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Charakterisierung der Polyurethan-Schaumentstehung mit Ultraschall T. Vogt 1 , H. Ehbing 2 , W. Michaeli 2, *, J. Richter 1, *, T. Schnu ¨rle 1 , J. Zabold 2 1 Institut fu ¨r Physikalische Chemie, RWTH Aachen, Templergraben 59, 52056 Aachen, Germany 2 Institut fu ¨r Kunststoffverarbeitung, RWTH Aachen, Pontstr. 49, D-52062 Aachen, Germany (Eingegangen am 4. Januar 1999) ZUSAMMENFASSUNG: Es wird eine Versuchsanordnung vorgestellt, welche die Charakterisierung von Polyurethan-Scha ¨umen wa ¨hrend des gesamten Aufscha ¨umvorganges mit Ultraschall ermo ¨glicht. Die Schall- geschwindigkeits- und Amplitudendaten zeigen einen charakteristischen zeitlichen Verlauf, dessen Ent- stehung auf Basis theoretischer Ansa ¨tze interpretiert werden kann. Der Einfluß von unterschiedlichen chemi- schen Zusammensetzungen der Ausgangskomponenten ist beobachtbar, und damit steht ein Mittel zur U ¨ ber- wachung des Scha ¨umprozesses zur Verfu ¨gung. SUMMARY: This paper presents an experimental setup which allows polyurethane foam to be characterised during its formation using ultrasound. The speed and amplitude of the received signals exhibit characteristic changes as the foam develops, the origin of which can be interpreted via a simple theoretical model. These changes vary depending on the composition of the starting components and can be used to monitor the pro- cess of foaming. Einleitung Die Polyurethan-Schaumentstehung ist ein komplexer Prozeß gekoppelt ablaufender physikalischer und che- mischer Vorga ¨nge. Deshalb la ¨ßt sie sich bisher trotz ihrer großtechnischen Nutzung nur schwer in ein mathema- tisch-physikalisches Modell fassen. Dies hat zur Folge, daß die Auslegung des Scha ¨umprozesses im industriellen Betrieb zur Zeit ausschließlich auf empirischem Weg erfolgt. Fortschritte auf diesem Gebiet sind abha ¨ngig von der existierenden Meßtechnik, mit der die verschiedenen Vorga ¨nge bei der Scha ¨umreaktion erfaßt werden ko ¨nnen. Es existieren derzeit mehrere Verfahren, die aber oft den Nachteil haben, den Schaum in seiner Entstehung zu beeinflussen (z.B. Viskosimeter). Zudem sind diese ha ¨u- fig qualitativer Natur und beleuchten nur einzelne Phasen der Polyurethan-Schaumentstehung. Eine Zusammenstel- lung relevanter Meßverfahren findet sich in 1) . Polyurethane entstehen aus einer Polyadditionsreaktion zwischen Isocyanaten und Polyhydroxyverbindungen (Polyole) 2) . Es bilden sich langkettige, vernetzte Mole- ku ¨le, die die Urethangruppe als Bindeglied enthalten. Die hohe Reaktivita ¨t der Isocyanatgruppe spielt bei diesen Reaktionen eine entscheidende Rolle. Sie reagiert gene- rell mit wasserstoffaktiven Substanzen wie Aminen, Car- bonsa ¨uren und Wasser. Die Anwesenheit zahlreicher Zuschlagstoffe im indu- striellen Prozeß fu ¨hrt zu einem komplexen System miteinander gekoppelt ablaufender Reaktionen. Dazu za ¨hlen Katalysatoren, Schaumstabilisatoren und Ketten- verla ¨ngerer sowie physikalische und chemische Treibmit- tel, die erst das Aufscha ¨umen des Polyurethans bewirken. Physikalische Treibmittel sind niedrigsiedende Zusa ¨tze (Kohlenwasserstoffe), die allein durch die bei der Addi- tionsreaktion freiwerdende Wa ¨rme in die gasfo ¨rmige Phase u ¨bergehen. Sie beteiligen sich nicht an der Poly- urethanreaktion. Mit Wasser als chemischem Treibmittel hingegen reagiert die Isocyanatgruppe unter Abspaltung von Kohlendioxid und Bildung eines Amins. Der Reak- tionsverlauf ist sehr empfindlich gegenu ¨ber Anfangs- und Umgebungsbedingungen. Im Laufe der Schaumentstehung sind folgende Vor- ga ¨nge zu beobachten: Volumenvera ¨nderung durch Treibmittelfreisetzung, Vera ¨nderung des Oberfla ¨chen- zu Volumenverha ¨lt- nisses in der Schaumstruktur, Temperaturerho ¨hung durch exotherme, chemische Reaktionen, Vernetzung des Polymermaterials. Ultraschall stellt insofern ein geeignetes Mittel zur Untersuchung der Aufscha ¨umphase dar, da der Einfluß, der auf den reagierenden Schaum genommen wird, ver- nachla ¨ssigbar ist. Die Ausbreitungscharakteristik der Ultraschallwellen ist jedoch stark mit den physikalischen Eigenschaften des Schaums gekoppelt und kann daher zu seiner Charakterisierung genutzt werden. Der Reaktionsverlauf von kompakten Kunststoffen wie den Thermoplasten ist mit Ultraschallwellen schon einge- hend untersucht worden 3) . Auch wurde gezeigt, daß das * Korrespondenzautor. Die Angewandte Makromolekulare Chemie 269 WILEY-VCH Verlag GmbH,D-69451 Weinheim 1999 0003-3146/99/0108–0016$17.50+.50/0 16 Die Angewandte Makromolekulare Chemie 269 (1999) 16–24 (Nr. 4642)

