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Brüder Grimm Kinder- und Hausmärchen

Brüder Grimm Kinder- und Hausmärchen · den Brüdern Grimm all ihre bis dato zusammengebrach- ten Materialien: »Ich habe jetzt angefangen Kindermär- chen zu schreiben, und Ihr

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Brüder Grimm

Kinder- und HausmärchenDie handschriftliche Urfassung von 1810

Herausgegeben und kommentiertvon Heinz Rölleke

Reclam

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RECLAMS UNIVERSAL-BIBLIOTHEK Nr. 185202007 Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG,

Siemensstraße 32, 71254 DitzingenDruck und Bindung: Canon Deutschland Business Services GmbH,

Siemensstraße 32, 71254 DitzingenPrinted in Germany 2017

RECLAM, UNIVERSAL-BIBLIOTHEK undRECLAMS UNIVERSAL-BIBLIOTHEK sind eingetragene Marken

der Philipp Reclam jun. GmbH & Co. KG, StuttgartISBN 978-3-15-018520-9

www.reclam.de

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Inhalt

Vorwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7

Märchen

⟨1. Von einem König, Schneider, Riesen, Einhorn⟩ 132. Vom Kätzchen und Maüschen . . . . . . . . . . 133. Das Laüschen und Flöhchen . . . . . . . . . . . 144. Der getreue Gevatter Sperling . . . . . . . . . . 165. Von dem Strohhälmchen dem Köhlchen und

dem Böhnchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 176. Der Wolf . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 187. Allerlei Rauch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 208. Armes Mädchen . . . . . . . . . . . . . . . . . . 209. Blutwurst . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21

10. Zwölf Brüder und das Schwesterchen . . . . . . 2111. Das Brüderchen vnd das Schwesterchen . . . . 2412. Daümling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2713. Dümmling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 2814. Vom Schneiderlein Daümerling . . . . . . . . . 2815. Dummling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3016. Die weisse Taube . . . . . . . . . . . . . . . . . 3117. Die drei Königssöhne . . . . . . . . . . . . . . . 3218. Dümmling . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3319. Dornröschen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3520. Der Drache . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3621. König Droßelbart . . . . . . . . . . . . . . . . . 3822. Die goldne Ente . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4023. Mährchen v. Fanfreluschens Haupte . . . . . . . 43⟨24. Vom Fischer und seiner unersättlichen Frau⟩ . . 4425. Die Königstochter vnd der verzauberte Prinz.

Froschkönig . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4526. Ein Mährchen. Fündling . . . . . . . . . . . . . 4727. Goldne Gans . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 49

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⟨28. Geschichte vom Sperling⟩ . . . . . . . . . . . . . 5129. Herr Hände . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 51⟨30. Von dem gestohlenen Heller⟩ . . . . . . . . . . 5231. Die alte Hexe . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5232. Goldner Hirsch . . . . . . . . . . . . . . . . . . 57⟨33. Von Mäuschen und Bratwurst⟩ . . . . . . . . . 5734. Marienkind . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5835. Prinzessin Mäusehaut . . . . . . . . . . . . . . . 6136. Der Mond und seine Mutter . . . . . . . . . . . 6237. Murmelthier. Liron . . . . . . . . . . . . . . . . 62⟨38. Von der Nachtigall und der Blindschleiche⟩ . . 6939. Das gute Pflaster . . . . . . . . . . . . . . . . . 7040. Die drei Raben . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7041. Raüberbraütigam . . . . . . . . . . . . . . . . . 7242. Rumpenstünzchen . . . . . . . . . . . . . . . . 7343. Schneeweißchen. Schneewitchen . . . . . . . . . 7544. Die zwei Schornsteinfegers Jungen . . . . . . . 8045. Prinz Schwan . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8146. Ein Mährchen. Das stumme Mädchen . . . . . 84⟨46a⟩ Ein andres . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 8747. Die Wassernix . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 87⟨47a⟩ I. Vom König von England . . . . . . . . . . 8848. II. Vom Johannes-Waßersprung und

Caspar-Waßersprung . . . . . . . . . . . . . . . 8949. III. Von dem Schreiner und dem Drechsler . . . 91⟨50. Aschenputtel ⟩ . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92⟨51. Vom goldnen Vogel ⟩ . . . . . . . . . . . . . . . 92⟨51a⟩ Herr Korbes . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 92

Anhang

Entstehung der ältesten Märchensammlung derBrüder Grimm . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 97

Anmerkungen zu den einzelnen Märchen . . . . . . 100Konkordanz-Tabellen der KHM-Bezifferungen . . 140Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 142

