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Budgetrede StR. Elisabeth Märk SPÖ-Fraktion in der Hohenemser Stadtvertretung, am 20.1.2009 Herr Bürgermeister, werte Kolleginnen und Kollegen, geschätzte Zuhörer! Der Voranschlag für das Jahr 2009 steht unter keinen guten Sternen. Wir stehen vor einer Krise der Wirtschaft und Gesellschaft, von deren Ausgang wir noch nichts wissen. Wir können beten, dass alles nicht so schlimm wird, wir können hoffen, dass wir nur gestreift werden, wir können uns zureden, dass alles so weitergeht wie gehabt. „Positive Thinking“ betreiben, mit anderen Worten: Gute Miene zum bösen Spiel machen. Es gibt aber auch die andere Möglichkeit, der Entwicklung ins Auge zu schauen, laufend aus dem Prozess zu lernen und geeignete Strategien entwickeln und gegensteuern. Ich darf aber gleich vorweg sagen: Diese Zielsetzungen weist das Budget 2009 nicht auf. Mehr noch als in den vergangenen Jahren ist in diesem Jahr die Haltung von uns Sozialdemokraten zum Voranschlag 2009 der Stadt Hohenems nicht nur ein Stimmungsbarometer, ein Spiegel der Beziehung zwischen uns Sozialdemokraten als Oppositionspartei und der regierenden ÖVP. Es ist eine vollkommen andere Herangehensweise, die wir im Namen der Bürger einfordern. Es ist eine Verhaltensänderung in der kommunalen Verwaltung. Lernfähigkeit Dies vor allem deshalb, weil es erst ein paar Monate her ist, seit der Kontrollbericht der Landeskontrollabteilung über die Prüfung der Gebarung der Stadt Hohenems erschienen und auch schon recht intensiv diskutiert worden ist. Dass dieser Kontrollbericht Missstände um Missstände aufgezählt hat, ist hinlänglich bekannt. Ich erinnere stellvertretend nur an die Kritik am Umgang mit Stadtvermögen in der Causa Jüdische Schule. Nun müsste man meinen, Bürgermeister Richard Amann und mit ihm die ÖVP- Stadtvertreter hätten aus einem derart deutlichen Bericht gelernt. Doch es ist offensichtlich das Gegenteil der Fall, wenn bereits ein paar Wochen nach dem Erscheinen des Kontrollberichtes eine ÖVP-Stadträtin auf einer öffentlichen Stadtvertretersitzung sagt, dass die ÖVP die Angelegenheit Jüdische Schule wieder genau gleich regeln würde. Es ist trotzköpfig angesichts des unwidersprochenen Umstandes, dass die Kontrollabteilung des Landes in ihrem Bericht wörtlich festhält: „Insgesamt erlitt die Stadt Hohenems einen aus der

Budgetrede 2009 Elisabeth Maerk

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Beschlussfassung des Voranschlages der Stadt Hohenems für 2009 - Budgetrede der Stadträtin Elisabeth Märk (SPÖ) am 20.1.2009 (Hohenems)

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Budgetrede StR. Elisabeth Märk SPÖ-Fraktion in der Hohenemser Stadtvertretung, am 20.1.2009 Herr Bürgermeister, werte Kolleginnen und Kollegen, geschätzte Zuhörer! Der Voranschlag für das Jahr 2009 steht unter keinen guten Sternen. Wir stehen vor einer Krise der Wirtschaft und Gesellschaft, von deren Ausgang wir noch nichts wissen. Wir können beten, dass alles nicht so schlimm wird, wir können hoffen, dass wir nur gestreift werden, wir können uns zureden, dass alles so weitergeht wie gehabt. „Positive Thinking“ betreiben, mit anderen Worten: Gute Miene zum bösen Spiel machen. Es gibt aber auch die andere Möglichkeit, der Entwicklung ins Auge zu schauen, laufend aus dem Prozess zu lernen und geeignete Strategien entwickeln und gegensteuern. Ich darf aber gleich vorweg sagen: Diese Zielsetzungen weist das Budget 2009 nicht auf. Mehr noch als in den