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TREFFPUNKT FORSCHUNG | 166 | © 2010 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.chiuz.de Chem. Unserer Zeit, 2010, 44, 166 – 171 Als Michel Mayor und Didier Queloz 1995 den ersten Planeten entdeck- ten, der nicht unsere Sonne umkreist, benutzten sie eine indirekte Metho- de, die auf dem Dopplereffekt be- ruht.Wenn die Schwerkraft des Pla- neten den Stern in seiner Bewegung um einen winzigen Bruchteil ver- langsamt oder beschleunigt, lässt sich diese Bewegungsänderung aus der Wellenlänge des ausgestrahlten Lichts ablesen. Da es sich um einen ver- schwindend kleinen Anteil handelt, kann man mit dieser Methode nur Planeten von der Größe des Jupiter entdecken, und auch diese nur dann, wenn sie eine extrem kleine Umlauf- bahn haben. Auf diesen Riesenplaneten herr- schen Temperaturen von mehreren Tausend Grad, sie kommen also als Lebensraum für Außerirdische nicht in Frage. Zudem sind sie vermutlich untypisch:Wenn andere Planeten- systeme sich nach ähnlichen Gesetz- mäßigkeiten gebildet haben wie un- seres, sollten sich kleine Planeten mit schwereren Elementen in engeren Umlaufbahnen bilden, die Gasriesen hingegen in größerer Entfernung – als Chemiker kann man sich das wie eine fraktionierte Destillation vorstel- len. Zwei neuere Methoden, beru- hend auf dem Mikrolinsen-Effekt und der Beobachtung von Transits, haben das Spektrum der beobachtbaren Pla- neten jedoch soweit ausgedehnt, dass Objekte von der Größe des Neptun routinemäßig erfasst werden, und so- gar „Super-Erden“ im Massenbereich von einer bis zehn Erdmassen ent- deckt werden können. Beim Gravita- tionslinsen-Verfahren macht man sich die von Einstein postulierte Krüm- mung des Raums durch die Schwer- kraft zunutze. Licht von demselben weit entfernten Objekt kann, wenn es durch schwere Objekte abgelenkt wird, auf verschiedenen Wegen zur Erde gelangen. Da das als Linse die- nende nähere Objekt keine eigene Strahlung auszusenden braucht, eig- net sich das Verfahren auch zur Ent- deckung von Exoplaneten. Beim Transit-Verfahren hingegen benutzt man die Abschwächung des Sternenlichts, wenn ein Planet zwi- schen uns und dem Stern vorbei- zieht.Auf die Planetensuche speziali- sierte Raumsonden wie CoRoT (Con- vection, Rotation, and Transit) und Kepler haben bereits mehrere neue Planeten auf diese Weise entdeckt und näher untersucht. CoRoT 7b ist zum Beispiel ein Planet, der nur 4,8- mal so schwer ist wie die Erde.Aller- dings herrscht an seiner Oberfläche eine unwirtliche Temperatur von rund 2000 °C, da er sich einem ex- trem engen Orbit befindet [1,2]. Selbst mit relativ einfachen Fern- rohren auf der Erde kann man solche Transit-Ereignisse entdecken. David Charbonneau von der Harvard-Uni- versität und Kollegen haben vor kurz- em mit acht bescheidenen Telesko- pen mit 40-cm-Spiegeln, wie sie sich auch Amateure leisten können, eine Super-Erde mit nur dem 6,55-fachen der Erdmasse entdeckt. Der Planet namens GJ1214b umkreist einen rela- tiv nahe gelegenen Stern von gerin- gerer Masse und Leuchtkraft als unse- re Sonne, deshalb war die Verdunke- lung durch die Super-Erde gut zu er- kennen. Die Forscher konnten seine Dichte ermitteln (1870±400 kg/m 3 ) und schließen aus diesem auffallend geringen Wert, dass der Planet erheb- liche Mengen Wasser besitzen muss. Wenn man seine Fernrohre erst mal auf einen solchen Planeten jus- tiert hat, der in regelmäßigen Abstän- den vor seinem Stern vorbeizieht, dann kann man auch darangehen, mit dem durch die Atmosphäre des Pla- neten gefilterten Sternenlicht Spek- troskopie zu betreiben. Mit Hilfe der Weltraumteleskope Hubble und Spit- zer ist es Astronomen auf diese Weise bereits gelungen, bei den Jupiter-ähn- lichen Exoplaneten HD 189733b und HD 209458b die Verbindungen Me- than, Kohlendioxid und Kohlen- monoxid nachzuweisen. Vor kurzem konnte die Arbeits- gruppe von Mark Swain am Jet Pro- pulsion Laboratory in Pasadena, Kali- fornien, sogar Fluoreszenzlicht von einem Exoplaneten auffangen. Die Forscher untersuchten von der Erde aus die Infrarot-Strahlung des Plane- ten HD 189733b kurz bevor er hinter seinem Stern verschwindet, also während er uns seine Tag-Seite zu- wendet. Sie konnten auf diese Weise die charakteristische Fluoreszenz von Der Exoplanet HD 189733b aus Sicht eines Künstlers. [Bild: NASA/ ESA/ G. Bacon (STScl)] ASTROCHEMIE Chemie ferner Planeten Erst vor 15 Jahren konnten Forscher nachweisen, dass andere Sterne auch Planeten besitzen. Inzwischen kennt man weit über 400 extrasolare Planeten und kann sogar spektroskopische Untersuchungen ihrer Atmosphären durchführen.