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Vorwort

Seit Ende 1806 hatten die Brüder Jacob und WilhelmGrimm (1785–1863; 1786–1858) für den romantischenDichter Clemens Brentano (1778–1842) nicht nur Volks-lieder für die von ihm und Arnim herausgegebene An-thologie Des Knaben Wunderhorn (1805–1808), sondernauch Märchen und Sagen zur Unterstützung von Brenta-nos Fortsetzungsplänen zum Wunderhorn gesammelt. Alssich diese Pläne zerschlugen, wollte Brentano ein eigen-ständiges Märchenbuch erstellen und erbat sich daher vonden Brüdern Grimm all ihre bis dato zusammengebrach-ten Materialien: »Ich habe jetzt angefangen Kindermär-chen zu schreiben, und Ihr könnt mir eine große Liebe er-weisen, wenn Ihr mir mittheilt, was Ihr derart besitzet[…] Sendet mir doch, was Ihr habt« (3. September 1810 andie Brüder Grimm). Die Grimms hatten Brentano viel zuverdanken, auch praktische Anleitungen zum Sammeln,Bearbeiten und Veröffentlichen von Märchen sowie Hin-weise auf alte Quellen und Gewährspersonen mündlicherTraditionen. So ist es nur folgerichtig, daß Jacob Grimmam 24. September 1810 an ihn schrieb: »Die Kindermär-chen, die wir gesammelt, sollen Sie kürzlich erhalten.«Den Grund für die leichte Verzögerung hatte er zuvorbrieflich am 12. September 1810 seinem zwecks Märchen-sammelns in Marburg weilenden Bruder genannt: »UnsereKindermärchen verlangt er […] Das muss man gewissthun, doch halte ich für nöthig, von unserm Gesammeltenvorher Abschrift zu nehmen, denn sonst gehts verloren.«Tatsächlich ließen die Brüder Grimm in den folgendenvier Wochen Abschriften ihres gesamten Märchenmateri-als erstellen, die hernach den Grundstock für ihre eigenenPublikationen bildeten. Sodann stellte Jacob Grimm dieSendung der Originalmaterialien an Brentano nach Berlinzusammen. Einige Stücke hielt er indes zurück, weil diese

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8 Vorwort

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Brentano bereits bekannt waren oder in Form von Ab-schriften vorlagen. Er sortierte die Texte in zwei Gruppen:Nach sechs Tiermärchen, die den Anfang bilden, folgendie übrigen Märchen; beide Gruppen wurden alphabetischnach den Hauptstichwörtern der jeweiligen Überschriftenangeordnet und durchnumeriert (ein Prinzip, das dem Bi-bliothekar und Ordnungsfex Jacob Grimm nahelag), undzwar zwischen »Einhorn« und »Wolf« sowie zwischen»Allerlei Rauch« und »Waßersprung«. Die Texte Nr. 46aund Nr. 47a hat Jacob Grimm insgesamt durchstrichenund nicht in die Zählung einbezogen; ohne eigene Num-mer blieb auch das erst nach Abschluß der Zusammen-stellung zugekommene Märchen Nr. 51a. Nach WilhelmGrimms Heimkehr aus Marburg wurden die Texte Nr. 1,24, 28 und 33 entfernt, weil auch diese Brentano schonkannte. Vier Niederschriften, die erst nach Zusammenstel-lung des Corpus zugekommen waren, wurden am Endehinzugefügt: Nr. 48, 49, 50 und 51. Von diesen insgesamt51 Niederschriften blieben schließlich 47 in BrentanosNachlaß erhalten (die Manuskripte Nr. 30, 38, 50 und 51sind verschollen). Es handelt sich um 63 Blätter (insgesamt108 beschriebene Seiten).Nach der äußerst lakonischen Eingangsbestätigung vom2. November 1810 (»Gestern erhielt ich die Mährchen«)ist Brentano mit keinem Wort mehr auf die Märchensen-dung eingegangen, die wohl insgesamt nicht seinen Er-wartungen entsprach. Jacob Grimms Befürchtungen ent-sprechend, hat er die Handschriften auch nicht – wie dieGrimms das ausdrücklich gewünscht hatten – zurückge-schickt. Spuren von Bearbeitungen finden sich außer einerNotiz zu Nr. 18 nicht, es sei denn man wolle das Ver-schwinden von vier Manuskripten als Zeugnis seiner Be-schäftigung mit den Grimmschen Niederschriften werten.Immerhin hat er das Konvolut aber bis zu seinem Todtreu bewahrt. Ganz im Gegensatz dazu haben die BrüderGrimm die Abschriften ihrer ältesten Märchensammlung