vergangenen Jahren ist in diesem Jahr die Haltung von uns Sozialdemokraten zum Voranschlag 2009 der Stadt Hohenems nicht nur ein Stimmungsbarometer, ein Spiegel der Beziehung zwischen uns Sozialdemokraten als Oppositionspartei und der regierenden ÖVP. Es ist eine vollkommen andere Herangehensweise, die wir im Namen der Bürger einfordern. Es ist eine Verhaltensänderung in der kommunalen Verwaltung. Lernfähigkeit Dies vor allem deshalb, weil es erst ein paar Monate her ist, seit der Kontrollbericht der Landeskontrollabteilung über die Prüfung der Gebarung der Stadt Hohenems erschienen und auch schon recht intensiv diskutiert worden ist. Dass dieser Kontrollbericht Missstände um Missstände aufgezählt hat, ist hinlänglich bekannt. Ich erinnere stellvertretend nur an die Kritik am Umgang mit Stadtvermögen in der Causa Jüdische Schule. Nun müsste man meinen, Bürgermeister Richard Amann und mit ihm die ÖVP-Stadtvertreter hätten aus einem derart deutlichen Bericht gelernt. Doch es ist offensichtlich das Gegenteil der Fall, wenn bereits ein paar Wochen nach dem Erscheinen des Kontrollberichtes eine ÖVP-Stadträtin auf einer öffentlichen Stadtvertretersitzung sagt, dass die ÖVP die Angelegenheit Jüdische Schule wieder genau gleich regeln würde. Es ist trotzköpfig angesichts des unwidersprochenen Umstandes, dass die Kontrollabteilung des Landes in ihrem Bericht wörtlich festhält: „Insgesamt erlitt die Stadt Hohenems einen aus der

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Sicht der Kontrollabteilung vermeidbaren Schaden in Höhe von rund 596.000.-Euro.“ Nachzulesen auf Seite 46 des Kontrollberichtes der Landesregierung. Die Stadtwerke als negatives Beispiel Das zeigt sich auch aufs Neue wieder besonders deutlich beim Thema Stadtwerke. Obwohl noch in keiner Besprechung oder Sitzung klar hervorgegangen ist, dass die Gründung der Stadtwerke tatsächlich eine Entlastung des Budgets bringen wird, obwohl noch gar niemand bisher eindeutig widerlegen konnte, dass es nicht zu massiven Gebührenerhöhungen kommen wird, obwohl die Gefahr einer Privatisierung durch dieses Modell im Falle von ausbleibenden Erfolgen keineswegs gebannt ist und obwohl es noch niemand geschafft hat, die bereits bezahlten 350.000 Euro an die Beraterfirma Price Waterhouse, die uns natürlich im Voranschlag 2009 an allen Ecken und Enden fehlen, klar zu rechtfertigen, trotz all dieser unbeantworteten Fragen und drohenden Gefahren, wird an der Gründung der Stadtwerke festgehalten. Der erste Schritt zu einer Privatisierung ist damit unternommen. Auch hier will man nicht lernen. Die Fehler der ÖVP mögen zwar den Bürgern von Hohenems bereits auf ihren Taschen lasten, aber die Fehler einfach wider besseren Wissens, gegen allen Rat engagierter Bürger, gegen allen Sach- und Fachverstand fortzusetzen, ist nicht nur fahrlässig. Es wurde zwar unter dem Druck der Öffentlichkeit einer Prüfung dieser Entscheidung zugestimmt, aber der Ablauf der Schritte wurde bisher nicht ausgesetzt bzw. gestoppt, bis ein klärendes Ergebnis feststeht. Das ist ja grad so, wie wenn ein Bürger ein Haus baut, ohne Baugenehmigung und ohne die Finanzierung und Rückzahlungsverpflichtungen abzuklären. Ist das nur ein sorgloses Verhalten oder ist das schon ein Plan? So wie dieser beispielhaft erwähnte Häuslebauer sein Eigentum verlieren wird, so wird die Stadt Hohenems mit dieser Vorgangsweise das Wasser privatisieren müssen. Die Stadt Hohenems wird damit vor vollendete Tatsachen gestellt, die wir eines Tages wieder nur absegnen können. Aber die ÖVP hält an ihrem „Plan“ unbeirrt fest, auch wenn noch niemand weiß, wenn auch wir hier in diesem Raum nicht einmal wissen, wie sehr die Stadtwerke das zu beschließende Budget und die Menschen in unserer Stadt belasten werden. Personalpolitik ist Nutzung der Humanressourcen

