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7 Integrierte Gefahrstoff logistik an Chemie- und Pharmastandorten Jochen Schmidt Gefahrstofflogistik ist naturgemäß eng an die Produktion von Chemikalien aller Art gebunden. Dieses Kapitel hat zum Ziel, die Abwicklung von Stoffströmen hin zur chemischen Produktion (Roh- und Hilfsstoffe) sowie von Warenströmen von der Produktion (Fertigwaren) über Zwischenlager zum Endkunden zu betrachten. Der Fokus liegt dabei auf der Chemielogistik an Chemie- und Pharmastandorten (Standortlogistik) und damit auf einem klassischen B2B-Geschäft. Die Mineralöl- logistik wird an dieser Stelle explizit ausgespart. Besonderes Augenmerk wird den Geschäfts-Charakteristika des Chemielogistikers im Hinblick auf die durch den Kunden und die spezifischen Produkte vorgegebenen Anforderungen gelten. Der Chemielogistiker bewegt sich dabei permanent im Spannungsfeld zwischen Kos- tenoptimierungsdruck und hohen Qualitäts- und Sicherheitsanforderungen (kos- tenintensive Lagereinrichtungen, Dokumentationsaufwand, Qualifizierungsstand des eingesetzten Personals). Als integraler Bestandteil der Supply Chain eines Chemieproduzenten ist der Chemielogistiker, der am Produktionsstandort für Ver- und Entsorgungsprozesse der Produktionsbetriebe verantwortlich ist, stark von Konjunkturzyklen der che- mischen Industrie abhängig. Um langfristig erfolgreich am Markt zu bestehen, muss ein Standortlogistiker daher flexibel auf Konjunkturschwankungen reagieren können. Ein Standortlogistiker benötigt hierfür Kostenstrukturen, die als signifi- kanter Anteil seiner Gesamtkosten variabel und kurzfristig direkt beeinflussbar sind. Darüber hinaus bestehen Tendenzen, eine Diversifizierung des Kundenport- folios in Branchen mit unterschiedlichen konjunkturellen Zyklen vorzunehmen, um so die Abhängigkeit des Chemielogistikers von der stark zyklischen Chemie- branche zu minimieren. Eine zusätzliche Herausforderung entsteht aktuell durch sinkende Lagerbestände in der Chemiebranche, die dem Trend zur Minimierung des Betriebskapitals, des Working Capital, der Produzenten entspringt. Dies führt für den Logistiker zu geänderten Sendungsstrukturen an die Endkunden und damit zu erhöhten Anforderungen an die Abwicklung von Umschlags- und Ver- sandaktivitäten. Eine nachhaltig angelegte strategische Differenzierung der Standortlogistik in der Chemiebranche beinhaltet daher die Flexibilisierung bestehender operativer Prozesse, eine kritische Abwägung der Balance zwischen Standard- und Spezial- 151 Chemielogistik: Markt, Geschäftsmodelle, Prozesse, 1. Auflage. Herausgegeben von Carsten Suntrop Copyright © 2011 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

Chemielogistik (Markt, Geschäftsmodelle, Prozesse) || Integrierte Gefahrstofflogistik an Chemie- und Pharmastandorten

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7Integrierte Gefahrstoff logistik an Chemie- undPharmastandortenJochen Schmidt

Gefahrstofflogistik ist naturgemäß eng an die Produktion von Chemikalien allerArt gebunden. Dieses Kapitel hat zum Ziel, die Abwicklung von Stoffströmen hinzur chemischen Produktion (Roh- und Hilfsstoffe) sowie von Warenströmen vonder Produktion (Fertigwaren) über Zwischenlager zum Endkunden zu betrachten.Der Fokus liegt dabei auf der Chemielogistik an Chemie- und Pharmastandorten(Standortlogistik) und damit auf einem klassischen B2B-Geschäft. Die Mineralöl-logistik wird an dieser Stelle explizit ausgespart. Besonderes Augenmerk wird denGeschäfts-Charakteristika des Chemielogistikers im Hinblick auf die durch denKunden und die spezifischen Produkte vorgegebenen Anforderungen gelten. DerChemielogistiker bewegt sich dabei permanent im Spannungsfeld zwischen Kos-tenoptimierungsdruck und hohen Qualitäts- und Sicherheitsanforderungen (kos-tenintensive Lagereinrichtungen, Dokumentationsaufwand, Qualifizierungsstanddes eingesetzten Personals).Als integraler Bestandteil der Supply Chain eines Chemieproduzenten ist der

Chemielogistiker, der am Produktionsstandort für Ver- und Entsorgungsprozesseder Produktionsbetriebe verantwortlich ist, stark von Konjunkturzyklen der che-mischen Industrie abhängig. Um langfristig erfolgreich am Markt zu bestehen,muss ein Standortlogistiker daher flexibel auf Konjunkturschwankungen reagierenkönnen. Ein Standortlogistiker benötigt hierfür Kostenstrukturen, die als signifi-kanter Anteil seiner Gesamtkosten variabel und kurzfristig direkt beeinflussbarsind. Darüber hinaus bestehen Tendenzen, eine Diversifizierung des Kundenport-folios in Branchen mit unterschiedlichen konjunkturellen Zyklen vorzunehmen,um so die Abhängigkeit des Chemielogistikers von der stark zyklischen Chemie-branche zu minimieren. Eine zusätzliche Herausforderung entsteht aktuell durchsinkende Lagerbestände in der Chemiebranche, die dem Trend zur Minimierungdes Betriebskapitals, des Working Capital, der Produzenten entspringt. Dies führtfür den Logistiker zu geänderten Sendungsstrukturen an die Endkunden unddamit zu erhöhten Anforderungen an die Abwicklung von Umschlags- und Ver-sandaktivitäten.Eine nachhaltig angelegte strategische Differenzierung der Standortlogistik in

der Chemiebranche beinhaltet daher die Flexibilisierung bestehender operativerProzesse, eine kritische Abwägung der Balance zwischen Standard- und Spezial-

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Chemielogistik: Markt, Geschäftsmodelle, Prozesse, 1. Auflage. Herausgegeben von Carsten SuntropCopyright © 2011 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, Weinheim

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prozessen sowie die kundenorientierte Erweiterung bestehender Geschäftstätig-keiten, insbesondere in den Bereichen Distributionslogistik und Logistikservices.Wesentliche Kriterien für jeden Chemielogistiker sind Erfüllungssicherheit, Qua-lität und Produktsicherheit in der Abwicklung der logistischen Dienstleistung.Innovative IT-Technologien zur Sicherstellung eines reibungsfreien Datentrans-fers entlang der Warenströme und der verbundenen administrativen Prozesse sindvon essentieller Bedeutung. Intelligente logistische Konzepte sowie der ressour-censchonende Umgang mit Energie und Material werden im Sinne von “GreenLogistics” dabei eine immer wichtigere Rolle bei der Beurteilung der Leistungs-fähigkeit eines Chemielogistikers einnehmen.

