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Chancen und Risiken von elektronischen Wahlen Dr. Christian Paulsen DFN-CERT Services GmbH [email protected]

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Chancen und Risiken von elektronischen Wahlen

Dr. Christian Paulsen

DFN-CERT Services [email protected]

2/47© 2003-2011 DFN-CERT Services GmbH / Elektronische Wahlen / GUUG HH

Agenda

EinführungVorgehensweise DissertationBedrohungsanalyseAnalyse existierender WahlverfahrenAnwendungskontexteErgebnisse / Zusammenfassung

3/47© 2003-2011 DFN-CERT Services GmbH / Elektronische Wahlen / GUUG HH

Einführung

Definition Elektronische WahlenVerwendung elektronischer Hilfsmittel bei der Durchführung mindestens einer der folgenden Prozesse:

WähleridentifizierungStimmabgabeStimmauszählung

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Einführung: Warum E-Voting?

Schnelle und automatisierte ErgebnisermittlungUnterstützung der Wähler bei komplexen Wahlverfahren / FehlerkorrekturenOrtsunabhängige StimmabgabeJunge Wähler motivieren / Moderner StaatErhöhung der WahlbeteiligungVerifizierbarkeitKosten

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Einführung: Nachteile E-Voting

Sicherheit / ManipulierbarkeitKomplexitätTransparenz / Nachvollziehbarkeit eingeschränktRechtskonformität?„Junk Voting“„Family Voting“Digitale SpaltungKosten

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Einführung

Quelle: B. von Prollius: Rechtliche und technische Aspekte von Internetwahlen im internationalen Kontext, Hochschule der Medien Stuttgart, 2008

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Einführung

Varianten elektronischer Wahlverfahren:Stand-Alone-Verfahren

Wahlgeräte / WahlcomputerDigitaler Wahlstift

Mobile VotingWahlen per SMS

InternetwahlverfahrenWahlen via Internet

Mischformen:Vernetzte Wahlgeräte / Smartphones u. Laptops

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Einführung

Präsenzwahlen Distanzwahlen

Elektronische Wahlen Wahlcomputer / Digitaler Wahlstift

Internetwahlen

Papierbasierte Wahlen Wahlen im Wahllokal mit Wahlurne

Briefwahlen

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Einführung: Wahlgeräte

Beispiel NEDAP-Geräte:Bedieneinheit für den WahlvorstandProgrammier- und AusleseeinheitSerielle Verbindung mit PC, auf dem die Wahlsoftware läuftViele Angriffsmöglichkeiten:

Austausch / Umprogrammieren des internen SpeichermodulsWahlsoftware manipulierenSämtliche Schnittstellen angreifbar (Innentäter)Sicherheitsprinzip: „Security by Obscurity“

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Quelle: Chaos Computer Club

Einführung: Wahlgeräte

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Mehrfacher Einsatz bei parlamentarischen WahlenViele Proteste (Deutschland, Niederlande, Irland...)Bundesverfassungsgericht: Einsatz von NEDAP-Wahlgeräten bei Bundestagswahl 2005 verfassungswidrigHauptkritikpunkt: Mangelnde Nachvollziehbarkeit / Überprüfbarkeit

Einführung: Wahlgeräte

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Digitaler WahlstiftGeplanter Einsatz bei der Hamburger Bürgerschaftswahl 2008Grund: Komplexes WahlverfahrenExpertenrunde äußerte BedenkenFolgen: Wahlstift wurde nicht eingesetzt

Quelle: http://www.halbach.com

Einführung: Wahlgeräte

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Einführung: Mobile Voting

Mobile Voting: Abstimmung per SMSBeispiel:

Zustimmung zur Gesetzesvorlage 1:SMS mit dem Inhalt „89876765-7873“ an ein zentrales Stimmregister senden

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2005: Schweizer Kanton Zürich setzt M-Votingtestweise bei Volksabstimmung einErgebnis: Nicht zukunftsträchtig, keinen weiteren EinsatzBedrohungen:

Gefälschte SIM-KartenIMSI (Int. Mobile Subscriber Identity)-Catcher als Man-In-The Middle AngriffDOS-AttackenManipulation der Mobilfunkgeräte mittels Over-The-Air-ProvisioningInsiderattacken

Einführung: Mobile Voting

15/47© 2003-2011 DFN-CERT Services GmbH / Elektronische Wahlen / GUUG HH

Einführung: Internetwahlen

Wahlen via InternetKomplexeste E-Voting-VarianteWahlsystem bestehend aus:

