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Carl Gangolf Kayser – Burgenbauer, Innenarchitekt und Wiener Künstlerfreund von Hermann Allmers Helmut Scharsching und Axel Behne Sonderdruck aus Jahrbuch der Männer vom Morgenstern Bd. 92/93 (2013/2014) Bremerhaven 2015

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Carl Gangolf Kayser – Burgenbauer, Innenarchitekt und Wiener Künstlerfreund von Hermann Allmers

Helmut Scharsching und Axel Behne

Sonderdruck aus

Jahrbuch der Männer vom Morgenstern Bd. 92/93 (2013/2014)

Bremerhaven 2015

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Die MÄNNER VOM MORGENSTERN,der Heimatbund an Elb- und Wesermündung, wurde 1882 auf Anregung von Hermann Allmers in der Gaststätte »Zum Schloss Morgenstern« in dem wurtfriesischen Dörfchen Weddewarden gegründet. Das ehemalige Gasthaus im nördlichsten Teil der Seestadt Bremerhaven ist seit 2012 der Vereinssitz des Heimatbundes.

Das JAHRBUCH DER MÄNNER VOM MORGENSTERN erscheint seit 1898.

Auf dem vorderen Umschlag:Grab von Julius Brumsack in Beverstedt (vgl. hier den Aufsatz ab S. 177)

*Für Zuschüsse zum Druck dieses Jahrbuchs danken die Männer vom Morgenstern der Landschaft der Herzogtümer Bremen und Verden, dem Landkreis Cuxhaven und der Stadt Cuxhaven.

*Redaktionsausschuss : Dr. Axel Behne (Vorsitzender) Dr. Nicola Borger-Keweloh Sönke Hansen Dr. Julia Kahleyß Dr. Dirk J. Peters Andreas Wendowski-Schünemann

*Besprechungsexemplare von Büchern werden erbeten an:Dr. Axel Behne, p/a Archiv des Landkreises Cuxhaven, Marktstr. 2, 21762 Otterndorf

Druckreife Aufsätze und Rezensionen bitte an:[email protected] oder auf Datenträger (mit sep. Ausdruck) an obige Adresse. Richtlinien für die Gestaltung von Beiträgen am Schluss dieses Jahrbuchs.Für unabgesprochen eingesandte Texte übernimmt die Redaktion keine Gewähr.Die Verantwortung für die Beiträge dieses Jahrbuchs, auch hinsichtlich des Urheberschutzes an Bildmaterial, tragen die jeweiligen Verfasser.

Redaktionsschluss für das Jahrbuch 94 (2015) ist der 15. November 2015.

*© Männer vom Morgenstern 2015Druck: MüllerDitzen Druckerei AG, BremerhavenSatz: Adrian Wackernah, Bremerhaven Layout: Adrian Wackernah und Axel BehneEinbandgestaltung: Ilona Weinhold-Wackernah und Axel Behne

ISBN 978-3-931771-92-8

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Helmut Scharsching und Axel Behne

Carl Gangolf Kayser – Burgenbauer, Innenarchitekt und Wiener Künstlerfreund von Hermann Allmers

Über den Wiener Architekten Carl Gangolf Kayser (1837-1895) – Carl Kaiser mit Taufnamen1 – war bis vor einigen Jahren nur wenig bekannt: Man wusste, dass er einige unausgeführte Projekte in Mexiko plante, dass er sich nach seiner Rückkehr nach Wien mangels Bauaufträgen mit Innendekorationen von Adelspalästen und Palais reicher Bankiers befasste und dass er gegen Ende der 1870er Jahre eine Rei-he von Burgen der österreichischen Hocharistokratie baute bzw. restaurierte.

Durch einen glücklichen Zufall ergab sich 2011 der Kontakt zu Dr. Karl !eodor del Fabro (†), einem Nachfahren Carl Kaysers in fünfter Generation. Seine Familie hatte einen beträchtlichen Teil des Nachlasses Carl Kaysers über Generationen sorgsam aufbewahrt.2 Durch die großzügig gewährte Einsichtnahme in diese Schriftstücke und Fotos ergaben sich viele bisher unbekannte Details des Lebens-weges von Kayser und schließlich auch Hinweise auf seine Freundschaft mit Her-mann Allmers (1821-1902), dem Dichter und Publizisten aus Rechtenfleth an der Unterweser.

Im brieflichen ›Nachlass Hermann Allmers‹ (im weit. NHA) im Archiv des Landkreises Cuxhaven ist wiederum eine beachtliche Zahl von Briefen Carl Kay-sers über einen Zeitraum von mehr als 35 Jahren nebst einer Reihe bisher unveröf-fentlichter Fotos seiner Familie in jungen Jahren überliefert. Leider ist heute nur noch ein einziger Brief von Allmers an Kayser erhalten,3 so dass wir den Gedan-kenaustausch der beiden Freunde nur zur Hälfte nachverfolgen können. Zudem gibt es zwei Zeitabschnitte, die Jahre 1861 bis 1867 und 1874 bis 1877, aus denen im NHA keine Briefe von Kayser überliefert sind. Eventuell werden aber noch Brie-fe von Allmers in Wien auftauchen.

1 In diesem Aufsatz verwenden die Autoren die Namensform ›Carl Gangolf Kayser‹, mit der seine Tochter und sein Schwiegersohn !eodor Pierus Anfang Sept. 1895 in einer Traueranzeige (über-liefert in NHA 2.1 K"#$%&) sein Ableben bekannt machten. Zudem ist er bis heute in Österreich eher als ›Carl Gangolf Kayser‹ bekannt.

2 Soweit bekannt kommt der Werdegang von Kaysers Hinterlassenschaft unmittelbar nach seinem Tode am Ende dieses Beitrages zur Sprache.

3 Geschrieben im Hotel Achatz in München am 3. Okt. 1888.

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Unabhängig davon lässt sich jedoch gegenwärtig bereits festhalten, dass die bis dato bekannten Briefe an den norddeutschen Dichter von eminenter Bedeutung sind für die im Folgenden gekürzt dargelegten neueren Erkenntnisse über Leben und Werk des Wiener Architekten: Bislang kennen wir keine zweite archivische Quelle, in der Selbstzeugnisse Kaysers in solcher Dichte überliefert sind wie in seinen Briefen an Allmers.4 Zweck dieses Beitrages ist es, dem Publikum in All-mers’ Heimat davon einen Eindruck zu geben und die Forschung in Nordwest-deutschland zu ermutigen, die Allmers-Briefedition konsequent fortzuführen.

Ambivalente WürdigungenAm 2. September 1895 schreibt Carl Fürst Khevenhüller (1839-1905), einer der profiliertesten Vertreter des österreichischen Hochadels, eine Notiz über Kaysers Ableben in sein Tagebuch:

Heute früh starb in Inzersdorf der arme Architekt Kayser, er war ein genial angelegter Mensch, der sich einen riesigen Namen hätte machen können. Er war leider ein Schlemmer und zuletzt hat ihn der Schlag getro!en. Er war unförmig fett, doch mit edlen Gesichtszügen, denen der rote Bart gut stand.5

Bereits einige Jahre zuvor hatte Fürst Khevenhüller am 25. Mai 1891 weit weni-ger pietätvoll über seinen Freund Kayser geurteilt. Dabei wird in dieser Aufzeich-nung schon eine gewisse Charakteristik Kaysers gegeben, die mit späteren Zeug-nissen über den Architekten, auch mit seinen Selbstzeugnissen, übereinstimmt:

Kayser ist trotz seiner unförmlichen Dicke immens eitel, er wiegt 246 Pfund und kann kaum mehr kriechen, sein Leben ist auch ganz eine Verfettungskur. Er steht um 11 Uhr auf, schreibt bis " 1 Uhr, dann fährt er zum Meisl, isst bis 3 Uhr, dann zuhause schlafen, um " 4 Uhr geht’s wieder ins Ka!eehaus, bleibt bis zum #ea-ter, ist abwechselnd in Burg und Oper und fährt dann zum Sacher, dort frisst er

4 Ausführlich bei Helmut Scharsching: Carl Kaiser 1837-1895 – Schlossherr, Hof- und Innenarchitekt, Burgenbauer. Ein verkanntes Genie der Ringstraßenzeit in Briefen, persönlichen Aufzeichnungen und historischen Fotos, Weitra 2013; besprochen von Bettina Nezval, in: ARX. Burgen und Schlösser in Bayern, Österreich und Südtirol, 1/2014, S. 66. Vgl. auch Andreas Nierhaus: Kreu zen-stein. Die mittelalterliche Burg als Konstruktion der Moderne, Wien / Köln / Weimar 2014, biogra-phischer Abriss S. 224, Anm. 8.

5 Zit. nach Gerd Pichler und Patrick Schicht: Der historische Wiederaufbau (1878-1906), in: Burg Hardegg. Entstehung – Gestalt – Geschichte der bedeutendsten Grafenburg Niederösterreichs, hg. von Patrick Schicht, Retz 2008, S. 146-152: 148f. – Carl Johann Khevenhüller meldete sich auf Grund hoher Schulden als Rittmeister zum österreichischen Freiwilligenkorps in Mexiko. Nach Abzug der französischen Truppen blieb Khevenhüller mit 800 österreichischen Soldaten im Lande und baute ein Reiterregiment auf, die ›Roten Husaren‹. Nach Erschießung Kaiser Maximilians in Querétaro verhandelte er dann mit General Porfiro Diaz, dem späteren Präsidenten, über den Abzug der restlichen Soldaten bzw. Kriegsgefangenen aus Mexiko. 1868/69 unternahm er eine Afrika-Expedition, bis 1877 war er Angehöriger des Reichsrates, anschließend Nachfolger seines Vaters im Herrenhaus. 30 Jahre nach dem Tode Maximilians vermittelte er mit Porfiro Diaz die Wiederaufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Österreich und Mexiko. – Inzersdorf, wo Carl Kayser starb, war seinerzeit ein Vorort von Wien, heute ist es eingemeindet in den 23. Bezirk.

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und trinkt Champagner. Schließlich fährt er zum Restaurant Z. und sauft Bier bis ! 4 Uhr früh. Wann arbeitet er? Begreiflich, dass nichts weitergeht.6

Kayser schätzte Khevenhüller und verehrte seine Gattin Edina sehr, so dass er häufiger Gast war auf dem Khevenhüllerschen Schloss Ladendorf in Niederöster-reich. Von daher hatte Khevenhüller Gelegenheit, den Freund gleichsam aus der Nähe zu betrachten. Er zeichnet das Bild einer gewissen Haltlosigkeit – Kaysers Begabungen erkennt er indes ohne wenn und aber an. Dies stimmt mit der Wer-tung überein, die – aus größerer Ferne – der zu seiner Zeit in Wien sehr bekannte Kunstkritiker Carl von Vincenti im Jahre 1876 abgab:

… und nenne ich endlich den vielleicht genialsten ausstattenden Architekten, welchen Wien derzeit besitzt, nämlich Carl Kaiser, der billig ein Wort für sich verdient. Was Makart speziell auf dem Gebiete der dekorativen Malerei im höchsten Sinne leistet, das vertritt in fast ebenbürtiger Weise Kaiser auf dem Gebiete der decorativen Architektur. Man findet die beiden deshalb oft zu-sammen arbeitend, wenn eine bedeutende Aufgabe auf diesem Gebiet zu lösen ist. Nichts anmuthenderes, als die üppigen, heiteren und heimlichen Woh-nungsausstattungen Kaisers, denen ein ungemein wirkungskräftiger, fast be-

6 Zit. nach ebd., S. 148f.

Abb. 1: Gruppenfoto auf Schloss Ladendorf, Mai 1886: Franz von Lenbach, Carl und Edina Fürsten Khevenhüller, C. G. Kayser, Hans Graf Wilczek (NÖLA, Nachlass Carl Kaiser)

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zaubernder Phantasiebezug innewohnt. Unter seinen zahlreichen Entwürfen befinden sich für die Londoner Millionäre einige sehr originelle, welche Kaiser gemeinsam mit dem Maler Eduard Charlemont zur Ausführung gebracht hat. Das Bedeutendste dürfte indes eine großartige Villenausstattung für Herrn Havemeyer in New York werden, mit deren Entwürfen der Architekt derzeit gegenwärtig beschäftigt ist.7

Diese sehr positive Einschätzung wurde gut hundert Jahre später von Eckart Vancsa, dem früheren Direktor des Bundesdenkmalamtes in Wien, bestätigt. In einem kleinen biographischen Aufsatz nennt Vancsa Kayser eine der interessan-testen Wiener Architekturpersönlichkeiten der zweiten Hälfte des 19. Jahrhun-derts. Dabei äußert er beiläufig das Bedauern, dass es vermutlich jahrelanger Un-tersuchungen bedürfe, Lücken in der Kenntnis über Leben und Werk dieses Künstlers zu schließen.8 Kaysers Briefe an Allmers erweisen hier schon ihren Wert. Sie sind für die österreichische Kunstgeschichte so wertvoll, weil bisher über das künstlerische Œuvre von Kayser nur sehr wenig bekannt war und sich nun ganz neue Einblicke ergeben, die eine Neubewertung seiner künstlerischen Tätigkeit er-fordern bzw. auch Ansätze für weitere Forschungen ergeben.