Charakterisierung der Polyurethan-Schaumentstehung mit Ultraschall

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Page 1: Charakterisierung der Polyurethan-Schaumentstehung mit Ultraschall

Charakterisierung der Polyurethan-Schaumentstehung mitUltraschall

T. Vogt1, H. Ehbing2, W. Michaeli2,*, J. Richter1,*, T. Schnu¨rle1, J. Zabold2

1 Institut fur Physikalische Chemie, RWTH Aachen, Templergraben 59, 52056 Aachen, Germany2 Institut fur Kunststoffverarbeitung, RWTH Aachen, Pontstr. 49, D-52062 Aachen, Germany

(Eingegangen am 4. Januar 1999)

ZUSAMMENFASSUNG: Es wird eine Versuchsanordnung vorgestellt, welche die Charakterisierung vonPolyurethan-Scha¨umen wahrend des gesamten Aufscha¨umvorganges mit Ultraschall ermo¨glicht. Die Schall-geschwindigkeits- und Amplitudendaten zeigen einen charakteristischen zeitlichen Verlauf, dessen Ent-stehung auf Basis theoretischer Ansa¨tze interpretiert werden kann. Der Einfluß von unterschiedlichen chemi-schen Zusammensetzungen der Ausgangskomponenten ist beobachtbar, und damit steht ein Mittel zur U¨ ber-wachung des Scha¨umprozesses zur Verfu¨gung.

SUMMARY: This paper presents an experimental setup which allows polyurethane foam to be characterisedduring its formation using ultrasound. The speed and amplitude of the received signals exhibit characteristicchanges as the foam develops, the origin of which can be interpreted via a simple theoretical model. Thesechanges vary depending on the composition of the starting components and can be used to monitor the pro-cess of foaming.

EinleitungDie Polyurethan-Schaumentstehung ist ein komplexerProzeß gekoppelt ablaufender physikalischer und che-mischer Vorga¨nge. Deshalb la¨ßt sie sich bisher trotz ihrergroßtechnischen Nutzung nur schwer in ein mathema-tisch-physikalisches Modell fassen. Dies hat zur Folge,daß die Auslegung des Scha¨umprozesses im industriellenBetrieb zur Zeit ausschließlich auf empirischem Wegerfolgt. Fortschritte auf diesem Gebiet sind abha¨ngig vonder existierenden Meßtechnik, mit der die verschiedenenVorgange bei der Scha¨umreaktion erfaßt werden ko¨nnen.Es existieren derzeit mehrere Verfahren, die aber oft denNachteil haben, den Schaum in seiner Entstehung zubeeinflussen (z.B. Viskosimeter). Zudem sind diese ha¨u-fig qualitativer Natur und beleuchten nur einzelne Phasender Polyurethan-Schaumentstehung. Eine Zusammenstel-lung relevanter Meßverfahren findet sich in1).

