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III. Aus dem Physiologischen Institut der Universitiit ZUrich. Blutgasanalysen bet geschlidigter Gewebeatmung; ein Beitrag zum Wesen der Vogelberiberi. u Dr. Alfred Fleiseh, Privatdozent. (Mit 1 Textabbildung.) (Eingegangen am 9. IV'. 1922.) In der Frage nach dem Wesea der Avitaminose hat in jiingster Zeit die Fermenthypothese dureh W. R. Hef3~)eine pr~zise Formu- lierung erhalten. Diese lautet dahin, dab die eigentliehe Ursaehe der Symptome der Taubenberiberi in einer StSrung der normalen Reaktionskette liege, dutch welche die energetisehen Zellnahrungs- stoffe zu ihren Endprodukten abgebaut werden. Im speziellen besteht eine L~sion in deljenigen Phase, in welcher die 02-Verwertung start- finder. Diese Koordinationsst(irung kommt dadureh zustande, dab bet der Ern~thrung mit poliertem Reis wohl Brennmaterial zugeftihrt wird, nicht abet die zur Sauerstoffverwertung und somit zum normalen physiologisehen Abbau notwendigen Katalysatoren. Die Grundziige der Beweisftihrung yon HeB sind die folgenden: Mittels der Lipschitzschen Dinitrobenzolreduktion hat Heg das AtmungsvermSgen yon zersehnittenem Gewebe yon Tauben in vitro untersueht. Dabei ergab sieh die Tatsaehe, dab bet Avitaminose- gewebe (Niere, Leber, Gehirn, Muskutatur) eine tterabsetzung des Atmungsverm~igens gegenUber dem Gewebe yon Gesundtauben besteht. Diese Erscheinung charakterisiert die StSrung der normalen Reaktions- kette in dem Sinne, dag bet der Avitaminose ein ieduzierter Oxy- dasengehalt existiert. Die prinzipielle Bedeutung des herabgesetzten 1) W. :R. He$, Die Rolle tier Vitamine im Zellchemismus. Hoppe-Seylers Zeitschr. f. physiol. Chemie 1921, Bd. 117, S. 284. ~ .hrchiv f. experiment. PM:h. u. Pharrzakol. Bd. 95. 2

Blutgasanalysen bei geschädigter Gewebeatmung; ein Beitrag zum Wesen der Vogelberiberi

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III.

Aus dem Physiologischen Institut der Universitiit ZUrich.

Blutgasanalysen bet geschlidigter Gewebeatmung; ein Beitrag zum Wesen der Vogelberiberi.

u

Dr. Alfred Fleiseh, Priva tdozent .

(Mit 1 Textabbildung.) (Eingegangen am 9. IV'. 1922.)

In der Frage nach dem Wesea der Avitaminose hat in jiingster Zeit die Fermenthypothese dureh W. R. Hef3~)eine pr~zise Formu- lierung erhalten. Diese lautet dahin, dab die eigentliehe Ursaehe der Symptome der Taubenberiberi in einer StSrung der normalen Reaktionskette liege, dutch welche die energetisehen Zellnahrungs- stoffe zu ihren Endprodukten abgebaut werden. Im speziellen besteht eine L~sion in deljenigen Phase, in welcher die 02-Verwertung start- finder. Diese Koordinationsst(irung kommt dadureh zustande, dab bet der Ern~thrung mit poliertem Reis wohl Brennmaterial zugeftihrt wird, nicht abet die zur Sauerstoffverwertung und somit zum normalen physiologisehen Abbau notwendigen Katalysatoren.

Die Grundziige der Beweisftihrung yon HeB sind die folgenden: Mittels der Lipschi tzschen Dinitrobenzolreduktion hat Heg das

AtmungsvermSgen yon zersehnittenem Gewebe yon Tauben in vitro untersueht. Dabei ergab sieh die Tatsaehe, dab bet Avitaminose- gewebe (Niere, Leber, Gehirn, Muskutatur) eine tterabsetzung d e s Atmungsverm~igens gegenUber dem Gewebe yon Gesundtauben besteht. Diese Erscheinung charakterisiert die StSrung der normalen Reaktions- kette in dem Sinne, dag bet der Avitaminose ein ieduzierter Oxy-

dasengehalt existiert. Die prinzipielle Bedeutung des herabgesetzten

1) W. :R. He$, Die Rolle tier Vitamine im Zellchemismus. Hoppe-Seylers Zeitschr. f. physiol. Chemie 1921, Bd. 117, S. 284. ~

.hrchiv f. experiment. PM:h. u. Pharrzakol. Bd. 95. 2

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18 IH. AL~RED FLEISCH.

Oxydasengehaltes der Avitaminosetiere tritt abet erst zutage durch die Versuche yon HeB iiber Zyanvergiftung normaler Tauben.

Bekanntlich l~hlnt die Blaus~ure schon in Spuren die T~itigkeit der Fermeute, und zwar sind es haupts~tchlich die Oxydasen, welche elektiv empfindlich sind. In der Blausaurevergiftung ist somit ein Mittel geffeben, im Organismus einen Zustand zu sehaffen, wie er bei der Avitaminose auftritt, n~mlich eine Herabsetzung der Oxydasen- wirkung. Die yon Heft (a. a. 0.) ausgefUhrten Experimente ergeben das Resultat, dab die subletale Blans~urevergiftung im akuten Ver- such das Bild der Taubenberiberi mit iiberraschender Genauigkeit in allen Einzelerscheinungen reproduziert. Stellen der Federn, mildes Einknieken in die Knie, nnsicherer Gang, sind die Symptome bei leichter Blaus~urevergiftung. Taumeln, Stolpern, Zurticklegen des Kopfes bis auf den Riicken und verst~Lrkte Atmung sind der Ausdruck einer mittelschweren Vergiftung; Uberschlagen naeh rUckw~rts und intensivste Atemnot his zur vollstandigen L~hmung tretcn als schwerste Symptome auf. Bei (ter akuten Vergiftung yon Tauben mit Blaus~nre finder man also Schritt fur Sehritt die bekannten Bilder der Tauben- avitaminose.

Die Wesensverwandtsehaft zwischen Blaus~urevergiftung und Avitaminose wurde yon HeB welter erh~rtet durch Blaus~urevergiftung yon Tauben, die mit poliertem Reis vorbehandelt waren. Da solche Tauben nur noch herabgesetzte Fermentmengen besitzen, miissen sic gegen Blaus~ure empfindlicher sein als normale Tanben. Diese Versuchsserie ergab, dab Avitaminosetiere selbst auf kleinere Zyan- kalimengen mit erheblieh schwercren Vergiftungssymptomcn nnd wesentlich l~ngerer Vergiftungsdauer reagieren als Gesundtiere.

In der BeweisfUhrung yon HeB spielt das Zyan eine entschei- dende Rolle, indem es genau diejenigen Symptome macht, die bis dahin fur Beriberi als charakteristisch angesehen wurden. Dazu kommt noeh die Tatsaehe, dab auch in vitro eine der Avitaminose analoge Blockade der Atmung durch Zyan erzeugt wird.

Auf Grand dieser U n t e r s u c h u n g e n b e t r a c h t e t HeB die S y m p t o m e der Av i t aminose im k l a s s i s e h e n F a l l der Vogel- be r iber i als eine Fo lge yon Oxydasenve ra rmung . Das stoff- liche Prinzip des sogenannten antineuritischen u sind die Bausteine oder die Muttersnbstanz yon Zellfermenten, speziell der Atmungsfermente.