7.1Standortlogistik an Chemiestandorten

Chemische und pharmazeutische Unternehmen an Industriestandorten habengenerell einen äußerst hohen und vor allem kontinuierlichen Bedarf an logisti-schen Dienstleistungen. Logistikservice wird daher rund um die Uhr an siebenTagen in der Woche angeboten, um die hohen Anforderungen und Bedarfe derProduktion zu erfüllen. Dabei ist der klassische Standortlogistiker an einemChemiestandort mehr als nur ein Spediteur, der Waren hin und her bewegt. ZurLagerung von Gefahrstoffen benötigt ein Chemielogistiker eine intakte, für Gefahr-stoffe aller Art geeignete Infrastruktur. Diese Infrastruktur besteht im Wesentli-chen aus Lagereinrichtungen, die speziell auf die Anforderungen der von derchemischen und pharmazeutischen Industrie genutzten Stoffe ausgelegt sind.Ein Gefahrstofflager bedingt auf Grund der hohen technischen Sicherheitsstan-dards hohe Investitionen für den Bau und hat im Vergleich zu einem Standard-lager für Nicht-Gefahrstoffe höhere laufende Betriebskosten. Gleiches gilt imBereich der Tanklagerung von Flüssigkeiten sowie für die zugehörigen Um-schlagseinrichtungen. In diese spezialisierten infrastrukturellen Einrichtungenfließt der Hauptteil der Investitionen eines Chemielogistikers. Diese kapitalinten-siven Wirtschaftsgüter erzeugen generell einen hohen Fixkostenanteil in derKostenstruktur bei Chemielogistikern. Allerdings können die spezialisierten Lager-einrichtungen auch einen Wettbewerbsvorteil darstellen, da ein Konkurrent ohneVorleistungen in die notwendigen Assets und ohne entsprechendes Know-Hownicht erfolgreich in den Chemielogistikmarkt eintreten kann.Auf Grund des bestehenden Gefahrenpotenzials müssen Gefahrstofflager ent-

sprechend der gelagerten Rohstoffe und Produkte gemäß den behördlichen Auf-lagen betrieben werden. Dies erfordert neben der baulichen Eignung qualifiziertesund sachverständiges Personal, das durch Schulungen und Seminare auf demaktuellen Wissensstand gehalten wird. Der Betrieb solcher Einrichtungen ist dahersehr kostenintensiv und der Chemielogistiker steht vor der Herausforderung, dieQualität der Dienstleistungen und den ständigen Kostenoptimierungsdruck inEinklang zu bringen.

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7.1.1Steuerung der Stoffströme

Im Bereich der Beschaffungslogistik, der Produktionslogistik und der Distributions-logistik ist der Chemielogistiker am Standort ein integraler Bestandteil der Versor-gungskette der chemischen und pharmazeutischen Industrie (Abbildung 7.1). Dabeiist es zunächst unerheblich, ob es sich um verpackte Ware, Bulk-Ware (Feststoffeund Flüssigkeiten) oder speziell zu lagernde pharmazeutische Produkte handelt.Alle Stoffströme müssen schnell, pünktlich, preiswert und vor allem sicher gesteuertwerden. Faktoren wie Flexibilität in der Reaktion auf Ad-Hoc-Anfragen, Änderungender Versandbedingungen oder Last Minute Changes, schnelle Reaktionszeiten undErfüllungssicherheit sind hierbei ausschlaggebende Qualitätskriterien für den Che-mielogistiker. Um dem immensen logistischen Aufwand und den speziellen Anfor-derungen der chemischen- und pharmazeutischen Industrie gerecht zu werden,haben sich mit der Zeit diverse Unternehmen auf verschiedenste Art und Weise imBereich der Gefahrstofflogistik spezialisiert. Dabei können die am Markt operieren-den Dienstleister grundsätzlich in vier Gruppen unterteilt werden, die je nachAusrichtung und Historie ortsfest oder standortunabhängig agieren:

1) Chemieunternehmen, die ihre eigene Logistiksparte für interne Warenströmebesitzen.

2) Standortbetreiber, die ein breites Spektrum an infrastrukturellen Dienstleistungenanbieten (z. B. Facility-/ Energiemanagement, Ver- und Entsorgung von Basis-prozessen, Werksicherheit etc.), oft verbunden mit diversen logistischen Dienst-leistungen, z. B. die Versorgung der Industrie mit Basis-Chemikalien über Rohr-netzwerke oder die Abwicklung von internem Werksverkehr/-transport.

3) Spin Offs: Tochtergesellschaften und Unternehmensausgründungen von etab-lierten Standortbetreibern, die sich auf Gefahrstofflogistik und/oder Standort-logistik spezialisiert haben.

4) Spediteure und Third Party Logistics (3PL), die sich auf den Transport vonGefahrstoffen verstehen oder sich darauf spezialisiert haben.

Viele große Standorte für Industrieparks sind bereits historisch nach logistischenGesichtspunkten konzipiert und ausgewählt worden, um die Versorgung mit che-mischen Gütern für die Produktion, die Energieversorgung des Standorts (Kohle, Öl,Treibstoff ) sowie den Abtransport und die Distribution fertiger Produkte zu gewähr-leisten. Verschiedene Arten der Verkehrsanbindung, von Wasserwegen über Schie-nennetze zu Flughäfen, sind keine Seltenheit. Ein signifikanter Teil der Waren-ströme in Industrieparks wird jedoch mit Lkw befördert und hier entstehen in derRegel innerhalb eines Areals die größten Engpässe. Vor allem bei Torkontrollen,Ladestellen und Waagen gibt es nicht selten Knotenpunkte, die bei hohem Verkehrs-aufkommen schnell überlastet sind. Hieraus können lange Standzeiten und Kostenfür Kunden sowie Dienstleister resultieren. Eine intelligente IT-Infrastruktur schaffthier Abhilfe (Abbildung 7.2). Neue Technologien und Standards (Fahrzeugleitsyste-me, RFID etc.) ermöglichen eine durchgängige Verfolgung aller Transportwege und

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Abb. 7.1 Steuerung der Stoffströme.

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Warenbewegungen. Durch die Synchronisierung von Kundenaufträgen mit derLagerhaltung, dem Spediteur und sogar den Torkontrollen werden Spitzen im Lkw-Verkehr eines Industrieparks gezielt vermieden. Durch vorausschauendes Lade-Slot-Management können Spitzen bei der Beladung von Lkw abgebaut werden, wie esz. B. am Neuen Logistikcenter (NLC, siehe Kasten) im Industriepark Höchst ge-schieht. Die Koordinierung all dieser Abläufe setzt oft die Kompatibilität der IT-Systeme aller Beteiligten voraus. Eine effiziente IT-Anwendung muss eine durch-gängige und weitgehende Automatisierung von Lager-, Transport- und Distributi-onsprozessen und eine nahtlose Anbindung an bestehende Kundensysteme ermög-lichen. Hierbei erfolgen die Bearbeitung von Aufträgen, die Bestandsführung unddie logistische Abwicklung sowie die gesamte nachvollziehbare Dokumentationzumeist über SAP. Für Produkthersteller, Parkbetreiber, Logistikdienstleister undSpeditionen können durch die Einbindung von gängigen IT-Standards nachhaltigeKosten-, Zeit- und Qualitätsverbesserungen geschaffen werden. Weiterhin erhöhendiese Systeme die Transparenz der operativen Abwicklungen durch eine Minimie-rung von manuellen Erfassungs- und Abwicklungsprozessen.

