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Zusammenfassung Burkart „Bibel“: Kommunikationswissenschaft
Kapitel 1. Einführung
Dilemma: Selbstfindungsprozess der Kommunikationswissenschaft zwischen individueller und gesellschaftlicher
Kommunikation. Schwerpunktsetzung auch zwischen der Erforschung der Kommunikationsprozesse und der
Medienforschung.
Kapitel 2 Kommunikation : Zur Klärung eines Begriffes
2.1. Kommunikation als soziales Verhalten
Verhalten: bezeichnen motorische Bewegungsabläufe sowie Aktivitäten des Zentralnervensystems beim
Menschen
Wenn sich Lebewesen im Hinblick aufeinander verhalten so spricht man von sozialem Verhalten.
Im Rahmen solcher sozialen Verhaltensweisen wird Bedeutung vermittelt, diese besitzen kommunikativen
Charakter.
Wenn man jedoch jedes Verhalten mit Kommunikation gleichsetzt, würde das den Begriffsrahmen überspannen.
Wenn Verhalten intentional auf ein Ziel in ausgerichtet ist, spricht man von Handeln. Menschliches Handeln ist
stets Mittel zum Zweck. Ist das Handeln zudem noch an anderen Menschen orientiert, spricht man von sozialem
Handeln. Es ist auf das Verhalten anderer bezogen.
Mit dem Terminus Verhalten wird jede Regung eines Organismus bezeichnet.
Soziales Verhalten meint dagegen bereits den Umstand, dass sich Lebewesen im Hinblick aufeinander verhalten
(Reaktion auf das Verhalten anderer Lebewesen darstellt und selbst wiederum die Reaktionen anderer
Lebewesen beeinflusst). Werden nun im Rahmen solcher sozialer Verhaltensweisen auch Bedeutungen
vermittelt, dann besitzen diese Verhaltensweisen auch kommunikativen Charakter.
„man kann nicht nicht kommunizieren“ (Watzlawick)
es soll hier davon ausgegangen werden, dass es dem Menschen sehr wohl möglich ist, Kommunikation willentlich
aufzunehmen oder auch abzubrechen.
Handeln ist als intentionales Verhalten, als ein Verhalten, welches bewusst oder absichtsvoll auf ein Ziel hin
ausgerichtet ist. Dabei ist einerlei, ob es sich um ein äußeres (motorische Aktivitäten) oder innerliches Tun
(Denken, Fühlen...) handelt; auch ein bewusstes Unterlassen einer Aktivität oder ein bewusstes Dulden ist in
diesem Sinn als menschliches Handel zu begreifen.
Ist unser Handeln in seinem Ablauf nun auch noch an anderen Menschen orientiert, dann spricht man von
sozialem Handeln. Ein Mensch handelt dann sozial, wenn er das Vorhandensein von anderen Menschen in sein
Handeln mit einbezieht.
Kommunikation (nach Maletzke) = Prozess der Bedeutungsvermittlung zwischen Lebewesen
- Soziale Kommunikationsprozesse stehen also im Mittelpunkt.
Kommunikation als soziales Verhalten - Verhalten in Hinblick aufeinander. Soziales Verhalten als Verhalten,
welches bei anderen Lebewesen Reaktionen auslöst und deren Verhalten beeinflusst. Dieses soziale Verhalten
kann einem Miteinander oder einem Gegeneinander zugrunde liegen (Gemeinsam gegen etwas kämpfen <->
gegeneinander kämpfen). Auf jeden Fall sind diese Verhaltensweisen aufeinander bezogen.
Kommt zu diesem Verhalten auch noch der Charakter einer Bedeutungvermittlung hinzu, so spricht man von
sozialem und kommunikativem Verhalten, was nahezu immer der Fall ist. Verhalten hat also praktisch immer
auch einen kommunikativen Charakter - ob sozial oder nicht.
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Watzlawik verwendet die beiden Begriffe Verhalten und Kommunikation gar gleichwertig. Analog zum Satz:
"Man kann sich nicht nicht verhalten", entwirft er deshalb das Axiom: "Man kann nicht nicht kommunizieren!" -
Problem einer allzu inflationären Behandlung des Begriffes "Kommunikation".
Perspektive einer willentlichen Kommunikation: Menschliches Verhalten kann zielgerichtet und bewusst, d. h.
intentional ablaufen, d. h. der Mensch kann sich nicht nur verhalten sondern kann auch handeln.
Handeln = intentionales Verhalten - bewusst und absichtsvoll zielgerichtet (dazu gehören nach Weber auch
bewusstes Unterlassen und bewusstes Erdulden).
Menschliches Handeln nicht um des Handelns willen sondern als Mittel zum Zweck - also mit einer gewissen
Zielgerichtetheit. Ist der Zweck - oder besser die Richtung - unseres Handelns auch noch ein anderer Mensch, so
spricht man von sozialem Handeln - das Handeln, welches sich an einer Verhaltensreaktion des Gegenübers
ausrichtet und sein Handeln unter Beisein anderer Menschen ausführt.
Der Unterschied zwischen bloßem intentionalen Handeln und sozialem Handeln sei an folgendem Beispiel
dargestellt:
- Aufspannen des Regenschirms als bloßes, intentionales Handeln, welches sich nicht an anderen Menschen
ausrichtet, sondern auf das Ereignis des Regens.
- Geldverkehr als soziales Handeln, welches sich auf das Gegenüber richtet, d. h. an anderen Menschen sich
orientiert.
2.2. Menschliche Kommunikation als soziales Handeln
Kommunikatives Handeln geschieht explizit und bewusst in Richtung auf andere.
Bei einer Differenzierung der Intentionen findet man:
• Allgemeine Intention: Mitteilungscharakter der kommunikativen Handlung verwirklichen.
Das konstante Ziel der kommunikativen Handlung heißt Verständigung (die gemeinten Bedeutungen
tatsächliche miteinander teilen)
• Spezielle Intention: die kommunikative Handlung folgt einem bestimmten Interesse. Das variable Ziel der
kommunikativen Handlung heißt Interessenrealisierung.
o inhaltsbezogen (=alles was mitgeteilt wird), unmittelbar
o situationsbezogen: nicht mittelbar
Die Kommunikations- Interessen sind der Anlass jeglicher Kommunikationsversuche.
Jeder kommunikativ Handelnde besitzt zunächst eine allgemeine Intention, nämlich: den Mitteilungs-
Charakter seiner kommunikativen Handlung verwirklichen zu wollen. => Verständigung
Jeder kommunikativ Handelnde besitzt darüber hinaus auch eine spezielle Intention: er setzt seine
kommunikative Handlung aus einem bestimmten Interesse heraus. Die Kommunikations-Interessen sind
der Anlass jeglicher Kommunikationsversuche
inhaltsbezogen: der Inhalt der kommunikativen Handlung erwächst unmittelbar aus dem zu
realisierenden Interessen.
Das zu realisierende Interesse an Kommunikation (= Beseitigung von Zugluft) bestimmt den Inhalt der
kommunikativen Handlung (schließ das Fenster)
Situationsbezogen: der Inhalt der kommunikativen Handlung wird nicht unmittelbar vor den
zu realisierenden Interesse bestimmt.
Small Talk auf Parties: Interesse, über irgendwelche Inhalte mit seinem gegenüber in Beziehung zu treten.
Grafik Seite 27
So wie wir nicht um des Handelns willen handeln, so kommunizieren wir auch nicht um des Kommunizieren
willen, sondern verfolgen neben dem konstanten Ziel der Verständigung mit unserem Kommunikationspartner
stets auch die Realisierung von Interessen.
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kommunikatives Handeln ist noch nicht Kommunikation. Kommunikatives Handeln ist ein
Anstoß, der Kommunikation entstehen lassen kann – aber nicht entstehen lassen muss.
Menschliche Kommunikation hat einen tief sozialen Charakter und geschieht intentional. Burkart unterscheidet
zwei Arten der Intensionalität.
1. Allgemeine Intension: Mitteilungscharakter (MIT-TEILUNG) einer kommunikativen Handlung
- Das Bedürfnis, etwas bestimmtes mitteilen zu wollen und dabei Verständigung zu schaffen
(=konstantes Ziel). Die Bedeutungsteilung spielt dabei eine relevante Rolle.
2. Spezielle Intension: Interessenscharakter einer kommunikativen Handlung - Das Bedürfnis, Interessen zur
Realisierung zu verhelfen (=variables Ziel - personen- und situationsspezifisch). Auch unterscheidet Burkart
zwischen zwei Dimensionen von Kommunikations-Interessen:
1. Inhaltsbezogenheit: Der Inhalt einer Mitteilung ist ganz spezifisch auf ein bestimmtes Interesse ausgerichtet.
2. Situationsbezogenheit: Der Inhalt des kommunikativen Handelns richtet sich nicht unmittelbar nach der
Interessenrealisation sondern ist mehr bestrebt, eine kommunikative Beziehung mit dem
Gegenüber aufzubauen. (Bsp. Smalltalk). Kommunikatives Handeln allein stellt aber noch keine Kommunikation
dar. Sie ist lediglich eine der notwendigen Bedingungen für das Entstehen und den Ablauf von wirklicher
Kommunikation.
2.3. Kommunikation als soziale Interaktion
Interaktion: Prozess der Wechselbeziehung bzw. Wechselwirkung
Soziale Interaktion: wechselseitiges Geschehen zwischen 2 oder mehr Lebewesen, welches mit einer
Kontaktaufnahme beginnt und zu Reaktionen führt (doppelseitiges Geschehen).
Kommunikation ist der wechselseitig stattfindende Prozess der Bedeutungsvermittlung.
Gemeint ist der vollzogene Prozess.
Kommunikation ist ein dynamischer Vorgang, der zwischen mindestens zwei Lebewesen abläuft. Damit
Kommunikation stattfinden kann, müssen mindestens zwei Lebewesen interagieren.
Soziale Interaktion: ein wechselseitiges Geschehen zwischen zwei oder mehreren Lebewesen, welches mit
einer Kontaktaufnahme beginnt und zu (Re-)Aktionen der in Kontakt stehenden Lebewesen führt.
Kommunikation kann erst dann stattfinden, wenn sich (mindestens zwei) Lebewesen im Hinblick aufeinander
kommunikativ verhalten.
Menschliche Kommunikation liegt er dann vor, wenn Individuen ihre kommunikativen Handlungen nicht nur
wechselseitig aufeinander richten, sonder darüber hinaus auch die allgemeine Intention ihrer Handlungen
(=Bedeutungsinhalten miteinander teilen wollen) verwirklichen können und damit die Verständigung jeder
kommunikativen Aktivität erreichen.
In der Tat ist Kommunikation somit als ein Begriff anzusehen, den man genauso genommen nur ex post, nach
Vollzug des Kommunikationsaktes verwenden kann. Ex ante lässt sich allenfalls ein Kommunikationsvorsatz oder
–versuch feststellen.
Kommunikation als etwas nicht-statisches, als etwas, was nicht grundsätzlich vorhanden ist.
Kommunikation als Geschehen, als Ereignis, als Vorgang, der sich dynamisch zwischen mindestens zwei
Lebewesen abspielt. Das kommunikative Verhalten kann so einen dynamischen Prozess auslösen, ihn aber
keinesfalls darstellen.
Kommunikation als spezifische Form sozialer Interaktion. Soziale Interaktion als wechselseitiges
Geschehen, dem eine Kontaktaufnahme zugrunde liegt und das zu Reaktionen zwischen den
Interaktionspartnern führt. Aus so einem interaktiven Prozess resultieren sowohl Einwirkungen vom Gegenüber
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auf das Selbst, wie auch Einwirkungen vom Selbst auf das Gegenüber. Alles, was sich also in Aktion bzw.
Reaktion zwischen zwei kommunizierenden Lebewesen manifestiert, gilt als Interaktion.
So lässt sich am Beispiel einer Menschenmenge der Unterschied zwischen bloßer sozialen Interaktion und einer
Kommunikation festmachen. Währenddem in einer Menschenmenge sozial interagiert wird - man rempelt sich an,
man stößt einander weg, man versucht sich zu distanzieren, man sucht in der Öffentlichkeit die Privatsphäre -
wird keineswegs kommuniziert. In einer Menschenmenge wird nicht das Ziel verfolgt Bewusstseinsinhalte zu
teilen oder bestimmte allgemeine Interessen der Verständigung zu verwirklichen. In einer wirklichen
Kommunikation sind aber sowohl Mittelungswunsch und Interessenverwirklichung ausschlaggebend.
Kommunikation kann erst entstehen, wenn sich zwei Lebewesen in Bezug aufeinander kommunikativ verhalten.
Aber dies ist nicht Garantie dafür, dass Kommunikation wirklich zustande kommt.
Kommunikation liegt erst vor, wenn auch der Mitteilungswunsch, nämlich die Teilung und der Austausch von
Bedeutungsinhalten verwirklicht werden konnte. Fazit: Als Kommunikation wird der wechselseitig (!)
stattfindende und erfolgreich abgeschlossene Prozess der Bedeutungsvermittlung bezeichnet.
Wechselseitigkeit und Erfolg einer Verständigungsintension gelten als sehr wichtige Kriterien in der Definition
von "Kommunikation". So lässt sich auch erst ex post nachweisen, ob eine Kommunikation stattgefunden hat.
2.4. Kommunikation als vermittelter Prozess
Das Medium ist das Ausdrucksmittel der kommunikativen Aktivität. Die Bedeutung als Transportmittel wird heute
kritisch betrachtet, im Gegenteil: Kommunikation wird nach Luhmann als Aktualisierung von Sinn begriffen.
Kommunikation bedarf stets einer Instanz, über die das zwischen den Kommunikationspartner Geschehene
abläuft => das Medium ist ein unbedingter Bestandteil; das Medium ist das Ausdrucksmittel
Medien sind als Transportmittel zu begreifen. Bienen benutzen mit ihrem Schwänzeltanz über in Medium.
Es gibt keine unvermittelte Kommunikation: alle Kommunikation bedarf des Mittels oder Mediums, durch das
hindurch eine Nachricht übertragen bzw. aufgenommen wird.
Pross unterscheidet 3 Medien:
primäre Medien: Medien des menschlichen Elementarkontaktes; Sprache und nonverbale
Vermittlungsinstanzen. Gemeinsam ist diesen Medien, dass kein Gerät zwischen Sender und
Empfänger geschaltet ist.
sekundäre Medien: all jene Medien, die auf der Produktionsseite ein Gerät erfordern; Flaggensignal bis
zum Brief, Flugblatt, Plakat, Buch, Zeitung
tertiäre Medien: jene Kommunikationsmittel, zu denen technische Sender und technische Empfänger
gehören. Telefon, Fernschreiber, Rundfunk, Schallplatte, Film, Fernsehen…
die jeweiligen Medien stellen immer einen bestimmten Rahmen bereit, innerhalb dessen dann jeweils ganz
bestimmte Ausdrucksformen als Zeichen fungieren können.
Die zwischen zwei kommunizierenden Medien vorhandene Instanz nennt sich Medium. Es ist das
Ausdrucksmittel kommunikativer Aktivität. Sie stellt die materielle Hülse, das Transportmittel für immaterielle
Bedeutungsinhalte dar. So gilt beispielsweise die Sprache als ein Medium. Pross unterscheidet drei Arten von
Medien:
Primäre Medien: Medien des menschlichen Elementarkontaktes. Neben der Sprache zählen Mimiken und
andere nonverbale Kommunikationsformen auch dazu.
Sekundäre Medien: So nennen sich Medien, die an der Stelle des Senders ein Gerät/Hilfsmittel erfordern, aber
nicht auf der Empfängerseite (Rauchzeichen, Mikrophon, Printmedien)
Tertiäre Medien: Es bedarf bei diesen Medien technischer Hilfsmittel - sowohl auf der Senderseite als auch auf
der Empfängerseite (z. B. Radio, TV)
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Das Medium bestimmt des Weiteren die Form, in der sich Bedeutungsgehalte weitertragen lassen. Auch ist diese
mediale Form bestimmt von der Variationsbreite der Zeichen(kombinationen), welche wir bei einem spezifischen
Medium einsetzen. Medien stellen also gewissermaßen einen Rahmen dar, innerhalb dessen sich die
Möglichkeiten zur Zeichenanwendung ergeben.
2.4.1. Der Begriff „Medium“
Rein technologische Bewertungen reichen für einen publizistikwissenschaftlichen Medienbegriff nicht aus.
SAXER spricht von der Doppelnatur des Systems Medium (Kommunikationstechnik und Verweis auf
Sozialsysteme).
• Medien sind Kommunikationskanäle
• Medien sind Organisationen (Funktionen für die Gesellschaft erbringen)
• Medien bilden komplexe soziale Systeme (Strukturen)
• Medien als Institutionen (unterschiedliche Indienstnahme von Medien je nach Gesellschaft)
Medien erster Ordnung: Infrastruktur. Eröffnen technische Möglichkeiten der Vermittlung. Bsp.: Fax, Telefon
Medien zweiter Ordnung: Wenn institutionalisierte Kommunikatoren am Werk sind. Strukturierung, Selektion,
Präsentation
Grundsätzlich lässt sich sagen, dass mit dem Begriff "Medium" eine gewisse Vermittlungsinstanz gemeint ist.
Nach Faulstisch: Ein Wort neueren Datums, welches fast inflationär eingesetzt wird (man spricht von "den
Medien", wenn eigentlich exklusiv die Massenmedien gemeint sind). Leider wird der Begriff selbst in der
Wissenschaftssprache nicht als explizit definierter Begriff verwendet.
Dies beklagt auch Saxer, nämlich dass die Verbindlichkeit des Medien-Begriffs in der Wissenschaft noch nicht
eingesetzt habe. Allgemein reichen definitorische Versuche bisher nicht über den technischen Medien-Begriff
hinaus. Auf jeden Fall sieht er allerdings eine Doppelnatur in den Medien: Zwar haben zum Beispiel die
verschiedenen Erscheinungsmerkmale des Mediums "Buch" (Materialität, Papier, Schrift, Lesefähigkeit) ein
kommunikationstechnisches Potenzial. Allerdings entscheiden erst der Einsatz und die Gebrauchsart des
Mediums durch die Gesellschaft den eigentlichen Charakter der übermittelten Inhalte. Einfluss des Mediums
selbst ist also weniger relevant, als die Art und Weise, wie eine Gesellschaft ein Medium in ihre Dienste stellt.
W. Schulz hat die Geschichte der Medien als eine inständige Vervollkommnung medialer Techniken begriffen. So
gilt die Erfindung der Schrift als Sieg über die Flüchtigkeit von mündlichen Verständigungsversuchen bezüglich
Bedeutungsinhalten. Man könne dabei auch von der neuerworbenen Fähigkeit zur Tradierbarkeit und
Speicherbarkeit sprechen. Noch viel früher als die Schrift allerdings muss die Malerei erwähnt werden als
grundlegendes "Konservierungsmittel" von Bewusstseinsinhalten.
Nach Hiebel sind die wesentlichen Züge des Begriffes "Medium" in den geschichtlichen Hilfsmitteln zur
Speicherung von Daten- und Informationseinheiten enthalten. Aber eben - das ist nur der technische Aspekt
unserer Definition.
Natur des Mediums nach Burkart
Medien sind Kommunikationskanäle, die entweder gegeben sind (primäre) oder gewisse menschliche Hilfsmittel
darstellen. Hierbei ist zu beachten, dass die technische Realisierbarkeit eines Mediums nicht automatisch Garant
dafür ist, dass sich das Medium in der Gesellschaft etablieren kann. Dies unterstreicht Saxers
Betrachtungsweise, dass der Einfluss eines Mediums weniger wichtig ist wie die Art, wie die Gesellschaft sie
nutzt.
Eine andere Betrachtung sieht vor, dass Medien durchaus auch arbeitsteilige Organisationen sein können,
welche Bedeutungsinhalte weiterverbreiten. Auftrag der Medien im diesen Sinne ist die Unterhaltung, die
gesellschaftliche Integration und die politische Sozialisation.
Eine dritte Sichtweise betrachtet Medien als Institutionen. Saxer schreibt den Medien in diesem Sinne vor,
unentbehrliche Leistungen im gesellschaftlichen Regelungssystem zu erbringen. Dabei spielen Markteinflüsse
und politische Faktoren eine große Rolle. Bei dem politischen Einfluss ist vor allem zwischen einer
demokratischen und einer totalitären, zwischen einer liberalen und einer autoritären Institutionalisierung zu
unterscheiden.
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2.5. Menschliche Kommunikation als symbolisch vermittelte Interaktion
Zeichen: materielle Erscheinung. Träger der Bedeutung
Natürliche Zeichen: naturhafte Verbindung zwischen dem Anzeichen und dem Objekt. Bsp. Erröten ! Zeichen
von Scham
Künstliche Zeichen: zum Zweck der Kommunikation entstanden. Resultat einer sozialen Übereinkunft. Bsp.
Tisch
Signal: Zeichen zu etwas Bsp. Handzeichen.
Symbol: repräsentiert etwas, Vertreterfunktion. Bsp. Fahne
Erst im Rahmen der (zwischen-)menschlichen Kommunikation eröffnet sich dagegen die Möglichkeit, Zeichen
nicht mehr nur als Signale, sondern auch als Symbole einzusetzen. Menschen können eine Haltung gegenüber
Gegenständen in absentia einnehmen. Im Prozess der Symbolisierung konstituieren sich Bedeutungen
entsprechend der Situation und Lebensläufe. Die Bedeutung eines Symbols hängt vom jeweiligen raum-
zeitlichen Kontext ab.
Symbolischer Interaktionismus: G.H. MEAD. Menschen leben in einer symbolischen Umwelt. Gegenstände
entstehen im Hinblick auf ihre Bedeutung erst dann, wenn sie von Menschen in deren Handlungen mit
einbezogen werden (subjektiv erfahrene Wirklichkeit). Kommunikation kommt nur zustande, wenn im
Bewusstsein beider Kommunikationspartner dieselben Bedeutungen aktualisiert werden.
Signifikantes Symbol: Zeichen mit dahinter stehender Idee.
Erlebnisdimension: Qualität der persönlichen Erfahrung
Bedeutung: Summe aller Erfahrungsqualitäten in Form mental gespeicherter Erlebnisdimensionen
Kommunikation verläuft immer medial, d. h. die Kommunikationspartner benötigen stets eine Vermittlungsinstanz,
mit deren Hilfe sie erst in der Lage sind, Bedeutungen miteinander zu teilen.
Ein Zeichen ist eine materielle Erscheinung, der eine Bedeutung zugeordnet ist. Indem es etwas bedeutet,
verweist es auf etwas.
natürliche Zeichen: sie werden von dem Objekt, welches sie anzeigen, kausal verursacht. In diesem Sinne sind
natürliche Zeichen daher auch „Anzeichen“, Kennzeichen oder Symptome der Objekte, auf die sie hindeuten.
Rauch ist ein (Kenn-)Zeichen für brennendes Feuer, das Erröten ein Symptom von Scham oder Verwirrung…
Künstliche Zeichen: all jene materiellen Erscheinungen, die zum Zweck der Kommunikation entstanden bzw.
geschaffen worden sind. Ihre Bedeutung ist das Resultat einer sozialen Übereinkunft, einer Vereinbarung
zwischen Menschen.
Als Signal tritt ein Zeichen auf, wenn seine Funktion in der unmittelbaren Einwirkung auf das Verhalten anderer
Lebewesen besteht; Zeichen, die zu einer Aktivität drängen; die eine bestimmte Reaktion auslösen. Diese
Reaktion kann durch eine Vereinbarung zwischen Menschen vorherbestimmt worden sein; sie kann aber auch –
vor allem bei Tieren – instinktiv angelegt oder durch Lernprozesse bedingt sein.
Handzeichen des Polizisten erfüllen eine typische Signalfunktion.
Ein Symbol vertritt den Gegenstand, auf den es verweist.
Fahne
Als was ein Zeichen jeweils fungiert – als Signal oder als Symbol – hängt in erster Linie von seinem Gebrauch ab,
d. h. von dem Umstand, wie es verwendet wird.
Erst im Rahmen der menschlichen Kommunikation eröffnet sich dagegen die Möglichkeit, Zeichen nicht mehr nur
als Symbole, sondern auch – und vor allem – als Symbole einzusetzen.
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Dem Menschen ist es im Gegensatz zu den Tieren möglich, eine Haltung gegenüber den Gegenständen in
absentia einzunehmen, welche als „denken an“ oder „sich beziehen auf“ bezeichnet wird. Die signalhafte
Kommunikation im Tierreich ist nämlich immer sowohl zeit- aus auch situationsgebunden. Der Mensch kann via
Symbolbilder natürlich auch abstrakte Vorstellungen in sein Bewusstsein rufen; also Bereich der Wirklichkeit, die
als konkret wahrnehmbare Gegenstände ja überhaupt nicht existieren. Das sprachliche Symbol „Freiheit“,
olympische Fahne.
Die Bedeutung eines Zeichens, das als Symbol fungiert, darf weder als etwas ein für allemal Feststehendes
betrachtet werden, noch als etwas, das bei verschiedenen Menschen in genau gleicher Weise vorhanden ist.
M.a.W., die Bedeutung eines Symbols ist immer vom jeweiligen raum-zeitlichen Kontext bestimmt.
Der Symbolische Interaktionismus ist ein Konzept menschlichen Handelns, welches das In-Beziehung-Treten
des Menschen mit seiner Umwelt thematisiert. Das handlungstheoretische Verständnis des Symbolischen
Interaktionismus basiert im Wesentlichen auf folgenden drei Prämissen:
Menschen handeln Dingen gegenüber auf der Grundlage von Bedeutungen, die diese Dinge für sie
besitzen
Die Bedeutung dieser Dinge entsteht in/wird abgeleitet aus den sozialen Interaktionen, die man mit
seinen Mitmenschen eingeht.
Diese Bedeutung werden im Rahmen der Auseinandersetzung mit ebendiesen dingen in einem
interpretativen Prozess benützt und auch abgeändert.
Im symbolisch interaktionistischen Sinn existieren Dinge nicht als isolierte Entitäten, sie besitzen keine
geschichtslose Wesenhaftigkeit u. ä., sondern sie existieren ausschließlich raum- und zeitgebunden.
Die Bedeutung eines Gegenstandes ist dann jeweils das Ergebnis mannigfaltiger Definitions- und
Interpretationsprozesse, die zwischen Menschen ablaufen, wenn diese im Hinblick auf den jeweiligen
Gegenstand handeln.
Ein signifikantes Symbol ist ein Zeichen, das eine dahinter stehende Idee (d. h. einen bestimmten
Vorstellungsinhalt) ausdrückt und diese Idee auch beim Kommunikationspartner auslöst.
Kommunikation lässt sich daher als „gemeinsame Aktualisierung von Sinn“ begreifen und nicht als ein Vorgang
der Übertragung von Sinn oder Information.
Es wäre zweifellos eine Überinterpretation des theoretischen Ansatzes, wollte man aus diesem ableiten, ein
Symbol- bzw. Bedeutungsvorrat eines bestimmten Menschen sei ausschließlich subjektgebunden und besitze mit
ebendem eines anderen Menschen so gut wie überhaupt keine Ähnlichkeiten.
Diverse Sozialisationsmechanismen und –Instanzen (von der Familie über Schule, Arbeitsplatz bis zu den
Massenmedien usw.) sorgen ja für weitreichende Ähnlichkeiten in der Erfahrungs- und Denkwelt einer mehr oder
weniger großen Sozietät.
Mit "symbolisch" ist hier auch immer stückweit "zeichenhaft" gemeint. So zählen die Symbole zu der Gruppe der
Zeichen. Bei einer Kommunikation werden Zeichen via Medium transportiert.
So lässt sich der Zeichenbegriff folgendermaßen einordnen: Ein Zeichen ist eine materielle Erscheinung und
drückt seine eigene Bedeutung aus. Es bedeutet oder deutet etwas und verweist auf etwas hin . Ein
Zeichen ist also definitorisch formuliert ein Bedeutungsträger. So sind sowohl manifest materielle Dinge (z. B.
Wegweiser) oder andere materielle Ereignisse (z. B. Winken) Zeichen.
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Man unterscheidet grundsätzlich von zwei Arten von Zeichen:
Natürliche Zeichen, die auf natürliche Weise auf etwas hindeuten und von Natur aus kausal mit der
ausgedrückten Erscheinung verknüpft ist. So sind z. B. spezielle Wettererscheinungen Anzeichen für gewisse
Wetterereignisse in den nächsten Tagen, oder Errötung, welches als Anzeichen für Schamgefühl ist. Es sind also
Zeichen die nicht anthropogen sind sondern kausalnatürlich.
Künstliche Zeichen haben ihren Bedeutungsgehalt in der Menschheitsgeschichte erhalten. Sie sind das
Resultat gesellschaftlicher Konventionen - Traditionen, Gesetze u.a. Das Wort "Tisch" (wie auch sämtliche
andere Wörter) gilt als künstliches Zeichen, als Erschaffnis gesellschaftlicher Übereinkünfte.
Eine weitere von Burkart verwendete Differenzierung, die sich auf das Attribut "Funktion" bezieht, sei hier auch
noch aufgeführt:
Ein Signal zeichnet sich dadurch aus, dass es direkt auf das Verhalten anderer Lebewesen einwirkt. Signale sind
Zeichen, die zu einer Aktivität drängen und zum Ziel haben, Reaktionen auszulösen. Ein Signal kann durch
menschliche Übereinkunft zustande kommen, aber auch einer tierischen Instinkthandlung oder einer erlernten
(=konditionierten) Verhaltensweise zugrunde liegen.
Ein Symbol hingegen fungiert als Repräsentation für einen Zustand, einen Gegenstand oder ein Ereignis. Es
"bekleidet" eine Vertreterfunktion. Wichtige Voraussetzung für das allgemeine Verständnis eines Symbols ist eine
zuvor verabschiedete Konvention, damit alle Teilnehmer des Kommunikationsprozesses dieselbe Begrifflichkeit
kennen.
Grundsätzlich gilt es, bei jedem Zeichen sowohl seine Beschaffenheit (natürlich/künstlich) als auch seine
Funktion (Signal/Symbol) festzumachen. Innerhalb dieser beiden festgelegten Dimensionen sind alle
Kombinationen möglich. Grundsätzlich ist hier feststellbar, dass Tiere bloß zur Signalvermittlung fähig sind. Der
Gebrauch von Symbolen bleibt der menschlichen Kommunikation vorbehalten.
Im Unterschied zu den Signalen bieten Symbole nicht nur die Gelegenheit, auf Übermitteltes zu reagieren (was
auch noch den Tieren möglich ist), sondern die Zeichen vor allem verstehen und ihnen bestimmte Gedanken
und Vorstellungen zuordnen zu können. Dies gilt als menschliche Fähigkeit, nämlich in einen Bezug mit einem
Gegenstand in absentia zu treten - sich bewusst mit einer Sache auseinandersetzen, die hier und jetzt nicht
präsent ist oder de facto gar nie existiert (Abstraktion).
Nicht zu vergessen ist aber die Herkunft eines Symbols. So gründet der Gehalt eines Symbols auf zuvor
gemachten Erfahrungen. Diese Erfahrungen gelten als Grundlage dafür, wie Gedanken, Vorstellungen, Gefühle
usw. in unserem Bewusstsein aktualisiert werden. So durchläuft zeitlebens jeder Mensch einen Prozess der
Symbolisierung, in welchem Bedeutungsinhalte im Bewusstsein inständig aktualisiert und konstituiert werden.
Zeichen, insbesondere Symbole sind stark individualspezifisch und bei jedem Individuum auch noch alters- oder
lebensaltersspezifisch. Die Bedeutung der Symbole und der ihr zugrunde liegenden Dinge ist insbesondere sehr
stark von der Art des Umganges mit ihnen abhängig. So bedeutet ein "Baum" für einen Botaniker, einen Holzfäller
oder einen Poeten jeweils etwas anderes.
Die oben erwähnten Phänomene liegen der Denkrichtung von G.H. Mead - dem Symbolischen
Interaktionismus zugrunde. Dieses Konzept stellt den Menschen dar, wie er mit seiner Umwelt in Beziehung tritt
und dabei eine Sozialisation erfährt. So lebt der Mensch sowohl in einer natürlichen ("manifesten") Umwelt, aber
auch in einer symbolischen Umwelt. Die Dinge und deren Bezeichnungen stellen dabei das Verhältnis "Mensch -
Umwelt" dar - eine subjektive Wirklichkeit.
Herbert Blumer gliedert das gedankliche Konstrukt des Symbolischen Interaktionismus in drei Prämissen:
1. Menschen handeln Dingen gegenüber, so wie es deren Bedeutung entspricht.
2. Die Bedeutung der Dinge leitet sich ab aus den sozialen Interaktionen, die man zum Mitmenschen
eingeht.
3. Die Dingbedeutungen werden im Rahmen mit der Auseinandersetzung mit den Dingen in einem
interpretativen Prozess benützt und auch abgeändert.
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Dinge existieren nach dieser Ansicht nach nicht als Wesen sondern sie sind raum- und zeitgebunden und
anthropogen festgelegt. Das heißt, ein Ding existiert nicht "an sich" sondern nur "für mich". Die Bedeutung
eines Gegenstandes ergibt sich also durch Interpretations- und Definitionsversuche (also Interaktion) innerhalb
der Gesellschaft zwischen einzelnen Menschen. Man nennt diese "Dingkreation" auch "soziale Schöpfung".
Ausgehend von der Tatsache, dass der Symb. Interaktionismus eine rein subjektiv erfahrene
Wirklichkeitsdarstellung vorsieht, besitzt jeder Mensch einen rein subjektiven Schatz an Definitions- und
Interpretationsleistungen - einen Vorrat an Symbolen - im Bewusstsein aktualisierbare
Bedeutungskonglomerate.
Der entscheidende Schritt vom Symb. Interaktionismus zur Kommunikationswissenschaft ist Kommunikation als
die zwischenmenschlich stattfindende Teilung von Bedeutungen. Für diese Bedeutungsteilung sind
schließlich Symbole als Zeichen von Nöten, damit die gespeicherten Bedeutungsinhalte stetig aktualisiert werden
können, und damit "man von der selben Sache spricht". Man nennt dies dann symbolisch vermittelt
miteinander in Beziehung treten.
Signifikante Symbole (nach G.H. Mead): So nennen sich Symbole, die zwischen zwei Personen ausgetauscht
werden und die bei beiden dieselben Bedeutungsinhalte aktualisieren, d. h. Verständigung verschaffen.
Signifikante Symbole sind Zeichen, die Ideen ausdrücken, welche auch beim Kommunikationspartner ausgelöst
werden. Und erst wenn die Verständigung - also das "Synchronisieren" von Bedeutungsinhalten - erreicht
ist, kann man von einem erfolgreich symbolisch vermittelten "Mit-einander-in Beziehung-treten" sprechen.
Auch Luhmann würde der Definition, Kommunikation als gemeinsame Sinn-Aktualisierung, ihre Berechtigung
geben. Denn Kommunikation ist nicht einfach die "Übertragung von Sinn oder Informationen". Diese Definition
würde nämlich nicht voraussetzen, dass der transferierte Sinn wirklich verstanden wird, was wir ja bei der
Kommunikation voraussetzen.
Unsere oben aufgeführten Perspektiven dürfen uns allerdings nicht suggerieren, dass aufgrund der subjektiv
erfahrenen Wirklichkeit und der Dissonanzen in Bezug auf Bedeutungsinhalte eine extreme Subjektivität und
somit "Unterschiedlichkeit" zwischen allen Menschen vorherrsche. Es gibt sehr wohl viele Ähnlichkeiten, in
diesem Sinne stark synchronisierte Bedeutungsinhalte, die durch Sozialisationsinstanzen wie Schule, Militär,
Arbeitsplatz, Familie, Massenmedien) zustande kommen und die als grundsätzliche, weitgehend gleiche
Bedeutungen allen Mitgliedern einer Gesellschaft zugrunde liegen.
Grundsätzlich können aber durch verschiedene Betrachtungsweisen einer Sache im gleichen raumzeitlichen
Kontinuum unterschiedliche Erlebnisdimensionen entstehen. So erlebt ein Autoindustrieller das Ding "Auto"
anders als ein Polizist, dieser vielleicht anders als ein Umweltaktivist oder als ein ABC-Schütze.
Eine Erlebnisdimension stellt also die Qualität einer persönlichen Erfahrung dar. Die Bedeutung ist also in
diesem Sinne die Summe aller Erfahrungsqualitäten (=Erlebnisdimensionen). Eine Kommunikation kann also
scheitern, wenn bezüglich eines Themas die Bedeutungsvorräte sich nicht teilweise abdecken. In diesem Falle
fehlen gleiche Vorstellungen/Erfahrungen als Grundlage.
Was der Symb. Interaktionismus nahe legen will, ist die Klarstellung, dass selbst identische Symbol- und
Zeichenvorräte verschiedener Menschen kaum je einen 100% identischen weil aktualisierten
Bedeutungsvorrat zur Folge haben.
2.6. Symbolisch vermittelte Interaktion als humanspezifische Kommunikationsmodalität
Kommunikator der etwas mitteilen will. Stellt die Quelle ausgesendeter Botschaften dar.
Rezipient: der etwas verstehen will. Stellt den Adressat der Botschaft dar.
Reziprozität: Prinzip des Gebens und Nehmens. Eine Mitteilungs-Handlung verlangt stets
nach einer Verstehens- Handlung und umgekehrt.
- Kommunikation als soziales Phänomen
- soziale Verhaltensweisen = Verhaltensweisen im Hinblick aufeinander
- menschliche Kommunikation als soziale Handlung ist intentional
- Handeln als ein bewusstes Verfolgen von Zielen
- auch kommunikatives Handeln als ein Mittel zum Zweck (intentional)
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- allgemeine Intension = Mitteilungs- und Verständigungsintension = konstantes Ziel
- spezielle Intension = Interessenabsichten, -realisierung = variables Ziel = Kommunikationsinteressen
- Prozesscharakter der Kommunikation
- Kommunikation als gegenseitig stattfindendes Geschehen (soziale Interaktion)
- Kommunikation als ein Prozess, der erst nach seinem Erfolg als solches bezeichnet werden kann (im
Gegensatz zu kommunikativem Handeln, welches schon bei Kontaktaufnahme als solches bezeichnet werden
kann
- Erfolg ist bei Verständigung erreicht
- kommunikatives Handeln benötigt ein Ausdrucksmittel, ein Medium
- Medium als zwischenmenschliche Instanz
- Unterscheide: Primäre, sekundäre, tertiäre Medien
- Zeichen als Ausdrucksformen für Bedeutungsinhalte
- Kommunikationsprozess als Zeichenprozess
- Zeichen stellvertretend für etwas
- Unterscheide: Signale / Symbole
- menschl. Kommunikation als symbolisch übermittelte Interaktion
- In-Beziehung-treten zur Aktualisierung von Bedeutungsinhalten auf das Objekt bezogen
- "Akteure" des Kommunikationsprozesses
--- jemand, der etwas mitteilen will (Kommunikator, Quelle, Sender, Adressant)
--- die Botschaft/Aussage/Mitteilung selbst
--- ein Medium (Transportinstanz)
--- jemand, an den die Botschaft gerichtet ist (Rezipient, Empfänger, Konsument, Adressat)
- Der Prozess selbst
--- kommunikatives Handeln: K(ommunikator) und R(ezipient) treten miteinander in Beziehung
--- Mitteilungshandlung: K packt seine A(ussage) in ein M(edium) und schickt sie zu R
--- Verstehenshandlung: R empfängt und versteht die von K in ein M gepackte A
--- Reziprozität (Gegenseitigkeit): Kommunikation hat erst stattgefunden wenn
1. der R wirklich empfangen und verstehen will (also sind sowohl K als auch R aktiv)
2. Verständnis (=Aussagenteilung) aufgebaut worden ist
2.7. Feedback: Eine Erfolgskontrolle kommunikativen Handelns
System: In ihm werden Dinge/ Sachverhalte als miteinander verbunden gesehen. Dinge besitzen bestimmte
Funktionen.
Input-Output-Modell: Systeme stehen mit ihrer Umwelt in Verbindung. Leistungsaufnahme in Form von Inputs
beeinflussen die Leistungsabgabe an die Umwelt in Form von Outputs usw. Ein Teil des Outputs des Systems
wirkt wieder als Input in dieses System zurück! Feedback (Regelkreis). Für die persönliche Kommunikation (face-
to- face-communication) ist es charakteristisch, dass die Partner ständig ihre Rollen als Kommunikator und
Rezipient wechseln! gegenseitige Kommunikation.
EURICH unterscheidet zwei Formen von Feedback:
• Direkte Rückmeldung: Leserbriefe, E- Mails, Telefon
• Indirekte Rückmeldung: Kündigung eines Abonnements.
Ein Feedback im Massenkommunikationsprozess wird erschwert und verlangsamt. Zudem erreichen die
Rückmeldungen in den seltensten Fällen den Kommunikator. Das wechselseitig aufeinander gerichtete
kommunikative Handeln (Reziprozität) von (mindestens zwei) Menschen gilt als fundamentale Voraussetzung für
die Entstehung und den Ablauf von Kommunikation. Ein Mitteilens-wollen und ein Versehen-wollen setzten
einander voraus, was die Kommunikation zu einem implizit reziproken Prozess macht.
Um den Erfolg von Kommunikation zu kontrollieren bedarf es zunächst einer systemtheortischen Sichtweise.
Dabei ist mit der Betrachtung einer Sache als System gemeint, bestimmte Dinge oder Sachverhalte als
1
untereinander verknüpft zu betrachten. Diese Systemelemente bekleiden verschiedene, auf das ganze System
gerichtete Funktionen.
Input-Output-Modell: Dieses systemtheoretische Konzept stellt ein System im Kontakt mit seiner Umwelt dar.
