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Bemerkenswert erscheint mir: Mein Vater, Jahrgang 1881, besuchte nach der höheren Bürgerschule um 1899 das Lehrerseminar in Walden- burg/Sachsen, um Volksschullehrer zu werden. Obwohl klar war, dass er als solcher niemals Physik und Che- mie unterrichten würde, war offen- sichtlich die damalige sächsische Schulbehörde der Auffassung, dass ein Volksschullehrer als ein etwas gebildeter Mensch Ahnung von Phy- sik und Chemie haben sollte.“ Der Mut zum Weitermachen Tan Siekmann, ein hessischer Unternehmer, antwortet auf die Frage der Zeitschrift Chrismon „Woher kommt der Mut zum Wei- termachen?“ mit folgenden Worten: „Mein Vater hat erst Chemie stu- diert, hatte dann keine Lust mehr und ist Berufspilot geworden. Dann kam die große Treibstoffkrise, da machte er weiter in der Chemie. Auch einer, der kämpft, nicht um jemanden zu besiegen, sondern um weiterzumachen. Mir geht es da- rum, Projekte auf die Beine zu stel- len, die funktionieren. Das ist ein- fach ein schönes Gefühl.“ Hubert von Goisern ist gelernter Chemielaborant und arbeitet nun als Musiker. Der Fußballer und Fernsehmo- derator Thomas Helmer gestand dem Sportmagazin Kicker: „Chemie war mein Lieblingsfach in der Schule. Da hatten wir den coolsten Lehrer.“ Carlo Pedersoli, alias Bud Spen- cer, bestand mit nicht ganz 17 Jahren die Aufnahmeprüfung an der römi- schen Universität und begann ein Chemiestudium. Fast zwei Jahre später wechselte er zu Jura, um mehr Zeit für den Schwimmsport zu haben. Wiederum zwei Jahre später erhielt er seine erste Rolle in einem Kinofilm. Der Vater von Mario Girotti, alias Terence Hill, war Italiener und Che- miker und arbeitete für Schering in Dresden. Girotti und Pedersoli be- gegneten sich zunächst auf Schwimmwettbewerben. Wie ich zur Chemie kam Der Chemiker Christof Tröltzsch aus Born schreibt den Nachrichten aus der Chemie: „Mein Interesse an Chemie ist genau datierbar auf das Auffinden des Chemiebuchs meines Vaters (neben seinem Physikbuch „Anfangsgründe der Physik“) im Jahr 1942. Damals war mir wie bis zuletzt bei Aufgabe meines Lehr- stuhls 1996 das selbst ausgeführte Experiment das größte Vergnügen bei der Beschäftigung mit Naturwis- senschaften. Da man damals erst als Vierzehn- jähriger Chemikalien zu kaufen be- kam, ging 1943 mein Vater mit mir Zwölfjährigem zur Drogerie, und ich konnte Salzsäure, Schwefelsäure, Salpetersäure, Schwefel, Kaliumper- magnat, Kaliumdichromat, Kali- umbromid usw. kaufen und zu Hau- se ein kleines Labor einrichten. Maren Bulmahn Hier sprechen sich Personen aus, deren Vorfahren Chemiker waren. Wir berichten von Menschen, die selber Chemiker sind, und von anderen, deren Nachkommen eines Tages Chemiker sein werden. Chemie als Schicksal April, April Was ohne Chemie bleibt Der Journalist Heimo Fischer schrieb in der Financial Times Deutschland über das französische Staatsoberhaupt: „Als angehender Popsänger macht er sich lächerlich. Im Chemieunterricht versagt er. Beim Fußball muss er immer im Tor stehen, aber hält keinen Ball. Für Sarkozy bleibt also nur die Politik.“ Siegfried Balke, Politiker, Che- miker und Ingenieur sowie Direktor der Wacker-Chemie, war in den Jah- ren 1953 bis 1956 Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen und von 1956 bis 1962 Atomminis- ter. 1956 wurde er Honorarprofessor für Chemiewirtschaft an der Lud- wig-Maximilians-Universität in Mün- chen. Von 1964 bis 1969 war er Prä- sident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände und Vorsitzender der Technischen Über- wachungsvereine. Der Chemiker Heinz Riesen- huber war seit dem Jahr 1976 Mit- glied des Bundestags und von 1982 bis 1993 Bundesminister für For- schung und Technologie. In den Jah- ren 1994 bis 2002 war er Ko-Prä- sident und Deutsch-Japanischer Ko- operationsrat für Hochtechnologie und Umwelttechnik. Nun ist er Vor- sitzender des Kuratoriums des Deut- schen Museums, München, Mitglied in Beiräten und Aufsichtsräten und Honorarprofessor an der Universität Frankfurt am Main. 402 Nachrichten aus der Chemie | 57 | April 2009 | www.gdch.de/nachrichten

Chemie als Schicksal

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Page 1: Chemie als Schicksal

