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BLICKPUNKT TAG DES OFFENEN DENKMALS Alte Gemäuer ESSLINGEN: Tausende strömen zum Tag des offenen Denkmals –Eröffnung des Weinerlebnisweges Spannende Einblicke in sonst ver- schlossene Baudenkmäler und die offizielle Eröffnung des Esslinger Weinerlebnisweges haben gestern Massen in die Stadt gezogen. Bei herrlichem Wetter erkundeten Jung und Alt Pfleghöfe, Kirchen, den Di- cken Turm. Im Stadtarchiv und im Landesamt für Denkmalpflege ließen sich tiefere Erkenntnisse über die Ar- beit an der Stadtgeschichte sammeln. Von Gesa von Leesen Wer das Programm für den „Tag des offenen Denkmals“ vorab ge- nau studiert hatte und wusste, was er sehen wollte, musste noch vor 10 Uhr an der Stadtinfo sein, um sich kostenlose Eintrittskarten für bestimmte Bauten und Führungen zu besorgen. Schon davor war die Schlange ellenlang. „Es läuft her- vorragend“, bestätigte Michael Scheu von der Stadtinfo. Ganz vorne lägen die Turmführungen in der Frauenkirche und gleich da- nach die Besichtigung des Wolfs- tors. „Und das Stadtarchiv ist ja immer ein Dauerbrenner.“ Oberbürgermeister Jürgen Zie- ger dankte in seiner Eröffnungsrede allen ehrenamtlichen Helfern und Organisationen, die sich täglich um die historischen Baudenkmäler kümmern. Dieses Engagement dürfte in diesem Jahr doppelt ge- fordert gewesen sein, hatte die Stadt doch den Zuschuss zu dem Tag um die Hälfte auf 19 000 Euro gekürzt. Das bundesweite Motto des Denkmaltages passte also gut: „Gemeinsam Denkmale erhalten“. Nicht nur die Einzeldenkmäler stießen auf großes Interesse, auch die diversen Stadtführungen wa- ren voll. Architektin Christine Kei- nath erklärte, wie sich die Wahr- nehmung der Altstadt im Laufe der Jahrhunderte änderte. Im Mittel- alter war die Stadt ein Verspre- chen auf mehr Freiheit und per- sönlichen Aufstieg, mit der Indus- trialisierung stieg die Einwohner- zahl, die Stadtmauern verschwan- den, und es wurde viel gebaut. „Die besseren Schichten zogen auf die Hänge, in der Altstadt blieben die, die sich die Hänge nicht leis- ten konnten“, erzählte Keinath. Eng, dunkel und laut war die Alt- stadt, sodass in den 1920er-Jahren der Ruf nach „Licht, Luft und Sonne“ ertönte. Neue, großzügi- gere Stadtteile wie die Weststadt entstanden, und nach dem Zweiten Weltkrieg ging es darum, die auto- gerechte Stadt zu schaffen. „Wie überall“, sagte Keinath. Auch am Wahrzeichen der Stadt, dem Dicken Turm, versammelten sich die Neugierigen. Seit fünf Jah- ren ist der Turm geschlossen, in- zwischen hat die Stadt mit der „In- itiative Turmwächter“ ein Zu- kunftskonzept. Das stellte Finanz- bürgermeister Info Rust gemeinsam mit Petra Helmcke von den Turm- wächtern vor. „Die Stadt über- nimmt die Instandhaltung, der Um- bau für die Innennutzung muss durch Spenden finanziert werden“, sagte Rust. Insgesamt seien 2,5 Mil- lionen Euro nötig, um den Turm zu sanieren. Es wird also mehrere Jahre dauern, bis mal wieder eine Hochzeit oder eine Lesung Gäste in den Dicken Turm ziehen wird. 100 000 Euro investiert Ein Höhepunkt des Tages war die Eröffnung des Weinerlebniswe- ges, der hinter der Frauenkirche be- ginnt. Für 100.000 Euro – hälftig bezahlt von der Stadt und der Re- gion Stuttgart – wurden durch den Verein Staffelsteiger auf zwei Rou- ten Tafeln aufgestellt, die den Weinanbau in Steillagen erläutern. „Damit auch jüngere Leute ange- sprochen werden, lässt sich auf dem Weg das Smartphone einsetzen“, erklärte der OB und verwies auf die QR-Codes auf allen 20 Tafeln. „Die Steillagen des Weinbaus sind ein Alleinstellungsmerkmal der Region Stuttgart, die wir unbedingt erhal- ten müssen“, erläuterte Thomas Bopp, Vorsitzender des Verbandes der Region Stuttgart. Gemeinsam mit dem OB, der württembergi- schen Weinkönigin Mara Walz und Otto Rapp zog er das Tuch von der ersten Tafel. Der Weg war eröffnet. Otto Rapp, Vorsitzender des Staffelsteiger Vereins betonte die Bedeutung der Trockenmauern, die die Steillagen so besonders mach- ten. In den vergangenen drei Jah- ren hätten sie Staffelsteiger mehr als 600 Quadratmeter Sichtfläche wieder aufgebaut. Für die feierliche Eröffnung habe man keine Kosten und Mühen gescheut und sogar ex- tra einen Chor gegründet, so Rapp. Nachdem der „Morgens früh im kühlen Taue“ gesungen hatte, ging es in der Mittagshitze bis zur zwei- ten Tafel, wo Esecco sowie Antial- koholisches angeboten wurde und die Besucher gemütlich hocken so- wie schwätzen konnten. Oberbürgermeister Jürgen Zieger und Weinkönigin Mara Walz testen den Weinerlebnisweg. „Damit auch jüngere Leute angesprochen werden, lässt sich auf dem Weg das Smartphone einsetzen“, sagte der OB. Foto: Bulgrin Finanzbürgermeister Ingo Rust (rechts) erklärt, wie es mit dem Dicken Turm weitergehen soll – wenn genug Geld gesammelt wird. Foto: von Leesen