Polyurethane entstehen aus einer Polyadditionsreaktionzwischen Isocyanaten und Polyhydroxyverbindungen(Polyole)2). Es bilden sich langkettige, vernetzte Mole-kule, die die Urethangruppe als Bindeglied enthalten. Diehohe Reaktivita¨t der Isocyanatgruppe spielt bei diesenReaktionen eine entscheidende Rolle. Sie reagiert gene-rell mit wasserstoffaktiven Substanzen wie Aminen, Car-bonsauren und Wasser.

Die Anwesenheit zahlreicher Zuschlagstoffe im indu-striellen Prozeß fu¨hrt zu einem komplexen Systemmiteinander gekoppelt ablaufender Reaktionen. Dazuzahlen Katalysatoren, Schaumstabilisatoren und Ketten-

verlangerer sowie physikalische und chemische Treibmit-tel, die erst das Aufscha¨umen des Polyurethans bewirken.Physikalische Treibmittel sind niedrigsiedende Zusa¨tze(Kohlenwasserstoffe), die allein durch die bei der Addi-tionsreaktion freiwerdende Wa¨rme in die gasfo¨rmigePhase u¨bergehen. Sie beteiligen sich nicht an der Poly-urethanreaktion. Mit Wasser als chemischem Treibmittelhingegen reagiert die Isocyanatgruppe unter Abspaltungvon Kohlendioxid und Bildung eines Amins. Der Reak-tionsverlauf ist sehr empfindlich gegenu¨ber Anfangs- undUmgebungsbedingungen.

Im Laufe der Schaumentstehung sind folgende Vor-gange zu beobachten:– Volumenvera¨nderung durch Treibmittelfreisetzung,– Veranderung des Oberfla¨chen- zu Volumenverha¨lt-

nisses in der Schaumstruktur,– Temperaturerho¨hung durch exotherme, chemische

Reaktionen,– Vernetzung des Polymermaterials.

Ultraschall stellt insofern ein geeignetes Mittel zurUntersuchung der Aufscha¨umphase dar, da der Einfluß,der auf den reagierenden Schaum genommen wird, ver-nachlassigbar ist. Die Ausbreitungscharakteristik derUltraschallwellen ist jedoch stark mit den physikalischenEigenschaften des Schaums gekoppelt und kann daher zuseiner Charakterisierung genutzt werden.

Der Reaktionsverlauf von kompakten Kunststoffen wieden Thermoplasten ist mit Ultraschallwellen schon einge-hend untersucht worden3). Auch wurde gezeigt, daß das

* Korrespondenzautor.

Die Angewandte Makromolekulare Chemie269 i WILEY-VCH Verlag GmbH, D-69451 Weinheim 1999 0003-3146/99/0108–0016$17.50+.50/0

16 Die Angewandte Makromolekulare Chemie269(1999) 16–24 (Nr. 4642)

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CharakterisierungderPolyurethan-Schaumentstehungmit Ultraschall 17

Ausharteverhalten von Reaktionskunststoffen mit Hil fevon Ultraschall gut zu beobachten ist4). Eine AnalysedesAufschaumverhaltensvon Kunststoffen mit Ultraschallim Extrusionsprozeßist in5) beschrieben.

Theorie

Vor allem die Prozesseder Treibgasfreisetzung und derVernetzung haben einen entscheidendenEinfluß auf dieAusbreitungseigenschaftenvon Ultraschallwellen im rea-gierenden Schaum. Voraussetzung fur die theoretischeBehandlung der Ultraschallausbreitung im Schaum ist,daß dessenphysikalische Eigenschaften fur die Zeit, inder die Schallwelle mit dem Schaumwechselwirkt, alskonstantangesehenwerdenkonnen. Fur denFall, daßdieWellenlangegroßgegendie AbmessungenderBlasenist,kannderSchaumalshomogenesFluid angesehenwerden(sieheErgebnisteil zum GultigkeitsbereichdieserBedin-gung).Wird ein visko-elastischesMaterialmodell fur denSchaumgewahlt, dannschreibt sich die Schallgeschwin-digkeit c fur Longitudinalwellen als

c �

����������������������

K �

43

G

q

v

u

u

t

�1�

wobeiK derKompressionsmodul, G derSchubmodul undq die momentaneDichte des reagierenden Schaumsbedeuten.Die Module sindalskomplexe Großenanzuset-zen, wobei die Imaginarteile jeweils die viskosenEigenschaftendesMaterialsbeschreiben.