Das Neue Logistikcenter (NLC): Ein Distributionszentrum nicht nur fürchemische Produkte

Das Neue Logistikcenter im Industriepark Höchst ist die größte Einrichtung zurLagerung von chemischen Gütern in Hessen. Der Bau des NLC war für InfraservLogistics (ISL) ein wichtiger Schritt zur langfristigen strategischen Positionie-rung auf dem Markt für Logistikdienstleistungen. Das NLC ist dabei nicht auf dieLagerung von Gefahrstoffen beschränkt, sondern ISL bietet Kunden auch bei derLagerung und Distribution von herkömmlichen Gütern zahlreiche Möglichkei-ten, ihre logistischen Abläufe zu optimieren und kostengünstiger zu gestalten.70 000 Palettenstellplätze sind auf 17 Lagerebenen in zwei jeweils 41 Meter

Dienstleister(Spediteure)

LES

EDI-ManagerLagerverwaltungsrechner- Lagerung- Kommissionierung- Verladung

Fahrzeugleitsystem- Torkontrollen- Frachtpapiere- Ladeslot-Management

Kunde(Chemie, Pharma)

Industrie-, Chemiepark

(Logistics Execution System)

Abb. 7.2 IT-Lösung zur Integration der Logistikabläufe (LES).

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hohen, 45 Meter breiten und 134 Meter langen Lagerhallen angeordnet. 46Elektrohängebahnen und 12 Regalbediengeräte erkennen vollautomatisch diegewünschten Paletten und bringen diese zu der Warenumschlaghalle odertransportieren dort ankommende Waren in das Lager, wo die Paletten auto-matisch dem richtigen Lagerplatz zugeordnet werden. Dieser hohe Automatisie-rungsgrad garantiert eine deutlich höhere Umschlagkapazität im Vergleich zunichtautomatisierten Lagermethoden. Die Förderleistung am Wareneingang be-läuft sich auf ca. 150 Paletten, die am Warenausgang auf ca. 200 Paletten proStunde. Diese innovativen Transportmechanismen und intelligente IT-Lösungenermöglichen ein Optimum an Effizienz und Sicherheit. So können die che-mischen Produkte der Klassen 6.1A/B, 8A/B, 10, 11, 12 und 13 im NLC gelagertwerden. Mit der Einführung des Logistics Execution System (SAP-LES) bei ISLwurden die Prozessabläufe vom Kunden über den Spediteur bis hin zur Waren-eingangs- und -ausgangskontrolle im NLC in einem System synchronisiert.Spediteure können über eine Internetplattform einen Lade-Slot im Logistikcenterbuchen und ihre Frachtpapiere selbst ausdrucken. Das spart kostbare Zeit beider Ein- und Ausgangskontrolle und vermeidet Spitzen im Lkw-Verkehr an denWerkstoren, an Waagen und Verladestellen. In einer Warenumschlags- undKonfektionierungshalle wird neu angekommene Ware automatisch im Systemeingebucht. Dabei werden alle Eigenschaften eines chemischen Produktes über-prüft und nach Bedarf ein Palettenplatz im Gefahrstofflagerbereich zugewiesen.Ein umfassendes Brandschutzkonzept mit Rauchmeldern, Sprinkleranlage undRauchabsaugsystem sowie Sicherheitsbegehungen garantieren einen störungs-freien Lagerbetrieb und ein Höchstmaß an Sicherheit.

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7.1.2Servicelevels

Bei allen Dienstleistungen ist generell zwischen Standardprozessen und speziellenServices, die auf den Kunden zugeschnitten sind, zu unterscheiden. Standard-prozesse wie Einlagerung, Lagerung und Auslagerung von Gütern können durchSonderprozesse und spezialisierte Services ergänzt und exakt auf den Bedarf desKunden abgestimmt werden. Key Performance Indicators (KPI), die der Kunde füralle Prozesse wählen kann, ermöglichen eine gezielte Prozesssteuerung und dieAufdeckung von Optimierungspotenzialen. Die KPI werden zwischen Kunde undLogistiker meist anhand der jeweiligen Geschäftsspezifika vereinbart. Beispiele fürrelevante KPI sind unter anderem Ladedauer, Einhaltung von Ladezeiten, Voll-ständigkeit der notwendigen Papiere, Fehlerquote beim Kommissionieren, Be-standstreue, Anteil an notwendigen Nacharbeiten bei Aufträgen, Beschädigungs-quote. Dabei kommt dem Kunden die Verantwortung zu, durch die genaueKenntnis seiner eigenen Logistikabläufe bzw. seines Logistikbedarfs mit demLogistikdienstleister (LDL) die bestmögliche Balance zwischen operativen Stan-dardprozessen und spezialisierten Services zu erreichen. So können spezialisierteServices wie z. B. “fill to order”, “label to order” und “pack to order” zu einerOptimierung von Produktionsprozessen, verändertem Bestandsmanagement undkostenoptimierten Lieferprozessen beitragen. Das übergeordnete Ziel bestehtdarin, für den Kunden ein qualitativ hochwertiges und spezifisch angepasstesGesamtpaket an Dienstleistungen zu schnüren, das im Endeffekt zu Kostensen-kungen bei den operativen Abwicklungen führt. An erster Stelle steht der Dialogmit dem Kunden, um individuelle, passgenaue Lösungen zu finden. Hier giltauch: Je besser der LDL in die operativen Prozesse des Kunden integriert ist, destoeinfacher wird es gelingen, Standardprozesse ausfallsicher zu gestalten und Son-derprozesse zu optimieren.Ein umfangreicher Katalog an Serviceleistungen ist ein weiteres Element, um

sich vom Wettbewerb abzuheben. Damit sich der Kunde weitestgehend auf seinKerngeschäft konzentrieren kann, ist es sinnvoll, ein möglichst breites Service-portfolio anzubieten, um die Ansprüche bedarfsgerecht adressieren zu können.Dazu gehören u. a. die Zollabwicklung, Gefahrgut-Know-How, Sicherheitsschu-lungen, die Beratung von Unternehmen im Hinblick auf nationale und interna-tionale Regelwerke, Verordnungen und Vorschriften oder die Beratung beimGefahrstoff-Handling bzw. die Übernahme der Funktion des Gefahrstoffbeauf-tragten. Profundes Spezialwissen und eine hohe Qualifikation der Mitarbeiter desGefahrstofflogistikers sind notwendige Voraussetzungen, um alle Anforderungenerfüllen zu können. So ist z. B. das Zollrecht wie alle Steuer- und Abgaberichtlinienein Gebiet, das viel Know-How und viel Erfahrung bei den Mitarbeitern voraus-setzt. Bei genauer Kenntnis der Möglichkeiten lässt sich hier die Abgabenlastsenken. Auch Safety & Security am Standort und beim Transport kann nur durchgeschultes und erfahrenes Personal gewährleistet werden. All diese Prozessesollten soweit wie möglich in standardisierte Abläufe integriert sein, um dieGesamtkosten niedrig zu halten und eine hohe Ausfallsicherheit zu gewährleisten.