Kaysers WerdegangCarl Kaiser jun. bzw. Carl Gangolf Kayser, wie er sich später nannte, wurde am 12. Februar 1837 in eine gutbürgerliche Wiener Familie des Biedermeier geboren. Der Vater war Stukkateurmeister und besaß eine kleine Firma. Er muss ein sehr musi-scher Mensch gewesen sein, da berichtet wird, dass er mit Mitgliedern des Hof-opernorchesters, eines Vorläufers der Wiener Philharmoniker, Hausmusik veran-staltete; angeblich besaß er sogar eine Guarnieri-Geige.9 Bei dem Sohn Carl zeigte sich bereits in der Jugend ein außerordentliches Zeichentalent. So trat er als Fünf-zehnjähriger 1852 in die Akademie der Bildenden Künste in Wien ein, wo er zu-nächst für zwei Jahre die Elementarschule besuchte, darauf die Malervorbereit-ungsschule bei Carl Blaas 1854/55 und anschließend bis 1857 die Bildhauer-Vorbe-reitungsschule bei Franz Bauer. 1856 immatrikulierte er sich auch in München für die Bildhauerklasse von Max Widnmann.10

Dort, in München, wo Allmers in Künstlerkreisen bestens bekannt war und le-benslange Freundschaften unter anderem mit Otto Knille und Heinrich von Dörn-

7 Carl Ferdinand von Vincenti: Wiener Kunstrenaissance. Studien und Charakteristiken, Wien 1876, S. 137f.

8 Eckart Vancsa: Zu Carl Gangolf Kayser. Ein Wiener Architekt des Späthistorismus, in: ARX. Burgen und Schlösser in Bayern, Österreich und Südtirol, 3/4 1980, S. 11-17.

9 Vgl. den Abschn. ›Erinnerungen an meinen Großvater Carl Kaiser‹. Dora Vogt, seine Enkelin, er-zählt, in: Scharsching (wie Anm. 4), S. 23.

10 Freundl. Auskunft des Archivs der Akademie der Bildenden Künste Wien vom 17. Apr. 2007. Die Doppelinskription ist nicht ganz erklärbar. Im Aufnahmeantrag vom 4. Feb. 1888 für den Österr. Ingenieur- und Architektenverein gibt Kayser als Ausbildungsreferenz in München Prof. Ludwig Lange an. Vielleicht arbeitete er in dieser Zeit für Lange und benannte diesen später als seinen akademischen Lehrer.

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berg schloss,11 wird es auch zum ersten Kontakt zwischen Kayser und Allmers ge-kommen sein. Wahrscheinlich ist, dass die beiden einander im Laufe des August 1858, vielleicht durch Dörnbergs Vermittlung, kennenlernten. Allmers hielt sich dort von Anfang/Mitte August bis zum 1. Oktober 1858 auf, als er von München aus zu seiner großen Italien-Reise aufbrach. Tatsache ist, dass Allmers und Kayser gemeinsam dem großen Münchner Künstlerfest im September d. J. beiwohnten.12 Kaysers Versicherung, er freue sich, Allmers’ Bekanntschaft gemacht zu haben deutet darauf hin, dass sie einander erst seit kurzer Zeit kannten. Demnach wird Kaysers erster Brief an Allmers vom 9. Nov. 1858 nicht nach Rechtenfleth sondern poste restante nach Rom gesandt worden sein:

aus d. langweiligen Wien 9. XI. 58. Werther Herr! Da ich Sie als einen guten deutsch gesinnten Mann anerkennen gelernt habe u ehre, so freue ich mich Ihre Bekanntschaft gemacht zu haben. Nun ich leider nicht selbst mit dem guten jungen H[errn] Caspar kommen konnte, so bitte ich Sie mein Schreiben ebenso freundlich als mich selbst zu bewillkomnen, insbesondere da dies Ih-nen so lange treu bleibt als Sie es zu bewahren von Wert erachten. Gott gebe Ihnen Gesundheit und Freude für Ihre Tage in Italien. […] Wenn Sie auf Ihrer Rückreise über Wien vielleicht kommen, so haben Sie doch die Güte mich zu besuchen, damit auch ich die Freude haben werde, dan in Ihrer Gesellschaft meine Lebenslust anzufachen. In freudiger Erwartung Ihr Sie hochachtender C. Kaiser.13

Der Mittelteil dieses Briefes besteht aus trübsinnigen Versen, die in Überein-stimmung stehen zu dem am Ende geäußerten Wunsch, Allmers’ gelegentlicher Besuch in Wien möge doch Kaysers Lebenslust entfachen. Dass Kayser den ge-meinsamen Berliner Freund August Caspar erwähnt und dass ein ›Architekt Kai-ser‹, ganz so wie der erwähnte Caspar, zu Allmers’ Freunden in Rom zählte, darf nicht zu dem Irrtum verleiten, Carl Kayser mit dem in Rom weilenden gleichnami-gen Architekten zu identifizieren. Über den ›A. Kaiser‹, der als ›Mitglied‹ der Col-onna-Gesellschaft, des letzten deutschen Künstlerbundes in Rom, am 13. Mai 1859 unter Allmers’ Gefährten auf einer Wanderung in den Sabinerbergen und

11 Zu Knille vgl. Axel Behne: Der Marschenbauer und der Maler als Mann von Welt. Hermann Allmers und Otto Knille (1832-1898), in: Mensch sein und den Menschen nützen. Hermann Allmers und seine Künstlerfreunde (Katalog), hg. von A. Behne und O. Gradel, Otterndorf 2002 (Kranichhaus-Schr. 4), S. 66-89, und neuerdings Lars Berg: Otto Knille (1832-1898) – Ein Historienmaler zwischen Düsseldorfer Malerschule und Berliner Akademie. Mit einem Katalog seiner Werke, Diss. Düsseldorf 2013; zu Dörnberg vgl. Oliver Gradel: Düsseldorfer Malerschule in Rechtenfleth. Heinrich von Dörnberg (1831-1905) und seine Gemälde für Hermann Allmers, in: Mensch sein (wie oben), S. 33-65.

12 Dies belegt Kaysers Erwähnung der Rottmannshöhe im hier folg. Brief vom 15. Aug. 1860.13 NHA, 2.1 K!"#$%, 1858 XI 9 Wien. Zu August Caspar vgl. Allgemeines Künstlerlexikon. Die

Bildenden Künstler aller Zeiten und Völker, 17, München 1997, S. 114: »Caspar, August Bernhard Wilhelm (1836–1897), Berliner Architekt, 1857/58 Zimmermannsexamen, anschließend Studien-reisen nach Frankreich, England und Italien, 1859 Immatrikulation an der Königl. Bauakademie in Berlin«. Caspar, in späteren Jahren Bauunternehmer und Rats-Zimmermeister in Berlin, zählte zu Allmers’ römischen Colonna-Freunden und stand auch bis kurz vor seinem Tod mit Allmers in brieflicher Verbindung; sein Sohn Walter war einer von Allmers’ sog. Wahlne&en.

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gelegentlich auch im Briefwechsel zwischen Detlefsen und Allmers erwähnt wird, wissen wir bis jetzt nur, dass er später (1860 und bzw. bis 1879) in St. Petersburg ansässig war.14

In Kaysers Nachlass, oder besser Teilnachlass, der seit einiger Zeit im Niederös-terreichischen Landesarchiv in St. Pölten (im weit. NÖLA) verwahrt wird, bislang aber noch nicht archivisch erschlossen ist, finden sich einige Dokumente zu Kay-sers beruflichem Werdegang. So bestätigt ein Zeugnis vom 18. Februar 1860 Kay-sers Eignung als Geschäftsführer der Stukkateur-Firma seines Vaters. Ferner at-testiert ein Gesellenbrief vom Dezember 1862 den Abschluss einer dreijährigen Maurerlehre. Und schließlich findet sich auch ein Zeugnis, das Kayser von Dom-baumeister Friedrich Schmidt (1825-1891) am 27. Oktober 1863 ausgestellt wurde und aus welchem hervorgeht, dass Kayser bei ihm für ein Jahresentgelt von 800 Gulden angestellt sei. Aus einem dort überlieferten Visum wissen wir, dass Kayser im September 1861 nach Dresden reiste. Wir dürfen annehmen, dass es ihm dabei u. a. um die eigene Anschauung der Bauten Gottfried Sempers ging, denn später schrieb er, Semper habe ihn »weit schauen« gelehrt; ungeklärt ist hingegen, wann er den »innigen vertrauten Verkehr mit Semper« pflog, den Kayser an derselben Stelle erwähnt.15 Ein zweites Visum belegt, dass Kayser sich 1862/63 in New York aufhielt. Insgesamt werfen diese Belege zu Kaysers frühem Lebensweg die Frage auf, wie die Reisen und Aufenthalte im Ausland sich in Kaysers Ausbildungsgang und erste Berufszeit einfügten.

In Allmers’ Nachlass wiederum finden sich noch zwei weitere Briefe an Allmers aus der Zeit vor Kaysers Verehelichung im November 1863 und vor seinem ersten beruflichen Aufschwung. In beiden Briefen zeigt sich Kayser als schwermütiger jugendlicher Romantiker, der seinen neu gewonnenen väterlichen Freund anhim-melt. Zugleich beklagt er aber auch die mangelnde Sinnhaftigkeit seines Daseins und wendet – ganz ähnlich wie Allmers es bisweilen tat – den Blick zurück in die Unbeschwertheit vergangener Tage. Die phrasenweise eingeflochtenen Anschau-ungen zum politischen und sozialen Zeitgeschehen spiegeln Daseinsangst und Skepsis:

Wien. 15. VIII. 60. In schöner erinnerung, freundlich geehrter Almers! Weil ich nicht so glücklich bin, Sie in person zu besuchen, so kom’ ich denn mit meinem gruße so in Ihre liebe heimat u denke Sie haben mich noch aus dem gedächt-niß nicht verstreut. Fern sind jene tage jugendlich tollen frohsinns u weit dar-über hinausgefahren – blieb mir nur die freundliche erinnerung. […] / Auf meiner winterreise traf ich in München H[errn] Kriptenkerl, der einen gruß von Ihnen an jungmünchen, wo ich eben auch wieder einmal war, überbrach-

14 Zur Colonna vgl. Helke Kammerer-Grothaus: Die Colonna-Gesellschaft – ein römischer Künstlerbund, in: Mensch sein (wie Anm. 11), S. 25-32. – Erwähnung eines ›Kaiser‹ in NHA, 3.1.1.1 S!"#$%& als Bezeichnung einer Allmersschen Bleistiftzeichnung (Mit Emler, Willich, Tiede, Willgohs, Kaiser, Nohl 13. May 1859) und in Hermann Allmers: Briefwechsel mit Freunden im Nordwesten (Briefwechsel II), hg. von H. G. Steimer und A. Behne, Bremen 2014, S. 261 (B 37; 25. Sept. 1860), 433 (B 108; 26. Juni 1879).

15 Vgl. den unten wiedergeg. Brief Kaysers an Allmers vom 5. / 6. Okt. 1883.

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Carl Gangolf Kayser 7

te. Da stiegen vor meinen sinnen denn gleich wieder die lustigen stunden auf, in München, d[ann] die Rottmans Höh’, der junge Kaspar u. s. f. Ich war die-sen winter in Oberitalien, Tirol, Würtemberg, Baden u Oberösterreich. 4 Mo-nate allein mit dem trübsinn u Haß, - u ohne mein heiteres ho!en, nur un-glük, todtessehnen ud weltverachten im gemüthe tragend – den ich bin im schwülen Sommervormittag des lebens. […] Si sind der freundlichen natur näher als wir verstäubten städter. Unser deutsches volkstreiben ist noch nichts besser worden. In sünd u noth wogt der kampf der zeit u in 2 große lager sind die völker gedrängt, um sogenannte Freiheit auf d einen, für die legitimität geschaart auf der anderen seite, von einzelnen wenigen zu ort geschoben. Die-se tausend verschiedensten, gährenden menschen u ihre leidenschaften be-nutzt u verbraucht von ein paar klüglingen, die selbst aber doch auch natur-nöthig entstanden u verbraucht u beengt sich mühen. // 22. VIII. 60. Bei sol-chen gelegenheiten sieht mans doch daß uns’re großen männer nicht umsonst strebten u lebten. Wenn Si sich die mühe nehmen mir zu schreiben so sagen Sie mir wi sie sich seit neapel noch herumgethan haben; waren Si auch in eng-land? auch sagten Si mir damals, daß Si wollten nach norwegen hinauf zu verwandten fahren. Was ist Ihr thun! daheim? Ob Si groß od kleindeutsch etwa gesinnt seien brauch ich nicht zu fragen, denn mit solchen kindischen, deutschthümlichen spielereien werden Sie Ihre zeit nicht verjagen. Si kommen

Abb. 2: Skizzen von Kayser in seinem Brief an Allmers vom 30. Mai 1861 (NHA 2.1 K"#$%&)

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8 Helmut Scharsching und Axel Behne

wohl oft ins künstlerlokal zu bremen, ist dort ein frisches leben? oder ists auch so faul als überall? […] Lebet wohl. Carl Kaiser. / […] Als künstler bin ich ziemlich weit vor aber es befriedigt diese kleine alberne geisteständelei mich nicht u das menschliche treiben ist zu sorgvergraben u zu armseelig. Denn seitdem die menschen sich auf’s jenseits vertrösten liesen haben sie zur strafe das jetzleben – verloren und sind aus dem schönen natürlichen leben in die / fabrikswerkstädten der städte gepfercht. […] 16. VIII. 60. Gestern hab ich den großen festlichkeiten im Augarten beigewohnt welche die Österreicher d. h. die Wiener den Münchnern gaben. An geschmakvoller u reicher ausstattung übertraf es alles was ich bisher gesehn hatte, u es war wirklich erfreulich die gehobene stimmung im volke zu schauen. Es ist schon besser mit dem verstan-de der Völker als noch vor einem halben jahrhundert.16

Identisch klingt Kaysers Brief vom 30. Mai 1861, niedergeschlagen und depres-siv. Kayser formuliert hier aufs Neue eine Todessehnsucht. Immerhin sind die bei-den Freunde einander nun so nah gekommen, dass Allmers ihm ein Exemplar sei-ner 1860 in Bremen erschienenen Dichtungen übersandt hat. Kaiser erwidert die Gabe durch einige kleinformatige architektonische Detailstudien auf einem Bogen seines Briefes (vgl. Abb. 2), von der Übersendung von »etwas Ordentlichem« sieht er indes ab:

Wien 30. V. 61. Freundlichsten dank! werther H[err] Almers. […] Auch in Ihren Dichtungen hab ich so was stillwehmüthiges gelesen und auch Sie sind nicht unversengt in das glänzende Feuer des Ur –, des Daseinsfeuer gelangt. Danke! dass Sie mich so Ihres Zutrauens werth achten, weil Sie Ihre Feierabendstun-den so freigebig mir mitteilten. […] Ich hätte gerne etwas Ordentliches von mei-nen letzten Arbeiten geschickt. Ich bin jetzt allein und kann selbst nicht gar zu viel zeichnen weil meine Augen etwas müde sind. Aber sobald ich irgendeine Arbeit photographiere oder sonst verdoppeln lasse, sollen Sie eine Kleinigkeit bekommen. Bei Griepenkerl war ich noch nicht und er hat mir vergangenen Winter gesagt, er werde den nächsten Sommer in Athen zubringen, wo er unter Rahls Oberherrschaft Fresken malen wird in der dortigen Kunstschule des Herrn Baron Sina. Wir plauderten einmal von Norwegen und da sagten Sie gehen wir vielleicht einmal miteinander hin. Ich wiederhole es. Denn wenn ich mich nicht vermähle, so weiss ich gar nicht, was ich später anfangen soll, mit Zeit und Leben. […] Sie leben Ihr Leben, wie ich aus Ihrem Schreiben sehe, sehr gemütlich und ziemlich glücklich. Nur kommt mir aber es so vor, als wollten Sie damit nur Ihren heiteren Lebensdrang vergessen machen. Leben Sie glück-lich und doch edelherzig, ein langes reiches Leben. Kaiser.17

16 NHA, 2.1 K!"#$%, 1860 VIII 15/16/22. – Christian Griepenkerl (1839–1912) stammte aus Olden-burg und war seit 1874 Prof. an der Akademie der Bildenden Künste in Wien, in welcher Eigenschaft er 1908 das Aufnahmeansuchen von Adolf Hitler an die Akademie ablehnte. In Wien sind u. a. Arbeiten im Heeresgeschichtlichen Museum (Fresken), im Palais Todesco und im Palais Simon Sina von ihm erhalten.

17 NHA, 2.1 K!"#$%, 1861 Mai 30. Bemerkenswert ist, dass Kayser in diesem Brief die Audienz beim abgedankten König Ludwig I. von Bayern, zu der er am 23. April 1861 (Einladung erhalten in

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Kayser als Hofarchitekt von Maximilian von MexikoKaysers elegische Stimmung reflektiert bis zu einem gewissen Punkt die Zeitstim-mung in seiner Heimat. Nach der österreichischen Niederlage bei Solferino 1859 ging die Lombardei für die Habsburgermonarchie verloren. Erzherzog Ferdinand Maximilian (1832-1867), der ambitionierte Bruder von Kaiser Franz Joseph, der bis dato Generalgouverneur im Königreich Lombardo-Venetien gewesen war, zog sich – einstweilen ohne Aufgabe – auf das Schloss Miramare bei Triest zurück. Das sollte sich ändern, als ihm im Oktober 1863 die Kaiserkrone von Mexiko angetra-gen wurde. Dieses geschah auf Betreiben Napoleons III., um Mexiko als einen wirtschaftlich und militärisch abhängigen Trabanten an Frankreich zu binden. 1861 hatte Napoleon III. bereits militärisch interveniert, als Präsident Benito Juá-rez eine Schuldenrückzahlung eingestellt hatte. Obwohl viele den Erzherzog vor diesem weltpolitisch anachronistischen Abenteuer warnten, nahm der ehrgeizige Maximilian das Angebot an. Bestärkt wurde er darin durch seine Frau Charlotte, Tochter des belgischen Königs Leopold I.

Obschon das Kaiserreich Österreich-Ungarn an diesem Unternehmen o!ziell nicht beteiligt war, unterstützte Kaiser Franz Joseph seinen Bruder indirekt durch Entsendung eines Freiwilligenkorps. Nach einem detaillierten Reglement erfolgte ab Oktober 1864 die Anwerbung von 6.000 Mann, wovon der Großteil (150 O!-ziere und 5.000 Mann) im Spätherbst 1864 in fünf Transporten nach Veracruz in Mexiko in See stach. Maximilian war zuvor schon, im April 1864, nach Mexiko abgereist und erreichte Veracruz am 12. Juni 1864.

Maximilian musste indes schon bald feststellen, dass eigentlich nichts so war, wie es ihm seine ›Freunde‹ beschrieben hatten. Auch die von ihm beschäftigten Architekten waren o"ensichtlich von dem in Mexiko herrschenden konfusen Bau-geschehen überfordert. Maximilians Schatzmeister Jakob von Kuhacsevich, durch dessen Hände alle Rechnungen gingen, äußerte schwerste Bedenken über die Or-ganisation der Arbeit, indem er schrieb: … in Chapultepec wird gebaut, dass es einem graut. Die bekannte Passion des Kaisers …18 Wohl vor diesem Hintergrund suchte Kaiser Maximilian Anfang 1865 einen tüchtigen jungen Architekten, der als Organisator und Bauleiter zunächst wirtschaftliche Ordnung in die kaiserliche Bautätigkeit bringen und sodann als Hofarchitekt in Mexiko wirken sollte.

Mit der Auswahl des geeigneten Mannes wurde Ritter August Ottmar von Es-senwein (1831-1892) betraut, der selber gelernter Architekt war. Doch trotz der verlockenden Aussicht auf ein Staatsamt als Hofarchitekt fanden sich keine geeig-neten Bewerber, was darauf zurückzuführen sein wird, dass Maximilians Kaiser-tum seiner Zeit schon als riskantes Abenteuer eingeschätzt wurde, von ungewis-sem Ausgang und zudem mit klimatischen Strapazen verbunden. Essenweins Wahl fiel schließlich, aufgrund einer Empfehlung durch Dombaumeister Friedrich

Kaysers Nachlass) geladen war, mit keinem Wort erwähnt. Nachforschungen im Wittelsbacher Hausarchiv im Bayrischen Hauptstaatsarchiv ergaben keine Hinweise auf den Zweck dieser Audienz.

18 Zit. nach Österr. Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Archiv Maximilian von Mexiko, Karton 16, Heft 7.

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Schmidt, auf den 26jährigen, sehr ehrgeizigen und jung vermählten Carl Kayser.19 Mit Schreiben vom 3. Februar 1865 bot er Kayser die Aufgabe in Mexiko an und erläuterte die politischen Verhältnisse, die die fachlichen Gesichtspunkte völlig dominierten, sowie die Arbeitsbedingungen am Hof Maximilians. Essenweins Worte sind von einer geradezu unerhörten O!enheit und geben eine schonunglos negative Einschätzung dessen, worauf Maximilian und sein persönliches Umfeld sich eingelassen hatten. Kayser, so schreibt Essenwein, müsse sich vor allem über zwei Punkte im klaren sein:

1. müssen Sie das Mittelalter sowie überhaupt alle Grundsätze in der Archi-tektur beiseite setzen. Ihre Aufgabe ist es, Dinge zu machen, deren Sie und ich, jede anderen Leute sich schämen würden. Das Kaiserreich ist Schwindel und nicht etwa so konsolidiert, daß es sich in Monumentalbauten verewigen will. Was Sie zu machen haben, wird einem augenblicklichen Zwecke dienen, nicht nach Grundsätzen errichtet werden. Dabei dürfen Sie aber nicht die allerlei-sesten Hintergedanken in irgendeinem Winkel Ihres Herzens tragen, daß doch immer etwas Besseres zu machen sein dürfte. Wenn Sie doch, dann täuschen Sie sich und bleiben besser hier.2. müssen Sie mit Beiseitsetzung jedes Idealismus sich in die Wirklichkeit be-geben. Sie müssen sich auf Strapazen und Unannehmlichkeiten jeder Art ge-faßt machen. Sie müssen einerseits Hofmann und Weltmann sein, der Sie in der unmittelbaren Nähe des Kaisers sein und von diesem Ihre Aufträge selbst empfangen werden, aber auch zum gesamten Hofstaat mit allen Anhängseln in Berührung kommen, andrerseits müssen Sie als Architekt auch mit den Ar-beitern […] des Volkes usw. in direkte Berührung kommen können, daher auch in der Lage sein, diesen die gehörige Stirn gegenüber zu stellen. Sie müssen eine bewußte Energie entwickeln und dürfen sich dennoch nicht irre machen lassen. Unannehmlichkeiten und Widrigkeiten müssen spurlos an Ihnen vor-über gehen.Wenn Sie sich in diesen 2 Punkten vollkommen fest glauben, so können Sie sich, falls das Kaiserreich überhaupt Dauer hat, eine schöne selbständige Stel-lung scha!en, auch können Sie, wenn gleich die für den Anfang angebotenen pekuniären Bedingungen nicht geradezu glänzend sind, sicher viel Geld ver-dienen.20

Kayser traf seine Entscheidung erstaunlich rasch, denn nur vier Tage später, am 7. Februar 1865, empfahl Essenwein dem jungen Architekten, sich mit dem letzten Freiwilligentransport nach Mexiko am 20. Februar 1865 in Triest einzuschi!en. Durch die Gesellschaft der O"ziere an Bord werde Kaysers Überfahrt kurzweili-

19 August Ottmar von Essenwein war ab 1857 Hochbauingenieur bei der Eisenbahndirektion in Wien, 1864 Grazer Stadtbaurat und 1865 Professor für Hochbau an der Technischen Hochschule in Graz. 1866 wurde er zum Direktor des Germanischen Nationalmuseums in Nürnberg berufen. Warum Essenwein mit der Auswahl eines Architekten für Mexiko betraut wurde, und nicht Dombaumeister Friedrich Schmidt, der zu Kaiser Maximilian persönlich sehr gute Beziehungen hatte, ist rätselhaft.

20 Niederösterreichisches Landesarchiv (im weit. NÖLA), Nachlass Carl Kaiser.

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ger und die anschließende Reise von Veracruz nach Chapultepec im Schutz der Truppen auch sicherer. Kayser unterschrieb den Vertrag und reiste alsbald nach Triest, um sich dort einzuschi!en.21

Und in Mexiko begann dann seine erfassbare Tätigkeit. Als Hofarchitekt schuf er Entwürfe für mehrere Schlossprojekte für den Kaiser und den Hofstaat, darun-ter Arbeiten für den Umbau des Nationalpalastes in Mexiko-Stadt (1866) und des ehemals vizeköniglichen Schlosses Chapultepec, das zur neuen Residenz des Kai-sers umgestaltet werden sollte. Weiters sind Entwürfe zur Restaurierung der Casa Cortez und des kaiserlichen Lustschlosses Tehuantepec erhalten. Zu dieser Schaf-fensperiode sind auch zwei Entwürfe für Kirchenbauten in New Orleans zu zäh-len. Neben diesen künstlerischen Tätigkeiten reformierte Kayser den chaotischen Baubetrieb in Mexiko, indem er eine zentrale Bauleitung nach europäischem Vor-bild und eine stra!e Reorganisation bei den kaiserlichen Bauprojekten einführte.22

Doch nur eineinhalb Jahre nach Kaysers Ankunft war das Ende des Abenteuers in Mexiko bereits absehbar, denn einerseits verursachte Mexiko dem Kaiserreich Frankreich, seiner Schutzmacht, enorme Kosten und anderseits forcierten die USA nach dem Ende des Sezessionskrieges wieder die Monroe-Doktrin (Amerika den Amerikanern). Dementsprechend war das französische Militär im Begri!e, Mexi-ko zu verlassen.23 Auch Österreich-Ungarn gab dem Druck nach und ließ eine Ent-sendung von Freiwilligen nach Mexiko nicht mehr zu.

So entschlossen sich auch Carl Kayser und seine Frau Maria (1843-1914),24 in den ersten Jännertagen 1867 nach Hause zurückzukehren. Carl trat von Mexiko-Stadt aus die unsichere Reise per Postkutsche an, während die schwangere Maria mit einem französischen Verwundetentransport nach Veracruz reisen konnte. Dort sorgte Carl für die Schi!spassage seiner Gattin nach Europa und kehrte dann in die Hauptstadt zurück, um noch ausstehende Honorare zu erhalten. Übrigens hat es den Anschein, als habe Kayser während seines gesamten Aufenthaltes in Mexiko wegen des chronischen Geldmangels in der Staatskasse ständig um die Auszahlung seiner Honorare kämpfen müssen. Knapp vor der Abreise aus Mexiko wurde Kayser noch beauftragt, nach seiner Ankunft in Europa fertig ausgearbeite-te Pläne für mehrere Bauten im Bereiche des kaiserlichen Schlosses Miramare vor-zulegen, darunter Projekte für eine Kirche, ein Museum, sowie Gartenanlagen im Schlosspark. Verwirklicht davon wurde nur das Seebad in Miramare.

21 Vgl. ebd. Kaysers Einreisevisum nach Mexiko, datiert 23. März 1865.22 Zu Kaysers Bautätigkeit in Mexiko vgl. Michael Drewes: Projekte Carl Gangolf Kaysers für Kaiser

Maximilian von Mexiko, in: ARX – Burgen und Schlösser in Südtirol, Bayern und Österreich, 3/4 1980, S. 3-10, und ders.: Otra aproximación a Carl Gangolf Kaiser (1837-1895), arquitecto de la corte del imperador Maximiliano, in: Anales del Instituto de Investigaciones Esteticas - Universidad Nacional Autonoma de Mexico XXII/77 (2000), S. 151-167

23 Vgl. i. a. Kampf um Mexiko. Kaiser Maximilian in den Erinnerungen seines Privatsekretärs José Luis Blasio, hg. von Konrad Ratz, Wien / München 1999; Konrad Ratz: Maximilian und Juárez. Hintergründe, Dokumente und Augenzeugenberichte, I – II, Graz 1998; ders. und Amparo Gómez Tepexicuapan: Ein Kaiser unterwegs. Die Reisen Maximilians von Mexiko 1864-1867 nach Presseberichten und Privatbriefen, Wien / Köln / Weimar 2007.

