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Herr Kayser*, was sind die häufigsten Gründe, weshalb Menschen stehen bleiben in ihrer beruflichen Entwick- lung? Wolfgang Kayser: Das ist sehr vielfältig. Aber häufig führt Verharren im Status quo zur beruflichen Stagnation. Man ist in einer bestimmten Position etabliert und vernachlässigt aus dieser Trägheit beispielsweise sein Netzwerk, das für das Weiterkommen sehr wichtig ist. Oft verhindert aber auch das System die Weiterentwicklung. Wenn eine Person ihren Job sehr gut macht, kann genau das ein Karrierekiller sein. Zu gut, um befördert zu werden? Ja. Vorgesetzte haben nicht unbedingt ein Interesse daran, ihre besten Leute ge- hen zu lassen. Ich hatte unlängst so ei- nen Fall in der Praxis. Der betroffene IT- Spezialist war eine geschätzte Kapazität in seiner Abteilung. Deshalb wurde mit ihm nie über ein berufliches Weiter- kommen geredet. Was soll man tun, wenn man merkt, dass Kollegen oder Kolleginnen im Lift nach oben an einem vorbeiziehen, während man selber auf dem ewig glei- chen Posten verharrt? Das ist eine Falle, in die viele tappen: Sie vergleichen sich mit den anderen, die es vermeintlich besser haben, die schneller vorwärtskommen, mehr ver- dienen etc. Doch dieses Denken bringt nichts. Es macht unzufrieden und un- glücklich. Aber es ist doch nur menschlich, dass man sich mit anderen vergleicht. Natürlich. Wir stehen in einem Wettbe- werb. In unserer Gesellschaft wird der hierarchische Aufstieg in einer Organi- sation sehr stark anerkannt. Deshalb auch die Eifersucht auf diejenigen, die nach oben kommen. Aber ich stelle fest, dass häufig überhöhte Erwartungen be- treffend den Aufstieg da sind. Viele glau- ben, sie würden dadurch mehr Erfül- lung erleben. Nicht selten ist das Gegen- teil der Fall. Die Rolle des Chefs wird verklärt? In der Tendenz, ja. Auch Chefs können stecken bleiben. Es gilt auch zu beach- ten, dass die Hierarchien in den Unter- nehmen immer flacher werden. Das schränkt die Möglichkeiten zum Auf- stieg ganz real ein. Hier ist ein Umden- ken erforderlich. Der Begriff Karriere wird künftig eine andere Bedeutung be- kommen. Trotzdem: Was raten Sie Personen, die im Job stehen bleiben Sie sollten in aller Ruhe überlegen, was ihnen bei der Arbeit und im persönli- chen Umfeld wichtig ist, was sie glück- lich macht und welche Fähigkeiten sie mitbringen. Dabei hilft es, verschiedene Perspektiven einzunehmen. Sind die Ziele erst mal definiert, sollte das eigene Netzwerk auf Personen überprüft wer- den, die einem beim Erreichen dieser Ziele nützlich sein könnten. Das fällt nicht allen leicht. Warum? Es entspricht nicht der Art der Schwei- zer, sich anderen Leuten «aufzudrän- gen», die eigenen Leistungen nach aus- sen zu tragen. Mit wie viel Zeitaufwand muss jemand rechnen, wenn er zu Ihnen ins Karriere- coaching kommt? Den einen genügt schon eine Sitzung oder ein Minicoaching von 25 Minuten, um die nötigen Inputs zu erhalten. Wer unabhängig von Zeit und Ort sein will, kann sich auch per Mail beraten lassen. Welchen Einfluss hat die angespannte Wirtschaftslage auf das Karrierever- halten der Menschen? Die Angst vor dem Arbeitsplatzverlust wirkt sich bei vielen lähmend auf die be- ruflichen Aktivitäten aus. Die Verände- rungsbereitschaft sinkt. Man sollte aber den Mut haben, mit dem Vorgesetzten auch in solchen Zeiten über die persön- liche Weiterentwicklung zu reden. Ent- scheidend ist, Verständnis für die Situa- tion des Chefs, der unter Druck ist, zu si- gnalisieren, statt nur Forderungen zu deponieren. Wie können berufstätige Mütter, die nur noch Teilzeit arbeiten, verhindern, dass sie in Sachen Karriere abgemel- det sind im Unternehmen? Wichtig ist, dass auch sie ihr Netzwerk, so gut es geht, weiterpflegen. Ferner sollten sie sich den Grundsatz «Tue Gu- tes und sprich darüber» verinnerlichen. Gerade Teilzeiter sind darauf angewie- sen, ihre Leistungen intern gut zu ver- kaufen, um wahrgenommen zu werden. *Wolfgang Kayser ist In- haber der Wolfgang Kay- ser Consulting in Jonen. Der diplomierte Ing. HTL berät Menschen und Or- ganisationen in berufli- cher Weiterentwicklung und Konfliktmanage- ment. Trägheit, aber auch egoistische Chefs können zu beruflicher Stagnation führen. Was tun? Dieses Gefühl kennen viele: Die Kollegen schaffens nach oben, während man selber im ewig gleichen Job verharrt. Laufbahnexperte Wolfgang Kayser über Auswege aus der Karrieresackgasse. Raus aus der Karriere-Sackgasse VON KARIN KOFLER BILD: ISTOCKPHOTO Zu gut, um befördert zu werden? STELLEN | SONNTAG Sonntag | Nr. 29 | 25. Juli 2010 Seite 1 www.a-z.ch/jobs

Raus aus der Karriere-Sackgasse - Wolfgang Kayser … · 2010. 7. 29. · Wolfgang Kayser: Das ist sehr vielfältig. Aber häufig führt Verharren im Status quo zur beruflichen Stagnation

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  • Herr Kayser*, was sind die häufigstenGründe, weshalb Menschen stehenbleiben in ihrer beruflichen Entwick-lung?Wolfgang Kayser: Das ist sehr vielfältig.Aber häufig führt Verharren im Statusquo zur beruflichen Stagnation. Man istin einer bestimmten Position etabliertund vernachlässigt aus dieser Trägheitbeispielsweise sein Netzwerk, das fürdas Weiterkommen sehr wichtig ist. Oftverhindert aber auch das System dieWeiterentwicklung. Wenn eine Personihren Job sehr gut macht, kann genaudas ein Karrierekiller sein.