Dabei nimmt es eben von seiner Umwelt Inputs auf und gibt Outputs an seine Umwelt ab. Man spricht dabei
auch von einem Blackbox-Modell. Das Wichtige: Ein Teil des Outputs fließt wieder als Input zum System zurück.
Dieser Teil wird als Feedback (Rückkoppelung, Rückmeldung, Rücksteuerung) bezeichnet und macht aus dem
Input-Output-Prozess ein zirkulärer Prozess, ein Regelkreis. Die wiederkehrende Eingangsleistung (Input in Form
von Feedback) ist dabei ein Erfolgsmaßstab für den zuvor ausgestoßenen Output und steuert somit wieder die
Ausgangsleistung (Output).
Man kann dieses Modell auch auf unser zentrales Thema der menschlichen Kommunikation anwenden. Das
Verhalten wird dann auf sein Ergebnis hin untersucht und der Erfolg bzw. Misserfolg dieses Ergebnisses
beeinflusst das zukünftige Handeln. Nicht nur zwischen einem Einzelmenschen (System) und der Gesellschaft
(Umwelt) spielen solche zirkulären Prozesse ab sondern auch zwischen den einzelnen Menschen (System -
System). So ist es wichtiger Bestandteil in der Wechselwirkung von Mitteilen und Verstehen, dass von der Seite
des Rezipienten her auch ein Feedback an den Kommunikator zurückgelangt (Kontrolle der
"Verstehungsleistung" des Rezipienten zur Anpassung der eigenen "Mitteilungsleistung") um den
Verständniserfolg bestätigen zu können. Das Feedback gilt also als Gradmesser für die erbrachten "Mitteilungs-
und Verständnisleistungen".
In diesem Sinne hat der Kommunikator sowohl eine Mitteilungsfunktion als auch eine Funktion der
Feedbackentgegennahme. Auch der Rezipient hat seinerseits zwei Funktionen: die des Verstehens und die der
"Feedbackproduktion".
Das Feedback kann sich äußern in Form von Gestik und Mimik (oder generell nonverbaler Kommunikation),
aber - v. a. in Zweiergesprächen - wird der Rezipient zum Kommunikator und sein Feedback zeigt sich in
Form einer eigenen Mitteilungshandlung. So ist es generell üblich in face-to-face-communications, dass
Kommunikator und Rezipient stetig die Rollen tauschen. Bei häufigem Rollentausch spricht man (also eigentlich
Maletzke) von gegenseitiger Kommunikation im Gegensatz zur einseitigen Kommunikation, wie z. B. bei einem
Vortrag, wo Kommunikator und Rezipient konstant sind. Man spricht bei einer face-to-face-communication, die mit
Rollentausch verbunden ist, auch eine prototypische kommunikative Interaktion.
2.7.1. Massenkommunikation UND FEEDBACK
Nach Eurich lassen sich in diesem Bereich zwei Arten von Feedbacks entdecken:
Direkte, gewollte und meist spontane Rückmeldung: Dazu zählen Leserbriefe, telefonische Reaktionen,
direkte Präsenz bei den Medienproduktionen, aber auch (in)formelle Kollegenkritik oder professionelle, öffentliche
Kritik.
Indirekte Rückmeldungen: Dazu zählen Abonnementskündigung, erhobene Daten aus Medienforschungen
über das Rezeptionsverhalten des Publikums.
Man kann feststellen, dass hier die Feedbackmöglichkeiten im Vergleich zu der Situation bei interpersonellen
Interaktionen ziemlich eingeschränkt sind. Problematisch ist auch, dass die Rückmeldung selten den Adressanten
(also zumeist Journalisten) erreicht. Eine Wechselseitigkeit zwischen Kommunikator (als Individuum betrachtet)
und Rezipient bleibt wohl größtenteils illusionär.
Ein Phänomen, welches sich vor allem seit den 50er Jahren aus der Entwicklung der Massenmedien
herauskristallisierte ist die Einwirkung eines fernsehübertragenen Ereignisses auf das Ereignis selbst. So
kann ein Anlass, der weltweit übertragen wird, allein durch die Medienpräsenz Ausmaße erreichen, die den
Anlass grundlegend umkrempeln. Auch diesen Phänomenen, so genannten "mediatisierten" Ereignissen, liegt
wohl der Feedbackprozess zugrunde. Hierbei stellt sich die Qualitätsfrage eines Ereignisses gar nicht mehr als so
relevant heraus. Was kann uns das Feedback-Beispiel weiteres zeigen: Dass grundsätzliche,
kommunikationswissenschaftliche Konzepte sich nicht unbedingt als universell herausstellen, in diesem Sinne:
als für die Massenkommunikation tauglich.
1
Kapitel 3. Das Kommunikationsmedium „Sprache“
Im Mittelpunkt der Betrachtungen dieses Kapitels steht die verbale (sprachliche) Kommunikation. Wobei die
Sprache vor allem in ihrer Eigenschaft als Medium untersucht wird, die dazu dient, Inhalte unseres Bewusstseins
anderen Menschen zugänglich zu machen.
Die Möglichkeiten menschlicher Kommunikation erstrecken sich über zwei Felder:
Sprachliche Kommunikation, die auf den Gebrauch von Wörtern aufbaut
Nonverbale, Extralinguistische Kommunikation, die sich u.a. an leibgebundenen Ausdrucksmöglichkeiten
(Mimik, Gestik, Körperhaltung, Kleidung) ausrichtet Es braucht kaum lange erklärt zu werden, wie die beiden
Felder eng zusammenhängen, und dass das eine ohne das andere nicht geht. Es ist lediglich die Exklusivität,
dass nur dem Menschen die Sprache als Kommunikationsinstrument voll und ganz zur Verfügung steht. In ihrer
Eigenschaft als Medium soll die Sprache dazu dienen, als Bedeutungsträger einer Mitteilung vom Kommunikator
an den Rezipienten zu fungieren. Sprache stellt sich somit als Instrument zwischenmenschlicher
Verständigung heraus.
3.1. Das Problem sprachlicher Verständigung
Verständigung (= konstantes Ziel der Kommunikation; Kapitel 2) liegt vor, wenn der Rezipient eine ihm mitgeteilte
Aussage so versteht, wie sie vom Kommunikator gemeint ist.
Dabei sind drei Dimensionen von zentraler Bedeutung:
1. die semantische Dimension
2. die syntaktische Dimension
3. die pragmatische Dimension
Die semantische Dimension meint die Beziehung zwischen den sprachlichen Zeichen und den
außersprachlichen Gegenständen (= die Bezeichnung, z. B.: ich ordne einem Brett mit vier Beinen die
Wortkombination „Tisch“ zu).
Die syntaktische Dimension meint die Beziehung der Zeichen untereinander (= grammatikalische Regeln, nach
denen Wörter zu kombinieren sind).
Die pragmatische Dimension meint die Beziehung zwischen den Zeichen und ihren Benützern. Die Pragmatik
(= Lehre der Zeichenverwendung) untersucht, wie die semantisch und syntaktisch richtig verwendeten Begriffe
und Wörter von Kommunikator und Rezipient verstanden werden.
Beispiel für pragmatische Dimension:
Franz sagt zu Fritz: „Morgen komme ich.“
Bei der pragmatischen Dimension geht es darum zu erkennen, was der Kommunikator mit seiner Äußerung zu
verstehen geben will. Mit dem Satz, den Franz an Fritz richtet, kann er ihm entweder versprechen, dass er
morgen kommt, er kann ihm drohen oder er kann ihn warnen. D. h. heißt, auch wenn in Bezug auf die
semantische Dimension zwischen Franz und Fritz Verständigung über den Inhalt vorliegt (Fritz weiß, was Franz
mit „Morgen“ und „ich“,… meint) muss dies bei der pragmatischen Dimension nicht gleichermaßen klar sein.
Fazit:
Verständigung zwischen zwei Gesprächspartnern setzt nicht nur eine Übereinstimmung von Sprecher und Hörer
in Bezug auf den semantischen Gehalt sowie die syntaktischen Kombinationsmöglichkeiten sprachlicher Zeichen
voraus; Verständigung erfordert auch eine Einigung über den pragmatischen Verwendungssinn der jeweils
geäußerten Zeichen bzw. Zeichenkombinationen.
Es wird auch von den zwei „Ebenen“ der Kommunikation gesprochen:
- Ebene der Gegenstände, über die man sich verständigt
- Ebene der Intersubjektivität, auf der die Sprecher/Hörer miteinander kommunizieren. Nur wenn beide
Kommunikationspartner im Moment der Kommunikation in gleicher Weise beide Ebenen betreten, kommt
Verständigung zustande.
1
Beispiel:
„Ich verspreche Dir, dass ich morgen komme.“
Mit „Ich verspreche Dir, dass…“ wird die intersubjektive Ebene betreten. Man versucht Verständigung in Bezug
auf den Typus des gesetzten Sprechaktes und somit über den pragmatischen Verwendungssinn zu erreichen
(hier = Versprechen).
Mit „…ich morgen komme“ wird die gegenständliche Ebene betreten. Sprecher und Hörer stellen wechselseitig
Klarheit über den mitzuteilenden Sachverhalt (hier = das Eintreffend des Sprechers am darauf folgenden Tag)
her.
Oft wird die intersubjektive Ebene nicht explizit verbalisiert, sondern es wird nur implizit auf die den
pragmatischen Verwendungssinn hingewiesen.
Beispiel:
Im Satz: „Ich komme morgen“ ist nur die gegenständliche Ebene der Kommunikation explizit erkennbar. Die
intersubjektive Ebene ist nicht manifest. Aber sie ist implizit vorhanden.
HaberMaß spricht von der sog. Doppeststruktur solcher Sätze.
Die Schwierigkeit in Bezug auf Verständigung besteht darin, dass der vom Sprecher intendierte pragmatische
Verwendungssinn einer Botschaft vom Hörer erkannt werden muss, wenn er nicht in expliziter Form geäußert
wird. Um Missverständnissen entgegenzuwirken wird das Problem meist über den Einbezug des Kontextes
gelöst, in den eine sprachliche Äußerung eingebettet ist.
Watzlawick (et al. 1969) führte die Unterscheidung eines Inhalts- und Beziehungsaspektes von
Kommunikation ein. Man kann in dieser Trennung eine Parallele zu den oben genannten kommunikativen
Ebenen sehen. In analoger Weise unterscheidet Watzlawick das, was eine Mitteilung enthält, von dem Hinweis,
darauf, wie ihr Sender sie vom Empfänger verstanden haben will: Der Inhaltsaspekt vermittelt die „Daten“, der
Beziehungsaspekt weist an, wie diese „Daten“ aufgefasst werden.
Beispiel nach Watzlawick zum Satz: „Ich komme morgen“:
Franz und Fritz könnten Freunde sein, die sich für den nächsten Tag verabredet haben:
Satz wird als Versprechen aufgefasst.
Franz könnte Steuerprüfer des Finanzamtes sein, der bei Fritz eine Betriebsprüfung durchführen muss: Satz =
Warnung, um allfällige Dinge noch ins rechte Lot zu bringen.
Franz könnte Nachhilfelehrer von Fritz sein: Satz = Aufforderung bis morgen, die gestellten Aufgaben noch zu
erledigen.
D. h. die Art der Beziehung stellt also in gewissem Sinn einen Rahmen für mögliche Sprechakte bereit. Es
treten nicht „bloße“ Personen zueinander in Beziehung, sondern die Person „A“ als Lehrer mit Person „B“ als
Schüler, die Person „X“ als Steuerprüfer mit der Person „Y“ als Firmeninhaber. Deshalb hat jede Kommunikation
einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt, wobei der letztere den ersteren bestimmt, im Sinne, dass z. B. ein
Nachhilfelehrer eher über Schulprobleme spricht als über letzte Tennisstunde.
Zusammenfassung:
Sprache
Symbolische Dimension Handlungsdimension
Sätze Äußerungen
(Semantik, Syntax) (Pragmatik)
Ebene der Gegenstände Ebene der Intersubjektivität
(nach HaberMaß) (nach HaberMaß)
Es wird etwas ausgesagt Es wird etwas getan
(= Inhalt) (= ein Sprechakt gesetzt)
Inhaltsaspekt Beziehungsaspekt
(nach Watzlawick) (nach Watzlawick)
Verständigung herrscht, wie wir im vorigen Kapitel zur Genüge gesehen haben, dann vor, wenn die
Bedeutungsinhalten zwischen Interaktionspartnern wirklich geteilt wurden, d. h. wenn R verstanden hat, was K
sagen wollte. Der sprachliche Aspekt stellt sich also nun in den Vordergrund. Dabei gilt es als grundlegend,
1
einige wichtige Grundzüge aus der Semiotik (der Lehre sprachlicher Zeichen) zu betrachten. So gibt es drei
Dimensionen sprachlicher Zeichen:
Die semantische Dimension nimmt Bezug auf die Bedeutung sprachlicher Zeichen und Zeichenfolgen. Sie
untersucht die Beziehung zwischen den Worten/Wörtern und den dazugehörigen "außersprachlichen"
Gegenständen, Ereignissen, Personen.
Die syntaktische Dimension untersucht die Beziehung zwischen den Zeichen und Zeichenfolgen.
Untersuchungsgegenstand der Syntaktik stellt dabei die Grammatik dar.
Die pragmatische Dimension erfasst die Beziehung zwischen den Zeichen und deren Benutzer. So gilt denn die
Pragmatik auch als Lehre von der Zeichenverwendung. Sie hinterfragt die Art und Weise, wie Zeichen
verwendet werden.
Sprache ist ohne jemanden, der sie benutzt, völlig unbrauchbar. Sätze haben keinerlei Relevanz ohne dass sie
von einem Sprecher benützt werden. Diese Tatsache verdeutlicht die Wichtigkeit der Pragmatik in der Sprache -
Funktionalität, die der Sprache ihre Existenzberechtigung gibt.
John L. Austin, ein Sprachforscher, beschäftigte sich intensiv mit der Frage, was wir mit Worten eigentlich tun. Er
gelangte zur Erkenntnis, dass die Bedeutung einer sprachlichen Äußerung viel mehr ist als die reine
Aufsummierung ihrer einzelnen Wortbedeutungen - so fehlt beispielsweise die Kontextbedeutung in dieser
Aufsummierung. Auch muss man, um die volle Bedeutung einer sprachlichen Äußerung zu erfassen, den Sinn
und Zweck hinter der Äußerung erkennen können.
Auch hat Austin eine Sprechakttheorie entwickelt, die davon ausgeht, dass "eine Sprache sprechen"
gleichbedeutend ist mit "Sprechakte ausführen" und dass diese Sprechakte Kleinsteinheiten sprachlicher
Kommunikation darstellen.
So müssen sich denn Kommunikator und Rezipient nicht nur im semantischen (Wortbedeutungen) und
syntaktischen (Grammatik) Sinne Verständnis verschaffen, sondern besonders im Bereich der Pragmatik. Der
Sinn der Mitteilungshandlung muss ebenfalls (sogar besonders) verstanden werden, sonst hat die
Kommunikation (oder die Ansätze zum Kommunikationsversuch) keine Existenzberechtigung.
Nach Habermas ist dementsprechend Verständigung auf zwei Ebenen relevant:
Auf der Ebene der Gegenstände, wo eine Verständigung über den Sachverhalt angestrebt wird.
Auf der Ebene der Intersubjektivität, wo ein bestimmtes Kommunikator/Rezipienten-Verhältnis ausgedrückt,
verdeutlicht, geklärt wird.
So bietet uns der Satz "Ich verspreche Dir, dass ich kommen werde." zwei Satzteile: Einen intersubjektiven - "Ich
verspreche Dir,..." und einen gegenständlichen "...dass ich kommen werde."
Das Versprechen drückt eine Klärung des Gesprächstypus und der Gesprächsbeziehung auf, währenddem
die Aussage des Kommens reinen Sach-/Informationscharakter besitzt. So bietet die Intersubjektivität auch
eine Bewusstwerdung über die Pragmatik einer Aussage.
Allerdings sind Sprechakte, in denen ausdrücklich die pragmatische Funktion ihrer selbst angesprochen wird,
eher die Ausnahme. Die Pragmatik der Aussage ist implizit im Satz erhalten ohne explizit erwähnt zu werden
("Doppelstruktur umgangssprachlicher Kommunikation" – nach Habermas). Aber des Weiteren müssen nach
Habermas die pragmatischen Motive der Mitteilungshandlung - wenn auch implizit - in jedem Fall in jedem Satz
enthalten sein. Nur ist die Schwierigkeit vorhanden, dass der pragmatische (ungesprochene) Satzanteil vom
Rezipienten als solches erkannt wird (im obigen Beispiel: die Aussage als Versprechen auffassen und nicht als
Drohung - auch wenn nur "ich werde kommen" gesagt wird).
Ausgehend von der Tatsache, dass jeder kommunikativen Handlung auch eine Kontextbezogenheit zugrunde
liegt, die in soziale Zuständen verankert ist, hat Watczlawick eine Unterscheidung eingeführt: Der Inhaltsaspekt
vermittelt die Daten, der Beziehungsaspekt zeigt an, wie diese Daten aufzufassen/zu interpretieren sind. So gibt
in einem Beispiel wie "Morgen komme ich." Der Beziehungsaspekt an, ob es sich beim Sprecher um einen
drohenden Steuerprüfer, einen guten Kollegen oder einen hinweisenden Lehrer handelt. Außerdem zeigt das
Beispiel, dass in jeder Interaktion auch automatisch soziale Positionen interferieren.
In jeder Kommunikation sind die beiden konzipierten Aspekte gemeinsam enthalten, wobei der Beziehungsaspekt
den Inhaltsaspekt bestimmt.
1
Sehr relevant sind diese Voraussetzungen bei der Erforschung von Verständnisproblemen. Es ist deshalb auch
Gegenstand und praxisorientiertes Ziel der Kommunikationswissenschaften, sich Einsicht zu verschaffen über die
Ursache von Verständnisschwierigkeiten.
3.2. Sprachbarrieren
Sprachliche Gründe dafür, dass die Verständigung bei Kommunikationsprozessen nicht hergestellt werden kann,
sind sog. „Sprachbarrieren“ (Bandura, 1971). Aufgrund solcher Sprachbarrieren kommt es zu Nicht- oder
Missverstehen zwischen den Kommunikationspartner.
Dieses Nicht- oder Missverstehen kann sowohl auf der gegenständlichen wie auch auf der intersubjektiven Ebene
entstehen.
Gegenständliche Ebene:
Nichtverstehen, wenn Sprecher und Hörer über unterschiedliche sprachliche Zeichenvorräte verfügen (Sprecher
verwendet Wörter, die Hörer nicht kennt, weil sie aus fremden Sprachen oder Fachsprache stammen).
Missverstehen, wenn beide Kommunikationspartner wohl mehr oder weniger gleiche Zeichenvorräte besitzen,
wenn beide Kommunikationspartner aber dennoch unterschiedliche Bedeutungen mit den betreffenden Wörtern
verbinden.
Intersubjektive Ebene:
Nichtverstehen, wenn sprachliche Äußerungen gar nicht als solche erkannt werden. Die Gründe dafür liegen im
Unvermögen des Empfängers die sprachlichen Manifestationen überhaupt zu identifizieren (Bsp.: Blindheit,
Taubheit, oder: für einen Europäer ist es nicht selbstverständlich, fernöstliche Schriftzeichen als solche überhaupt
wahrzunehmen) Missverstehen, wenn die beiden Kommunikationspartner die gesetzten Sprechakte
unterschiedlich interpretieren. Das bedeutet, dass der Hörer den vom Sprecher intendierten pragmatischen
Verwendungssinn der Aussage nicht erkennt (Bsp.: Ich verstehe „Ich komme morgen“ als Drohung anstatt als
Versprechen).
Sprechakte erheblich erschwerende Barrieren sind sprachliche Barrieren. Sie sind die Ursache für die
Unverständnisse und Missverständnisse, welche eine kommunikative Handlung stören.
Gegenständliche Ebene
Intersubjektive Ebene
Liegen auf der gegenständlichen Ebene Unverständnis (Nichtverstehen) vor, so ist dies auf einen
unterschiedlichen sprachlichen Zeichenvorrat und Zeichenfolgenvorrat zu schließen. Sprecher und Hörer
sprechen unterschiedliche Sprachen (Landes- oder berufsspezifische Fachsprachen), Dialekte, Slangs. Allgemein
werden Sprachen, die sich nicht auf eine Nationalität sondern auf eine Interessengruppierung oder eine
Berufsgruppe beziehen, Sondersprachen, genannt. Auf der intersubjektiven Ebene spricht man dann von
Nichtverstehen, wenn sprachliche Zeichen gar nicht als solches erkannt werden, d. h. wenn auch gar nicht die
Absicht der Kommunikation erkannt wird. Dieses Nichtverstehen kann kulturelle oder gesellschaftliche Gründe
haben.
Von einem Missverstehen auf gegenständlicher Ebene spricht man, wenn zwar beide Kommunikationspartner
über einen mehr oder weniger identischen sprachlichen Zeichenvorrat verfügen, aber dennoch mit den Worten
unterschiedliche Bedeutungsinhalte verbunden werden. Diese Diskrepanz kann nur unter Rekurs auf die
unterschiedlichen Lebenserfahrungen der einzelnen Kommunikationsmitglieder erklärt werden. Ein
Missverstehen auf der intersubjektiven Ebene liegt vor, wenn der Rezipient den vom Kommunikator intendierten
pragmatischen Verwendungssinn der Aussage (des Sprechaktes) nicht aufnehmen kann oder ihn falsch
interpretiert. Es sind hier also Differenzen im pragmatischen Zeichenvorrat der Kommunikations-Partner, die eine
Störung darstellen.
1
Allgemeines dazu:
Fehlen eines MindestMaßes an Deckungsgleichheit in den Zeichenvorräten
(Gegenstandsebene/Nichtverständnis) Kongruenzmangel nicht nur interkulturell (Fremdsprache) sondern
auch intrakulturell (Fach- oder Sondersprache).
Fehlende Fähigkeit, eine sprachliche Manifestation als solches zu erkennen
(Intersubjektivebene/Nichtverständnis), sei es kulturell (Hieroglyphen, die als lustige Bildchen und nichts Weiteres
betrachtet werden) oder sei es pathologisch (Sinnesbehinderungen, die die Rezeption einschränken) - In diesem
Falle wird sprachliche Verständigung hinfällig und sinnlos.
Mit der Frage der Missverständnisse greifen wir ein kompliziertes Terrain auf. Hier gilt es zu ergründen:
Weshalb gibt es trotz weitgehend identischen Zeichenvorräten Diskrepanzen in der semantischen Auffassung?
Weshalb wird der pragmatische Verwendungssinn der Aussage nicht klar, obwohl beide Kommunikationspartner
über fast denselben Zeichenvorrat verfügen?
3.3. Verständnisrelevante Besonderheiten der menschlichen Sprache
3.3.1. Die verallgemeinernde Kraft der Sprache
Unsere Sprache erlaubt es uns Gegenstände in unserem Bewusstsein zu aktualisieren, von denen wir momentan
gar nicht umgeben sind (Bsp.: Ich sitze hier vor dem Compi und kann mir einen schönen Sandstrand vorstellen,
obwohl weit und breit keiner in Sicht ist). Wir können dies, weil wir in unserem Gedächtnisse Begriffe
abgespeichert haben.
Begriffe sind Klassen von Umwelterfahrungen (Göppner, 1978). Es sind Vorstellungen von der Realität, die aus
der Summe individueller Erfahrungen mit dieser Realität verallgemeinert worden sind. Begriffe sind
grundsätzliche dynamisch, d. h. es ist möglich und wahrscheinlich, dass neue Erfahrungen in das Begriffssystem
der bisherigen Erfahrungen eingeordnet werden, bzw. Dieses Begriffssystem erweitern können. Dieser Prozess
kann ein lebensbegleitender Vorgang sein, d. h. die Begriffsbildung ist bei einer einzelnen Person eigentlich nie
endgültig abgeschlossen.
Prozess der Begriffsbildung:
Die Darstellung zeigt, dass der Mensch aufgrund von Erfahrungen, die er im Zuge der Auseinandersetzung mit
seiner Umwelt macht, Begriffe ausbildet. Diese Begriffe stellen verallgemeinerte Vorstellungen über die Realität
(= Klassen von Umwelterfahrungen), Momente seines Bewusstseins dar, die er mit Hilfe von sprachlichen
Symbolen (=Worten) bezeichnen kann.
Merke: Bei „Erfahrung“ kann das Konzept des symbolischen Interaktionismus integriert werden. (Grundannahme:
die Bedeutungen von Umweltobjekten (Personen, Gegenständen, Zuständen, etc.) sind „soziale Produkte“, d. h.
werden aus den sozialen Interaktionen abgeleitet, die man mit seinen Mitmenschen eingeht).
Zum einen haben Wörter die Funktion, die ihnen zugrunde liegenden außersprachlichen
Gegenstände, Ereignisse, Personen zu repräsentieren. Die Objekte werden so aus ihrer materiellen Existenz
herausgelöst und situations- und zeitunabhängig gemacht, wodurch sie zum Gegenstand geistiger Tätigkeit
werden. So können auch abstrakte Dinge, die als solches gar nicht existieren (wie Wertvorstellungen) in unserem
Bewusstsein aktualisiert werden.
Zum anderen haben Wörter auch die Funktion, Gegenstände zu verallgemeinern und auch
Klassen/Kategorien von Gegenständen festzulegen, die mit demselben Wort bezeichnet werden. So enthält jedes
Wort sowohl das konkrete Exemplar als auch die abstrahierte Kategorie der hier zusammengefassten Dinge. Und
sobald es zur Abstraktion einer ganzen "Dingklasse" wird, kann es auch Gegenstand geistiger Tätigkeit werden.
Eine solche Dingklasse nennt sich auch Begriff, also die Summe der Bedeutungen, die einem Wort zufallen.
Begriffe sind Klassen von Umwelterfahrungen (Göppner). Sie sind also Vorstellungen der Realität, die sich
aus der Summe der Erfahrungen über den sich bildenden Begriff ergeben. So haben Begriffe eine dynamische
Größe - also eine gewisse Dehnbarkeit. Begriffe werden in unserem Bewusstsein stets durch neue Erfahrungen
aktualisiert - zeitlebens.
Ganz speziell zeigt sich die Form von "Begriffsreifung" in der Kindheitsentwicklung, wo primär ja nicht
Sprache kennzeichnend wirkt. Hier kommt auch wieder der Symb. Interaktionismus zum Zug.
1
Nach Blumer werden die Bedeutungen von Umweltobjekten (Personen, Gegenständen, Zuständen) "soziale
Produkte" genannt und werden aus sozialen Interaktionen abgeleitet. So wird man also "in einen bestimmten
existenten Satz von sozialen Beziehungen" hineingeboren (Stryker). Aber speziell diese Begriffsbildung des
Kleinkindes im Rahmen seiner ersten Umwelterfahrungen gilt als enorm wichtig, auch wenn die sprachliche
Symbolisierung erst später an Bedeutung gewinnt.
Sprachliche Zeichen dürfen nie losgelöst von ihrer Bedeutung betrachtet werden. Die Sprache muss ihre
verallgemeinernde Kraft auf alle Einzelfälle einer "Dingklasse" ausüben. Die Wurzel der daraus entstehenden
Begriffe ist bei jedem Menschen unterschiedlich.
So lässt sich grundlegend folgendes festhalten. Der Mensch macht eine Erfahrung, bildet sich aufgrund der
Erfahrung einen Begriff über die Sache - im weiteren Sinne klassifiziert er damit seine Umwelterfahrungen.
Schließlich tritt ein den Begriff bezeichnendes Wort an dessen Stelle.
Bisher steht also folgendes fest. Nebst der Funktion der Sprache - Objekte der Realität situations- und
zeitungebunden machen, beziehen wir uns bei der Bezeichnung von Objekten auf Begriffe, auf verallgemeinerte
Klassifizierungen dieser Objekte. Begriffe sind mehr oder weniger individuell gemachte Umwelterfahrungen, die in
unserem Bewusstsein ihren Platz haben. Und die Bedeutung sprachlicher Symbole ist weitgehend von der
Qualität der gemachten Erfahrung abhängig.
3.3.2. Sprache und Realität
Annahme:
Mensch steht im Gegensatz zum Tier mit seiner Umwelt nicht direkt und unmittelbar, sondern durch das Medium
eines künstlichen symbolischen Systems in Berührung (symbolischer Interaktionismus).
Tier Umgebung
Mensch Symbole Umgebung
Mensch U
Erfahrung M
Begriff W
(klassifizierte Umwelterfahrungen)
E
sprachliches Symbol
(Wort) L
T
D. h. Im Hinblick auf Sprache und Realität ergeben sich daraus zwei „semantische Grundpostulate“ (Alfred
Korzybski):
1. Das Postulat der Nicht-Identität (Das Wort ist nicht die Sache, die es bezeichnet)
2. Das Postulat der Unvollständigkeit (Das Wort repräsentiert die Sache nicht zur Gänze) Das Postulat der
Unvollständigkeit meint, dass egal wie gut eine Landkarte ist, das Gelände nie ganz dargestellt werden kann. Es
soll damit ausgedrückt werden, dass wir die Realität nie ganz exakt in Worte fassen können. Das Postulat der
Nicht-Identität hingegen besagt, dass wenn man mit Hilfe von Worten nicht einmal alles über die Wirklichkeit
aussagen kann, dann können die Worte ja auch wohl niemals die „Gegenstände“ sein, die sie bezeichnen.
Fazit:
Sprache kann Realität nicht einem Spiegel gleich reflektieren, sonder immer nur rekonstruieren.
Diese Rekonstruktion ist nicht zufällig sondern entsteht in sozialer Interaktion.
Für diesen Punkt wollen wir uns noch einmal auf den Symbolischen Interaktionismus beziehen: Nach Rose lebt
der Mensch nicht nur in einer natürlichen sondern auch in einer symbolischen Umwelt, was es ihm ermöglichte
sich im Gegensatz zum Tier ein beachtliches Set an bedeutungsvollen Zeichen zu schaffen (animal symbolicum -
Mühlmann).
Währenddem Tiere mit ihrer Umwelt unvermittelt in Wechselwirkung stehen, stellt sich beim Menschen im
Verhältnis zur Umwelt die Symbolwelt dazwischen (Lindmann/Strauss). Die symbolische Umwelt als Ersatz-
Umgebung, als Filter zur natürlichen Umwelt. So wird aus der Projektion der natürlichen Umwelt auf uns selbst
1
nicht bloß eine Reproduktion dieser selbst, sondern stellt eine Rekonstruktion der Welt im Sinne der
Erfordernisse menschlicher Lebensführung dar.
Zwei semantische Grundpostulate:
- Postulat der Nicht-Identität: das Wort ist nicht die Sache, die es bezeichnet
- Postulat der Unvollständigkeit: das Wort repräsentiert die Sache nicht in ihrer Ganzheit. Das zweite Postulat will
uns andeuten, dass gleichgültig, wie viel man über irgendeine Sache, einen Vorgang, eine Eigenschaft oder
irgendetwas anderes aussagt, man nicht alles darüber aussagen kann. Das Postulat der Unvollständigkeit sagt
auch aus, dass das Wort, welches eine Sache ja eben nicht in ihrer Ganzheit erfassen kann, genau aus diesem
Grund auch nicht die Sache selbst sein kann.
Daraus wird der grundlegende Unterschied zwischen Sprache und Realität ersichtlich. Sprache reflektiert die
Wirklichkeit also nicht einfach nur wie ein Spiegel. Sprache rekonstruiert die Realität auf eine dem
menschlichen Sinn entsprechende Weise. Daraus lässt sich erkennen, das sprachliche Zeichen und ihre
Bedeutung auch nicht einfach zufällig entstehen. Und je nach Kultur, Region, Nation wird die Wirklichkeit in der
Sprache unterschiedlich rekonstruiert.
3.3.2.1. Sprachliche Relativität
These der sprachabhängigen Weltsicht:
Menschen in unterschiedlichen (geographischen) Regionen bilden nicht nur unterschiedliche Sprachen aus,
sondern rekonstruieren auch die Wirklichkeit anders (Edward Sapir und Benjamin Lee Whorf).
Sprache determiniert nach Sapir das Wahrnehmen der (Um-)Welt. Indem der Mensch gezwungen ist, die Realität
durch das (symbolische) Filter seiner Sprache zu sehen, kann er nur in jenen Kategorien wahrnehmen und auch
denken, die ihm seine Sprachgemeinschaft anbietet; er kann „nur die Erfahrungen machen, für die seine Sprache
die Begriffe bereithält“ (Pelz, 1975, S.34). = Sprache mit gegenstandskonstituierender Funktion.
Benjamin Whorf formuliert in diesem Zusammenhang das linguistische Relativitätsprinzip, das besagt, „dass
nicht alle Beobachter durch die gleichen physikalischen Sachverhalte zu einem gleichen Weltbild geführt werden,
es sei denn, ihre linguistischen Hintergründe sind ähnlich oder können in irgend einer Weise auf einen
gemeinsamen Nenner gebracht werden“ (ebd.).
Das meist auch als „Sapir-Whorf-Hypothese“ bezeichnete Prinzip der sprachlichen Relativität besagt also, dass
verschiedene Sprachgemeinschaften die außersprachliche Realität auf unterschiedliche Weise erfassen. Die
Lexikalische Inkongruität (= Nichtdeckungsgleichheit im Wortschatz von verschiedenen Sprachen) spricht für die
Sapir-Whorf-Hypothese (Bsp.: für lexikalische Inkongruität: die Japaner haben 8 Wörter für Reis, während wir ein
Wort haben.) Grund: unterschiedliche Zentralität von Reis in unserem und dem japanischen Leben.
Kurz: sprachliche Relativität meint, dass es nicht eine Sprache gibt oder nur ein Wort für jedes Phänomen gibt,
sondern, dass die jeweiligen Kulturen und Subkulturen ihre Sprache entwickeln, die für sie zentral und wichtig ist.
Wichtig: Abb. S.100: Der Zusammenhang zwischen Sprache und Realität ist nach Kenntnis der sprachlichen
Relativität ein wechselseitiger. Einerseits prägt die Umwelt und Erfahrung die Sprache. Andererseits prägt die
auch die Sprache die menschliche Erfahrung und damit das Erkennen der Umwelt.
Sprache = Führerin in die gesellschaftliche Wirklichkeit (Sapir)
Sprache = das Medium des Ausdrucks (Sapir)
Die Anpassung an die Wirklichkeit erfolgt unter großem Einfluss der Sprache. Die "reale Welt" wird somit auf
dem Hintergrund sprachlicher Bedeutungsvielfalt erbaut. Die gesellschaftliche Wirklichkeit ergibt sich demzufolge
auch aus der Sprache, was für verschiedene Sprachregionen verschiedene gesellschaftliche Wirklichkeiten
bedeutet. So kann ein Mensch auch nur Erfahrungen machen, für die seine Gesellschaft, seine Kultur, die
entsprechenden Begriffe bereithält. Die Sprache konstituiert also die Art und Weise, wie Erfahrungen
gemacht werden.
So stellt nach Whorf die Sprache ein riesiges Struktursystem dar, in welchem Formen und Kategorien kulturell
vorbestimmt sind und aufgrund derer ein Mensch Erfahrungen macht und gemäß derer ein Mensch das Gehäuse
seines Bewusstseins baut. So hat seiner Ansicht nach auch kein Mensch die absolute Freiheit, die Natur mit
völliger Unparteilichkeit zu beschreiben, sondern muss sich auf verschiedene Interpretationsweisen
beschränken, die ihm von der Sprache her gegeben sind.
1
So hat Whorf auch ein linguistisches Relativitätsprinzip formuliert: Es besagt, "dass nicht alle Beobachter
durch die gleichen physikalischen Sachverhalte zu einem gleichen Weltbild geführt werden, es sei denn, ihre
linguistischen Hintergründe sind ähnlich oder können in irgendeiner Weise auf einen gemeinsamen Nenner
gebracht werden."
Verschiedene Sprachgemeinschaften haben also hiernach eine unterschiedliche Auffassung der
außersprachlichen Realität. Sprache - als ein Netz über die Wirklichkeit, wobei die Maschen bei verschiedenen
Sprachgemeinschaften unterschiedlich groß und geformt sind. Als ein Paradebeispiel hierfür gilt die so genannte
lexikalische Inkongruität, die Nicht-Deckungsgleichheit zweier Wortschätze. Eskimos haben beispielsweise viel
mehr Wörter für Schnee und Eis, Chinesen mindestens sieben Bezeichnungen für Reis (und Reisarten). So
erscheint es für die Erfordernisse der Lebensführung der Chinesen dienlich, zwischen geschältem und
ungeschältem, zwischen gekochtem und ungekochten Reis zu unterscheiden und deshalb auch verschiedene
Wörter dafür zu verwenden.
Aber auch intralinguistisch ist die Differenzierung abhängig von den jeweiligen Erfordernissen der Fach- oder
Sondersprache (Bernstein).
So lässt sich also grundsätzlich sagen, dass sich die Sprache der natürlichen Umwelt anpasst. Im Zuge neuer
Erfahrungen, neuer Errungenschaften, neuer Entdeckungen entstehen neue Begriffe und schließlich neue
Wortschöpfungen, die gemäss den neuen Erfordernissen entsprechend differenziert sind.
Zirkulärer Prozess: Umwelt und Erfahrung prägen die Sprache. Aber dieser Prozess ist nicht einseitig. Die
Sprache bestimmt ihrerseits nämlich, wie Erfahrungen über die Umwelt in Zukunft gemacht werden. Zwar bilden
die auf die menschliche Lebensweise abgestimmten Erfordernisse (die aufgrund von Erfahrungen entdeckt
werden) das sprachliche Symbolsystem. Andererseits aber hat die Sprache ihrerseits großen Einfluss auf die Art,
wie die Wirklichkeit erfasst wird.
3.3.2.2. Sprache und soziale Umwelt
Der Soziolinguist Basil Bernstein transponierte die interlinguistische Sapir-Whorf-Hypothese in einen
intralinguistischen Rahmen hinein, d. h. er übertrug die „allgemeine These auf die innerhalb einer Kultur und einer
„National“sprache herrschenden Ungleichheiten. Er geht davon aus, dass der Spracherwerb sowie der
Sprachgebrauch innerhalb einer Gesellschaft bzw. Sprachgemeinschaft von der sozialen Schicht abhängig sind.
Bernstein unterscheidet zwei Sprachvarianten innerhalb einer Gesellschaft die seiner Meinung nach
verschiedenen Schichten zugeordnet werden können:
1. der elaborierter Code (Mittelschicht)
2. der restringierte Code (Unterschicht)
Der elaborierte Code erlaubt individualisierte, nuancierte und abstrakte Mitteilungen, die sprachliche
Repräsentation komplizierter Bedeutungsstrukturen und die jeweilige besondere Ausrichtung der Mitteilung auf
den Empfänger.
Der restringierte Code verfügt über einen nur geringen Wortschatz, enthält häufig feststehende Floskeln und ist
weniger geeignet für differenzierte Mitteilungen. Nach Bernstein ist der restringierte Code defizitär, da ein Mangel
an Verfügungsmöglichkeiten über Symbolmitte besteht. Angenommene Konsequenz: schlechte Schulerfolge,
schlechtere soziale und wirtschaftliche Chancen…
Soziolinguistik: Sprachwissenschaftlicher Richtung die in den 50er Jahren unter der Federführung von Bernstein
entstand. Die Soziolinguistik untersucht Zusammenhänge und Wechselwirkung zwischen der Sprache und der
sozialen Umwelt.
Bernstein seinerseits hat das linguistische Relativitätsprinzip Whorfs auf den intralinguistischen Bereich
ausgedehnt. Er zeigt damit, dass sogar innerhalb einer Sprachgemeinschaft fachsprachenspezifische Gebiete
unterschiedliche Wirklichkeitsauffassungen bewirken.
Arbeiter, die sich untereinander mit einer gewissen Sondersprache (Slang) unterhalten, zeigen auch große
Kongruenzen auf im Denken und Wahrnehmen der Umwelt. Jeder Schicht, jeder Gruppierung, jeder
Berufsgruppe liegen also weitgehend identische Denk- und Gefühlsbahnen zugrunde. Bernstein unterscheidet
zwischen zwei Sprachvarianten:
1
Elaborierter Code, welcher allgemein der Mittelschicht zugesprochen wird und der eine differenzierte
Kommunikation auf der Basis individueller, nuancierter oder abstrakter Themen oder komplexen
Gedankengebilden zulässt.
Restringenter Code, welcher der Unterschicht zugesprochen wird und der das Postulat der Notwendigkeit
vertritt. Er zeichnet sich auch durch eine Syntax und Semantik aus, was allerdings nicht förderlich bedeutsame
Bewusstseinsinhalte auf Beziehungsebene oder Logikebene auszutauschen.
Eine "Begleiterscheinung" der Tendenz zu elaborierter Sprache ist ein zusätzliches Wahrnehmungs- und
Differenzierungsvermögen der Wirklichkeit. So ist laut Bernstein ein restringenter Code mehr nachteilig als
dienlich (Konsequenz: keine schulischen Erfolge, schlechtere Aussichten im Berufs- und Sozialumfeld).
3.3.3. Sprachliche Reflexivität
Man unterscheidet weiterhin 2 Formen sprachlicher Aussagen bezüglich der Selbstreflexibilität der Sprache:
Objektsprache: inhaltliche Aussagen über einen Gegenstand oder Verhältnisse z. B. „Fritz ist ein Vollidiot“
Metasprache: Aussagen über objektsprachliche Sätze
z. B. „Der Satz: , Fritz ist ein Vollidiot’ ,ist falsch.
Die sprachliche Reflexibilität wird teilweise zu den Grundfunktionen der Sprache gezählt.