24 Kayser hatte am 21. Nov. 1863 Maria, die Tochter des Landschaftsmalers Anton Bayer, geheiratet; ihre erste Tochter Marianne wurde am 23. Aug. 1864 geboren.

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Aus New Orleans berichtet Kayser seiner Frau, die bereits wohlbehalten mit der kleinen Marianne in Wien eingetro!en war, in einem Brief vom 12. Mai 1867 über sein berufliches Tun, die Entwürfe für den Bau von zwei Kirchen und einer Villa. Dabei ist dem Schreiben zu entnehmen, dass die Ehefrau sich bereits spröde ge-zeigt hatte. Kaysers Schwermut und die dürftige finanzielle Lage, auf die sie o!en-bar schon hingewiesen hatte, dürften die Gründe dafür sein. Seiner Rückkehr nach Wien sieht Kayser mit gedämpftem Zweckoptimismus entgegen, auch um seine Frau nicht weiter zu beunruhigen:

New Orleans, Sa 12. 5. 1867.Mary! Nur einen Brief von Dir habe ich erhalten und zwar den 2. aus Wien. Dessen Beantwortung ich mir und Dir schenke, denn wollt ich in denselben Ton verfallen, so kennst Du mich darin genügsam als Meister. Auch von Liebe – will ich nichts schreiben – liess es sogar oben weg – denn davon – wie Du richtig bemerktest, kann der Mensch nicht satt werden. Morgen sollte mich ein französisches Schi!, das hier vor Anker liegt, hinüberbringen – leider sind meine kleinen Rechnungen aber hier noch nicht quittiert… Die höheren Clas-sen des Schwindels (deren a b c d Buchstabierstudien wir schon in Mexiko zu bewundern hatten) habe ich speziell studieren Zeit und Veranlassung gehabt und will ich Euch darüber genaue, lehrreiche und teilweise komische und un-

Abb. 3: Entwurf für das Haus des kaiser lichen Hofgärtners in Mexiko, 1865 (repr. nach Burg Hardegg, wie. hier Anm. 5)

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terhaltende Schilderungen machen. Aus dem Schmutz und Sudel der letzten Zeit meiner Beobachtungen geht der noble Charakter Maximilians reiner her-vor als ehedem und ich liebe diesen unglücklichen Mann mehr als einst und würde alles für ihn wagen, hätte ich auch geringe Ho!nung auf Erfolg. … da-heim wird mich zwar höchstwahrscheinlich in nicht geringe Verzweiflung bringen, aber ich kann dafür – so Du willst – menschlich klein zufrieden ein gemüthliches Leben leben – ausser es wäre Dir schon zu spät gesprochen. […] Halte Haus, denn wir haben nichts übrig. […] Dein Geld wird ho!entlich bis Ende dieses Jahres für Dich ausreichen und bis dahin kann ich daheim wieder arbeiten und verdienen. […] Wie es sonst daheim, in Wien, der alten gebrech-lichen Metropole aussieht? […]A Dieu! ma cher [!] petite.25

Schwerer Neubeginn in WienKayser reiste bald schon von New Orleans ab. Über New York gelangte er in den ersten Julitagen 1867 nach Bremerhaven und verbrachte dann die erste Nacht in Europa bei seinem Freund Allmers in dessen Haus in Rechtenfleth. Anschließend reiste er, wie wir aus seinen Briefen erfahren, mit einigen Zwischenstationen wei-ter. Seiner Heimkehr nach Wien sah er gedämpft optimistisch entgegen, da er nicht wusste, was ihn in den nächsten Monaten und Jahren erwartete. Allmers gegenüber taucht nun das vertraute ›du‹ auf, was wohl auf seinen Aufenthalt in Rechtenfleth zurückgeht. Anfang August 1867 zeigte er Allmers dann seine Heim-kehr nach Wien mit folgenden Worten an:

Wien, 9. 8. 1867. "eurer Freund! Endlich ist der erste – unangenehmste Teil der aufgehängten Arbeit fort und ich athme etwas frei, denke Dein und gebe Dir leider nur einen Abklatsch meiner Empfindung zum Ausdruck. Du hast mir den ersten Tag meiner Ankunft im alten Europa verherrlicht und unver-gesslich gemacht, in Deinem Hause konnt’ ich die erste Nacht – ausruhen! […] Wien kommt mir etwas klein und ärmlich jetzt noch vor und sind die Gränzen zwischen den Ständen sehr enge hier, was mir ›Amerikaner‹ sehr unangenehm ist. Sonst aber ist das rein menschliche Leben hier recht angenehm und werd’ ich mich nach und nach schon wieder einbürgern und einleben. Auf meiner Fahrt hierher hielt ich in Cassel und in Eisenach – die Wartburg sehend – nur der alte "eil ist schön, und in Nürnberg an. Dann ging’s direkt heim. Soeben habe ich Deinen Brief der Baronin überbracht, welche mit mir sehr freundlich über Dich sprach und mich über die verschiedenen Erlebnisse aus Mexiko be-fragte. Du, in Deinem herrlichen Landsitze, kannst ruhig ungestört ein freies Leben führen und brauchst der vergoldeten Frage der Convenienz keine Zeit, keine Stunde von Deinem Leben zu geben und Dich betrüben diese Buhlerin-

25 NÖLA, Nachlass Carl Kaiser. Ein kleines Mädchen mehr: In Abwesenheit ihres Gatten war Maria Kayser am 9. April 1867 in Wien mit der kleinen Charlotte niedergekommen, die aber, laut der Sterbematrikel der Pfarre St. Peter, Wien IV, schon im November 1867 starb.

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nen nicht. […] Ich hab’ vollauf zu tun, mich irgendwie in eine neue Stellung wieder hinein zu flicken. Unsere Wiener Architekten-Schule nimmt heutzuta-ge eine neue hervorragende Stelle ein. Wenn Du wieder einmal Lust findest mir ein paar Zeilen aus den Marschen zu schicken, so wirst Du mir damit eine große Freude machen. […] Dein Kaiser26

Nach seiner Rückkehr nach Wien hatte Kayser sich und seiner Familie eine Existenz zu scha!en. Nachdem er dabei zunächst o!enbar nicht sehr erfolgreich gewesen war, wandte er sich im Oktober 1867 mit einer Bittschrift an Kaiser Franz Joseph, in der er um Anstellung in einem Hofbauamt nachsuchte.27 Dem wurde nicht entsprochen. Der Bittschrift sind jedoch einige bisher unbekannte Details seines Aufenthaltes und seiner Arbeit in Mexiko zu entnehmen. Kaiser Maximi-lian muss sehr interessiert an seinen Arbeiten gewesen sein und dürfte ihn auch sehr geschätzt haben, da er ihn, wie Kayser berichtet, des öfteren an seinem Ar-beits platz besuchte.28 Bisher war auch ungeklärt, warum Kayser, der den Nieder-gang des mexikanischen Kaiserreiches quasi mit ansah, noch im Sommer 1866 seine Gattin nachkommen ließ. Möglicherweise dürfte Maximilian ihn dazu er-muntert haben, um den Architekten durch die Anwesenheit seiner Ehefrau enger an sich zu binden, zumal Maximilian ja auch die Übernahme der Reise- und Über-siedlungskosten aus seiner Zivilliste anbot.

Obwohl er vor seiner Rückkehr noch in New Orleans und möglicherweise auch in New York verschiedene Projekte ausgearbeitet hatte, war Kaysers finanzielle Lage nach seiner Heimkehr nicht rosig. So ist es nicht verwunderlich, dass er mit Schreiben vom 24. März 1868 eine Reihe von Forderungen an Erzherzog Franz Karl stellte, den Vater und Erben von Kaiser Maximilian. Diese Forderungen wur-den jedoch vom Obersthofmeisteramt mit der Begründung abgewiesen, dass die ihnen zu Grunde liegende Tätigkeit durch sein Salär in Mexiko bereits abgegolten sei. Bemerkenswert ist, dass Kaysers Ansuchen abgelehnt wurde, obwohl er durch kein Legat aus der Verlassenschaft Maximilians berücksichtigt worden war. Ge-genüber den zurückkehrenden Soldaten beobachten wir ein ähnliches Verhalten. Auch ihnen gewährte Kaiser Franz Joseph keine Unterstützung aus seiner Privat-schatulle und so mussten viele von ihnen daheim in bitterer Armut leben.

Aus heutiger Sicht scheint es, als habe Kayser – trotz eines grundsätzlichen be-ruflichen Ehrgeizes – durch seine mangelnde Entschlusskraft und Konstanz einige

26 NHA 2.1 K"#$%&, 1867 Aug. 9. Die erwähnte Baronin ist Allmers’ Cousine Dora Freifrau von Gagern geb. Biedenweg (1824-90), seit 1853 verehelicht mit dem Freihern Max, Bruder Heinrich von Gagerns.

27 Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Archiv Kaiser Maximilian.28 Ausdruck dieser Wertschätzung ist auch das Ritterkreuz des Kaiserlich Mexikanischen Guadelupe-

Ordens, das Maximilian seinem Baumeister verlieh. Am 10. Sept. 1867 suchte Kayser bei der Niederösterr. Statthalterei an, den Orden – da die Ordenskanzlei im Nov. 1866 schon nicht mehr bestand – auch ohne Verleihungsdiplom tragen zu dürfen. Das wurde ihm jedoch vom Obersthofmeisteramt untersagt. Der Orden befindet sich heute im Besitz der Nachfahren. Eine weitere Ehrung erwuchs Kayser im Oktober 1870, als ihm der Preußische Kronenorden vierter Klasse verliehen wurde, den er für Fotos von archäologischen Objekte aus Yucatán erhielt, die er Wilhelm I. im Auftrag Maximilians von Mexiko überbracht hatte.

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Abb. 4a-c: Carl, Maria und die kleine Marianne Kayser zur Zeit ihrer Heimkehr von Mexiko, 1867 (NHA 3.1.3.1 c)

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mögliche Kunden verloren. Aus seinen Briefen an Hermann Allmers ist zu erse-hen, dass er öfter auf Reisen als auf seinen Baustellen war. Auch fällt der aggressi-ve und abwertende Ton auf, den er – vielleicht nicht nur in seinen Briefen – über seine Architektenkollegen und seine Auftraggeber anschlug. Der dürfte so man-chen verschreckt haben. Auch sein unmäßiger und wenig arbeitsamer Lebenswan-del, den die eingangs wiedergegebenen Worte des Fürsten Khevenhüller beschrei-ben, war, vor allem in späteren Lebensjahren, Ursache für mangelnde Aufträge.

Im Frühjahr 1868, ein Dreivierteljahr also nach seiner Rückkehr, hatte Kayser noch immer keine Anstellung gefunden. Allmers gegenüber führte er diesen Sach-verhalt auf die Konkurrenz nachrückender junger Kollegen zurück:

6. 3. 1868. !eurer Freund! […] Ich habe das Bild Deines gastlichen Hauses über meinen Schreibtisch gehängt, damit ich recht oft bei Ansicht desselben an Dich und Deine liebe Heimath und meine erste Nacht, Ruhe! auf deut-schem Boden nach langer Irrfahrt erinnert werde. Leider habe ich bis jetzt noch keine Ruhe gefunden und zehre noch am Nachtisch des mexikanischen Unglückes. Habe mein liebes Kind Lola, d. i. Dolores, im Schnee begraben se-hen, das war mein Weihnachtsfest! […] Stellung für die Zukunft habe ich auch noch keine gefunden – da bei meinem Austritt von Wien die kleine Lücke durch andrängende junge Leute alsbald geschlossen war… Der verstorbene Max hat in seiner letzten Zeit mit sich selbst und den Wenigen seiner Umge-bung zu viel zu tun gehabt um seiner früheren Anhänger sich zu erinnern. Sein Bruder aber und dgl. sind schlecht auf alle Reminiscenzen von Mexico zu sprechen und thuen in dieser Sache gar nichts. Du siehst von Deinen über-schwänglichen Erwartungen über mein Glück sich nichts hervorgewagt hat – darum genug davon. […] Dein Kaiser […]29

Zu dem Schmerz um das Kind und zu den Schwierigkeiten der Eingliederung in das heimische Leben kam die Zerrüttung der Ehe. Wie allen Berichten zu entneh-men ist, war Maria Kayser eine sehr hübsche Frau von gewinnendem Wesen. Ver-schiedene Fotos zeigen, dass auch Kayser in jungen Jahren ein schlanker, durchaus attraktiver Mann war, der wohl auf Frauen Eindruck machte. Doch seine zwiespäl-tige schwermütige Persönlichkeit und die ausgeprägte Eifersucht, beides verstärkt durch die berufliche Frustration und die finanzielle Situation nach seiner Rück-kehr aus Mexiko, dürften der Beziehung zu seiner Frau nicht förderlich gewesen sein. Seine Enttäuschung und Kränkung ist in einem undatierten Brief an Allmers überliefert, den er vermutlich 1868 schrieb.30 Die unglücklich verlaufene Ehe sollte

29 NHA 2.1 K!"#$%, 1868 März 6. In diesem Brief hegt Kayser keinen Zweifel, dass die kleine Dolores (* 9. April 1867) seine Tochter war; in einer späteren Abrechnung mit seiner Frau bezweifelt er hingegen seine Vaterschaft.