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Die Stadtvertretung, der Stadtrat und der Bürgermeister sind bei der Planung und Durchführung ihrer Maßnahmen auf eine funktionierende Verwaltung, auf das motivierte Mitarbeiten und Mitdenken der städtischen Bediensteten angewiesen, müssen dankbar auch für jeden Rat aus diesem Kreise sein. Doch wie sieht es in Hohenems um die Pflege dieser Humanressource aus? Kaum ein Jahr vergeht, ohne dass das Ausscheiden eines Mitarbeiters das Budget nicht nur mit gewaltigen Summen belastet, sondern auch um einen Erfahrungsschatz ärmer macht. In dem einen Fall kauft man sich die Trennung von einem ungeliebten Mitarbeiter nach dem Motto „Koste es, was es wolle“ mit dem Geld der Bürger, mit riesigen Summen ein und ab, oder man hält sich bei der Auflösung von Dienstverhältnissen einfach nicht an das Gesetz und meint trotzköpfig, dass sich das die städtischen Bediensteten nicht nur gefallen lassen, sondern auch noch goutieren müssten. Nun, wir leben im 21. Jahrhundert, meine Damen und Herren von der ÖVP, und nicht noch unter den feudalen Hohenemser Grafen! Wir haben einen Rechtsstaat und mündige Bürger und städtische Mitarbeiter. Das sind Menschen mit Rechten, das sind ebenso „freie“ Hohenemser wie wir und die städtischen Mitarbeiter sind keine rechtlosen Dienstboten, kein Gesinde, mit dem man willkürlich verfahren kann! Die vielen Abgänge bei den Mitarbeitern lassen natürlich noch zusätzlich die Frage des Betriebsklimas aufkommen. Der Bürgermeister und die Stadtamtsdirektorin werfen ja der Opposition immer wieder unisono vor, das Amt in ein schlechtes Licht zu stellen, ja es zu verunglimpfen. Das Betriebsklima, die Kooperationsfähigkeit, die Offenheit und die Entscheidungsfreude hängen wesentlich vom Kopf ab. Von seinen menschlichen Qualitäten, von seiner Führungsqualität. Die städtischen Mitarbeiter laufen gerne zur Höchstform auf, wenn sie sehen, dass ihre Mitarbeit gewünscht und ihre Arbeit anerkannt wird. Das ist jetzt nicht so! Das kann und darf nicht so bleiben! Wie lange leistet man sich den Betriebsansiedler noch? Hohenems hat schon seit Jahren einen sehr teuren Betriebsansiedler. In seinen „besten“ Zeiten war er in Hohenems als der „Tausend-Euro-Mann“ schon fast jedem ein Begriff; ganz so viel ist es nun nicht mehr, was die Stadt dafür verschleudert, aber leider stehen Bezahlung und Leistung immer noch in keinem ökonomischen und rationalen Verhältnis. Immer wieder beruhigt der Bürgermeister, der ja eigentlich das Finanz- und auch das Wirtschaftressort leitet, damit, dass die Arbeit des Betriebsansiedlers halt nicht so schnell Früchte trägt und dass die zu erwartenden Erfolge halt eine lange Vorlaufzeit haben, doch langsam verlieren wohl auch die größten