Die vorliegenden Untersuchungen wurden in der Absicht aus- gefUhrt, die Richtigkeit der Hel~sehen Auffassung yon einem anderen Gesichtspunkte aus zu prtifen. Wenn nfimlich die Avitaminose der

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Blutgasanalyseu bei gesch~idigter @ewebeatmung usw. 19

Taubcn tatsiichlich auf einer herabgesetzten Oxydasenfunktion beruht, so muB eine Veriinderung der Blutgase in bestimmter Richtung resultiereu. Indem dabei yore Gewebe weniger Sauerstoff aufgenommen wird, muB das ven(~se Blur relativ reich an Sauersr sein; bzw. es wird die Diffcrenz zwiseheu Sauerstoffgehalt des arteriellen und ven~isen Blutes bei Avitaminosetauben geringer sein als bei Gesund- tauben. Jedoch ist ein solches Resultat nut zu erwarten, wenn der Kreislauf des Blutes nicht stark reduziert ist. Wenn n~tmlich das Minutenvolumen des Herzens bei Avitaminosetieren quantitativ gleich stark reduziert wird wie die OxydationsgrSBe im Gewebe, so wird trotz der reduzierten Oxydation eine ~nniihernd normale Sauerstoff- differenz des arteriellen und veniisen Blares resu]tieren.

Wenn die Auffassung yon HeB richtig ist, so muB das Bild der Blutgase bei der Taubenberiberi ein sehr ahnliehes sein wie bei B10ekierung der Oxydasen dureh Blaus~ture. Wegen des verminderten 02-Verbrauches im Gewebe mu~ die Differenz im O2-Gehalt des arteriellen and venSsen Blutes bei Blansiiurevergiftung ebenfalls kleiner werden. Doch wird auch hier wie bei der Avitaminose dieses Resultat nut zu erwarten sein, wenn die Herzt~tigkeit nicht zu sehr affiziert wird.

Durch vergleichende Blutgasanalysen bei Zyanvergiftung und bei Avitaminosetieren ist somit die Feststellung mSglich, ob es sich bei tier Beriberi wie bei tier Zyanvergiftung um eine verminderte Oxy- dationsfi~higkeit des Gewebes infolge Verarmung bzw. Blockade der Oxydasen handelt.

Methodik. Zur quantitativen Analyse der Blutgase wurde das klcine Modell

des Barcrof tscheu Blutgasdifferentialmanometers verwendet, fur welches nut 0,1 eem Blur notwendig ist. Das Blur wurde nach der Vorschrift yon Bure t oft unter schwache AmmoniaklSsung geschichtet, und vorher etwas neutral reagierendes :Natriumoxalat in Substanz zu- gesetzt, am Gerinnung tunlichst zn verhindern. Besondere Aufmerk- samkeit wnrde der Differenz im Gasgehalt zwischen arteriellem und veniisem Blute geschenkt. Anstatt den Sauerstoff quanfitativ auszu- treiben, wurde das Defizit in bezug auf Sanerstoffs~ttigung bestimmt7 indem das arterielle und venSse Blut im versehlosscnen Manometer bis zur vollstandigen S~ttigung geschUttelt wnrden. Aus der dabei resultierenden Manometerdifferenz wnrde die Differenz im Gehalt des arteriellen and venSsen Blutes an Sauerstoff berechnet. Die Be- stimmung der Kohlens~ure geschah wie tiblich durch Ausschiitteln mit 200/oiger Weinsgure.

2*

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20 llI. ALFRED FLEISCH.

Wi~hrend Ba rc ro f t nur die Differenz im Gasgehalt untersucht, bestimmte ich aueh noch den absoluten Gasgehalt des arteriellen Blutes. Dazu ging ich folgendermal~en vor:

bTach dem Sehutteln und nachdem die Ablesnng ftir die Differenz- bestimmung gemaeht ist~ wird der Hahn auf der Seite des ventisen Blutes geSffnct. Dadureh steht der Rezipient, der das arterielle Blur

enthi~lt, mit einem offenen Mano- meter in Verbindung, und aus der Manometerdifferenz kann die im Rezipienten absorbierte oder auch gebildete Gasmenge folgender- maBen berechnet werden:

Das Volumen des Rezipien- ten samt demjenigcn der Mano- meterrShre bis zur Marke 0 sei i

gleich vo (Abbildung). Der ira Rezipienten vor dem AusschUtteln vorhandene Druck ist gleich dem

X . . . . . . . . . . 7 Atmosphiirendruck po, die Mano-

I meterfltissigkeit steht dabei in beiden Schenkeln gleich hoeh

0 . . . . . . . . . . . > ~ bei der Marke O. Durch das Ausschtitteln soll im Rezipienten die Sauerstoffmenge A absor- biert worden sein. Dadurch ist der Meniskus der Manometer- flUssigkeit links naeh x gestie- gen and rechts nach y gesunken. Die resnltierende Manometer- differenz x - - y sei gleich D. Wir

' haben jetzt ein neues Volumen im Rezipienten vl bei einem

neuen Druck pj. Dieses Volumen vt ist auf den ursprUnglichen Druck po zu reduzieren. Naeh dem Boyleschen Gesetze ist:

v l - p l = v ~ .po.

v~ ist gleich dem Volumen vl auf den Druck po reduziert. Wenn mit q der Qnerschnitt der Manometerri~hre bezeichnet wird~ so ist:

D vl = vo - - q ~ - und Pl = P o -- D.

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y ~ . . . . Btutgasanalysen bel gesenad~g~er Gewebeatmung usw. ~91

Es ist somit:

b 1 - - ~ . . . .

po

~ o - - cl (po - - D)

P0

Die Differenz zwischen dem ursprtinglichen Volumen des Rezi- pienten vo und dessert Volumen v~ nach Absorption ist aber gleieh dem gesuchten absorbierten VoltImen A.

( ") v o - - q ~ - ( p o - - D ) I r e q D q ~

Da das Glied D ~ q - geg'eniiber den anderen Gliedern der Klam- 2po

mer versehwindend klein ist~ kann es vernaehl~tssigt werden. Die Gleiehung ftir die im Rezipienten absorbierte Gasmenge A lautet somit:

(;o A - - D + .

Diese Gleichung ist in dieser Form aueh gtiltig~ wenn die Gas- menge A nicht absorbiert, sondern produziert worden ist.

Wenn die Manometerdifferenz D und der Atmospharendruck Po in Millimeter der Manometerfltissigkeit, der Querschnitt q in mm 2 und das Volumen Vo in mma ausgedrUekt werden, so wird das absorbierte oder produzierte Gasvolumen A in mm 3 erhalten. :Nattirlieh hat noeh eine Reduktion yon A auf 0~ 760 mm Barometerstand und Troeken- heit stattzufinden.

In bezug auf den Bereehnungsmodus fur dieDifferenzbestimmungen sei auf B a r e r o f t 1) und speziell auf die Ableitung yon E. Mtinzer and W. N e u m a n n 2) verwiesen.

Ftir diese Bestimmung mit offenem Manometer ist es nattirlieh absolut notwendig, die Temperatur konstant zu erhalten, bzw. ent- spreehend der Temperatur~nderung Korrekturen anzubringen. Des- halb war das Barcrof t sehe Differentialmanometer in ein grol]es Wasserbad mit 20 1 Inhalt eingetaueht. Die Temperatur des Wasserbades war jeweils etwa 1~ unter Zimmertemperatur gehalten, wobei fast vollstlindige Temperaturkonstanz vorhanden war. Das

1) J. B~reroft, Differential method of blood-gas analysis. Journ. of Physiol. 1908, Bd. 37, S. 12.

