollte etwas der Sektion zurückgeben – und da-bei habe ich schon wieder etwas, diesmal reizendeEmotionen von der Gründungsgeneration, bekom-men.