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Optimisten ihren Glauben an den großen Wurf. Es ist mit einem Wort ein fertiges Desaster, denn wir würden erstens die Arbeitsplätze in Hohenems so dringend brauchen und es wäre scheinheilig, das nicht zu erwähnen, wir brauchen als Stadt Hohenems zweitens auch die Einnahmen aus der Kommunalsteuer. Auch wir glauben nicht an Wunder, aber warum erwartet man sich da überhaupt Wunder? Das Konzept eines kommunalen Betriebsansiedlers stammt doch aus einer Zeit, die längst vorbei ist. In Wirklichkeit ist es schon 400 Jahre alt und beruht auf denselben Prinzipien, wie sie Graf Kaspar bei der Anlage der Marktstraße anwandte. Sie funktionierte schon damals nicht, weil sie die eigenen Bürger, Wirtschaftstreibenden und Humanressourcen vernachlässigt oder gar konkurriert. Und überhaupt: Wenn 96 Gemeinden einen Betriebsansiedler anstellen, wie soll, ja wie könnte denn da einer wirklich erfolgreich sein? Wirtschaftspolitik ist eine Kernmaterie in einer Stadt. Hier geht es um Arbeitsplätze, um Verdienstmöglichkeiten, um soziale Sicherheit und nicht zuletzt um Steuereinnahmen, die für eine wohlstandsorientierte Kommunalpolitik nötig sind. Die ist schon lange nicht mehr mit einer herkömmlichen Betriebsansiedlungspolitik zu bewältigen. Man muss sich überhaupt die Frage stellen, ob dies je ein vernünftiges Konzept war, denn Betriebsansiedlung meint ja nicht, dass ein Gastwirt aus Hohenweiler nach Hohenems ziehen soll, sondern dass durch Dumpingangebote bei Grund und Boden Betriebe anderswo abgeworben werden sollen. Das sind aber für große Betriebe und Industrieunternehmen keine Verlockungen mehr. Diese Plätze bekommen sie samt Steuererleichterungen überall in Europa. Dieser Wettbewerb ist von vornherein nicht zu gewinnen. Wirtschaftspolitik einer Gemeinde muss gänzlich anders ausschauen. Ihr Ziel muss in zweierlei Richtung gehen. Zuerst einmal ist es die Förderung der lokalen Wirtschaft und Wirtschaftsstruktur. Die besteht aus Klein- und Mittelbetrieben, deren Infrastruktur ist zu fördern und bereit zustellen, denen ist für ihre wirtschaftliche Tätigkeit ein Service und Umfeld zu bieten, das ihnen Entwicklung, Wachstum, Beschäftigung und nicht zuletzt auch den notwendigen Gewinn verschafft. Die Betriebsgründungen vor Ort sind anzupeilen und nicht der Umzug eines Betriebes. Eine kommunale Wirtschaftspolitik hat die lokalen Stärken und Schwächen zu erkunden, für die Unternehmen in und aus Hohenems die Raumreserven zu organisieren und zu mobilisieren, zwischen konkurrierenden unternehmerischen Bedürfnissen und berechtigten Bürgeranliegen zu vermitteln, Schwierigkeiten und Hindernisse auszuräumen, Beratung und Information zu liefern, wo gibt es Märkte, wo sind ungenützte Nischen, wo gibt es Probleme. Wir werden schon in diesem Jahr erleben, was die Erfahrung auch vergangener viel kleinerer Krisen war, dass die Gewerbebetriebe, die Klein- und Mittelbetriebe die

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Beschäftigungsgaranten sind, dass sie Arbeitnehmer nicht wegen des Aktienkurses kündigen, sondern erst, wenn es halt einfach nicht mehr anders geht. Das ist vernachlässigt worden mit dem Blick auf irgendeinen großen Investor, man hat auf Wunder gesetzt statt auf Hausverstand. Betriebsansiedlung erfolgt durch die Unternehmen vor Ort. Durch die Menschen hier in Hohenems, die mutig und risikofreudig genug sind, ein Unternehmen zu wagen. Die sollten wir bestärken und stärken. Wie aber sieht die Realität in diesem Lande aus, die hier in Hohenems nicht anders ist: Vorarlberg hat seit Jahren am wenigsten Betriebsgründungen! Seit über ein Dutzend Jahren sind wir am Ende des Bundesländerrankings, in den Jahren 1996, 2001, 2002, 2003, 2004, 2005, 2006 und 2007 immer am schlechtesten! Am wenigsten Betriebsgründungen je 1000 Einwohner! Das sind Zahlen der Wirtschaftskammer, meine Kolleginnen und Kollegen! Da hat doch ein