Bemerkenswert erscheint mir: Mein Vater, Jahrgang 1881, besuchte nach der höheren Bürgerschule um 1899 das Lehrerseminar in Walden-burg/Sachsen, um Volksschullehrer zu werden. Obwohl klar war, dass er als solcher niemals Physik und Che-mie unterrichten würde, war offen-sichtlich die damalige sächsische Schulbehörde der Auffassung, dass ein Volksschullehrer als ein etwas gebildeter Mensch Ahnung von Phy-sik und Chemie haben sollte.“

Der Mut zum Weitermachen

� Tan Siekmann, ein hessischer Unternehmer, antwortet auf die Frage der Zeitschrift Chrismon „Woher kommt der Mut zum Wei-termachen?“ mit folgenden Worten: „Mein Vater hat erst Chemie stu-diert, hatte dann keine Lust mehr und ist Berufspilot geworden. Dann kam die große Treibstoffkrise, da machte er weiter in der Chemie. Auch einer, der kämpft, nicht um jemanden zu besiegen, sondern um weiterzumachen. Mir geht es da-rum, Projekte auf die Beine zu stel-len, die funktionieren. Das ist ein-fach ein schönes Gefühl.“ � Hubert von Goisern ist gelernter Chemielaborant und arbeitet nun als Musiker. � Der Fußballer und Fernsehmo-derator Thomas Helmer gestand dem Sportmagazin Kicker: „Chemie war mein Lieblingsfach in der Schule. Da hatten wir den coolsten Lehrer.“

� Carlo Pedersoli, alias Bud Spen-cer, bestand mit nicht ganz 17 Jahren die Aufnahmeprüfung an der römi-schen Universität und begann ein Chemiestudium. Fast zwei Jahre später wechselte er zu Jura, um mehr Zeit für den Schwimmsport zu haben. Wiederum zwei Jahre später erhielt er seine erste Rolle in einem Kinofilm. � Der Vater von Mario Girotti, alias Terence Hill, war Italiener und Che-miker und arbeitete für Schering in Dresden. Girotti und Pedersoli be-gegneten sich zunächst auf Schwimmwettbewerben.

Wie ich zur Chemie kam

� Der Chemiker Christof Tröltzsch aus Born schreibt den Nachrichten aus der Chemie: „Mein Interesse an Chemie ist genau datierbar auf das Auffinden des Chemiebuchs meines Vaters (neben seinem Physikbuch „Anfangsgründe der Physik“) im Jahr 1942. Damals war mir wie bis zuletzt bei Aufgabe meines Lehr-stuhls 1996 das selbst ausgeführte Experiment das größte Vergnügen bei der Beschäftigung mit Naturwis-senschaften.

Da man damals erst als Vierzehn-jähriger Chemikalien zu kaufen be-kam, ging 1943 mein Vater mit mir Zwölfjährigem zur Drogerie, und ich konnte Salzsäure, Schwefelsäure, Salpetersäure, Schwefel, Kaliumper-magnat, Kaliumdichromat, Kali-umbromid usw. kaufen und zu Hau-se ein kleines Labor einrichten.

Maren Bulmahn

Hier sprechen sich Personen aus, deren Vorfahren Chemiker waren. Wir berichten von Menschen,

die selber Chemiker sind, und von anderen, deren Nachkommen eines Tages Chemiker sein werden.

Chemie als Schicksal

�April, April�

Was ohne Chemie bleibt

� Der Journalist Heimo Fischer schrieb in der Financial Times Deutschland über das französische Staatsoberhaupt: „Als angehender Popsänger macht er sich lächerlich. Im Chemieunterricht versagt er. Beim Fußball muss er immer im Tor stehen, aber hält keinen Ball. Für Sarkozy bleibt also nur die Politik.“ � Siegfried Balke, Politiker, Che-miker und Ingenieur sowie Direktor der Wacker-Chemie, war in den Jah-ren 1953 bis 1956 Bundesminister für das Post- und Fernmeldewesen und von 1956 bis 1962 Atomminis-ter. 1956 wurde er Honorarprofessor für Chemiewirtschaft an der Lud-wig-Maximilians-Universität in Mün-chen. Von 1964 bis 1969 war er Prä-sident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände und Vorsitzender der Technischen Über-wachungsvereine. � Der Chemiker Heinz Riesen-huber war seit dem Jahr 1976 Mit-glied des Bundestags und von 1982 bis 1993 Bundesminister für For-schung und Technologie. In den Jah-ren 1994 bis 2002 war er Ko-Prä-sident und Deutsch-Japanischer Ko-operationsrat für Hochtechnologie und Umwelttechnik. Nun ist er Vor-sitzender des Kuratoriums des Deut-schen Museums, München, Mitglied in Beiräten und Aufsichtsräten und Honorarprofessor an der Universität Frankfurt am Main.

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Nachrichten aus der Chemie | 57 | April 2009 | www.gdch.de/nachrichten