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7.1.3Qualitätsanforderungen

Im Bereich der Gefahrstoffe gibt es wie in anderen Bereichen der Logistikzahlreiche allgemeine und spezielle Qualitätsanforderungen, die erfüllt werdenmüssen. Allgemeine Qualitätsanforderungen, deren Bewertungsgrundlage eineVielzahl von spezifischen KPI bilden, haben auch in der Chemielogistik ihreGültigkeit. In Verbindung mit einem konstruktiven Qualitäts- und Umweltmana-gement können Prozesse sinnvoll gesteuert und optimiert werden. Ein effizientesQualitätsmanagement umfasst dabei etablierte Instrumente wie KVP (Kontinuier-licher Verbesserungsprozess), Six Sigma oder FMEA (Failure Mode and EffectsAnalysis), um Qualitätsstandards zu halten, zu verbessern und effizient imUnternehmen umzusetzen. Im Bereich der Gefahrstofflogistik kommt hier demSchutz von Mensch und Umwelt, insbesondere einer nachhaltigen und ressour-censchonenden Umsetzung von Routineprozessen, eine besondere Bedeutung zu.Die meisten Chemiestandorte betreiben z. B. eine Alarmierungs- und Gefahren-abwehrorganisation, um schädliche Umwelteinwirkungen und sonstige Gefahrendurch Betriebsstörungen wirkungsvoll bekämpfen und Auswirkungen auf Menschund Umwelt begrenzen zu können. Nachhaltige und sichere Logistikkonzeptesowie Green Logistics sind im Hinblick auf eine Verbesserung der CO2-Bilanzwichtige Grundlagenkonzepte für eine dauerhaft feste Marktpositionierung. Hier-bei müssen Ökologie und Ökonomie einander nicht ausschließen, beispielsweisekann durch intelligente Disposition standortinterner Transporte (zentrale Steue-rung aller Transportaufträge) die Anzahl an Leerfahrten deutlich verringert wer-den. Damit werden sowohl Kosten gespart als auch weniger CO2 emittiert. Bei derLagerung von Rohstoffen oder Produkten kann durch entsprechende Wärmeiso-lierung von Lagergebäuden oder durch Einbau von Wärmetauschern in derBelüftungstechnik Energie bei der Beheizung von Gebäuden gespart werden.Weitere Ansatzpunkte sind beispielsweise energetische Effekte durch Heizungmit Kondensatabwärme aus benachbarten Betrieben oder Materialeinsparungs-effekte durch effizienteren Einsatz von Pack- und Packhilfsmitteln.Zertifizierungen spiegeln auch den Qualitätsgrad eines LDL wider und sind

unverzichtbare Merkmale, ohne die ein Gefahrstofflogistiker de facto nicht erfolg-reich am Markt operieren kann (z. B. DIN EN ISO 9001, 14001, Abfallentsorgungs-betrieb nach § 52 KrW-/AbfG). Einige Zertifikate sind jedoch außergewöhnliche,über den normalen Status Quo hinausreichende Qualitätsmerkmale, die einemLDL ein hohes Maß an Zuverlässigkeit bescheinigen. Darunter fällt in Hessenbeispielsweise das unter anderem vom Hauptzollamt Darmstadt erteilte AEO-Zertifikat, wobei AEO für “Authorized Economic Operator” steht. Mit diesemZertifikat wird ein Standortlogistiker zu einem so genannten „zugelassenen Wirt-schaftsbeteiligten“. Ihm wird ein besonderes Maß an Zuverlässigkeit in derinternationalen Lieferkette an den länderspezifischen Schnittstellen bescheinigt,insbesondere im Hinblick auf die Einhaltung strenger Sicherheitsrichtlinien undzollrechtlicher Vorgaben. Dieses Qualitätsmerkmal wirkt sich direkt in einerEffizienzsteigerung beim Kunden aus: Der AEO-Status ermöglicht Vereinfachun-

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gen bei der zollrechtlichen Abwicklung und den Sicherheitsprüfungen. Hierergeben sich durch die schnellere, bevorzugte Abfertigung der Zollbehördendeutliche Zeitvorteile, da weniger Kontrollen erforderlich werden.Auf die Qualitätsanforderungen im Bereich Safety & Security wird in der

Gefahrstofflogistik besonders viel Wert gelegt wird. An Industriestandorten herr-schen deshalb oft rigide Sicherheitsbestimmungen bei Torkontrollen, dem Zutrittzum Unternehmensgelände, dem Warenein- und -ausgang oder der Lagerungsowie dem Transport von Gefahrstoffen. Bei der Lagerung von Gefahrstoffenmüssen vor allem die Qualität der Lager mit besonderen behördlichen Genehmi-gungen, etwa gemäß Bundes-Immisionsschutzgesetz (BImSchG) und die Quali-fikation des Personals gewährleistet sein. Auch für die Lagerung von Waren nachGMP/GSP-Bestimmungen (Good Manufacturing Practice/ Good Storage Practice)bedarf es einer intensiven und kontinuierlichen Schulung der Mitarbeiter. DieSicherheit von Transporten außerhalb der Industriestandorte ist nicht minderwichtig und erfordert routiniertes Personal, das zu jeder Zeit im Detail mit denaktuellen behördlichen Bestimmungen vertraut sein muss. Hier müssen ins-besondere die Fahrzeugsicherheit und die Ladungssicherung gewährleistet sein.Seit dem 11. September 2001 kommt auch dem Schutz und der Vorsorge gegenTerroranschläge eine hohe Bedeutung zu. Die 2001 seitens der USA eingeführteC‑TPAT-Initiative (Customs-Trade Partnership Against Terrorism) berücksichtigtdie Unwägbarkeit terroristischer Anschläge und trägt weiter zur Stabilisierungder Lieferkette bei. Die US-amerikanische Initiative hat ihr Pendant im europä-ischen AEO-Zertifikat. Angesichts der sich dynamisch verändernden Rahmenbe-dingungen sollte sich ein Kunde auf das Wissen und die Kompetenz seinesLogistikers verlassen können.

7.2Geschäftsmodell: Kosten- und Qualitätsvorteile durch integrierte Gefahrstoff logistik

Die Produktionsprozesse in der Chemiebranche werden zusehends stärker unterlogistischen Gesichtspunkten betrachtet. Unter sich international verschärfendenWettbewerbsbedingungen wird aus der effizienten Einbettung der Produktion indie vor- und nachgeschalteten logistischen Abläufe bereits in der täglichen Routineein operativer Vorteil und langfristig ein strategischer Vorteil in der Marktpositio-nierung zum Wettbewerb. Der Druck auf die Kosten forciert Überlegungen,Produktionen zu bündeln und neue Märkte und Anwendungen zu erschließen,um so letztlich auch vermehrt von industriellen Konjunkturzyklen unabhängigerzu werden. Durch eine ausgedehnte und bereits etablierte Infrastruktur kann einintegrierter Gefahrstofflogistiker viele Kosten- und Qualitätsvorteile für Kundenaus anderen Branchen generieren. Dies gilt umso stärker, je intensiver er in dieSupply Chain des Kunden integriert ist.