Betriebsansiedler etwas anderes zu tun als mit dem Fernrohr nach Großbetrieben Ausschau zu halten. Das erlösende „Land in Sicht“ wird da nicht kommen. Die derzeitigen Aufgaben des „Betriebsansiedlers“ kann das Amt mit engagierten Bediensteten und lokalen Kenntnissen weit besser abdecken! Und dort, wo sich zukunftsträchtige Unternehmen heute wirklich ansiedeln, da spielen ganz andere Faktoren eine Rolle, die ein Betriebsansiedler auch nicht herzaubern kann. Ein Beispiel: Eine kleine Gemeinde in Oberösterreich, eine 3000-Seelen-Gemeinde, die Gemeinde Kronstorf, hat einen einmaligen Investor ans Land gezogen: Google. Das Investment sollte sich bis zum Start in einem dreistelligen Millionenbereich bewegen. Insgesamt zwölf Länder in Europa seien anfangs im Rennen gewesen, auch fünf österreichische Bundesländer hätten Angebote gelegt. Vorarlberg wird wohl nicht darunter gewesen sein, denn entscheidend für Google waren nicht die Grundpreise sondern das universitäre Umfeld, das wissenschaftlich-technische Humankapital. Und da liegt Vorarlbergs rückständige Wirtschafts- und Bildungspolitik ganz am Ende der europäischen Skala! Damit wäre ich auch schon beim nächsten Punkt, der nur selten mit Wirtschaft genannt wird und doch damit unmittelbar zu tun hat Kinderbetreuung und Schulen müssen ein noch größerer Schwerpunkt sein; Weitsichtigkeit ist gefragt! Der Bürgermeister hat in den Budgetgesprächen immer wieder betont, dass dieser Voranschlag seinen Schwerpunkt in den Schulgebäuden bzw. deren Sanierung und deren Zubauten habe. Dazu muss man zuallererst anmerken, dass

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bei den meisten Kindergärten und Schulen in unserer Stadt viel zu lange mit Sanierungen gewartet wurde. Aufgrund von finanziellen Engpässen und anderweitigen unnotwendigen Ausgaben wurden Notwendigkeiten jahrelang verschoben, und dafür bekommen wir jetzt die Rechnung präsentiert. Das ist kein Schwerpunkt, keine Zukunftspolitik, das ist schlichter Reparaturbetrieb!. Hier wurde in den vergangenen Jahren dort gespart, wo die Zukunft von Hohenems eigentlich liegen müsste. Dazu kommt, dass im Zuge der Errichtung des Judo-Bundesleistungszentrums in der Hauptschule Herrenried die Aufstockung mitbeschlossen wurde. Dass hier Geld investiert werden muss, weiß man also nicht erst seit heute. Was aber unbedingt in aller Deutlichkeit gesagt werden muss, ist, dass in den kommenden Jahren in den Bereichen Kleinkindbetreuung, Kindergärten und Schulen ein Raumbedarf auf uns zu zukommen wird, dessen Ausmaß wahrscheinlich noch gar nicht allen vollkommen klar ist. Gesellschaftliche Änderungen in den Familienstrukturen, die Zunahme von Alleinerzieherinnen, gesetzliche Änderungen, das Alter der Kinder betreffend, geänderte Gruppengrößenhöchstzahlen und neue schulische Entwicklungen mit geänderter pädagogischer Praxis führen dazu, dass wir im Laufe der nächsten Jahre ganz fix einen weiteren Kindergarten und eventuell auch eine weitere Volksschule brauchen werden. Das sind dann aber Zukunftsinvestitionen, wenn man sie auch als solche als Projekt für die Zukunft der Hohenemser Kinder und Eltern angeht! Das ist die größte Herausforderung für Hohenems für die nächsten Jahre, und mit Beton und Glas ist es da noch lange nicht getan. Die drohende Finanzkrise wird alleinerziehende Mütter und Väter besonders hart treffen und sie werden mehr denn je auf Betreuungsplätze angewiesen sein, um möglichst früh wieder in den Beruf einsteigen zu können. Die Aufnahme von