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EsslingEnMontag, 12. September 2016 Eßlinger Zeitung 11

Blickpunkt tag des offenen denkmals

alte gemäuerEsslingEn: Tausende strömen zum Tag des offenen Denkmals –Eröffnung des Weinerlebnisweges

Spannende Einblicke in sonst ver-schlossene Baudenkmäler und dieoffizielle Eröffnung des EsslingerWeinerlebnisweges haben gesternMassen in die Stadt gezogen. Beiherrlichem Wetter erkundeten Jungund Alt Pfleghöfe, Kirchen, den Di-cken Turm. Im Stadtarchiv und imLandesamt für Denkmalpflege ließensich tiefere Erkenntnisse über die Ar-beit an der Stadtgeschichte sammeln.

Von Gesa von Leesen

Wer das Programm für den „Tagdes offenen Denkmals“ vorab ge-nau studiert hatte und wusste, waser sehen wollte, musste noch vor10 Uhr an der stadtinfo sein, umsich kostenlose Eintrittskarten fürbestimmte Bauten und Führungenzu besorgen. schon davor war dieschlange ellenlang. „Es läuft her-vorragend“, bestätigte Michaelscheu von der stadtinfo. ganzvorne lägen die Turmführungen inder Frauenkirche und gleich da-nach die Besichtigung des Wolfs-tors. „Und das stadtarchiv ist jaimmer ein Dauerbrenner.“

Oberbürgermeister Jürgen Zie-ger dankte in seiner Eröffnungsredeallen ehrenamtlichen Helfern undOrganisationen, die sich täglich umdie historischen Baudenkmälerkümmern. Dieses Engagementdürfte in diesem Jahr doppelt ge-fordert gewesen sein, hatte diestadt doch den Zuschuss zu demTag um die Hälfte auf 19 000 Eurogekürzt. Das bundesweite Mottodes Denkmaltages passte also gut:„gemeinsam Denkmale erhalten“.