Das Kleinkind lernt beim Spracherwerb, dass seine Sätze in der Bedeutung und im Gebrauch von Erwachsenen
unterschiedlich sind. In metasprachlichen Äußerungen wird das implizite Wissen um die Reflexibilität der Sprache
zum Ausdruck gebracht.
Metakommunikation ist Kommunikation über bereits stattgefundene oder stattfindende K.. Mittels MK können
wir z. B. Missverständnisse (Ausbleiben von Verständigung) klären. Diese Missverständnisse können sich auf
den Sachverhalt (Gegenständliche Ebene) oder auf den Sprechakt (intersubjektive Ebene) beziehen.
Objektsprache: Sprache, bei der inhaltliche Aussagen über einen Gegenstand gemacht werden, der außerhalb
der Sprache selbst liegt.
Metasprache: Sprache, bei der inhaltliche Aussagen über objektsprachliche Sätze selbst gemacht werden.
Die Existenz der Metasprache verdeutlich das menschliche Bewusstsein, hinter jeder sprachlich geäußerten
Aussage auch den sprachlichen Aspekt selbst zu erkennen und zu entdecken, dass Sprache, in der Aussagen
über Gegenstände gemacht werden, selbst zum Gegenstand einer Diskussion werden kann. Insbesondere
Kleinkinder verfügen über ein außergewöhnliches Bewusstsein zur metasprachlichen Wahrnehmung.
Nach Bock ist Metakommunikation die Form menschlicher Kommunikation, die sich selber thematisiert
und zwar auf der Inhalts- und Beziehungsebene. Sie ermöglicht, durch Kommunikation entstandene Irrtümer
und Missverständisse durch Metakommunikation über diese Kommunikation aus der Welt zu schaffen.
3.4. Zur Diagnose sprachlicher Kommunikationsstörungen
Im Folgenden sollen die Sprachlichen Gründe für das Zustandekommen von Missverständnissen dargelegt
werden.
Nach Göppner ist die Existenz gleicher Kodesysteme zwischen Kommunikator und Rezipient, welche sich eines
sprachlichen Kodes bedienen, Voraussetzung für eine störungsfrei ablaufende Kommunikation. Ist diese
Voraussetzung nicht gegeben, so liegt ein Nichtverstehen vor, in dem Sinne, wie wir es schon weiter oben
fokussiert haben.
Als Missverstehen werden jene Fälle bezeichnet, bei denen trotz gleicher Kodesysteme bei Kommunikator und
Rezipient unterschiedliche Bedeutungen zugewiesen werden oder in denen Diskrepanzen bezüglich des
pragmatischen Verwendungssinn auftreten.
3.4.1. Zum Missverstehen sprachlicher Symbole
Betrachten wir zuerst die gegenständliche Ebene:
Wieso ordnen zwei der gleichen Sprachgemeinschaft angehörige Kommunikationspartner den gleichen
sprachlichen Symbolen unterschiedliche Bedeutung zu?
2
Prozess der Bedeutungszuordnung
1. Im Gespräch werden jedem Interaktionspartner subjektiv klassifizierte Umwelterfahrungen im Bewusstsein
aktualisiert, die durch Begriffe versprachlicht werden (=Symbole). Diese Erfahrungen sind bis zu einem
bestimmten Grad mit dem Symbolgehalt des Gegenübers identisch. Man spricht von sog. Signifikanten
Symbolen. Sprachliche Verständigung kann also nur dann zustande kommen, wenn im Bewusstsein beider
Kommunikationspartner die gleichen Begrifflichkeiten wachgerufen werden.
2. Die Sprache eines Menschen wird aus unterschiedlichen Umwelten einer Gesellschaft geprägt. Einerseits
bildet die nähere Umwelt das Insgesamt der eigene Erfahrungen einer Person. Daraus wir also die spezifische
Persönlichkeitsstruktur entwickelt, die die Wahrnehmung der Wirklichkeit bestimmt. Erfahrungen in der gleichen
Situation, können daher individuell sein. Andererseits bildet die weitere Umwelt, den Einfluss der jeweiligen
Gesellschaft oder soziokulturellen Gruppe. Diese stellt uns die sprachlichen Symbole bereit, mit der wir unsere
Erfahrungen kommunizieren, was eine gewisse Entpersönlichung darstellt (Sprache ist immer
Verallgemeinerung).Nach Luckmann „typisierte Erfahrung“.
3. Infolge der Wechselbeziehung zwischen Sprache und Umwelt werden Missverständnisse aufgrund der
Verwendung unterschiedlicher Codes (elaboriet versus restringiert) verständlich. Aber trotz der Verwendung
gleicher Codes und gleicher Sprache können Differenzen im persönlichen Erfahrungsbereich (Wertesystem,
Lebensstil, Weltanschauung, Lebensalter, Gruppenzugehörigkeit) verantwortlich sein, dass die jeweiligen
Wortrepräsentanten unterschiedlich erlebt werden. z. B. Die Worte Pflichterfüllung, Ordnung und Moral haben für
deinen Großpapi wahrscheinlich andere Bedeutung als für dich.
Für eine Veranschaulichung des Gesagten vgl. Graphik S.114 und Text S.115f.
Missverständnisse auf gegenständlicher Ebene: Hierzu muss man den Grund herausfinden, weshalb
Kommunikationspartner derselben Sprachgemeinschaft sprachlichen Symbolen unterschiedliche Bedeutungen
zuordnen. Dabei steht der Moment der Bedeutungszuordnung in einer Kommunikation im Mittelpunkt. Dieser
Moment stellt den Zeitpunkt dar, an dem die subjektiv klassifizierten Umwelterfahrungen - d. h. die aufgrund
persönlicher Erfahrung gemachten Begriffe - im Bewusstsein aktualisiert werden. Die Begrifflichkeiten müssen
also in einer Sprachgemeinschaft bis zu einem gewissen Grad identisch sein, damit "man vom gleichen spricht".
Deshalb kommt Verständigung auch nur zustande, wenn mit den aktualisierten Begriffen ähnliche/gleiche
Erfahrungen verknüpft sind. Nach G.H. Mead ist ein solches auf gleicher Begrifflichkeit basierendes Zeichen ein
signifikantes Symbol. Sprache als ein "soziales Erbe", welches eben mit der Gesellschaft in Wechselwirkung
steht stützt die Existenz solcher signifikanten Symbole. Signifikante Symbole nimmt ein Kind auf, indem es die
Sprache, das Verhalten, die Gebräuchlichkeiten seiner Gesellschaft kennenlernt.
Als ein engerer gesellschaftlicher Kreis bildet sich hier die nähere Umwelt heraus, der Teil des Umfelds, auf den
das Individuum in seinem Denken und Handeln unmittelbar Einfluss haben kann.
All diese Sozialisationsprozesse, welche ihren Auslöser in der Wahrnehmung haben, haben ihrerseits wiederum
großen Einfluss auf die Wahrnehmungsqualität, so dass es quasi unmöglich (da unnötig) ist, dass zwei
Kommunikationspartner aufgrund ihrer Erfahrungswerte von gleichen Begrifflichkeiten ausgehen.
Unter einem soziokulturellen Aspekt ist aber auch nicht die weitere Umwelt zu vernachlässigen. Sie ist
schließlich Träger des sozialen Erbes und kein weniger relevanter Einflussfaktor auf unsere Erfahrungswerte -
wenn auch auf weitgehend indirekter Weise. So entsteht durch Gebrauch der Sprache eine weitgehend
allgemeine, nicht mehr subjektive Erfahrungsweise.
Berger und Luckmann sprechen dabei von einer typisierten Erfahrung, einem kleinsten gemeinsamen Nenner
innerhalb einer Sprachgemeinschaft (im strengen Sinne natürlich altersabhängig). Und niemand kann dem
Gebrauch solcher typisierter Erfahrungen entgehen. Vielmehr werden beim Mitteilen von Bedeutungsinhalten
subjektiver (also untypisierte) Natur typisierte Symbole kombiniert. So ist es relativ schwer, diese Symbole
und Symbolkombinationen zu dekodieren, besonders wenn der Rezipient nur über einen restringierten,
undifferenzierten Code verfügt und die ihm zugeführten Bedeutungsinhalte elaboriert codiert sind.
Ganz speziell sind die Probleme, wenn zwar sowohl eine Gleichheit in Bezug auf das Codesystem als auch eine
Ähnlichkeit im Hinblick auf die Sprachvarianten vorherrscht, aber dennoch unterschiedliche Bedeutungen mit
einem Symbol verbunden sind. So bestehen dort Differenzen im persönlichen Erfahrungsbereich der beiden
Kommunikationspartner - man redete aneinander vorbei - der Erfahrungsschatz, auf den sich die
2
Symbolzuordnung zu Bedeutungen gründet, wird beeinflusst durch soziokulturelle Faktoren wie
Lebensstil, Weltanschauung, gesellschaftliche Wertsysteme.
So werden beispielsweise zu drei Stichzeitpunkten vor dem 1. Weltkrieg, während des 2. Weltkriegs und der Zeit
nach dem Krieg mit Ordnung, Pflichtbewusstsein, Moral jeweils andere Bedeutungsinhalte angesprochen. So
wurden die Begriffe im NS-Deutschland ganz bestimmt zweckentfremdet, weswegen sie auch als Symbole für die
Kriegsgeschädigten in ein Vokabular der Unmenschlichkeit einzustufen sind.
Zusammenfassend lässt sich nun folgendes aussagen: Jeder Mensch lebt zunächst in seiner näheren Umwelt, d.
h. er aktualisiert Bedeutungsinhalte aufgrund subjektiver Erfahrungen. Nur bedient er sich dazu eines
Symbolvorrats der typisiert, d. h. der Sprachgemeinschaft als ganzes zugänglich ist.
Schließlich werden diese Symbole mit den aus den Erfahrungsschätzen produzierten Bedeutungsinhalten
beladen. Sprache ermöglicht es also, andere Leute an den eigenen subjektiven Erfahrungen teilhaben zu lassen.
Das Problem: Da wie schon erwähnt, eben subjektive Bedeutungsinhalte geteilt werden, aber bei Verständigung
signifikante Symbole von nöten sind (d. h. gleiche oder ähnliche Begrifflichkeiten zwischen Rezipient und
Kommunikator). kann der Anspruch von einer 100% korrekten Verständigung nicht erfüllt werden. Auf inhaltlicher
Ebene gibt es auf jeden Fall ein Missverständnis - ein großes oder ein unscheinbares.
3.4.2. Zum Missverstehen sprachlicher Handlungen
Im Folgenden werden nun Missverständnisse der intersubjektiven Ebene aufgezeigt. Es gilt hier zu klären, welche
Faktoren die Bedeutung einer sprachlichen Handlung bestimmen.
Sprachliche Handlungen dürfen niemals isoliert betrachtet werden. Sie sind immer in konkrete soziale Prozesse
integriert und daher niemals kontextunabhängig. Dieser Kontext in den eine sprachliche Handlung eingebettet ist,
besitzt eine individuelle und eine gesellschaftliche Perspektive.
Individuelle Perspektive: hier ist die Art des Verhältnisses der beiden Kommunikationspartner entscheidend.
Der Beziehungsaspekt (Watzlawick) beeinflusst das gegenseitige Bild, den Inhalt und somit die möglichen
Sprechakte
Gesellschaftliche Perspektive: der Sprechakt-Kontext definiert sich durch die wechselseitigen Erwartungen und
dem jeweiligen Wert- und Normgefüge. Durch die wahrgenommene soziale Position des Gegenübers wird
wechselseitig die Kommunikationssituation definiert. Im Laufe unserer Sozialisierung haben wir gelernt,
bestimmte Kommuniaktionssituationen zu unterscheiden, was unsere Sprechakte und deren Interpretation
beeinflusst.
Siehe Graphik S.119 Abb.14: Die Kommunikationssituation
Nur wenn diese Kommunikationssituation von beiden Kommunikationspartnern in gleicher Weise definiert wird,
kann Verständigung über den pragmatischen Verwendungssinn der gemachten Aussage zustande kommen.
Bei Missverständnissen auf intersubjektiver Ebene liegt eine Diskrepanz der beiden Kommunikationspartner vor,
die den pragmatischen Verwendungssinn unterschiedlich interpretieren. Es gilt also festzulegen, nach welchen
Faktoren sich ein Sprechakt aufbaut Damit der pragmatische Verwendungssinn einer Aussage richtig verstanden
wird, muss die Aussage im Kontext der Umwelt geäußert werden, in der die kommunikative Handlung stattfindet.
So sind sprachliche Handlungen auch erst aus dem Kontext heraus verstehbar. Hier unterscheidet man zwei
verschiedene Perspektiven:
Individuelle Perspektive: Sie betrachtet die Pragmatik dermaßen, dass das persönliche Verhältnis der beiden
Kommunikationspartner im Mittelpunkt steht. So ist hier nicht nur der Inhalt kommunikativer Interaktion sondern
auch die Palette möglicher Sprechakte gegeben. Diese wird eingeschränkt durch die soziale Position der
Kommunizierenden. Die soziale Position setzt auch die Qualität der Kommunikation, die Art, wie man mit dem
Gegenüber kommunizieren muss und die Erwartungen, welche man vom Gegenüber hat, fest.
Gesellschaftliche Perspektive: Mit den Erwartungen ist aber auch schon die gesellschaftliche Perspektive
angesprochen. So stehen hier wechselseitige Erwartungen und die sie bildenden Norm- und Wertgefüge im
Mittelpunkt.
Auch die in einer Sozietät bestehenden Handlungsmaximen (Werte) und Verhaltensregeln (Normen) gelten
als elementares Rüstzeug eines jeden, welches auch via Sprache weitergegeben wird. So stützen sich auch
unsere pragmatischen Kommunikationserwartungen auf dieses Rüstzeug.
2
Auch wird nicht einfach nur die Bedeutung von Worten gelernt, sondern auch der Umgang mit denselben. Und
dieser Umgang bezieht sich auch auf den Kommunikationspartner. Treten nun zwei Personen kommunikativ in
Verbindung, so beeinflusst dieses normativ vorgeprägte Verhältnis die Wahl und Interpretation der Sprechakte.
Person A setzt einen Sprechakt, Person B interpretiert ihn - dann kehrt sich die Situation um. Dieser
wechselseitige Prozess verursacht bei A ein Bild von B und bei B ein Bild von A. Durch diese Projektionen
werden die sozialen Positionen wahrgenommen. Insgesamt wird also die ganze Kommunikationssituation in
seiner Pragmatik definiert. Schließlich werden die vom soziogenen Wert- und Normgefüge geprägten
Erwartungen aktiviert. Man kennt die Art, auf welche die Kommunikation ablaufen wird z. T. schon im Voraus.
BEISPIEL: So werden sich Lehrer (A) und Schüler (B) durch die Definition der Kommunikationssituation - z. B.
Nachhilfeunterricht - darüber klar, worin die Pragmatik der ganzen Kommunikation liegen wird; und dies dank
ihrer Kenntnisse über die Norm- und Wertgefüge ihrer Gesellschaft. Schon wenn gerade die
Kommunikationssituation nicht richtig interpretiert wird, kann sich schnell ein Missverstehen bilden. Auch sehr
wichtig ist, dass der Schüler den Lehrer in seiner sozialen Position erkennt und umgekehrt.
Die Definition der Kommunikationssituation setzt also zweierlei Dinge voraus: Zum einen die Realisation der
jeweiligen sozialen Position und der Bezug zum Norm- und Wertgefüge.
Verständnis über den pragmatischen Verwendungssinn setzt wiederum eine gleiche Definition und
Interpretation der Kommunikationssituation voraus. Missverstehen tritt also dann auf, wenn die
Kommunikationssituation unterschiedlich gedeutet wird.
3.4.3. Sprachliche Kommunikation: Ein Modell ihrer Implikationen und deren Konsequenzen
Das Model S.122 hat den Anspruch die Sprachbarrieren auf beiden Ebenen (gegenständlich und intersubjektiv)
zu erfassen. Zugleich sollen Möglichkeiten zu Reduktion von Missverständnissen ablesbar sein.
Ausgegangen wird von einer Gesprächsituation zwischen „Alter“ und „Ego“. Es wird der gesellschaftliche Einfluss,
ihre persönliche Erfahrung und ihr von der Umwelt geprägtes Verhalten in die Kommunikationssituation
eingebracht. Die linke Hälfte der Graphik gilt als gegenständliche Ebene (Verständigung über den Sachverhalt).
Rechts ist die intersubjektive Ebene zu erkennen (Kommunikationssituation wird definiert).
Fazit:
Verständigung als das Ergebnis einer erfolgreich ablaufenden kommunikativen Interaktion glückt nur in
dem Maße, in welchem beide Kommunikationspartner über geteilte Erfahrungen und damit über eine
gemeinsame Sprache sowie ein übereinstimmendes Wert- und Normgefüge und damit über einander
entsprechende Verhaltenserwartungen verfügen.
Ego und Alter treten durch sprachlich vermittelte Aussage als Kommunikator und Rezipient (wechselnd) in eine
kommunikative Beziehung - sowohl auf inhaltlicher als auch auf intersubjektiver Ebene.
Inhaltliches Ziel ist die Verständigung über den Sachverhalt, über das Objekt, wichtigste Voraussetzung dafür
ist ein auf Erfahrungsschatz begründeter, signifikanter Symbolvorrat. Als inhaltliche Folge kommunikativen
Handelns erfolgt eine Aktualisierung der Symbolbedeutungen und somit der Erfahrungen (quasi rückkoppelnd
auf den Verursacher) Intersubjektives Ziel ist die Verständigung über den pragmatischen Verwendungssinn,
die wichtigste Voraussetzung dafür ist eine übereinstimmende Situationsdefinition., welche ihrerseits abhängt
von einem Maß an gleiche Werten und Normen und einem Maß an gegenseitigen Erwartungen im Hinblick auf
die soziale Position. Als intersubjektive Folge kommunikativen Handelns erfolgt eine Aktualisierung der
Erwartungen an das gegenseitige Verhalten.
Fazit: Verständigung als das Ergebnis einer erfolgreich ablaufenden kommunikativen Interaktion glückt
nur in jenem Maße, in welchem beide Kommunikationspartner über geteilte Erfahrungen und damit über
eine gemeinsame Sprache sowie ein übereinstimmendes Wert- und Normgefüge und damit über einander
entsprechende Verhaltenserwartungen verfügen.
2
Reduktion von Missverstehen lässt sich somit mit dem Begriff der "Verständnisoptimierung" gleichsetzten und ist
durch die vier folgenden Maßnahmen zu erreichen:
- MindestMaß an Wissen um die individuellen Erfahrungen des alter
- Sensibiliät für den Symbolvorrat des alter
- Kenntnis des Wert- und Normgefüges des alter
- Kenntnis der Verhaltenserwartungen des alter
3.4.4. Das Nachrichtenquadrat
Schultz von Thun verknüpft zwei theoretische Traditionen in seinem Modell. Bühlers Organon-Modell, indem die
Darstellungs- und Symbolfunktion, die Ausdrucks und Appellfunktion betont wird, und dem Beziehungsaspekt
menschlicher Kommunikation, vom Watzlawick und Co. Die Konsequenz daraus bildet das Nachrichtenquadrat.
Eine Nachricht enthält vier Seiten bzw. vier Botschaften:
1. den Sachinhalt: Gegenständliche Ebene
2. den Beziehungsaspekt: Tonfall und Art der Formulierung sagen aus was man vom Gegenüber hält
3. Selbstoffenbarung: Jede Mitteilung ist eine „Kostprobe der eigenen Persönlichkeit“
4. Appell: Jede Mitteilung hat beim Empfänger eine Appelfunktion, d. h. mit der Mitteilung will etwas bewirkt
werden. Der Sender will Denken oder Handeln beeinflussen.
Das Bild vom Quadrat zeigt also dreierlei:
a. Eine Nachricht ist in ihrer Klarheit vierdimensional
b. In ein und derselben Nachricht sind viel Botschaften gleichzeitig
c. Alle 4 Aspekte sind gleichrangig (4 gleichlange Seiten)
Das Vierohren Modell (Schultz von Thun 1994, S45) verdeutlicht das Nachrichtenquadrat auf der Empfängerseite.
Durchdenke folgende Situation als Beispiel: Hans sitzt neben Martina im Auto. Sie lenkt das Auto. Wartend vor
einer Ampel sagt Hans: „ Es ist grün!“
3.5. Exkurs: Wissenschaftssprache
Missverständnisse zwischen Kommunikationspartner treffen wir auch in den Wissenschaftssprachen an.
Verschieden Wissenschaften haben eine unterschiedliche Terminologie.
Durch die eindeutigen Termini, die mittels Definition eindeutig festgelegt werden, versucht man jene
Sprachbarrieren der gegenständlichen Ebene zu vermeiden. Die Termini können aus der eigenen oder einer
Fremdsprache stammen, können der Alltagssprache entnommen oder künstlich geschaffen sein. Die
Verwendung eines Begriffes kann also in den verschiedenen Wissenschaften unterschiedlich sein (vgl. „Arbeit“ in
der Physik oder der „Soziologie“). Ziel einer Definition ist einerseits die klare Begriffsverwendung sowie Aussagen
zu kürzen. Üblicherweise beansprucht das Definiendum (Symbol) eine geringere Zeichenanzahl als Definiens
(Vorstellungsinhalt).
Bei der Frage nach der Gültigkeit einer Definition unterscheidet man:
Realdefinition: Die Definition ist dann gültig wenn das „Wesen“, die „Natur“ des Definiens vollständig erfasst
wird. Dies ist entweder wahr oder falsch, d. h. Realdefinitionen haben einen Wahrheitswert.
Nominaldefinitionen: Haben keinen Vollständigkeitsanspruch, sonder sind lediglich zweckmäßige Konventionen
(Festsetzung über die Verwendung Sie haben keinen Wahrheitswert, können aber zweck- oder unzweckmäßig
sein.
<!-- Alle in diesem Buch versuchten Begriffbestimmungen sind Nominaldefinitonen -->
Vor allem in verschiedensten Wissenschaftssprachen wird dem Missverständnis durch spezielle Methoden
vorgebeugt. Eine Wissenschaftssprache verfügt deshalb im Gegensatz zur Alltagssprache über eine
Terminologie, über ein Set von Symbolen (=Termini), deren Bedeutung feststeht. Durch Festsetzungsdefinitionen
innerhalb einer Wissenschaft - gilt als allgemeingültig innerhalb der Profession - wird einer missbräuchlichen
Verwendung eines Begriffes vorgebeugt.
So besitzt der Begriff "Arbeit" in der Physik eine andere Bedeutung als in der Soziologie. Genauso, wie der Begriff
"Medium" in der Chemie anders definiert wird als in der Kommunikationswissenschaft. So gilt die Definition als
2
das Werkzeug zur Entscheidung, dass ein bestimmtes sprachliches Zeichen nur noch in einer bestimmten Weise
verwendet werden darf.
Man unterscheidet hierbei zwischen der Realdefinition, welche darauf aus ist, das Wesen, die Natur einer
Sache, eines Tatbestandes voll zu erfassen - und zwar in ihrer Ganzheit, währenddem die Nominaldefinition
lediglich festsetzt, wie ein sprachlicher Begriff verwendet wird. Die Richtigkeit von Realdefinitionen ist ganz klar
feststellbar - die Nominaldefinition kann lediglich für zweck- bzw. unzweckmäßig befunden werden.
Realdefinitionen haben ihre Gültigkeit also über die einzelnen Wissenschaften hinaus, währenddem
Nominaldefinitionen wissenschaftsspezifisch sind.
Kapitel 4: Kommunikation und menschliche Existenz
Die Fähigkeit zur Kommunikation ist sowohl aus phylogenetischer (=evolutionäre Entwicklung bis zur heutigen
Gattung Mensch) als auch als ontogenetischer (=individuelle Entwicklung jedes Menschen innerhalb seinen
Lebens) Sicht ein fundamentaler Bestandteil des Mensch-Seins.
Hierbei ist vor allem von der symbolisch vermittelten Interaktion die Rede, insbesondere der Sprache, welche den
Menschen ja auch durch die Fähigkeit zur Metakommunikation von der restlichen Tierwelt abhebt.
Ausgangslage: Kommunikation als menscheigene conditio sine qua non, sowohl im phylogenetischen Sinne (in
der Menschwerdung vom Tier), als auch im ontogenetischen Sinne (Reifungsprozess der individuellen
Persönlichkeit -> Sozialisation). Zweiteres richtet sich nach der Frage, wie Kommunikation den Prozess der
Persönlichkeitsgenese begünstigt. So steht hier vor allem die humanspezifische Kommunikationsfähigkeit im
Mittelpunkt.
4.1. KOMMUNIKATION ALS ANTHROPOLOGISCHE GRUNDKONSTANTE
Phylogenetische Betrachtung der Kommunikation
Evolution wird hier als ein langsam fortschreitender Entwicklungsprozess begriffen, dessen Ziel die optimale
Anpassung eines Lebewesen (resp. seiner Population) an die gegebenen Umweltbedingungen.
Die ersten Hominiden bevölkerten, im Gegensatz zu den Affen, von denen sie sich in der Entwicklung
abgespalten hatten, die großen Ebenen und ernährten sich nun von tierischer Nahrung. Dieser Wandel zum
Jäger und die damit nötigen Jagdstrategien regte die geistige Aktivität und die Vergrößerung des Gehirns an, was
ihnen auch gestattete, echte Werkzeuglichkeit auszubilden. Die Fähigkeit, Werkzeuge zu fertigen, anzuwenden
und mit diesen auch wieder neue Werkzeuge herzustellen setzt schon ein großes Maß an Abstraktionsfähigkeit
voraus. Unter anderem auch das Bedürfnis zur Tradition der Herstellungs- und Funktionsweise dieser Werkzeuge
trug wahrscheinlich zur Entwicklung von Sprache bei. Mit dem Auftauchen der Sprache kam in der Entwicklung
des Menschen eine weitere Dimension hinzu: zu der genetischen Konstitution des Menschen, welche bisher
alleine dessen Bedürfnisse gegenüber der Umwelt definierte, kam von nun an die
kulturelle Evolution. Sprache, zuerst noch Resultat der biologischen Evolution, wurde zur Voraussetzung der
kulturellen Evolution und damit Voraussetzung zum Mensch-Sein.
Mit der Entwicklung einer Sprache wurde auch die Organisation sozialer Netze ermöglicht: Auf der Jagd konnten
sich die Männer differenziert verständigen und (im Gegensatz zur kooperativen Jagd im Tierreich) auch den
Status der Mitglieder je nachdem flexibel anpassen. Es entstanden erste soziale Normen.
Der Mensch unterscheidet sich vom Tier dahingehend, dass er keine festgelegte artspezifische Umwelt hat. Eine
solche fehlende Spezialisierung ist eigentlich ein Mangel, und der Mensch als eigentliches „Mängelwesen“ kann
nur dann überleben, wenn er diese Schwächen durch Schaffung von Kultur, Veränderung seiner Umwelt und
soziales Handeln kompensiert. Der Mensch schafft sich seine Natur selbst und macht sich selbst zu dem, was er
ist.
Ontogenetische Betrachtung der Kommunikation und Sozialisation
Im zoologischen Vergleich zu den restlichen Wirbeltieren kommt der Mensch ein Jahr zu früh und äusserst
unfertig auf die Welt. Deshalb wird das erste Lebensjahr eines Menschen von manchen auch als „extrauterines
Frühjahr“ bezeichnet. Nicht fähig zu Kommunikation oder Fortbewegung, ohne nennenswerte genetische
2
Verhaltensdeterminanten und völlig von seiner Aussenwelt abhängig, (insbesondere von seinen Eltern) ist der
Säugling auf andere Menschen angewiesen um jene Fähigkeiten und Verhaltensmuster zu lernen, welche ihn
menschlich machen. Dadurch, dass ein Säugling für sein Überleben unbedingt die Zuwendung seiner
Mitmenschen braucht, wird der Beginn der Sozialisation sichergestellt. Außerdem entwickelt sich die Soziabilität
(=Abhängigkeit von und Ausgerichtetsein auf andere Menschen und die Fähigkeit, sich sozialen Gegebenheiten
anzupassen), welche für das Leben in einer Gesellschaft unerlässlich ist.
Der biologischen Geburt folgt eine zweite, soziokulturelle Geburt:
Die Sozialisierung (=Persönlichkeitsentwicklung im Hinblick auf das menschliche Umfeld) umschreibt einen
Lernprozess, der mit der biologischen Geburt beginnt, zeitlebens andauert und erst durch den Tod abgebrochen
wird.
Ramstedt: Evolution = allmählich fortschreitende Veränderungen in Struktur und Verhalten der Lebewesen, so
dass die Nachfahren andersartig als die Vorfahren werden.
Wir kennen parallel dazu die Evolutionstheorie von Charles Darwin. Deshalb steht für uns die Frage im
Mittelpunkt: Inwiefern hat sich humanspezifische Kommunikation im Rahmen der Evolution als Vorteil
herausgestellt und welche Selektionsfaktoren waren an ihrer Bildung beteiligt? Klar ist, dass die Evolution
nur den Menschen mit Fähigkeiten wie begrifflichem Denken, verbaler Kommunikation und sprachlicher
Wissensakkumulation ausgestattet hat.
Vor 20 Mio. Jahren: Die Hominiden (Menschenartigen) treten auf. Wälder verlassen, bevölkerten sie nun die
offene Landschaft. Nahrungswechsel (nun auch tierische Nahrung); Bipede Fortbewegung; Jagdtechniken;
gesteigerte geistige Aktivität; Entwicklung von Werkzeuglichkeit (an Abstraktionsfähigkeit gebunden);
Notwendigkeit zur Tradition (Weitergabe) des technologischen Wissens; dazu wird Kommunikation, Sprache
nötig; Sprache entsteht...
Sobald die Sprache nun also entsteht (quasi als evolutionäre Konsequenz), entwickelt sie nun eine gewisse
Eigendynamik und wird zur Voraussetzung für weiteres... sie wird zum Zündkolben für das, was allgemein als
kulturelle oder gesellschaftliche Evolution verstanden wird, als Triebfeder für die Kultivierung des Menschens,
für seine Optimierung nicht mehr nur im biologischen Sinne, sondern auch im geistigen Sinne. So tritt an die
Stelle des Gens das Symbol. Sprache gilt hierbei als evolutionäres Universalium.
Als wichtigster Auslöser für die Entwicklung der Sprache und der Werkzeuglichkeit werden die ersten Formen
der Arbeit betrachtet. So gilt die kooperative Jagd als eine spezifische Art gesellschaftlicher Produktion, für die
Sprache und Werkzeuglichkeit von nöten waren. Schließlich mussten die Jäger - um einen Mammut mit
bestmöglicher Strategie zu fangen – untereinander interpersonal kommunizieren können. Unterließen sie es ,
untereinander zu kommunizieren, so ergaben sich als logische Folge evolutionsspezifische Nachteile für die
Jagdgruppe.
Ein weiteres Merkmal aus dieser frühen Menschheitsgeschichte ist die Bildung mehrerer sozialen
Schichtungen. Währenddem Tiere eindimensionale Hierarchisierungsprinzipien haben (Leittier,...), beginnen
sich in der menschlichen Gesellschaft mehrere Dimensionen der Hierarchisierung zu bilden (Frauen/Männer -
Jagdleiter/... - Häuptling/...). Soziale Normen entstehen.
Nach Habermas müssen sich drei Bedingungen - welche ihrerseits Sprache voraussetzen - erfüllen, bevor soziale
Normen entstehen können. Erstens müssen die Interaktionspartner die Teilnehmerrolle durch die
Beobachterrolle tauschen können. Zweitens müssen sie über einen Zeithorizont verfügen.
Drittens müssen sie die Notwendigkeit von Sanktionsmechanismen (auf Grundlage von Norminterpretation)
akzeptieren.
Habermas nimmt an, dass Arbeit und Sprache älter sind als Mensch und Gesellschaft. Er sieht deshalb als
Grundvoraussetzung für die Entstehung von Gesellschaft die Sprache. So wird also die symbolisch vermittelte
Interaktion auch im phylogenetischen (anthropogenen) Sinne äusserst wichtig.
Sprache brachte also die Möglichkeit mit sich, soziale Normen, Kultur, Denk- und Handelsweisen entstehen zu
lassen und zu erhalten (d. h. tradieren). So ist nach HaberMaß der Weg vom Tier zum Menschen sowohl durch
biologische, wie auch kulturelle Entwicklungsmechanismen bestimmt.
Menschwerdung gilt also nicht als Ursache sondern als Folge kultureller Leistungen, als Konsequenz
jahrmillionenlanger Bewusstseinsleistungen.
2
Hier stellt sich die Frage, weshalb sich beim Menschen Sprache herausgebildet hat und beim Tier nicht. Im
Gegensatz zum Tier ist der Mensch nicht zwangsläufig an eine ökologische Nische gebunden, an ein ihm von der
Natur zugewiesenes Terrain, an das er sich instinkitv hält. Der Mensch ist als erster Freigelassener der Natur ein
Mängelwesen, der in Bezug auf körperliche Leistungsmerkmale ziemlich undifferenziert in der Welt steht. Als
Antwort auf diese Mängel bildeten sich beim Menschen andere Qualitäten: Sprache, begriffliches Denken,
Erfahrungstradition, Kulturbildung. Der Mensch verändert arbeitend seine Umwelt - er handelt sozial. Der
Mensch kultiviert seine Umwelt und schafft sich so seine zweite Natur - die Kultur. Der Mensch wird erst zu dem
sich selbst behauptenden Wesen erst, wenn es eigene Bemühungen dazu in Gang setzt und seine
Undifferenziertheit durch Kultur kompensiert.
Nun kommen wir zur ontogenetischen Perspektive der Menschwerdung. Der Zoologe Portmann erkannte, dass
der Mensch aufgrund seines geringen Zerebralisationsgrades bei der Geburt zu diesem Zeitpunkt noch eng
physisch und emotional von den Eltern abhängig ist. Er bezeichnet den Menschenfall deshalb als
physiologische Frühgeburt (im zoologischen Sinne) und sieht das erste menschliche Lebensjahr als
extrauterines Frühjahr. Der Mensch wird als Lernwesen geboren, welches weitgehend ohne angeborene
Verhaltensweisen oder Instinkte verfügt. Menschliche Verhaltensweisen werden weitgehend im Laufe
ontogenetischer Entwicklung erworben. Aufgrund seiner Pflegebedürftigkeit, ist der Mensch im extrauterinen
Frühjahr (und später natürlich auch) darauf angewiesen, mit anderen Menschen in Kontakt zu treten.
In dieser Phase bildet sich auch die Soziabilität, die Anlage zur Geselligkeit, die Möglichkeit, Fähigkeit und
Notwendigkeit des Angewiesenseins auf andere, die Formbarkeit durch soziale Einflüsse, der Fähigkeit zur
Anpassungen an andere soziale Gegebenheiten. Die Soziabilität ist also Grundlage der menschlichen
Erhaltung und Entfaltung und Grundvoraussetzung für die Sozialisation eines Menschen.
4.2. SOZIALISATION UND KOMMUNIKATION
Sozialisation = Prozess der ontologischen Menschwerdung; Prozess der Individualisierung und
Vergesellschaftung zugleich. So entwickelt sich nach modernen soziologischen Konzepten das Individuum
auch nicht gesellschaftfrei. Sozialisation als Persönlichkeitsgenese in Abhängigkeit der Umwelt. Individuelles und
soziales Lernen (also eigentlich Sozialisation) halten ein Leben lang an. Der Mensch als Produkt von zu
reifenden Anlagen und Umwelteinflüssen. Der Mensch wird nicht nur duch die biologische Geburt zum
Menschen, es bedarf auch einer soziokulturellen Geburt.
4.2.1. SOZIALISATIONSTHEORETISCHE POSITIONEN
Geulens fünf Dimensionen
Anthropologisch-funktionalistisches Modell: Betrachtet unter dem Aspekt der Erfüllung vitaler Bedürfnisse
des Menschen. Soziale Ader als Ergänzung zum lebenserhaltenden, biologischen Rüstzeug. Natur des
Mängelwesens "Mensch". Sozialisation als Notwendigkeit zur biologischen Lebenserhaltung. Soziabilität als
Kompensation für fehlende körperliche Anlagen, sich in der Natur zu behaupten.
Wissensmodell: Mensch handelt auf der Grundlage von Bedeutungen der Dinge, die generalisiert als "Wissen"
betrachtet werden können. Der Mensch ist imstande, dieses Wissen sprachlich zu vermitteln. Sozialisation als
Prozess, Wissen von der gesellschaftlichen Wirklichkeit über Sprache (und deren Symbole) aufzunehmen.
Integrationsmodell: Mensch als Rollenbündel, als Sammelsurium vieler gesellschaftlicher Erwartungen, als
Fleischwerdung gesellschaftlicher Einflüsse, Mensch wird in die Gesellschaft integriert.
Repressionsmodell: Entpersönlichung der Menschen - Individualität und Freiheit gehen in der Allgemeinheit
sozialer Rollen verloren. [1. Variante] - Ein unterdrücktes Ich liegt dieser Entpersönlichung zugrunde. [2. Variante]
- Die zu verdrängende Variable ist das Ensemble menschlicher Triebe. Sozialisation als Verinnerichung
gesellschaftlicher Instanzen, welche dem eigentlichen Ich im kognitiv-psychologischen oder im trieblich-
biologischen Sinne entgegenstehen.
Individuationsmodell: Gesellschaft als Voraussetzung für die Menschwerdung des Menschen. Sozialisation
fördert die Individualitäts- und Selbst-Bewusstseinsbildung (nach Mead die Bildung des "self").. Nur durch
Interaktion wird der Mensch zu einem selbstbewussten Individuum. Gesellschaft (auch im Sinne des Autors) nicht
als notwendiges Übel sondern als elementare Grundvoraussetzung für ontogenetische Menschwerdung.
Menschliche Subjektivität ist ohne soziale Umwelt faktisch nicht möglich.
2
Anthropologisch-funktionalistisches Modell
Konzeptionen dieser Gruppe sehen Sozialisation als eine notwendige Ergänzung der unzureichenden
biologischen Fähigkeiten des Menschen an. Die Sozialisation sichert das Überleben und kompensiert die
Schwächen des „Mängelwesens“ Mensch. (Vertreter: Gehlen, Durkheim, Malinowski)
Wissensmodell
Das gesellschaftliche Miteinander wird in diesem Modell als Voraussetzung für die menschliche, intentionierte
Handlungsorientierung gesehen. Im Rahmen der Sozialisation wird Wissen (vor allem sprachlich) über die
gesellschaftliche Wirklichkeit bzw. die Welt vermittelt, welche das Verhalten entsprechend prägen.
(Vertreter: Schütz, Berger/Luckmann, Mead)
Integrationsmodell
Bei diesen Modellen ist das Hauptaugenmerk auf eine Persönlichkeitsentwicklung gerichtet, welche das
Individuum zu einem Abbild seines Umfelds macht und es so in die Gesellschaft integriert. Das Individuum ist ein
Persönlichkeitssystem, welches durch die Verinnerlichung der äusseren Normen im übergeordneten System
völlig aufgeht. (Vertreter: Parson, Geissler)
Repressionsmodell
Diese Sichtweise geht davon aus, dass Sozialisation Teil eines Prozesses der Verinnerlichung gesellschaftlicher
Instanzen ist, welche teilweise der „ursprünglichen“ Individualität des Menschen widersprechen. In der ersten
Unterart dieser Konzeptionen wird hierbei das ursprünglich autonome Ich unterdrückt, beim zweiten Typ
bestimmte organisch fundierten Triebe. (Vertreter: Darendorf, FREUD)
Individuationsmodell
In diesem Modell wird die Sozialisation als der Prozess der gesellschaftlichen Vermittlung von Individualität
betrachtet, in Zuge dessen sich Selbst-Bewusstsein und Identität erst bilden können. Sozialisation ist also eine
Voraussetzung zur Individualisation.
4.2.2. EXKURS: DIE "SOZIALE ROLLE"
Soziale Rolle = Summe von Verhaltenserwartungen, die dem Inhaber einer sozialen Position von anderen
Menschen entgegengebracht werden.
Hier ist der Begriff "Position" als Ort im differentierten sozialen Gefüge zu begreifen, an dem sich ein Mensch
befindet und diesen als Funktionsträger innerhalb der Gesellschaft qualifiziert. Rollen beziehen sich also immer
auf Positionen und nicht auf die dahinterstehenden Menschen. So besitzt jeder Mensch mehrere Rollen, in die er
täglich, je nach sozialem Environment schlüpft um die spezifischen Erwartungen desselben zu erfüllen.
Erwartungen im Rahmen sozialer Interaktion stehen also im Mittelpunkt der Betrachtung des Begriffes der
sozialen Rolle. Soziale Rolle als stetig wiederkehrende Verhaltens"forderung".
Ob diese Verhaltenserwartungen erfüllt werden können, hängt ganz davon ab, ob im Rahmen des
Sozialisationsprozesses der entsprechenden Person ein intensives Kennenlernen von Verhaltensmustern in
Bezug auf eine soziale Rolle stattgefunden hat. Man spricht dabei – und allgemein beim Verinnerlichen von
Verhaltensmustern - von Internalisierung. Man ist sich schließlich nicht mehr bewusst, dass man in einem
komplexen Gefüge sozialer Rollen steht. Man ist sich auch nicht bewusst, dass man sich den
Verhaltenserwartungen seiner Umwelt anpasst.
Neben der inneren Kontrolle der Einhaltung sozialer Rollen gibt es auch eine äussere Kontrolle. Die der
Sanktionen aufgrund vorgefallener Erwartungsverletzungen. Als Sanktionen werden die Mittel einer
Gesellschaft zur Einhaltung ihrer Vorschriften bezeichnet. Es gibt aber nebst den negativen Sanktionen (z. B.
Gefängnisstrafen) auch positive Sanktionen (z. B. Orden).