7.2 Geschäftsmodell: Kosten- und Qualitätsvorteile durch integrierte Gefahrstofflogistik 159

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Der Industriepark Höchst: Ein integrierter Chemie- und Pharmastandort

Der Industriepark Höchst in Frankfurt am Main ist Standort für rund 90Unternehmen aus den Bereichen Pharma, Biotechnologie, Basis- und Speziali-tätenchemie, Pflanzenschutz, Lebensmittelzusatzstoffe und Dienstleistungenwie z. B. Energie- und Facility-Management sowie IT- und Telefonlösungen.Mehr als 22 000 Menschen sind im Industriepark beschäftigt. Das 460 Hektargroße Gelände bietet noch ca. 50 Hektar Platz für Neuansiedlungen. DieUnternehmen im Industriepark investierten im Jahr 2008 insgesamt über 600Mio. € am Standort. Die Summe der Investitionen beträgt seit dem Jahr 2000etwa 3,7 Mill. €. Die Unternehmen des Standortes bilden dabei ein eng koope-rierendes Netzwerk, in dem forschende und produzierende Unternehmen sowieDienstleister gemeinsam Synergieeffekte nutzen können. Dies gilt für die Ver-sorgung mit Gütern und Rohmaterialien und für die Anforderungen an Dienst-leistungen von Serviceanbietern. Ein 800 km langes Netzwerk aus Rohrleitun-gen, verschiedene Anlagen zur Energieerzeugung, eine Kläranlage und eineRückstandsverbrennungsanlage gehören zu der komplexen technischen Infra-struktur des Standortes. Für die chemische und pharmazeutische Industriewichtige Medien und Rohmaterialien, von Prozessdampf bis hin zu Reinst-wasser, können im Industriepark Höchst direkt über die vorhandenen Rohr-leitungssysteme bezogen werden. Der Standort bietet neben der hervorragendenInfrastruktur exzellente Anbindungen an die Autobahnen und das Schienennetzder DB Cargo. Weitere Transportmöglichkeiten bieten der Main als Binnen-wasserstraße und der nahegelegene Frankfurter Flughafen. So können Ziele aufder ganzen Welt in kürzester Zeit erreicht werden. Die Anforderungen einesIndustriestandorts wie dem Industriepark Höchst an die Logistik sind dabeiimmens. ISL bewältigt neben 800 000 internen Aufträgen insgesamt 300 000Versandaufträge im Jahr. Darunter fällt der Umschlag von 1,6 Mio. TonnenFlüssigkeiten, 30 000 Containern und einer Million Paletten. Die Güter werdendabei per Schiff (1500 Binnenschiffe p/a) oder per Schiene (13 000 Bahnwagenim Umlauf p/a) transportiert. Ein weiterer signifikanter Teil des Warenstromswird mit Lkw (180 000 Lkw p/a) befördert. Der seit 2004 in Betrieb genommeneTrimodalport gewährleistet dabei eine optimale Vernetzung der Transportmög-lichkeiten auf den Verkehrswegen Straße, Schiene und Wasserstraße.

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Unmittelbare Nähe zum Frankfurter Flughafen

Zugang zu Binnenwasserstraßenmit eigenem Hafen/Intermodalterminal/

30.000 Container/1.500 Schiffe pro Jahr

Direkte Anbindung an die BAB180.000 LKW pro Jahr

Direkte Anbindung an das Schienennetz der DB-Cargo13.000 Bahnwagen pro

Jahr im Umlauf

7.2.1Produktionslogistik und Distributionslogistik

Die Ver- und Entsorgung von produzierenden Unternehmen aus der Chemie- undPharmaindustrie ist eines der wichtigsten Geschäftsfelder des integrierten Gefahr-stofflogistikers. Die Anforderungen an einen Logistikdienstleister (LDL) in diesemSegment sind vor allem Erfüllungssicherheit, Flexibilität und Reaktionszeit sowiedie Gewährleistung eines koordinierten und aktuellen Datenstroms entlang derSupply Chain. In einem Gelände wie dem Industriepark Höchst beinhaltet dies jenach Anforderung des Kunden die Verfügbarkeit des LDL an 365 Tagen im Jahrund 24 Stunden am Tag, um den enormen Warenumschlag bewältigen zu können,der sich durch die hohen Anforderungen der Produktion und der Unternehmenergibt. Die Handhabung der Warenflüsse setzt hier vor allem eine gut ausgebauteInfrastruktur voraus, die auf die Lagerung von Gefahrstoffen ausgerichtet ist.Große Teile der Infrastruktur des Standorts sind historisch mit den Unternehmengewachsen und oft individuell auf ihre Bedürfnisse abgestimmt. So sind bei ISLvon den insgesamt 180 000 zur Verfügung stehenden Palettenstellplätzen 150 000für Gefahrstoffe geeignet. Die Standortversorgung mit flüssigen Chemikalienfindet vor allem über interne Rohrleitungsnetzwerke statt. Die Gesamtkapazitätdes zentralen Tanklagers beläuft sich auf 60 000 m3. Das Recycling von Pack-mitteln (Fässer, Intermediate Bulk Container (IBC) etc.) ist eine weitere wichtigeDienstleistung unter dem Gesichtspunkt einer nachhaltigen Logistik.Das Geschäftsmodell von ISL beinhaltet auch den Betrieb eines Chemielogistik-

Hubs am Standort Höchst. Die Leistungsschwerpunkte dieses Hubs sind dieEinlagerung, Lagerung und Auslagerung von Gefahrstoffen aller angebundenen

7.2 Geschäftsmodell: Kosten- und Qualitätsvorteile durch integrierte Gefahrstofflogistik 161

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Verkehrsträger, d. h. Schiene, Straße und Wasserstraße. Viele europäische Häfenstoßen an ihre Kapazitätsgrenzen, so dass ihre Leistungsfähigkeit immer stärkervon der Verlagerung von Logistikleistungen ins Hinterland abhängig ist. DieVereinzelung von Warenströmen kann so z. B. vom ARA-Gebiet (Antwerpen,Rotterdam, Amsterdam) nach Frankfurt verlegt werden (Abbildung 7.3). Waren,die sonst ex-ARA über die Autobahnen verbracht würden, können so kosten-günstiger und in großen Frachtvolumina per Schiff transportiert werden. Dies istauch auf dem umgekehrten Weg für Süd–Nord-Warenströme interessant, z. B. fürKunden aus Süd-Osteuropa und dem Alpenraum, die ihre Ware nach Überseetransportieren möchten.Der Umsatz eines Distributionslogistikers ist direkt vom Outsourcing-Grad der

Supply Chain des Kunden abhängig und steht nur indirekt mit dem Produktions-volumen des Auftraggebers in Verbindung. Im Gegensatz zur reinen Distribu-tionslogistik findet im Rahmen der Produktionslogistik immer ein Veredelungs-prozess der importierten Güter zu bestimmten Produkten statt (Abbildung 7.4).Dies bedeutet auch, dass der Umsatz des Produktionslogistikers direkt propor-tional zum Produktionsvolumen des belieferten Unternehmens ist. Unter Nut-zung bestehender Anlagen und Ressourcen kann sich ein Standortlogistikerjedoch auch im Bereich der Distributionslogistik engagieren und eine höhereAuslastung der Kapazitäten erreichen. Ein zusätzlicher Umsatz kann somit durchUnternehmen generiert werden, die nicht am Standort agieren. Ein solchesKonzept schützt vor Konjunkturschwankungen und schafft wesentliche wirtschaft-liche Vorteile für den Kunden. So bietet Infraserv Logistics basierend auf derhistorischen Entwicklung des Unternehmens in Frankfurt-Höchst ideale Voraus-setzungen, um für die Kunden in allen Bereichen entlang der gesamten Wert-schöpfung tätig zu werden. Von der Produktionslogistik kommend, über dieEntwicklung der Qualität zum vollintegrierten Standortlogistiker, wird die Leis-

Europaweite Distribu�on von

Chemikalien ex ARA per LKW

LOG-HUB ISL verkürzt die Nachläufe und senkt die Logis�kkosten

Abb. 7.3 Verkürzung der Nachläufe und Senkung der Logistikkosten durch das Logistik-Hub ISL(Infraserv Logistics).