nicht nur die Einzeldenkmälerstießen auf großes interesse, auch

die diversen stadtführungen wa-ren voll. Architektin Christine Kei-nath erklärte, wie sich die Wahr-nehmung der Altstadt im laufe derJahrhunderte änderte. im Mittel-alter war die stadt ein Verspre-chen auf mehr Freiheit und per-sönlichen Aufstieg, mit der indus-trialisierung stieg die Einwohner-zahl, die stadtmauern verschwan-den, und es wurde viel gebaut.„Die besseren schichten zogen auf

die Hänge, in der Altstadt bliebendie, die sich die Hänge nicht leis-ten konnten“, erzählte Keinath.Eng, dunkel und laut war die Alt-stadt, sodass in den 1920er-Jahrender Ruf nach „licht, luft undsonne“ ertönte. neue, großzügi-gere stadtteile wie die Weststadtentstanden, und nach dem ZweitenWeltkrieg ging es darum, die auto-gerechte stadt zu schaffen. „Wieüberall“, sagte Keinath.

Auch am Wahrzeichen der stadt,dem Dicken Turm, versammeltensich die neugierigen. seit fünf Jah-ren ist der Turm geschlossen, in-zwischen hat die stadt mit der „in-itiative Turmwächter“ ein Zu-kunftskonzept. Das stellte Finanz-bürgermeister info Rust gemeinsammit Petra Helmcke von den Turm-wächtern vor. „Die stadt über-nimmt die instandhaltung, der Um-bau für die innennutzung muss

durch spenden finanziert werden“,sagte Rust. insgesamt seien 2,5 Mil-lionen Euro nötig, um den Turm zusanieren. Es wird also mehrereJahre dauern, bis mal wieder eineHochzeit oder eine lesung gästein den Dicken Turm ziehen wird.

100000 Euro investiertEin Höhepunkt des Tages war

die Eröffnung des Weinerlebniswe-ges, der hinter der Frauenkirche be-ginnt. Für 100.000 Euro – hälftigbezahlt von der stadt und der Re-gion stuttgart – wurden durch denVerein staffelsteiger auf zwei Rou-ten Tafeln aufgestellt, die denWeinanbau in steillagen erläutern.„Damit auch jüngere leute ange-sprochen werden, lässt sich auf demWeg das smartphone einsetzen“,erklärte der OB und verwies auf dieQR-Codes auf allen 20 Tafeln. „Diesteillagen des Weinbaus sind einAlleinstellungsmerkmal der Region

stuttgart, die wir unbedingt erhal-ten müssen“, erläuterte ThomasBopp, Vorsitzender des Verbandesder Region stuttgart. gemeinsammit dem OB, der württembergi-schen Weinkönigin Mara Walz undOtto Rapp zog er das Tuch von derersten Tafel. Der Weg war eröffnet.

Otto Rapp, Vorsitzender desstaffelsteiger Vereins betonte dieBedeutung der Trockenmauern, diedie steillagen so besonders mach-ten. in den vergangenen drei Jah-ren hätten sie staffelsteiger mehrals 600 Quadratmeter sichtflächewieder aufgebaut. Für die feierlicheEröffnung habe man keine Kostenund Mühen gescheut und sogar ex-tra einen Chor gegründet, so Rapp.nachdem der „Morgens früh imkühlen Taue“ gesungen hatte, ginges in der Mittagshitze bis zur zwei-ten Tafel, wo Esecco sowie Antial-koholisches angeboten wurde unddie Besucher gemütlich hocken so-wie schwätzen konnten.

ein teurer schatzEsslingEn: Experten diskutieren über die Zukunft der Frauenkirche – Einmotten oder öffentlich nutzen, raus mit den „Küchenbänken“, Bürger für die Bürgerkirche gewinnen

Von Barbara Scherer

Bei einer sache waren sich die Ex-perten in der gesprächsrunde zurZukunft der Frauenkirche einig:Die Kirche ist ein wahres Juwel.Und seit Kurzem ohne gerüst, dasseit 1994 um die Kirche stand. Aberdie Kirche verursacht Kosten, de-ren Ende nicht abzusehen ist.