dreijährigen Kindern in den Kindergärten wird sich im vollen Ausmaß bemerkbar machen, ebenso die gesetzliche Herabsetzung der Gruppengrößen in den Kindergärten. Diese ist selbstverständlich zum Wohle der Kinder, aber natürlich führt sie zu einem erhöhten Raumbedarf, dem die Stadt gerecht werden muss. Auch in den Schulen ist vieles in Bewegung. Geänderte pädagogische Praxis in der Vorarlberger Mittelschule sieht verstärkt Unterricht in Kleingruppen vor. Davon profitieren die Kinder ungemein, hier spreche ich als Lehrerin wirklich aus Erfahrung, aber für diesen Kleingruppenunterricht braucht es Räume. Wir haben für Bildung in Vorarlberg ein denkbar schlechtes Umfeld. Da hat die Unterrichtssparministerin Liesl Gehrer noch zusätzliche Fehler gemacht. Realität ist, dass Vorarlberg am meisten unqualifzierte Arbeitnehmer hat. Es zählt aber zu den meist herumgereichten Binsenwahrheiten in der arbeitsmarktpolitischen Diskussion, dass die Strukturanalysen der als arbeitslos

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Gemeldeten zeigen, dass sich unter ihnen ein überdurchschnittlich hoher Prozentsatz an Menschen befindet, die keine über die Pflichtschulbildung hinausreichende Qualifikation aufweisen. Dazu kommt, dass wir die geringste Zahl an Maturanten und Akademiker haben, dass ein Fünftel der Vorarlberger Lehrlinge Jahr für Jahr bei der Abschlussprüfung durchfallen. Das ist österreichweit „Spitze“. Und da sind wir wieder bei der Wirtschaftspolitik. Bildungs- und Kinderbetreuung sind Standortvorteile oder Nachteile. Die Vorarlberger Defizite konservativer Politik können wir nicht beseitigen, aber wir können durch eine entsprechende Bildungspolitik, durch Förderung unserer Kinder und Bereitstellung der Infrastruktur einen Standortvorteil für Hohenems und seine Bürger organisieren. Ich denke, dass die Sorge um die allerbeste Betreuung für unsere Kinder vom Kleinkind bis zum Jugendlichen die schönste und größte Aufgabe für eine Stadt ist und sein soll, und Qualität hat ihren Preis. Aber sie kostet nicht nur. Sie bringt einen unmittelbaren Nutzen. Diese ergeben sich durch sinkenden Nachqualifizierungsbedarf, weniger Klassenwiederholungen und sinkende Ausgaben für Arbeitslosigkeit und Jugend- und Sozialhilfe, wenn Kinder mehr gefördert werden und eine bessere Ausbildung erfahren, wenn sich dadurch die Zahl der Schulabbrecher reduziert sowie die Zahl der Jugendlichen, die mindestens einen Hauptschulabschluss haben, erhöht wird. Hier ist mehr gefragt als nur das Reagieren auf Gesetzesänderungen, es braucht Weitsichtigkeit in der Planung und Entwicklung, denn wir sind noch weit davon entfernt, was die Ausstattung mit Kindergärten und Schulen betrifft! In diesem Zusammenhang ist es auch notwendig, in den nächsten Jahren den Kindergärten und Schulen die absolute Priorität zu geben und andere Dinge als „nice to haves“ zurückzustellen. Wenn der Löwen auch dringend zu sein scheint, wenn auch ein Projekt ausgearbeitet wurde, das von sehr vielen als gut bezeichnet wird, solange die Generalsanierung einer Schule, wie etwa jene der Volksschule Herrenried, verschoben werden muss, hinterfrage ich es, ob sich Hohenems in diesem Budget eine derartige Summe für den Löwen leisten kann bzw. darf. Denn wir dürfen nicht vergessen, dass uns ein Projekt Löwen sehr lange einschränken wird und auch in weiterer Folge hohe laufende Kosten verursachen wird. Für uns Sozialdemokraten haben alle Investitionen im Kindergarten- und Schulbereich oberste Priorität!