30 NHA 2.1 K!"#$%, o. D., vermutl. 1868 oder 1869: Verehrter Freund! Sei so freundlich und sende mir die Photographien von dem Weibe, welches ich als Frau hatte, zurück oder wirf sie weg aus der Nähe anständiger Leute Bild – so wie sie sich selbst weggeworfen. – Und wie ich sie hinausgestossen aus Haus und Familie, ihr fluchend. Ich scheine für alle Leiden dieser Erde ausersehen. – Denke, das Weib, das ich so verehrte und liebte, hat mich schmählig betrogen, ist untreu und falsch, endlich Hure … geworden. Mein Kind ist nun verweist, ich entehrt für lange Zeit. C. G. Kaiser.

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ihn fast sein ganzes Leben lang be schäftigen, auch wenn er später behauptete, seiner Frau verziehen zu haben. Die Briefe Marias an Carl nach Mexiko lassen auf eine große Liebe zu ihrem Mann schließen. Von seinem beruflichen Ehrgeiz ge-trieben, ließ er sie allerdings o!enbar zu lange allein. Ob Maria damals schon eine Liebschaft mit Kaysers Freund hatte, ihrem späteren Lebensgefährten und Ehe-mann, dem Architekten Hugo Ernst (1840-1930), ist aus den Briefen nicht nach-vollziehbar; Kayser behauptete dies jedenfalls. Sein Ärger darüber war insofern berechtigt, als Maria von Hugo Ernst schwanger wurde. Noch in seinem Testa-ment wird Kayser später darauf zurückkommen, dass er nach biologischen Grund-sätzen nicht der Vater von Marias Sohn Ernst sein konnte.

Das Verhalten von Weib und Freund, das er als treulos wahrnimmt, und die daraus erlittene persönliche Niederlage setzt Kayser in Beziehung zu den schmerz-haft empfundenen ›österreichischen Verhältnissen‹. Er sieht sich als Opfer einer in überwiegenden Teilen moralisch verkommenen Gesellschaft, die von Kurzsichtig-keit regiert wird und von der Unfähigkeit, sich den Zeitläuften anzupassen. Das individuelle Schicksal des Hinausgeworfenseins aus seinem Familienleben ver-mengt sich mit der Bitternis des Deutschösterreichers, dem demütigenden Gefühl des Vertriebenseins aus dem, was er als sein deutsches Vaterland ansah. Wenn er auch das Preußentum verhalten anerkennt, so kann Kayser doch die Euphorie sei-nes norddeutschen Freundes über die Bodengewinne der nationalen Einung unter Preußens Führung nicht recht teilen.

Abb. 5: Bertalan Székely: Portrait Maria Kayser (um 1867), Öl/Lwd. 60 x 40cm (Privatbesitz)

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25. 11. 70. Werther Freund! ... Dass der Sturm der kampfschweren Zeit Dich in deinem stillen, friedlichen Erdenwinkel auch aufgefegt hat, ist bei einem so wahren Patrioten sehr begreiflich. Was deinen Stoßseufzer wegen des Nicht-miteingreifens in die große Aktion Deutschlands betri!t, muss ich Dich erin-nern, dass wir ja aus dem großdeutschen Vaterland zurückgewiesen worden sind, ja aufgegeben… Die Eintagspolitiker machen eben schlechte Arbeit… Der Deutschösterreicher Wiens ist ein Bastardmensch aller in Österreich zusam-mengekoppelten Nationalitäten … ohne stark ausgeprägte Karakterform. Deutschösterreich aber ist umklammert vom Groß der Slaven, welche uns frü-her oder später erdrücken werden, weil ein konstitutioneller Dilettantismus getrieben wird, welcher schärfer gehende Augen anekelt. Schreit man doch förmlich, siegessicher, den Kampf mit Russland aufzunehmen, wo der Brand des Slavismus das ganze Reich in Flammen setzen kann. Denken diese Stüm-per, sie können die Slaven gegen die Russen führen? … Österreich hat und wird und will nicht lernen aus den großen Weltereignissen, welche um uns dröhnen. Die Wahrheit zu sagen: die Politik ekelt mich überhaupt an und ich will dar-um Anderes reden. In Berlin war ich nur sehr kurze Zeit und zumeist mit unserem Freund Caspar zusammen. Einiges der großen Stadt hat mir sehr imponiert, vor allem die ausgesprochene Charakteristik des spezifischen Preussenthums, während unser kleines, babel’sches Wien eine kleine Stadt all-gemeinen Schlages ist und deren Einwohner ein Mischmasch Aller oder Keiner politischen Sekten angehört, Geld erhaschen durch jedes Mittel, meist kleinere oder grössere Betrügerei, ohne Familienleben, bewundernd und umtanzend das goldene Kalb, die Fleischtöpfe und die liederlichen Weiber. Wenn Du nach Wien kommst und ich da bin, so schlepp ich Dich gleich wieder fort in die Berge Oberösterreichs, in Wien müssen sich die sonderbaren Schwärmer, wel-che an weibliche Tugend und Familienglück glauben wollen, stille Winkel su-chen, damit die ö!entlichen Orgien nicht Störung erleiden. Du kennst mein Unglück – aber nicht mir rechtlichem Manne gehört die Sympathie der Leute, sondern dem feschen Weibe, der Hure. Die wird von den Müttern Jung-Wiens bewundert, dass sie’s so versteht. Über das liederliche Paris ist der Sturm ge-kommen und über das Paris nachä!ende ganze Land. Und keinem Volke bleibt dies aus –, das sich in so großer Frivolität gefällt und entehrt. Von mei-nem künstlerischen Scha!en würdest Du nichts sehen, denn ich habe weder Lust noch Geschick zu den Intrigen, welche hier nur verlangt werden, anstatt der hohen, reinen Kunst. […] Ich habe leider noch keinen Gebrauch machen können von Deinen werthen Empfehlungen wegen Zeitmangel. Danke Dir aber herzlich und kann’s vielleicht später benützen. Freundlichst grüßend. Dein Kaiser31

Kayser schlägt hier einen extrem scharfen Ton seiner Frau gegenüber an; inter-essant dabei ist aber der Hinweis bzw. Kaysers Eingeständnis, dass »die Sympathie der Leute« eher ihr als ihm gilt. Die Vermutung liegt nahe, dass es für Maria Kay-

31 NHA 2.1 K!"#$%, 1870 Nov. 25.

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ser durchaus triftige, auch von außen akzeptable Gründe für den Bruch mit ihrem Gatten gab.

Was Kaysers politische Au!assungen angeht, so brandmarkt er die ungenügen-de politische Repräsentanz der slawischen Völker in der österreichisch-ungari-schen Doppelmonarchie als »konstitutionellen Dilettantismus«. Wie Deutschland

Abb. 6: Baugeschehen auf der Burg Kreuzenstein 1892, links die bereits fertiggestellte Kapelle (NÖLA, Nachlass Carl Kaiser, Foto: W. Burger)

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seine Angelegenheiten im Inneren und Äußeren regelt (Deutsch-Französischer Krieg, architektonische Staatsrepräsentation in Berlin) imponiert ihm, scheint ihm aber für Österreich, so wie es bescha!en ist, nicht reproduzierbar. Im folgen-den Brief geht Kayser dann explizit auf den Deutsch-Französischen Krieg ein. Hier zeigt er sich als entschiedener Gegner kriegerischer Gewalt. Wahrscheinlich hatte er in der Zeit seines Mexikoabenteuers die Schrecken des Krieges mit eigenen Au-gen zu sehen bekommen, weshalb er Allmers einen »"eoretiker« nennt:

14. 12. 1870. Werther Freund! … Ihr !eoretiker, die Ihr au"ubelt über die furchtbare Eruption der Zeit – über dies große Menschenmorden, ich kann nicht mitjubeln über diese !atsache, wenn über die !eorie des Schlachtens, wie traurig, so in Schmerzen glückliche Tage geboren werden sollen. Und edle Völker reissen sich in Fetzen in der Leidenschaft aufgewühlten Zornes, aber wenn die Erschla#ung der Nüchternheit über sie kommen wird, können sie die Todten und Verstümmelten zu neuem Dasein rufen? Können die hunderttau-send Lebensglück-Träume wieder anknüpfen an empfundenes Glück? […] Mein armer Max [Kaiser Maximilian] ist nun wenigstens an den Franzosen und ihrem Lügenkaiser gerächt, sie erfahren es nun an sich, dass im Unglück die Freunde feige den Rücken kehren und nur Spott und kühle Verachtung haben – denn jene, welche Erfolg haben, werden geehrt und bewundert, wer fragt nach dem Ruinierten! Doch lieber Freund ich komme wieder in den Kla-geweiberton, darum wünsch ich Dir frohe freudige Feiertage … das Bild Dei-nes Hauses hängt vor mir an der Wand und so oft ich es anseh’, denk ich an den ersten Tag in Europa und Dein ehrliches Gesicht, das man nie vergisst. Lebe wohl und laß’ mal wieder von Dir hören. Dein Kaiser32

Zu dieser Absage an einen kriegerischen Patriotismus gesellt sich in einem Brief an Allmers vom 20. März 1871 die Kritik an der Herrschaft des Geldes und des Börsenkultes. Nebenbei tut sich ein interessanter Blick auf auf die deutsche Ge-schichte, wenn er Allmers schreibt: Die Religionsthorheiten sind kaum halb ver-heilt, zerfleischt sich die Menschheit wieder für Nationalität – und neuer Schwin-del lebt. […] Wie sehne ich mich oft zurück zu den natürlicheren Menschen in den schönen Ländern der Tropen – morden sie wohl auch, so thun sie’s wenigstens ohne Doctrin.33

Kayser fasst beruflich TrittKayser brauchte, wie er selber schrieb, mehr als drei Jahre, um daheim wieder Fuß zu fassen. Der ›Durchbruch‹ gelang ihm erst in Folge eines Auftrages der Gräfin "erese Nákó geb. Festetics (1788-1873), für die er Umbauten vorhandener Gebäu-de durchführte. So schuf er sich ein spezielles architektonisches Fachgebiet, das vornehmlich in der Restaurierung und Modernisierung von älteren Stadtpalästen

32 NHA 2.1 K#$%&', 1870 Dez. 14.33 NHA 2.1 K#$%&', 1871 März 20.

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und dann auch alten Burgen bzw. Burgruinen im Stile des Späthistorismus lag. Neben der Restaurierung des Palais Auersperg (1885-87) schuf er in den folgenden Jahren in Wien etwa 100 Interieurs in verschiedenen Bauten, u. a. der Ringstraße und u. a. für Rudolf Graf Hoyos, Alexander Baron Helfert, den Herzog von Würt-temberg, die Fürsten Esterhazy und Kinsky (Palais Daun-Kinsky 1869/74-87), die Grafen Mensdor!-Pouilly sowie die Grafen Montenuovo. Dabei konnte Kayser bei der Scha!ung aufwendiger und geschmackvoller Interieurs wohl auf Erfahrungen aus der Frühzeit seiner künstlerischen Entwicklung zurückgreifen. In seinem Nachlass findet sich ein kleiner Briefwechsel mit dem ungarischen Maler Bertalan Székely (1835-1910) aus den späten 1850er Jahren, demselben, der später Maria Kayser portraitierte (vgl. hier Abb. 5). In einem Brief von 1859 gibt Kayser Székely Hinweise für die Ausführung einer Wohnungsausstattung.

Diese Erfahrungen kamen ihm nun, wenn auch etwas schleppend, bei seinem beruflichen Neubeginn zu Gute. Immerhin hatten sich die Dinge soweit entwi-ckelt, dass er dem um Kaysers Gemütslage besorgten Allmers am 14. Januar 1874 melden konnte: Da du mich lieb hast u freundlichen Antheil an mir nimmst so kann ich dir die kl[eine] Freude machen u dir sagen daß endlich der alte Gram, die Scham u Wuth, der Groll u Weltschmerz ziemlich vorüber ist.34

Maßgeblichen Anteil an der positiven Wendung von Kaysers Geschicken hatte zweifellos seine Freundschaft mit Hans Graf Wilczek (1837-1922), für den er ab 1874 die Burg Kreuzenstein nordwestlich von Wien neu aufbaute. Zuvor – seit wann genau lässt sich nicht ausmachen – hatten sich Wilczeks und Kaysers Wege schon mehrfach gekreuzt und o!enbar mit wechselseitiger Sympathie. Wilczek war von Kayser so angetan, dass er ihn nicht nur für seine Bauten beschäftigte, sondern ihn auch in Adelskreisen laufend protegierte, ihm eine lebenslange Rente samt kostenlosem Wohnrecht gewährte und ihm schließlich gar einen letzten Ru-heplatz in der von ihm und Kayser erbauten Wilczekschen Familiengrablege auf der Burg Kreuzenstein in Aussicht stellte.35 Kayser selbst hat wohl die Wieder-errichtung der Burg Kreuzenstein als Höhepunkt seines Scha!ens angesehen. Hier hatte er zwar vielleicht weniger künstlerische Freiheit als anderswo, dafür aber einen sowohl finanzkräftigen, als auch fachlich äußerst kompetenten Bauherrn. Ganz ähnlich wie Allmers verfolgte Wilczek mit dem inszenierenden Aufbau Kreuzensteins eine volksbildende bzw. im heutigen Sprachgebrauch geschichtsdi-daktische Absicht.36 Im Zuge seiner Arbeiten und Reisen für Hans Graf Wilczek

34 NHA 2.1 K"#$%&, 1874 Jan. 14.35 Vgl. Nierhaus (wie Anm. 4), S. 83: »Das ›ganz eigenartige Verhältnis des Bauherrn zu seinem

Architekten‹ gipfelte im Wunsch Carl Gangolf Kaysers, unter den Stufen des Gruftaltares von Kreuzenstein bestattet und damit gleichsam seinem Werk, das er mit einem äußerst selbstbewuss-ten Bauherrn zu teilen hatte, inkorporiert zu werden«; auch NÖLA, Nachlass Carl Kaiser, Entwurf eines notar. Vertrages zwischen Wilczek und Kayser, konzipiert von Notar Dr. Josef Bomann, Opernring 1 in Wien (Dez. 1890). Scharsching (wie Anm. 4), S. 127, 163, 185.