In derAnfangsphasedesAufschaumprozesseskannderSchaumalsFlussigkeit mit Gasblasenangesehenwerden,da sich dort nochkeine signifikante Vernetzungbemerk-barmacht. In einerFlussigkeit ist G = 0, sodaß

c �

�������

Kq

s

��������

dpdq

s

�2�

gilt. Hierin ist p der thermodynamischeDruck im Fluid.Fur die Gesamtdichte kann eine Beziehung aufgestelltwerden,welchedie Dichte desflussigenMatrixmaterialsqm unddesTreibgasesqg enthalt:

q = qm(1–b) + qgb (3)

mit b = Vg/V als Volumenanteil desTreibgasesbezogenauf dasGesamtvolumendesSchaums.DarauskanneineFormulierung abgeleitet werden, welche die Schallge-schwindigkeit in Abhangigkeit vonb beschreibt6):

1c2

�1ÿ b�2

c2m

b2

c2g

qmb�1ÿ b�

jp�4�

mit dem Adiabatenkoeffizienten j des Treibgasesundden Schallgeschwindigkeiten cm und cg desMatrixmate-rials beziehungsweisedesTreibgases.In Abb. 1 ist derVerlauf der Schallgeschwindigkeit, die sich nachGl. (4)berechnet, fur ein Wasser-Luft-Gemisch in Abhangigkeitvom Volumenanteil von Luft bei verschiedenenDruckenp aufgetragen. Es fallt auf, daß schonbei sehr kleinenAnteilen Luft die Schallgeschwindigkeit weit unterhalb

Abb. 1. BerechneteSchallgeschwindigkeit in einemWasser-Luft-Gemischin Abhan-gigkeit vom Volumenanteil b = Vg/V von Luft bei verschiedenenDruckenp: (—) 1 bar,(– –) 10bar, (- - -) 100bar.

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derjenigenvon Wasser(c(H2O) = 1480 m s–1) liegt. EinMinimum befindetsich etwabei b = 0,5.Unter derplau-siblenAnnahme,daßin einemfrei aufschaumendenPoly-urethander Druck p im Inneren desSchaums nur leichtvom Umgebungsdruckabweicht, ergibt sich ausAbb. 1nur einegeringeAbhangigkeit derSchallgeschwindigkeitvom Druck. Es ist alsozu erwarten,daßmit Beginn derVolumenexpansion in einem Schaum die Longitudi-nalschallgeschwindigkeit auf sehr kleine Werte absinktundein Minimum annimmt,wennderVolumenanteil desTreibgases gerade dem des flussigen Matrixmaterialsentspricht. Befindetsichb wedersehrnahebei 0 nochbei1, dann konnen die ersten beiden Terme aus Gl. (4)gegenu¨ber dem letzten vernachlassigt werden, und esergibt sich:

c ��������������������������

jpqmb�1ÿ b�

r

�5�

Mit zunehmenderVernetzung kann der Einfluß desSchubmoduls auf die Schallgeschwindigkeit nicht mehrvernachlassigtwerden.DasAusharten desSchaummate-rials hatzur Folge,daßnachGl. (1) mit demSchubmodulauchdie Schallgeschwindigkeit wiederansteigt.

Zudem konnen Blasenin Flussigkeiten durch Schall-wellenzu Radialschwingungenangeregt werden.Aus derBetrachtungeinereinzelnenBlasemit RadiusR in einerFlussigkeit mit derScherviskositat gs kanneineDifferen-tialgleichungaufgestellt werden,die dieseSchwingungenbeschreibt:

pÿ p � qmRd2Rdt2

32qm

dRdt

� �2

4gs

RdRdt

�6�

worin p derperiodischwechselndeSchalldruck ist. DieseGleichung ist in derLiteraturalsNoltingk-Neppiras-Glei-chung bekannt7). Die Resonanzder Schwingungenliegtbei derFrequenz8)

fR �1

2pR

�����������

3jpqm

s

�7�

Die MinnaertscheFormel(7) machteinewichtigeAus-sageuberdenZusammenhangzwischen derResonanzfre-quenzfR unddemRadiusR einer Blase.