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Vorwort 9

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verbrannt, nachdem sie für die Drucklegung ausgewertetworden waren. Desto kostbarer, weil solitär, sind die Ori-ginalniederschriften im Nachlaß Brentanos.Nach Brentanos Tod (1842) kamen die Grimmschen Mär-chenhandschriften durch den Abt Ephrem van der Meu-len (gest. 1884) an die Bibliothek des TrappistenklostersÖlenberg im Elsaß. Dort wurden sie erst nach dem ErstenWeltkrieg entdeckt und einigermaßen zulänglich identifi-ziert. Einen Erstdruck, der nicht auf den Originalmanu-skripten, sondern auf einer überaus flüchtigen und vonFehlern wimmelnden Abschrift von unbekannter Handaus dem Jahr 1911 basiert, brachte Franz Schultz unterdem Titel »Die Märchen der Brüder Grimm in der Ur-form« (2. Jahresgabe der Frankfurter Bibliophilen-Gesell-schaft. Offenbach a. M. 1924) heraus. Joseph Lefftz hatdiese Edition mit Recht heftigst kritisiert und erfolgreichseine eigne an deren Stelle gesetzt: »Märchen der BrüderGrimm. Urfassung nach der Originalhandschrift der Ab-tei Ölenberg im Elsaß«. Heidelberg 1927. Der Titel seinerNeuedition war und ist nicht glücklich gewählt: Zum ei-nen hatte Friedrich Panzer die von ihm 1913 neu aufgeleg-ten Erstdrucke der Grimmschen »Kinder- und Hausmär-chen« von 1812/15 »Urfassungen« genannt, so daß es inder Forschung zu einer Begriffsverwirrung kam; zum an-dern wechselte das Konvolut 1953 auf einer New YorkerVersteigerung den Besitzer: Seither ist es Eigentum derFondation Martin Bodmer in Cologny-Genève und folg-lich keine ›Ölenberger‹ Handschrift mehr. Trotz postwen-dender Kritik und vieler Unzulänglichkeiten hat dieLefftzsche Edition fast ein halbes Jahrhundert hindurchdie Grimm- und Märchenforschung bestimmt und teil-weise mächtig irregeführt.Erst 1975 erschien die erste historisch-kritische und aus-führlich kommentierte Ausgabe des in vieler Hinsicht sowertvollen Märchenkonvoluts (Die älteste Märchensamm-lung der Brüder Grimm. Synopse der handschriftlichen

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10 Vorwort

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Urfassung von 1810 und der Erstdrucke von 1812, hrsg.und erl. von Heinz Rölleke, Cologny-Genève 1975 [Bi-bliotheca Bodmeriana. Texte, I]). Die grundsätzlichen undspezifischen Mängel und Fehler der Lefftzschen Editionsind dort (S. 18 f.) skizziert.Die Edition von 1975 liegt dem vorliegenden Neuabdruckzugrunde. Verzichtet wurde hier auf die synoptische Wie-dergabe der Erstdrucke sowie auf eine Reihe diakritischerVerzeichnungen (Streichungen, Positionierung von Nach-trägen, Lesarten usw.), so daß es lediglich bei einigen Ein-fügungen des Herausgebers (kursiv in Winkelklammern)und Lesehilfen (kursiv in runden Klammern: lies) blieb.Der Abdruck ist buchstabengetreu, Unterstreichungeneinzelner Wörter in den Märchentexten sind nicht wieder-gegeben; die Überschriften sind im Druckbild vereinheit-licht.

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Märchen

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Märchen 13

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⟨1.⟩

⟨Von einem König, Schneider, Riesen, Einhorn⟩

2.