WahlserverWahlclientWahlsoftware

Herausforderung: Trennung von Authentizität und StimmabgabeTheoretische kryptographische Konzepte gibt es seit 1980

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Einführung: Internetwahlen

Bereits durchgeführte Internetwahlen (Beispiele):

Studierendenwahl Uni Osnabrück 2000Estland 2005 (Kommunalwahlen) und 2007 (Parlamentswahlen)GI-Präsidiumswahlen seit 2006Österreichische Hochschulwahlen 2009Betriebsratswahlen Deutsche Telekom 2005Umfangreiche E-Voting-Datenbank unter http://www.e-voting.cc

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Einführung: Stand E-Voting

Diskussionen über das Pro und Contra von E-Voting

Emotional geführte LagerkämpfeFokus auf Sicherheitsfragen

Vernachlässigung Praxisrelevanz / Benutzbarkeit

Fokus liegt auf politischen PräsenzwahlenVernachlässigung anderer Anwendungskontexte

„NEDAP-Urteil“ des Bundesverfassungsg.Das Aus für E-Voting?

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Agenda

EinführungVorgehensweise DissertationBedrohungsanalyseAnalyse existierender WahlverfahrenAnwendungskontexteErgebnisse / Zusammenfassung

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Vorgehensweise

Beschränkung auf InternetwahlverfahrenErarbeiten der Anforderungen für Sicherheit und PraxisrelevanzBasis:

WahlrechtsgrundsätzeBedrohungsanalyse

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Vorgehensweise

Analyse existierender Wahlverfahren:SicherheitPraxisrelevanz und Benutzbarkeit

Unterschiedliche Anwendungsbereiche berücksichtigen

Spezifische Anforderungen erarbeiten

Empfehlungskatalog erstellen

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Wahlrechtsgrundsätze

Wahlrechtsgrundsätze (GG, Artikel 38, Abs.1):Allgemein (Jeder darf wählen)Frei (ohne Beeinflussung und Zwang)Unmittelbar (Verteilung d. Sitze anhand der Wählerstimmen)Geheim Gleich (gleiche Rechte für Alle)

Öffentlich / transparentTeilweise im Konflikt zueinander!

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Agenda

EinführungVorgehensweise DissertationBedrohungsanalyseAnalyse existierender WahlverfahrenAnwendungskontexteErgebnisse / Zusammenfassung

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Bedrohungsanalyse

Bedrohungen Wahlclient:Malware

Viren, Trojaner, Würmer, Rootkits, Hoaxes…

Phishing(Automatisierte) Netzwerkattacken

Ausnutzen von SoftwareschwachstellenAusnutzen sonstiger Lücken (z.B. Default-Passwörter, ungeschützter Netzwerkzugang)

Hardwaredefekte / Funktionsstörungen

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Bedrohungsanalyse

Bedrohungen Wahlserver:MalwareNetzwerkattacken

(Distributed) Denial-of-Service-Angriffe

Hardwaredefekte / FunktionsstörungenInsiderangriffe

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Bedrohungsanalyse

Bedrohungen Übertragungskanal:Man-in-the-middle-Angriffe:

DNS-Spoofing / IP-SpoofingMitlesen / Entschlüsseln von StimmdatenManipulation von Stimmdaten

Verbindungsunterbrechung

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Bedrohungsanalyse

Sonstige BedrohungenErpressungStimmenkaufMenschliches FehlverhaltenFehler in der Wahlsoftware (absichtlich und fahrlässig)

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Bedrohungsmatrix

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Agenda

EinführungVorgehensweise DissertationBedrohungsanalyseAnalyse existierender WahlverfahrenAnwendungskontexteErgebnisse / Zusammenfassung

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Analyse: Anforderungen

Sicherheitsanforderungen:

Vertraulichkeit der StimmabgabeVerfügbarkeit des WahlsystemsIntegrität / ManipulationssicherheitAuthentizität aller beteiligten InstanzenVerhinderung von Stimmenkauf und ErpressbarkeitVerifizierbarkeit / Überprüfbarkeit

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Analyse: Anforderungen

Anforderungen Praxisrelevanz und Benutzbarkeit:

Aktualität: Entwicklungsstand (kein Prototyp, ausreichend getestet), Supportmöglichkeiten Transparenz: verständlich und nachvollziehbarKosten: finanzieller und organisatorischer Aufwand (Vergleichsmaßstab: Briefwahlen)Usability: ohne Spezialkenntnisse intuitiv benutzbar