162 7 Integrierte Gefahrstoff logistik an Chemie- und Pharmastandorten

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tungspalette in Richtung zur reinen Distributionslogistik erweitert. Dies belegt dieFallstudie des Kunden Sika AG aus der Schweiz exemplarisch. Die Vorteile:

• Der Kunde profitiert von dem Know-How eines erfahrenen Standortlogistikersim Gefahrstoffbereich.

• Der Kunde erfährt im Bereich der Distribution von Gefahrgütern eine sehr hoheVersorgungssicherheit.

• Der Kunde nimmt eine etablierte und spezialisierte Infrastruktur in Anspruch,die auf Lagerung und Umschlag von Gefahrstoffen ausgerichtet ist.

• Der Kunde gibt Preisvorteile durch hohe Frachtvolumina direkt weiter und senktselbst seine Kosten.

Die IT bleibt für alle LDL ein wesentlicher Erfolgsfaktor. Dies wird vor allem ausden Anforderungen ersichtlich, die der Kunde an einen Distributionslogistikerstellt (Abbildung 7.4). Die Standardisierung von Prozessen, die Geschwindigkeitdes Warenstroms und eine schnelle Taktung des Datentransfers haben hierübergeordnete Priorität. Dem Kunden muss ermöglicht werden, seine Produk-tionskosten zusammen mit den Logistikkosten in einem sinnvollen Gesamtpaketzu optimieren. Beim Outsourcing von logistischen Prozessen an einen LDLverschafft der Chemiekunde seinen operativen Logistikkosten eine höhere Varia-bilität, indem er die Vorhaltung von Personal und Sachanlagen auf den Logistikerüberträgt und die Vergütung des LDL proportional zur erbrachten Leistung erfolgt.Natürlich spielen die Gesamtkosten eine wichtige Rolle beim Outsourcing, derentscheidende Faktor bei der Vergabe an einen bestimmten LDL ist allerdings dieQualität der erbrachten Dienstleistungen im Gesamtzusammenhang: Erfüllungs-sicherheit, gesetzes- und regelkonforme Abwicklung sowie weitgehende gegen-seitige Integration der Datensysteme zur Sicherstellung eines vollständigen und

Produktionslogistik(Kunden mit Produktion am Standort)

Rohstoffe Produkte

Distributionslogistik(Kunden ohne Produktion am Standort)

Produktionslogistik: Entlang der Kette der Produktionsprozesse eines Unternehmens leistet der Logistiker Unterstützung um die

Prozesse kostenoptimiert zu gestalten.

Fertigwaren Fertigwaren

Distributionslogistik: Durch eine zentralisierte, regional platzierte

Logistikabwicklung gestaltet der Logistiker eine kostenoptimierte Gestaltung der Import-,

Exportaktivitäten.

Abb. 7.4 Integrierte Gefahrstofflogistik an einem Chemie- und Pharmastandort.

7.2 Geschäftsmodell: Kosten- und Qualitätsvorteile durch integrierte Gefahrstofflogistik 163

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zeitnahen Informationsflusses sind als Dienstleistungspaket zu betrachten. Jetransparenter und nachvollziehbarer die einzelnen Prozessschritte sind, destobesser kann der Kunde seine Logistik steuern und flexibel auf Änderungen seinereigenen Marktsituation reagieren. Die vertrauensvolle Abstimmung zwischenKunde und Logistikdienstleister schafft dabei eine ideale Grundlage für ein erfolg-reiches Outsourcing.

7.2.2Safety & Security am Produktionsstandort

Erfüllungssicherheit steht stets im Mittelpunkt der Wertschöpfung und ist einesder Schlüsselattribute der Standortlogistik. Dazu gehört für den Kunden auch eineeffiziente Supply Chain Security. Diese beinhaltet eine exakte Dokumentation dergesamten operativen Abwicklung, von der Gefahreneinstufung und Klassifizie-rung von Stoffen und Zubereitungen bis zur gefahrstoffrechtlichen Erstellung vonSicherheitsdatenblättern in allen EU-Amtssprachen sowie eine Minimierung vonUnfallrisiken und die Absicherung gegen Diebstähle oder Terroranschläge. Hiergilt stets, dass laufende Geschäftsprozesse nicht gefährdet werden dürfen, d. h.Lagerung, Umschlag und Transport müssen ausfallsicher sein.So wird beispielsweise im Industriepark Höchst traditionell viel Wert auf die

Sicherheit gelegt. Der Standort ist komplett eingezäunt und das Betreten ist nurnach entsprechenden Kontrollen möglich. Als Betreibergesellschaft des Industrie-parks gewährleistet Infraserv Höchst die Sicherheit am Standort, was unter ande-rem die Kontrollen an den Toren beinhaltet. Der ein- und ausgehende Schwer-verkehr wird durch Mitarbeiter an der Torabwicklung von Infraserv Logisticsregistriert, erfasst und abgefertigt. Im Falle von Gefahrguttransporten gewähr-leistet ISL eine lückenlose Kontrolle der Fahrzeuge und ihrer Fahrzeugführer aufEinhaltung der gesetzlichen Anforderungen. Hierbei werden die Sicherheit derFahrzeuge und die korrekte Ladungssicherung anhand von definierten Check-listen überprüft, die immer auf dem neuesten Stand gesetzlicher und behördlicherBestimmungen sind. Darüber hinaus erfolgt die Überwachung von Bahnwagenund Bahnkesselwagen innerhalb des Industrieparks Höchst über ein Werkzeug,das die Bewegungen der Bahnwagen erfasst und die Rangierbewegungen steuert.Der Kunde kann dann direkt im Internet den aktuellen Status seiner laufendenAufträge einsehen. Auch interne Werktransporte werden auf ähnliche Weisegesteuert.