Vom Kätzchen und Maüschen

Ein Kätzchen und ein Maüschen, die hatten Wirthschaftzusammen, und hatten sich ein Töpfchen mit Fett gekauftfür den Winter, und hatten es unter den Altar in der Kir-che gestellt. Bald darauf sagt das Kätzchen zum Maüs-chen, erlaub’ mir doch auszugehn ich muß Gevatter stehn;und das Maüschen erlaubte es. Aber das Kätzchen ging indie Kirche und aß die Haut von dem Fetttöpfchen ab. DasMaüschen fragte es, wie es wieder nach Haus kam, wie dasKindlein geheißen. »Hautab« sagte das Kätzchen. Undbald hernach sagte das Kätzchen, es müße wieder Gevatterstehn, und ging hin und aß das Fetttöpfchen halb aus.Und als das Maüschen fragte wie das Kindlein geheißen,so sagte das Kätzchen: »Halbaus« Endlich ging es nocheinmal zu Gevatter, ob es gleich das Maüschen nicht ha-ben wollte, und sehr nachdenklich war, und sagte: Haut-ab, Halbaus, das sind ja kuriose Namen. Und das Kätz-chen fraß das Fetttöpfchen ganz aus, und sagte: das Kind-lein hat Ganzaus geheißen. Da schüttelte das Maüschengar sehr den Kopf, Ganz aus! ei das ist ein bedenklicherNamen. Bald war es Winter, da gingen sie beide in dieKirche zu dem Fetttöpf⟨ch⟩en unter dem Altar, aber siefanden es leer. Da sagte das Maüschen: das hast du gewißgethan, wie du zu Gevatter standest. Da sagt das Kätzchenschweig still oder ich freß dich auf, und als eben dasMaüschen den Mund wieder aufthun wollte, sprang dasKätzchen auf es hin, und fraß es auf.

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14 Märchen

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3.

Das Laüschen und Flöhchen

Ein Laüschen und ein Flöhchen die lebten zusammen ineinem Haushalt, und brauten sich Bier in einer Eierschaa-le. Da fiel das Laüschen hinein und verbrennte sich. Dafing das Flöhchen laut an zu schreien. Da sprach die klei-ne Stuben Thüre:

»was schreist du Flöhchen?«

Weil sich Laüschen verbrennt hat.

Da fing das Thürgen an zu knarren. Da sprach ein Be-sengen in dem Hausehrn:

»was knarrst du Thürgen?«

Soll ich nicht knarren?

Laüschen hat sich verbrennt,Flöhchen das weint.

Da fing der kleine Besen an entsetzlich zu kehren. Dakommt ein Wägelchen vorbei:

»was kehrst du Besenchen?«

Soll ich nicht kehren?

Laüschen hat sich verbrennt,Flöhchen weint,Thürgen knarrt.

Da sagt das Wägelchen, so will ich entsetzlich rennen, undrennt entsetzlich. Da sagt das Mistchen an dem es vorbei-rennt:

»was rennst du Wägelchen?«

Soll ich nicht rennen?

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Märchen 15

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Laüschen hat sich verbrennt,Flöhchen weint,Thürgen knarrtBesengen kehrt

Da sagt das Mistchen so will ich anfangen zu brennen,und brennt entsetzlich.

Da stand ein Baümchen, das sagt: »Mistchen wasbrennst du?«

Soll ich nicht brennen?

Laüschen hat sich verbrennt,Flöhchen weint,Thürgen knarrt,Besengen kehrt,Wägelchen rennt;

Da sagt das Baümchen, so will ich mich schütteln undschüttelte all sein Laub ab. Da sagt ein Mädchen mit demWaßerkrügelchen:

»Baümchen was schüttelst du dich?«

Soll ich mich nicht schütteln?

Laüschen hat sich verbrennt,Flöhchen weint,Thürgen knarrt,Besengen kehrt,Wägelchen rennt,Mistchen brennt.

Da sagt das Mädchen, so will ich mein Waßerkrügelchenzerbrechen, und zerbrach sein Waßerkrügelchen; da sagtdas Brünnlein:

»Mädchen was zerbrichst du dein Waßerkrügelchen?«

Soll ich mein Waßerkrügelchen nicht zerbrechen?

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16 Märchen

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Laüschen hat sich verbrennt,Flöhchen weint,Thürgen knarrt,Besengen kehrt,Wägelchen rennt,Mistchen brenntBaümchen schüttelt sich.

Ei! sagte das Brünnchen so will ich anfangen zu fließen,und fing so entsetzlich an zu fließen, daß alles ertrunkenist, das Mädchen, das Baümchen, das Mistchen, das Wä-gelchen, das Besengen, das Thürgen, das Föhgen, und dasLaüschen, alle.

4.

Der getreue Gevatter Sperling.

Es war einmal eine Hirschkuh, die hatte einen jungenHirsch zur Welt gebracht und bat den Fuchs Gevatter zustehn. Der Fuchs bat noch den Sperling dazu, und dieserwollte noch seinen Freund, den Haushund dazu bitten.Der war aber von seinem Herrn an ein Seil gelegt, weil ervor kurzer Zeit ganz betrunken nach Haus gekommen war.Der Sperling sagte aber, das thut nichts und pickte solangan dem Seil, und immer ein Fädchen los, bis daß der Hundlos war. Und sie gingen zusammen zum Gevatterschmausund waren sehr vergnügt, der Hund aber übernahm sichwieder und war so betrunken, daß er auf dem Heimwegliegen blieb. Da kam ein Fuhrmann und wollte über ihnfahren, der Sperling rief ihm zu: Fuhrmann thus nicht eskostet dein Leben. Aber der Fuhrmann trieb den Wagenüber ihn und zerbrach ihm die Beine. Und der Fuchs undSperling schleppten den Hund heim, aber der Herr sagte:der ist ja todt und gab ihn dem Fuhrmann, der sollte ihn