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Deshalb ist es für uns unmöglich, dass beispielsweise für die Generalsanierung der Volksschule Herrenried lediglich ein Ansatz von 10.000 Euro im Budget ist, während für die Weiterentwicklung des Tourismusleitbildes 15.000 Euro vorgesehen sind. Erstens haben wir doch schon für jeden Bereich ausreichend Konzepte und Leitbilder und zweites wird wegen dieses Leitbilds kein Urlauber mehr nach Hohenems kommen! Die Schulen hingegen gehören nicht nur zum Grundbedarf, sondern sind Investitionen in eine reale Zukunft. Hohenems als Wohn- bzw. Zuzugstadt Die Einwohnerzahl von Hohenems hat in den letzten Jahren stark zugenommen, wir haben bereits weit über 15.000 Einwohner. Das mag den Bürgermeister im Hinblick auf den nächsten Finanzausgleich freuen, es war auch schon hin und wieder einen Zeitungsartikel wert. Es darf aber nicht mechanistisch nur die Einnahmenseite gesehen werden. Das bedeutet auch, dass sich mit einer steigenden Bevölkerung andere Anforderungen an die Infrastruktur ergeben. Und hier hege ich große Zweifel darüber, ob in diesem Voranschlag in den betroffenen Bereichen auch tatsächlich die notwendigen Summen vorgesehen sind. Beginnen wir wieder bei den Kinderbetreuungsplätzen, den Kindergärten und den Schulen. Dazu kommt, dass es sich bei den neu entstandenen Wohnanlagen oft um große und dichte Verbauungen handelt mit all den dadurch auftretenden Herausforderungen in den Bereichen Jugendbetreuung und Integration. Auch heißt eine gewachsene Bevölkerungszahl ein wachsender Bedarf an Freizeitangebot und Erholungsräumen! Und es würde eigentlich auch bedeuten, dass in Hohenems mehr Lehrstellen und auch andere Arbeitsplätze angeboten werden sollten. Womit wir ein weiteres Mal bei der Wirtschaftspolitik landen. Vollkommen unbeantwortet sind in diesem Zusammenhang die Verkehrs- und Mobilitätsfragen. Bislang wurde öffentlicher Verkehr bestenfalls unter ökologischen Gesichtspunkten diskutiert. Die Altersstruktur und die anstehende Wirtschaftskrise werden die Mobilitätsansprüche der Bevölkerung drastisch verschieben. Hier existieren so gut wie keine Vorstellungen. Auch nicht über die damit zusammenhängende Veränderung der Wohn- und Siedlungspolitik. Dem Bürgermeister und der Mehrheitsfraktion fehlt auch hier jedwede Weitsichtigkeit. Man handelt, wenn man vom Gesetz dazu gezwungen wird, hat aber keinen Sinn für Zusammenhänge. Es fehlen überhaupt jedwede Visionen, die wenigstens zu Hoffnungen Anlass gäben. Jugendpolitik: Kritik bleibt unbeantwortet

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Jugendpolitik ist in Hohenems immer noch eines der meist diskutierten Themen. Man kann sicher nicht sagen, dass im Budget keine oder sehr wenig Mittel vorgesehen wären. Es stellt sich aber natürlich immer die Frage, ob die Mittel insofern gerechtfertigt sind, als dass sie wirklich jenen zugute kommen, die sie auch brauchen. Das Jugendhaus ist falsch situiert, das haben wir bereits im Vorfeld und auch danach immer wieder ganz deutlich gesagt. Dort, wo der Zuzug am größten ist, und die Zahl der Jugendlichen, die dringenden Bedarf an offener Jugendarbeit haben, ständig wächst, nämlich im Herrenried, dort ist seit Jahren nichts, und jetzt soll diese Minimallösung mit dem Container kommen, das versteht wirklich gar niemand. Hohenems steckt seine Jugend in einen Container! Wenn dann das Jugendhaus die gesamten Weihnachtsferien