Experiment

Um ein genauesBild von den Vorgangen wahrend desPolyurethan-Schaumprozesseszu erhalten,ist eswichtig,moglichst viele Variable in ihren zeitlichen Ablaufenzueinander zu erfassen.Die Ultraschallmeßgroßen sinddie Laufzeit tL einer Schallwelle uber eine definierteLaufstrecke s und die Schallamplitude A. Gleichzeitigwerdendie leicht zuganglichenGroßenTemperaturT und

Steighohe h der Schaumfront aufgenommen. Aus derSteighohenkurvekannder Volumenanteil desTreibgasesalsFunktionderSchaumzeit abgeschatzt werden.

Da sich alle Großen vor allem in der Anfangsphaseschnell andern, ist eine rechnergestutzte Datenerfassungund Steuerungder an den Messungen beteiligten Geratenotwendig.Der Versuchsaufbauist in Abb. 2 schematischdargestellt. Den Kern der Apparatur bilden ein Ultra-schallmeßgerat (Krautkramer USD10NF) mit einemUltraschallsender und einemUltraschallempfangersowieeine spezielleMeßzelle, in welcheder zu untersuchendeSchaumeingebrachtwird. Die Messungerfolgt nachdemUltraschalltransmissionsverfahren, d.h. die Meßstrecke sentspricht demAbstandzwischen SenderundEmpfanger.UbereinenanalogenAusgang ist dasUltraschallgerat miteinem Digital-Oszilloskop (LeCroy 9400a) verbunden,zum einen, um eine Vollwegdarstellung desUltraschall-signals zu ermoglichen, zum anderen, um im Hinblickauf eine sich anschließendeFourier-Analyse eine hoheAbtastratezur Erfullung desNyquist-Abtasttheoremszuerreichen. In die Meßzelle wird ein Thermoelementknapp oberhalb desdurch die Ultraschallwandler vorge-gebenenMeßvolumenseingefuhrt. Die Thermospannungwird mit einem Digital-Voltmeter (Prema 5000) gemes-sen. Alle Gerate sinduber IEEE- oderRS232-Schnittstel-len mit einem Rechner verbunden. Um ein leichtesEntformen nach der Schaum-Reaktion zu ermoglichen,werden die Ultraschallwandler in Teflongeha¨use einge-bettet.

Im allgemeinen sind Ultraschalluntersuchungen anKunststoffen, die eine PhasegroßerZahigkeit als Folgeeines Ausharteprozesses durchlaufen, mit erheblichenSchwierigkeiten verbunden,da dort die Schalldampfunga extrem hoch ist9). In einem sich entwickelnden Poly-

Abb.2. Versuchsaufbau

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urethan-Schaum treten zusatzlich zum AusharteprozeßGasblasen auf, an denen der Schall gestreutwird. BeiRayleigh-Streuung macht sichdieserEffekt vor allembeihohenFrequenzenf bemerkbar, dain diesemFallea V f 4.Da die durch viskoseVerlusteund Warmeleitung verur-sachteSchalldampfungin Flussigkeitenebenfalls quadra-tischmit derFrequenzzunimmt,ist die Wahl kleinerFre-quenzenfur die Messungenzwingend.

Problematisch ist die akustische Entkopplung derMeßzellevon denUltraschallwandlern.Bei genauerEin-passungder Teflonkappen mit den Wandlern in dasGehausewird derSchalluberdie Gehausewandvom Sen-der zum Empfangergeleitetund uberdecktals Rauschendas schwacheUltraschallsignal, das durch den Schaumgelangt.Aus diesemGrundsind die TeflonkappendurchMoosgummi-Ringe vom Gehause getrennt. GleichzeitigdienendieseSchichtenalsAbdichtung.

Es gibt verschiedene experimentelle Methoden zurBestimmung derSchallgeschwindigkeit c undderSchall-dampfung a. Diese beruhenauf Impuls-Echo-Verfahrenoder Verfahren, bei denen wahrend der MessungdieLaufstrecke s verandert wird10). Beide Methodensind indiesemFalle nicht anwendbar. Zum einenist die Schall-dampfung so stark, daß Echos,die durch Reflektionenzwischen den Ultraschallwandlern entstehen,nicht be-obachtetwerdenkonnen.Zum anderenkonnendie Ultra-schallwandler wahrend derMessungnicht verfahrenwer-den,da die Struktur desSchaumesbeeinflußtwurde unddie Kopplung zwischen Wandler und Schaumverlorengehenkonnte. Außerdemist derProzeßhochgradiginsta-tionar. Der Schaum reagiert wahrend des Verfahrvor-gangesweiter, so daß sich aus einer solchen MessungSchallgeschwindigkeit und Schalldampfung nicht ermit-

teln lassen. Dahermussen Laufzeit und Amplitude, ausdenen Schallgeschwindigkeit bzw. Schalldampfungerrechnetwerden,auf Referenzwerte bezogenwerden.