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begraben. Und der Fuhrmann fuhr mit ihm fort und derSperling flog mit und rief immer: Fuhrmann es kostet deinLeben! Dann setzt er sich auf das Haupt des einen Pferdsund rief: Fuhrmann es kostet dir dein Leben, und der Fuhr-mann ward bös und schlug mit einer Hacke dem Sperlingund schlug auf das Haupt des Pferds und schlug es todt,der Sperling aber flog in die Höhe. Dann setzt er sich aufdas Haupt des andern Pferds und machte es eben so, dannauf das Haupt des dritten, und der Fuhrmann erschlug allseine Pferde und mußte den Wagen stehn laßen. Und er eil-te nach Haus aber der Sperling flog mit, der sich aufs Fen-ster setzte und rief, Fuhrmann es kostet dir dein Leben.Und noch zorniger ergriff ⟨er⟩ die Hacke, und schlug dasFenster ein, aber er traf den Sperling nicht. Der setzt sichauf den Ofen und ruft von neuem: Fuhrmann es kostet dirdein Leben, und wüthend schlägt dieser den Ofen ein, undso fort sein ganzes Haus. Endlich erwischt er den Vogel,und sagt ietzt hab ich dich und schluckt ihn hinunter. Aberder Sperling fängt an im Leib zu flattern, und flattert wie-der herauf dem Fuhrmann in den Mund und ruft: Fuhr-mann es kostet dir doch dein Leben. Und der Fuhrmanngibt seiner Frau die Hacke, sie soll den Sperling in seinemMunde tödten, aber sie schlägt fehl und dem Mann auf denKopf und schlägt ihn todt, der Sperling aber fliegt fort

5.

Von dem Strohhälmchen dem Köhlchenund dem Böhnchen.

Das Strohhälmchen das Kölchen und das Böhnchen dielebten zusammen in Gesellschaft, und wollten einmal eineReise machen. Als sie nun schon weit gegangen waren ka-men sie an einen Fluß und wußten nicht wie sie hinüber

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gelangten. Da beschloßen sie das Strohhälmchen solltesich drüber legen und dann das Kölchen vorangehn unddas Böhnchen ihm folgen. Das Strohhälmchen legte sichquer über und das Kölchen ging langsam drauf und dasBöhnchen trippelte ihm nach. Wie aber das Kölchen mit-ten auf das Strohhälmchen kam fing es an zu brennen, undbrannte das Strohhalmchen durch und fiel ins Waßer undstarb, und das Böhnchen fiel auch hinein schwamm aberoben, mußte aber endlich zerplatzen von dem vielen Wa-ßer das es getrunken. Da trieb es der Fluß ans Ufer, da saßein Schneider, der nähte es wieder zusammen. Seit der Zeithaben alle Bohnen eine Nath.

Nach einer andern Erzählung ging die Bohne zuerstüber den Strohhalm und kam glücklich hinüber, die Kohleging nach mitten auf dem Halm brannte sie durch undzischte im Waßer. Wie das die Bohne sah, fing sie an zu la-chen, daß sie platzte. Ein Schneider saß am Ufer der nähtesie wieder zu, er hatte aber gerade nur schwarzen Zwirndaher alle Bohnen eine schwarze Nath haben.

6.

Der Wolf.

Es war einmal eine Geis, die hatte 7 junge Geiserchen,u. als sie ausgehen mußte, befahl sie denselben sich ja vordem Wolf in Acht zu nehmen und ihn nicht ins Haus zulaßen.

Bald kam der Wolf vors Haüschen u. sprach: liebe Kin-der, laßt mich ein, ich bin euere Mutter u. von meinemWeg zurückgekehrt. Die 7. Geiserchen aber sprachen: un-sere Mutter hat keine so rauhe Stimme, du bist der Wolf u.nicht unsere Mutter. Da ging der Wolf weg u. zu einemKrämer und kaufte sich Kreide, welche er aß, um seine

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Stimme feiner zu machen. Alsdann ging er wieder vor dieHütte u. rief mit hellen Worten: liebe Kinder laßt eureMutter hinein. Er hatte aber seine Pfote ins Fenster ge-streckt und die Geiserchen sprachen: unsere Mutter hatkeinen schwarzen Fuß, deswegen kommst du auch nichtherein, denn du bist der Wolf.