2) E. l~Itinzer und W. Neuraann, Zur Verwendung des Differentialappa- rates yon Barcroft. Bioeh. Zeitsehr. 1917, Bd. 81, S. 319.

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2"2 III. ALFICgD FLI~ISCH.

Wasserbad wurde dureh einen elektrischen Ventilator fortwiihrend kraftig durehgemischt. Die w~thrend des Versuches auftretenden Temperaturschwankungen, die mit dem Beckmannsehen Thermo- meter gemessen htichstens 0,03 ~ erreiehten, wurden bei der Rechnung korrig'iert.

Ftir die Bestimmung der CQ-Differenz zwisehen arteriellem nnd ventisem Blute ist es ohne Belang, wenn die verwendete NH3-L~isung etwas C02 enth~lt, sofern ftir beide Rezipienten die gleiehe Menge Ntt3-Ltisung verwendet wird. FUr die Bestimmung der Gesamtkohlen- si~nre des arteriellen Blutes aUein hingegen bedeutet die in der AmmoniakiSsung absorbierte C02 eine Fehlerqnelle. Deshalb wurde jeweils der Blindwert der NtI3-L(isung bestimmt, indem die NtI~- LSsung" plus Natriumoxalat ohne Blur mit Weinsi~ure ausgeschiittelt wurde. Dieser Blindwert win'de dann in Abzug gebracht.

Ferner wurde bei den Versuehsti~ren noch die Bestimmung des ttiimoglobingehaltes ausgefiihrt. Dazu win'de die kUrzlich yon W. R. ttel~l) angegebene Methode der photographisehen Konzentra' tionsbestimmung eiuer Farbstoffltisung angewendet. Es wurden 30 mm~ Blur mit 8 ccm destilliertem Wasser verdiinnt; bei Taubenblut mu~te 0,25O/oige KoehsalzlSsung zur VerdUnnung verwendet werden, da die EiweifikSrper in destilliertem Wasser ausfallen un4 die Liisung trUben. Dieses verdunnte Blnt wird in einem 12 mm weiten Reagens- gliisehen in den yon Heg angegebenen Apparat gestellt, der mit einer Skala yon iibereinanderliegenden Feldern yon abgestufter ttellig- keit Yersehen ist. Die Skala nnd das ReagensrShrchen werden mit- einander photographiert. Der Apparat yon Heg ist so eingeriehtet, dal3 sechs versehiedene Hi~moglobinbestimmungen gleichzeitig dutch eine photographisehe Aufnahme ausgeftihrt werden kSnnen. Auf der Photographie braueht nur dasjenige Feld der Skala gesucht zu werden~ welches die gleiehe Helligkeit wie das ReagensrShrehen besitzt, nnd tier Hi~moglobingehalt des zu untersuehenden Blutes ist bekannt. Die Helligkeitsskala war mit versehieden konzentrierten Blntproben geeieht, deren tIi~moglobingehalt nach Sahl i bestimmt war. Die auf photographisehem Wege erhaltenen ttiimoglobinwerte kSnnen, so wie sie abgelesen werden, Verweudung finden, oder sie kSnnen auf irdend einen gebr~uehliehen Ma[~stab umgerechnet werden. Ich transponierte die erhaltenen Werte auf das Sahlisehe H~tmoglobinometer, wobei der ttiimoglobinwert 80 dem Normalwert entspricht.

1) W. R. tie13, Photographisehe Konzentrationsbestimmung einer Farbstoff- 15sung. Hoppe-Seylers Zeitschr. f. physiol. Chem. 1922, Bd. 119, S. 172.

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Blatgasanalysett bet gesch~idigter Gewebeatmung usw. 23

Diese H~tmoglobinbestimmung hat sieh mir als sehr bequem und zeitsparend erwiesen. Die photographisehe Methode besitzt besondere Vorteile, indem das subjektive Moment in der Beurteilung reduziert wird, die Farbqualititt wegi~tllt und ein bleibendes objektives Doku- ment erhalten wird. Wenn das zu untersuehende Blnt mit destil- liertem Wasser verdUnnt ist, so kann die photographisehe Aufnahme sp~ter ausgeftihrt werden. Dies war um so vorteilhafter, als die gleiehzeitig ausgeftihrten Gasanalysen keine Zeit zu den tibliehen Hiimoglobinbestimmungen gelassen hi~tten.

S~tmtliehe Versuehe mit Zyankalivergiftung wurden an Kaninehen ausgefUhrt, indem hier die Blutentnahme viel raseher und sieherer yon statten geht als bet Tauben. Die Kaninehen waren sehwaeh narkotisiert~ sie bekamen 1 Stunde vorher 0,2 cem einer 25O/oigen UrethanlSsung pro 100 g Ktirpergewieht subkutan. Die Carotis und die Vena jugularis waren freigelegt. Bet der Blutentnahme wurde darauf geachtet, dal~ fi'isches Blur aus dem normalen Kreislauf er- halten wurde. Zu diesem Zweeke wurde die Megpipette~ die mit einer Platiniridiumkanttle armiert wal 5 in die peripherwiirts abgebun- dene Jugularvene eingestoehen und his zn den zentralen grogen Venen Yorgeschoben, wo erst die Blutentnahme stattfand. Auch bet der Entnahme des arteriellen Blares aus der Carotis wurde nur strSmendes und kein stagnierendes Blur entnommen. Kontrollversuche zeigten ni~mlich, dab das in der peripherw~trts abgebundenen Carotis stag- nierende Blut nur mangelhaft mit Sauerstoff gesi~ttigt ist.

Das Zyankali wnrde dem Kaninchen in genan eingestellter 1 O/o iger LSsung auf beide Glntaei verteilt intramusknllir injiziert. Die pro Mal injizierte Menge betrug 0~12--0~16 mg Zyankali pro 100 g Ktirper- gewieht.

Ftir die Blutgasana!ysen bet Beriberi wurden Tauben in ver- schiedenen Stadien manifester Avitaminosesymptome verwendet. Um den Grad des Krankheitszustandes zahlenm~gig festhalten zu kiinnen, wurde KSrpergewicht, Temperatur, Herz- und Atmnngsfrequenz be- stimmt. Die Blutentnahme geschah im unnarkotisierten Zustand ans den Fltigelgefi~l~en. Durch einen kleinen tlautsehnitt wird die Vene nnd die kopfwarts gelegene Arterie so freigelegt, dab vermittels Punktion rait der MeBpipette die notwendige Menge Blur entzogen werden kann.

Blutgasanalysen bet Zyankalivergiftung. Vom Zyankali ist seit langem bekannt, dab es Fermente, speziell

die Oxydasen l~thmt, welehe die Sauerstofftibertragung yon Blutk~irper-

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24: lII. ALJe'RED FLEISCII.

ehen auf das zu oxydierende Substrat vermitteln. Infolgedessen wird ans dem Blute weniger 02 entnommen, des Venenblut bleibt relativ arterielll). DiG hellrote Farbe des Venenblutes wurde zum Teil aueh auf die Bildung yon Zyanh~moglobin zurtiekgeNhrt; jedoeh ist zu bertieksiehtigen, dalt nur etwa t/~o0 des I-l~moglobines dureh die injizierte Zyankalimenge in Zyanhiimoglobin umgewandelt sein ktinnte.