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Analyse: Kriterien

Vier Bewertungsstufen:Anforderung nicht erfüllt / keine Informationen (0)

Anforderung teilweise erfüllt (1)

Anforderung größtenteils erfüllt (2)

Anforderung erfüllt (3)

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Analyse: Kriterien

Beispiel: VerifizierbarkeitIndividuell verifizierbar Universell verifizierbar

Schwach verifizierbar Der einzelne Wähler  kann prüfen, ob seine Stimme überhaupt berücksichtigt wurde

Alle Wähler können den Wahlablauf prüfen und beobachten

Stark verifizierbar Der Wähler kann zusätzlich prüfen, ob seine Stimmabgabe korrekt ins Ergebnis eingeflossen ist

Alle Wähler können zusätzlich prüfen, ob alle Stimmen von autorisierten Wählern abgegeben wurden 

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Analyse: Kriterien

Beispiel: Verifizierbarkeit

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Analyse: Darstellung

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Analyse: Verfahren

Evaluierte Wahlverfahren:POLYASEVOXREVSSERVEVoteremote / W.I.E.N. / T-VoteAdderHeliosPnyxEstnisches Wahlsystem

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Agenda

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Anwendungskontexte

Anwendungsszenario A: Politische WahlenA1: Präsenzwahl mit PapierstimmzettelnA2: Briefwahlverfahren

Anwendungsszenario B: Wahlen im WirtschaftsumfeldB1: Präsenzwahl mit PapierstimmzettelnB2: Briefwahlverfahren

Anwendungsszenario C: Wahlen in nichtpolitischen Organisationen / Vereinen

C1: Präsenzwahl mit PapierstimmzettelnC2: BriefwahlverfahrenC3: Präsenzwahl mit Handabstimmung

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Anwendungskontexte

Ersetzen / Ergänzen der existierenden Verfahren durch elektronisches Verfahren nur dann sinnvoll, wenn insgesamt mindestensdas Niveau gehalten wird!

Daher: Äquivalente Analyse nichtelektronischer Verfahren

Ergebnisse dienen als Kriterium / Referenz für Eignungsanalyse

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Anwendungskontexte

Beispiel: Ergebnisse Parlamentarische Wahlen mit Papierstimmzetteln

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Anwendungskontexte

Überlagerung der Spiderwebdiagramme

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Agenda

EinführungVorgehensweise DissertationBedrohungsanalyseAnalyse existierender WahlverfahrenAnwendungskontexteErgebnisse / Zusammenfassung

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Ergebnisse / Fazit

Für einen Ersatz nicht geeignete Verfahren:Erfüllen insgesamt die Anforderungen schlechter als nichtelektronische Verfahren

Bedingt geeignete Verfahren:Ausgeglichenes Verhältnis zwischen Mehrwert und Nachteil / Nachbesserungen möglich

Geeignetes Verfahren: Mehrwert ist vorhanden

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Ergebnisse / Fazit

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Ergebnisse / Fazit

Kein Verfahren für Ersatz von Präsenzwahlen im politischen (A1) und wirtschaftlichen Umfeld (B1) geeignetZwei Verfahren bedingt für Ersatz / Ergänzung der Briefwahl im politischen Umfeld (A2) geeignet (B2: fünf)Großteil der Verfahren für einen Einsatz in unpolitischen Vereinen (C) bedingt geeignet bzw. geeignet

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Ergebnisse / Fazit

Wahlgeräte bieten im Verhältnis zur Papierwahl kaum VorteileAusblick Internetwahlen: Verifizierbarkeit könnte Mehrwert erzeugenVoraussetzung: Grundsätzlicher Wandel der InternetarchitekturNutzung in nichtpolitischen Vereinen als Briefwahlersatz könnte Vorteile bringen

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Ergebnisse / Fazit

Internetwahlen im politischen Umfeld kurz-und mittelfristig nicht empfehlenswertRechtslage: Fernwahlen als AusnahmeHöherer Wirkungsgrad einer Manipulation als bei PapierwahlenWahlen als „Single Point of Failure“ einer DemokratieHauptprobleme: Verfügbarkeitsangriffe, Transparenz / Komplexität, ClientsicherheitDemokratischer Akt wird entwertet

Vielen Dank!Fragen?

Dr. Christian Paulsenhttps://www.dfn-cert.de/

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