Das Komplex der sozialen Rollen eines Menschen in der Gesellschaft ist vergleichbar mit der eines
Schauspielers in einem Theaterstück. Beide geben etwas wieder, was außerhalb ihres natürlichen Selbst
liegt. Und das was sie wiedergeben ist ein Komplex an Verhaltensweisen. Weiter geben sie als Teil des
2
Ganzen ihren Beitrag. Zudem sind ihre Verhaltensweisen erlernt und beschränken sich nicht nur auf die
Möglichkeit einer einzigen Rolle.
Ein wesentlicher Unterschied besteht lediglich darin, dass der Schauspieler nach dem Stück seine Maske
niederlegt und wieder sich selbst ist, währenddem der Rollenträger in der Gesellschaft stetig soziale Rollen
bekleidet. Soziale Rollen bilden nämlich ein fundamentaler Bestandteil seiner Realität. So befindet sich das
"Self" (Meadf) des Menschen nicht erst hinter all diesen sozialen Rollen.
Das Ensemble der sozialen Rollen stellt vielmehr das "Self" gerade dar - auch im Sinne des Symbolischen
Interaktionismus.
Exkurs: Zum Begriff der „sozialen Rolle“
Unter dem Begriff der sozialen Rolle ist eine bestimmte Position im sozialen Beziehungsgefüge gemeint, die
unabhängig von der Person, die diese Position besetzt, bestimmte Verhaltensforderungen und –Erwartungen für
jene mit sich bringt. In diesem Sinne bedeutet Sozialisation eigentlich nichts anderes als die Übernahme und
Internalisierung von Rollen und deren Verhaltensmustern. Durch diese Verinnerlichung wird das automatische
Erfüllen der gesellschaftlichen Erwartungen vereinfacht. Neben dieser „inneren Kontrolle“ der Gesellschaft über
menschliches Verhalten gibt es auch eine zweite Instanz in Form von Sanktionen. Darunter sind die Reaktionen
der Gemeinschaft auf rollenkonformes, bzw. rollendeviantes Verhalten zu verstehen (es gibt positive und negative
Sanktionen, z. B.: Anerkennung und Verachtung). Je wichtiger die Rolle, so stärker und mächtiger werden auch
die Sanktionen ausfallen.
Im Gegensatz zu einer Rolle, die ein Schauspieler spielt, legt ein Mensch in der realen Welt seine soziale Rolle
nicht einfach ab und zeigt dann sein wahres Gesicht. Die sozialen Rollen sind ein integraler Bestandteil seiner
Persönlichkeit.
4.2.3. SOZIALISATION ALS SYMBOLISCH-INTERAKTIONISTISCHES GESCHEHEN
George Herbert Mead: Amerikanischer Philosoph und Soziologe; geistiger Vater des symbolischen
Interaktionismus.
Der Symbolischer Interaktionismus sieht den Menschen als ein in gegenseitigen Interaktionen befindliches
Wesen, welches nicht einfach nur in physikalischen Gesichtspunkten auf Umwelteinflüsse reagiert, sondern dies
auf der Basis subjektiver Interpretationsleistungen tut und sich so seine symbolische Umwelt schafft. Des
weiteren geht die Perspektive davon aus, dass das Kind kein geborener Mensch ist, aber dennoch die
besten Anlagen hat, es zu werden. Sozialisation ist also im Rahmen des Symbolischen Interaktionismus also
der Prozess, in welchem sich Menschen im Verlaufe sozialer Interaktionen Symbolsysteme aneignen, ihre
Umwelt dann damit interpretieren aber auch nach einer Zeit ein "Selbst-Bewusstsein" erhalten. Die
Beziehung Individiuum - Umwelt stellt sich also über das Medium "Symbol" her und kommt nicht unvermittelt
zustande. Die Bedeutung eines Gegenstandes der Umwelt auf das Individuum richtet sich danach, wie andere
Individuen in Bezug auf diesen Gegenstand handeln. Und dazu sind nun einmal Interaktionen nötig um diese
Abklärungen zustandekommen zu lassen.
Symbolisation - Mead geht davon aus, dass Objekte - im bezug auf ihren Sinn - vor der Definition oder
Bedeutungszuteilung gar nicht existent sind. Erst durch unser Handeln, welches sich an der Umwelt
ausrichtet, werden die Umwelt und all ihre Objekte kategorisiert.
Die sich daraus ergebende symbolische Umwelt ist stark kulturspezifisch. Je nach Kultur (=Set der Denk- und
Handlungsweisen einer Sozietät) wird die Auswahl an "symbolisierten" Objekten determinert und werden die
einzelnen Objekte in ihrer Bedeutungsqualität vorbestimmt.
Was aber in Bezug auf die uns umgebenden Objekte stimmt, trifft auch auf uns selbst zu. So wie Objekte für
mich persönlich dadurch ihre Bedeutung erhalten, wie andere mit ihnen umgehen, so stellt sich mein Ego
mir selbst so dar, wie andere sich in Bezug auf mein Ego verhalten, wie sie mich be-handeln . Dazu muss
ich allerdings imstande sein, in die Haut des anderen zu schlüpfen um seine Perspektive von mir zu erfassen.
Das Schlüpfen in andere, nicht-eigene Rollen ist eine grundsätzliche Fähigkeit, welche man von früh auf hat (vgl.
Rollenspiele der Kinder) und dient nicht primär dazu, eben diese anderen Rollen kennenzulernen sondern um das
"self" zu erfassen. Später dehnt sich diese Fähigkeit noch aus: das Kind vermag dann, gleichzeitig in die Rollen
vieler anderer zu schlüpfen, d. h. beispielsweise Spielregeln zu beachten, die allen anderen auch zugeschrieben
2
sind. Mead nennt diese erweiterte Fähigkeit auch, die Rolle des verallgemeinerten anderen einnehmen zu
können, d. h. Einsicht zu gewinnen über die Haltung einer ganzen Gruppe. So erweist sich denn das Schlüpfen in
die Rolle anderer als grundlegend bei der Entwicklung des Selbst. Als das Selbst wird nämlich die Weise
bezeichnet, auf die sich ein Mensch in seinen Beziehungen mit anderen sieht.
So werden denn Haltungen anderer auf das eigene Verhalten interpretiert und ettikettiert. Es bildet sich ein so
genanntes Spiegel-Ich, wo die Haltung anderer eben das eigene Verhalten widerspiegelt.
Jedes Selbst setzt sich des weiteren aus verschiedenen Identitäten zusammen, wobei sich nicht zwischen
eigenen und fremden Identiäten unterscheiden lässt. So gelangt ein Mensch durch soziale Erfahrungen, welche
er sich durch Interaktion angeeignet hat und welche er dazu verwendet, Identitäten zu entwickeln um zu seiner
Selbstdefinition gelangen zu können.
Das I und das Me (nach Mead)
Das Me repräsentiert den virtuellen Perspektivenwechsel ins Alter um das Ego zu betrachten. Das I hingegen
stellt die Rückkehr ins Ego dar, verbunden mit den Konsequenzen des Verhaltens, bedingt durch neue
Erkenntnisse, welche in der Alter-Perspektive gemacht wurden. Das I gilt als spontane Instanz des Handelns.
Nach Mead ist der Erwerb des Selfs ein lebenslang andauernder und nie endender Prozess.
Der Symbolische Interaktionismus (nach Mead)
Dieses Konzept ist vorrangig dem Individuationsmodell zuzurechnen (und teilweise dem Wissensmodell). Der
Hauptgedanke des SI ist, dass der Mensch mit seiner Umwelt in einer echten Interaktion steht. Er reagiert nicht
bloß auf die ihm vorgegebene (physikalische) Umwelt, sondern erschafft sich im Gegenzug eine zweite,
„symbolische“ Umwelt, indem er bestimmte „Dinge“ (Personen, Gegenstände, Zustände, Verhaltensweisen, etc.)
mit Bedeutungen und Sinn belegt. Indem der Mensch selbst Teil dieser symbolischen Umwelt wird, kann er sich
selbst und sein eigenes Verhalten interpretieren und damit seine „eigentliche“ Geburt vorantreiben.
Sozialisation wird als die Aneignung solcher Symbolsysteme im Zuge sozialer Interaktion verstanden, mit deren
Hilfe die Umwelt interpretiert und Selbst-Bewusstsein erlangt werden kann. Durch unser Handeln im Hinblick auf
unserer Umwelt kategorisieren wir sie und gliedern sie in bedeutungsvolle Abschnitte (=Symbolisation).
Hierdurch werden bedeutungsvolle Objekte geschaffen, welche außerhalb des Kontexts der gesellschaftlichen
Beziehungen, nie hätten existieren können. Auch hat jeder Kulturkreis seine eigene, spezifische Kategorisierung,
welche die natürliche Umwelt bereits vorgliedert und in hohem Maße die Menge der Objekte und die Qualität der
ihnen zugeordneten Bedeutungen vordeterminiert. Genauso wie wir die Bedeutung von Objekten durch die
Handlungen und Interaktionen von und mit anderer ableiten, so interpretieren wir das Verhalten der uns
umgebenden Menschen im Bezug auf uns selbst und schließen daraus, was wir selbst für unsere
Interaktionspartner darstellen, „bedeuten“. Zu diesem Zweck übernehmen wir (mental) die Position unseres
Gegenübers und betrachten uns so von aussen, als Objekt. Dies ist die Voraussetzung zur Entwicklung des hier
so genannten „Selbst-Bewusstseins“(was wörtlich zu verstehen ist). Ein weiterer wichtiger Schritt in der
Entwicklung eines Selbst ist die Fähigkeit zur Verallgemeinerung der Positionen der anderen. Kann man sich
nämlich in die generalisierten anderen hineinversetzen, so nimmt man Bezug auf die ganze Gruppe/Gesellschaft.
Es wird klar, was „man“ zu tun hat und was „man“ von einem erwartet.
Sogar das Selbst an sich kann sich laut diesem Konzept nur in der Interaktion mit anderen entwickeln. Dadurch,
dass man mit vielen verschiedenen Erwartungen konfrontiert wird ergibt sich die Gelegenheit sich durch
Perspektivenübernahme aus vielen verschiedenen Blickwinkeln zu sehen, entsprechend zu handeln und zu
urteilen (Cooley spricht hierbei vom „Spiegel-Ich“, bei dem die Haltungen und Reaktionen unserer
Interaktionspartner uns gegenüber unsere Selbstdefinition beeinflussen).
Mead selbst benutzte die Terminologie „Me“ (für das objektivierte Selbst, die Gesamtzahl aller sozialer Rollen des
Individuums) und „I“ (als die direkte Antwort des Organismus auf die Umwelt, Quelle neuer Handlungsweise und
nicht eigentlich objektivierbare Instanz der Persönlichkeit) Unter dem Begriff der Geste versteht Mead jede
Regung eines Organismus (motorisch, mimisch oder Vokal), welche als Reiz auf ein anderes, dem selben
Verhaltenskontext zugehörigen Lebewesen wirkt. Eine solche Interaktion ist noch als unbewusst anzusehen,
weshalb sie auch bei der Begegnung von Eltern und Kind zu finden ist. In dieser Interaktion durch Gesten
zwischen Eltern und Kind sieht Mead nun aber den Beginn der Kommunikation, denn für das Kind erhalten seine
3
Gesten durch die Reaktion seiner Eltern eine Bedeutung, es sieht was sein Verhalten auslöst, interpretiert so die
Bedeutung seines eigenen Verhaltens und ist am Ende fähig, diese Gesten gezielt einzusetzen.
Löst eine solche Geste nun bei beiden interagierenden Individuen das gleiche aus, so spricht man von einem
signifikanten Symbol, welches somit durch die beidseitig übereinstimmende Interpretation symbolische
Kommunikation ermöglicht. Diese Übereinstimmung zeichnet sich nach Mead auch dadurch aus, dass die
Verwendung des Symbols auch im Subjekt selbst die Haltung hervorruft, die er in seinem Gegenüber hervorrufen
möchte. So ist Sprache eigentlich eine vokale Geste, die dazu neigt, sowohl im Sprechenden wie im Zuhörer
dieselbe Haltung hervorzurufen. Das Subjekt nimmt damit automatisch auch die Position des Gegenübers ein und
sieht sich selbst dadurch wieder als Objekt! Somit ist der Gebrauch solcher signifikanter Symbole (mit ihrer
innerhalb der Gruppe geteilter Bedeutung) im Rahmen interpersonaler Kommunikationsprozesse eine elementare
Bedingung zur Entwicklung seines Selbst. Denn nur durch solche Kommunikation ist es möglich, sich selbst nicht
nur als „I“, sonder auch gleichzeitig aus der Perspektive des Partners als „Me“ wahrzunehmen.
Somit ist der Mensch gewisserMaßen dazu Gezwungen zu Kommunizieren! Er ist im Gegensatz zu anderen
Lebewesen „unfertig“ geboren und muss durch kontinuilerichen Erwerb seines Selbst seine „eigentliche
(menschliche) Geburt vorantreiben und bedarf dazu der kommunikativen Begegnung mit anderen Menschen.
Der Mensch, so wie er sich heute darstellt, wäre also (sowohl aus phylogenetischer als auch aus ontogenetischer
Sicht) ohne die Fähigkeit zur symbolischen Kommunikation undenkbar.
4.2.3.1. SELBST-GENESE UND KOMMUNIKATION
Welcher Stellenwert besitzen jene sozialen Verhaltensweisen, die auf das Mitteilen von
Bedeutungsinhalten ausgerichtet sind?
Als Schlüssel zur Erklärung der Entstehung von Geist, Bewusstsein und Identität aus einfachen Prozessen der
Kommunikation sieht Mead die so genannte Geste. Dabei ist dieser Begriff klar definiert als jede Regung des
Organismus die als Reiz auf andere in den selben Handlungskontext einbezogene Personen wirkt. So sind diese
Gesten zunächst unbewusst geäußert (beim Kleinkind) - Aber durch ihre Äußerung entsteht die erste Form von
Kommunikation - eine unbewusste Geste. Die Geste als einzige Möglichkeit sich seinen Eltern mitzuteilen, ohne
sich irgendwie über deren Reaktion im Klaren zu sein, erhält schließlich durch die Reaktion der Eltern eine
Bedeutung für das Kind. Ein schreiendes Kind, das Hunger hat, und das diesen Eindruck des Hungers auch bei
den Eltern wachruft, bedient sich also nun eines signifikanten Symbols, welches von beiden Seiten begriffen wird
- Kommunikation in seiner frühesten Form. Schließlich entsteht die Form der Vokalen Geste, der Sprache. Das
Verfügen über bzw. das Verwenden von signifikanten Symbolen bringt eine Verhaltensweise hervor, in der das
Individuum für sich selbst ein Objekt wird, weil die Rolle das anderen im Augenblick des Gebrauchs derartiger
signifikanter Symbole auch in ihm selbst gegenwärtig ist. Eben weil signifikante Symbole mit anderen geteilte
Bedeutungen aktualisieren, machen sie zugleich auch die Perspektive dieser anderen dem kommunikativ
Handelnden selbst gegenüber deutlich. Diese Ausführungen verdeutlichen den "Zwang zur Kommunikation".
Kapitel 5
ZIEL: Bedeutung der modernen Massenkommunikation näherbringen
Der Begriff "Massenkommunikation" scheint veraltet zu sein. Die Kommunikation mit den Maßen ist längst
nicht mehr der Fall... Vielmehr entwickelt sich die Tendenz zur "Zielgruppenkommunikation" - zu einem
Spartendenken. Burkart hält die Abschaffung des Begriffes "Massenkommunikation dennoch für überflüssig:
Erstens aus praktischen Gründen. Ein in die WIssenschaftssprache schon jahrelang eingebetteter Begriff lässt
sich nur schwer aus der Terminologie entfernen.
Zweitens aus inhaltlichen Gründen. Bei näherer Betrachtung nämlich tut man dem Begriff Unrecht an, indem
man ihn als nicht zeitgemäß, als anachronistisch bezeichnet. Die beiden Wortbestandteile umreißen nämlich
einen Prozess in seiner Struktur...
5.1. ZUR KLÄRUNG EINES BEGRIFFES:
Die Bezeichnung „Maße“ im Terminus „Massenkommunikation“ soll weder Massenpsychologische noch
kulturhistorische Assoziationen wecken. Es soll nur darauf hingewiesen werden, dass sich die hier zu
vermittelnden Aussagen an eine Vielzahl von Menschen richten. Diese Vielzahl von Menschen stellen sich für
3
den Kommunikator als unüberschaubar (keine direkte Interaktion möglich), heterogen (bekleiden eine Vielzahl
sozialer Positionen) und anonym dar.
Anstatt von "Maße“, kann man von einem dispersen Publikum sprechen.
Darunter versteht man einzelne Individuen oder kleine Gruppen, deren verbindendes Charakteristikum darin
besteht, dass sie sich einem gemeinsamen Gegenstand –den Aussagen der Massenmedien- zuwenden.
Disperse Publika sind keine überdauernde soziale Gebilde, zudem existieren in der Regel keine
zwischenmenschlichen Beziehungen zwischen ihren Gliedern. Sie sind vielschichtig inhomogen, unstrukturiert
und unorganisiert.
Unter Massenkommunikation soll jeder Prozess verstanden werden, bei dem Aussagen öffentlich (ohne
begrenzte oder definierte Empfängerschaft), indirekt (bei räumlicher, zeitlicher od. raum-zeitlicher Distanz zw. den
Kommunikationspartnern) und einseitig (ohne Rollenwechsel), durch technische Verbreitungsmittel
(Massenmedien) an ein disperses Publikum vermittelt werden.
Massenmedien oder Massenkommunikationsmittel sind all jene Medien, über die durch Techniken der
Verbreitung und Vervielfältigung mittels Schrift, Bild und/oder Ton optisch bzw. akustisch Aussagen an eine
unbestimmte Vielzahl von Menschen vermittelt werden (Flugblatt, Plakat; Presse, Buch, Radio, CD/DVD, Film,
TV, Internet).
Es existieren unterschiedliche Auffassungen über das Verhältnis von Massenkommunikation zu Kommunikation.
Beim Massenkommunikationsprozess wenden soziale Gruppen technische Vorrichtungen an, um einer Gruppe
von Menschen symbolische Gehalte zu vermitteln. Sie stellen darauf ab, anderen Menschen etwas mitzuteilen
und wollen ihnen zu diesem Zweck bestimmte Botschaften verständlich machen. Damit verfolgen sie das, der
allgemeinen Intention entsprechende, konstante Ziel kommunikativen Handelns, d. h. sie versuchen
Verständigung – und damit: Kommunikation (!) – zwischen sich und den potentiellen Rezipienten herzustellen. Es
erscheint somit angemessen, diese sozialen Gruppen als „Kommunikatoren“ und deren Aktivitäten als
„kommunikatives Handeln“ zu bereifen. Von Massenmedial vermittelter Kommunikation soll aber nur dann
gesprochen werden, wenn das, was ein Kommunikator mitteilen will von den jeweiligen Rezipienten seiner
Aussage auch so verstanden wird wie es gemeint war (Prinzip der impliziten Reziprozität).
Das jeweilige Interesse des kommunikativ Handelnden bzw. das variable Ziel (die Realisierung dieses Interesses)
ist eine weitere Besonderheit Massenmedial verbreiteten kommunikativen Handelns. Sie ist in einer
Übergewichtung des situationsbezogenen Interesses zu vermuten. Bei öffentlichen (allgemein zugänglichen)
Aussagen wird es vom inhaltsbezogenen Interesse dominiert. Diejenigen, deren kommunikatives Handeln infolge
seiner Massenmedialen Verbreitung öffentlichen Charakter gewinnt, schöpfen bereits aus diesem Umstand eine
zentrale Motivation zur Produktion von Aussagen. Kob spricht von einer „Attraktion der Publizität“, die
Kommunikator wie Rezipient vorrangig zum Handeln bringt. Verschiedene Interessen sind im Spiel: das Interesse
an eigener Publizität, das Interesse zu publizieren, das Interesse des „Publikums“ am publik Gemachten.
Maß communication (engl) ® Massenkommunikation (dt.)
Wer ist die Maße? - Ein soziales Aggregat? Die Summe der aus der modernen Industrialisierung resultierenden
"Massenmenschen" im "Massenzeitalter"? "Massenmenschen" im Sinne charakterlicher, kognitiver, ästhetischer
und ethischer Verarmung?
Mit diesen Assoziationen geht man aber - so Burkart - schon viel zu weit. Massenkommunikation soll im Sinne
verstanden werden, dass die zu vermittelnden Aussagen sich an eine Vielzahl von Menschen richten - eine
Vielzahl, die folgende drei Merkmale aufweist:
Heterogenität
die Rezipienten bekleiden eine Vielzahl sozialer Positionen
Anonymität
die einzelnen Rezipienten sind dem Kommunikator unbekannt
Unüberschaubarkeit
zahlenmäßig so groß, dass eine face-to-face-communication unmöglich ist. Besser als den Begriff "Maße" für die
Gesamtheit der Rezipienten zu verwenden ist es, den Terminus "Publikum" - im Sinne Maletzkes den Terminus
"disperses Publikum" zu verwenden, ein Publikum, dass sich demselben Gegenstand - den Aussagen der
Massenmedien - zuwendet.
3
Disperse Publika entstehen und vergehen von Fall zu Fall - sie sind keine fixen sozialen Gebilde. Die
räumliche Distanz zwischen den einzelnen Rezipienten sorgt des weiteren dafür, dass diese keine
zwischenmenschlichen Beziehungen zu den anderen Rezipienten pflegen (außer jene kennen sich zufällig).
Disperse Publika sind zudem weitgehend inhomogen, d. h. nicht an eine bestimmte soziale Schicht oder an eine
Lebenseinstellung gebunden und weisen keine Rollenspezialisierung und -differenzierung auf.
Wie lässt sich der bisher verwendete Begriff der "Kommunikation" auf dem Hintergrund des Terminus
"Massenkommunikation" wirklich als das definieren, wie wir es bisher getan haben? Die Unterschiede liegen klar
auf der Hand. Bei der Massenkommunikation gibt es im Gegensatz zum klassischen Bedeutungsset der
Kommunikation keine face-to-face-communication, des weiteren herrscht eine räumliche Distanz (weswegen
auch nur sekundäre und tertiäre Medien zum Einsatz kommen) und drittens besteht die Möglichkeit einer raum-
zeitlichen Trennung. Schließlich fehlt auch noch der kommunikationsspezifische Rollentausch zwischen
Rezipient und Kommunikator. Maletzke spricht bei der Massenkommunikation deshalb von "indirekter
Kommunikation" - im Hinblick auf den fehlenden Rollentausch ist auch der Begriff der "einseitigen
Kommunikation" üblich. Attribute, die der Massenkommunikation zukommen, sind also Öffentlichkeit,
Indirektheit und Einseitigkeit - nicht zu vergessen ist der notwendige Zugriff auf technische Hilfsmittel.
Massenmedien = all jene Medien, über die durch Techniken der Verbreitung und Vervielfältigung mittels
Schrift, Bild und/oder Ton optisch bzw. akustisch Aussagen an eine unbestimmte Vielzahl von Menschen
vermittelt werden.
Flugblatt, Plakat, Presse, Buch, Hörfunk, Schallplatte, Film, Fernsehen, Kassette, Bildplatte, Satellit, Computer.
Aber nicht jede Technologie, sei sie auch noch so wegweisend als potentielles neues Massenmedium, muss in
einen sozialen Prozess integriert werden und gesellschaftlich nutzbar sein.
Wie kann nun der Begriff der "Massenkommunikation" definitiv der Kategorie "Kommunikation" zugeordnet
werden? Wir finden Kommunikatoren vor, die die allgemeine Intension (konstantes Ziel), nämlich
Verständigung in der Mitteilung verfolgen. Das Verstehenwollen als kommunikatives Handeln seitens der
Rezipienten ist eine weitere Voraussetzung, damit Massenkommunikation als Kommunikation gelten darf (die
implizite Reziprozität als Merkmal beidseitigen kommunikativen Handelns). Das Verständigungsziel muss also
von beiden Seiten verfolgt werden. Verständigung gilt auch hier als Hauptkriterium für geglückte,
Massenmediale Kommunikation - der Erfolg kann jedoch erst a posteriori festgestellt werden.
Was die spezielle Intension kommunikativen Handelns angeht ist ein starkes Gewicht seitens
"Situationsbezogenheit" und nicht "Inhaltsbezogenheit" festzustellen. Allein durch die Tatsache der
Massenmedialer Verbreitung der Mitteilung gewinnt das Motiv der Situationsbezogenheit an Bedeutung. So
gewinnt denn auch das Motiv der Selbstdarstellung (im Rahmen der Situationsbezogenheit) oftmals eine grössere
Rolle.
Kob unterscheidet hier folgendermaßen:
Interesse an der eigene Publizität « Interesse zu publizieren (Informationsmotiv) und sieht auch ein, dass die
beiden Motive (der Selbstdarstellung und der Information) durchaus kombiniert sein können. So können informell
auch eigene Interessen vertreten.
Massenkommunikation kristallisiert sich als ein kommunikatives Geschehen aus, das aber nicht zwangsläufig
zur Kommunikation werden muss (nur wenn es im Sinne unserer Kommunikations-Definition glückt).
Es bleibt in diesem Sinne die Frage, ob mit der zunehmenden Etablierung neuer Medien (vorwiegend WWW)
immer noch von einem Publikum (im Rahmen der Massenkommunikation) sprechen kann. Die Tendenz in
diesem Bereich ist nämlich die Individualisierung der Informationsbereitung. Das Internet ist so vielschichtig,
dass es fraglich erscheint, bei den wenigen Besuchern einer der Millionen Websites von einem dispersen
Publikum zu sprechen.
Anderer Fakten sprechen wiederum dagegen, dass das Publikum als solches untergehen wird.
Beispielsweise erwiesen sich verschiedenste Thesen zur schwindenen Beliebtheit des Fernsehens als nichtig.
Und man darf davon ausgehen, dass trotz unterschiedliche Medieninhalte das Publikum noch lange
existieren wird.
3
5.2. ZUR BEDEUTUNG DER Massenkommunikation FÜR MENSCH UND GESELLSCHAFT
Die Frage was der Massenkommunikationsprozess bzw. was die Existenz der modernen Print- und
elektronischen Medien für den Menschen und die Gesellschaft bedeuten ist bis heute nicht eindeutig
beantwortbar. Eine Diagnose auf der Basis des aktuellen Wissensstand hat daher aus verschiedenen
Blickwinkeln zu erfolgen.
5.2.1 Kommunikation und Gesellschaft
Bereits der notwendigerweise soziale Charakter menschlicher Kommunikation verweist darauf, dass man es hier
nicht nur mit einem individuellen, sondern auch mit einem gesellschaftlichen Phänomen zu tun hat. Es existiert
eine Wechselbeziehung zwischen Kommunikation und Gesellschaft, soziale bzw. gesellschaftliche Evolution kann
nicht unabhängig von Veränderungen in der Kommunikationsweisen der Menschen gesehen werden. Jede
Gesellschaft impliziert immer auch die Existenz spezifischer Kommunikationsweisen, ohne die sie vermutlich
nicht bestehen könnte. Es scheint sich dabei um eine interdependente Beziehung zwischen Kommunikations-
und Gesellschaftsformen zu handeln: Einerseits stellt das jeweilige gesellschaftliche System den strukturellen
Rahmen für (potentielle) kommunikative Interaktionsformen bereit, andrerseits besitzen aber ebendiese
Kommunikationsformen zugleich auch wesentlichen Anteil an der Qualität des gesellschaftlichen Umraums, in
dem sie ablaufen. Die in einer Gesellschaft existierenden Kommunikationsweisen – die sich im Vorhandensein
bzw. im Gebrauch der jeweils eingesetzten Medien konkretisieren und dadurch Gestalt annehmen - erbringen
bestimmte Leistungen für das Bestehen dieser Gesellschaft.
♦Die Weltgesellschaft
Man unterscheidet drei globale Phasen der bisher stattgefundenen gesellschaftlichen Evolution:
1. primitive oder archaische Gesellschaftsordnungen:
Das Entstehen der Sprache verhalf hochentwickelten Primaten zu effektiveren Formen der Kommunikation und
zur archaischen
Gesellschaft.
2. städtisch zentrierte Hochkulturen
Mit der Entwicklung der Schrift wurde die Bedingung der Anwesenheit hinfällig, weiter zeitliche und räumliche
Distanzen wurden überbrückbar und so unbekannte Personen erreichbar. Hier geschah der Übergang zur
Hochkultur.
3. das heutige technisch-industriell fundierte Gesellschaftssystem
Die Existenz und der Gebrauch von multidimensionalen (Schrift, Bild, Ton) Verbreitungstechniken kaum mehr
abschätzbarer Reichweite führe zu einem sprunghaften Anstieg der Grösse des Kommunikationsnetzes: Es war
eine ganz neue Mitteilungsform entstanden, die es ermöglicht einer unüberschaubaren Vielzahl von Menschen
zur gleichen Zeit an verschiedenen Orten die gleiche Botschaft zu vermitteln. „Die Beteiligung an einer
gemeinsamen Realität“ rückt in greifbare Nähe, was als zentrales Kennzeichen einer sog. „Weltgesellschaft“
angesehen wird.
Bis heute arbeitet die Soziologie mit der Vorstellung einer Mehrheit menschlicher Gesellschaften, hat aber das
daraus resultierende Problem der Definition von Grenzen, die verschiedene Gesellschaftssysteme voneinander
trennen, nicht überzeugend lösen können.
♦Die Informationsgesellschaft
Auch die Informationsgesellschaft lässt sich evolutionsgeschichtlich begründen. Dazu der Entwurf „einer
nachindustriellen Gesellschaft“ des amerikanischen Soziologen Daniel Bell (Bell 1975):
Es ist möglich die Menschheitsgeschichte anhand von drei Stufen gesellschaftlicher Evolution nachzuzeichnen, in
der jeweils ein zentrales Problem und eine entsprechende Problemlösung die Entwicklung dominierte.
Problem Problemlösung Gesellschaftstyp
Diese Diagnose schien bereits knapp vor der Jahrtausendwende sowohl für die USA als auch für Europa vollends
zuzutreffen. Die USA machte den Auf – und Ausbau der Informationsinfrastruktur zu einer nationalen
Hauptaufgabe: An der Schwelle zum 21. Jahrhundert sollen alle Schulen, Universitäten, viele Firmen und
3
Privathaushalte über eine elektronische Schnellstrasse miteinander verknüpft sein („National Information
Infrastructure“) (Rede des Vizepräsidenten Al Gore). Dazu beseitigte die Regierung viele rechtliche und
regulatorische Einschränkungen, welche die Unternehmen der Kommunikationsbranche in ihrem Handeln
behinderten.
Seitens der zuständigen EU-Kommission wurde unter dem Titel „Europa und die globale
Informationsgesellschaft“ eine Empfehlung zur gesamteuropäischen Koordination bislang bloß einzelstaatlich
unternommener Anstrengungen zur Förderung des Ausbaus von Informationsstrukturen formuliert (Bangemann-
Report). Die Zahl jener Menschen die in so genannten „Informationsberufen“ arbeiten steigt ständig.
Kommunikation hat neben dem individuellen Charakter stets auch einen gesellschaftlichen Aspekt. So erkennt
Luhmann, dass jede Gesellschaft ihre spezifischen Kommunikationsweisen besitzt, ohne die sie nicht existieren
kann. Eine Gesellschaft und ihre Kommunikationsformen sind in diesem Sinne interdependent. Sichtbar werden
die Kommunikationsformen erst recht, wenn man die ihnen zugrundeliegenden Medienformen fokussiert.
Die Weltgesellschaft
Luhmann unterscheidet drei Phasen der gesellschaftlichen Evolution:
1. Primitive / archaische Gesellschaftsordnungen: Hochentwickelte Spezies der Primaten entwickelt
effektivere Formen der Kommunikation durch den Einsatz von Sprache
2. Städtisch zentrierte Hochkulturen: Durch die Entstehung der Schrift werden
Bewusstseinsinhalte räumlich und zeitlich tradierbar - und die Anwesenheit sowohl von Kommunikator und
Rezipient an einem Ort ist nicht mehr zwangsläufige Voraussetzung.
3. Heutiges technisch-industriell fundiertes Gesellschaftssystem: Neben der Schrift treten unter der
Zepterführung der Massenkommunikation andere (multimediale) Formen der Kommunikation auf. Eine
unüberschaubare Menge an Personen kann nun zur gleichen Zeit überall auf der Welt die gleiche Information
rezipieren. Das illusionäre "Zusammen-an-einer-Realiät-teilhaben" rückt in eine realistische Position und drückt
Luhmanns Begriff der Weltgesellschaft aus.
Ob Luhmanns hypothetische Weltgesellschaft wirklich existiert, bleibe dahingestellt. Die Existenz einer so
genannten "Informationsgesellschaft" ist hingegen sicher.
Die Informationsgesellschaft
Bell unterscheidet in seinem Entwurf drei Phasen der gesellschaftlichen Evolution:
Gesellschaftstyp Problem Problemlösung
vorindustriell Transport von Materie Verkehrsnetze
industriell Transport von Energie Verbundnetze
postindustriell Transport von Informationen Informationsnetze
Bells Hypothese scheint im Hinblick auf die gegenwärtige Lage (neues Millenium) ein durchaus standhafter
Entwurf zu sein und sich zu bestätigen. So werden denn auf internationaler Ebene Bestrebungen gemacht, um
den Ausbau von Informationsstrukturen zu fördern.
Als Indikator für das Anschwellen der so genannten Informationsgesellschaft gilt die Anzahl der in der
Informationsbranche tätigen Personen. Und diese steigt täglich an. Und im Hinblick auf den Zusammenhang
zwischen Gesellschaft und Kommunikation bergen die beschriebenen Tendenzen auch für die Gesellschaft
gewisse Konsequenzen - Vor- und Nachteile.
5.3.3. Soziologisch orientierte Wirkungsforschung
Hier stellt Burkart das two-step-flow-Konzept von Lazersfeld vor. Neben hinlänglich Bekanntem wird das Wesen
des so genannten „opinion leaders“ genauer konkretisiert - Diese verfügen nämlich über:
1. besonders viele soziale Kontakte
2. besonders kommunikatives Verhalten
3. relative Expertenrolle
4. hohes subjektives Interesse am spez. Thema
Kritisch zu sehen an dieser Theorie ist nach Brukart das Fehlen eines Beleges – so konnte zwar vermeintlich
gezeigt werden, dass Informationsfluss kein einstufiger Prozess ist; der Beweis für die Zweistufigkeit des
3
Prozesses ist damit natürlich nicht gegeben. Weiter bemängelt wurde die Gleichsetzung von
Informationsübermittlung und Persuasion. Demnach ist diese Theorie für den Bereich der Diffusion zu verwerfen
und für das Phänomen der Persuasion nur begrenzt haltbar.
Zum aktuellen Stand der Forschung:
Trennung zwischen opinion leader und nonleader ist nicht haltbar.
Stattdessen sollte von „opinion scharing“ (Trodal / van Dam 1965) mit wechselseitiger Beeinflussung gesprochen
werden. Weiter scheinen sich zwar die opinion leaders über Informationen auszutauschen, es ist aber eher
unwahrscheinlich, dass sie dabei regelmäßig die opinion avoiders beeinflussen.
Für den Aspekt der Informationsverbreitung scheint es sich heutzutage eher um einen „one-step-flow“ – Prozess
zu handeln, bei welchem Wissensvermittlung direkt und ohne Mittelsmann geschieht, dass aber im Gegensatz
dazu Einstellungs- und Verhaltensänderungen eher im Zuge interpersonaler Kommunikation entstehen. (Rogers
1973) Dennoch schein Meinungsführerschaft zu existieren, was etwa an Politikern oder Moderatoren ersichtlich
wird, welche von Eisenstein 1994 als virtuelle Meinungsführer bezeichnet werden.
Sind die Massenmedien wirkungslos?
Klapper fasste 1960 die Befunde der empirischen Medienwirkungsforschung zusammen: Massenmedial
verbreitete Aussagen werden erst durch den Einfluss intervenierender Variablen wirksam.
Demnach schienen Massenmedien mehr zu verstärken als zu verändern.
Die intervenierenden Variablen sind demzufolge:
- Prädispositionen des Rezipienten
- Gruppeneinbindung
- Kommunikation mit Gleichgesinnten
- Verstärkung durch opinion leaders
- Vermeidung abweichender Standpunkte seitens der Medien
Wenn dennoch Veränderung stattfindet seien die intervenierenden Variablen unwirksam oder sie unterstützten
die Veränderung. Klapper begründet damit die „Verstärkerhypothese“, welche besagt, dass in der Regel bereits
vorhandene Einstellungen, Meinungen und Verhaltensdispositionen bestärkt werden, Änderungen nur sehr selten
erfolgen und neue Meinungen zu jenen Themen induziert werden können, zu welchen der Rezipient noch keine
hat. Kritiker wie etwa Schenk (1987) bemängelten, dass Klapper sich nur auf kurzfristige Ergebnisse und
Wirkungen beziehe oder dass an verschiedener Stelle die Wirkung medialer Inhalte nicht zu übersehen
sei.
Die Handlungstheoretischen Implikationen des symbolischen Interaktionismus:
1. „Bedeutungen [...] unterliegen ständigen Redefinitionen“ (Wilson 1973)
2. jeder Mensch schafft durch individuelle Bedeutungszuweisung eine Welt „für sich“ .
3. Demnach sieht der Nutzenansatz Massenmedial vermittelte Aussagen nicht als in ihrer Bedeutung
vorfabrizierte Stimuli, sondern als interpretationsbedürftige Objekte.
Der Rezipient ist also relativ Unabhängig von dem, was die Botschaft an sich sein mag und letztlich kann er
entscheiden, wie er auf diese reagiert (Renckstorf 1973).
Roland Burkart Kommunikationswissenschaft
3
5.3.5.2. Publikumsforschung als Gratifikationsforschung
Der Nutzenansatz in der Massenkommunikationsforschung
Der Nutzenansatz basiert auf dem theoretischen Konzept des symbolischen Interaktionismus und knüpft an dem
Uses and Gratifikations Approach an.
Der Uses and Gratifikations Approach wird an von Burkart beschieben und als „publikums- oder
rezipientenorientierte Perspektive“ bezeichnet.
Die Vorstellung vom aktiven Publikum besagt, dass:
- Mediennutung aktives und zielgerichtetes Handeln ist
- die Zielgerichtetheit aus [...] dem Zustand der individuellen Bedürfnislage resultiert
- Massenmedien in Konkurrenz zu anderen Gratifikationsinstanzen stehen
Frage nach den Gratifikationen, die Menschen aus Massenmedien davontragen.
Wozu und warum nutzen die Menschen Medien? Folgende Gratifikationen werden von Burkart aufgeführt:
- Ablenkung und Zeitvertreib (“escape“, Abbau psychischer Spannungen)
- Persönliche Beziehungen [parasozialer (mein Freund der Moderator) oder sozialer Natur (.
Gesprächsstoff)]
- Persönliche Identität („Der hat das gleiche Problem wie ich“; „So möchte ich sein“, „Den anderen geht es auch
nicht besser als mir“)
- Kontrolle der Umwelt (Wunsch, mehr über die „weite Welt“ zu erfahren) Problem Nutzungsansatz:
„mentalistisch, individualistisch, empiristisch“ (Elliot, 1974), „undifferenzierte Motivforschung“ (Schenk, 1978).
Schwierige Operationalisierung, da Menschen nicht in der Lage sind, die Gratifikationsinstanzen zu benennen
(Berghaus, 1994). Ein möglicher methodischer Ausweg wäre, von allgemein-gültigen Konzepten menschlicher
Bedürfnissen auszugehen und diese auf kulturellgesellschaftliche, bzw. konkret-individuelle Lebensumstände zu
übertragen.
Publikumsforschung wozu?
1) Kommunikatoren können sich auf „ihr“ Publikum einstellen
2) Rezipienten bekommen eher das geboten, was sie erwarten
3) Aus gesellschaftlicher Perspektive kann ein Urteil über Qualität des Massenkommunikationsprozesses gefällt
werden und es wird ersichtlich, wie mit den Medien umgegangen wird.
Fortschritte in der Gratifikationsforschung
Hier bei steht die Frage, wie Rezipientenmotive, Erwartungen und Medienverhalten miteinander verbunden sind,
im Zentrum. Mehrere Untersuchungen konnten belegen, dass die Mediennutzung meist die gewünschten
Gratifikationen nach sich zieht (d. h. die gesuchten Gratifikationen hängen in sehr hohem Maß mit den erhaltenen
Gratifikationen zusammen „Gesuchte und erhaltene Gratifikationen sind eindeutig in einem Feedback-Modell
verbunden“ (Palmgreen, 1984)).
Palmgreen und Rayburn (198) haben in ihre Gratifikationsforschungen den Erwartungs-Bewertungs-Ansatz
einbezogen und deutlich gemacht, dass das Produkt von Vorstellungen (Erwartungen) und Bewertungen die
Suche nach Gratifikationen beeinflusst, welche dann ihrerseits auf die Mediennutzung einwirkt.
Kritik am Nutzungsansatz
- Der funktionalistische Gehalt des Gratifikationsansatzes wurde gerade im Hinblick auf gesellschaftliche
Kensequenzen nicht ausgeschöpft“ (Schenk, 1987).
- Theorielosigkeit „Es reicht nicht aus, Medienrezeption durch einen einzigen vom Rezipienten gesteuerten
selektiven Prozess zu begreifen (Merten, 1984).
- Behauptung des motivgesteuerten, entscheidungsfreudigen Massenmediennutzers (Ronge, 1984)
- Die Suche nach Bedürfnisbefriedigung ist hängt nicht nur vom Rezipienten ab, sondern auch von den
Kommunikatoren und den Medien selbst (Schönbach, 1984) Forderung eines integrativen Modells der
Mediennutzung.