Sehr ausgedehnte Versuehe tiber das Wesen der Blaas~turever- giftung warden yon J. G e p p e r t 2) an Itanden and Kaninehen aus- geNhrt. G e p p e r t konnte naehweisen, dab bei der Blausaurevergiftung der Sauersioffverbraueh absinkt; selbst w~hrend der Kr~mpf% dig als Folge der Blausaurevergiftung auftreten~ ist noeh tin reduzierter Sauerstoffverbraueh vorhanden. Ebenso wird die CO~-Bildung dureh Zyankali gehemmt. Da gleiehzeitig mehr C02 ausgeatmet als gebildet wird, so sinkt die C024{enge im arteriellen Blare stark ab. Diese vermehrte Austreibang yon C02 aus dem Blare ftihrt G e p p e r t auf tin Sinken der Gewebealkaleszenz zurtiek, tteute dUrfen wir wohl sagen, dal~ es sigh um einen anoxydativen Zerfall mit vermehrter Milehs~turebitdang handelt. Denn dutch N e y e r h o f 3) wurde dargetan, dab im dissimilatorisehen Kohlehydratstoffweehsel die Phase der Milehstturebildung verschieden ist and getrennt warden kann yon der Phase der oxydativen Aufspaltung der Milehstture. Zyankalivergif- tung hemmt hauptsttchlieh die oxydative Aufspaltung, ohne die Milch- s~turebildung gleiehermallen zu beeinflussen. So wird also bei Zyanvergiftung Milehsiiure in vermehrter Mange in den Kreislauf kommen and zu einer verstttrkten Ansatmung yon Kohlens~ture die Veranlassung geben. Aueh G e p p e r t konnte die hellrote Farbe des venSsen Blares bei Zyanvergiftung beobaehten und nachweisen, dab des Blut ftthig ist, seinen Sauerstoff abzugeben and dementspreehend dunkelven~s zu werden. So betrachtet G e p p e r t die Blaustturever- giftung als eine innere Erstiekung der 0rgane bei Gegenwart Uber- schUssigen Sauerstoffes.

Die Versuehe mit Zyankalivergiftung ergaben folgende Resultate, die in der Tabelle 1 zusammengestellt sin&

Die intravenSse Injektion ist wenig geeignet, um die Verttnde- rung der Blutgase festzustellen. Denn die Vergiftungssymptome treten

1) Vgl. Kobort, Lehrbuch der Intoxikationen 1906, Bd. 2, 2. Anti. 2) J. Geppert, {}her des Wesen der Blaus~tarevergiftung. Zeitschr. f. klim

?led. 1889, Bd. 15, S. 307. 3) O. Neyerhof, {Jber Energieumwandlungen im Huskel. Pfltigers Arch.

f.nd. ges. Physiol. 1920, Bd. 182, S. 284. --{}her die 3lilchs~turebildung in der zerschnittenen Nuskulatur. Ebenda 1921, Bd. 188, S. 114.

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Blutgasanalysen bei geschgdigter Gewebeatmung usw. 25

Tabe l l e 1. Resultate der Bestimmungen an Normaltieren (unvergiftet) und an mit Zyankali vergifteten Kaninehen. Die unter einer Nummer stehenden Ver- suehe stammen yon demselben Kaninehen. Die Buehstabenbezeiehnungen A, B, C usw. bedeuten die einzelnen an demselben Tier ausgefithrten

Versuehe.

Oy l Orte!t I Puls Arm. Bemerkungen Versuch 0~ h !02Def. C0.~ h C0.>Ges.lt~tb i

3,8 1A 1B 1C 1D 2A 2B

2C

2D

2E

2F 3A 3B 3C 4A 4B 5A 5B 5C 5D 6A 6B 6C

5,0 1 1,4

1,0 I 0,4 6,81 0,2 4,9 0,3

5,7 0,4

10,4 0,6

5,2 0

2,0 2,1 7,4 1,1 4,5 2,2 4,0 0,8 5,2 1.5 1,5 o;6 9,1 0,5 2,3 0,5 3,2 1,8 2,8 0,9 5,9 1,2 4,6 0,3 1,7 1,1

02A

CO2 A

Cy ~-~

Orte

Puls Atm.

02 Defizit

C02 Ges. Hb

4,8 8,8

8,2

8,1

6,2

8,7 7,5 1,9

12,8

6,4 2,9 7,3 7,2 5,3

46,1

30,0 60,4 55,9

45,1

43,0

38,4.

26,0 59,9 52,5 38,7 60,0 55,8 54,4 47,7 46,5 37,0 56,7

- - 0 --~ 0,08 --0 ,08 i

0,12 0 - - i

--1 0,146

10,146

- - i o ' o

- - i 0 , 1 t 6 2

0,118 2

6 7 0 20 67 0,134 67 0.134 2 ::o o 7!o,143t 2

167 0,147 / 2 '67 o,16 I 2

63:0 I 0

I

~ i - - - - L 5 , - 24

0 0 240 36 1 4 237 36

unvergiftet keine Symptome

Vm~giffungssymp tome unvergiftet keine Vergiftungssym-

1 2

0

4 20

5 -- 0 -- 5 -- t 0 8 0 300 4 240 4 288 4'[ 231 0 ' i - -

- - m

0

71,5 75 81

111

ptome keine Vergiftungssym-

ptome nnvergiftet 2 Stunden

nach 2 C Atemstillstand, schwere

Kriimpfe Leichtere Dyspnoe unvergiftet Vergiftungssympt(>me

) )

unvergiftet Vergiftungssym ptome unvergiftet Vergiftungssymptome

unvergiftet 5,6 51,8 63 0.143 2 66', -- Vergiftungssymptome

10,5 25,2 '63 0116 i 2 verlangs~mt Krl!mpfe

Differenz des 02-Gehaltes zwisehen arteriellem und venSsem" Blute in Votumprozent. Volumprozent Sauerstoff, die das arterielle Blur bis zur voll- st~tndigen Siittigung noch aufnimmt. Differenz im C02-Gehalt zwischen arteriellem und venSsem Blute in Volumprozent. Gesamt-C02 des arteriellen Blutes in Voiumprozent. Hiimoglobingehatt des Blutes umgereehnet auf Sahli-Werte, wobei 80 normal ist. Intramuskuli~r injizierte llenge Zyankali in Milligramm pro 100 g KSrpergewicht. Zahl tier Stellen: auf welehe die zu injizierende Zyankali- menge verteilt wurde. Zahl der Minuten zwisehen Injektion un4 Entnahme des Blates zur Gasanalyse. Herzaktion pro Minute. Atmungsfrequenz pro Minute.

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26 IlL ALFRED FLEIS(~H.

fast momentan naeh der intravenSsen Injektion auf und verschwinden meistens sehon nach wenigen Sekunden bis hSehstens Minuten wieder vollstiindig'.

Ein wesentlich protrahierterer Verlauf der Erscheinung'en wird bei intramuskuliirer Injektion erhalten. Doeh ist hervorzuheben, dag der Effekt ein durchaus inkonstanter ist. Dies hlingt einmal damit zusammen, dag die wirksame Dosis beim Zyankali sehr nahe bei der letalen Dosis liegt. Aber anch bei genauester Dosierung" ist immer ein unsieherer Faktor mit im Spiele, n~tmlich die Resorptions- gesehwindigkeit des injizierten Zyankalis. Wenn z. B. die gleiehe Zyanka!imenge an einem Orte oder auf zwei Stellen verteilt intra- muskuliir injiziert wird, so ist tier Effekt ein wesentlich versehiedener. Im ersten Falle (Versueh 2B und 2C) kommt es eventuell za gar keinen Erseheinungen, im zweiten FMle hingegen (Versueh 2E), bei verteilter Injektion~ kommt das Tier mit Atemstillstand Und sehr stark verlangsamter Herzaktion unter Kriimpfen fast znm Exitus. Bei einer Injektion anf zwei Stellen verteilt bewirkt eine reduzierte Zyankali- .menge yon 0,118 mg pro 100 g KSrpergewicht, wie in Versueh 2F, eine deutliche Vergiftung, wlihrenddem 0,146 m~ pro 100 g K~rper- gewieht am gleichen Tier bei Injektion an einer Stelle kaum za einer Veri~nderung fiihrt.