geschlossen ist, wann hat es dann offen? Wenn die Jugend bei der Arbeit ist? Gerade dann, wenn die Jugendlichen so viel Zeit haben und sich immer mehr Leute weder kommerzielle Freizeitangebote noch traditionelle Freizeitaktivitäten (wie etwa Schifahren) leisten können, gerade dann wäre doch die offene Jugendarbeit gefordert. Man wird den Eindruck nicht los, dass die Jugendpolitik unter Stadträtin Anna Schinnerl ziemlich an den betroffenen Jugendlichen vorbei geht. Mittel, die für die Jugendarbeit bereitgestellt werden, werden erst zur Jugendarbeit, wenn sie die Jugend auch erreichen. Doch darüber werden wir in einem späteren Punkt dieser Sitzung noch ausführlich sprechen! Die Gebühren als Einnahmequelle Die Abgaben und Gebühren wurden bereits auf der Stadtvertretersitzung im Dezember gegen unsere sozialdemokratischen Stimmen beschlossen. Wenn sie auch dieses Mal noch recht moderat ausgefallen sind, so ist dies auch unserem Widerstand anzurechnen. Es bleibt aber weiter auch die bereits erwähnte Unsicherheit bei der weiteren Entwicklung der Wasser- und Abwassergebühren im Zusammenhang mit den Stadtwerken bestehen. Müßig war auch die endlose Diskussion um den Gratis-Eintritt für Schulklassen bei der Kunsteisbahn. Dieser Antrag war ja schleßlich doch erfolgreich. Aber es war etwas mühsam, die „Familienpartei“ ÖVP mit ihrer Familiensprecherin Monika Reis von der Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit dieses Antrages zu überzeugen! Sind die Politikergehälter gerechtfertigt?

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Diese Frage darf man sich nach allem, was passiert ist (Kontrollbericht; Gerichtskosten etc.) völlig zu Recht stellen. Es geht hier ja ein Stück weit auch um die Verantwortung für Schäden, wie etwa jener bei der Jüdischen Schule und beim Elkangarten, wo auch von Seiten der Opposition so intensiv gewarnt wurde und alle Hebel zur Sicherung der Stadtkasse in Bewegung gesetzt wurden. Da ist diese Frage legitim! Auch unter dem Gesichtspunkt, dass Vorarlbergs Bürgermeister österreichweit am besten verdienen. Auch unter dem Gesichtspunkt, dass Krankenhaus und Seniorenheim „verkauft“ wurden. Wenn sich Aufgaben und Arbeitsumfang, Verantwortung und Haftung reduzieren, dann würde der „Geschäftsführer“ jedes privaten Unternehmens auch weniger Einkommen beziehen können. Abschließende Betrachtung Ich habe in meinen Ausführungen anzureißen versucht, wohin die Entwicklung der Stadt Hohenems gehen müsste; welche Schwerpunkte gerade heute ein Budget haben müsste; und daraus ist auch eindeutig erkennbar, weshalb wir Sozialdemokraten diesem Voranschlag nicht zustimmen werden. Wir haben angesichts der Wirtschafts- und Finanzkrise, der stattfindenden und stattgefundenen gesellschaftlichen Veränderungen, der gestiegenen Einwohnerzahl und der Sorgen und Nöte unserer Mitbürger andere Erwartungen an die handelnden Personen in der Stadt. Man kann nicht einfach weiterwursteln. Ich möchte aber nicht schließen, ohne den Mitarbeitern der Stadt Hohenems und der für die Budgeterstellung zuständigen Finanzabteilung unter Stadtkämmerer Hans Aberer unseren herzlichen Dank auszusprechen. Ich glaube, ich kann dies im Namen aller Fraktionen sagen, sie machen ihre Arbeit nicht nur für Hohenems gut, wenn sie uns bei der Arbeit mit ihrem Wissen und ihren Fähigkeiten vorbehaltlos unterstützen. Dafür nochmals ein herzliches Dankeschön. Elisabeth Märk, SPÖ.Stadträtin Hohenems