3
5.3.5.3. Publikumsforschung (Mediaforschung) als Kontaktmessung
Werbeträgerforschung. Entscheidung, welche Werbeblöcke welcher Sendungen man wie häufig belegt.
Eruierung der Struktur der Leserschaft und der Reichweite eines Mediums (wie viele Pers. werden von einer
Zeitung innerhalb des jeweiligen Erscheinungsintervalles erreicht?).
5.3.6. Der dynamisch-transaktionale Ansatz
Versuch der Verbindung von Wirkungs- und Nutzungsansatz. Kernthese:
Massenmediale Wirkung als Folge von Wechselbeziehungen zw. Medienbotschaften und
Rezipientenerwartungen (Schönbach, 1989).
Kommunikatoren und Rezipienten müssen innerhalb Kommunikationsprozess als passive wie als aktive
Teilnehmer gesehen werden.
Kommunikator: aktiv in der Gestaltung einer Sendung, passiv in dem Sinne, dass sein Handeln von
bestimmten Bedingungen beeinflusst wird (keine Ausstrahlung eines Minderheitenprogramms zur
Hauptsendezeit). Rezipient: passiv, weil er nur aus den jeweils angebotenen Informationen auswählen kann, aktiv
in der Selektion
und der Verarbeitung der angebotenen Inhalte.
Kernthese des dynamisch-transaktionalen Ansatzes:
Nehmen Zeitungsleser Einseitigkeiten bei der Berichterstattung wahr (Vergleich gemessene (mittels
Inhaltsanalyse) und wahrgenommene Tendenz? Größere Übereinstimmung, wenn Personen im Mittelpunkt
sowie bei Artikeln mit geringem Umfang und großer Schlagzeile. Ingesamt v. a. bei Sachthemen sehr geringer
Zusammenhang. Wirkungsursache ist sowohl bei Medienbotschaft, als auch bei Rezipienten zu suchen.
Welche Merkmale auf der Rezipientenseite beeinflussen die Wahrnehmung der Medienbotschaften?
Zerfallshypothese: Rezipienten kopieren die medial vorkonstruierte Wirklichkeit kognitiv, um sie dann nach
und nach wieder zu vergessen. Die durch den Vergessensprozess entstandenen Wissenslücken zerstören den
ursprünglichen Sinnzusammenhang. Erkenntnisse zur Zerfallshypothese: Die Medien bieten Infos homogener
strukturiert an, als sie vom Publikum wahrgenommen werden, die Rezipienten kopieren also keineswegs das
mediale Angebot in ihren Köpfen.
Integrationshypothese: Die Rezipienten konstruieren aus dem vorliegenden Angebot eine Welt mit höchst
subjektiven Zügen, in die sie ihre eigenen Vorkenntnisse, bzw. Vorurteile einbauen. Erkenntnisse zur
Integrationshypothese:
Rezipienten konstruieren keine ganz subjektive Wirklichkeit, es scheint vielmehr so zu sein, dass sich dass
Publikum an wenigen Kernaussagen orientiert, die erhalten bleiben, während der große Rest ganz vergessen
wird.
Schema-Theorie: „Verarbeitungsrichtlinien“ (Schemata) ermöglichen schnelle Informationsselektion (keine
1:1-Abbildung der Realität)
5.3.7 Die Agenda- Setting- Hypothese
Die Agenda- Setting- Hypothese meint, das die Massenmedien nicht so sehr beeinflussen, was wir denken,
sonder worüber wir nachzudenken haben. Die Medien übernehmen so eine „Tagesordnungs-„ oder
„Thematisierungsfunktion“. Dieses Konzept liefert eine sehr kommunikatorzentrierte Sichtweise.
Erste empirische Überprüfung musste das Konzept 1968 im Rahmen einer Präsidentschaftswahl in den USA über
sich ergehen lassen. Mc Combs und Shaw befragten unentschlossene Wähler nach den für sie wichtigen
politischen Themen und verglichen diese mit den in den Medien behandelten Themen zu dieser Zeit. Die Autoren
stellten eine hohe Korrelation fest und nahmen daher einen kausalen Zusammenhang an:
die Medienagenda ist die Ursache für die Publikumsagenda. (... Doch ist im Falle einer Korrelation auch immer
Kausalität an zu nehmen?)
Zur Erklärung dieses Effektes kristallisierten sich 3 Modellvarianten heraus:
1. Das Awareness- Model besagt schlicht, dass das was in den Medien kommt mehr Aufmerksamkeit auf sich
zieht, und sich so das Publikumsintresse nach den Medien richtet. -> Thematisierung
3
2. Das Salience- Modell sieht in der unterschiedlich starken Repräsentation gewisser Themen in den Medien die
Ursache. So empfindet der Rezipient ein Thema, dem 3 Seiten in der Tageszeitung gewidmet wird, viel wichtiger
als ein kleiner Abschnitt auf der drittletzten Seite. -> Themenstrukturierung
3. das Prioritätenmodell ist eine radikalisierte Form des Salience- Modells. Es geht davon aus, das die
Publikumsagenda sich spiegelbildlich zur Medienagenda verhält. -> Themenstrukturierung
So stellte man fest, dass Tageszeitungen eher themenstrukturierend und längerfristig wirken (im Sinne von
Salience- und Prioritätenmodell), und Fernsehen eher thematisierend und kurzfristiger („Scheinwerfereffekt“; Im
Sinne von Awareness-Modell).
Im Laufe der Zeit konnte sich diese sehr stark kommunikatorzentrierte Sichtweise nicht halten und es kamen
Einwände und Anpassungen ins Spiel:
Agenda Setting Effekte ließen sich mit Merkmalen der Themen (z. B. die sog. „Obtrusiveness“1) aber auch mit
Merkmalen der Person erklären (Interesse, Orientierungsbedürfnis, Grad an Mediennutzung, usw.). Zudem
formulierte Brosius vier Kritikpunkte auf die die Agenda-Setting Hypothese keine Antworten zu liefern vermag:
1. Themenkonkurrenz und Nachrichtenangebot spielen ein wichtige Rolle wenn es darum geht Themen
auszuwählen, die in den Medien erscheinen.
2. Die Aufmachung der Nachricht (z. B. sehr emotionalisierende Bilder) hat einen starken Einfluss auf die
Publikumsagenda.
3. Subjektive Konstruktion des Themas: Hier kommt die Kognitionspsychologische Sichtweise ins Spiel, die den
Rezipienten als subjektiv wahrnehmenden, denkenden und fühlenden Menschen versteht.
4. Konsequenzen einer Veränderung der wahrgenommenen Wichtigkeit: Ein starker Agenda Setting Effekt hat
seinerseits Auswirkungen auf die interpersonale
1 Obtrusiveness: Aufdringlichkeit. Wie stark ist der Rezipient selbst betroffen von der Thematik? Sogenannt
obtrusive Themen wären demnach Inflation, Arbeitslosigkeit oder etwa Lokalpolitik. Strukturierungseffekte ließen
sich vor allem für nicht obtrusive Themen nachweisen (Aussenpolitik, Konflikte in fernen Ländern usw.)
5.3.8 Die These von der Wachsenden Wissenskluft
Die Kernaussage dieses Konzeptes lautet: „Wenn der Informationszufluss von den Massenmedien in ein
Sozialsystem wächst, tendieren die Bevölkerungssegmente mit höherem sozioökonomischem Status und/oder
höherer formaler Bildung zu einer rascheren Aneignung dieser Information als die status- und bildungsniedrigeren
Segmente, so dass die Wissenskluft zwischen diesen Segmenten tendenziell zu- statt abnimmt.“
(Tichenor/Donohoue/Olien 1979)
Diese These war (und ist..) von höchster gesellschaftlicher Brisanz. Wenn die These stimmt haben die Medien
nicht die aufklärerische und demokratisierende Funktion, die man ihnen zuspricht; vielmehr wäre das Gegenteil
der Fall: die Medien schaffen eine Zweiklassengesellschaft der Informationsarmen und der Informationsreichen.
Keine Angst: die Forschungslage spricht sich eher gegen als für die These aus. Es wurden auch einige
Anpassungen an der ursprünglichen Formulierung vorgenommen. So wurde der sozioökonomischer Status als
einzig wirkende Variable um die Variable des Interesses und der Motivation zum Wissenserwerb des Rezipienten
erweitert. Zudem musste der Begriff „Wissen“ aussdifferenziert werden. So sprach man nun einerseits von
Fakten- und Themenwissen („knowledge about“) und Struktur- und Hintergrundwissen („knowledge of“). Das mit
der Annahme im Hinterkopf das sozioökonomisch niedrigere Segmente beim Faktenwissen nicht so sehr
hintenanstehen würden wie beim Struktur und Hintergrundwissen. Diese Unterscheidung brachte jedoch nicht
sonderlich viel. Vielmehr erwies sich zusätzlich zum Interesse auch das Alter als entscheidende Variable
(... jungere lernen schneller 2).
Auch bei dieser Hypothese zeigt sich das die anfänglich einfachen Formulierungen der komplexen Wirklichkeit
nicht standhalten und kognitionspsychologische und interaktionistische Betrachtungen mit einbezogen werden
müssen um den Tatsachen auch nur annähernd gerecht zu werden.
5.3.9 Die Schweigespirale
Das Konzept der Schweigespirale geht davon aus, das Menschen ihre eigene Meinung eher dann verschweigen,
wenn sie die Mehrheitsmeinung gegen sich glauben. „Wer sieht, dass seine Meinung zunimmt, ist gestärkt, redet
öffentlich, lässt die Vorsicht fallen. Wer sieht, dass seine Meinung an Boden verliert, verfällt in Schweigen.“
3
(Noelle- Neumann). Diese von einer Dame namens Noelle-Neumann formulierte These fusst auf
sozialpsychologischen Experimenten zur Konformitätsforschung, wie so Kollega Asch bekanntlich schon in den
Vierziger Jahren durch zu führen pflegte. Noelle-Neumann dachte in ihrer Hypothese der Schweigespirale den
Medien die Funktion der Bildung der öffentlichen Meinung zu. Die öffentliche Meinung definiert sie in diesem
Zusammenhang als „wertgeladene, insbesondere moralisch aufgeladene Meinungen und Verhaltensweisen, die
man - wo es sich um fest gewordene Uebereinstimmung handelt, z. B. Sitte, Dogma - öffentlich zeigen muss,
wenn man sich nicht isolieren will; oder bei im Wandel begriffenen ‚flüssigen’ Zustand öffentlich zeigen kann,
ohne sich zu isolieren.“
(Noelle- Neumann 1982).
2 ... was klein Hänschen nicht lernt...
Noelle Neumann sagt jedoch selbst, dass ihre Theorie unfertig ist und nur unter gewissen Umständen zum
Tragen kommt. Diese Rahmenbedingungen fasste Donsbach 1987 in 3 Punkten zusammen:
1. Es muss sich um Meinungs- oder Einstellungsbereiche handeln die im Fluss sind, bei denen der Wandel
stattfindet (... funktioniert also nicht bei Dogmen und Sitten – vgl. obiges Zitat).
2. Es muss sich um Auseinandersetzungen über Meinungen handeln die eindeutig moralisch belegt sind und
nicht um die rational richtige oder falsche, sondern um die moralisch gute oder schlechte Position geführt werden.
3. Es muss sich um Prozesse handeln, in denen die Massenmedien eine identifizierbare Position einnehmen. Die
Empirische Prüfung der Theorie der Schweigespirale fiel nun aber auch nicht gerade sonderlich eindeutig aus.
Vielmehr zeigte sich auch hier der Einfluss anderer Variablen wie Interesse am Thema, empfundene Wichtigkeit
des Themas und den Glauben den Kommunikationspartner auch beeinflussen zu können. So kann die Dissonanz
zur öffentlichen Meinung nicht die einzige Ursache dafür sein, dass sich jemand zu einem Thema nicht äußert.
5.4. Strukturen der modernen Massenkommunikationsgesellschaft
In der Folge geht es darum ein Bild der modernen Massenkommunikationsgesellschaft zu entwerfen. Die zentrale
Frage hierbei ist es das Zustandekommen von Wirklichkeit dieser Mediengesellschaft zu erklären. Denn unser
Bild der Wirklichkeit wird stark von den Massenmedien geprägt.
Das dieses Bild der Wirklichkeit verzerrt ist, ist zigmal empirisch bewiesen worden. Wie dies zustande kommt
versuchen zwei Ansätze zur medialen Realitätsdeformation zu erklären (Schulz 1989):
1. Es existiert ein Gegensatz zwischen Medien und Gesellschaft: Die so genannte ptolemäische (von Ptolemäus)
Perspektive; Medien als Spiegel der Wirklichkeit.
2. Es existiert kein prinzipieller Gegensatz von Medien und Gesellschaft: Die so genannte kopernikanische (von
Kopernikus) Perspektive. Medien gelten als integraler Bestandteil der Gesellschaft, als aktives Element in einem
sozialen Prozess, aus dem eine Vorstellung von Wirklichkeit erst hervor geht!
5.4.1. Realität als mediale Konstruktion
Nicht Abbildung, sondern Auswahl und Interpretation sind die elementaren Kennzeichen jedweder medialen
Berichterstattung.
Dazu existiert eine beachtliche Forschungstradition:
- Gatekeeper-Forschung
White (1950) übertrug das von Lewin (1947) entwickelte Konzept des Gatekeepers auf den Prozess der
Nachrichtenauswahl. Dabei kam heraus, dass subjektive Dispositionen und Einstellungen des Gatekeepers (z. B.
Journalist) einen Einfluss auf die Selektionsentscheide haben. Nach der Weiterentwicklung des Gatekeeper-
Ansatzes fand man als Einflussfaktoren neben den individuellen Prädispositionen auch „institutionelle“ Faktoren.
D. h. ein Journi ist nicht als ein isoliertes Individuum zu betrachten, sondern auch als Mitglied einer
Nachrichtenbürokratie!
- New Bias
Hinter dieser Tradition steckt der Gedanke Unausgewogenheiten, Einseitigkeiten und politische Tendenzen in der
Medienberichterstattung zu messen und Aufschluss über deren Ursachen zu erlangen. Hier zeigte sich ebenfalls
der Einfluss von subjektiven Einstellungen auf die Berichterstattung und der Einfluss der politischen Tendenz der
Journis und Verleger auf die Nachrichtengebung.
4
- Nachrichtenwert-Theorie
Diese Forschungstradition zielt auf die Wahrnehmung der Ereignisse selbst ab.
Östgaard (1965) unterscheidet drei Nachrichtenfaktoren, die für die Attraktivität eines Ereignisses entscheidend
sind und schlussendlich dem Journi als Kriterien zur Nachrichtenselektion und -bearbeitung dienen:
1. Einfachheit: Vorzug einfacher Sachverhalte, Vereinfachung komplexer Sachverhalte
2. Identifikation: Es wird über bekannte Themen, Promis und „nahe“ Ereignisse berichtet
3. Sensationalismus: Dramatische, emotional erregende Sachverhalte im Vordergrund Nachrichtenfaktoren
scheinen Merkmale zu sein, die ein Ereignis aufweist und die über seinen Nachrichtenwert (seine
Publikationswürdigkeit) bestimmen.
Schulz (1976) geht von einer etwas anderen Annahme aus. Nachrichtenfaktoren seien nicht wirklich Merkmale
von Ereignissen, sondern „journalistische Hypothesen“ über die Realität. D. h. je mehr eine Meldung dem
entspricht, was Journis für wichtige und mithin berichtenswerte Eigenschaften der Realität halten, desto größer ist
ihr Nachrichtenwert.
In einer Studie fasste er dann 18 gefundene Nachrichtenfaktoren zu sechs Faktorendimensionen zusammen:
Faktordimension Nachrichtenfaktoren
1. Zeit Dauer, Thematisierung
2. Nähe Räumliche Nähe, politische Nähe, kulturelle Nähe, Relevanz
3. Status Regionale Zentralität, nationale Zentralität, persönlicher Einfluss, Prominenz
4. Dynamik Überraschung, Struktur
5. Valenz Konflikt, Kriminalität, Schaden, Erfolg
6. Identifikation Personalisierung, Ethnozentrismus
Fazit
Auch die Nachrichtenwert-Theorie „beweist“, dass die Medien die Realität nicht passiv abbilden, sondern vielmehr
aktiv eine Vorstellung von Wirklichkeit entwerfen. Wirklichkeit als News-Making, als mediale Konstruktion also
(wie es der Titel 5.4.1 sagt).
Die Nachrichtenwert-Theorie kann in der kausalen und finalen Betrachtungsweise angeschaut werden.
Die kausale Betrachtungsweise geht davon aus, dass Nachrichtenfaktoren Merkmale von Ereignissen sind (siehe
Östgaard). Demzufolge wählen die Journis die Nachrichten „kausal“ anhand der Merkmale der Ereignisse aus
(damit sie fürs Publikum attraktiv sind). Kann aber der Journi bei der Nachrichtenauswahl nicht auch ein
(politisches) Ziel verfolgen, etwas bewirken wollen? Ja doch, und hier wären wir bei der finalen
Betrachtungsweise. Diese betrachtet Nachrichten als Mittel zum Zweck zur Unterstützung bestimmter Ziele
(schon Schulz sieht in seiner Theorie die Nachrichtenfaktoren nicht als Merkmale von Ereignissen, sondern als
journalistische Hypothesen. Er unterstellt den Journis also schon ein gewisses Kalkül).
Ein Repräsentant der finalen Betrachtungsweise, ist Keppler. Nach ihm werden Selektionsentscheide von Journis
nicht als eine direkte Reaktion auf Realitätsreize angesehen, sondern als zielgerichtete Handlung. Dieser
Vorgang wird Instrumentelle Aktualisierung genannt.
Nach Keppler berichten Massenmedien nicht nur aufgrund einer „natürlichen Relevanz“ über bestimmte Themen,
sondern auch deshalb, weil die Kommunikatoren (Journis, Herausgeber, Verleger) damit bestimmte Ziele
verfolgen (z. B. „Verkürzung der Wochenarbeitszeit“ bei Berichten über Erhöhung der Herzinfarktquote durch
Stress am Arbeitsplatz).
5.4.2. Realitätsinszenierung in der Massenkommunikationsgesellschaft
Die These der konstruierten Medienrealität soll im Folgenden mit einer Behauptung noch überhöht werden: Sehr
viele Ereignisse, über welche die Medien berichten, würden unabhängig von der Berichterstattung, überhaupt
nicht existieren!
Das was uns Medien berichten ist nicht nur konstruiert und selektiert, sondern auch von außermedialen Instanzen
inszeniert – eine inszenierte Realität. Es wird ein Ereignismanagement betrieben in dem die Ereignisse nur
Mittel zum Zweck der Berichterstattung sind. Es geht um die Wahl eines Mittels, das die Publikation stimulieren
soll (z. B. Pseudo-Ereignis, Pressekonferenz, Tagung, Demo, etc.). Unter Pseudo-Ereignis wird ein Geschehen
verstanden, welches geplant, angeregt oder arrangiert worden ist.
4
Der Ausdruck der Entwicklung von Inszenierungen ist z. B. im Engagement von Großunternehmen als Sponsoren
bei Sportveranstaltungen, Musikkonzerten, etc. zu finden. Kepplinger (1992) meint, dass es neben den
inszenierten (Pseudo-) Ereignissen auch so genannte Mediatisierte Ereignisse gibt: Vorfälle die wahrscheinlich
auch ohne Medien stattgefunden hätten, die aber infolge der zu erwarteten Berichterstattung einen spezifischen,
mediengerechten Charakter erhalten (z. B. Parteitage, Produktpräsentationen, Olympiaden, etc.).
Solche Ereignisse werden heutzutage meist von PR-Fachleuten (Öffentlichkeitsarbeitern) professionell
organisiert. Dies gilt vor allem für den Bereich der Politik (z. B. Wahlkämpfe).
Eine herausragende Rolle in diesem Zusammenhang nimmt das Fernsehen ein, welches die Möglichkeit bietet
Millionen von Menschen zu erreichen.
Neben der Politik findet vor allem auch in der Wirtschaft, Non-Profit-Unternehmen (z. B. IKRK, Cinfo),
Umweltschutz- (z. B. Greenpeace) und Tierschutzorganisationen (z. B. Amnesty International) eine Inszenierung
von Ereignissen zum Zweck der Berichterstattung statt.
5.4.3. Öffentlichkeitsarbeit und Medien
Öffentlichkeitsarbeit bzw. Public Relations (PR) ist in der Regel zu verstehen als „Selbstdarstellung partikulärer
Interessen durch Information“. Genau gemeint ist dabei die Summe aller Aktivitäten, die darauf abzielen, die
Öffentlichkeit bzw. relevante Gruppen (Teilöffentlichkeiten) durch die Darstellung der eigenen Interessen zu
beeinflussen, um diese letztlich irgendwann auch durchsetzen zu können.
Aus dieser Perspektive der Entstehung von Medieninhalten bedeutet dieser Umstand schlicht und einfach, „dass
Ereignisse, Themen, Sachverhalte nicht erst durch die Wahrnehmung von Journalisten zu Nachrichten werden,
sondern in der Regel eine `Vorgeschichte` haben“.
Es gibt mittlerweile eine Reihe von empirischen Befunden, die der Öffentlichkeitsarbeit einen großen Einfluss auf
den Journalismus attestieren, wobei die Beziehungen zwischen PR und Journalismus komplex sind.
Dominiert PR den Journalismus?
Eine der ersten zu diesem Thema durchgeführten Studien ergab, dass ein nicht zu unterschätzender Anteil von
Zeitungsbeiträgen sich tatsächlich aus PR-Texten zusammenstellten, die entweder wörtlich oder inhaltlich
vollständig oder einfach nur gekürzt wiedergegeben waren. Daraus entstand die Determinationsthese: Die
Vermutung, dass die Vorstellung vom eigenständig recherchierenden Journalisten, der selbstständig Nachrichten
und Informationen produziert, mit einigem Recht als Mythos zu entlarven sei, da die Festlegung der Themen und
größtenteils auch ihre publizistische Aufbereitung „nicht autonom von den Journalisten, sondern von den
Primärkommunikatoren determiniert werden. Es gibt geringe Transformationsleistungen von Journalisten
(Veränderung von des Pressematerials durch Umformulierung oder Kommentierung), die große Mehrheit des
Pressematerials (drei Viertel bis neun Zehntel) fand umkommentiert und lediglich leicht bearbeitet seinen
Niederschlag.
Weitere Studien qualifizierten die journalistische Eigenleistung als gering ein: PR-Texte wurden bereits von den
Nachrichtenagenturen in einem hohen Ausmaß aufgenommen (59%), die Nachrichtenagenturen verbreiteten
74% der eingelagerten Presseaussendungen am gleichen Tag, der Hörfunk 63%, das Fernsehen 76%, und die
Tagespresse verwendete 65% sofort.
Erstes Fazit: Öffentlichkeitsarbeit hat sowohl die Themen als auch das Timing der Medienberichterstattung unter
Kontrolle. Es sind überwiegend PR-Leute, die „Primärkommunikatoren“ und nicht die Journalisten, die Themen
forcieren und die publizierte Wahrheit konturieren. Außerdem ist festzuhalten, dass es überwiegend
Pressemitteilungen und Pressekonferenzen sind, die die Medienberichterstattung auslösen, und nicht etwaige
„Eigenwerte“ von Themen bzw. Ereignissen oder irgendwelche Kriterien.
Zweifel an der Determinationsthese
Neueste Untersuchungen zeigen jedoch folgende empirische Feststellung:
Öffentlichkeitsarbeit determiniert vor allem die journalistische Berichterstattung in thematischer und zeitlicher
Hinsicht, wenn Journalisten nicht selbständig recherchieren, wenn die PR-Quelle nicht mit anderen konkurrieren
muss, wenn man nur denjenigen Teil der Berichterstattung betrachtet und das umfangreiche journalistische
Gegengewicht einer zusätzlichen Berichterstattung ausklammert.
4
Obwohl PR auf den Journalismus zweifellos Einfluss ausübt, sollte man dabei keineswegs von einem einseitigen
Beeinflussungsverhältnis ausgehen. Auch die Annahme, die Journalisten würden dadurch in ihrer beruflichen
Autonomie bedroht, scheint überzogen.
Zum einen seitens des Journalismus, wo wachsender Konkurrenzdruck schon aus rein ökonomischen Gründen
einer Produktdifferenzierung den Anstoß zu mehr journalistischer Eigenleistung gibt. Zum anderen seitens der
Öffentlichkeitsarbeit, wo Journalisten längst nicht mehr die einzige Zielgruppe darstellen, wenn es darum geht, mit
jenen Anspruchsgruppen (stakeholders) zu kommunizieren, die die Organisation bedrohen (kritische
Bürgerinitiativen oder Umweltorganisationen).
Das Intereffikationsmodell
Ausgangspunkt der Überlegung bei diesem Modell ist, dass es sich bei Journalismus und Public Relations um
zwei ausdifferenzierte Teilsysteme der öffentlichen Kommunikation handelt, die einander wechselseitig
beeinflussen. Die Kommunikationsleistungen jeder Seite ist nur dadurch möglich, dass die Leistungen der
anderen Seite vorhanden sind:
Journalismus ermöglicht PR-Leistungen, genauso ermöglichen aber PR-Leistungen auch Journalismus.
Induktionen werden als beabsichtigte Kommunikationsanregungen oder -einflüsse definiert, die beobachtbare
Wirkungen im jeweils anderen System haben. Adaptionen werden, demgegenüber als Anpassungen an Regeln
beschrieben, an denen sich die jeweils andere Seite ganz bewusst orientiert, um die Bedingungen für den
eigenen Kommunikationserfolg zu optimieren. Induktionen und Adaptionen können in verschiedenen Bereichen
bzw. Dimensionen durchaus unterschiedlich stark und unterschiedlich intensiv ausgeprägt sein, es ist also kein
Gleichgewichtszustand vorgegeben (siehe Abbildung S. 301).
5.4.4 Resümee – oder: Zuflucht beim Konstruktivismus?
Auf die Frage, ob die Massenmedien die Realität angemessen wiedergeben, lässt sich folgende
Zusammenfassung wiedergeben:
1. Wir haben es durchgängig mit einer „verzerrten“ Medienrealität zu tun, die der „objektiven Wirklichkeit“
bestenfalls in Ansätzen entspricht.
2. Medien können allerdings die Realität gar nicht abbilden, sie sind als „Weltbildapparate“ zu begreifen, mit
denen Journalisten Wirklichkeit konstruieren.
3. Die Wirklichkeitskonstruktionen erfolgen nicht zufällig, sondern regelgeleitet: Sie entsprechen sog.
„Nachrichtenfaktoren“.
4. Nachrichtenfaktoren sind jedoch nicht so sehr als objektive Eigenschaften der Wirklichkeit, sondern eher als
Interpretationen seitens der Journalisten zu begreifen.
5. Diese Interpretationen erfolgen nicht zufällig, sondern zielgerichtet: Nachrichten sind in der Regel Mittel zum
Zweck.
6. Den Zweck bestimmen oft nicht die Journalisten selbst, sondern außermediale Instanzen, die die Regeln der
Nachrichtengebung für ihre Zwecke instrumentalisieren.
7. Öffentlichkeitsarbeiter haben bis zu einem gewissen Grad die journalistische Berichterstattung unter Kontrolle.
Fazit: Die Realität hat mit dem, was uns die Medien vor Augen führen, nur sehr entfernt etwas zu tun.
Die Wirklichkeit als Konstruktion
Zum Konstruktivismus zählen alle jene erkenntnistheoretischen Strömungen, die sich mit dem Beitrag des
Subjekts im Prozess des Erkennens von Wirklichkeit auseinandersetzen.
Es wird angenommen, dass wir Menschen durch bestimmte Leistungen unseres Bewusstseins
Wirklichkeitsvorstellungen konstruieren. Dabei wird sinnvollerweise unterstellt, dass es außerhalb unserer
kognitiven Wirklichkeit eine Realität gibt, die den Anlass für unsere Wirklichkeitskonstruktionen bietet. Wie diese
Realität „an sich“ ist, entzieht sich unserer Erkenntnismöglichkeit, da wir nur die Wirklichkeit kennen, die wir
wahrnehmen und in der wir handelnd und kommunizierend leben. Nicht die zu erkennende Wirklichkeit steht also
im Mittelpunkt konstruktivistischer Überlegungen, sondern der Erkenntnisprozess selbst:
Der Vorgang der Konstruktion. Wirklichkeit ist in einer von Massenmedien geprägten Gesellschaft also
zunehmend das, was wir über Mediengebrauch als Wirklichkeit konstruieren, dann daran glauben und
entsprechend handeln und kommunizieren. Der Konstruktivismus und die Massenmedien Für die
professionellen Kommunikatoren, etwa in Gestalt eines recherchierenden Nachrichtenjournalisten, bedeutet diese
4
Perspektive zum Beispiel, dass sich die ihm zugetragenen Mitteilungen nicht nach dem Muster wahr / unwahr
bewerten lassen. Vielmehr soll jede Aussage für eine Version gehalten werden, die eine Geschichte erzählt.
Welche Version nun mehr Gültigkeit erhalten soll, ist durch das Nachprüfkriterium intersubjektiver Konsens
gegeben. Dies gilt allerdings nur für Informationen, die Sachverhalte beschreiben, interpretierende Kontext-
Informationen können unter konstruktivistischem Blickwinkel überhaupt nicht verifiziert werden.
Im Hinblick auf die Rezeption Massenmedialer Inhalte bedeutet die konstruktivistische Perspektive, dass wir
keinesfalls davon ausgehen dürfen, Medien würden Realität abbilden. Dies gilt auch für Fotos und Fernsehbilder.
Gerade weil Fotos und Bilder zu jenen „Fetischen der Realität“ gehören, die Wirklichkeit sichtbar machen und
denen man daher unhinterfragt Authentizität unterstellt, dürfe deren inszenierter Charakter nicht übersehen
werden:
Mitteilungen sind also keine Wahrheiten, sondern Versionen, die untrennbar mit den agierenden Personen
verbunden bleiben.
Wie verhält es sich nun mit dem Aspekt der Realität? Nach Tuchman ist Objektivität als routinemäßiges
strategisches Ritual aufzufassen, das den Journalisten Sicherheit und Arbeitsfähigkeit verschaffe. Dies führe zur
Einladung für selektive Wahrnehmung, zum Irrglauben an die Aussagekraft von Fakten, zum Einschleusen der
Journalistenmeinung durch die Hintertür, zur Anbindung der redaktionellen Verfahrensweisen an die
Zeitungspolitik und zur Irreführung der Rezipienten/innen hinsichtlich der Validität von Nachrichtenanalysen, die
nur formal-willkürlich von reinen Nachrichten getrennt würden.
Objektivität in konstruktivistischer Sichtweise bedeutet: Objektivität gerinnt zu einer regulativen Idee, die die Art
der Wirklichkeitskonstruktion durch die Journalisten steuert.
Darin verdichten sich Vereinbarungen über Ereigniswahrnehmung und Nachrichtenverarbeitung, die für das
jeweilige gesellschaftliche Umfeld der medialen Aussageproduktion funktional sind.
In Anlehnung an den Schemabegriff (Piaget) ist es nun interessant, auf den sozialisierenden Effekt von
Medienrezeption hinzuweisen. Medienschemata ermöglichen es uns, die einzelnen Medienangebote nicht als rein
zufällige, unzusammenhängende Teile wahrzunehmen, sondern mit bestimmten Vorerwartungen zu verbinden.
Gemäß der konstruktivistischen Argumentation liegen die Eigenschaften und Bedeutungen der Medieninhalte
nicht ihnen selbst, sondern werden ihnen von denkenden und handelnden Menschen in sozialen Kontexten
zugeschrieben. Medienschemata und ihre Bezeichnungen widerspiegeln nicht einfach gesellschaftliche
Verhältnisse, sondern sind wichtige Instrumente im gesellschaftlichen Prozess der Wirklichkeitskonstruktion. Dies
wird uns erst dann bewusst, wenn wir medialen Inhalten ein „falsches“ Schema zuordnen, wenn wir
beispielsweise ein Hörspiel mit einer Nachrichtensendung verwechseln und daraus falsche Schlüsse ziehen.
Alter Wein in neuen Schläuchen?
Kritisiert wird v. a., dass diese konstruktivistische Sichtweise nicht neu ist, sondern alte Konzepte
wiederverwertet. Es wird v. a. auf Zeichen und ihre Symbolfunktion (S. 46)
den Nutzenansatz (S. 220)
die Diskussion zur verzerrten Realitätswiedergabe durch die Massenmedien
(S. 270 und 279)
verwiesen; alle drei Konzepte weisen Ähnlichkeiten auf (genaue Beschreibung auf Seite 312-
313).
Kritik
Kritisiert wird v. a. die individualistische Perspektive des Konstruktivismus, der nicht bis zu den sich wandelnden
generationenhaften Medienerfahrungen vorstößt, die in die Massenmediale Produktion und Rezeption
hineinspielen, weil sie bloß die Realitätskonstruktion von Individuen im Auge hat. Zudem besitzt der
Konstruktivismus Probleme mit der Anerkennung von objektiver Realität, andererseits aber anerkennt es selbst
eine Medienrealität an, die sich z. B. in Produktionen oder Medieninstitutionen verfestigt. Auch dass diese
Perspektive journalistische Manipulation als Normalität sieht, wird verworfen. Die Kritisierten verweisen hingegen
darauf, dass jede Art der Berichterstattung viel mehr das Ergebnis von Interaktion ist als von Abbildung und dass
damit eher relative Begriffe (wie: Glaubwürdigkeit, Nützlichkeit und Verantwortlichkeit) an die Stelle von absoluten
Maßstäben (wie etwa: Wahrheit) treten.
4
Abschließend ist festzuhalten, dass der Konstruktivismus gar keine so neue, aber in den letzten Jahren vermehrt
beachtete Position eingenommen hat. Dies lässt sich damit erklären, dass seit den 70er Jahren die
Zerbrechlichkeit der modernen Sozialsysteme immer offenkundiger wurde. Und diesem Zustand zunehmender
Unsicherheit über das Makrogeschehen entkommt der Konstruktivismus mit seiner Ausrichtung auf das
Individuum und dessen Kognitionen.
5.5. Das Fernsehen – ein Jahrhundertmedium
Das Massenmedium Fernsehen ist aus unserem Alltag kaum noch wegzudenken. Entsprechend groß ist die
Anzahl von Veröffentlichungen über dieses Medium, von euphorischen Hoffnungen bis zu kulturpessimistischen
Angstparolen.
Bereits in den fünfziger Jahren, in den Anfängen des Fernsehens, verstand der Philosoph Günther Anders (1956)
etwas "Epochales" unter diesem Medium. Er erkannte früh schon Entwicklungslinien, die erst viel später von der
Forschung wieder aufgegriffen wurden. Z. B. sprach er vom "Besetztsein" von Augen und Ohren und des daraus
folgenden pausenlosen Konsums, erkennbar an den heute empirisch nachgewiesenen Vielsehern. Auch formte
er den Begriff des "Massen-Eremiten", der durch die Zunahme der Einpersonenhaushalte bereits Realität wurde
und des "negativen Familientisches", der nicht mehr Mittelpunkt, sondern Fluchtpunkt der Familie repräsentiert.
5.5.1. Fernsehen als gesamtgesellschaftliches Phänomen
Günther Anders war der Ansicht, dass nicht nur die Fernsehinhalte eine Wirkung auf unsere Gesellschaft und das
Individuum ausüben, sondern die bloße Existenz des Fernsehens Veränderungen in unserem Alltagsleben
verursacht. Weitere wichtige Exponenten der Fernsehforschung folgen:
Marshall McLuhan
Seine zentrale Idee war, dass alle Medien im Wesentlichen dazu dienen, den menschlichen Körper zu erweitern:
das Rad als Erweiterung des Fußes, die Kleidung als Erweiterung der Haut, die Elektrizität als Erweiterung des
Zentralnervensystems usw. Sein Leitsatz war: Das Medium ist die Botschaft – unabhängig vom transportierten
Inhalt verändert das Medium bereits selbst die menschliche Erfahrung. Im Fall der elektronischen Medien trete
eine Verschmelzung zum 'globalen Dorf' auf. Privatleben und Gesellschaftsleben verschmelzen zu einem
Informationsprozess. Das Erleben von fernen Ereignissen im trauten Heim verändert das Bewusstsein des
Zuschauers. Als Kritikpunkt an seiner Theorie gilt, dass er ein zu positives Bild von den Auswirkungen der
Massenkommunikation predige und die elektrischen sowie elektronischen Medien überbewerte. Positiv zu
erwähnen ist, dass er nicht bei den Medieninhalten halt machte und die Massenmedien als
gesellschaftsgestaltendes Element charakterisierte.
Neil Postman
Postman hat eine etwas pessimistischere Sichtweise. Mit der Erfindung des Telegraphen sei die "Idee der
kontextlosen Information" geboren worden. Nutzlose Information musste nun wegen der Fernübertragung von
Informationen in neuem Kontextscheinbar nützlich gemacht werden. Daraus folge ein "Pseudokontext", der einzig
darauf abziele, uns zu amüsieren. Das Fernsehen gilt für Postman als Inkarnation dieses Pseudokontextes und
sei "dabei, unsere Kultur in eine riesige Arena für das Showbusiness zu verwandeln".
Seine Diagnose lautet: Wir amüsieren uns zu Tode.
Das Fernsehen habe jedoch auch die symbolische Umwelt des Menschen fundamental verändert. Das
Verständnis von 'Kindheit' kam erst mit Gutenbergs Erfindung der Druckerpresse auf, da so zwischen gebildeten
Erwachsenen und Kindern ohne exklusives Wissen unterschieden werden konnte. Vorher galten Kinder als kleine
Erwachsene. Im Zeitalter des Fernsehens verschwindet dieses Mittel wieder, da es für die symbolischen
Fernsehbilder, die kein kognitives Rätsel mehr aufgeben, "kein ABC" gibt.
Joshua Meyrowitz
Wie der Soziologe Erving Goffman (1969) gilt für ihn die "Definition der Situation", d. h. das persönliche Verhalten
einer Person hängt vom Ort des Geschehens ab. Wie ein Schauspieler wechsle man je nach Situation seine
Rolle und realisiere so seine Identität gegenüber anderen.
4
Nach Meyrowitz verändert das Fernsehen nun unseren "Ortssinn" und hebt die Trennung zwischen 'Hier', 'Dort',
'Live' und 'Aufgezeichnet', 'Öffentlich' und 'Persönlich' auf. Dies ist für ihn eine zentrale Ursache für
gesellschaftliche Veränderungen der letzten Jahrzehnte, besonders in drei Bereichen: die Vermischung von
Männlichkeit und Weiblichkeit, von Kindheit und Erwachsensein und der Prestigeverlust politischer Autoritäten.
Das Fernsehen entmystifiziert dem Publikum sonst unzugängliche Orte.
Fernsehen im Alltag
Fernsehen ist als Haupttätigkeit in der Freizeit bei Amerikanern an erster Stelle. Die Nutzungsdauer blieb
anhaltend konstant oder stieg sogar, unbeachtet von Programmänderung und Rezeptionssituation: DE 1964: 1
Std. 58 Min., DE 1990: 2 Std.
13 Min.
Die Vielseher, eine "Negativfigur der Medienforschung" (Darschin, 1987), machen 25-30% der Bevölkerung aus
und finden sich vor allem unter Frauen, Volksschülern, Nichtberufstätigen, älteren Menschen etc. Sie bringen es
auf über 4 Stunden TV-Konsum pro Tag, in Amerika sogar auf 8 Stunden.
Fernsehen als Zeitfaktor
Das Fernsehen gilt nach Neverla (1990) als "sozialer Zeitgeber" und vereinigt verschiedene Zeitkonstrukte wie
"Endloszeit" (da rund um die Uhr gesendet wird), "Nullzeit" (durch Eliminierung der Differenz zwischen Ereignis
und Berichterstattung) und "Laborzeit" (Montagetechnik, Zeitlupe etc.). Einerseits spart das Fernsehen den
Eiligen Zeit, indem sie z. B. in kurzer Form die Nachrichten des Tages aufnehmen können, andererseits gilt es
vor allem für ältere Menschen als Zeitfüller. Das Fernsehen gibt dem Alltag Struktur und stützt Gewohnheiten.
Kulturoptimistisch lässt sich dies (im Kern empirisch abgesichert) deuten: Die Zuschauer sind auf dem Weg, ihre
individuellen Eigenzeiten gegen die Eigenzeit des Fernsehens zu schützen. Eine solche zweckbestimmte
Instrumentalisierung scheint sich insgesamt herauszubilden, z. B. in den Homogenisierungstendenzen der
rezipierten Inhalte: Spielfilme werden im Fernsehen angesehen, Rock- und Popmusik im Radio gehört.
5.5.2. Fernsehen und Realität
Entgegen den früheren Vermutungen, dass Fernsehen Wirklichkeit nahe zubringen scheint, ist man mittlerweile
der Meinung, Fernsehen vermittle eine Scheinwelt. Die Illusion ziehe dabei Zuschauer oft so in den Bann, dass
sie das Gezeigte für pure Realität halten. Es soll nun auf die Frage eingegangen werden, ob und wie sich die
individuell erlebte mit der gezeigten Realität vermischt.
Das Vermischen von Tatsache und Fiktion
Kinder müssen lernen, zwischen der realen und der fiktiven Welt zu unterscheiden. Es gibt aber auch für
Erwachsene Abgrenzungsschwierigkeiten. Wenn Information durch Werbung und diese durch Unterhaltung
abgelöst wird, kommen die verschiedenen Wirklichkeiten – dokumentarische, fiktionale, intentionale – für den
Zuschauer ins Gleiten.