Aber aueh dann, wenn das Zyankali immer auf die beiden Ober- sehenkel verteilt intramuskuliir injiziert wird, ist kein ffanz konstanter Effekt zu erreiehen, indem zweifellos die Resorptionsverhiiltnisse yon Injektion zu Injektion und namenflieh auch yon Tier zu Tier ziem- lich verschieden sind. Gerade well beim Zyankali die Vergiftungs- symptome rasch auftreten und aueh wiederum raseh verschwinden, ist die Geschwindigkeit der Resorption yon aussehlaggebender Be- deutung.

Aus diesem Grunde war es nar mSglieh, eine weni~ differenzierte Skala tier Vergiftungssymptome in Abhiingigkeit yon der injizierten Zyankalimenge aufzustellen. Es l~igt sieh nur sagen, dab beim Kanin- chert die wirksame abet noch nicht tSdliche Zyankalidosis zwischen 0,12 und 0,16 mg pro 100 g K~rperg'ewicht liegt, sofern diese Zyan- kalimenge auf zwei Stellen verteilt in die Obersehenkelmuskulatur injiziert wird. Abet trotzdem maehte in einze]nen Versuehen eine Zyankalimenge yon 0,127 mg pro 100 g KSrpergewieht keine i~uger- lieh wahrnehmbaren Symptome tier Verg'iftung.

Einen gewissen Indikator fur den Grad der bewirkten Vergiftung besitzen wit im Verhalten tier Atmungs- and Herzfrequenz. Bei leiehten Vergiftungen sind sie wenig veritndert, man beobaehtet dabei

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Blu tgasana lysen be~ gesch~tdigter G e w e b e a t m u n g usw. 27

geringe Verlangsamung und auch Beschleunigung. So ist bei Ver- such 6D (siehe Tabelle 2) dig Herzaktion nach 0,15 mg Zyankali pro 100 g Ktirpergewicht zuerst etwas verlangsamt, dann infolge Anf- tretens yon Kri~mpfen beschleunigt, um 5 und 8 Minuten nach der Injektion deutlieh langsamer zu werden. Die Atmungsfrequenz steigt im gleiehen Versuch vGn 86 vor tier Injektion auf 109 3 Minuten nach der Injektion, wobei die Atmung" dyspnoischen Charakter an- mmmt. Elne Verlangsamung yon Herzaktlon gepaart mlt Besehleunl- gung tier Atmung lieferte alas Kaninchen in den Versnehen 5 A bis 5 D (Tabelle 1).

Tabel le 2 (Versuch 6D).

Ver~,nderung yon Herz- und Atmungsfrequenz beim Kaninehen naeh intra- mnskul~trer Injektion yon 0715 mg Zyankali pro 100 g K/Srpergewieht auf

beide Obersehenkel verteilt.

Zeit nach der In jek t ion Puls A t m u n g i B e m e r k u n g e n

vor der In j ek t ion 0 Minuten 2 ~ 3 ,, 3,5 , 4,5 ,) 5 ,, 8 ,,

266

261 286

240 207

I 86 i no rmal

- - 10,15 m g Zyankal i 100 109 - - Kr~mpfe und t iefe dyspno i sche A t m u n g 97 .

97

Bei mittelschwercn Vergiftungcn treten regelm~tl3ig Kr~tmpfe auf, Herz und Atmung sind dabei gegenUber dcr Norm verlangsamt.

Bei sehweren Zyanvergiftungen ist die Atmung eine sehr langsame, z. B. nut noeh 24 in Versuch 1 D, und as kann zu Atem- stiilstand kGmmen wig in Vcrsueh 2E. Dabei ist die Hcrzaktion auf 20 pro Minute gefallen.

Bei fast allen Versuchen, die zu einer deutlichen Vergiftung fUhrten, war die bekannte Tatsache auff~llig'~ dab das Blur tier Vena j u f f u l a r i s e ine mehr oder w e n i g e r h e l l r o t e F a r b e besal3. Diese hellrote Farbe war dutch die Venenwand hindureh zu erkennen, besonders deutlieh wurde sic abet beim Aufsaugen des ventisen Blutes in die MeBpipette.

Die B e s t i m m u n g e n der S a u e r s t o f f d i f f e r e n z h a b e n nun a u s n a h m s l o s e rgeben , daB, wenn es t i be rhaup t zu wahr - n e h m b a r e n V e r g i f t u n g s e r s c h e i n u n g e n kommt , die DiffGrenz im S a u e r s t o f f g e h a l t des a r t e r i e l l e n und venSsen Blutes a u g fi~llig k l e i n is t . Vor Mlem ist deutlich, dab die Sauerstoffdifferenz

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28 III. ALFI~ED FLEISCH,

beim vergifteten Tier wesentlieh kleiner ist als am unvergiffeten. Damit ist an einer grSgeren Versuehsserie zahlenmagig naehgewiesen~ was zu erwarten stand nnd was Gel?pert in einem einzelnen Ver- suehe ebenfalls beobaehtet hat. In einzelnen Versuehen ist der Abfalt der O~-Differenz dureh die Zyaninjektion ganz enorm. So betr~tg't die 02-Differenz in Versueh 1A am normalen Tier 5,0, am gleiehen Tier bei Vergiftung nut noeh 1,0 Volumprozent. In Versuch 2 f~tllt die O~-Differenz yon 10,4 Volumprozent am normalen Tier (Versueh 2D) auf 2,0 Volumprozent in Versueh 2 F dureh eine Zyankalimenge v0n 0,118 mg pro 100 g KSrpergewieht. Ebenfalls sehr ausgesproehen ist die Ver~tnderung in Versueh 4 yon 5,2 auf 1,5. Dieser Abfall der 02-Differenz wurde in einem Zeitintervall yon 4 his 8 Minuten naeh der intramusknl~ren Injektion yon Zyankali gefunden.

Zu ke inem nennenswerten Abfall der 02-Differenz zwisehen arteriellem und ven~sem Blnte kam es in den Versuehen 2B und 2 C. Dies deekt sieh mit der Beobaehtnng, dab in diesen Versnehen Uber- haupt keine wahrnehmbaren gergiftungssymptome auftraten, offenbar, well hier die Resorption zn langsam erfolgte. Die Vergiftung ist hier zweifellos deshalb ansgeblieben, weil die ganze Zyankalimenge an einem Ort injiziert worden war. Sobald die gleiehe Menge Zyan- kali (Versueh 2E) auf zwei Orte verteilt wird, tritt sofort starke Vergiftung auf und die 02-Differenz zwisehen arteriellem und venSsem Blute wird kleiner. In der Durehsehnittsbereehnnng sind die beiden Versuehe 2B und 2 C ausgesehaltet, da bei ihnen eine Zyanvergif- tung nieht deutlieh war.