Was also tun? Einmotten, öffent-lich nutzen? Eine stiftung ins lebenrufen? Beschlüsse und Entscheidun-gen sollten an diesem Freitagabendnicht gefasst werden. Das machteKirchengemeinderat Ulrich göke-ler gleich deutlich. nur sovielwollte er sagen: „so kann es nichtweitergehen.“ Um den Erhalt derFrauenkirche zu stemmen, braucheman die Bürgerschaft. Rund dreiMillionen Euro haben die Außen-sanierungen verschlungen. nun ste-hen Arbeiten im innenraum an.

Die ersten Bankreihen in derFrauenkirche waren dicht besetzt.Wesentlich besser als beim gottes-dienst sonntags um 8.30 Uhr, wieder Moderator der gesprächs-runde, Pfarrer Peter schaal-Ahlers,bemerkte. Die Besucher wolltenhören, was die Talkrunde aus Kir-chengemeinderat Ulrich gökeler,den Architekten svenja Flecken-stein und Heinz springmann, demstädtischen Denkmalpfleger And-reas Panter, Oberkirchenrat geraldWiegand und der stadträtin An-nette silberhorn-Hemminger zurZukunft der Frauenkirche zu sagenhatte. Die meisten der Talkgästehatten einen persönlichen Bezugzur Kirche. sie nannten die Domi-nanz der Kirche im stadtbild, nutz-ten ihren Raum der stille, bewun-derten die filigrane Bauweise, odernannten sie „eine alt-ehrwürdigeDame“. Einigkeit herrschte über

ihren stellenwert: Die Frauenkir-che gehört zu den wenigen bis indie Turmspitze vollendeten goti-schen Hallenkirchen in Deutsch-land. in süddeutschland ist sie ein-zigartig, ein Juwel. Und wer im Ar-chitekturstudium Baugeschichtebelegt, kommt an der Frauenkirchenicht vorbei.

immense UnterhaltungskostenWas gökeler auch ansprach,

waren die immensen Unterhal-tungs- und sanierungskosten ei-nerseits und das sehr reduziertereligiöse leben auf der anderenseite. Zu den sonntäglichen got-tesdiensten morgens um 8.30 Uhrkämen nicht mehr als 25 bis 30gläubige. Außerdem gebe es nochein paar Konzerte sowie die Ves-perkirche. Fazit: Aus religiösengründen brauche man die Frauen-

kirche nicht. Für die gläubigender innenstadt würde die stadt-kirche völlig ausreichen.

Was könnte statt der sakralennutzung dort stattfinden? Für dieArchitektin svenja Fleckensteinsollte die Kirche immer ein Ort derBegegnung sein, ihr Kollege spring-mann konnte sich ein Museum zurgeschichte der Esslinger industria-lisierung dort vorstellen, Oberkir-chenrat Wiegand hatte zwar inMaastricht eine als Bibliothek um-genutzte Kirche gesehen, er warnteaber vor zu starken baulichen Ein-griffen. „lieber einmotten als um-gestalten und den nachfolgendengenerationen übertragen“, lautetesein Credo. Ähnlich sah es Denk-malpfleger Panter. Er erinnerte da-ran, dass die Kirche bei ihrem Bauab dem frühen 14. Jahrhundert fi-nanziert von den Zünften und einAusdruck von Bürgerstolz war.