36 Vgl. Nierhaus (wie Anm. 4), S. 13: »Durch die Nähe der Großstadt Wien konnte der Bauherr ein großes Publikum erreichen und … mit seiner Sicht auf die Vergangenheit belehren« und Ausführung dieses Gedankens in Anm. 3 durch ein Zitat aus Wilczeks Erinnerungen. – Zu Allmers’ Einsatz bildender Kunst zur Geschichtsvermittlung vgl. Oliver Gradel: Museumspädagogik und Geschichtsvermittlung im Allmers-Haus, in: Innen und Aussen – Heimat und Fremde.

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entwickelte Kayser sich zu einem exzellenten Kenner und Sammler mittelalterli-cher Kunstwerke.

Die Arbeiten auf der Burg Kreuzenstein brachten Kayser dann weitere Aufträge aus Adelskreisen, die häufig in der Renovierung mittelalterlicher Bauten oder in der (teilweisen) Neuerrichtung von Bauwerken in mittelalterlichen Formen be-standen. Hier ist vor allem die Restaurierung der Burg Hardegg nordwestlich von Wien an der tschechischen Grenze zu nennen, die Kayser ab 1878 für den Fürsten Carl Khevenhüller durchführte, mit dem er ja bereits in Mexiko bekannt gewor-den war. Ähnlich anspruchsvoll war Kaysers Tätigkeit für die Grafen Montenuovo, für die er 1872 eine aufwendige zweigeschossige Grabkapelle im ungarischen Boly errichtete sowie das Schloss Margarethen am Moos in Niederösterreich in den

Hermann Allmers als Modell, hg. von Axel Behne, Bremerhaven 2008, S. 125-139: 125: »Einzigartig aber steht das Haus in Rechtenfleth dadurch da, dass es der Dichter selbst bereits zu Lebzeiten mit einem ö!entlichen Bildungsauftrag versah, es nach seinen Vorstellungen umbaute, ausgestaltete und schließlich der Allgemeinheit als heimatliches Museum zugänglich machte… wohlgemerkt: eines Heimat-Museums im buchstäblichen Sinne.«

Abb. 7: Luftbild Burg Kreuzenstein; deutlich erkennbar die romantischen Bauteile und der mangelnde Wehrcharakter, auch zeigt sich ein Stilbruch – links die von Kayser geplanten Arbeiten (etwa bis zur Loggia), rechts die nach Kaysers Tod vermutlich aus Kostengründen einfacher ausgeführten Bauteile (Foto: Alpine Luftbild, Innsbruck)

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Jahren 1879-1884.37 Durch diese Tätigkeiten, die ein eingehendes Studium der je-weiligen Formensprache erforderten, entwickelte sich Kayser zu einem internatio-nal bekannten Burgenfachmann.

Ab 1882 erleben wir Kayser für eine Zeit lang auf Reisen, auf denen er seine Verbindungen zu seinen adligen Freunden und Auftraggebern auf einer persön-lich-geselligen Ebene pflegt, wobei er durch die berufliche Konsolidierung auch an emotionaler Ausgeglichenheit gewinnt. Die positiv gefühlvolle Seite des Architek-ten zeigen sehr deutlich seine Briefe an die Tochter Marianne, in denen sein Welt-ekel von einer tiefen Zuneigung und Fürsorge für sein Kind, die Mirl, überlagert wird. Carl schreibt ihr von den verschiedenen Stationen einer Reise mit dem Fürs-ten Johann II. von Liechtenstein (1840-1929) – der erste Brief am 12. Feb. 1882 in Lissabon datiert –, indem er sie mahnt, fleißig zu lernen, und ihr Grüße an Wil-czeks und Khevenhüllers aufträgt. Kaum nach Wien zurückgekehrt, bricht Kayser im Mai 1882 erneut zu einer großen Reise auf. Der Tochter berichtet er in fünf Briefen, u. a. aus Bergen, Trondheim und Stockholm, sehr ausführlich von einer Nordland-Expedition mit Hans Graf Wilczek. Neben Landschafts- und Milieu-schilderungen finden sich in diesen Briefen an die Tochter aber auch immer noch die bitteren Töne, ausführliche Warnungen vor der weitgehend korrumpierten Wiener Gesellschaft, die stellenweise in einen kruden Antisemitismus ausarten. Der erste Brief, wenige Stunden vor der Abfahrt auf die Arktisreise verfasst, ist berührend. Weil er die Möglichkeit erwägt, nicht mehr heimzukommen, mahnt er die Tochter zur Tugendhaftigkeit und ordnet an, was im Falle seines Todes mit seiner Hinterlassenschaft geschehen soll:

Früh 6 Uhr Wien 17. 5. 1882 […] Käm ich nicht mehr, so lass alles versteigern und behalte den kleinen Erlös daraus. Haus – Hof und alle Geräte als Dein Eigenthum. Der Pflichtteil, welcher Deinem ›vielleicht‹ Bruder Ernest zu-kommt (allenfalls 1.000 Gulden) mag ausbezahlt werden, irgendwelche Stif-tung oder dgl. und Steuern weil von so wenig – den geringsten notwendigen Betrag. Natürlich entlass die paar Leute und sag Ihnen meinen Dank! Du aber arbeite! Bilde Dein Herz und Deinen Geist. Denk mehr an den Reichtum inne-rer Werthe, als an das Geld […] Am besten Du gingst nach England oder Ame-rika arbeiten, sei früh auf und streng gegen Dich, so wirst Du glücklich werden – Dort! Und hier auf Erden. Das frivole Treiben in diesem verhurten, verjude-ten Wien und Österreich – schmeichelt sich sanft und allmählig ein und ver-dirbt mit seinem Pesthauch Alle (eine geistige Malaria).38

Am umfassendsten und tre!endsten hat Kayser selbst seine frühe berufliche Orientierung und die folgende Neuausrichtung, den privat-beruflichen Kollaps, den Aufbruch zu neuer Tätigkeit und die anschließende berufliche Etablierung in einem rückblickenden Brief an Allmers vom Oktober 1883 beschrieben:

37 Vgl. Gerd Pichler: Karl Gangolf Kayser und Humbert Walcher von Molthein. Die Architekten des Wiederaufbaues, in : Burg Hardegg (wie Anm. 5), S. 153-156: 155.

38 NÖLA, Nachlass Carl Kaiser.

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5. und 6. 10. 1883 Lieber Freund! Weil mich Deine lieben Grüße grade in Wien tre!en und ich ein paar freie Augenblicke habe, so fange ich gleich an dieselben zu erwidern. Weil Du und Caspar nicht kamen was ja hätte früher genau fest-gestellt werden (verabredet) müssen, ausserdem einer meiner lieben Freunde der Bildhauer Gedon entsetzlich leidend ist (Krebsleiden im Mund), und ich ihn daher nicht aufsuchen will, seinetwegen und meinethalben, um so mehr als ich mit meinem Töchterl reise, so wich ich München diesmal aus. Mirl und ich fuhren in Tyrol umanand – ’s war herrlich. Du bist also auch dick worden? Ja mein Lieber, wir sind halt alt worden, und das lässt sich nicht hinwegleugnen. Was Deine Angst wegen meiner architektonischen Verbummelung betri!t, kann ich Dich gänzlich beruhigen. […] Also höre: Im Anfang war ich wie Du – wie Du Dich erinnern dürftest – Jünger der sog. Gotik – schimpfte auf alle Anderen – bis ich was lernte – besonders Bescheidenheit und das hohe Wissen dass wir Nichts! wissen. Bis so mein Gewissen beruhigt worden war, fing ich gar bald an, den Anfang zu machen zum ›Wissen‹ zur Wissenschaft! Da warf mich das Ge-schick nach Mexiko. Max wollte von Gotik nichts wissen (sonst hätte er mich hinausgeschmissen) musst also plötzlich spanische Renasimiento [gem. ist ›spa-nisches Rinascimento‹] treiben, d. h. Altes studieren, von dieser Kunstsprache Formen handhaben zu lernen./ 6. X. 83 […] Kaum konnte ich mich ein wenig als Anfang darin bewegen – mussten wir uns selber davon bewegen! – sehr da-von, bis Europa – […] Erst in Wien angekommen, nun trafen mich von allen Seiten Bolzen, Pfeile und Schleudersteine von Freund und Feind – war eben schon vergessen, Andre erbgesessen! Mein Weib, meine Freunde – hatten mich verrathen und meine Klientel war fort, kein Geld, kein Vertrauen!!! Mehrere Jahre verlor ich so – treibend auf stürmischer hoher See des Unglück’s – bis ich endlich wo kleineren Halt fand – mich später – herausrang. Nach drei Jahren fing ich an endlich Ruhe zu finden, dass ich wieder arbeitete. Bekam bei der damals als Kunstkennerin und selbst Künstlerin bekannten Gräfin Nako die Arbeit – Ausstattung und Umbau eines kleinen alten Palais und eines Schlos-ses. Zu meinem Glück gefiel es sehr, machte mir in aristokratischen Kreisen Namen und brachte jene Richtung des Styles in Mode – Deutsche Renaissance – hier und in München. Gedon, mein armer Freund – wir arbeiteten nun so weiter, dann Rudolf Seitz in München und Hannsl Makart in Wien. Alle hiesi-gen und Münchner Architekten schimpften weidlich auf diesen Krämpl – konn-ten aber nichts Besseres – und mussten sich bequemen sich selber dieser zur Mode gewordenen Richtung anzupassen, so gut oder schlecht sie es eben zu-sammen bringen konnten. Meine Kameraderie mit einigen Münchner Künst-lern war mir sehr nützlich, ich lernt’ malerisch sehen, was keiner meiner Herrn Collegen kann. Für Nako, Rud., Hoyos, Mallman, in London Henry Osborn Worms, einige Auspitz, Todesco, Schi! etc., Helfert, bei Makart selber, Oppen-heimer, Angeli-Atelier, Graf Wilczek, Fürst Kinsky, Mannsfeld, Colloredo etc. und viele andere hatte ich derlei Arbeit gemacht. Da kam ich an den Wiener Zopf, wovon wir einige alte, sehr schöne Muster haben. Brachte nun diesen in Mode. Ich machte ihn zuerst genau wieder im Geiste und der Technik der Al-ten, soweit wir’s eben können. Wieder schimpften Alle, aber machten’s mir noch

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eifriger nach. Meine! Arbeiter machten die ersten Stuckarbeiten wieder auf alte Weise direkt auf den Plafond, modelliert in Mörtel und Gips. Jetzt aber komm ich nach fast lebenslanger Irrfahrt heim – ins alte liebe Lager der romanischen und gothischen Kunstform. Habe bei meinem Gönner und Freund H. Wilczek Gelegenheit, wenn nicht ein Unglück es stört, im Wesen meiner ursprünglichen Art und Lieblingsrichtung zu arbeiten, bis ans Ende, so Gott will. Im innigen vertrauten Verkehr mit Semper lernt ich ›weit schauen‹, gewann ich Überblick und sprang keck hinüber über die Zunft Geheimnistuerei und Großprahlereien der authorisierten Ober und Unter Bauverräther! Und sonstiger leider nicht zu überspringender geheim gebliebener Bauräthe. Jetzt habe ich eine innige ver-ständnisvolle Freude an der alten Einfachheit und Naturfrische der romani-schen und frühgotischen Formen und mit jedem Tag, wo ich war, mehr darüber zu lernen, desto tiefer und edler wird das Erkennen dieser geheimnisvollen For-menwelt. Ich habe durch die Reise nach Amerika die Haupt-Bauepoche und die wässrigen Verbohrungen in den jeweiligen Ministerien und sonstigen Cote-rien versäumt – wurde dadurch überhaupt auch auf die Seite geschoben, hab nur’s Nachsehen, wie die Österreicher sagen. Große Massen von Bauwerken sind aber wegen der Ausdehnung nicht eben bloss Kunstwerke – und ist oft im Kleinsten das Edelste schon gescha!en worden. Den Laien zerschlagen die ge-waltigen Massen, das Urteil anders beurteilt die Nachwelt. Wenig ist da zu finden, das man Kunst im edlen Sinne nennen könnte, nur Aneinanderhäufung ›gestohlener Details‹ aus aller Herren Länder und Zeiten. Das Atrium Hansen’s im Parlamentshaus ist das Beste und ein paar Details v. Burgtheater, na komm und schau’s Dir selber an. Freundlich Grüß. G. Kayser 39

Kayser nennt hier auch eine Reihe bisher noch unbekannter Arbeiten und gibt uns dadurch erste Anhaltspunkte für weitere wissenschaftliche Forschungen. Dem-zufolge konnte bereits erwiesen werden, dass ein Schlösschen des Grafen Georg Larisch in Pardubice zwischen Prag und Ostrau zu seinen Arbeiten zu zählen ist.40 Allerdings werden weitergehende Recherchen wohl schwierig, weil Aufzeichnungen und Skizzen über die Gestaltung von Innenräumen selten in Architektur archiven zu finden sind. Das Material zu den einzelnen von Kayser erwähnten Innenausstat-tungen dürfte sich eher in herrschaftlichen Privatarchiven der ehemaligen Donau-monarchie befunden haben, die zum großen Teil verloren gegangen sind.