Von Interesse ist ferner die Veranderung der Gesamtkohlens~ure des Blutes. Es ha t sigh n~tmlieh als r e g e l m a g i g e r Befund ergeben , dab d u t c h j e d e Z y a n k a l i i n j e k t i o n die Gesamt- k o h l e n s ~ u r e des a r t e r i e l l en Blutes abfal l t . Dieser Abfall ist manehmal ein aul~erordentlieh starker und kann pro Injektion bis ztt 10 Volumprozent COs betragen. Je mehr Injektionen gemaeht werden, um so starker sinkt die Gesamt-C02, so z. B. in Versueh 2 yon 60,4 dutch 4 Injektionen auf 26,0 Volnmprozent, oder wie in Versueh 5 yon 54,4 anf 37,0 Volumprozent im Verlaufe yon 3 Injektlonen.

Dieser Abfall der Gesamtkohlens~ture ist sieher die Folge der Zyankalivergiftungen, Ohne Injektionen finder keine nennenswerte Veranderung der Gesamt-C02 start, wit eventuell als'Folge der Nar- kose vermutet werden kSnnte; denn zwisehen den Versuchen 2C und 2 D liegt eine Zeitspanne yon 2 Stunden~ w~hrend weleher kein Zyankali injiziert wurde. Dabei bleibt aueh die Gesamt-C02 auf annahernd derselben I-IShe.

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Blntgasanalysen bei gesch.Xdigter Gewebeatmung usw. 2.9

In bezug auf die VerE~derungen des Gasgehaltes bei Zyankali- vergiftung gibt die Berechnung des Mittels tin tibersichtliches Bild. In Tabelle 3 sind die Mittetwerte der Versuche an normalen nnver- gifteten Kaninehen und die erhaltenen Mittelwerte bei Zyanvergif- tung zusammengeStellt.

Tabelle 3.

Aus Tabclle 1 bcrechnete Mitte]wcrte der Gasanalysen des arteriellen Blntes. 57ormalversuche and Zyanverglftungcn. Ffir Erkllirung dcr Ab-

kiirzungen siche Tab~lte 1.

0~5 02 Defizit C02A C02 Gesamt

normal 7,1 0,93 6,0 54,~t Zyanvergiftung 3~0 0,7 6,9 40~9

Als sicheres Resultat geht aus Tabclle 3 hervor, dab bei Zyan- kalivergiftung die Differenz im 02-Gehalt zwisehen arteriellem nnd venSsem Blute stark kleiner wird. Da damit sehr h~iufig eine starke Verlangsamung yon Herzaktion and Atmang einhergeht, kann dieser Abfall der 02-Differenz nicht in einer besseren Versorgung des Blares mit Sauerstoff begriindet sein. Die Erseheinungen sind nut so zu er-kli~ren, dab das Gewebe unter der Zyanvergiftnng die FEhigkeit zum Tell verloren hat~ Sauerstoff an sieh zu reii~en. Die Ansehau- un~7 wonaeh Z y a n k a l i die Oxydasen des Gewebes bloekiert~ wird anch (lurch diese Versnehe bestEtigt. Die hel l ro te Fa rbe des ven(isen Blutes bei Z y a n k a l i v e r g i f t u n g hat. seine Ursaehe in dem erhShten Sauers tof fgeha l t .

Mit dem erhShten O2-Gehalt des venSsen Blutes bei Bloekierung der Oxydasen durch BlausEure steigt auch der 02-Gehalt des arteri- ellen Blutes etwas an. Der Unterschied der Mittelwerte ist allerdings nut gering, indem das arterielle Blur des ~ormaltieres im Mittel 0~93 Volumprozent und dasjenige des Zyanvergifteten 0,7 Volumprozent Sauerstoff bis znr vollstlindigen. Siittigung anfnimmt. Sehr groBes Gewicht kann darauf nicht gelegt werden~ da die Einzelwerte stark sehwanken.

Ein weiteres sicheres Resultat, das auch in den Mittelwerten deutlich zum Ausdruck kommt, ist der starke Abfall der Gesamt- kohlensiiure des arteriellen Blutes durch die Zyanvergiftung. Es darf als ziemlich sieher angenommen werden, dab dieser Abfall durch die Zyanvergiftungen eine direkte Folge der Oxydasenhemmung ist. Da das Gewebe dabei nur ganz nn~eniigende Mengen Suuerstoff auf- nehmen kann~ muB es zu einem anoxydativen Zerfall mit vermehrter

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30 HL ALFRED FLEISCH.

Bildung and Aussehwemmung yon Milchs~ure kommen. Die Milch- s~urebildung wird dadurch noch erhSht, dab bei den Vergiffangen starke Maskelkr~mpfe auffreten. Diese Milchs~ure wird aus dem Bikarbonat des Blares Kohlens~ure freimachen, die ausgeatmet wird, wodurch die Gesamt-C02 des Blutes absinkt.

Die Bestimmuagen der C02-Differenz zwischen arteriellem und ven~sem Blute h~ben namentlich bei der Zyanvergiftung sehr un- regelm~ti~ige Resaltate ergeben. Vielleieht ist die Behinderung des Tieres durch das Aufspannen zum Teil schuld daran. Im Mittel ist die C02-Differenz be i Zyanvergiftang etwas grtiBer als beim normalen Tier, was eventuell auf die Austreibang yon CO2 dureh die gebildete lllilehsi~ure zurtickzuftlhren ist. Doch darf auf diese C02-Differenz kein zu groBes Gewicht gelegt werden; denn die FehlergrSBe der Methode bei der CO~-Differenzbestimmung spielt eine nieht zu unter- sehi~tzende Rolle. Die Bestimmung der C02-Differenz mit dem Barcroftsehen Apparat ist n~mlieh sehr viel ungenauer als die Be- stimmung der 02-Differenz. Eine nut kleine Ungenauiffkeit im Ab- messen der fUr die Analyse notwendigen Blatmengen verursacht bei der C02-Differenzbestimmung einen sehr viel gr~Beren Fehler als bei der Bestimmang der Sauerstoffdifferenz. Eine ganz genaue Abmessung der Blutmengen war nnn aber nicht immer mSglich, da, um Gerinnung zu vermeiden, raseh gearbeitet werden muBte.

Naehdem somit die Symptoms der reduzierten Oxydasenfunktion in bezug auf dis Blutgaswerte bekannt sind, sollen dis Resultate bei Beriberitauben damit verglichen werden.

Blutgasanalysen bei Beriberitanben.

Die Dauer des vitaminfl'eien Regimes sehwankte fiir die einzelnen Versuchstiere zwischen 18 and 40 Tagen, wi~hrend weleher Zeit sie nut polierten Reis erhielten. Samtliche Tauben hatten, als die Gas- analysen ausgefUhrt warden, siehere Zeichen yon Avitaminose, wie sehwankender Gang, Stolpern tiber die eingekrallten Zehen, Kopf- nystagmns, Znrtieklegen des Kopfes anf den RUeken, Ubersehlagen naeh riickw~rts. Alle untersaehten Tauben besaBen typisehe Reiz- symptome, oder sie hatten das Reizstadium sehon passiert and be- fanden sieh im L~hmungsstadiam. Taaben, die keine Reizsymptome aufwiesen, warden nieht verwendet. Zar genauen Orientierung tiber den Grad des Krankheitszustandes wurde die KSrpertemperatur, Pals- and Atmangsfrequenz and der auf das Anfangsgewicht bezogene prozentuale Gewiehtsverlust bestimmt. Ms Vergleiehsobjekte warden einige Gesundtauben auf die gleiche Weise analysiert.