Der Wolf begab sich also zu einem Müller u. sagte:Müller streu mir Mehl auf meine Pfote. Und als sich derMüller weigerte, so drohte er ihm mit Freßen u. der Mül-ler mußte es thun.

(meunier meunier trempe ma patte dans ta farineblanche! –

non non non non – alors je te mange.)

Als nun der Wolf wieder vor das Haus kam u. Einlaß be-gehrte, so wollten die Geiserchen wieder erst den Fuß se-hen, u. als er ihn zum Fenster hinein reichte u. sie sahen,daß er weiß war, so glaubten sie, es wäre die Mutter u.gingen die Thür aufzumachen. Wie sie aber den Wolf er-blickten, so versteckten sie sich so gut sie konnten, einsunter den Tisch, das andere ins Bett, das dritte in denOfen, das vierte in die Küche, das fünfte in den Schrank,das sechste unter eine große Schüßel, das siebente in dieUhr. Der Wolf fand sie indeß alle auser dem jüngsten inder Uhr u. verschluckte sie mit Begierde.

Als er fortgegangen u. die Mutter zurückgekommenwar, so sprang das jüngste Geischen aus der Uhr u. erzähl-te alles.

Der Wolf aber, weil er sich voll gefreßen hatte, ging aufeine grüne Wiese, legte sich in den Sonnenschein u. verfielin tiefen Schlaf. Da hieß die Mutter ihr jüngstes KindScheere, Nadel u. Zwirn nehmen, u. schnitten dem Wolfden dicken Bauch auf, woraus die 6. Geschwister nochunversehrt heraussprangen, weil er sie ganz verschluckthatte. Darauf holten sie Wackersteine u. füllten sie demWolf in den Leib, den sie auch wieder zu nähten. Als der

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Wolf ausgeschlafen, so fühlte er den Druck im Leib u.sprach: ich weiß nicht, es rumpelt u. pumpelt mir im Leibherum pp ich hab doch nur 6 Geiserchen gegeßen. Ersuchte also einen Brunnen um seinen Durst zu löschen, al-lein die Schwere der Steine machte, daß er in das Waßerfiel u. die 7 Geiserchen tanzten fröhlich um den Brunnenherum.

7.

Allerlei Rauch.

Allerlei Rauch wird von der Stiefmutter vertrieben, weilein fremder Herr ihre eigne Tochter vernachläßigt u. derStieftochter einen Ring verehrt hatte zum Liebeszeichen.Sie entrinnt, kommt an des Herzogs Hof als Schuhputze-rin, geht heiml. u ungekannt auf den Ball und kocht end-lich dem Herzog eine Suppe, den Ring unters Weißbrotlegend. Dadurch wird sie entdeckt und des Herzogs Ge-mahlin.

8.

Armes Mädchen

Kindermährchen von dem armen Mädchen, ohneAbendbrot, ohne Eltern, ohne Bett, ohne Haube u. ohneFehler, die aber allemal so oft ein Stern sich putzte unteneinen hübschen Thaler fand u.s.w

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9.

Blutwurst.

Es waren einmal eine Blutwurst u. eine Leberwurst, u.die Blutwurst bat die Leberwurst zu Gast. Und wie dieLeberwurst ins Haus der Blutwurst kam, so sah sie untenan der Thüre u. auf jeder Treppe, deren viel zu steigen wa-ren immer eine wunderbarliche Sache, als einen Besen u.Schippe, die sich einander schlugen einen Affen mit einergroßen Wunde im Kopf p

Als sie nun endlich ganz erschrocken über diese Begeg-niß in die Stube der Blutwurst getreten, u. derselben überdie Bewandnis dieser Dinge Fragen vorlegte, so erklärtediese jede Sache gezwungen u. ausweichend. so sagte sievon der Schippe u. dem Besen: ei es wird meine Magd ge-wesen seyn, die mit jemand auf der Treppe geschwätzthat.

Zuletzt ging die Blutwurst fort, um Anstalten zu ma-chen, da wurde die Leberwurst von ⟨Textlücke⟩ gewarnt,denn sie würde sonst gleich vielen andern mit dem Lebenbüßen. Eilig ergriff sie die Flucht, u. wie sie unten amHaus sich umsah, so stand die Blutwurst oben im Boden-loch mit einem langen Meßer, und rief ihr nach:

hätt ich dich so wollt ich dich!

10.

Zwölf Brüder und das Schwesterchen.