In einem Brief an die Tochter, den er am 28. September 1884 auf Schloss Rie-gersburg verfasste, erklärt Kayser, wie wohl er sich in der Gesellschaft um den Fürsten Khevenhüller fühlte.41 Diesem Brief Kaysers können wir auch entnehmen, dass die Tochter begonnen hatte, den Vater wegen seiner zunehmenden Leibesfül-le und der damit zusammenhängenden Antriebslosigkeit zu ermahnen. Die Aner-

39 NHA 2.1 K!"#$%, 1883 Okt. 5/6. Wiener Zopf: auch Altwienerstil genannt, girlandenartige Or na-men te, die, wie Kayser beschreibt, feucht vor allem an Decken angearbeitet wurden; Atrium Han-sen’s: der Plenarsaal und sonstige Räume im Hauptgeschoss des Österreichischen Parlaments, ent-worfen von &eophil von Hansen (1813-1891), sind um einen überglasten Atriumhof angeordnet.

40 Vgl. Scharsching (wie Anm. 4), S. 103.41 NÖLA, Nachlass Carl Kaiser, Brief an Marianne, 28. Sept. 1884.

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kennung Khevenhüllers und vielleicht auch das liebevolle Mahnen der Tochter führte Kayser zu seinem nächsten großen Auftrag: Für Fürst Johann II. von und zu Liechtenstein, mit dem er, wie erwähnt, zwei Jahre zuvor auf Reisen gewesen war, begann Kayser nämlich noch im selben Jahr 1884 den Ausbau von dessen Stamm-burg Liechtenstein bei Mödling; 1886 kam die Restaurierung der Liechtenstein-schen Burg Sternberg in Mähren hinzu. Hauptmotiv der Auftraggeber zu diesen kostspieligen, zum Teil Jahrzehnte währenden Bauvorhaben war ihr Wunsch, ihre für die Familiengeschichte bedeutenden, aber noch mittelalterlich strukturierten Wehrburgen dem Zeitgeschmack entsprechend herzurichten. Vornehmlich sollten sie dann als repräsentative, quasi museale Orte zur Aufbewahrung (bzw. zum Ein-bau) großer Sammlungsstücke dienen, von gotischen Holzdecken etwa, Renais-sanceportalen, romanischen Säulen usw., aber auch als standesgemäßer Begräbnis-ort. Der Wohnzweck war demgegenüber sehr untergeordnet; die Burgen hatten allenfalls einem gelegentlichen Aufenthalt zu genügen.

Kayser war zu diesem Zeitpunkt beruflich arriviert als Architekt und Sachver-ständiger für historische Baukunst; äußerliche Anerkennung hierfür erfuhr er durch seine Berufung zum korrespondierenden Mitglied der k. k. Zentralkommis-sion für Kunst und historische Denkmale am 20. Jänner 1885.42 Auf Grund eines weiteren Renovierungsprojektes war er mittlerweile selbst in die Reihen der Bur-genbesitzer aufgerückt. Mit Vertrag vom 3. Jänner 1885 hatte er nämlich die Burg Mittersill von Marie Louise Gräfin Larisch-Wallersee gekauft, einer Nichte und Vertrauten von Kaiserin Elisabeth. Zum Kaufpreis von 12.000 Gulden trug ver-mutlich der Erlös aus der Veräußerung seines Wiener Elternhauses (Herbst 1884) bei; vielleicht hatte er aber auch noch Forderungen gegenüber der Gräfin aus der aufwendigen Renovierung der Burg und es war derselben, die sich ständig in Geld-verlegenheit befand, eine andere Form der Begleichung nicht möglich. Allmers sandte ihm zu dem freudigen Ereignis Sinnsprüche zur flächigen Anbringung an den Wänden der Burgsäle, wohl ähnlich denen, die er für sein eigenes Haus in Rechtenfleth und für das Gasthaus ›Schloss Morgenstern‹ im heutigen Bremerha-vener Stadtteil Weddewarden erdachte.43 Kayser dankt dafür in einem Ton, der im Ganzen gelassener und in sich ruhender wirkt als in seinen früheren Herzenser-gießungen, au!allend ist nun auch die ironische Distanz, die er gegenüber weniger geschätzten Kollegen einnimmt, wenn er sie als »schenial gesoßt« bezeichnet:

6. 11. 1887. Lieber Freund!Dein lieber Brief und die klugen, ja weisen Lebensregeln haben mir eine rechte Freude gemacht, auch anderen mir teuren Menschen, so Männlein, als auch Frauen und Fräulein. Die junge Wilczek besonders ist in dieser Richtung ein gutes und dankbares Publikum. Wenn Dir wieder mal irgend Sprüche fürs Mittersiller Haus einfallen, so teile sie mir mit. Also Lenbach ist verheiratet, seit vorgestern. Ich wollt’, ich könnt’ ihm’s nachmachen, denn so allein zu sein,

42 Vgl. NÖLA, Nachlass Carl Kaiser, Berufungsschreiben vom 20. Jan. 1885.43 Vgl. Wandsprüche der Friesenhalle im Gasthof zum Schloß Morgenstern zu Weddewarden im

Lande Wursten, Bremerhaven 1883.

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ist gar nicht so fein! Hab einen wah-ren Heißhunger nach einem teilneh-menden, mitteilsamen Herz! Einem Weiblein erst recht! Seit meine Toch-ter fort ist, bin ich gar so einsam!!! Leibl hat ein recht hübsches Bild (Wildschütz) gemalt und mir eine Fotographie geschickt, sehr interes-sant wie ein alter deutscher Meister ernst und wahr und wirklich fertig, arbeitet nicht so schenial gesoßt und flüchtig andeutungsweise wie die modernen Maler es treiben. Denn führten Sie die Sachen aus, so käme die Leere und Hohlheit für jeden sichtbar zu Tage. Lieber alter Freund, lebe Wohl. Gedenke mein.44

Auch erwähnt Kayser hier immer noch die Sehnsucht nach einem zärtli-chen Weibe. Eine frühe mögliche Kan-didatin war die Bankierstochter Gabri-ele (Yella) Todesco; Kaysers Enkelin Dora hat später bemerkt, sie wäre gerne ›Frau Kayser‹ geworden. Sie war eine der bekanntesten Frauen der sog. ›zweiten Wiener Gesellschaft‹, also eine durchaus gute Partie für Kayser. Ob allerdings die reiche jüdische Familie Todesco mit ei-nem Architekten als Schwiegersohn ganz einverstanden gewesen wäre, ist fraglich. Die Begegnung mit Yella muss vor 1871 stattgefunden haben.45 Franz von Lenbach malte die zwei Schwestern Yellas; von ihr selbst war bislang kein Porträt bekannt. Im Nachlass Kaysers kam je doch eine Ölskizze zu Tage, die, so Kaysers Enkelin, von Lenbach stammen soll.

Weiter wissen wir um eine Neigung Kaysers zu Frieda von Dörnberg, einer Ver-wandten des Allmers-Freundes Heinrich von Dörnberg, und von einer fast jugend-lichen Schwärmerei für die sehr junge Ungarin Ilona Szeniczey (1872-1913), die Kayser 1891, vier Jahre vor seinem Tode, durchlebte. Allerdings scheint sich eine engere Beziehung zu einer Frau nicht mehr entwickelt zu haben. In launig-selbst-ironischer Form berichtet er Allmers gelegentlich auch über Begegnungen mit jün-geren Damen, die seine Lebensgeister wecken:

1. 9. 1888, Wien. Lieber Freund! 2mal bin ich schon in München gewesen und hab Dich nicht mit einem Auge gesehen!! Rom – allein das Panorama – das

44 NHA, 2.1 K!"#$%, 1887 Nov. 6. Als Wilhelm Leibl (1844-1900) für das o. g. Gemälde Wildschütz keinen Käufer fand, zerschnitt er es. Mit der jungen Wilczek ist vermutlich Lucietta (Jetta) Wilczek gemeint.

45 Yella Todesco heiratete 1872 den Baron Ludwig Oppenheimer, von dem sie 1884 wieder geschie-den wurde; sie ist 1943, nach vielen Demütigungen in der NS-Zeit, gestorben.

Abb. 8: Franz Lenbach (zugeschr.): Baronin Yella Oppenheimer, Ölskizze 46 x 38 cm (Privatbesitz)

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alte Rom ist ja für sich allein schon werth, sich hin verfrachten zu lassen. Be-suche gegen Abend mal Franz v. Lenbach in seinem alten oder neuen Atelier – gleich außer den Propyläen, Neubau rechts. Das erste Mal kam ich aus Mit-tersill hatschend, hinkend als Krumplin – Das zweite Mal fesch, mit liebens-würdigen, jungen Damen als veralteter Galan, da hinkte ich schon nicht mehr. Nun geht’s mit der Haxen ziemlich ordentlich. Die 2! Zentner seind ma z’schwer zum Tänzeln. Gehe recht so wie ein ordentliches, ausgebautes Nil-pferd, manche behaupten, sähe auch solch einem Panzerthier ähnlich? Ist im übrigen mir ganz egal. Kommst nicht in die Allotria ? Wenn Du Lenbach be-suchst, kannst ja mit ihm (durch ihn) hingehen, abends Kneipe, prächtig. Fritz Kaulbach und Leibl, wennst aufsuchst, kannst von mir grüßen, fürchte aber, dass ich selber nicht München besuchen kann, zieht mich so wie früher nach Bayreuth, jetzt nach Carls Bad. Alter schützt vor "orheit nicht – und nicht einmal der Dickbauch – abscheulich und ärgerlich, ja lächerlich – dennoch wahr! Vielleicht, dass der Sprudel hilft? Lass schnell von Dir noch ein paar Zeilen zu mir eilen, vielleicht, dass ich’s richten könnt’, über München, Nürn-berg quer nach Karlsbad rundreisend zu eilen. Herzensgruß vom Dicken Kay-ser. CGK46

46 NHA 2.1 Kayser, 1888 Sept. 1. Rom - allein das Panorama gemeint ist das 1888 in München ausge-stellte Panorama von Rom mit dem Einzug Constantins im Jahre CCCXII von Josef Bühlmann und

Abb. 9a: C. G. Kayser: Karikaturen (NÖLA, Nachlass Kaiser)

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Abb. 9b: C. G. Kayser: Karikaturen (NÖLA, Nachlass Kaiser)

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Aus dieser Zeit sind auch einige Karikaturen von Kayser überliefert. Dargestellt sind namhafte Leute wie der Literaturkritiker Ludwig Hevesi oder der Graf Adolf Schack aus München. Aber auch viele Unbekannte hat er konterfeit, Typen des Wiener Lebens wie Kaysers Hausmeisterin beispielsweise oder den Ober in einem der unzähligen von ihm frequentierten Wirtshäuser, verewigt auf der von ihm selbst überbrachten Speisekarte.

Wir erleben hier einen ausgeglichenen, fast schon gemütlichen Kayser, der mit vielen Künstlern seiner nächsten Umgebung, aber auch im ›benachbarten‹ Mün-chen, den ungezwungensten Umgang pflegt. Kein Wunder, denn zum Teil waren seine freundschaftlichen Kontakte mit denselben schon seit Jahren gereift.

KünstlerfreundeAllmers gegenüber erwähnte Kayser in dem schon zitierten Brief vom 14. Januar 1874, in Wien und in München mit einer Reihe von Künstlern, die er sehr schätzte, in freundschaftlichem Umgang zu stehen. München hatte eine Scharnierfunktion im künstlerischen Austausch des deutschsprachigen Raums, zu beobachten allein schon an Kaysers eingangs skizziertem Ausbildungweg. So mögen einige von Kay-sers Kontakten nach Bayern vielleicht auf seine Studienzeit in München zurückge-hen, so etwa zu Lorenz Gedon (1844-1883), der wie Kayser, wenn auch nicht gleichzeitig mit ihm, ein Schüler von Max Widnmann war. Darüber hinaus dürf-ten es aber vor allem Kaysers Innenarchitekturen gewesen sein, durch die er die Aufmerksamkeit der Künstlergruppe um Hans Makart (1840-1884) erregte, die in Wien den Ton angab. Und über denselben Weg dürfte er auch in engeren Kontakt getreten sein zu den Mitgliedern der Künstlergesellschaft Allotria in München, dem Kreis um Gedon, Franz Lenbach (1836-1904) und Friedrich August Kaulbach (1850-1920). Von Kaulbach stammt ein sehr hübsches Portrait der dreijährigen En-keltochter Kaysers, die – am 9. Dez. 1889 zur Welt gekommen – der Liebling ihres Großvaters war.

Da Makart oder auch Lenbach ihre Bilder häufig inszenierten, war ihnen ein Dekorationsarchitekt vom Schlage Kaysers höchst willkommen. Und Kayser be-wegte sich, so hat es den Anschein, lieber in diesem Umfeld als in der Architekten-zunft. Hieraus ergaben sich Aufträge und Zusammenarbeiten mit Künstlern wie Heinrich Angeli, Eduard Charlemont, Rudolf Weyr, Viktor Tilgner (der auch eine Büste von Kayser schuf), Hans Canon, August von Pettenkofen, Hans Schwaiger, Leopold Müller, Bertalan Székely oder eben Lorenz Gedon. Belegt sind diese künstlerischen Kontakte durch zahlreiche Fotos, Briefe und Einladungen in sei-nem Nachlass.

Hans Makart hatte 1869 für seinen Umzug von München nach Wien die Bedin-gung gestellt, dass ihm ein Atelier samt Wohnung zur Verfügung gestellt werde; wunschgemäß wurde in der Gusshausstraße 5 für ihn ein kleines Stöckl adaptiert,

Alexander von Wagner; hinkend als Krumplin im Herbst 1887 war Kaysers Kutsche umgestürzt und auf ihn zu liegen gekommen, Kayser trug aber ›nur‹ Rippenbrüche und Quetschungen davon.