Insbesondere jüngere und jüngste Rezipienten ziehen so auch falsche Rückschlüsse auf die Wirklichkeit. Das
wohl bekannteste Beispiel einer Vermischung von Fiktion und Information ist das mit scheinbar echten
Reportageelementen durchsetzte Hörspiel "Krieg der Welten" von Orson Welles, das im Jahre 1938 Tausende
Amerikaner in Panik versetzte. In Deutschland wurde 1970 die Sendung "Millionenspiel" gesendet, in der eine
dreiköpfige Killergruppe während 7 Tagen einen freiwilligen Kandidaten jagte, wobei der Sieger eine hohe
Geldprämie erhalten sollte. Von vielen Zuschauern wurde der Film als echte Live-Sendung empfunden, denn
einige Personen boten sich danach als Kandidaten für weitere Folgen an.
Erfahrung aus zweiter Hand
Das Fernsehen vermittelt dem Rezipienten Sekundärerfahrungen. Das, was man früher 'vom Hörensagen'
erfuhr, wird heute durch Presse, Radio und Fernsehen vermittelt. Damit vollziehe sich auch der Prozess
gesellschaftlicher Entwicklung schneller, weil die geographische Mobilität durch psychische Mobilität mehr und
mehr ersetzt wird. Nach Merkert (1968) findet damit eine Art "Ausweitung des menschlichen Sensoriums statt".
Primärerfahrungen negativer Art könnten vorweggenommen werden, z. B. durch TV-Produktionen im Bereich der
Unfallverhütung. Doch da es sich dabei nur um Bilder von der Wirklichkeit handle, könne auch die optimale
Gestaltung einer solchen Sendung die eigene Erfahrung nicht ersetzen (Mundzeck, 1973). Das Fernsehen liefert
jedoch alle Voraussetzungen eines "Hyperrealismus" (Baudrillard, 1978), der in eine Vermischung zwischen
4
Realem und Medialem mündet und den Stellenwert der eigenen, persönlichen Erfahrung zumindest fragwürdig
erscheinen lässt, wovor auch Erwachsene nicht immun seien.
Empirisch lassen sich hier nur Tendenzen über Generationen andeuten. Kritisiert wird vor allem die oft
kausalanalytisch angelegte Argumentation: "Das Fernsehen ist schuld an...", was für komplexe Probleme der
Medienwirkung unangemessen sei. Eine aktive Verdrängung von Primärerfahrung lässt sich jedenfalls nicht
nachweisen. Die Bedeutung des persönlichen Erlebnisbereiches ist trotz der Zunahme des Fernsehens innerhalb
der Vergleichsjahre sogar gestiegen. Dennoch etablierte sich seit den siebziger Jahren von den USA aus eine
Forschungsrichtung, die sich mit den Auswirkungen der im Fernsehen dargestellten Realität auf die
Alltagswirklichkeit der Zuschauer befasst. Es komme zu einer "Kultivierung" eines Weltbildes, das mit den realen
Gegebenheiten nur sehr wenig zu tun habe.
5.5.3. Die Kultivierungsthese
Die Wirkung des Fernsehens besteht nach dieser These weniger in der Vermittlung spezifischer Einstellungen
und Meinungen, als vielmehr in der Kultivierung grundlegender Einstellungen über die soziale Realität.
Diesbezüglich wurden vor allem Untersuchungen über Gewalt in TV-Programmen und einem Einfluss der
Rezeption auf die Einstellung der Zuschauer gemacht. Nach der Kultivierungsthese trage das Fernsehen dazu
bei, die Welt angsterregender und bedrohlicher zu empfinden, als sie ist und die Zuschauer sich stärker bedroht
fühlten, als dies nötig wäre. In Untersuchungen teilte man Fernsehzuschauer nach der Häufigkeit ihres TV-
Konsums ein und erfasste ihre Ängstlichkeit. Es stellte sich heraus, dass die Zuschauer desto ängstlicher waren,
je öfter sie fern sahen. In den achtziger Jahren wurde die These im Lichte heftiger Kritik auf Themen außerhalb
des Gewaltbereiches ausgedehnt: Unter "Main-streaming" versteht man die vereinheitlichende Wirkung des
Fernsehens bezüglich der Meinungen der Zuschauer – Vielseher haben durch extensiven TV-Konsum ähnlichere
Einstellungen zu bestimmten Problemen als die Wenigseher dieser Gruppen.
Kritik an der Kultivierungsthese
Die Definitionen der Sehergruppen waren so unterschiedlich, dass Befragte in einer Untersuchung als Vielseher
galten, in einer anderen jedoch als Wenigseher. Außerdem führte eine separate Berücksichtigung von
Nichtsehern zum umgekehrten Ergebnis:
Nichtseher gaben durchgehend mehr Fernsehantworten als Wenigseher. Weiter zeigt sich auch der doch hohe
Einfluss des Bildungsgrades auf die unterstellten Effekte.
Außerdem handelt es sich hierbei um Korrelationen, welche keinen kausalen Zusammenhang erklären können.
Am Beispiel Alter: Alte Leute sehen mehr fern als Junge, sind aber – unabhängig vom TV-Konsum – vielleicht von
Natur aus ängstlicher und misstrauischer. Nach Bonfadelli (1938) gilt es auch, ein viel komplexeres
Wirkungsgeschehen darzustellen. Wenn z. B. Modellernen oder Informationsmotive hinter dem TV-Konsum
stehen, zeigen sich schon bei geringem Fernsehkonsum starke Kultivierungseffekte.
Auch eine Untersuchung von Barth (1985) zeigt, dass die Korrelationen zwischen Fernsehnutzung und
Realitätswahrnehmung schwach waren und ebenso wahrscheinlich andere Faktoren aus der Lebensgeschichte
der befragten Personen dies beeinflussten. Deshalb dürften diese Ergebnisse keinesfalls als kausale
Zusammenhänge im Sinne einer Wirkung des Fernsehens interpretiert werden.
Vitouch brachte 1993 die psychologischen Konzepte der "Kontrollüberzeugung" und "gelernten Hilflosigkeit" in
diesen Kontext. Ängstliche Rezipienten sehen demnach eher Unterhaltungssendungen, um den Gefahren- und
Angstreizen von Informationssendungen zu entfliehen.
5.5.4. Fernsehen und Gewalt
Die hohe Gewaltrate in TV-Programmen (in 70% aller US-Sendungen der Prime-Time Gewaltdarstellungen mit im
Schnitt 5.7 Gewaltakten pro Stunde) ist immer wieder der Anlass für Untersuchungen über kausale
Zusammenhänge von TV und Gewalt. Auch in deutschsprachigen Sendungen wurden pro Sendung im Schnitt
11.1 Gewaltakte von 5.6 Minuten Dauer gezählt. Dies kann mit dem Buhlen der TV-Anstalten nach höheren
Einschaltquoten erklärt werden. Fernsehgewalt ist v. a. mit der maskulinen Rollen verbunden und wird zwischen
Fremden ausgeübt, kann für den Empfänger tödlich sein, ist aber sehr selten schmerzhaft. Insgesamt wird Gewalt
als normale, alltägliche Verhaltensstrategie gezeigt, auf die auch moralisch integre Personen ohne Skrupel
4
zurückgreifen. Deshalb entstand eine Vielzahl von Thesen über die Wirkung solcher Gewaltdarstellungen auf die
Gesellschaft, insbesondere auf Kinder und Jugendliche:
TV-Gewalt These
Verhindert reale Gewalt Katharsisthese Inhibitionsthese Stimulationsthese Fördert Gewaltbereitschaft
Erregungsthese Imitationsthese Suggestionsthese Führt zur Abstumpfung gegen Gewalt
Habitualisierungsthese
Bewirkt unmittelbar gar nichts These von der Wirkungslosigkeit
Die Katharsisthese
besagt, dass die Betrachtung medialer Gewaltdarstellungen die Aggression bzw. die Aggressionsbereitschaft der
Rezipienten senkt. Durch das dynamische Mitvollziehen von Gewaltakten kann die nach Freudscher Triebtheorie
angesammelte aggressive Energie entladen werden. Alle Formen der Katharsistheorie (s. S. 338) können als
widerlegt angesehen werden.
Die Inhibitionsthese
besagt, dass insbesondere realistische Gewaltdarstellungen, in denen die Konsequenzen von Gewalt deutlich
gezeigt werden, eher Angst denn Aggression bewirken und sich die Bereitschaft der Zuschauer mindert, selbst
aggressiv zu werden. Die vorliegenden Forschungsergebnisse zeigen jedoch, dass durch den Konsum violenter
Medieninhalte keine Aggressionsreduktion erfolgt.
Die Stimulationsthese
Behauptet im Gegensatz zu den vorhergehenden Thesen, dass mediale Gewaltdarstellungen die
Aggressionsbereitschaft sowie tatsächlich geübtes aggressives Verhalten beim Betrachter steigern. Von dieser
These gibt es mehrere Varianten mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Die allgemeinste ist
Die Erregungsthese
Medieninhalte können die Rezipienten generell in Erregung versetzen. Da gerade Gewalt und Sex emotional
bewegende Inhalte sind, erklärt sich, warum dies immer mehr in Filmen gezeigt wird: um Zuschauer anzuziehen.
Die verursachte emotionale Erregung ist um so größer, je mehr die Handlung in einem dem Rezipienten
entsprechenden Milieu stattfindet. Diese allgemeine (nicht bloß auf Gewaltinhalte) bezogene Erregungsthese ist
empirisch abgesichert.
Die Imitationsthese
ist besonders mit der Theorie des Modelllernens von Bandura (1979) verknüpft. Violente
Unterhaltungssendungen versorgen demnach die Zuschauer (insbesondere Kinder) mit Handlungsmustern, die in
ähnlichen Situationen nachgeahmt werden. Die Aussagekraft von Experimenten, in denen Kindern Filme gezeigt
werden, wo an Plastikpuppen aggressives Verhalten vorgeführt wurde und die Kinder dies in ähnlichen
Situationen reproduzierten, wird eher bezweifelt. Eine modifizierte Form der Imitationsthese ist
Die Suggestionsthese
Eine medial gezeigte Gewalttag besitzt nach dieser These eine derart suggestive Wirkungskraft, dass es mehr
oder weniger direkt im Anschluss daran zu Nachahmungstaten kommt. Als Beispiel werden Studien mit Berichten
von Selbstmorden (z. B. Marylin Monroe) genannt, nach denen die Selbstmordziffer anstieg.
Die Schwäche dieser Statistiken liegt allerdings darin, dass es sich hiermit um Aggregatsdaten handelt, die noch
der Ergänzung durch Einzelfallstudien bedürfen. Es könnten ja vielleicht nur ganz bestimmte Persönlichkeiten in
ebensolchen psychischen Situationen sein, die diese Taten nachahmen.
Habitualisierungsthese
Die Sensibilität gegenüber Gewalt nimmt durch den ständigen Konsum von Fernsehgewalt ab. Die Zuschauer
gewöhnen sich an die Gewalt. Es gibt zwei ältere Experimente, die diese These nachgewiesen haben, spätere
Studien konnten sie aber nicht bestätigen. Überraschenderweise liegen für diese These jedoch insgesamt kaum
empirische Untersuchungen vor.
4
Die These von der Wirkungslosigkeit
Die Vertreter dieser These behaupten nicht, dass Fernsehen keine Wirkung hätte, sondern dass noch keine
einzige langfristige Studie den Nachweis erbrachte, dass Gewaltdarstellungen zu einem Ansteigen tatsächlicher
Gewalt führen. Außerdem können die Laborexperimente nicht auf natürliche Umgebungen übertragen werden.
Eine sozialschädliche Wirkung von Gewalt sei deshalb nicht zu erwarten, weil die gesellschaftlichen Normen
gewalttätiges Verhalten verurteilen. Komme es in Einzelfällen zu Nachahmungstaten, so sei dies ein höchst
seltenes Ereignis, das "individuell bedauerlich, aber gesamtgesellschaftlich ein Randproblem" sei (Haase 1981).
Diese Position steht in Einklang mit dem aktuellen Erkenntnisstand Massenmedialer Wirkungsforschung, wonach
der direkte Schluss vom Inhalt auf die Wirkung schlicht falsch sei.
Resümee
Die möglichen negativen Wirkungen von Gewaltdarstellungen sollten nicht herabgespielt werden.
Erwiesenermaßen bewirkt Fernsehgewalt ja kurzfristige emotionale Erregung (Erregungsthese) und es wird
niemand dadurch friedlicher (Widerlegung der Katharsisthese). Es ist wichtig, die Randbedingungen der Wirkung
gewalttätiger Inhalte zu kennen: als primäre Sozialisationsinstanz gilt die familiäre Umwelt, dann die Subkultur, in
der wir uns bewegen und erst an dritter Stelle die Massenmedial angebotenen symbolischen aggressiven
Modelle. Kunczik weist auch darauf hin, dass aggressive Individuen vielleicht eben eher aggressive Inhalte
bevorzugen und man es deshalb mit einem sich selbst verstärkenden Prozess zu tun haben könnte. Deshalb
scheinen Modelle zur pädagogischen Auseinandersetzung mit Gewalt im Fernsehen eminentes
gesellschaftspolitisches Gewicht zu erhalten. Von besonderer Bedeutung sei letztlich aber das persönliche
Umfeld, besonders bei Kindern und Jugendlichen. Kinder und Jugendliche, die in einem "intakten" sozialen
Umfeld leben, scheinen durch Gewaltdarstellungen im Fernsehen nicht gefährdet zu sein.
5.5.5. Fernsehen und Bildung
Der bekannteste Versuch, Lernen via Fernsehen anzubieten, war die Fernsehserie „Sesame Street“ im Jahre
1969 in den USA. Ziel war Vorschulkinder auf die Schule vorzubereiten und schichtspezifisch bedingte
Unterschiede auszugleichen. Das zweite Ziel konnte nicht befriedigend erfüllt werden; man erkannte, dass die
Mitwirkung der Eltern eine wesentliche Verstärkerbedingung darstellte und dass diese Bedingung gerade in
tieferen sozialen Schichten oftmals nicht genügend vorhanden war. Fernsehen kann also bestenfalls
Nachhilfelehrer sein, den wirklichen Erzieher und die Eltern kann es nicht ersetzen.
Winterhoff-Spurk (1986) kam in einer Sekundäranalyse zum Schluss, dass weniger als ½ Prozent der
Schulleistungen durch den Fernsehkonsum bestimmt ist. Auch beim Zusammenhang zwischen Fernsehen und
Sprachentwicklung & Kreativität/Phantasie wird die Einflussgröße „Eltern“ als wichtiger Faktor gesehen.
5.5.6. Fernsehen und Lesen
Fernsehen und Zeitung: Diagnose einer erfolgreichen Koexistenz; eine Langzeitstudie ergab, dass der tägliche
Zeitaufwand für die Zeitungslektüre mit ½ Std. konstant blieb. Lediglich das Gesamtzeitbudget für Mediennutzung
ist seit den 60er Jahren von knapp über 3 auf 5.5 Std. täglich gestiegen.
Fernsehen und Bücher: Studien aus Österreich ergaben eine kontinuierliche Steigerung der (fast) täglichen
Buchleser seit 1972. Allerdings muss zwischen Viel- und Wenigleser unterschieden werden: Wenigleser sehen
mehr fern als die Vielleser und umgekehrt. Auch heute noch zeigen sich Trends, die an die berühmte „more and
more-Regel“ (Lazarsfeld et al., 1948) erinnern, nach der Menschen, die ein Medium nutzen, auch andere Medien
mehr nutzen. Printmedien dürfen daher nicht als Gegensatz zu den AV-Medien gesehen werden, sie existieren
neben- und miteinander.
5.5.7. Fernsehen und Familie
Wie bei allen Medien, dürfen auch die fernsehbezogenen Nutzungsmuster nicht isoliert betrachtet werden,
sondern immer im Zusammenhang mit den realen und praktizierten Interaktions- und Kommunikationsqualitäten
in Familien. Je nach Familientyp erfüllt das Fernsehen unterschiedliche soziale Funktionen wie z. B.:
4
Konfliktregulierung, Bereitstellung von Gesprächsmustern oder Vermittlung von Werten. Interpretiert man das
Fernsehverhalten als Teil familialer Gruppenprozesse, so erkennt man, dass es nur an der Oberfläche ein
gemeinsames Handeln darstellt, was lediglich als Verhaltensroutine eingestuft werden kann. Außerdem führt es
kaum zu interpersonaler Kommunikation und auch das Sozialverhalten der Familie wird kaum angeregt.
Weitere Befunde zeigen, dass mit steigender sozialer Schicht nicht nur weniger ferngesehen wird, es zeigen sich
auch unterschiedliche Publikumszusammensetzungen. Während in Unterschichtfamilien die ganze Familie häufig
gemeinsam fernsieht (wobei in der Beteiligung der Vater dominiert), bilden sich in Mittel- und Oberschichtfamilien
sog. „Generationen-Publika“ (Hunziker, 1977), die sich häufig durch eine stärkere Beteiligung der Mütter am
kindlichen Fernsehen auszeichnen.
Wie schon erwähnt, lässt sich der Fernsehkonsum nur im Kontext mit interpersonalen Kommunikationsstrukturen
in der Familie betrachten. Neben der sozialen Schicht stellen v. a. das Familienklima, das Erziehungs- und das
Gesprächsverhalten eigenständige Faktoren in der Erklärung des Medienverhaltens dar (Hurrelmann, 1989). Es
ist also schlicht zu eindimensional, wenn man nach „dem“ Einfluss des Fernsehens auf „die“ Gesellschaft –
zuletzt eben auf „die Familie“ fragt. Man wird die Realität der Fernsehgesellschaft nur dann angemessen
wahrhaben können, wenn man sich stets auch auf das soziale Umfeld besinnt, in dem die konkrete
Fernsehrezeption jeweils stattfindet.
5.5.8. Die Zerstückelung des Fernsehens
Im Folgenden ist die Rede von „Switchen“, „Zappen“, „Grazen“, „Flippen“ und „Zippen“, alles Bezeichnungen für
„Channel-Hopping“, ein Zuschauerverhalten, das mit dem Ansteigen der Zahl der Fernsehkanäle und mit der
Verbreitung von Fernbedienungen aufzutreten begann.
„Switching“ ist die Angewohnheit eines wachsenden Teils der Zuschauer, mit der Fernbedienung zwischen den
Kanälen hin und her zu wechseln und nicht mehr eine Sendung von Anfang bis Ende, sondern im Extremfall alle
parallellaufenden Sendungen, jede eine kurze Zeit lang, zu verfolgen.
„Zapping“ (gleiches Verhaltensmuster wie beim „Switching“) bedeutet häufiges Umschalten und Kanalwechsel
während laufender Sendungen. Oft wird dabei gezielt Werbung ausgeblendet.
„Grazing“ heisst soviel wie „abgrasen“ aller zur Verfügung stehenden Fernsehkanäle. Es erfolgt weniger rasch als
Switching oder Zapping.
Doelker (1989) differenziert noch weiter und führte 3 weitere Begriffe ein. Das „Flipping“ wird gebraucht für ein
Wechseln des Kanals zur Umgehung eines Werbeblocks. Für das Überspringen der Werbung bei auf
Videorecorder aufgezeichneten Programmen durch den schnellen Vorlauf wird der Ausdruck „zipping“ verwendet
und der Begriff „zapping“ wird gebraucht, wenn man bei der Aufzeichnung von Programmen die Werbung (durch
Drücken der Pausetaste) überspringt.
Ernsthafte empirische Untersuchungen zu den Begriffsfunktionen liegen noch nicht vor.
5.5.9. Vielkanalfernsehen, Politik und Videomalaise
Das Switchen, Zappen, ... wäre nicht möglich ohne das Vorhandensein vieler Programme.
Aus der Perspektive der politischen Funktionen der Massenmedien erscheint es nicht unerheblich wie Fernsehen
unter solchen Vielkanalbedingungen genutzt wird und welche Konsequenzen daraus erwachsen. Dies bezieht
sich nicht nur auf die Dauer, sondern vor allem auch auf die Art der Selektion. Befunde aus Deutschland zeigen,
dass die meisten Rezipienten nur ein begrenztes „Channel-Repertoire“ haben. Dieses lag bei ca. 2-5 Kanälen.
32 Prozent erwiesen sich jedoch als „Vielkanalseher“, die 6 oder mehr Sender regelmäßig sehen. Diese
verbringen pro Tag jedoch auch nahezu doppelt soviel Zeit (201 Minuten) vor dem Bildschirm wie
Wenigkanalseher (106 Minuten), verwenden diese Zeit jedoch auch für Informationssendungen, und zwar
häufiger als Personen mit geringem Channel-Repertoire.
Offensichtlich profitieren also die Vielkanalseher vom vermehrten politischen Angebot im Fernsehen. Es zeigt sich
jedoch, dass sie, zusammen mit extensiven Nutzer, ein besonders negatives Bild von Politik haben. Dies entsteht
wahrscheinlich durch den eher oberflächlichen Mediennutzungsstil; die durch Zapping, Grazing etc. erhaschten
Bruchstücke an Informationen verhindern womöglich deren angemessene Verarbeitung. Außerdem begünstigt
dieser Nutzungsstil wahrscheinlich den Kontakt zu Nachrichten mit hoher Auffälligkeit, mit hohem
5
Nachrichtenwert, und dies sind bekanntlich wiederum jene, die besonders spektakuläre, sensationelle und damit
meist auch negative Aspekte von Politik in den Vordergrund heben.
Diese Beobachtung erinnert an die These von der sog. „Videomalaise“, die von Michael J. Robinson (1976)
populär gemacht wurde. Sie ging von einem zu vereinfachten Ursache-Wirkung-Zusammenhang aus und gab
dem Fernsehen die Schuld an der wachsenden Politikverdrossenheit der amerikanischen Bevölkerung. Robinson
zeigte in Untersuchungen, dass derartige Einstellungskomplexe v. a. bei jenen Personen zu finden waren, die das
Fernsehen als wichtigste Quelle für ihre politische Information angeben. Seinen Erklärungen zufolge würde das
Fernsehen durch negative Politikberichterstattung, die Konflikt und Gewalt überbetont, die Menschen von der
Politik entfremden.
Die These wurde inzwischen mehrfach überprüft und ist in ihrer ursprünglichen Form nicht mehr haltbar. Man
erkannte die Problematik von (mono)kausalen Erklärungsversuchen und dadurch die Relevanz von weiteren
Faktoren wie Bildung und politisches Interesse.
Außerdem ist auch der umgekehrte Zusammenhang denkbar: politisch bereits entfremdete Personen wenden
sich eher den unterhaltenden (und somit meist spektakulären und sensationsträchtigen) Medienangeboten zu und
werden dadurch in ihrer negativen Einstellung zu Politik wiederum bestätigt. Auch wenn das Fernsehen eindeutig
eine beeinflussende Wirkung hat, müssen ebenso der gesamte Sozialisationsprozess sowie andere
kommunikative Aktivitäten in Untersuchungen miteinbezogen werden.
5.5.10. Multimedia, Internet und die Zukunft des Fernsehens
Das Wort Multimedia bezeichnet ein Entwicklung, die Fernsehgerät, Personalcomputer und Telefon zu einer
kommunikativen Universalmaschine vereinigt, in der viele kommunikative Tätigkeiten (wie z. B. Tele-Banking)
zusammenlaufen. Diese Kombination unterschiedlicher medialer Techniken läuft auf einer einzigen
Bildschirmoberfläche ab, dem Personalcomputer.
Multimedia besitzt im wesentlichen 3 Merkmale: Möglichkeit der interaktiven Nutzung, integrative Verwendung
verschiedener Medientypen sowie die digitale Technik. Durch die Entstehung des Internet (Zusammenschluss
von regionalen, nationalen und übernationalen Computernetzen, die über Standleitungen weltweit miteinander
verbunden sind) ist der Begriff der Interaktion mit den Medien ins Zentrum gerückt und die
Rollenfestschreibungen zwischen „Sender“ und „Empfänger“ sind ins Wanken geraten.
Abgesehen von der Interaktion mit anderen Menschen über den Daten-Highway ist auch der Zugriff auf
Datenmengen ungeahnten Ausmaßes möglich. Wichtig sind dabei die Orientierungshilfen, um eine
Informationsüberflutung zu vermeiden und eine angemessene Auswahl der gesuchten Infos zu ermöglichen.
Durch das Zusammenwachsen von Telekommunikations- und Computertechniken (Konvergenz) befürchtet man
eine Verdrängung älterer Medien. Allerdings hat noch niemals in der Mediengeschichte eine neue mediale
Vermittlungstechnik eine ältere gänzlich verdrängt. Vielmehr gilt, „dass die verschiedenen Medien
unterschiedliche Konsumentenbedürfnisse unterschiedlich gut befriedigen und dass die meisten Menschen auch
Bedürfnisse haben, die das Fernsehen, Bücher und Zeitungen oder auch das Radio besser befriedigen können
als der Computer“ (Stipp, 1998).
Ein Blick in die Online-Zukunft:
Was die seit dem Ende des 20. Jh.s. wachsende Verbreitung der Online-Kommunikation für die Zukunft unserer
Gesellschaft bedeutet, ist derzeit noch nicht seriös diagnostizierbar, um so heftiger wird auch spekuliert. Faktum
ist aber: mit dem ständig wachsenden Zugang zum Internet vermehrt sich das Angebot an medialen Produkten.
Welche Auswirkungen daraus resultieren (z. B. Informations-/Angebotsüberflutung) ist aber noch unbekannt.
Selektivität:
Unter Selektion kann man denjenigen Aspekt des Nutzungs- und Rezeptionsprozesses begreifen, bei dem vor
dem Hintergrund begrenzter Ressourcen die eingehende bzw. aufgenommene Informationsmenge auf ein
erträgliches, nützliches oder angenehmes Maß für die Weiterverwendung reduziert wird. Das selektive Verhalten
der Nutzer wird immer stärker als jene Variable in den Mittelpunkt rücken, die das Rezeptionsverhalten steuert,
und zwar insbesondere mit Blick auf die wachsende Zahl der Online-Angebote. Im Gegensatz zur „Push-Struktur“
der traditionellen Massenmedien liegt hier eine Pull-Struktur“ vor: Online-Inhalte kommen nicht wie „von selbst“
auf ihr Publikum zu, sondern sie müssen aus dem Angebot gezielt herausgeholt („angeklickt“) werden.
Interaktivität:
5
Durch die Verbindung von Telekommunikation und Computertechnik entstand eine technische Infrastruktur, die
neue Möglichkeiten der sozialen Interaktion hervorbrachte (sog. Virtuelle Gemeinschaften). Auch Online-
Nachrichten werden – abgesehen von der schnellen Verfügbarkeit – daher häufig aufgesucht, weil man individuell
Interessantes gezielt auswählen kann und nicht mehr auf Programmabläufe angewiesen ist.
Konkurrenz oder Komplementarität:
Bisherige Daten zeigen, dass sich die Effekte der Online-Nutzung auf die Nutzung herkömmlicher Massenmedien
in Grenzen halten. Substitutionseffekte lassen sich allerdings eher beim Fernsehen und bei der Tageszeitung
erkennen und Komplementaritätseffekte beim Radio und bei bestimmten Typen von Publikumszeitschriften.
Eines scheint sicher: der Bedarf nach Unterhaltung und Information wird in Zukunft weiterhin bestehen und
befriedigt werden müssen, und die Online-Medien werden dabei einen unbestreitbaren Stellenwert einnehmen.
5.6 Funktionen der Massenmedien
Dieser Abschnitt befasst sich mit den Leistungen, die die das Massenkommunikationssystem in Hinblick auf den
(Fort-)Bestand eines Gesellschaftssystems erbringen, erbringen müssen oder sollten.
Der Begriff Funktion wird systemtheoretisch Hergeleitet (Stichworte: überwinden „Zwei - Variabeln - Probleme;
Analyse komplexer Zusammenhänge). Funktionen sind demnach eine gewisse Art von Wirkungen im System.
Ein soziales System besteht „aus faktischen Handlungen, die sinngemäß zusammenhängen“ (Luhmann, 1970)
und aus Personen. Personen sind Aktionssysteme eigener Art. Soziale Systeme haben Bedürfnisse. Um
fortzubestehen müssen sie Probleme lösen, z. B. sich an die verändernde Umwelt / Rahmenbedingungen
anpassen (moderner Funktionalismus).
Es wird zwischen funktionalen (für die Passung System-Umwelt förderliche) und dysfunktionalen (die Passung
System-Umwelt beeinträchtigende/mindernde) Leistungen eines Systems unterschieden.
Medien haben für verschiedene Gesellschaftssysteme (Bezugsrahmen), in unserem Falle eine westlich-
kapitalistische Industriegesellschaft, verschiedene Bedeutungen.
Die Massenkommunikation selber findet in verschiedenen gesellschaftlichen Sub-Systemen statt, nämlich im
sozialen, politischen und ökonomischen. Jedes dieser Umfelder hat andere Erwartungen an die Leistungen
der Massenmedien. Auch erfüllen die Massenmedien für jedes dieser „Sub-Systeme“ andere Aufgaben. ..and so
on… Die eigentliche Leistung ist dabei die Vermittlung von Information.
5.6.1 Soziale Funktionen
Es werden 4 soziale Hauptfunktionen, also Leistungen der Massenmedien in Hinblick auf das soziale System,
genannt: Sozialisationsfunktion, soziale Orientierungsfunktion, Rekreationsfunktion (Unterhaltung,
Eskapismus) und die Integrationsfunktion.
Sozialisationsfunktion
In komplex organisierten Industriegesellschaften werden Rollenmuster nicht mehr vor allem in Primärgruppen
(Eltern, Verwandtschaft) gelernt. Rollen werden durch Aussagen in den Massenmedien transportiert. Der Mensch
wird durch Massenmedien „kulturalisiert“. Bildung und Erziehung werden zu einem (wesentlichen?) Teil durch die
Massenmedien übernommen. Ronneberger unterscheidet zwischen 4 typischen Sozialisatoren in den Medien:
Redaktion eines Mediums, natürliche Personen, literarische Symbolfiguren und Helden. (S.374) Sozialisation
durch Massenkommunikation findet nach ihm vor allem in zwei Hinsichten statt:
1. Vermittlung von Leitbildern, Werten und Normen des Denkens und des Handelns (wird aber eigentlich mehr
durch familiäres Umfeld übernommen)
2. Vermittlung von Denkformen und Verhaltensweisen, die das Leben in komplex organisierten
Gesellschaftssystemen überhaupt erst ermöglichen und die zugleich auch der Erhaltung und Weiterentwicklung
dieser Gesellschaft dienen.
Soziale Orientierung
Unsere westliche Industriegesellschaft - oder besser Informationsgesellschaft – ist hoch komplex. Die Vielfalt an
Möglichkeiten, Erlebenswelten, etc. ist unüberschaubar. Die Medien versorgen uns mit Details, die uns das
Zurechtfinden ermöglichen.
Rekreationsfunktion (Gratifikationsfunktion n. Saxer)
5
Eigentlich wird die Unterhaltungsfunktion angesprochen. Die Sorgen des Alltags durch Medienkonsum
vergessen, sich vor der eigenen Realität verstecken (Eskapismus).
Integrationsfunktion
Unsere Gesellschaft ist durch vielfältige Interessen differenziert. Um ein Auseinanderklaffen der verschiedenen
Interessengruppen, Verbände, Minoritäten etc. zu verhindern, müssen Integrationsleistungen erbracht werden.
Die Medien – vor allem öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalten – versuchen durch Darstellung verschiedener
Interessengruppen auf Ansichten aufmerksam zu machen. Auch werden Denk- und Verhaltensmuster etc.
angeboten. Als dysfunktionale Leistung nennt Maletzke Desintegration, nämlich das Auseinanderklaffen der
orientierten und nicht-orientierten Bevölkerungsgruppen.
5.6.2 Politische Funktionen
Es werden 4 politische Hauptfunktionen, also Leistungen der Massenmedien in Hinblick auf das politische
System, welches nach demokratischen Regeln organisiert ist, genannt: Herstellen von Öffentlichkeit,
Artikulationsfunktion, politische Sozialisations- bzw. Bildungsfunktion und die Kritik- und
Kontrollfunktion.
Herstellen von Öffentlichkeit:
Medien stellen „Raum“ zur Verfügung, in dem Öffentlichkeit erzeugt wird. Öffentlichkeit entsteht und besteht im
Wesentlichen dadurch, dass Informationen via Massenmedien zugänglich gemacht werden. Im demokratischen
System ist dies besonders für die Willensbildung, Meinungsbildung sowie die Diskussion von Standpunkten
wichtig (Medien als Podium für alle Interessengruppen). Dysfunktional ist das Herstellen von Öffentlichkeit, wenn
Inszenierung zum eigentlichen Erfolgskriterium der Politik wird (Worte statt Taten).
Artikulationsfunktion
Medien verhelfen der Vielfalt der vorhandenen Interessen und Meinungen zum Ausdruck. Funktion als
Sprachrohr für alle. Saxer erwähnt Korrelationsleistungen, die Abstimmung unterschiedlicher Standpunkte
aufeinander, also eine Verringerung der vorhandenen Standpunkte. (Journalist ist Übersetzer, der Bezüge
herzustellen versucht.)
Politische Sozialisationsfunktion
Ähnlich der Sozialisationsfunktion werden politischen Rollen (Wähler, Parteigänger, Opponent, Demonstrant etc.)
transportiert und transparent gemacht. Dem Individuum werden Möglichkeiten und Chancen der aktiven
Teilnahme am politischen Leben angeboten. Teil der politischen Sozialisation ist die politische Bildungsfunktion.
Damit ist gemeint, dass „die Medien für die Heranbildung von sich am politischen Prozess beteiligenden
Staatsbürgern einen Beitrag leisten“(Ronneberger).
Kritik- und Kontrollfunktion
Zentrales Kennzeichen der Demokratie ist die Fähigkeit und Möglichkeit von Mitgliedern der Gesellschaft zur
Kritik an (politischen) Machtträgern. Die Veröffentlichung der Standpunkte der Regierung, Opposition,
Gewerkschaft und anderen Interessengruppen macht die Medien zu einer Plattform der gegenseitigen Kritik.
Medien werden zum Kontrollorgan der kritisierten Zustände. Die Kritikfunktion kann nur durch Unabhängigkeit (z.
B. Zensurfreiheit)garantiert werden. Aus dysfunktionaler Perspektive bring diese Kontrollfunktion „öffentliche
Halbdenker“ hervor, die den Meinungsbildungsprozess durch das Äussern von halben Wahrheiten zu ihren
Gunsten beeinflussen.
5.6.3 Ökonomische Funktionen
Es werden 3 ökonomische Hauptfunktionen, also Leistungen der Massenmedien in Hinblick auf das
kapitalistische ökonomische System (mittelbare und unmittelbare Kapitalverwertung p.387), genannt:
Zirkulationsfunktion, regenerative Funktion
und die herrschaftliche Funktion. (Für alle Wirtschaftstheorie Interessierten: bitte selber nachlesen. Meiner
Ansicht nach ist dieses Kapitel nicht so wichtig.)
Zirkulationsfunktion
Danach unterstützen die Medien die Aktivierung der Ware-Geld-Beziehungen. In dem sie den Warenumschlag
beschleunigen, fungieren sie als Motor des kapitalistischen Wirtschaftskreislaufes. Zu dieser
5
„absatzökonomischen Funktion“ der Medien gehört, dass die Medienkonsumenten durch Werbung animiert
werden, um das kapitalistische Wirtschaftssystem zu stabilisieren.
Die Medien erbringen dazu folgende notwendige Leistungen:
- Wissensvermittlung: entscheidungskompetent und handlungsrelevant informiert sein (Möglichkeiten der
Gestaltung des gesellschaftlichen Lebens kennen; aber auch bewusst werden des Unterschiedes zwischen
eigenen Möglichkeiten und dem anzustrebenden Ideal)
- Sozialtherapie: Notwendigkeit, für die Defizite, Zwänge und Anforderungen, die die eigene soziale Lage
kennzeichnen, Entlastungs- und Kompensationsmöglichkeiten zu haben
- Legitimationshilfe: Notwendigkeit, die eigene Situation zu deuten und zu bewerten sowie die einem
begegnenden Zustände, Ereignisse und Verhaltensweisen rechtfertigen zu können. Gesellschaftliche Probleme
werden anhand einer Person mit Gesicht oberflächlich dargestellt (Personalisierung). Geht man nun davon aus,
dass durch die Wissensvermittlung und subjektive Unzufriedenheit kognitiv-emotive Dissonanzen entstehen,
lassen sich diese durch Sozialtherapie und Legitimationshilfe wieder abbauen. Also durch sozialen Vergleich mit
der vom Problem betroffenen Person geht es einem selber ja eigentlich recht gut und man möchte nicht
tauschen. Dadurch erhöht sich die Zufriedenheit. Alles klar? (nachzulesen Seiten 389-391)
Regenerative Funktion
Durch die Befriedigung der Informations- und Unterhaltungsansprüche des Publikums (Brot und Spiele) erhält die
Maße der Werktätigen Gratifikation. Diese wird benötigt um sich psychisch und physisch einigerMaßen zu
erholen, um motiviert wieder an die Arbeit zu gehen. (siehe Rekreationsfunktion)
Herrschaftliche Funktion
Nach Holzer erfüllen die Medien eine herrschaftliche Funktion indem alle Massenmedialen Informations- und
Unterhaltungsangebote letztlich zur Legitimierung und Propagierung des gesellschaftlichen
Organisationsprinzips, der kapitalistisch geprägten Marktwirtschaft beitrage.
5.6.4 Information
Oft wird die Informationsfunktion als „ursprünglichste Funktion der Massenmedien“ betrachtet. Massenmedien
verhelfen zur Kenntnis von Geschehnissen außerhalb des direkt zugänglichen persönlichen Erlebnisfeldes und
bringen damit Ereignisse und Tatbestände näher, von deren Existenz man in der Regel nichts weiß.
Auch hat der Massenkommunikationsprozess im Hinblick auf das soziale, politische und ökonomische System
einen großen Einfluss, bzw. hängen diese von der Qualität des Informationsflusses ab.
Information wird als ein „Korrelat von Unkenntnis“ (Pross 1977) begriffen. Eine informative Mitteilung erweitert das
subjektive Wissen des Empfängers. Der Informationsgehalt ist eine veränderliche Grösse. Der Informative Wert
einer Nachricht hängt also vom (Vor)Wissen des Rezipienten ab.
Verarbeitung von Information aus der Umwelt (einschließlich der Massenkommunikation) ist ein grundsätzlich
lebensbegleitender Vorgang, Teil der Alltagserfahrung.
Informationen können im Rahmen einer Primärerfahrung (Reduktion des Nichtwissens im direkten Umgang mit
Dingen) oder einer Sekundärerfahrung (Reduktion des Nichtwissens durch Kommunikation, durch
Verständigung über Dinge) gewonnen werden.
Informationsvermittlung via Massenkommunikation vollzieht sich im Rahmen von Sekundärerfahrungen. Durch
den Verlust an Primärerfahrungen findet eine Verschiebung statt: den medialen „Wirklichkeiten“ wird ein
wesentlich höherer Grad an Authentizität zugesprochen als den Primärerfahrungen.
In der demokratischen Gesellschaft werden 3 Grundansprüche an die Qualität der vermittelten Information (vor
allem Nachrichten und was von politischer Relevanz ist) gestellt:
Vollständigkeit: möglichst genaues Bild der komplexen Wirklichkeit wieder geben
Objektivität: Fehlen jeglicher Subjektivität bzw. Wertfreiheit; Verpflichtung möglichst unverzerrtes Bild der
Wirklichkeit wieder zu geben; Realität aus vielen Blickwinkeln beleuchten (pp. 398/399).
Verständlichkeit: „Ereignisse und Probleme auch für nicht Sachverständige verständlich darstellen.
(Meinungsbildungsprozesse)
Als Funktionen der Massenmedien sind bestimmte Wirkungen auf die Rezipienten angesprochen, die aufgrund
Massenmedialer Leistungen zustandekommen. Im modernen Funktionalismus (funktional-strukturelle
5
Systemtheorie) gilt ein soziales System als aus faktischen, sinngemäß zusammenhängenden Handlungen
bestehend (also ist es ein System von Handlungen), deren Akteure (oder Aktionssysteme) Personen sind. Nach
funktionalistischer Theorie wird dieses System in der Konfrontation mit seiner Umwelt gesehen – Aufgabe dieser
Wissenschaft ist es nun, Aussagen über Probleme zu machen, denen sich dieses soziale System widmen muss.
Man unterscheidet in der funktional-Massenmedialen Perspektive zwischen Funktionen und Dysfunktionen auf
das soziale System, je nachdem ob sie auf die Weiterexistenz des Systems einen positiven oder einen negativen
Einfluss haben. Die Funktionalität eines Systems nimmt also direkt Bezug auf die Konsequenzen
Maßenkommunikativer Handlungen und rückt die Fragestellung der Qualität in den Mittelpunkt.
Informationsfunktion: Hiermit wird eine Leistung der Massenmedien angesprochen, welche sich auf alle drei
untenstehenden Bereiche erstreckt. Dabei ist Information als Korrelat von Unkenntnis zu betrachten, d. h. sie
teilt uns etwas mit, was vorher nicht bekannt war oder sie macht eine Aussage, über die bisher ein gewisses Maß
an Nichtwissen geherrscht hat. So ist also Information als Reduktor von Nichtwissen zu sehen. Der
Informationsgehalt ist also eine veränderliche Grösse, da nicht bekannt ist, welcher Anteil der übermittelten
Information sich schon mit vorhandenem Wissen des Rezipienten deckt und welcher Anteil völlig neu ist. Eine
Aussage ist dieser Betrachtung zufolge erst eine Information, wenn sie etwas neues mitteilt – von der Perspektive
des Rezipienten. Dabei gilt auch bekanntes, das in einen neuen Zusammenhang gebracht wird als neu. Man
unterscheidet bei der Rezeption von Informationen auch die Qualität einer Information: So ist denn eine
Primärerfahrung allein dadurch zustandegekommen, dass man etwas durch den direkten Umgang mit der Sache
erfahren hat. Bei der Sekundärerfahrung hat man lediglich durch Kommunikation Unwissenheit verdrängt. Man
kommuniziert und weiß dann mehr über eine Sache. Bei zweiteren Erfahrungen spricht man lediglich von einer
fiktiven Welt aus Zeichen, d. h. einer Informationsaneignung, die auf Symbolübermittlung basiert.