Es war einmal ein König u. eine Königin, die hattenzwölf Kinder zusammen, die waren alle Jungen. Und derKönig sprach, wenn das dreizehnte Kind ein Mädchenwäre, so wollte er alle seine 12 Söhne umbringen, wenn es

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aber wieder ein Sohn wäre, so sollten sie am Leben blei-ben. Da wurde die Königin gar traurig u. hatte ihre 12Söhne von Herzen gar lieb u. ging zu ihren 12 Söhnenund sprach zu ihnen: der König euer Vater hat gesagt,wenn ich ein Mädchen kriegte, so wollte er euch alle um-bringen, wenn es aber noch ein Brüderchen wäre, so woll-te er euch alle leben laßen. Und die Mutter rieth ihnen u.sprach: herzliebe Kinder geht in den Wald, u. wenn es einSöhnchen ist, so will ich oben auf dem Thurm eine weißeFahne aufstecken, ist es aber ein Töchterchen, eine rothe,so kann euch der Vater doch nicht tödten. Also gingen diezwölf Kinder in den Wald und guckten alle Tage nach demSchloß u. sahen immer keine Fahne wehen, eines Tagsaber sahen sie eine rothe Fahne wehen, u. wurden rechterzürnt, daß sie um eines Mädchens willen alle hätten ster-ben sollen u. schwuren sie wollten im Wald leben u. jedemMädchen das hinein käme aufpaßen und wollten es um-bringen, u. jeden Tag gingen elf von ihnen auf die Jagdund einer mußte abwechselnd immer zu Haus bleiben u.kochen u. den Haushalt führen.

Und das Schwesterchen war ganz allein zu Haus, u. ei-nes Tags wurde ihm die Zeit gar zu lang, da ging es aus u.kam in den Wald, u. kam dahin, wo seine zwölf Brüderwohnten, die waren aber alle ausgegangen auser der eine,der kochen mußte. Und wie er das Mädchen sah, so wollteer es umbringen, denn er hatte den Schwur also gethan, daflehte ihn das Mädchen um das Leben u. es wollte ihnenauch kochen u. das Haus zurechthalten, wenn er es lebenließe, und zum Glück, war es der jüngste Bruder, der wur-de erbarmt und versprach ihm das Leben zu laßen, u. alsdie andern elf von der Jagd nach Haus kamen, so verwun-derten sie sich das lebendige Mädchen zu finden u. derjüngste Bruder sprach und sagte: liebe Brüder, da ist dasjunge Mädchen in den Wald hereingekommen u. hat michso sehr um ihr Leben gebeten, so habe ich gedacht, eskönnte uns kochen u. den Haushalt führen, so könnten

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wir auch alle zwölf zusammen auf die Jagd gehen. Und daließen es die andern Brüder zu, u. nun gingen sie immeralle zwölf aus auf die Jagd u. das Schwesterchen blieb al-lein zu Haus, machte die Betten und kochte das Eßen.

Nun eines Tags, da die zwölf Brüder wieder aus waren,ging das Schwesterchen in den Wald spazieren u. kam aneinen Platz, da standen zwölf weiße Lilien, die waren soschön und es brach sie alle miteinander ab. Da war einealte Frau, die sprach: ach mein Töchterchen warum hastdu die zwölf studentenblumen nicht stehen gelaßen, dassind deine zwölf Brüder und die müßen nun alle in zwölfRaben verwandelt werden. Da fing das Schwesterchen anzu weinen vor großer Traurigkeit, daß es das gethan hätte,und sagte, ob denn gar kein Mittel wäre, die zwölf Brüderzu erlösen. Die alte Frau sagte: es ist nur eines, das ist abersehr schwer. Und das Kind sprach: sie mögte es nur sagen.Da sagte sie: du mußt zwölf ganze Jahr stumm seyn u.kein einziges Wort reden und wenn nur noch eine Stundean den zwölf Jahren fehlte, u. du hättest ein einziges Wortgeredet, so ist alles verdorben u. deine Brüder werdennimmermehr erlöst.