Die Laufzeit desUltraschallsignalstL setztsichzusam-men aus der Laufzeit t0 in den Geraten und Vorlauf-streckenund der Laufzeit tS, die der Schall benotigt, umdie Meßstreckesmit demSchaumzu durchqueren,alsotS

= tL–t0. Zur Kalibrierungwird ein Referenzpunktim Sig-nal benotigt. Dieser wird als die ersteNulldurchgangs-stelle im Signalfestgelegt (Abb. 3). Die Schallgeschwin-digkeit ergibt sichdannaus

c �sts

�8�

In den Experimenten werden piezoelektrische Ultra-schallwandler benutzt. Die Schalldruckamplitude ist di-rekt proportional zur elektrischen Spannung mit derAmplitudeA. DieseGroßenwerdenauf Referenzwertep0

beziehungsweiseA0 bei einerMeßstrecke s = 0 mm bezo-gen:

pp0

AA0

�9�

Die Amplitude ist definiert als die Differenzzwischendem Maximum und dem Minimum der Signalamplitude(sieheAbb. 3).

ErgebnisseEs wurden Ultraschallwandler zwischen 250kHz und5 MHz getestet.Messungen oberhalb einerFrequenzvon500kHz blieben aufgrund der starkenSchalldampfung

Abb. 3. Definition derAmplitudeunddesReferenzpunkteszur Laufzeitmessung

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erfolglos. Gute Ergebnisselieferten 250 kHz-Wandler.EineFrequenzanalysederdurchdenSchaumtransmittier-tenSignale zeigt, daßvor allemin derAnfangsphaseeineausreichendeSchalldruckamplitudeim Bereich0–50kHzbenotigt wird. Daher werden sehr breitbandige Ultra-schallwandler fur dieMessungenbenutzt. Die Meßstreckeist beiallenExperimentens= 6 mm.DadieWandlereinenDurchmesser von 34mm besitzen, sinddie durchSchall-feldaufweitungverursachtenVerlustegering.

Trotz der hohen Schalldampfung ist es moglich, fastuber den gesamten Aufschaumprozeßhinweg Meßdatenvon Laufzeit und Amplitude aufzunehmen. All gemeinfolgen Schallgeschwindigkeit und Amplitude einemcha-rakteristischenVerlauf(Abb. 4 undAbb. 5). Die StreuungderMeßwerteist gering.

Zu Beginnist ein durchdie Treibgasentwicklungverur-sachter deutlicher Abfall der Schallgeschwindigkeit zubemerken. Die hohe Kompressibilitat der Gasphase ist

Abb. 4. AllgemeinerVerlauf und Reproduzierbarkeitvon Schallgeschwindig-keitsmessungenfur ein physikalisch getriebenes System;(g) Messung1, (G)Messung2, (f) Messung3.

Abb. 5. AllgemeinerVerlauf und Reproduzierbarkeitvon Amplitudenmessun-genfur ein physikalischgetriebenesSystem;(g) Messung1, (G) Messung2, (f)Messung3.

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dabeientscheidend. Zur genauerenAnalysedesZusam-menhangs sind beispielhaft in Abb. 6 die Verlaufe derMeßgroßenfur ein chemisch getriebenesSystemzusam-menmit demVerlauf desVolumenanteilsdesGasesb undderTemperaturTaufgetragen. AusdemgemessenenVolu-menanteil b kann mit angenommenen Werten fur dieDichte des Matrixmaterials qm und den Druck p die zuerwartendeLaufzeit tL nachGl. (5) berechnetwerden. Dieso ermittelte Laufzeit nahert die tatsachlich gemesseneLaufzeit vor allem in der Anfangsphasegut an (Abb. 7).