Es ist daher klar, dass Massenmedial übermittelte Informationen allesamt Sekundärerfahrungen sind. Diese
Erfahrungen aus zweiter Hand ersetzen also die unmittelbare, ursprüngliche Welterfahrung.
Was wir im Rahmen unserer alltäglichen Welterfahrung uns aneignen, besteht – aufgrund der hohen
Massenmedialen Dominanz – zu 95 % aus Papier und publizistisch verbreitetem Ton und Bild. Dieser primärer
Erfahrungsverlust bewirkt zudem, dass wir den Massenmedialen Sekundärerfahrungen mehr Authentizität
zusprechen, als dem was wir selbst sehen, und dem womit wir selbst direkt zu tun haben. Dies verdeutlicht das
Maß, in welchem Massenmedien auf uns wirken und auch, weshalb die Schwerpunktssetzung der
Massenmedien explizit auf der Information ruhen muss. Was also außerhalb des persönlichen Erlebnisfeldes ist
(also alles was sekundär ist), ist fast ausschließlich nur durch die Medien in Erfahrung zu bringen. Die Aufgabe
der Umweltüberwachung drängt sich hier also ganz stark auf.
Vollständigkeit: Mit diesem Punkt ist auch die Frage angesprochen, welche Bereiche der Medieninhalte in einer
Gesellschaft tabuisiert werden – gleichzeitig auch stellt sich eine andere Frage: Gelingt es den Medien die
Komplexität der Wirklichkeit darzustellen? Ein einzelnes Medium scheint hier zweifellos überfordert zu sein. Die
Frage nach der Vollständigkeit ist aber auch von einem persönlichen Betrachtungsrahmen abhängig. Für jeden
einzelnen bestehen andere Vorstellungen, was in den Bestrebungen der Wirklichkeitskomplexität als relevant
bzw. irrelevant gilt. Es gilt deshalb, die Aufgabe der Vollständigkeit auf eine Weise zu erfüllen wie sie
Anforderungen gerecht wird, die allen Menschen deckungsgleich zugrundeliegen. Denn obwohl für jeden Mensch
eigene Standpunkte und WertMaßstäbe vorliegen, gibt es doch eine gewisse Grundordnung.
Objektivität: Im Zusammenhang mit der Vollständigkeit ist auch die Forderung nach Objektivität verknüpft. Der
Begriff ist aber – rein von definitorischen Standpunkt aus – sehr umstritten. Objektivität ist nicht die Abwesenheit
von Subjektivität und Wertfreiheit – sonst könnte kein Medienprodukt ernsthaft den Anspruch der Objektivität
erheben. Vielmehr ist Objektivität nach SAXER die Verpflichtung zu einer möglichst unverzerrten und daher
allgemein annehmbaren publizistischen Beschreibung der Wirklichkeit. Die Unverzerrtheit drückt sich aus durch
eine Maßstabgerechte Verkürzung der Realitätserfahrung, welche von allen Menschen aufgenommen wird. Hier
wird auch eingewendet, dass Objektivität auf der Tatsache beruht, dass eine (Massenmediale) Darstellung der
Wirklichkeit nicht bloß reproduktiv ist (d. h. wiedergebend) – sondern eigentlich selbst produktiv, also
wirklichkeitsbehandelnd und in einem gewissen Sinne manipulierend ist. Ein aus der Wirklichkeitserfahrung
eigentlich wertneutraler Sinn wird – damit er in die Welt der Aussagen kommen kann (also formuliert wird) – auf
eine gewisse Weise manipuliert. Objektivität stellt sich somit auch bloß als Näherungswert an die Vielzahl von
Betrachtungsweisen dar, welche sich auf die Wirklichkeitserfahrung beziehen. Objektivität ist deshalb auch immer
5
nur innerhalb des Rahmens einer Gesellschaft, Ethnie, Kultur, Nation anwendbar. Objektiv ist lediglich das
Betrachten der Wirklichkeit aus vielen verschiedenen Perspektiven.
Verständlichkeit: Hierin ist ein Grundanspruch der Medien angesprochen. Medieninhalte müssen dermaßen
beschaffen sein, dass auch nichtsachverständige Bürger verstehen , worum es geht. Dieser Anspruch geht
deshalb auch mit dem Begriff der Schaffung einer Orientierungsgrundlage einher, welche für den einfachen
Bürger Zusammenhänge erschliesst und kommplexe und komplizierte Sachlagen näherbringt. Nicht zu
vernachlässigen ist aber die dysfunktionale Seite der Verständlichkeit, die Simplifizierung und die daraus
potentiell erwachsenen Stigmatisierungen usw.
Soziale Funktionen: Gemeint sind hiermit alle Massenmedialen Leistungen auf die gesellschaftliche Umwelt als
soziales System.
Politische Funktionen: Gemeint sind hiermit alle Massenmedialen Leistungen auf die gesellschaftliche Umwelt
als politisches (demokratisches) System.
Ökonomische Funktionen: Gemeint sind hiermit alle Massenmedialen Leistungen auf die gesellschaftliche
Umwelt als ökonomisches, kapitalistisch organisiertes System.
Sozialisationsfunktion: Sozialisierung, Stärkung des Normbewusstseins / In einem lebenslangen Prozess der
Wertebildung haben die Massenmedien eine außergewöhnlich wichtige Bedeutung. Die Massenmedien
ermöglichen überdies eine Bildung durch Kultur und eine Bildung zur Kultur. Als Sozialisatoren werden
gelegentlich vier Kategorien aufgezählt (RONNEBERGER): Redaktion (mit den sozialisierenden Eigenschaften
der Gleichmäßigkeit, Regelmäßigkeit und Kontinuität), natürliche Personen (Radiosprecher, Kommentatoren,
Korrespondenten, Sprecher, Moderatoren, Kolumnisten), literarische Symbolfiguren (positive/negative
Leitbilder) und Helden (v. a. in Filmen). Die Sozialisation durch Massenmedien fungiert nach RONNEBERGER
als Vermittlung von Normen und Leitbildern, ferner aber auch von Denkformen und Verhaltensweisen. Die ersten
beiden Begriffe werden damit entweder abgelehnt oder angenommen, die beiden letzteren hingegen werden in
irgendeiner Form unbewusst aufgenommen. In einem inständigen Reflexionsprozess werden die Medieninhalte
dann individuell verarbeitet. So wird auch die Fähigkeit geschult, viele, z. T. widersprüchliche Informationen
aufzunehmen, Andersdenkende zu akzeptieren, einen Wertepluralismus zu praktizieren und Konflikte zu
ertragen.
Soziale Orientierung: Die Massenmedien sollen helfen, dass wir uns in einer sensorisch immer unüberblickbar
werdenden Umwelt dennoch einen Überblick verschaffen können. Sie treten auch als Helfer bei
Problemsstrategien in Erscheinung. Die Anzahl heute existierenden „Sinnwelten“ lassen es nicht zu, dass wir die
Gesamtheit der vorhandenen Erfahrungs-, Denk- und Handlungsweisen rezipieren können.
Rekreations- und Gratifikationsfunktion: Sie erlauben es uns, einem Bedürfnis nach Zerstreuung, nach
Ablenkung nachzukommen. Die Massenmedien werden hier als psychische Stimulation und Entlastung
betrachtet. Im Sinne einer Flucht vor der realen und „grausamen“ Welt wird.
Herstellen von Öffentlichkeit: Öffentlichkeit wird als ein Lebensraum von den Massenmedien hergestellt, indem
Informationen veröffentlicht, also öffentlich gemacht werden. Besonders in der Demokratie erfüllen die Medien
den Auftrag, politisch-gesellschaftliche Sachverhalte zu klären, um die Meinungsbildung der Rezipienten
selbständig gedeihen zu lassen. Massenmedien werden in diesem Sinn als ein Podium begriffen, auf dem
gesellschaftliche Konflikte öffentlich und damit durchschaubar gemacht werden. Problematisch (betreffend der
Funktionalität/Dysfunktionalität) der Medien auf die Politik ist die allzeit eingesetzte Inszenierung eines Politikers
in der Öffentlichkeit. Erfolgs- und KompetenzMaßstab für ihn ist lediglich die Fähigkeit, wie er sich in den Medien
präsentieren kann und welche Hilfsmittel ihm da zur Verfügung stehen. So findet nach und nach der Aufbau einer
Symbolischen Politik, die sich auf den Einsatz der Massenmedien stützt – als einziger Erfolgsgarant. Dem
Problem kann nur dadurch Abhilfe geschaffen werden, dass man allen die gleichen Chancen in den
Massenmedial vermittelten öffentlichen Debatte zugesteht.
Artikulationsfunktion: Eng verknüpft mit obigem „Auftrag“ der Massenmedien erweist sich die Aufgabe, als
Sprachrohr für alle Interessengruppen, Verbände, Parteien zu fungieren – zum Ziele der Entstehung eines
Volkswillens. Im Sinne einer Korrelationsleistung, welche die Massenmedien erbringen, helfen sie mit,
verschiedenste Standpunkte und Meinungen aufeinander abzustimmen, um die Meinungsvielfalt auszudrücken,
sie aber gleichzeitig auch einzudämmen. Hier erweist sich auch der Ausdruck „Massenmedien als Wortführer der
5
sprachlosen Maßen als passend. Aber auch hier ist – im Zeichen der Vermehrung elektronischer Medienvielfalt –
die Gefahr zur Technokratisierung, zur so genannten „Symbolischen Politik“ aufzuführen.
Politische Sozialisationsfunktion: Durch diese Funktion sollen politische Rollen transparent gemacht werden –
um dem Bürger und Wähler eine gewisse Übersicht zu verschaffen, denn dies hat ein politisch so komplexes
System wie unseres nötig. Sozialisation wird es genannt, weil man einer Desintegration in Unmittelbare
Kapitalverwertung wird allein durch die Existenz von Massenmedien und durch Investition in diese möglich. Die
mittelbare Kapitalverwertung bedarf aber der qualitativen Produktion von Medieninhalten.
Zirkulationsfunktion: In Anknüpfung an die oben erwähnte Differenzierung können Massenmedien dazu dienen,
Ware-Geld-Beziehungen zu aktivieren und den Geldumschlag zu beschleunigen. Die Massenkommunikation wird
dadurch zum (zu einem) Motor des kapitalistischen Wirtschaftskreislaufes. Dies manifestiert sich vor allem in der
Rolle der Medien als Werbeträger – und somit auch als Triebfeder für Warenfetischismus u.ä. (HOLZER)
Wissensvermittlung, Sozialtherapie, Legitimationshilfe: diese drei Funktionen ermöglichen eine ideologische
Festigung des kapitalistische Wirtschaftssystems. Die Wissensvermittlung dient hierbei dazu, die
Produktivkräfte (nach Marx) zu informieren und sie dadurch weiterzuentwickeln – orientiert an einer sich immer
mehr ausdifferenzierten Arbeitsteilung. Die Sozialtherapie ergibt sich aus der Notwendigkeit, Menschen, welche
das Schicksal stärker getroffen hat durch Massenmedien von ihrer Bürde, die ihnen das kapitalistische Diktat
auferlegt hat, leichter zu ertragen und zu kompensieren (eng verknüpft mit der sozialen Funktion der
Gratifikation). Die Legitimationshilfe eignet sich dazu, eine Rechtfertigung über privatwirtschaftlich erwachsene
Sachverhalte bieten zu können.
Personalisierung: Häufig dienen die Massenmedien dazu, ein wirtschaftliches (Groß)ereignis darzustellen.
Dabei wird häufig personalisiert, d. h. man driftet – zugunsten fokussierter Einzelpersonen – vom eigentlichen
Thema ab. Somit stellt es sich als eigentliche Dysfunktion heraus. Auch ist für diese einer Flucht vor der realen
und „grausamen“ Welt wird diese Funktion auch Eskapismusfunktion genannt (Problematisch
Funktion/Dysfunktion?).
Integrationsfunktion: Um dem Trend der Differenzierung und somit der Desintegration (Isolation)
entgegenzuwirken, müssen Massenmedien auch den Zweck erfüllen, einen „Beziehungmodus zwischen den den
Einheiten des gesellschaftlichen Systems zu erhalten. Je komplexer eine Gesellschaft, umso mehr bedarf sie der
Integration. Massenmedien müssen überdies anerkannte Verhaltensweisen und –normen fördern und
Maßenloyalität für diese Normen festigen. Die Massenmedien also als Spiegel der Gesellschaft, in der sich der
einzelne selbst identifizieren kann und muss. Überdies hinaus dient also die Integration der Durchsetzung
gemeinsamer Interessen. Allerdings kann auf dieser Ebene die Massenkommunikation auch eine dysfunktionale,
also desintegrierende Wirkung haben, indem sie beispielsweise den Werte- und Meinungspluralismus einer
Gesellschaft plattwalzen, also quasi ein Verwischen aller Vielfalt bewirken könnte. Die Gefahr besteht vor allem
angesichts der zunehmenden Massenmedialen Privatisierung, wo der staatliche Auftrag verloren geht – Es ist
aber nicht zwangsläufig so, dass unter dem marktwirtschaftlichen Diktat die Integrationsfunktion an Wert verliert.
der Politik vorbeugen will. Man will das Publikum am Ball behalten, damit es seine Rechte in der Demokratie
wahrnehmen kann und an politischen Entscheidungen zumindest halbdirekt partizipieren kann. Stark mit der
Sozialisierungsfunktion hängt auch die Aufgabe der Bildungsfunktion zusammen. So müssen die
Massenmedien politisches Wissen und Geschick ihrer Bürger fördern, insbesondere die Fähigkeit, Informationen
aufzunehmen und zusammenhängend zu verstehen.
Kritik- und Kontrollfunktion: Die Demokratie gestattet es uns grundrechtlich, unsere Kritik zu äussern. So sind
die Massenmedien als vielstimmigen, kritisierenden Dialog zu verstehen, der seinen Unmut über res publica
äussern darf. Zudem wird eine Wachhundfunktion durch die Medien wahrgenommen, welche das politische
System überwachen sollen und können. Aber die Kritikmöglichkeit kann auch selbst von Politikern ausgenutzt
werden, um ihre Wahlrivalen gezielt via Massenmedien zu treffen (Dysfunktion) um sein eigenes Wählerpotential
maximieren zu können. Die Unabhängigkeit von irgendwelche politischen und gesellschaftlichen Machteinflüssen
ist deshalb das A und O der Massenmedialen Kritik- und Kontrollfähigkeit. Jede Informationsbehinderung ist
deshalb auf jeden Fall schädlich für die Demokratie – denn die Fähigkeit zu Mitverantwortlichkeit wird vermindert.
RONNEBERGER sieht die folgende drei polischen Postulate für die Massenmedien:
Autonomie, Vielfalt, Ausgewogenheit. eigentliche Dysfunktion heraus. Auch ist für diese Funktion der
Massenmedien eine Ambivalenz festzustellen: Einerseits werden Leute in ihrem vollen Luxus dargestellt (virtuelle
5
Teilhabe am Reichtum via „Schön und reich“, Glückspost, usw.), andererseits werden schwere Schicksale
ebenfalls in der Massenkommunikation ausführlich dargeboten, um den Rezipienten eine Identifikation mit sich
selbst bieten zu können („Menschen wie du und ich“ – „Eigentlich geht’s mir so schlecht gar nicht!“ à
Legitimationshilfe). Häufig werden die beiden Tendenzen auch vermischt (Auch in der Welt der Reichen und
Schönen gibt es Hass und Elend). Insgesamt stellt sich diese Personalisierung doch als funktional heraus für den
Mechanismus, dem die Gesellschaft zugrundeliegt. Solche Medieninhalte bieten dem Rezipienten
Regenerationsmöglichkeiten, Gratifikationen, um sich zu erholen und um sich motivieren zu lassen.
Im Sinne einer herrschaftlichen Funktion der Massenmedien (Holzer) ist aber auch einzuwenden, dass die
Massenmedien die bestehenden Gesellschaftsverhältnisse (also das Diktat des Kapitalismus) über alle Maße
rechtfertigen und gutheissen.
soziales Politisches ökonomisches GESELLSCHAFTLICHES SYSTEM
Kapitel 6. Kommunikationswissenschaft als
interdisziplinäre Sozialwissenschaft
Die Kommunikationswissenschaft beklagt schon seit geraumer Zeit das „Fehlen einer allgemeinverbindlichen
Systematik der Disziplin“ (Saxer 1980, S.526). Wilbur Schramm konstatierte einst, Kommunikationsforschung sei
„a field, not a discipline“ (1959, S.8).
Maletzke (1980, S.67) schließlich diagnostizierte, dass Kommunikationswissenschaft aus einer großen Zahl von
Einzelsätzen, Hypothesen und Konzepten besteht, die unverbunden und oft untereinander unstimmig auf sehr
verschiedenen Abstraktionsebenen im Raum stehen. Burkart meint dazu, dass die Strategie nun nicht sein darf,
„die“ fehlende Theorie zu suchen (die es nicht gibt), die Strategie aber nur sein kann, vorhandene theoretische
Sichtweisen von Kommunikation auf ihre Problemlösungskapazität hin zu durchleuchten und sie auf diese Weise
für die empirische Forschungspraxis zu öffnen.
6.1 Exkurs: Zur Besonderheit wissenschaftlichen Wissens
„Wissenschaft“ wird definiert als der „Gesamtbestand des logisch nach bestimmten Sachgebieten geordneten
Wissens“ (Duden 1972, S.2457). Sie kennzeichnet sich einerseits durch das Entdecken und andererseits durch
das Erklären. Der Prozess des wissenschaftlichen Wissenserwerbs lässt sich in seinen Grundzügen anhand der
Abb. 31 aus Seite 417 verständlich verdeutlichen. Entdecken meint die Feststellung einer Beziehung zwischen
empirisch erfassbaren Phänomenen, und Erklären meint das Begründen der festgestellten Beziehung. Das
grundsätzliche Charakteristikum wissenschaftlichen Erklärens ist „der Schritt vom Besonderen zum Allgemeinen.
Ausgangspunkt jeder wissenschaftlichen Erkenntnis (Entdeckung und Erklärung) ist das Vorhandensein eines
Problems. Das Ziel des wissenschaftlichen Wissenserwerbs kann daher als das Streben nach der Lösung von
Problemen begriffen werden. Ein wissenschaftliches Feld kann man nun mit Popper als „ein abgegrenztes und
konstruiertes Konglomerat von Problemen und Lösungsversuchen“ (1972, S.108) begreifen.
Theorien stellen den Versuch dar, Zusammenhänge in einem bestimmten Objektbereich zu rekonstruieren, um
dadurch einen Realitätsausschnitt verstehbar, interpretierbar zu machen.
Das Interesse der folgenden Ausführungen gilt nun jenen theoretischen Ansätzen, welche menschliche
Kommunikation zu ihrem Gegenstand haben.
6.2 Kommunikationstheoretische Ansätze: Eine Systematik
Kommunikationstheoretische Ansätze werden schwerpunktartig den folgenden 3 allgemeinen Dimensionen
zugeordnet:
1. einer grundlegenden („universalen“) Dimension nach der Sichtweise des Erkenntnisobjektes „Kommunikation.
Diese Ansätze rücken jeweils voneinander unterscheidbare Aspekte (Übertragung, Wechselseitigkeit,
Umweltbezogenheit) des allg. Phänomens „Kommunikation“ in den Vordergrund.
2. einer zweckorientierten („funktionalen“) Dimension nach dem Kommunikationsinteresse. Diese Ansätze rücken
jeweils voneinander unterscheidbare Ziele (Beeinflussung, Emanzipation, Therapie) des allg. Phänomens
„Kommunikation“ in den Vordergrund.
3. einer konkreten („gegenständlichen“) Dimension nach der Wahl des kommunikativen Realitätsbereiches. Diese
Ansätze rücken jeweils voneinander unterscheidbare Ausschnitte der kommunikativen Wirklichkeit (z. B.
5
interpersonale Kommunikation, Gruppenkommunikation, Familienkommunikation,...) in den Vordergrund,
vornehmlich die öffentliche, Massenmedial vermittelte Kommunikation.
6.3 Allgemeine Theorieperspektiven von Kommunikation
Zunächst wird auf die eben beschriebene erste Dimension, die die unterschiedlichen Aspekte des
Kommunikationsprozesses betonen eingegangen. Sie beanspruchen relativ hohe Allgemeingültigkeit.
6.3.1 Kommunikation als Signalübertragung
Shannon und Weaver erstellten folgendes Modell:
Eine Nachrichtenquelle produziert eine Information, die von einem Empfänger aufgenommen wird und dort an ihr
Ziel gelangt. Zu diesem Zweck muss die Nachricht von einem Sender in ein dem Übertragungskanal
angemessenes Signal umgeformt (encodiert) werden. Der Empfänger rückverwandelt (decodiert) die Signale
wieder in die ursprüngliche Information und bringt sie an ihr Ziel. Dazwischen steht noch die Geräusch- oder
Störquelle.
Das Shannon-Weaver-Modell geht von einer technischen Perspektive aus und „Information“ darf nicht mit
Bedeutung gleichgesetzt werden. Badura entwickelte eine sozialwissenschaftlich adaptierte Variante des
ursprünglichen Modells:
Nach Badura hat eine sozialwissenschaftliche Analyse menschlicher Kommunikation zunächst mehrfache
Encodierungs- und Dekodierungsprozesse zu berücksichtigen, die der syntaktischen, semantischen und
pragmatischen Dimension sprachlicher Zeichen entsprechen. Weiter unterscheidet Badura (entsprechend zu den
Nebengeräuschen) vier Klassen gesellschaftlicher Randbedingungen von Kommunikation unter welchen die
kommunikativen Prozesse ablaufen. Die Kommunikationssituation, das Informationsniveau (Verständlichkeit,
Abstraktheit, Konkretheit), den emotiven Erlebnishorizont (Gefühle und Einstellungen) und die Interessen
(gegenüber Thema und/oder Person).
6.3.2 Kommunikation als Interaktion
Kommunikation ist ein Geschehen, das zwischen (mindestens) zwei Partnern stattfindet. Diese Doppelseitigkeit
oder Wechselseitigkeit wird von zwei fundamentalen theoretischen Perspektiven in den Vordergrund gerückt:
Der Symbolische Interaktionismus (SI) (George Herbert Mead)
Der SI geht davon aus, dass der Mensch nicht nur in einer natürlichen, sondern auch in einer symbolischen
Umwelt lebt und begreift ihn demgemäss als ein Wesen, das den Dingen seiner Umgebung Bedeutung
zuschreibt. „Kommunikation“ erscheint als ein Prozess, in dem Menschen mit Hilfe von Symbolen (verbaler oder
nonverbaler Natur) einander wechselseitig Bedeutungen ins Bewusstsein rufen. Erfolgreiche Kommunikation im
Sinne von „Verständigung“ bedarf eines „Abstimmens“ der zu setzenden kommunikativen Aktivitäten im Hinblick
aufeinander. Im Zuge symbolisch vermittelter Interaktion aktualisieren wir (mit Hilfe der verwendeten Symbole) in
unserem Bewusstsein und im Bewusstsein unseres Kommunikationspartners nicht bloß Bedeutungen, sondern
wir nehmen damit zugleich auch die (vermeintliche) Haltung des anderen uns selbst gegenüber ein. Diese
(wechselseitig) erwarteten Interpretationsleistungen bestimmen schließlich auch in hohem Ausmaß den Ablauf
der jeweiligen kommunikativen Interaktion. “Verständigung“ kommt nur dann zustande, wenn wechselseitig
dieselben oder wenigstens sehr ähnliche Perspektiven unterstellt, bzw. wenn dieselben oder wenigstens sehr
ähnliche Erwartungen geweckt werden. Zeichen, die eine beiden Kommunikationspartnern gemeinsame
Erfahrungsgrundlage besitzen nennt man „signifikante Symbole“. Nur über diese kann wechselseitiges Verstehen
tatsächlich realisiert werden.
Der SI-Ansatz liefert also Erklärungen für das Zustandekommen bzw. das Scheitern von Verständigung bzw.
Verständigungsversuchen zwischen Kommunikationspartnern. Dies gilt nicht nur für die direkte
zwischenmenschliche Kommunikation, sondern auch für den Massenkommunikationsprozess.
Die Theorie des kommunikativen Handelns (TkH) (Jürgen Habermas)
Im Mittelpunkt dieser Kommunikationstheorie steht das Bemühen, den Prozess der Verständigung von seinen
humanspezifischen Grundbedingungen her zu durchleuchten. Aufgabe der von ihm angestrebten
Universalpragmatik oder einer Theorie der kommunikativen Kompetenz ist es „universale Bedingungen möglicher
Verständigung zu identifizieren und nachzukonstruieren“. Unter kommunikativer Kompetenz versteht Habermas
5
die Fähigkeit eines (verständigungsbereiten) Sprechers, einen wohlgeformten (d. h. einem grammatischen
Regelsystem entsprechenden) Satz in Realitätsbezüge einzubetten. Habermas’ zentrale These lautet nun, dass
jeder kommunikativ Handelnde, der mit seiner Sprechhandlung an einem Verständigungsprozess teilnehmen will,
implizit weiß, dass folgende universale Ansprüche Gültigkeit besitzen, die nicht nur von ihm, sondern auch von
seinem Kommunikationspartner anerkannt werden müssen und denen er daher zu entsprechen hat:
- Der Anspruch der Verständlichkeit
- Der Anspruch der Wahrheit
- Der Anspruch der Wahrhaftigkeit
- Der Anspruch der Richtigkeit
Verständigung erscheint somit als der Prozess der „Herbeiführung eines Einverständnisses, welches in der
intersubjektiven Gemeinsamkeit des wechselseitigen Verstehens, des geteilten Wissens, des gegenseitigen
Vertrauens und des miteinander Übereinstimmens terminiert“.
Da das volle Einverständnis in Bezug auf alle vier Geltungsansprüche nicht den Normalzustand kommunikativer
Interaktion darstellt, verweist Habermas auf den Diskurs als eine weitere Form umgangssprachlicher
Kommunikation: Im Diskurs versucht man, ein im kommunikativen Handeln (naiv) vorausgesetztes, nun aber
problematisch gewordenes Einverständnis durch Begründung wiederherzustellen, um kommunikatives Handeln
fortsetzten zu können. In diesem Moment unterstellen wir eine nur ansatzweise realisierbare Situation; die ideale
Sprechsituation. Dies ist eine Sprechsituation, die weder durch äussere Einwirkungen auf die
Kommunikationspartner selbst noch durch Zwänge, die sich aus der Kommunikationsstruktur selbst ergeben,
behindert wird. Diese „Nichtbeachten gesellschaftlicher Phänomene“ stellt zweifellos die entscheidende
Schwäche der TkH aus sozialwissenschaftlicher Warte dar, denn es ist unmöglich, die Bedingungen der idealen
Sprechsituation zu realisieren.
6.3.3 Kommunikation in der Gesellschaft
Die folgenden theoretischen Positionen behandeln nicht das Zustandekommen von Kommunikation, sondern
gehen viel mehr davon aus, dass der reale Kommunikationsprozess in einem sozialen bzw. gesellschaftlichen
Umfeld stattfindet. Diese umweltbezogene Perspektive wird von zwei verschiedenen Blickwinkeln angesehen.
Einerseits wird Kommunikation als unabdingbarer Bestandteil menschlicher Arbeitsprozesse gesehen
(Historischer Materialismus). Andererseits wird Kommunikation selbst durch ein soziales System repräsentiert
angesehen (Systemtheorie). Daher erstmal allgemeine Definitionen aus ‚dtv-Brockhaus’:
Materialismus, philosophische Lehre, nach der die Materie die einzige Grundlage der Wirklichkeit darstellt im
Gegensatz zum Idealismus. Im materialistischen Sinn ist alles Wirkliche letztlich materiell; die Materie ist die
grundlegende und eigentliche Wirklichkeit, auf die alles Immaterielle zurückgeführt werden kann.
Historische Materialismus, orientiert sich am geschichtlichen Wandel sozialökonomischen Verhältnissen.
Systemtheorie, Die Systemtheorie beschäftigt sich mit der Erforschung des Zusammenwirkens der durch ihre
Einzelfunktionen beschriebenen Elemente eines Systems miteinander und mit der Aussenwelt sowie der
Beziehungen zwischen gekoppelten Systemen. Das System kann dabei formaler oder praktischer Art sein, z. B.
eine technische Einrichtung, besonders eine Anlage mit verschiedenen, einander beeinflussenden
Regelungsvorgängen, ein biologischer Organismus oder sozialer Verband sowie ein Wissenschaftssystem.
Systemtheorie versucht im Gegensatz zu einzelwissenschaftlichen Theorien, Systeme unabhängig von ihrer
materiellen Realisierung aufgrund der formalen Merkmale ihrer Komponenten und der Art ihres Zusammenspiels
zu beschreiben.
6.3.3.1 Der historische Materialismus
Ein wenig vorwegnehmend, aber eben im Zusammenhang mit dem historischen Materialismus ist eine kurze
Zusammenfassung des Marxismus angebracht, welche die wichtigsten Elemente ergänzend zu den obigen
Definitionen beinhaltet:
Marxismus Die von Marx und Engels in der ‚Deutschen Ideologie’ entwickelte Geschichtsauffassung knüpft
unmittelbar an den anthropologischen Befund an. Der historische Prozess werde vom Widerspruch zwischen
Produktivkräften und den Produktionsverhältnissen vorangetrieben, die die Menschen zwecks Produktion und
Reproduktion von Lebensmitteln und ihrer Gattung untereinander entwickeln. Zu diesem Widerspruch komme es,
6
weil die Menschen die Produktivkräfte ständig fortentwickelten, um ihre immer neu und erweitert entstehenden
Bedürfnisse befriedigen zu können. In diesem Prozess entstehe notwendig Arbeitsteilung als zusätzliche
Produktivkraft. Arbeitsteilung und die spezifische Struktur der mit bestimmten Eigentumsformen verknüpften
Produktionsverhältnisse bewerkten, dass Erzeugung und Genuss des gesellschaftlichen Reichtums den
verschiedenen Individuen qualitativ und quantitativ ungleich verteilt zufielen. So entständen unterschiedliche
soziale Interessen, die von unterschiedlichen sozialen Klassen artikuliert und durchzusetzen versucht würden.
Deshalb sei die ‚Geschichte aller bisherigen Gesellschaft’ die Geschichte von Klassenkämpfen.
Produktivkräfte, sind jene Elemente welche den Produktionsprozess konstituieren. (geistige, körperliche
Arbeitskraft; Arbeits-, Produktionsmittel (Werkzeuge, Transportmittel, Nachrichtenverbindungen) und
Arbeitsgegenstände (Rohstoffe)).
Produktionsverhältnisse, gesellschaftliche Verhältnisse, welche die Beziehungen der Menschen untereinander
betreffen, die diese im Rahmen eines Produktionsprozesses eingehen und die „einer bestimmten
Entwicklungsstufe ihrer materiellen Produktivität entsprechen“.
Die Gesellschaft wird im historischen Materialismus wie sicherlich bereits bemerkt wurde aus rein ökonomischer
Verhältnisse heraus betrachtet. Aber wie in der Definition von Marxismus ersichtlich immer in Bezug auf die Zeit,
in der die jeweils vorherrschende Produktionsweise als Triebkraft der Menschheitsgeschichte gilt.
Im historischen Materialismus werden zwei Formen von Produktionsverhältnissen unterschieden:
1. Verhältnis der Zusammenarbeit und gegenseitiger Hilfe beruhend auf gesellschaftlichem Eigentum.
2. Verhältnis zwischen Ausbeuter und Ausgebeuteten (Kapitalismus)
Somit steht im gesellschaftlichen Produktionsprozess die produzierenden Individuen, sprich die Arbeit im
Mittelpunkt (körperliche, geistige Arbeit -> materielle, geistige Produkte. Die Kommunikation und
zwischenmenschliche Interaktion wird somit als Bestandteil menschlicher Arbeit angesehen. Weil Arbeit
gesellschaftlich ist, muss ihrer Kommunikation zugerechnet werden. Schließlich kann daraus das kommunikative
Prinzip des Marxismus abgeleitet werden, welches besagt, dass ‚keine Produktion ohne Kommunikation’ und
‚keine Kommunikation ohne Produktion’ stattfinden kann. Dieses Prinzip ist der Kern einer
Kommunikationstheorie, die sich als Klassentheorie begreift: Soziale Klassen entstehen dadurch, dass es mit der
Teilung der Arbeit möglich geworden war, geistige und materielle Tätigkeiten auf verschiedene Individuen
aufzuteilen. Ziel einer historisch-materialistischen inspirierten Massenmedienforschung ist es somit stets
aufzuzeigen, ‚welcher Form die kapitalistische Produktionsweise die Massenkommunikation beeinflusst’.
Von materialistischer Medienforschung zur Medienökonomie
Die Medienökonomie unterscheidet die privaten (voll marktfähige) Güter, die nur im Wege der Bezahlung
erworben oder konsumiert werden können (=Ausschlussprinzip) und die sich beim Konsum auch tatsächlich
verbrauchen (=Prinzip der Konsumrivalität). Andererseits werden öffentliche Güter (z. B. Massenmedial
verbreitete Informations- und Unterhaltungsangebote), weil niemand prinzipiell ausgeschlossen und wieder
brauchbar nach der Konsumierung. Darüber hinaus gelten Medieninhalte aber auch als ‚meritorische’ Güter: das
sind Güter, deren Produktion und Konsum gesellschaftlich erwünscht ist, weil sie einen öffentlichen Nutzen, einen
Nutzen für die Allgemeinheit haben. Im schlimmsten Fall können Medien auch als demeritorisch eingestuft
werden, nämlich dann wenn ihnen Schädlichkeit zugewiesen werden kann. Gerade in demokratisch organisierten
Gesellschaften gibt es ein kollektives Interesse an Informationen, weil solche Gesellschaften nur dann
funktionieren können, wenn ihre Bürger auch an politischen Vorgängen partizipieren bzw. wenigstens die Chance
haben, dies zu tun. Medienökonomie untersucht somit die publizistische Leistungsfähigkeit der Medien im Lichte
ökonomischer Zusammenhänge. Wobei anzumerken gilt, dass zu starke ökonomische Dominanz die
journalistische Qualität gefährdet.
6.3.3.2 Die Systemtheorie (Definition siehe oben)
Ein wichtiger Unterschied zum historischen Unterschied, ist dass die Systemtheorie unabhängig von ihrer
materiellen Realisierung aufgrund der formalen Merkmale ihrer Komponenten und der Art ihres Zusammenspiels
beschrieben wird. Die Definition, dass ein System eine Menge von Elementen begriffen wird, zwischen denen
Wechselbeziehungen bestehen, geht auf Bertalanffy zurück. In unserem Zusammenhang kann man somit von
einem sozialen System ausgehen mit den Elementen der menschlichen Handlungen und nicht aus Personen!
6
Nicht ganze Persönlichkeiten sind für das System relevant sondern sie werden durch Handlungen und
Handlungszusammenhänge ins System miteinbezogen. Die Gesellschaft als soziales Handlungssystem strebt
nach relativer Stabilität (Wille zur Ordnung). Der Moderne Funktionalismus begreift sich als eine ‚Theorie der
Systembedürfnisse’, denn er macht Aussagen über Probleme, die ein System lösen muss, wenn es fortbestehen
will (funktional-strukturelle Systemtheorie nach Luhmann). Fortbestehen kann ein System dann, wenn es die
unvermeidlichen Einwirkungen aus seiner Umwelt kompensieren kann, d. h., wenn es imstande ist, jene
Probleme zu lösen, die aus der Wechselbeziehung System – Umwelt resultieren. Das ist eine System-Umwelt
Theorie, welche die Umwelt als Problemreservoir in ihre Betrachtung miteinbezieht. Ein Problem entsteht durch
die Komplexität der Gesamtheit aller möglichen Ereignisse. Somit kommt Komplexität dem Selektionszwang
gleich, d. h. soviel wie, dass soziale Systeme die Funktion der Erfassung und Reduktion von Umweltkomplexität
haben. Zum Verständnis wird ‚Reduktion von Komplexität’ mit ‚selektiver Wahrnehmung’ gleichgesetzt und
‚Systembildung’ ist entsprechend ‚Sinnesbildung’. Die Kommunikation entsteht indem zwischen Personen, deren
Handlung ein soziales System konstituieren, Verbindungen entstehen. Nach Luhmann ist Kommunikation
gemeinsame Aktualisierung von Sinn, sie macht sinnbezogenes Erleben wechselseitig zugänglich und ist
grundlegende Bedingung dafür, dass Handlungen als aufeinander verweisend erlebt werden. Nach Rühl: „Der
Journalismus als strukturiertes Sozialsystem der Weltgesellschaft reduziert die Komplexität und Veränderlichkeit
der Weltereignisse durch thematisierte Mitteilungen auf Ausmaße, die eine sinnvoll informierende Kommunikation
erlauben (…) Alle Strukturen des Journalismus sind (…) Vereinfachungsmechanismen, die zur
Kommunikationserleichterung dienen.“ Die Systemtheorie ist eine wissenschaftliche Hilfskonstruktion, welches es
gestattet, Wirklichkeit jedweder Art als ‚System’ zu begreifen, um dadurch Zusammenhänge bzw.
Wechselbeziehungen erkennbar zu machen. Empirisch ist die Systemtheorie nicht prüfbar, weil sie nicht
falsifizierbar ist.
6.4 Ziele von Kommunikation
Im Mittelpunkt dieses Kapitels steht der «funktionale» Aspekt von Kommunikation, also die Frage nach den
Intentionen, den Absichten bzw. den Interessen, die dazu führen, dass der jeweilige Kommunikationsvorgang
überhaupt initiiert wird.
6 . 4 . 1 B e e i n f l u s s u n g d u r ch Kommu n i k at i o n
Unter diesem Ansatz werden die Fälle von Kommunikation untersucht, deren Aussagen nicht vorwiegend
«informieren» oder «unterhalten» wollen, sondern die bewusste Absicht des Kommunikators widerspiegeln, die
Einstellungen und/oder das Verhalten der Rezipienten zu beeinflussen = Überredungskommunikation
Ganz in diesem Sinne formulierten Hovland et al. Kommunikation als den Prozess, .by which an individual (the
communicator) transmits stimuli (usually verbal) to modify the behavior of other individuals (the audience).. Die in
Kapitel 5.3 (Wirkungen der Massenkommunikation) bereits ausführlich behandelten zentralen Faktoren des
Kommunikationsprozesses können im Grundmodell der Wirkungsforschung (Hovland/Janis, 1970)
zusammengefasst werden, wonach die Effektivität persuasiver Kommunikation von den kommunikativen Stimuli,
den Prädispositionen der Rezipienten und den internen Mediatisierungsprozessen abhängt (siehe unten oder
S.469).
Daneben sind jene Konzepte entstanden, welche die Wirkung von Überredungskommunikation von einem dem
Menschen innewohnenden Streben nach Gleichgewicht (Konsonanz, Konsistenz, Kongruenz) abhängig machen
und die Einstellungen vor dem Empfang der Aussage als zentrale Variable im Wirkungsprozess begreifen. Aber
auch Erkenntnisse, die am Horizont des Nutzenansatzes, des dynamisch-transaktionalen Ansatzes , der Agenda-
Setting-These, der Knowledge-gap-These und der Theorie von der Schweigespirale hervorgebracht wurden, sind
im Grunde stets relativierende Antworten auf die Frage, wie Beeinflussung von Menschen durch
Kommunikationsprozesse möglich ist.
6 . 4 .2 Emanzipationdurch Kommunikation
.Erziehung ist ein kommunikatives Handeln, dessen Ziel darin liegt, eine Kommunikationsstruktur zu etablieren,
die den Erwerb von Fähigkeiten zum Diskurs ermöglicht.. (Mollenhauer)
6
Vom Standpunkt einer kommunikativen Pädagogik aus, wird darauf verwiesen, dass zur Selbstwerdung des
Menschen unter anderem auch eine Erziehung zur Kommunikationsfähigkeit gehört. (Bock).
Nach Baacke ermöglicht die Kommunikationsfähigkeit dem Menschen in verschiedenen Situationen .potentiell
situations- und medienadäquat Kommunikationen auszugeben und zu empfangen, wobei sie an eine
Kommunikationssituation gebunden ist, in der die Kommunikationspartner die Möglichkeit haben, unabhängig,
zwanglos und selbstbestimmt kommunikative Handlungen zu setzen. Die Emanzipation verstanden
als .Selbstverfügung des Individuums. gerinnt im Horizont einer pädagogischen Kommunikationstheorie zur
Fähigkeit, rational und selbständig Informationen aufzunehmen, begründete Meinungen zu vertreten und wenn
möglich durchzusetzen.