7.2.3Operative Standardprozesse und spezialisierte Services

Operative Standardprozesse wie Lagerung, Umschlag und Transport unterliegeneinem ständigen Optimierungsprozess. Infraserv Logistics treibt die Standardisie-rung von Prozessen durch Feedback-Gespräche mit den Kunden, den Mitarbeiternder Kunden und den eigenen Mitarbeitern stetig voran. Dies führt kontinuierlichzu einer Vereinfachung von Prozessen, einer geringeren Fehleranfälligkeit und

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somit auch zur Kostensenkung bei allen Routineprozessen. Die Abwicklung vonBulk-Ware umfasst das Be- und Entladen von Schiffen, Straßentankwagen, Bahn-kesselwagen, Tankcontainern, Fässern, IBC sowie den Musterversand und dieVersorgung der Produktionsbetriebe über ein zentrales Tanklager. Konventionellverpackte Ware wird je nach Bedarf kommissioniert, konfektioniert, etikettiert undauf Lkw, Bahnwagen oder in Container verladen. Kleinmengen- und Muster-abwicklung für den weltweiten Versand gehören bei Infraserv Logistics genausozum Leistungsspektrum wie die fachgerechte Ladungssicherung, die Bestands-führung und die Inventur. Das neue, vollautomatische Hochregallager (NLC) trägthier zur Modernisierung und zur Ergänzung der bestehenden Kapazitäten bei.Gerade bei Standardprozessen kann ein vollautomatisches Hochregallager mitdirekter Anbindung an die ERP-Systeme der Kunden signifikant dazu beitragen,Warenströme intelligent zu steuern, Standardprozesse kostenoptimiert abzuwi-ckeln und über Zentralisierung Kostenvorteile (Umlaufvermögen, Frachtkosten)zu realisieren (vgl. Abschnitt 7.2.1).Spezialisierte Logistikservices werden immer dann relevant, wenn ein Kunde

seine Logistikprozesse nicht standardisiert hat, nicht standardisieren kann odermit modernen Logistikkonzepten auf andere Marktanforderungen oder auf Verän-derungen seiner Produktionsprozesse reagieren will. Auch bei den meisten Pro-duktions- bzw. Logistikkonzepten soll insgesamt eine Reduzierung des Umlauf-vermögens erreicht werden. Logistische Konzepte wie “fill to order”, “label toorder” und “pack to order” gewinnen daher ständig an Bedeutung. Im Tages-geschäft ist eine signifikante Zunahme dieser Logistikkonzepte zu erkennen. EinLogistikdienstleister ist gut beraten, sich mit seiner IT-Infrastruktur und mitseiner Ausrüstung auf diese Modalitäten einzustellen. Eine weitere Rolle spielenprozess- und produktionsspezifische Konzepte. Bei kontinuierlichen Produktions-abläufen ist es sinnvoll, das Bestandsvermögen möglichst gering zu halten. Durchandere Produktionsprozesse ergeben sich aber auch unterschiedliche Anforderun-gen an die Logistik. So kann es z. B. sinnvoll sein, Produktionsprozesse durch dasbedarfsgerechte Abfüllen von Ausgangsmaterialien zu optimieren oder angepassteLagerkonzepte für die Produktion mit Batch-Verfahren zu erstellen. Hier müssenindividuelle, auf den Prozess zugeschnittene Lösungen gefunden werden, diestärker auf standardisierte Routineprozesse setzen als auf individuelle, aber kos-tenintensive Spezialkonzepte.

Das Europa-Zentrallager von Sika in Frankfurt-Höchst

Das Neue Logistik Center (NLC) im Industriepark Höchst ist für die Sika SupplyCenter AG das neue Zentrallager für die Belieferung der europäischen Kunden mitindustriellen Kleb- und Dichtstoffen. Das global tätige Spezialitätenchemie-Unter-nehmen mit Sitz in der Schweiz arbeitet seit Ende 2008 eng mit Infraserv Logisticszusammen, dem im Industriepark Höchst ansässigen Logistikdienstleister.Bislang wurden die Sika-Kunden in ganz Europa von den verschiedenen

Produktionsstandorten des Unternehmens dezentral beliefert. Nun erfolgt derVersand der Produkte vom Industriepark Höchst aus durch Infraserv Logistics.

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„Die Änderung der Prozesse im Logistikbereich führt zu effizienteren Abläufen,die unseren Kunden zugute kommen“, erklärt Ernst Bärtschi, Chief ExecutiveOfficer der Sika AG. „Voraussetzung hierfür war allerdings die Kooperation miteinem Partner, der über das erforderliche Know-How und die Infrastrukturverfügt, um uns in diesem wichtigen Bereich optimal zu unterstützen. Wir sindfroh, mit Infraserv Logistics einen derartigen Partner gefunden zu haben.“Die Sika AG ist führender Hersteller von Prozessmaterialien, die im Bau-

bereich und bei industriellen Anwendungen zum Dichten, Kleben, Dämpfen,Schützen und Verstärken von Tragstrukturen verwendet werden. Als erfahrenerLogistikdienstleister für die Chemie- und Pharmaindustrie bringt Infraserv Lo-gistics die erforderliche Erfahrung im Umgang mit derartigen Materialien mit.Zudem sind die von Infraserv Logistics betriebenen Lagereinrichtungen imIndustriepark Höchst, zu denen seit September 2008 auch das Neue Logistik-center gehört, speziell auf die Lagerung chemischer Produkte ausgerichtet.

Anforderungen an ein zentrales DistributionslagerInfraserv Logistics ist fester Bestandteil der Prozess- und Wertschöpfungsketteder einzelnen Kunden. Dank flexibler, innovativer IT-Lösungen können Waren-bewegungen direkt in den Systemen der Sika verbucht werden, so dass die Sika-Organisation zwischen Auftragseingang und Fakturierung jederzeit einen aktu-ellen Überblick über den Lagerbestand und die Warenbewegungen hat. Spätes-tens eine Stunde nach dem Eingang einer Palette mit Sika-Produkten erfolgt dieentsprechende Rückmeldung an das System des Kunden. Wareneingang und-ausgang, Einlagerung, Feinkommissionierung, Zollangelegenheiten, Bestands-abgleich, Retourenbearbeitung – die Liste der Logistikservices, die InfraservLogistics für Kunden wie die Firma Sika erbringt, ist sehr umfangreich.Vollautomatisierte Prozesse und hohe Umschlagszahlen sind nicht zuletzt aus

Kostengründen wichtig, doch für die Firma Sika kam es auch darauf an, dassgleichzeitig eine bedarfsgerechte Feinkommissionierung gewährleistet ist. Beiden Sika-Prozessen im Hochregallager kommt der Auslagerstrategie eine be-sondere Bedeutung zu. Hier gilt das FEFO-Prinzip (first expire, first out) – dieAuslagerung erfolgt gemäß den von Sika definierten Mindesthaltbarkeitsdatenfür die einzelnen Produkte.Erfahrung und Leistungsfähigkeit der Infraserv Logistics waren für die Verant-

wortlichen von Sika ebenso überzeugend wie die hochmoderne logistischeInfrastruktur im Industriepark Höchst. Dort entstand in den Jahren 2007/2008für rund 44 Mio. € ein vollautomatisiertes Hochregallager, das Neue Logistik-center. Die Warenbewegungen innerhalb des hochmodernen Logistikcenters,das 70 000 Palettenlagerplätze bietet und durch einen hohen Automatisierungs-grad eine maximale Umschlagkapazität ermöglicht, werden über ein Lagerver-waltungssystem mit Schnittstellen zum ERP-System des Kunden gesteuert.