Warum nicht die Kirche weiter nut-zen und sie um eine bürgerlichenutzung erweitern? Auch er riet,möglichst nichts zu verändern.

starker Rückhalt bei den BürgernAnnette silberhorn-Hemminger

warnte vor dem Trugschluss, allesin dieser generation regeln zu kön-nen. sie verwies darauf, dass es im-merhin 200 Jahre gedauert hatte,bis die Kirche fertig gebaut war.„Und es gab in den 700 Jahren seitdem Baubeginn lange Jahrzehnte,in denen aus geldmangel nichts ge-arbeitet wurde“, sagte sie. Des star-ken Rückhalts in der Bürgerschaftfür das Bauwerk war sie sich sicher.steinmetz Constantin Baki, der diesteinsanierung durchgeführt hatte,plädierte dafür, der Kirche Zeit zugeben. „sie ist erst seit kurzem wie-der frei“, sagte er. „Wir haben die

Kirche ja zehn Jahre mit dem ge-rüst blockiert.“

Auch die Besucher äußertenihre Vorstellungen: Bloß nichtsverändern, den Kirchenraum offenlassen, und vielleicht die „Küchen-bänke“ durch stühle ersetzen.Den gottesdienst könnte man zu-mal im Winter eine stunde späterbeginnen, meinte eine Frau. Dannwäre er besser besucht. DekanBernd Weißenborn sah die sakralenutzung noch nicht am Ende.Auch außerhalb der gottesdienstegebe es starkes geistliches leben,beispielsweise in Trauerfeiern. Erwar zuversichtlich lösungen zufinden, die Frauenkirche zu erhal-ten und regte an, über die grün-dung einer Kirchenstiftung nach-zudenken. „Es gibt eine klare Bot-schaft: Alleine schaffen wir esnicht mehr, wir benötigen dieHilfe der Bürgerschaft.“

Bühne frei für ÜberraschungenEsslingEn: Das zweite Esslinger Open-Air Jazzfestival ist mit unterschiedlichsten Akzenten gewürzt – Manche Künstler begeistern, andere enttäuschen

Von Udo Klinner

nach den Open Air-Auftritten aufdem Hafenmarkt sind die Künstleram Wochenende in das schauspiel-haus der Württembergischen lan-desbühne gewechselt. Der schlag-zeuger Jochen Rückert, seit 1995in new York zu Hause, eröffnetein einem Quartett mit lage lund(gitarre), Orlando de Fleming(Kontrabass) und dem amerikani-schen Tenorsaxofonisten MarkTurner das Programm. letztererhatte mit der schlagzeuggrößeBilly Hart vor acht Jahren im Ess-linger Jazzkeller gastiert. Die Be-sucher konnten demnach ein Kon-zert auf dem niveau eines an-spruchsvollen Festivals erwarten.

Dem wurde das pianolose Quar-tett allerdings nicht gerecht. Maxi-milian Merkel als bekannt höchstambitionierter Veranstalter hattesich von dieser Verpflichtung si-cherlich auch mehr versprochen.Für aufmerksame Ohren unüber-hörbar war unter anderem DukeEllingtons „it don‘t mean a thing,if it ain’t got the swing” in einemBeitrag versteckt. nur, genau dieseFeststellung traf zu. Ähnliches galtfür ein auf den Harmonien des me-lancholischen Klassikers „You goto my head“ basierenden stückes,das eher als blutleer herüberkam.Hätte Jochen Rückert nicht nur

zum schluss bei „Eggshells“ seinenpulsierenden stil aufleben lassen,wäre der Vortrag sicherlich insge-samt besser honoriert worden.

Das schon im vergangenen Jahrin der stadtkirche aufgetretene er-folgreiche Pablo Held-Trio warderweil in seiner Konzeption nichtmehr wiederzuerkennen. „JedesKonzert wird zum unikaten Ereig-nis“, bekannte einmal der Trägerdes sWR-Jazzpreises 2014. Undso war es auch diesmal. neben demKlaviervirtuosen überzeugtenauch seine ständigen Begleiter Ro-bert landfermann (Kontrabass)und der äußerst variable schlag-zeuger Jonas Burgwinkel.