Baacke legt die anzustrebende Ziele für eine solche emanzipative Kommunikation fest:
1) Vorhandensein eines Selbst- und Fremdverständnisses (Voraussetzung für emanzipative Kommunikation)
2) Kommunikative Ethik (Kommunikationsbeziehung in der wechselseitig sowohl Wahrheit der Aussagen als auch
Wahrhaftigkeit der Kommunikator-Intentionen unterstellt werden kann)
3) Organisation der Kommunikationsbedingungen (symmetrische Organisation der Kommunikationsbeziehungen)
Daraus abgeleitet eine spezifische Mediendidaktik für Massenkommunikationsmittel:
1) Kommunikationstechnisch: Verstehen der .Massenmedialen. Sprache, Entwicklung einer
Decodierungsfähigkeit
2) Kommunikationsethisch: die Wahrheit von Aussagen einschätzen lernen und sich wahrhaftig zu den
vermittelten Inhalten in den Massenmedien in Beziehung setzen (Medien nicht als Realitätsflucht)
3) Organisatorisch-technisch: Medienaufklärung bewirkt mündiges und kritisches Maßenpublikum (Medium ≠
Zauberkasten)
Medienpädagogik als interdisziplinärer Wissenschaftszweig zwischen Pädagogik, Publizistik- und
Kommunikationswissenschaft, Psychologie und Soziologie hat das Ziel Menschen in die Lage versetzen, mit den
Angeboten der Massenmedien .vernünftig. umzugehen, Manipulationen zu durchschauen, stark selektiv
Gebrauch vom reichhaltigen Angebot zu machen, eigene Rechte kennenzulernen und notfalls gegenüber und in
den Medien durchzusetzen.
6 . 4 . 3 Therapie durch Kommunikation
Im Mittelpunkt der Kommunikationstheorie von Watzlawick et al. (1969) stehen Störungen im Bereich des
zwischenmenschlichen, sozialen Verhaltens. Da Watzlawick Kommunikation als das Medium der .beobachtbaren
Manifestationen menschlicher Beziehungen. definiert, wird es mit (sozialem) Verhalten praktisch gleichgesetzt.
Zwischenmenschliche Systeme . also Gruppen, Ehepaare, Familien, usw. . werden als Rückkoppelungskreise
angesehen, d. h. jede Kommunikation beeinflusst das Verhalten aller Teilnehmer. Kern des theoretischen
Ansatzes ist der Rekonstruktionsversuch eines angenommenen .pragmatischen Kalküls. (=System von Regeln,
die hinter den Erscheinungsformen menschlicher Kommunikation stehen). Watzlawick et al. nennen fünf derartige
Axiome (allerdings in provisorischer Formulierung):
1. Axiom: .Man kann nicht nicht kommunizieren..
2. Axiom: .Jede Kommunikation hat einen Inhalts- und einen Beziehungsaspekt, derart, dass letzterer den
ersteren bestimmt und daher eine Metakommunikation ist.
3. Axiom: .Die Natur einer Beziehung ist durch die Interpunktion1 der Kommunikationsabläufe seitens der Partner
bedingt.
4. Axiom: .Menschliche Kommunikation bedient sich digitaler und analoger Modalitäten. Digitale
Kommunikationen haben eine komplexe und vielseitige logische Syntax, aber eine auf dem Gebiet der
Beziehungen unzulängliche Semantik. Analoge Kommunikationen dagegen besitzen dieses semantische
Potential, ermangeln aber die für eindeutige Kommunikationen erforderliche logische Syntax..
5. Axiom: .Zwischenmenschliche Kommunikationsabläufe sind entweder symmetrisch oder komplementär, je
nachdem, ob die Beziehung zwischen den Partnern auf Gleichheit oder auf Unterschiedlichkeit beruht..
Die Verletzung einer oder mehrerer dieser Grundregeln kennzeichnet eine Kommunikations- oder
Verhaltensstörung und zeigt sich in verschiedenen, unkontrollierbaren Symptomen.
6
"!Interpunktion = Ordnung/Gliederung des Kommunikationsablaufes in Verhaltenssequenzen bzw. Ereignisfolgen!
Kommunikationstherapeutische Interventionen nach Watzlawick müssen genau dort ansetzen und so genannte
Symptomverschreibungen anwenden, damit es unter Kontrolle gebracht werden kann.
6.5 Modelltheoretische Ansätze zur Massenkommunikation
Die wichtigsten Funktionen eines Modells sind:
- die Organisationsfunktion (integrieren von Einzelaspekten in einen Gesamtzusammenhang)
- die heuristische Funktion (neue verallgemeinerbare Einsichten ermöglichen)
- die Prognosefunktion (Vorhersagen ermöglichen)
- die Messfunktion (nur fallweise; auf Genauigkeit zielende, womöglich quantifizierbare Angaben ermöglichen)
Neben der deskriptiven Bedeutung als Veranschaulichungsmittel von empirischen Befunden haben Modelle auch
eine normative Bedeutung, indem sie Ansatzpunkte für die weitere Forschungsarbeit nahe legen.
6.5.1 Deskriptive Modelle des Massenkommunikationsprozesses
Kommunikationsprozesse, die in einem gesellschaftlichen Umfeld stattfinden, bilden den zentralen Gesichtspunkt
der folgenden Theorieperspektiven. Die Modelle orientieren sich einerseits an systemtheoretischem Denken,
andererseits am historisch-materialistischem Denkansatz.
Der Massenkommunikationsprozess findet in einem bestimmten gesellschaftlichen Umfeld statt.
Dieser Prozess dient einerseits der Erhaltung Massenmedialer und gesellschaftlicher Systeme
(systemtheoretischer Ansatz) und andererseits der Kapitalverwertung (historisch-materialistischer Ansatz).
6.5.1.1 Die Lasswe l l -Formel
wer Kommunikatorforschung
sagt was Inhalts- bzw. Aussagenanalyse
in welchem Kanal Medienforschung
zu wem Publikums- bzw. Rezipientenforschung
mit welcher Wirkung ? Wirkungsforschung
Von H.D. Lasswell 1948 verfasst, dokumentiert das Modell die Einheit des gesamten Kommunikationsprozesses,
systematisiert jedoch auch die Aufgliederung dessen in kommunikationswissenschaftliche Forschungsbereiche.
Zentraler Vorwurf der Kritiker liegt in der statisch, linear und damit einseitig-kausalen Darstellung der tatsächlich
dynamischen und interaktionshaft rückgekoppelten Kommunikationsprozesse.
Wer sagt was in welchem Kanal zu wem mit welcher Wirkung?
Who says what in which channel to whom with what effect?
Dieses Modell wurde von HAROLD D. LASSWELL entwickelt, richtet sich nach der Systemtheorie und analysiert
die Massenkommunikation auf strukturell-funktionalistische Weise. Es wird quasi als Universalformel
kommunikationswissenschaftlicher Tätigkeit hochstilisiert. So ist denn auch mit jedem W ein neues Themengebiet
der Wissenschaft angesprochen:
Wer? Kommunikatorforschung
Was? Inhalts- und Aussageanalyse
In welchem Kanal? Medienforschung
Zu wem? Publikumsforschung / Rezipientenforschung
Mit welcher Wirkung? Wirkungsforschung
Doch die LASSWELL-Formel darf nicht im strengen Sinne als wissenschaftliches Modell betrachtet werden.
Aufgrund dieser Betrachtungseinschränkung der Kommunikation auf fünf Themenkreise wird das Bild der
Kommunikationswissenschaft dementsprechend verzerrt.
Was LASSWELL mit seiner Entwicklung eigentlich erreichen wollte: Er beabsichtigte, durch sein Modell die
Analyse der Kommunikationswissenschaft auf strukturell-funktionaler Ebene voranzutreiben. Vor allem aber
schob er der bisher dominanten Stimulus-Response-Theorie einen Riegel (v. a. in Bezug auf das letzte W).
6
Stimulus-Response-Theorie: Auch transmission belt theory oder hypodermic needle theory genannt. Diese
Theorie behauptet, dass sorgfältig gestaltete Stimuli jedes Individuum der Gesellschaft über die Massenmedien
auf die gleiche Weise erreichen, jedes Gesellschaftsmitglied die Stimuli in der gleichen Art wahrnimmt und als
Ergebnis eine bei allen Individuen ähnliche Reaktion hervorgerufen wird. Mit dieser Theorie – die in den
Massenmedien ein gewaltiges Manipulationsinstrumentarium sah - war auch der Glaube an die Omnipotenz der
Massenmedien geboren.
6.5.1.2 Das Westley/MacLean-Model l
In der Tradition der Gatekeeper-Forschung entwickelt, stellt dieses Modell den Prozess der
Nachrichtenvermittlung als einen mehrfach selektiven und auch dynamisch rückgekoppelten Vorgang dar. Die
Faktoren des Modells sind A(advocacy roles) = Kommunikator zuständig für interessenbezogene und
zielorientierte Nachrichtenvermittlung; B(behavorial system roles) = Rezipienten/Publikum empfängt Botschaft
zum Zweck subjektiver Bedürfnisbefriedigung oder Problemlösung; C(channel roles) = Medium od. Gatekeeper
selektiert und gibt nötige Informationen weiter; f(feedback) = Rückmeldungsprozesse geben Auskunft über den
Empfang und das Verständnis der gesendeten Botschaften.
Das Modell veranschaulicht den Transmissionsprozess, den eine Botschaft durchläuft, und potentielle
Interdependenzen im Verlauf eines derartigen Übertragungsvorganges.
Dieses Modell erwies sich als sehr wichtig in der Gatekeeper-Forschung. Es verdeutlicht, dass
Kommunikationsprozesse vor allem auch durch Feedback-Schleifen gekennzeichnet sind.
Mit Xn sind die einzelnen Sachverhalte (Ereignisse) angesprochen, die auf den Kommunikator A (advocacy
role), also den Journalisten einwirken – z. T. aus mehreren Quellen dieselben Sachverhalte (X3, X3m). Mit der
Anwaltschaftsrolle wird angedeutet, dass die Nachrichtenvermittlung interessenbezogen und zielorientiert ist, und
also die Sachverhalte zu einer oder mehreren „neuen“ Botschaften X’ synthetisiert werden. Mit C sind die channel
roles, die Kanal-Rollen angesprochen. Es sind dies quasi Agenten des Publikums, welche – ohne eigene
Interessen zu vertreten – die Nachrichten selektieren und sie als X“ an B (behavioral system roles), an das
rezipierende Publikum weitersenden. Dabei können diese Kanalrollen selbst auch direkt auf die „rohen“
Sachverhalte zurückgreifen (X3c). Wichtig ist auch die Möglichkeit des Feedbacks, welches durch gestrichelte
Linien und den Buchstaben „f“ ausgedrückt wird. In der Massenkommunikation ist jetzt also von einer Vielzahl
von A, B und v. a. C auszugehen.
[siehe Westley-McLean-Modell: Burkart 483]
Bezogen auf die Gatekeeper-Forschung würde also C als Gatekeeper im Zentrum des Interesses stehen, wobei
auch gleichzeitig ein mehrstufiger Kommunikationsprozess vorhanden wäre.
Dieses Modell stimmt ein wenig in das Stimulus-Response-Modell ein, allein dadurch, dass es die Sachverhalte
als unabhängige, Gatekeeper-Handlungen als intervenierende und die Publikumswirkung als abhängige Variable
definiert.
Man muss dieses Modell auch unter dem Gesichtspunkt einer Wunschvorstellung betrachten. Es ist wohl sehr
illusorisch, dass die Journalisten (A) die Realität wertfrei und objekt darstellen würden. Dies ist faktisch
unmöglich.
6.5.1.3 Das Riley/Riley-Modell
In diesem soziologisch orientierten Modell steht die soziale Verflochtenheit der Kommunikationspartner
(Kommunikatoren und Rezipienten) im Mittelpunkt. Kommunikator und Rezipient sind Elemente zweier sozialer
Strukturen (Primärgruppen; z. B. Familie, Nachbarschaft), die deren Kommunikationsverhalten beeinflussen.
Durch vorherrschende Normen und Regeln des Anstands ist die Vermittlung zwischen Kommunikator und
Rezipient vielfältig und verbindlich sozial vorstrukturiert. Dabei wird (im Gegensatz zum Gatekeeping) auch die
Rezipientenseite berücksichtigt (z. B.: selektive Wahrnehmung, Interpretation und Behalten einer Botschaft
sowie Reaktion des Rezipienten). Die Vermittlung steht demnach nicht allein im Belieben der Kommunikanden.
Das Modell verdeutlicht zudem, dass Massenkommunikation nicht isoliert betrachtet werden darf. Der
Massenkommunikationsprozess ist Teil des Gesamtsozialsystems, beeinflusst dieses und wird umgekehrt von
6
diesem beeinflusst. Hier steht die Verflochtenheit der Kommunikationspartner im Mittelpunkt. Das Modell
betrachtet Kommunikator und Rezipient als in soziale (Teil)systeme (Primärgruppen) eingebettet. Diese
Teilsysteme oder auch sozialen Gruppen beeinflussen das Kommunikationsverhalten der Beteiligten wesentlich.
[siehe Riley-Riley-Modell: Burkart 486]
Was also im Rahmen Maßenkommunikativer Handlungen von Kommunikator zu Rezipient transferiert wird, ist
also nicht durch das Belieben der Kommunikanden auf seine spezielle Art beschaffen, wie es ist. Vielmehr ist
diese kommunikative Handlung geleitet durch gesellschaftliche Vorstrukturierungen und
Verbindlichkeiten. Somit wird also auch das ganze Mediensystem als dem gesellschaftlichen System
untergeordnet und eingebettet betrachtet – als bloßer Teilaspekt, als Element des „Over-All Social System“
(Gesamtsozialsystems).
Das RILEY/RILEY-Modell erweist sich also eine Darstellung der Kommunikanden als von Interdependenzen
gezeichnet – und dies auf der gesamtgesellschaftlichen Ebene.
6.5.1.4. Das Feldschema von Maletzke
Im sozialpsychologisch orientierten Feldschema von Maletzke werden die Wechselbeziehungen im
Massenkommunikationsprozess wesentlich detaillierter herausgestellt. Das Massenkommunikationssystem
begreift er als Beziehungssystem zwischen den Grundfaktoren Kommunikator, Aussage, Medium und
Rezipient, und deren gegenseitige Beeinflussung. Kommunikator und Rezipient handeln im
Massenkommunikationsprozess stets abhängig von ihren subjektiven sozialen und psychischen
Dispositionen. Der Kommunikator produziert seine Aussagen in Abhängigkeit von seiner Persönlichkeit,
Selbstbild, institutioneller Eingebundenheit oder dem Einfluss von sonstigen sozialen Beziehungen, die er
unterhält. Auch der Rezipient darf seinerseits bei der Zuwendung zu, Auswahl und Wahrnehmung von
Massenmedialen Aussagen nicht unabhängig von seiner Persönlichkeit, Selbstsicht und Gruppenzugehörigkeit
gesehen werden. Rezipient und Kommunikator handeln nicht unabhängig voneinander, sondern sind vom
jeweiligen Fremdbild beeinflusst. Beide sind zudem von verschiedenen Zwängen beeinflusst. Der
Kommunikator ist durch den Zwang der Aussage (diese ist öffentlich; er kann daher beim Wort genommen
werden) sowie technischen und organisatorischen Zwängen des Mediums (Aussagenproduktion) beeinflusst. Das
Medium übt auch Zwang auf den Rezipienten aus. Beispielsweise über die Verbreitungstechnik auf dessen
Rezeptionsweise (optisch/akustisch). Weiterhin eröffnet das Modell die Möglichkeit eines Feedbacks (z. B.
Leserbriefe) seitens des Rezipienten und durchbricht so die Einseitigkeit des Massenkommunikationsprozesses.
Gerhard Maletzkes Vorstellung eines Massenmedialen Modells stützt sich – durch die Bezeichnung „Feld“ - auf
eine ganzheitliche Struktur des Massenmediensystems. Das Modell legt nahe, dass sowohl Kommunikator
als auch Rezipient auf der Grundlage verschiedenster sozialer, psychischer und subjektiver
Dispositionen handeln. Diese Dispositionen beeinflussen also sowohl die Art der kommunikativen Handlung, als
auch die Weise der Wahrnehmung seitens Rezipient. Das Bild, welches Kommunikator und Rezipient
voneinander haben, beeinflusst in starker Weise die Art, wie der Kommunikator mitteilt und die Art, wie der
Rezipient rezipiert. Gekennzeichnet ist das Konzept auch von verschiedenen Zwängen (der Öffentlichkeit, des
Mediums, der Aussage). Der Zwang der Öffentlichkeit legt die gesellschaftlich-publizistischen Einflussfaktoren
fest, der Zwang des Mediums ist durch die technischen Voraussetzungen gegeben und der Zwang der Aussage
selbst sichert die Haftbarkeit des Kommunikators für seine Aussage (er kann „beim Wort genommen werden“).
Kommunikator und Rezipient sind in MALETZKEs Modell durch psychische und soziale Faktoren bestimmte
Personen. Außerdem sieht das Modell ein komplexes Interdependenzverhältnis vor, welches in allen Elementen
vorhanden ist.
6.5.1.5. Das Modell elektronisch mediatisierter Gemeinschaftskommunikation
Aufgrund der kommunikationstechnischen Entwicklung hin zu einer Integration von Telekommunikation,
Computer und elektronischen Massenmedien, kam es auch in den Kommunikationswissenschaften zu einem
Überdenken des Massenkommunikationsbegriffes. Von Bedeutung ist dabei, ob diese oft als „Information-
Superhighway“ oder „Multimedia“ etikettierte Entwicklung mit ihren neuen technologischen strukturellen
6
Innovationen auch funktionale Differenzierungen im Massenkommunikationsprozess mit sich bringt. Geht man
von einer wachsenden Interaktivität durch die neuen Dienste (z. B. „elektronische Gemeinschaften“; many-to-
many Kommunikation) aus, so scheint der Begriff des dispersen Publikums, als ein wichtiger Aspekt des
traditionellen Massenkommunikationsprozesses, unangemessen.
Da dieser unter anderem davon ausgeht, dass die jeweiligen Rezipienten, die sich „gemeinsam“ einer Aussage
zuwenden (disperses Publikum), gegenseitig anonym sind. Auch mit der bereits im oben erwähnten Feldschema
von Maletzke aufgezeigten Möglichkeit einer Feedback-Beziehung, wird ein weiterer wichtiger Aspekt des
Massenkommunikationsprozesses – nämlich dessen Einseitigkeit – aufgeweicht. Eine strukturelle
Unterscheidung zwischen den Begriffen „Kommunikator“ und „Rezipient“ erscheint nicht mehr zweckmäßig. Lutz
Goertz schlägt vor beide theoretisch auf dieselbe Stufe zu stellen. Den Rezipienten als „Beteiligten“, der nicht
nur aufnimmt, sondern auch eingreift. Den Kommunikator als „Organisierenden Beteiligten“, der im Extremfall
keine Aussagen mehr produziert, sondern nur noch den technischen Ablauf der Kommunikation ermöglicht und
überwacht. Das Medium begreift er aufgrund der verschiedenen Funktionen eines Gerätes (Textverarbeitung,
Datenübertragung) als rein technische „Kommunikationsstruktur“ („Medienanwendung“).
Rupert Schmutzer geht in seinem Kommunikationsmodell der „doppelten Mittelbarkeit“ davon aus, dass ein
Kommunikationsangebot stets in einem ersten Sinn „mittelbar“ ist, da es gezwungenerMaßen medial gestaltet
wird. Er nennt diesen Vermittlungsaspekt die „Inanspruchnahme“ von Material durch den Kommunikator (z. B.:
Schreiben auf Papier). Damit rückt er den Kommunikationsgegenstand in den Mittelpunkt. Die Mittelbarkeit in
einem zweiten Sinn besteht dann in der „Indienstnahme“ von Material durch den Kommunikator (z. B.: Druck von
Schrift; Buch, Zeitung).
Der Begriff der Indienstnahme rückt seinerseits die Kommunikationsbeziehung in den Mittelpunkt, weil sich damit
der „interaktive“ Aspekt der neuen elektronischen Kommunikationstechniken angemessen erfassen lässt.
Schmutzer gesellt nämlich zu den Momenten der Inanspruchnahme und Indienstnahme des Kommunikations-
Anbieters, die Momente der Teilhabe und Teilnahme des Benutzers von solchen Angeboten.
Wobei die „Teilhabe“ des Benutzers durch die Indienstnahme des Kommunikators garantiert wird (z. B.: etwas
ins Netz stellen), was die „Teilnahme“ am Kommunikationsangebot erst ermöglicht.
Abermals enthüllen sich hier zwei differenzierbare Rollenbilder: Produzent (Inanspruchnahme, Indienstnahme)
und Konsument (Teilhabe, Teilnahme). Ob ein Rollentausch durch die neuen interaktiven Medien tatsächlich
möglich ist, beantwortet Schmutzer nüchtern mit nein. Er sieht in diesen Entwicklungen lediglich neue Qualitäten
(technisch veränderte Möglichkeiten) der Teilhabe und Teilnahme des Rezipienten. Mit Hilfe der oben
angeführten analytischen Kategorien und unter Rückgriff auf das Feldschema von Maletzke lässt sich nun ein
neues „Modell elektronisch mediatisierter Gemeinschaftskommunikation“ entwerfen.
Dass verschiedenste moderne elektronische Medien nach und nach einer Zielrichtung zustreben, ist
unübersehbar. Aufgrund dieser Entwicklung drängt sich eine Neuformulierung des
Massenkommunikationsbegriffes auf.
Ausgehend von MALETZKEs Feldschema wollen wir uns zunächst genauer mit Feedback-Beziehungen zwischen
Kommunikator und Rezipient auseinandersetzen. Dabei gelten v. a. spontane Antworten des Publikums
(Leserbriefe, Telefonanrufe) als solche Feedbacks. Diese Rezipienten werden von MALETZKE auch als
disperses Publikum bezeichnet.
[siehe Burkart/Hömberg-Modell: Burkart 496]
Allerdings zeigt sich hier ein allmählicher Wandel: Aus einer One-to-Many-Communication wird eine Many-To-
Many-Communication. Viele können vieles für viele anbieten (z. B. Internet) – Informationsforen, Homepages
usw. In diesem Kontext wären dann aber die Begriffe wie „Kommunikator“ und „Rezipient“ nicht mehr
angemessen. Vielmehr wären die Terminologien unter dem Oberbegriff der Beteiligten gleichwertig
zusammengefasst. Es würden sich dann aber als Zweitrollen die so genannten organisierenden Beteiligten
ergeben, welche die Kommunikation verwalten, finanzieren, kontrollieren. Die beiden Rollen könnten sich dann
auch problemlos überschneiden. Das Medium ist als solches auch kein klarer Begriff mehr, da das
Zugangsterminal zum Informations-Highway (also der Personalcomputer) gleichzeitig zu anderen Funktionen
befähigt ist.
??? Inanspruchnahme / Indienstnahme
6
??? Teilhabe / Teilnahme
Die neue Form elektronischer Kommunikation ermöglicht sowohl Individual-, Gruppen- als auch
Massenkommunikation. Die Trennschärfe zwischen den Bereichen nimmt dabei ab, was deren
Kommunikationswissenschaftliche Analyse erschwert. Auch die klare Unterscheidung zwischen Dienstanbieter
und Nachfrager verschwimmt. Auch in dem eigens für „elektronische Gemeinschaften“ erstellten Schema findet
sich eine Anzahl an Zwängen die auf einen Beteiligten 1 (B1) und einen Beteiligten 2 (B2) einwirken. So vor allem
der Zwang der medialen Anwendungpotentiale, die von den OBs (organisierenden Beteiligten) bereitgestellt
werden, welche in Bezug auf die auszusagende Aussage kooperieren müssen.
6.5.1.6. Das materialistische Modell von Hund
Dieses Modell ist formal ähnlich aufgebaut wie jenes von Maletzke (Feldschema). Allerdings wird hier nicht die
sozialpsychologische, sondern die ökonomische Perspektive der Massenmedialen Aussagenproduktion in den
Vordergrund gestellt. In seinem „Modell Maßenhaft kommunizierter Nachrichten unter den Bedingungen
kapitalistischer Warenproduktion“ begreift Hund den Kommunikator als Nachrichtenproduktionsbetrieb,
der den allgemeinen Bedingungen der Kapitalverwertung unterliegt und dessen Ziel die Profitmaximierung ist.
Durch ihn wird die Ware Nachricht zwecks Kapitalverwertung manipuliert. Auch der Rezipient muss in seiner
sozialökonomischen Situation begriffen werden wie Klassenlage und deren Sozialisationsbedingungen. Um die
Verwertungschancen des investierten Kapitals zu erhöhen, versucht sich der Kommunikator mit der Demoskopie
ein Bild vom Rezipienten, dessen Situation und Gewohnheiten zu machen. Zudem nutzt der Kommunikator die
PR, um das Bild von ihm beim Rezipienten zu beeinflussen. Die wechselseitigen Bilder zwischen Rezipient und
Kommunikator sind daher für Hund „... herrschaftlich gewichtet.“
WULF D. HUND hat die ganze Massenmediale Kommunikationsforschung unter einem materialistischen
Gesichtspunkt betrachtet. Er erstellte ein „Modell Maßenhaft kommunizierter Nachrichten unter den
Bedingungen kapitalistischer Warenproduktion“. Er analysiert die Massenmedialen Prozesse also in einer
ökonomischen Perspektive. Nachrichten gelten – unter den Bedingungen einer kapitalistischen Gesellschaft –
dabei als Waren. Der Kommunikator entfernt sich also davon, eine Person zu sein. Er wird zu einer
Produktionsstätte für Nachrichten. [siehe Hund-Modell: Burkart 500]
Kommunikatives Handeln erhält durch das erstellte Modell den Hauptauftrag der Verwertung von Kapital. Der
Rezipient wird im gleichen Zuge als Abhängiger seiner sozioökonomischen Bedingungen gesehen, d. h. als
Resultat schichtspezifischer und gruppendynamischer Eigenschaften. Der Kommunikator verwendet überdies für
mehr Erkenntnisse über den Rezipienten die Demoskopie und versucht auch, ihn mittels PR zu angeln. Der
Kommunikator verwendet also – als dem kapitalistischen Diktat unterworfener – die Massenmedien als Mittel
zur Kapitalverwertung.
6.5.2. Zielorientierte Ansätze zum Massenkommunikationsprozess
Die im folgenden vorgestellten zielorientierten Ansätze haben ihren Ursprung in der Jahrzehnte langen
Perspektive der Massenkommunikationsforschung als Geschichte der Medienwirkungsforschung. Die
Beeinflussung durch Massenmedien – also deren Wirkung- wurde stets mit großem Interesse von der Forschung
verfolgt. Die dabei entstandenen wichtigsten Theorien und Modelle wurden bereits ausführlich besprochen und
seien daher in diesem Zusammenhang nur noch kurz erwähnt.
6.5.2.1. Ansätze zu einer Theorie Maßenkommunikativer Beeinflussung
Die Frage, wie Denken, Fühlen und Handeln der Rezipienten durch Massenmedial verbreitete Aussagen
beeinflusst wird, kann aus verschiedenen Perspektiven beantwortet werden, die ihrerseits auch unterschiedliche
Forschungstraditionen haben.
1. „Einstellungsforschung“: Ausgangspunkt dieser ältesten Forschungstradition war die Persuasionstheorie
mit ihrem S-R Modell, was später zum S-O-R Modell erweitert wurde (das O-Objekt=Rezipient der
Beeinflussungsversuche rückt stärker in den Mittelpunkt). Die Konsistenztheorien stellen demnach die
„Prädispositionen“ (Einstellungen, Meinungen) vor dem Empfang der Aussage als zentralen Beeinflussungsfaktor
in den Vordergrund.
6
2. „Diffusionsforschung“: Sie beschäftigt sich mit der Ver- und Ausbreitung von Nachrichten in der Gesellschaft.
Sie entdeckte mit dem „opinion-leading“ eine wesentliche Schaltstelle der Beeinflussung im interpersonalen
Kommunikationsprozess. Heute: „opinion-sharing“.
3. “Gratifikationsforschung”: Die Motivation zur Medienzuwendung ist der zentrale Faktor, der letztlich über das
Beeinflussungspotential eines Medieninhaltes entscheidet. Hieraus entstand der „Nutzenansatz“ bzw. „Uses and
Gratifikations-Approach“. Die neuere “dynamisch-transaktionale Persepektive” bezieht neben den Motiven bzw.
dem Nutzen der Rezipienten das Aussagenangebot mit ein.
4. „Agenda-Setting-Forschung“: Sie schwört dem Glauben einer direkten Beeinflussung von Einstellungen,
Meinungen und Verhaltensweisen ab. Beeinflussung durch Medien und deren Inhalte beim Rezipienten liegt nur
noch durch (themenbezogenes) Herstellen von Aufmerksamkeit, in der Veränderung von Wissen oder der
Erzeugung eines Problembewusstseins vor.
5. „Knowledge-gap-Forschung“: Nimmt sich der Veränderung des themenspezifischen Informationsstandes
durch Massenmediale Aussagen an. Ob die verbreiteten Inhalte überhaupt kognitiv erfasst und weiterverarbeitet
werden, hängt von den bereits vorhandenen themenspezifischen Interessen bzw. Informationen der Rezipienten
ab.
6. „Schweigespirale“: In diesem Ansatz wird die Beeinflussungskapazität vom „Meinungsklima“ abhängig
gemacht. Eine unterstellte Isolationsflucht führt dazu, dass sich Menschen eher der Mehrheits- als der
Minderheitsmeinung anschließen. Zu beachten bleibt, dass gerade die Massenmedien an der Entwicklung dieser
Vorstellungen (Meinungsklima) über das Ausmaß der medialen Präsenz einen erheblichen Einfluss haben.
6.5.2.2. Emanzipatorische Ansätze zur Massenkommunikation
Die folgenden Ansätze zielen, in Abgrenzung zu den oben erwähnten, auf eine Veränderung der
Mediensysteme oder gar der Gesellschaft ab. Die Voraussetzung für einen gesellschaftlichen Wandel sehen
sie in der Umgestaltung Massenmedialer Kommunikation. Die Menschen sollen so näher an die Wahrnehmung
und Durchsetzung ihrer eigenen Bedürfnisse und Interessen gebracht werden. Daher kann man diese Ansätze
als emanzipatorisch begreifen.
6.5.2.2.1. Der medienkritische Ansatz von Enzensberger
Enzensberger begreift die modernen Massenmedien und die mit diesen verbundene Bewusstseinsindustrie im
Monopolkapitalismus als Schrittmacher der sozioökonomischen Entwicklung in spätindustriellen Gesellschaften.
Grundgedanke seines Ansatzes ist es, die Maßenkommunikativen Strukturen in (westlichen)
Industriegesellschaften derart umzuformen, dass sie zur Überwindung des Monopolkapitalismus und damit zur
elementaren Veränderung gesellschaftlicher Verhältnisse beitragen. Enzensberger kritisiert, dass es bis heute
nicht gelungen sei, aus den Massenkommunikationsmedien echte Kommunikationsmittel zu machen, die eine
Wechselwirkung zwischen Sender und Empfänger zulassen, obwohl dies technisch möglich wäre. Vielmehr
würde eine solche Entwicklung vom bloßen Distributions- zum Kommunikationsmedium bewusst verhindert,
um den Unterschied zwischen herrschender (Sender, Produzent) und beherrschter (Empfänger, Konsument)
Klasse aufrecht zu erhalten. Enzensberger knüpft mit diesen Gedanken an Bertold Brecht an, der schon in den
30ern vom Rundfunk forderte, sich vom bloßen Lieferantentum zu verabschieden und auch den Hörer als
Lieferant zu organisieren. Der Hörer wäre so nicht mehr isoliert, sondern in Beziehung gesetzt, und so Brecht:
„Der Rundfunk wäre der denkbar großartigste Kommunikationsapparat des öffentlichen Lebens...“. Enzensberger
argumentiert, dass in einer kapitalistisch organisierten Gesellschaft die Medien zwar den Maßen zur Verfügung
gestellt werden (z. B.: Kameras, Videogeräte), aber solange der einzelne isoliert bleibt, ist er bestenfalls ein auf
Freizeitgestaltung reduzierter Amateur und nicht Produzent. Dieser für kapitalistische Gesellschaften typischen
Entpolitisierungstendenz ist so Enzensberger das Initiieren politischer Lernprozesse entgegenzusetzen, der
Immobilität der voneinander isolierten Individuen ist durch eine Mobilisierung der Maßen entgegenzuwirken. In
dieser mobilisierenden Kraft liegt das entscheidende politische Moment. Die Medien könnten erstmals eine
Maßenhafte Teilnahme an einem gesellschaftlichen und vergesellschafteten produktiven Prozess ermöglichen,
dessen praktische Mittel sich in der Hand der Maßen selbst befinden. Alle sollen sich an einem Programm für alle
beteiligen. Weg vom kapitalistisch organisierten „repressiven Mediengebrauch“ mit passiver
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Konsumentenhaltung, hin zu einem „emanzipatorischen Mediengebrauch“ einem aktiven und kritischen
Umgehen mit den Medien und deren Inhalten.
6.5.2.2.2. Der demokratische Ansatz von Geissler
Der moderatere Denkansatz von Geissler fusst auf den Vorstellungen einer partizipatorisch-pluralistischen
Demokratie, in der eine möglichst einsichtige Teilnahme möglichst vieler Staatsbürger an der Analyse und
Entscheidung politischer Fragen und damit an der Ausübung von Macht und Herrschaft gewährleistet ist. Der hier
gemeinte Partizipationsbegriff ist sehr weit gefasst, und schliesst neben der Wahlbeteiligung auch eine ständige
Bereitschaft zum Mitdenken und –reden sowie die Teilnahme an politischen Aktionen mit ein. Die
Fremdbestimmung des einzelnen durch Interessen, die nicht die seinen sind – also Macht und Herrschaft – soll
abgebaut werden. Der Pluralismusbegriff impliziert die Chancengleichheit der Interessen aller Gruppen in einer
Gesellschaft, sich im politischen Prozess durchzusetzen. Angestrebt werden politische Entscheidungen, die zu
einem möglichst ausgewogenen Kompromiss zwischen den unterschiedlichen Interessen(gruppen) führen.
Geissler sieht die Grundbedingung für das Funktionieren eines derartigen demokratischen Prozesses in der
politischen Basiskommunikation zwischen Staatsbürger (Basis) und politischen Handlungsträgern und
Institutionen. Nur so kann pluralistische Öffentlichkeit entstehen, in der die verschiedenen Interessen zur
Artikulation gelangen und miteinander verglichen werden können. Ob und wie die Menschen diese ihnen
formalrechtlich zustehenden Partizipationschancen realisieren können, hängt in hohem Maße vom Zustand der
Massenmedien bzw. von deren erbrachten Leistungen ab. Hier entdeckt Geissler Hindernisse, die einer
Realisierung echter demokratischer Basiskommunikation im Wege stehen. Die Kluft zwischen politischer Spitze
und Basis wird hauptsächlich durch die Massenmedien überbrückt, die in der politischen Kommunikation
praktisch eine Monopolstellung besitzen. Die von den Medien vermittelten Inhalte sind jedoch – so Geissler – auf
mehrfache Weise manipulativer Natur. Sie sind zum einen durch politischen wie sozialen Konformismus
geprägt: Stellungnahmen zu politischen Fragen sind unverbindlich und neutral oder Partikularinteressen werden
als Gemeininteressen ausgegeben. Soziale Zubzw. Missstände werden so nur unhinterfragt widergespiegelt.
Zum anderen sind die medialen Inhalte durch quantitative und qualitative Entpolitisierung gekennzeichnet:
Unterhaltung, Sensation und Werbung treten in den Vordergrund und die Grenzen zu politischer Information
(Politshow) verwischt, so dass eigentliche strukturelle Ursachen und Bedingungen vieler Probleme von der Basis
nicht mehr erkannt werden. Die Auswirkung dieser manipulativen Inhalte ist – so Geissler – politisches
Desinteresse und Apathie, welche die bestehenden Gesellschafts- und Herrschaftsverhältnisse letztlich noch
stabilisieren.
Geissler hat daher drei Leistungen (Funktionen) von den Massenmedien gefordert, um echte demokratische
Basiskommunikation herzustellen.
1. Ideologiekritische Herstellung von Transparenz
Der einzelne kann sich nur politisch vernunftgemäss verhalten, wenn er Klarheit über politische Probleme und
dem politischen Denken und Handeln der verschiedenen Interessengruppen besitzt. Die Massenmedien haben
daher durch Information und Kritik zur Herstellung dieser Transparenz beizutragen. „Ideologiekritisch“ ist eine
derartige Herstellung von Transparenz dann, wenn Interessenkonflikte und Machtstrukturen sowie tatsächlich
verfolgte Ziele aufgedeckt werden.
2. Artikulation von Interessen
Um dem Bürger ein echtes Verständnis des Wesentlichen zu ermöglichen, ist es in hochspezialisierten
Gesellschaften notwendig komplexe Fragen und Probleme zu vereinfachen. Diesen Vereinfachungsprozess
lokalisiert Geissler in der Artikulationsfunktion der Massenmedien. Jene besteht darin, „während der
Problemvereinfachung und der Formulierung der politischen Alternativen durch die Politiker und Experten
Interessen der Basis zur Sprache zu bringen“.
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3. Pluralistische Kompensation
Es entspricht den Grundsätzen einer pluralistischen Demokratie, dass alle in der Gesellschaft vorfindbaren
kommunikativ relevanten Positionen (Gruppeninteressen) ungefähr die gleiche Chance haben (sollen), an die
Öffentlichkeit zu gelangen.
Das Relevanzkriterium der Veröffentlichung in den Massenmedien kann in den tatsächlichen Machtverhältnissen
der Interessengruppen oder in der Artikulationsbereitschaft verschiedener Interessengruppen gesehen werden.
Je nachdem wären andere Interessengruppen im Prozess der politischen Kommunikation privilegiert.
Geissler verweist daher in diesem Zusammenhang auf die moderne Pluralismustheorie, welche davon ausgeht,
dass Chancengleichheit im politischen Prozess eine ideologische Fiktion ist. Gleichzeitig stellt er an die
Massenmedien die normative Forderung, ihren Beitrag zur Realisierung der pluralistischen Demokratie zu leisten,
indem sie vor allem denjenigen Interessen publizistische Macht verleihen, die in der bestehenden
gesellschaftlichen Kräftekonstellation benachteiligt sind. „Die Massenmedien haben die Aufgabe, Ungleichheiten
in den Einflusschancen auszugleichen.“
Zu erwähnen bleibt, dass selbst wenn die Massenmedien imstande sind, diesen Forderungen nachzukommen,
ein Qualitätswandel in der Basiskommunikation auch von anderen Veränderungen auf Seiten des Publikums
abhängt. Die Massenmedien und ihre erbrachten Leistungen stellen schließlich nur einen Sozialisationsfaktor
unter vielen anderen dar (Familie, Schule, Beruf etc.).
6.5.2.2.3. Der verständigungsorientierte Ansatz nach Habermas
Ein Diskurs kann nur dann wirklich stattfinden, wenn zwei wesentliche Elemente erfüllt sind. Zum einen die
Chancengleichheit bei der Wahrung der jeweils zur Diskussion stehenden Interessen. D. h. in einem wirklichen
Diskurs geht jeder davon aus, dass er die gleichen Chancen und Möglichkeiten hat, Standpunkte in das
Gespräch einzubringen und auch durchzusetzen. Zum anderen die rational motivierte Auseinandersetzung
zwischen vernünftig agierenden Kommunikationspartnern. D. h. ein allfälliger Konsens zwischen ihnen beruht auf
nichts anderem als auf dem eigentümlich zwanglosen Zwang des besseren, weil einleuchtenderen Arguments.
Diese beiden Voraussetzungen eines Diskurs sind für Habermas die Fundamente einer kommunikativen
Theorie demokratisch organisierter Öffentlichkeit. Für ihn ist die politische Öffentlichkeit nichts anderes als
der Raum, in dem konfliktträchtige gesellschaftliche Streitfragen einer rationalen Auseinandersetzung und
Regelung zugeführt werden sollen. Dies setzt – nach Habermas – jedoch zwei kommunikative Bedingungen
voraus, die eine demokratische Öffentlichkeit erst konstituieren: allgemeine Zugänglichkeit und rationale
Diskussion.
Allgemeine Zugänglichkeit: Bedeutet, dass niemand von der Entscheidungsfindung ausgeschlossen ist. Der
Zustand, dass alle Bürger an allen Entscheidungen teilnehmen und über alle politischen Vorgänge unterrichtet
sind, ist in einer hochkomplexen Gesellschaft jedoch nicht realisierbar. Einerseits, da den meisten Menschen der
Sachverstand zur Beurteilung der Mehrzahl der Probleme fehlt. Andererseits, weil der Beschaffungsaufwand
totaler Information für den einzelnen zu hoch ist. Trotzdem ist dieses idealistische Konzept demokratischer
Öffentlichkeit umsetzbar, wenn professionelle Kommunikatoren (Journalisten) installiert werden. Diese können
durch Berichterstattung die Verhandlungs- bzw. Entscheidungsvorgänge öffentlich machen. So wird den
interessierten Bürgern das Mitdenken und Mitreden erst ermöglicht.
Rationale Diskussion: Bedeutet, dass bei der durch den Journalismus veröffentlichten (allgemein zugänglichen)
Diskussion einer vernünftigen, argumentativ begründeten Auseinandersetzung der Vorrang eingeräumt und
Medienmacht nicht primär manipulativ eingesetzt wird.
Beide Momente zusammen, die allgemeine Zugänglichkeit und rationale Diskussion, bringen schließlich eine
„kritische Publizität“ hervor. Diese soll die vorherrschende (Habermas) „manipulative Publizität“ verdrängen,
die nur die Aufgabe erfüllt „die Aufmerksamkeit durch Themenbereiche zu strukturieren, d. h. andere Themen,
Probleme und Argumente unter die Aufmerksamkeitsschwelle herunterzuspielen“. Die kritische Publizität soll
demgegenüber öffentliche Diskurse ermöglichen, die dann im Zusammenspiel mit der institutionell verfassten
politischen Willensbildung eine kommunikative Macht eigener Art darstellen. „Diskurse herrschen nicht. Sie
erzeugen eine kommunikative Macht, die die administrative nicht ersetzen, sondern nur beeinflussen kann.
Dieser Einfluss beschränkt sich auf die Beschaffung und den Entzug von Legitimation.“
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