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Blutgasanalysen bei gesch~digtcr GewebeatmuDg usw. 31

Die Resultate der Gesundtauben und der beriberikranken Tauben sind in Tabelle 4 Ubersichtlich zusammengestellt.

Tabe l l e 4.

Blutgasanalysen bei Gesundtauben (Versuche 7--9) und bei Beriberitauben (Versuche 10--15).

Versuch

7 7,9

[itte! aus 11,08705'0

7--9

t0 5,8

11 4,7

12 2,4

13 3,7

14 6,9

15 4,2

iittel am, 4~6 11--15

�9

02 A 02Def.

1,9 1,0 2,2 1~7

0,3

0,7

0,8

1,5

1,3

0,1

0~8

C02 h CO~Ges.

J

6,5 ! 57,2 1,1 54,0 74 6,0 48,5 75

475 5872 75 1

[

3,7 56,5 ; i

1,4 43,3

3,8 55,6 62

-- 46,8 - -

I

4,3 54,8

873 5 1 ~

Hb I Tempe- r a t u r

i 77! 40,5

42,3 42,0 4176

38,9

35,4

37,2

29,5

57 i 32,8

55 36,3

]

62 85~0 I t

Puls [Atmung pro pro

MinutenMinuten

�9 J I Gewmhts- Tagej verlust auf in 0/o Reis

11

33

31

17

31

26

198 64 232 72 300 80 2~8 72

126 34

97 26

108 27

40 10

104 12

128 18

100 21~2 28

0 0 0 0

19

25

40

18

19

21

24

Bemerkungen

gesund

Gesundtauben

beginnende Beri- berisymptome

seit 20 Stunden akute Sym- ptomo

Rystagmus, fort- w~ihrend Uber- schlagen

im Li~hmllngs- stadium, am Boden liegend

Riickw~irtsiiber- schlagen

seit 10 Stullden akute Sym- ptome

Beriberitaub~u

02 A ----- Sauerstoffdifferenz zwischell arteriellem lllld veI15sem Blute in Volumprozellt.

02 Defizit ~ Anzahl Volumprozent 02, die das arterielle Blur bis zur vollstlindigell Siittigung noch aufnimmt.

C02 A ~ Differenz im C02-Gehalt zwischen arteriellem und veniisem Blute in Volumprozent.

002 Ges. ~ Gesamt-CO 2 des arterielloll Blutes in Volumprozent. Hb ~ Hiimoglobingehalt~ wobei 80 normal ist.

Gew.-Verlust ~---Gewichtsverlust des Tieres Wiihrend des Reisregimes in Prozellt auf das Anfangsgewicht bezogell.

Um nicht weitschweifig zu werden, sei die Besprechung jedes einzelnen Versuches unterlassen, dessen Daten sich j a in der Tabelle

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32 lI[. ALFRED I~LEISCH.

finden. Ftir die Gesundtauben einerseits und die Beriberitauben anderseits sind die Mittelwerte aus den einzelnen Resnltaten berechnet, die in der Tabelle 4 fettgedruckt sind.

Als wicht igs tes und sicheres Resu l ta t ist zu nennen , dab die Sauers tof fd i f fe renz zwisehen ar te r ie l lem und veniisem Blute bei den Ber iber i t auben mit 4,6 Volumprozent wesent - lich k le iner ist als bei den Gesundtauben mit 8Volumpro- zent. Ferner ist das a r t e r i e l t e Blur bei Ber iber i e twas besser mit 02 gesii t t igt als bei den Normal t ie ren , indem das 02-Defizit yon 1,7 beim Normal t ier auf 0,8 Volumprozent bei Beriberi sinkt. Wir haben s o m i t e i n e b e s s e r e S a t t i g u n g des a r t e r i e l l en and nament l ich einen hi, heron 02-Gehalt des ven i son Blutes bei der Avitaminose.

Dieser Befund kliirt die in unserem Institut hi~ufig gcmaehte Beobaehtung auf, dab bei Ber iber i tauben im typ i sehen Anfalt das venSse Blut eine dafar au f fa l l end helle Farbe besitzt. Diese hel l ro te Farbe hat ihre Ursaehe in dem hohen 02-Go- halt des venSsen Blutes.

Die erhaltenen Blutgasbefunde sind um so auffalliger, a]s bei den Beriberitauben die Atmungsfrequenz pro Minute sehr stark rednziert ist, namlich yon 72 bei den Normaltauben auf den Mittelwert yon 21,2 bei Beriberi. Von einer ~,besseren O~-Versorgung<< des Blutes bei Avitaminose kann somit keine Redo sein. Ferner ist auch die Pulsfrequenz yon 243 beim Normalen auf durehschnittlich 100 pro Minute bei den Beriberitauben gesunken. Der ttiimoglobingehalt ist bei Avitaminose ebenfalls kleiner als bei den Gesundtieren; doeh ist die Rtickwirknng davon auf die Blut~asbefunde schwer zu priizisieren da die Reduktion des Hamoglobingehaltes mit vielen anderen Fak- toren innig verknUpft ist, die in ihrer Gesamtheit wirkend in bezug' auf den Effekt kaum benrteilt werden kSnnen.

Ein soleher Abfall yon Puls- und Atmungsfrequenz ware unter normalen Verhitltnissen, d. h. bei normalem O2-Verbrauch des Gewebes, dazu angetan, dem ven(isen Blute fast allen Sauerstoff zu entziehen, die O2-Differenz zwisehen arteriellem und ven(isem Blute also sehr groB werden zu lassen. Aber trotz dieser zwei entgegengesetzt wir- kender Faktoren finden wir eine abnorm kleine 02-Differenz, also einen hohen OrGehalt des venSsen Bhtes. Ein solches Resultat ist nur mSglich, wenn der Sauerstoffverbraueh des Gewebes bei Avita- minose stark gesunken i~t. ~aeh diesen Versuehen bes teht bei der Avitaminose ein re ichl iehes Angebot , abet ein s ta rk r e d u z i e r t e r V e r b r a n e h v o n S a u e r s t o f f i m G e w e b e . Ein redu-

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Blu~gasanalysen bei gesch~digfer Gewebeatmung usw. 33

zierter 02-Verbraueh wurde auch von Abderh a lden 1) im Gaswechsel- versuch am lebenden Tier beobachtet.

Diese Befunde legen bere i t s die Ve rmu tung nahe , dal] bei der Avi taminose ein r e d u z i e r t e r O x y d a s e n g e h a ! t des Gewebes exist ier t . Durch diese Annahme werden die erhaltenen Resultate, hoher 02-Gehalt des ven~sen und aueh des arteriellen Blutes trotz stark reduzierter Atmuugs- und Herzfrequenz, restlos erklgrt. Aber erst durch den Vergleich mit den Zyankaliversuchen wird diese Annahme des herabgesetzten Oxydasengehaltes bei Avita- minose ins riehtige Lieht gesetzt. DaB es bei Zyankalivergiftung zu einer Bloekierung der Gewebeoxydasen kommt, ist sicher. Die Zyan- ka l iverg i f tunf f f t thr t nun aber zu dense lbeu Ver i tnde rungen der Blu tgase , wie sie bei A v i t a m i n o s e t a u b e n g e f u n d e n wurden. Abnorm g e r i n g e Dif ferenz im 02-Gehal t zwischen a r t e r i e l l e m und ven~isem Blute bei fas t vol ls t i indig 'er 02- S~t t iguug des a r t e r i e l l en Blutes ist ebeuso t y p i s c h ftlr die Z y a n k a l i v e r g i f t u n g wie fttr die A v i t a m i n o s e . In be iden F~tllen, bei Zyanka l i wen igs t ens bei st~trkeren Ve rg i f t ungen , f i n d e n wir zudem eine R e d u k t i o u yon A t m n n g s - and Puls- f requenz. D u r e h d i e l d e n t i t i i t d e r S y m p t o m e i n b e z u g a u f d i e B l n t g a s b e f u n d e in Verb indnng mi t der yon HeB ge fundenen Gle iehhe i t de r Symptome bei Ber iber i und Z y a n v e r g i f t u n g sehe in t der SehluB b e r e c h t i g t , dab es s ich bei der Avita- minose wie bei der Z y a n k a l i v e r g i f t u n g s ieher um eine g e r a b s e t z u n g des O x y d a s e n g e h a l t e s baudel t .