Chris Potter ein weltweit renom-mierter Tenorsaxofonist, der schonmit zahllosen größen der szenezusammen arbeitete, formte aufseine Art und Weise das mitunterauch etwas esoterisch anmutendeTrio zu einem packenden Jazz-Quartett. Fließende Übergänge vonKomposition und improvisationwaren selbstverständlich. Aber mitseinem mitreißenden sound undeiner in der Kürze der gemeinsa-men Vorbereitung faszinierendenTeamarbeit wechselte permanentdie Rolle des Chefs. Mal zog es Pa-blo Held in seiner klassischen Aus-bildung hin zu Bela Bartok, mal boter großzügigen solistischen Frei-raum („Worksong“) für seine Part-

ner, aber immer wieder überließ erChris Potter durch dessen jazz-ge-rechte Hardbop-Einlagen die Füh-rung. Zusammen mit einem kreati-ven und dem schlagzeug musika-lisch alle Möglichkeiten abringen-den Jonas Burgwinkel wurde Pot-ters „Explorer“ zum Höhepunktdes Abends. in einem bluesigen Te-nor-Duett mit dem nochmals auf-tretenden Mark Turner endete die-ser Festival-Act am Freitag mit ei-

nem begeisterten Publikum.Der folgende Abend im Theater

wurde zunächst mit einer gruppejunger Musikstudenten aus Ost-deutschland und stuttgart eröffnet.nur in drei Tagen hatte WolfgangFuhr ein sextett geschmiedet, daserfreulich offen und erstaunlichpräzise eigene Arrangements vor-trug. Maximilian Merkel wurde so-mit auch seiner Rolle als Brücken-bauer des Jazz zwischen dem prak-

tizierenden nachwuchs und denEtablierten gerecht.

Der verhinderte schirmherr desFestivals, der Esslinger und frühereWeltklassebassist Eberhard Weber,hatte Merkel im Voraus Jacob Col-lier wärmstens ans Herz gelegt. DieBriten, schon immer für richtungs-weisende strömungen der musika-lischen Unterhaltung bekannt, ha-ben mit dem erst 21-Jährigen einweiteres Wunderkind hervorge-

bracht. Auch er hat grenzen auf-gezeichnet, die man getrost mehrals überschreitend bezeichnen darf.Jazzgiganten von Quincy Jonesüber Herbie Hancock bis zu ChickCorea sind schon jetzt voll von derleistung dieses mit allen gaben aus-gestatteten Künstlers überzeugt. Erbedient Piano, Keyboards, Kontra-bass, gitarre, schlagzeug inklusivealler nur denkbaren Perkussions-mittel und verfügt vor allen Dingenüber eine überwältigende stimme.

Vor diesem Kraftwerk von inst-rumenten – der Aufbau nahm dieTontechniker einen halben Tag inAnspruch – wirbelt Collier in flie-gendem Wechsel, spielt sowie singtgleichzeitig und bewirkt durch dassogenannte splitverfahren eine un-glaubliche Wirkung bei songs vonstevie Wonder, Burt Bacharach, Mi-chael Jackson und primär eigenenschöpfungen „in my room“ titelt ersein neuestes Album, das eindrucks-voll auf der Filmleinwand untermaltwurde. Und plötzlich inmitten desgewitters die zauberhafte Ballade„in The Real Early Morning“ – ge-tragen nur mit instrumentaler Un-terstützung am Flügel. Animationzum gemeinsamen Publikumsgesangund witzige Bemerkungen aufDeutsch rundeten den Auftritt ab.Unter stürmischem Applaus been-dete er einen unvergesslichenAbend im voll besetztem Haus.

Britisches Wunderkind: Der 21-jährigeJacob Collier. Foto: Bulgrin

Der Tenorsaxofonist Chris Potter machte aus dem Pablo Held-Trio ein packen-des Jazz-Quartett. Foto: Rudel

Oberbürgermeister Jürgen Zieger und Weinkönigin Mara Walz testen den Weinerlebnisweg. „Damit auch jüngereLeute angesprochen werden, lässt sich auf dem Weg das Smartphone einsetzen“, sagte der OB. Foto: Bulgrin

Finanzbürgermeister Ingo Rust (rechts) erklärt, wie es mit dem Dicken Turmweitergehen soll – wenn genug Geld gesammelt wird. Foto: von Leesen

Harry.a
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