Es ist zu beachten,daßdie berechnete Kurve die Laufzeitnur bis zumEndederVolumenexpansion beschreibt. Vondiesem Zeitpunktanist dasAbfallenderLaufzeit,welcheseinem Ansteigen der Schallgeschwindigkeit entspricht,auf die Vernetzung und damit auf die Ausbildung einesSchubmodulsGzuruckzufuhren.DerKompressionsmodulK andert sich nachAbschluß der Volumenexpansion imRahmender in Gl. (5) eingefuhrtenNaherungnicht mehr,wenn mandavonausgeht,daßdie DichteanderungendesMatrixmaterials im Laufe des Prozessesvernachlassigt

Abb. 6. Verlauf der Messungfur ein chemisch getriebenes Systemmit 0,435Gew.-% Wasser;(f) tL, (G) A; (—) b, (- - -) T.

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werden konnen. Die Laufzeit besitzt wie erwartet einMaximumbeib = 0,5.Die Schallamplitudebesitzt dorteinMinimum.

Aus Gl. (6) laßt sicheineDispersionsbeziehungherlei-ten,ausdermandie Schalldampfung a in einerblasenbe-ladenen Flussigkeit alsFunktion von f/fR, b undgs erhalt6).Betrachtet man nur die Abhangigkeit von b, dannzeigtsich, daß im Wesentlichen a V b(1–b) (vergleiche11)).Dies konnte das Zusammenfallen der Extremwerte furSchallgeschwindigkeit undAmplitudenwerteerklaren.Esist aber zu bedenken, daß zur Validierung des Modellsalle Variablen in ihren zeitlichen Ablaufen bekannt seinmußten. Des weiteren machen sich Streueffekte geradeim Bereichminimaler Schallgeschwindigkeitenbemerk-bar, da die Wellenlange k und der BlasendurchmessergleicheGroßenordnungenannehmen.Von Schaumbeginnan bis nach Expansionsschluß werden alle Frequenzenoberhalb f = 50 kHz bis unter die Rauschschwellegedampft (sieheauchAbb. 10), sodaßbei einer minima-len Schallgeschwindigkeit von c = 25 m s–1 nach

c = k f (10)

eine minimale Wellenlange von etwa kmin X 0,5 mm zuerwartenist. Lichtmikroskopmessungen mit Probenaus-reagierten Schaums zeigen Blasenradien zwischen0,05mm und0,1mm. Rayleigh-Streuungvon UltraschallandenSchaumblasenist demnacheinGrundfur dasstarkeAbfallen der Amplitude. Ihr Einfluß auf denVerlauf der

Schallgeschwindigkeit muß daher vor dem Hintergrundder im Theorieteil gemachten Annahmen noch naheruntersuchtwerden.Zum Endeder Reaktionhin wird derStreueffekt kleiner, dadieSchallgeschwindigkeit ansteigt.

Weiterhin beeinflußt das Verhaltnis von viskosen zuelastischenAnteilen in der vernetzendenSchaumstrukturdie Schalldampfung. Zu Schaumbeginn hat die zuneh-mende Viskositat einehohereSchalldampfung zur FolgeunddamiteinenAbfall derAmplitudenwerte,wahrendinder Aushartephasedie elastischen Anteile der Poly-urethan-Matrix uberwiegen, so daßdie Amplitudenwertewiederansteigen.

Der Einfluß verschiedener chemischer Zusammenset-zungen laßt sich mit Hilfe der Apparatur ebenfalls gutbeobachten.Es wurden Experimente mit unterschiedli-chem Katalysatorgehalt (Abb. 8) und unterschiedlichemTreibmittelgehalt durchgefuhrt (Abb. 9). Sowohl bei che-misch als auchphysikalisch getriebenenSystemenkannam Schallgeschwindigkeitsverlauf der Reaktionsfort-schritt abgelesenwerden. Ein hoherer Katalysatorgehaltbedingt einen schnelleren Reaktionsablauf. Es fallt auf,daß bei geringerem Treibmittelgehalt die Reaktionenebenfalls schneller ablaufen. Dies kanndaraufzuruckzu-fuhrensein,daßdie Temperaturentwicklung im kompak-ten Material starker ist und somit die Reaktion beschleu-nigt wird.