Chemie ferner Planeten

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166 | © 2010 Wiley-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim www.chiuz.de Chem. Unserer Zeit, 2010, 44, 166 – 171

Als Michel Mayor und Didier Queloz1995 den ersten Planeten entdeck-ten, der nicht unsere Sonne umkreist,benutzten sie eine indirekte Metho-de, die auf dem Dopplereffekt be-ruht.Wenn die Schwerkraft des Pla-neten den Stern in seiner Bewegungum einen winzigen Bruchteil ver-langsamt oder beschleunigt, lässt sichdiese Bewegungsänderung aus derWellenlänge des ausgestrahlten Lichtsablesen. Da es sich um einen ver-schwindend kleinen Anteil handelt,kann man mit dieser Methode nurPlaneten von der Größe des Jupiterentdecken, und auch diese nur dann,wenn sie eine extrem kleine Umlauf-bahn haben.

Auf diesen Riesenplaneten herr-schen Temperaturen von mehrerenTausend Grad, sie kommen also alsLebensraum für Außerirdische nichtin Frage. Zudem sind sie vermutlichuntypisch:Wenn andere Planeten-systeme sich nach ähnlichen Gesetz-mäßigkeiten gebildet haben wie un-seres, sollten sich kleine Planeten mitschwereren Elementen in engerenUmlaufbahnen bilden, die Gasriesenhingegen in größerer Entfernung –als Chemiker kann man sich das wie

eine fraktionierte Destillation vorstel-len.

Zwei neuere Methoden, beru-hend auf dem Mikrolinsen-Effekt undder Beobachtung von Transits, habendas Spektrum der beobachtbaren Pla-neten jedoch soweit ausgedehnt, dassObjekte von der Größe des Neptunroutinemäßig erfasst werden, und so-gar „Super-Erden“ im Massenbereichvon einer bis zehn Erdmassen ent-deckt werden können. Beim Gravita-tionslinsen-Verfahren macht man sichdie von Einstein postulierte Krüm-mung des Raums durch die Schwer-kraft zunutze. Licht von demselbenweit entfernten Objekt kann, wennes durch schwere Objekte abgelenktwird, auf verschiedenen Wegen zurErde gelangen. Da das als Linse die-nende nähere Objekt keine eigeneStrahlung auszusenden braucht, eig-net sich das Verfahren auch zur Ent-deckung von Exoplaneten.

Beim Transit-Verfahren hingegenbenutzt man die Abschwächung desSternenlichts, wenn ein Planet zwi-schen uns und dem Stern vorbei-zieht.Auf die Planetensuche speziali-sierte Raumsonden wie CoRoT (Con-vection, Rotation, and Transit) und

Kepler haben bereits mehrere neuePlaneten auf diese Weise entdecktund näher untersucht. CoRoT 7b istzum Beispiel ein Planet, der nur 4,8-mal so schwer ist wie die Erde.Aller-dings herrscht an seiner Oberflächeeine unwirtliche Temperatur vonrund 2000 °C, da er sich einem ex-trem engen Orbit befindet [1,2].

Selbst mit relativ einfachen Fern-rohren auf der Erde kann man solcheTransit-Ereignisse entdecken. DavidCharbonneau von der Harvard-Uni-versität und Kollegen haben vor kurz-em mit acht bescheidenen Telesko-pen mit 40-cm-Spiegeln, wie sie sichauch Amateure leisten können, eineSuper-Erde mit nur dem 6,55-fachender Erdmasse entdeckt. Der Planetnamens GJ1214b umkreist einen rela-tiv nahe gelegenen Stern von gerin-gerer Masse und Leuchtkraft als unse-re Sonne, deshalb war die Verdunke-lung durch die Super-Erde gut zu er-kennen. Die Forscher konnten seineDichte ermitteln (1870±400 kg/m3)und schließen aus diesem auffallendgeringen Wert, dass der Planet erheb-liche Mengen Wasser besitzen muss.