    Zu gut, um befördert zu werden?Ja. Vorgesetzte haben nicht unbedingtein Interesse daran, ihre besten Leute ge-hen zu lassen. Ich hatte unlängst so ei-nen Fall in der Praxis. Der betroffene IT-Spezialist war eine geschätzte Kapazitätin seiner Abteilung. Deshalb wurde mitihm nie über ein berufliches Weiter-kommen geredet.

    Was soll man tun, wenn man merkt,dass Kollegen oder Kolleginnen im Liftnach oben an einem vorbeiziehen,während man selber auf dem ewig glei-chen Posten verharrt?Das ist eine Falle, in die viele tappen:Sie vergleichen sich mit den anderen,die es vermeintlich besser haben, dieschneller vorwärtskommen, mehr ver-dienen etc. Doch dieses Denken bringtnichts. Es macht unzufrieden und un-glücklich.

    Aber es ist doch nur menschlich, dassman sich mit anderen vergleicht.Natürlich. Wir stehen in einem Wettbe-werb. In unserer Gesellschaft wird derhierarchische Aufstieg in einer Organi-sation sehr stark anerkannt. Deshalbauch die Eifersucht auf diejenigen, dienach oben kommen. Aber ich stelle fest,dass häufig überhöhte Erwartungen be-treffend den Aufstieg da sind. Viele glau-ben, sie würden dadurch mehr Erfül-lung erleben. Nicht selten ist das Gegen-teil der Fall.

    Die Rolle des Chefs wird verklärt?In der Tendenz, ja. Auch Chefs könnenstecken bleiben. Es gilt auch zu beach-ten, dass die Hierarchien in den Unter-nehmen immer flacher werden. Dasschränkt die Möglichkeiten zum Auf-stieg ganz real ein. Hier ist ein Umden-

    ken erforderlich. Der Begriff Karrierewird künftig eine andere Bedeutung be-kommen.

    Trotzdem: Was raten Sie Personen, dieim Job stehen bleibenSie sollten in aller Ruhe überlegen, wasihnen bei der Arbeit und im persönli-chen Umfeld wichtig ist, was sie glück-lich macht und welche Fähigkeiten siemitbringen. Dabei hilft es, verschiedenePerspektiven einzunehmen. Sind dieZiele erst mal definiert, sollte das eigeneNetzwerk auf Personen überprüft wer-den, die einem beim Erreichen dieserZiele nützlich sein könnten. Das fälltnicht allen leicht.

    Warum?Es entspricht nicht der Art der Schwei-zer, sich anderen Leuten «aufzudrän-

    gen», die eigenen Leistungen nach aus-sen zu tragen.

    Mit wie viel Zeitaufwand muss jemandrechnen, wenn er zu Ihnen ins Karriere-coaching kommt?Den einen genügt schon eine Sitzungoder ein Minicoaching von 25 Minuten,um die nötigen Inputs zu erhalten. Werunabhängig von Zeit und Ort sein will,kann sich auch per Mail beraten lassen.

    Welchen Einfluss hat die angespannteWirtschaftslage auf das Karrierever-halten der Menschen?Die Angst vor dem Arbeitsplatzverlustwirkt sich bei vielen lähmend auf die be-ruflichen Aktivitäten aus. Die Verände-rungsbereitschaft sinkt. Man sollte aberden Mut haben, mit dem Vorgesetztenauch in solchen Zeiten über die persön-liche Weiterentwicklung zu reden. Ent-scheidend ist, Verständnis für die Situa-tion des Chefs, der unter Druck ist, zu si-gnalisieren, statt nur Forderungen zudeponieren.

    Wie können berufstätige Mütter, dienur noch Teilzeit arbeiten, verhindern,dass sie in Sachen Karriere abgemel-det sind im Unternehmen?Wichtig ist, dass auch sie ihr Netzwerk,so gut es geht, weiterpflegen. Fernersollten sie sich den Grundsatz «Tue Gu-tes und sprich darüber» verinnerlichen.Gerade Teilzeiter sind darauf angewie-sen, ihre Leistungen intern gut zu ver-kaufen, um wahrgenommen zu werden.

    *Wolfgang Kayser ist In-haber der Wolfgang Kay-ser Consulting in Jonen.Der diplomierte Ing. HTLberät Menschen und Or-ganisationen in berufli-cher Weiterentwicklungund Konfliktmanage-ment.

    Trägheit, aber auch egoistische Chefs können zu beruflicher Stagnation führen. Was tun?

    Dieses Gefühl kennen viele:Die Kollegen schaffens nachoben, während man selber imewig gleichen Job verharrt.Laufbahnexperte WolfgangKayser über Auswege aus derKarrieresackgasse.

    Raus aus der Karriere-Sackgasse

    VON KARIN KOFLER

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    Zu gut, um befördert zu werden?

    STELLEN | SONNTAGSonntag | Nr. 29 | 25. Juli 2010Seite 1www.a-z.ch/jobs