Eine Frequenzanalysezeigt, daßzu Beginn der Reak-tion hohe Frequenzensehrstark gedampft werden. Erstmit Ausharten des Materials tragenhohere Frequenzen

Abb. 7. Vergleich von (f) gemessenerund (- - -) theoretischer Laufzeit. ZurBerechnungdes theoretischen Verlaufs wurde die Messungvon b herangezogen(vergleicheAbbildung 6). p = 105 Pa,qm = 103 kg m–3, j = 1,3fur CO2.

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CharakterisierungderPolyurethan-Schaumentstehungmit Ultraschall 23

zum Amplitudenspektrum, dassich ausdem BetragderFourier-TransformiertendesUltraschallsignalsergibt, bei(Abb. 10). Auffallend ist derAbsorptionspeakim Ampli-tudenspektrum, der sich gegenEndeder Reaktion immerstarker herausbildet. Dieserkonnte auf die Resonanzab-sorptionbei derMinnaertschenFrequenzzuruckzufuhrensein.In diesemFalle kannder BlasenradiusR0 gescha¨tztwerden:

R0 �1

2pfR

�����������

3jpqm

s

X 0; 065 mm

p = 105 Pa,qm = 103 kg m–3, j = 1,3fur CO2, fR = 50 kHz.Zu beachten ist, daß die Ergebnisse fur Schallge-

schwindigkeit und Schalldampfung zunachstnur qualita-tiver Natur sind, da beideGroßenstarkeDispersionzei-

Abb. 8. Einfluß der Katalyseauf chemischgetriebene Systeme(0,435Gew.-%Wasser). Die Angabenbeziehensich auf die KatalysatorenTriethylendiamin(a)und N,N-Bis(2-dimethylaminoethyl)-methylamin (b), die demGemisch beigefugtwerden;(f) a/b= 0,8/0,2Gew.-%, (G) a/b= 1,2/0,3Gew.-%, (0) 1,6/0,4Gew.-%.

Abb. 9. Einfluß des Treibmittelanteils (Wasser)bei chemischgetriebenenSystemen; (0) 0 Gew.-%, (G) 0,217Gew.-%, (f) 0,435Gew.-%.

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gen. Zur genaueren Analysemussenmit Hil fe von Fre-quenzfiltern Phasengeschwindigkeit und Schalldampfungbei einer gegebenenFrequenzbestimmt werden.

Zusammenfassung

Die Messungenkonnenmit Hilfe der im Theorieteil uberFlussigkeitenmit Gasblasenvorgestellten Effektequalita-tiv nachvollzogen werden. Schallgeschwindigkeit undSchallamplitude folgen immer einem charakteristischenVerlauf und sind gut reproduzierbar. Der Einfluß ver-schiedenerTreibmittel- undKatalysatorgehalte beeinflußtdeutlichdenVerlaufderMessung.

Damit steht ein Mittel zur Verfugung, grundlegendeErkenntnisseuberdenkomplexenProzeßderSchaument-stehungzusammeln.Dabeiist die Verknupfungmit ande-ren Meßverfahren wie z.B. Infrarot-Spektroskopie zurUntersuchungderchemischenVorgangeunerlaßlich.

Mit dem Vorgang der Vernetzung sind die fur dieindustrielle Anwendung wichtigen Großen Schubmodulund Viskositat verknupft. Aufgrund dergenannten Tatsa-chenbesteht die Moglichkeit, denFortschritt einesPoly-urethan-Schaumprozesses online zu beobachten. Dazugehoren insbesondere die Blasenbildung (Nukleierung),da schongeringe Mengen GaseinenerheblichenEinflußauf die Schallgeschwindigkeit haben, und die Aushar-tung.

1) H. Ehbing,Methodenzur CharakterisierungderPolyurethan-Schaumstoffentstehung,Dissertation,Rheinisch-WestfalischeTechnischeHochschule, Aachen(1999)

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Stuttgart (1988)11) T. Vogt, Ultraschalluntersuchungen in Polyurethan-Scha¨u-

men zur Charakterisierung von Werkstoffeigenschaften,Diplomarbeit, Rheinisch-Westfalische Technische Hoch-schule, Aachen(1998)

Abb. 10. AmplitudenspektrumwahrenddesAufschaumens.Die Spektren erstreckensich jeweils uber etwa30 dB, dasentspricht demeffektiven Auflosungsvermo¨gendesOszilloskops.Die obersteKurve zeigt dasdurchdie Ultraschallwandler vorgegebeneSpektrum.