Das Mädchen geht in den Wald u. setzt sich in einenholen Baum u. spinnt, einmal geht ein König auf die Jagdu. sein Hund bellt vor dem Baum pp: ob es mit in seinKönigreich kommen u. ihn heirathen wollte. Es war aberganz still und antwortete keine Silbe. Da nahm er es mitsich u. hielt Hochzeit mit ihm, die Schwiegermutter konn-te es aber nicht leiden u. meinte es sey ein gemeines Mäd-chen. Die böse Schwiegermutter fing nun an, es bei demKönig zu verleumden u. ihm die schändlichsten Dingenachzusagen, u. weil es sich mit keiner Silbe vertheidigte,so glaubte es zuletzt der König u. verurtheilte es zumTode, u. befahl ein großes Feuer anzumachen u. es zu ver-brennen. Und als es am Feuer stand, so war eben die letzteStunde verfloßen von den zwölf Jahren u. man hörte einGeraüsch in der Luft und zwölf Raben kamen geflogen,

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als sie auf die Erde kamen, wurden sie zwölf Königssöhneu. machten ihre Schwester los, und ihre Unschuld kam anden Tag, die böse Schwiegermutter wurde aber in ein Faßsiedenden Öls gethan, worin giftige Schlangen waren.

11.

Das Brüderchen vnd das Schwesterchen.

Es war einmal ein armer Holzhacker, der wohnte voreinem großen Wald. Es ging ihm gar jämmerlich, daß erkaum seine Frau, und seine zwei Kinder ernähren konnte.Einsmals hatte er auch kein Brod mehr und war in großerAngst, da sprach seine Frau Abends im Bett zu ihm: nimmdie beiden Kinder morgen früh und führ sie in den großenWald, gib ihnen das noch übrige Brod, und mach’ ihnenein groß Feuer an und darnach geh weg und laß sie allein.Der Mann wollte lang nicht, aber die Frau ließ ihm keineRuh, bis er endlich einwilligte

Aber die Kinder hatten alles gehört, was die Mutter ge-sagt hatte das Schwestereben fing an gar sehr zu weinen,das Brüderchen sagte ihm es solle still seyn und tröstetees. Dann stand er leis auf und ging hinaus vor die Thüre,da wars Mondenschein und die weißen Kieselsteine glänz-ten vor dem Haus. Der Knabe las sie sorgfältig auf undfüllte sein Rocktäschlein damit, soviel er nur hineinbrin-gen konnte. Darauf ging er wieder zu seinem Schwester-chen ins Bett, und schlief ein.

Des Morgens früh, ehe die Sonne aufgegangen war, kamder Vater und die Mutter und weckten die Kinder auf, diemit in den großen Wald sollten. Sie gaben jedem einStücklein Brod, die nahm das Schwesterchen unter dasSchürzchen, denn das Brüderchen hatte die Tasche vollvon den Kieselsteinen. Darauf machten sie sich fort auf

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den Weg zu dem großen Wald. Wie sie nun so gingen, dastand das Brüderchen oft still, und guckte nach ihremHaüschen zurück. Der Vater sagte: was bleibst du immerstehn und guckst zurück; ach antwortete das Brüderchen,ich seh nach meinem weißen Kätzchen, das sitzt auf demDach und will mir Ade sagen heimlich ließ es aber immereinen von den weißen Kieselsteinchen fallen. Die Muttersprach: geh nur fort, es ist dein Kätzchen nicht, es ist dasMorgenroth, das auf den Schornstein scheint. Aber derKnabe blickte immer noch zurück, und immer ließ er wie-der ein Steinchen fallen.

So gingen sie lang und kamen endlich mitten in dengroßen Wald. Da machte der Vater ein großes Feuer an,und die Mutter sagt: schlaft dieweil ihr Kinder, wir wollenin den Wald gehn und Holz suchen, wartet bis wir wiederkommen. Die Kinder setzten sich an das Feuer, und jedesaß sein Stücklein Brot. Sie warten lang bis es Nacht ward,aber die Eltern kamen nicht wieder. Da fing das Schwe-sterchen an gar sehr zu weinen, das Brüderchen tröstete esaber und nahm es an die Hand. Da schien der Mond, und⟨die⟩ weißen Kieselsteinchen glänzten, und zeigten ihnenden Weg. Und das Brüderchen führte das Schwesterchendie ganze Nacht durch, und sie kamen des Morgens wie-der vor das Haus. Der Vater war gar froh, denn er hatte esnicht gern gethan; aber die Mutter war bös.

Bald darnach hatten sie wieder kein Brod und das Brü-derchen hörte wieder Abends im Bett, wie die Mutter zudem Vater sagte, er solle die Kinder hinaus in den großenWald bringen. Da fing das Schwesterchen wieder an heftigzu weinen, und das Brüderchen stand wieder auf, undwollte Steinchen suchen. Wie es aber an die Thür kam,war sie verschloßen von der Mutter, da fing das Brüder-chen an traurig zu werden, und konnte das Schwesterchennicht trösten.

Vor Tag standen sie wieder auf, jedes erhielt wieder einStücklein Brot. Wie sie auf dem Weg waren, guckt das