Bei der Zyankalivergiftung wurde festgestellt, dab dutch jade za Vergiftangserseheinung'en f~ihrende Injektion die Gesamt-CO~ des arteriellen Blutes stark herabgesetzt wnrde. Eine solehe Reduktion der Gesamt-C02 finden wit aueh bei der Avitaminose, abet allerdings nieht in dem ausgepr~Lgten Mage, wie bei Zyankalivergiftung. DaB der Abfall bei der Avitaminose verhNtnism:~tl~ig klein ist, beruht zum Teil sieher darauf, dab einzelne Tanben sieh erst im Beginue der Erkrankunff befinden. Dies trifft speziell ftir Versuch 10 zu, bei weleher Taube die Kiirpertemperatur, Puls- und Atmungsfreqnenz, und aueh der tti~moglobingehalt noeh sehr hoch sin& Diese Tanbe be- sitzt dann aueh einen noeh sehr hohen Wert der Gesamt-C02. Eine Herabsetzung" der Gesamt-CQ bei Beriberi seheint abet doeh sieher zu sein, haben doeh aueh andere Antoren, wie Kate, Shizume und

1) E. A b d e r h a l d e n , Pfltigers Arch. f. d. ges. Physiol. 1920, Bd. 178, S. 260 und Bd. 185~ S. 41.

Archly f. experiment, Path. u. PharmakoL Bd. 95. 3

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3~ III. ALFRED FLEtSCtL

Makil}~ eine Herabsetzung der Puffersubstanzen des Blutes bei Beriberi gefunden. Die verh~iltnism~iBig geringe Reduktion der Ge- saint-C02 bei Beriberi hat vielleieht darin ein ursachliches Moment~ daft bei tier Zyankalivergiftung die Oxydasenbloekierung momentan und sehr intensiv einsetzt~ und das Blur somit plStztieh mit Milch- saute Ubersehwemmt wird, wghrend bei der Avitaminose die Ver- armung an Oxydasen langsam zustande kommt. In diesem zweiten Falle ist ft~r Regulationsmechanismen Zeit gegeben, die den anoxyda- tiven Abbau vielleicht reduzieren, vielleicht auch die Eliminierung der Milchsaure eventuell durch die l~ieren gewghrleisten.

Bei der Avitaminose wurde im Mittel ein Abfall der C0~-Differenz gefunden. Doch kann in diesem Punkte wie bei der Zyankali- vergiftung keia sicherer SehluB gezogen werden, da die Methode, wie oben erwahnt, in bezug auf die CO~-Differenzbestimmung zu unsieher ist.

S e h l u B b e t r a c h t u n g und Zusammenfas snng .

Die Symptome der Avitaminose im klassischen Fall der Vogel- beriberi wurden yon W. R. ttel3 als eine Folge yon Oxydasenverar- mung angesproehen. Die Argumente yon geB far diese Auffassung sind:

Gewebe yon Avitaminosetauben besitzt in vitro ein reduziertes Atmungsverm~gen gegenUber dem Gewebe yon Gesundtauben.

Subletale Blausaurevergiftung yon Gesundtauben reproduziert im akuten Versueh das Bild der Taubenberiberi in allen Einzelheiten. V o n d e r Blausaure ist abet bekannt, dab sic speziell die Gewebe- oxydasen blockiert.

Wenn bei Avitaminose tatsachlich ein reduzierter Oxydasengehalt existiert, so mtissen Avitaminosetauben gegen Blaus~iure empfindlieher sein als Gesundtauben, was HeB experimentell best~itigen konnte.

Die Riehtigkeit der HeBschen Auffassung wird yon eincm an- deren Gesichtspunkte aus geprUft. Wenn namlich die Symptome der Taubenberiberi wie die Symptome der Blaus~iurevergiftung auf einer Reduktion bzw. Blockade der Oxydasen beruhen, so muB in beiden Fallen eine gleiehe Veranderung der Blntgase vorhanden sein. Die grebe Bedeutung der Blutgasbefunde ftir die Entscheidung dieser Frage erhellt aus dem Umstande, dab bei Reduktion bzw. Blockade tier Oxydasen trotz reichlichem Angebot ein reduzierter Sauerstoff-

li G. Kato, S. Sbizume and R. Maki, The nature of the paralysis of nerve in the birds of Beriberi like disease. Japan Medical World 192!, Bd. 1, Nr. 3.

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Blutgasanalysen bei gesch~idigter Gewebeatmung usw. 35

verbraueh besteht. Dadurch muB das arterielle, namentlich aber das venSse Blut relativ reich an Sauerstoff werden.

Die Blutgasanalysen wurden mit dem Barer0ftschen Apparat an normalen und mit Zyankali vergifteten Kaninehen und an normalen und beriberikranken Tauben ausg'efiihrt. Es ergaben sieh folgende Resultate :

Bei Zyankalivergiftung wie auch bei Avitaminosetauben besitzt das ven~se Bht eine gegenUber den normalen Verhaltnissen auf- fallend hellrote Farbe. Die Differenz im 02-Gehalt zwisehen arteri- ellem und venSsem Blute ist, ffleiehermaf~en bei Zyankalivergiftung wie bei Avitaminose, auf durehschnittlieh etwa die tialfte reduziert. Dabei ist das arterielle Blur fast vollstandig und besser als beim gesunden Tier mit Sauerstoff gesattigt. Es existiert also bei der Zyankalivergiftung wie bei der Avitaminose ein abnorm hoher Sauer- stoffgehalt des venSsen Blutes, was um so auff~lliger ist, als tterz- aktion und Atmunffsfrequenz bei Zyankalivergiftung" und bei Avita- minose stark reduziert sind. Die Verlangsamunff von tterz und Atmung und die beobaehtete Reduktion des Hamofflobingehaltes bei Avitaminose wtirden unter sonst normalen Verhaltnissen einen sehr geringen O~-Gehalt des ven~sen Blutes bewirken. Dureh die Iden- titat der Befunde in bezug auf I-Ierz, Atmtrng und 02-Gehalt des Blutes bei Zyankalivergiftunff und bei Avitaminose erseheint der SehluB berechtigt, dab es sieh bei der Avitaminose, wie bei der Zyankali- vergiftung Sieher~ um eine tIerabsetzung der Oxydasenfunktion handelt. Die Ansehauung" yon IteB, dab die Symptome der Vogelberiberi eine Folge der Oxydasenverarmung sei, wird somit dutch diese Experimente gestUtzt.

Bei der Avitaminose kommt es aueh zu einer Herabsetzung der Gesamtkohlens~ure des arteriellen Blutes, allerdings nieht in dem AusmaB wie bei der Zyankali,erffiftung.

3*