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das zuvor der Bildhauer Anton Fernkorn bewohnt hatte. 1872 ließ Makart sich daran anschließend ein neues Atelier errichten, in dem Kayser den Plafond gestal-tete. Kayser und Makart sowie sein Umfeld trafen sich in ihrer gemeinsamen Vor-liebe für die dekorativen Elemente vergangener Epochen, wenn auch mit nuancier-ten Vorlieben. Während Kayser in seinen Briefen an Allmers die romanischen Formen voranstellt, gri! Makart in seinen diversen ›Kunst-Inszenierungen‹, bei seinen Kostümfesten etwa, sehr gern auf die ›Deutsche Renaissance‹ und auch auf barocke Stilelemente zurück. Desungeachtet schrieb Kayser am 31. Dez. 1880 an Allmers: Noch immer ist mir hier Makart der liebste meiner näheren Bekannten, wir verstehen einander, achten uns nach eines jeden seiner Eigenart.47 Wir dürfen deshalb vermuten, dass Kayser auch regelmäßiger Gast der Makartschen Feste war, die darauf zielten, den Raum und die Gäste zu einem Gesamtkunstwerk zu verschmelzen.

Das erste große dieser Feste fand am 31. März 1873 anlässlich der Fertigstellung des Monumentalgemäldes Venedig huldigt Caterina Cornaro statt. Alle Gäste hat-ten in Kostümen aus der Zeit um 1500 zu erscheinen, die dem vermuteten Stil am Hof der letzten Königin von Zypern (1454-1510) entsprechen sollten, wofür den

47 NHA, 2.1 K"#$%&, 1880 Dez. 31. Rudolf von Eitelberger erwähnt in seinem Nekrolog auf Makart unter den Künstlern, mit denen der Malerfürst in Wien am meisten verkehrte, ausdrücklich auch »die Architekten Carl Hasenauer, Gangolf Kayser und Andreas Streit« (Hanns Makart. Vortrag gehalten am 16. Okt. 1884 in der Kunstgewerbeschule des k. k. österr. Museums für Kunst und Industrie, Wien 1884, S. 9).

Abb. 10: F. A. Kaulbach: Portrait der dreijährigen Dora Pierus (Enkelin von C. G. Kayser, 1893), Öl/Lwd. 51 x 43 (Privatbesitz)

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Gästen Makarts Fundus zur Verfügung stand. Zwei Jahre später, am 3. März 1875, fand ein großes Fest zu Ehren von Richard Wagner statt.

Eine der beeindruckendsten Aktivitäten Makarts war die Organisation und die Aus stattung des Huldigungsfests zum Silbernen Hochzeitsjubiläum von Kaiser Franz Joseph und Kaiserin Elisabeth am 27. April 1879.48 Dafür malte er einen Fries von 100 m Länge und legte bei den Entwürfen der Kostüme in der in seinem Atelier eingerichteten Schneiderwerkstätte auch selbst Hand an.

Sich selber inszenierte Makart – hoch zu Ross und angetan als Rubens (vgl. hier Abb. 12) – am Ende und Höhepunkt des Zuges in der Gruppe der Künstler, reprä-sentiert von den Mitgliedern der Künstlerhaus-Genossenschaft, zu denen seit dem 8. Februar 1877 auch Carl Kayser zählte. Durch sein gestalterisches und organisa-torisches Talent wurde die gesamte Veranstaltung, an der 29 Wagen und etwa

48 Vgl. i. a. Werner Telesko: Die Wiener historischen Festzüge von 1879 und 1908, in: Geschichte der bildenden Kunst in Österreich, V (19. Jahrhundert), hg. von Gerbert Frodl, München e. a. 2002, S. 610-614. – Ähnliches, wiewohl im kleineren Maßstab, initiierte Allmers auch an der Unterweser, vgl. Bernd Ulrich Hucker: Historienfest und Historienmalerei im Dienste vaterländischer Ge sin-nung. Hermann Allmers und der ›Grafenhof‹ in Stotel, in: Jb. der MvM 77/78 (1998/99), S. 273-310.

Abb. 11: Auf Schloss Tavarnok (Tovarníky) bei Nitra in der Slowakei: Hans Makart, Schlossherr Baron Alexander Stummer und Ehefrau Auguste, die Kinder Stummer, C. G. Kayser, Dr. Jorisia (NÖLA, Nachlass Kaiser)

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14.000 Menschen teilnahmen, fast schon mehr zum Triumphzug für die Künstler, und namentlich für Makart, als für das Monarchenpaar.49

Im Winter desselben Jahres 1879 fand dann ein weiteres großes Atelierfest statt. Makart hatte zuvor im Juli 1877 mit etlichen Künstlerfreunden eine Reise nach Antwerpen unternommen, um als Vertreter der Wiener Künstlerschaft an den Fei-erlichkeiten zur 300. Wiederkehr des Geburtstages von Peter Paul Rubens (*28. Juni 1577) teilzunehmen; Kayser begleitete ihn dabei nicht. Zwei Jahre später widmete Makart seinem Idol Rubens dann ein eigenes Fest in seinen Atelierräumen. Dieses ›Niederländische Fest‹, auch Rubensfest genannt, fand am 22. Dezember 1879 statt, ein halbes Jahr nach dem Huldigungsfestzug. Praktischerweise konnten die dafür hergestellten Kostüme beim Rubensfest wieder verwendet werden. Wie aus den Kostümfotos hervorgeht, war auch Kayser anwesend (vgl. hier Abb. 13/14).

Die Freundschaft zwischen Kayser und Franz Lenbach dürfte ebenfalls in der ersten Hälfte der 1870er Jahre entstanden sein, während der sich der Münchner Maler Jahr für Jahr jeweils mehrere Monate, auch zum Malen, in Wien aufhielt. Dabei dürfte es über künstlerische !emen zum Austausch gekommen sein, da Lenbach im frühesten der in Kaysers Nachlass überlieferten Briefe um Hergabe bestimmter Muster bittet. Im April 1885 unterbreitete er Kayser dann den Vor-schlag – da dieser einmal eines seiner Gedichte illustrierte – mehrere von Lenbachs etwa 500 kleinen Dichtungen mit Illustrationen zu versehen und als Buch herauszu-bringen. Vom Sujet her handelte es sich dabei meist um märchenhafte oder be-kannte literarische Szenen mit moralischem Sinnspruch-Charakter.50 Die beiden Freunde scheinen die Idee aller dings nicht weiter verfolgt zu haben. Verwirklicht wurde hingegen ein Portrait Kaysers, das Lenbach malte, worüber Kayser am 20. September 1889 freudig an Allmers berichtete.51

Kaysers Tod und Verbleib seines NachlassesAm 14. März 1895, wenige Monate vor seinem Schlaganfall und darauf folgenden Tod, schreibt Kayser letztmals an seinen Freund Allmers.52 In diesem Brief berichtet er, im Auftrag des Grafen Matthias Miklós Pál Esterházy (1839-1897) an dessen Besitz in Totis zwischen Györ und Budapest zu arbeiten, einem ehemaligen Jagdschloss der Könige von Ungarn. Dort hat er angenehme Gesellschaft, öfters auch mit dem österreichischen !ronfolger, den er bereits 1889 kennengelernt hatte, als er an dessen Schloss Konopischt in Böhmen Arbeiten durchführte.

49 Vgl. Paul Michael Lützeler: Hermann Broch und die Maler. Biographie, Ekphrasis, Kulturtheorie, in: Hermann Broch und die Künste, hg. von Alice Sta"ková und Paul Michael Lützeler, Berlin 2009, S. 11-38: 22.

50 NÖLA, Nachlass Carl Kaiser. Zu den zeitgenössischen Illustrationen von Märchen und Sagen vgl. Regina Freyberger: Märchenbilder – Bildermärchen. Illustrationen zu Grimms Märchen 1819-1945. Über einen vergessenen Bereich deutscher Kunst, Oberhausen 2009 (Artificium, 31), mit weiterführender Lit. Dort S. 21-29 (Exkurs: Illustrationspraxis im 19. und frühen 20. Jahrhundert) und 273#. (Erwin Küsthardt und das Hermann-Allmers-Haus in Rechtenfleth).

51 NHA 2.1 K$%&'(, 1889 Sept. 20.52 NHA 2.1 K$%&'(, 1895 März 14.

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34 Helmut Scharsching und Axel Behne

Abb. 13: C. G. Kayser beim Niederländi-schen Fest am 22. Dez. 1879 (Österr. Nationalbibliothek, Bildarchiv)

Abb. 12: Hans Makart als Rubens beim Festzug zum Silbernen Hochzeitsjubiläum von Kaiser Franz Joseph und Kaiserin Eli-sabeth am 27. April 1879 (Wien-Museum)

Abb. 14: Gruppenfoto beim Niederländischen Fest am 22. Dez. 1879 in Makarts Atelier, Makart l. u. sitzend, Kayser stehend 2. v. r. (Wien-Museum)

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Die letzten Monate seines Lebens verbringt Kayser dann im Umfeld der Familie Khevenhüller auf Schloss Rie-gersburg. Dort erleidet er in den ersten Julitagen 1895 einen schweren Schlag-anfall, von dem er sich nicht mehr er-holt. Marianne, seine Tochter, berich-tet vom Krankenbett ihres Vaters an ihren Ehemann !eodor Pierus: Er ist absolut geistesgestört – vollkommen verwirrt und keines klaren Gedankens fähig. […] Er kann nicht einmal mehr alleine essen.53 Es gelingt, den Schwer-kranken nach Inzersdorf zu holen, wo Carl Kayser am 2. Sept. 1895 stirbt. Am 5. September wird er im Familien-grab am Wiener Zentralfriedhof beige-setzt.54

Gemäß den Weisungen, die Kayser seiner Tochter bereits vor seiner Teil-nahme an der Arktis-Expedition im Mai 1882 gegeben hatte, ließ Marianne die umfangreichen Kunstschätze ihres Vaters in zwei Auktionen am 18. März im Gartenbausaal und am 27. April 1896 im Hotel ›Zur goldenen Ente‹ in der Riemergasse versteigern. Nur was die Familie als aufhebenswert erachtete, blieb in ihrem Besitz.

Eine Unzahl von Eisenbeschlägen, Schlössern und sonstigem Kunsthandwerk, auch alte Bücher, Stiche und mittelalterliche Möbel sind in den Auktionskatalogen verzeichnet, jedoch nur wenige Gemälde. Im Versteigerungskatalog des Auktions-hauses Kende, der 1660 Lose beinhaltet – für einen bürgerlichen Privatmann schier unglaublich –, heißt es einleitend: »… jede Sammlung ist ein getreues Spie-gelbild desjenigen Wesens, das sie schuf«.55 So reflektiert der Katalog vom 18. März auch Kaysers Vorliebe für mittelalterliche Kunst und die Wertschätzung für die Werke seiner Künstlerfreunde. Aus diesen kamen nur wenige zum Verkauf, etwa Genrebilder von Szekely (Lagernde Zigeuner, Nr. 1588), Leopold Müller (Kopf einer Nubierin, Nr. 1593), Hans Schwaiger (Heimkehr von der Christmette, Nr. 1595), der Entwurf für einen Vorhang von Hans Makart (Nr. 1592), außerdem eine umfang-reiche Sammlung von Büchern aus dem 17. Jahrhundert.

53 NÖLA, Nachlass Carl Kaiser.54 Grab Gruppe 16 a, Reihe 2, Nr. 19; dort war am 30. Juli 1880 auch sein Vater Carl Kaiser sen. be-

stattet worden. Laut Auskunft der Friedhöfe Wien wurde wegen Verwahrlosung dieses Grabes das Benützungsrecht im Jahre 1980 für erloschen erklärt. Im Aug. 1982 wurde das Grab anderweitig vergeben, wobei die sterblichen Überreste der beiden Vorverstorbenen unter die neue Grabsohle gebettet wurden.

55 Beide Auktionskataloge überliefert in NÖLA, Nachlass Carl Kaiser.

Abb. 15: Franz von Lenbach: Portrait Carl Kayser (1889), Öl/Lwd. 60 x 45cm (Privat-besitz)

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In der zweiten Auktion am 27. April 1896 kamen dann auch Autographen zum Verkauf, u. a. von Kaiser Maximilian von Mexiko (Briefe und Schriften betr. Ein-richtung eines Museums im Schloss Miramare mit eigenhändigen Notizen), Zu-schriften der kaiserlichen Intendanz in Mexiko an Kayser, Briefe von Gonzalez de la Vega, ferner ein Konvolut Briefe an Pater Augustin Fischer, von Staatsmännern und Feldherren. Ob die hier wiedergegebenen Briefe Kaysers an seine Angehörigen auch zur Versteigerung kamen und danach vielleicht durch Kaysers Enkelin Dora zurückgekauft wurden, konnte nicht geklärt werden. Zumal in den letzten Jahren Zeichnungen u. ä. in Privatbesitz aufgetaucht sind, wäre es interessant, die Prove-nienz einzelner Stücke nachzuverfolgen.56

ResumeeDas Bild von Carl Kaysers künstlerischer Tätigkeit ist facettenreicher, als bisher angenommen. Zeit seines Lebens war er ein Anhänger mittelalterlicher Formen, doch zwangen ihn die Forderungen seiner Auftraggeber, sich auch, wenn nicht gar vorwiegend, mit anderen Stilrichtungen zu beschäftigen. Zusammenfassend be-trachtet ist Kaysers Tätigkeit am Hof Maximilians von Mexiko eine Zäsur in sei-ner künstlerischen Laufbahn. Vor seiner Berufung nach Mexiko bestehen – wie aus den Briefen an Allmers hervorgeht – für ihn glänzende Aussichten als umfas-send planender Architekt von Neubauten, nach seiner Rückkehr hingegen be-schäftigt er sich, zunächst auch notgedrungen, mit Interieurs, Umbauten und Ad-aptierungen von adeligen Bauten. Auf diesem Wege wird er aber schlussendlich ein anerkannter Fachmann für Burgenbauten des Historismus.

56 Laut Auskunft der Albertina-Architektursammlung gelangten die dort vorhandenen Zeichnungen von Carl Kayser 1920 aus den Bestandsplänen des Kaiserhauses, dem sog. Burgarchiv oder Hof-burg archiv, über die Burghauptmannschaft in die Albertina.