Wenn man seine Fernrohre erstmal auf einen solchen Planeten jus-tiert hat, der in regelmäßigen Abstän-den vor seinem Stern vorbeizieht,dann kann man auch darangehen, mitdem durch die Atmosphäre des Pla-neten gefilterten Sternenlicht Spek-troskopie zu betreiben. Mit Hilfe derWeltraumteleskope Hubble und Spit-zer ist es Astronomen auf diese Weisebereits gelungen, bei den Jupiter-ähn-lichen Exoplaneten HD 189733b undHD 209458b die Verbindungen Me-than, Kohlendioxid und Kohlen-monoxid nachzuweisen.

Vor kurzem konnte die Arbeits-gruppe von Mark Swain am Jet Pro-pulsion Laboratory in Pasadena, Kali-fornien, sogar Fluoreszenzlicht voneinem Exoplaneten auffangen. DieForscher untersuchten von der Erdeaus die Infrarot-Strahlung des Plane-ten HD 189733b kurz bevor er hinterseinem Stern verschwindet, alsowährend er uns seine Tag-Seite zu-wendet. Sie konnten auf diese Weisedie charakteristische Fluoreszenz von

Der Exoplanet HD189733b aus Sichteines Künstlers.[Bild: NASA/ ESA/G. Bacon (STScl)]

A S T RO C H E M I E

Chemie ferner Planeten

Erst vor 15 Jahren konnten Forscher nachweisen,dass andere Sterne auch Planeten besitzen.Inzwischen kennt man weit über 400 extrasolarePlaneten und kann sogar spektroskopischeUntersuchungen ihrer Atmosphären durchführen.

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Methanmolekülen in den oberenSchichten der Atmosphäre nachwei-sen, wo die Gasdichte so gering ist,dass Anregungsenergie nicht gleichdurch Zusammenstöße wieder abge-baut wird. Die Entdeckung diesesGases ist an sich natürlich keine Sen-sation, da Methan eine der häufigstenVerbindungen im Weltall ist. Dochder Nachweis, dass man mit rechteinfachen, am Erdboden befindlichenInstrumenten die Zusammensetzungder Atmosphäre von Exoplaneten un-tersuchen kann, ist durchaus spekta-kulär.Weitaus mehr und noch interes-santere Einblicke in ferne Weltendürften schon bald auf uns zukom-men.

Im Prinzip könnte die Zusam-mensetzung der Atmosphäre einesExoplaneten, wenn sie ein chemi-sches Ungleichgewicht aufweist, so-gar auf die Anwesenheit von Lebenhindeuten. Einen ersten Hinweis aufinteressante Abweichungen von demvorhergesagten chemischen Gleich-gewicht erhielten Kevin Stevenson et al. bei Beobachtungen des relativnahe liegenden Exoplaneten GJ 436bmit Hilfe des Spitzer-Teleskops.Aufdiesem „heißen Neptun“, dessen At-mosphäre von Wasserstoff dominiertist, fanden die Forscher etwa 10.000mal mehr Kohlenmonoxid bezogenauf das überwiegend vorliegendeMethan als sie erwartet hätten [5].Zwar ist dieser Befund mit Sicherheitkein Fingerabdruck von ET, doch erzeigt bereits, dass man in Zukunftsehr detaillierte Informationen überferne Welten gewinnen können wird.

Literatur[1] A. Léger et al., Astron. Astrophys. 2009, 506,

287.[2] D. Queloz et al., Astron. Astrophys. 2009,

506, 303.[3] D. Charbonneau et al., Nature 2009, 462,

891. [4] M.R.Swain et al., Nature 2010, 463, 637.[5] K. B. Stevenson et al., Nature 2010, 464,

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Michael Großwww.michaelgross.co.uk

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von blau über violett zu rot. Struktu-rell zählen sie zu den Glykosiden.Säuren spalten Anthocyane in Zuckerund Aglykone. Diese Spaltproduktesind die eigentlichen Chromophore.

Beim Ansetzen des Weins lösensich die Anthocyane aus der Haut derroten Trauben. Der wichtigste Farb-stoff dieser Gruppe ist Oenin. Im Rei-feprozess sinkt die Konzentration desOenins und stabilere, für den Weinspezifische Farbstoffe bilden sich.Zwei davon wurden nun strukturellaufgeklärt und physikalisch-chemischcharakterisiert.

Für die Reaktivität des Oenins istdie positive Ladung im Hetero-Sechs-ring der Benzopyridin-Grundstrukturwichtig, das Flavylium-Kation. DiesesStrukturelement bleibt auch bei der

BAT H O C H RO M I E D U RC H BA R R I Q U E- AU S BAU

Die Farbe des Weins

Reift ein junger Rotwein, verdunkelt sich seine Farbe. Welchen Einflussein Barrique-Ausbau auf die chemischen Prozesse der Weinreifung hat,beschäftigte französische Chemiker aus Avignon und der RegionBordeaux [1].