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Entscheidungsrelevante Kriterien für die Wahl des Distributionslagers„Die Flexibilität, mit der Infraserv Logistics unsere zum Teil erheblichen Waren-ströme sowie kleine Lieferungen schnell und effizient bewältigen kann, war einwichtiger Faktor für unsere Entscheidung“, so Vince Antenna, Leiter des Pro-jektes Logistik bei der Sika Supply Center AG. „Weitere Kriterien waren der hoheAutomatisierungsgrad in dem neuen, technisch optimal ausgestatteten Hoch-regallager und die ausgezeichnete Verkehrsanbindung des IndustrieparksHöchst. Außerdem hat das Thema Sicherheit für uns einen sehr hohen Stellen-wert und in dem neuen Hochregallager werden höchste Sicherheitsstandardserfüllt.“Zusammenfassend sind damit vier wesentliche Faktoren zu nennen, die für

den erfolgreichen Betrieb eines zentralen Distributionslager elementar sind undvon dem Logistikdienstleister verlässlich erbracht werden müssen: Flexibilität,Geschwindigkeit, Sicherheits- und Qualitätsstandards, IT-Kompetenz. Darüberhinaus ist eine gute Verkehrsanbindung mit den entsprechenden infrastrukturel-len Einrichtungen unabdingbar.

7.2.4Vernetzte IT-Lösung und Steuerung der Logistikabläufe

Die Vernetzung sowie das Schnittstellenmanagement von internen IT-Prozessenmit Kundensystemen, die für einen reibungslosen Informationsfluss entlang desWarenstroms sorgen, bleiben essentielle Vorrausetzungen, um erfolgreich amLogistikmarkt zu agieren. Wurde früher Informationstechnologie nur unterstüt-zend eingesetzt, ist sie heute ein integraler Bestandteil wettbewerbsfähiger Logis-tikkonzepte. Eigene IT-Expertise und das damit einhergehende Schnittstellenma-nagement sind daher heute für den Logistiker selbstverständlich. Bei InfraservLogistics ist der Prozessmanager, der beide Seiten – Logistik und Informations-technologie – versteht, bereits etabliert. Softwarelösungen müssen dabei modifi-zierbar bleiben, um sie nach Bedarf an den jeweiligen Unternehmenskontext desKunden anzupassen. Um langfristig am Markt zu wachsen und profitabel zubleiben, wurde 2004 ein Reengineering der gesamten IT-Landschaft von ISLvorgenommen und ein neues ERP-System eingeführt. Die Umsetzung erfolgteanhand von zwei Zielstellungen:

• Ablösung verschiedener proprietärer Altsysteme durch ein integriertes, markt-gängiges und standardisiertes Logistic Execution System (LES)

• Übergang von Abteilungsstrukturen zu einer prozessual ausgerichteten Organi-sationsstruktur des Unternehmens.

Mit dem neuen System lassen sich alle Prozesse strukturiert organisieren undabbilden. Auch die Integration des Kunden in die neue IT-Struktur ist gewähr-leistet. Mittels Fahrzeugleitsystem können Spediteure vorab Ladezeiten über das

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Internet buchen und werden dann an den Einfahrtstoren bevorzugt eingelassen.Zusätzlich zu der schnelleren Abfertigung an den Toren kann somit auch eineschnelle Abfertigung an den Ladestellen gewährleistet werden. Somit werdenVerkehrsspitzen abgebaut und eine beschleunigte Abwicklung des externen Güter-verkehrs erreicht. Der interne Werkverkehr wird über ein Transportleitsystemgesteuert. Kunden können direkt über ein Internetportal Fahrten der Werktrans-porte beauftragen. Im Leitrechner werden die Aufträge den einzelnen Fahrzeug-gruppen zugewiesen und gemäß Priorität und kürzester Anfahrtstrecke schließ-lich an einzelne Fahrzeuge vergeben. Auf den Terminals in den Zugmaschinenerhalten die Fahrer direkt die Information über die nächsten Fahrten und meldendiese nach erfolgtem Transport als erledigt zurück. Gleichzeitig werden allelaufenden Leistungen für die Kunden erfasst und in eine zentrale Datenbankeingespielt. Die Abrechnung mit den Kunden ist dadurch höchst transparent undbis ins Detail nachprüfbar.

7.3Fazit und Ausblick

In der sicheren, effizienten und kostengünstigen Steuerung von Warenströmenim Gefahrstoffbereich unter den Kernaspekten Erfüllungssicherheit, Supply ChainSecurity sowie Reaktions- und Umsetzungszeit liegt die große Stärke eines Gefahr-stofflogistikers. Dabei muss der Chemielogistiker einen gesunden Mittelwegzwischen Kostenoptimierungsdruck auf der einen Seite und einem hohen Quali-täts- und Sicherheitsanspruch auf der anderen Seite finden und gehen: Ein sinn-volles Outsourcing von logistischen Prozessen ist für den Kunden nur dannmöglich, wenn die Qualität und die Kosten der vom Logistikdienstleister übernom-menen Prozesse dauerhaft angeboten und kontinuierlich optimiert werden kön-nen.Für produzierende Chemieunternehmen ist das Outsourcing von Logistikdienst-

leistungen nur dann zweckmäßig, wenn sich der Logistikdienstleister (LDL) in dieoperativen und administrativen Prozesse des Kunden eindenkt und einarbeitet,um gemeinsam mit dem Kunden unter Abwägung von Kosten- und Qualitäts-aspekten eine ausgewogene Balance bei der Standardisierung und Spezialisierungseiner Logistikprozesse zu finden. Empfehlenswert ist die Kooperation mit einemDienstleister, der ein eigenes Gefahrstofflager betreibt. Denn der Bau einesLogistikzentrums ist kapitalintensiv und nur ab einer bestimmten Größe sinnvollrealisierbar. Zudem muss das Personal zur Steuerung der Prozesse kontinuierlichqualifiziert werden.Wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, der Dienstleister also über Erfahrung

in der Logistik und eingearbeitetes Personal verfügt, ist Logistik-Outsourcing fürproduzierende Chemie- und Pharmaunternehmen durchaus attraktiv. ScheinbareNachteile wie Abgabe von Supply-Chain-Know-How an den LDL oder Nutzungeines nicht unmittelbar am Produktionsstandort befindlichen Lagers werden insehr vielen Fällen kompensiert. Die Basis der Zusammenarbeit sollte dabei eine

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langfristig angelegte, strategische Partnerschaft bilden, bei der eine kontinuierlicheKommunikation und eine enge Abstimmung zwischen Kunde und Dienstleisterbei allen Projekten gewährleistet ist. Nur so kommen die Vorteile eines integriertagierenden Standortlogistikers in den drei Geschäftsfeldern voll zum Tragen:

1) In der Standortlogistik, d. h. der Versorgung der chemischen und pharmazeu-tischen Industrie mit Rohstoffen und dem Abtransport der veredelten Produktein ein Distributionslager

2) In der Distributionslogistik, d. h. in der Verteilung von chemischen Fertigwarenunter Nutzung interner Ressourcen

3) Im Bereich der Logistikservices, die als standortunabhängige Leistungen ange-boten werden.

Die Herausforderungen für das Management eines sich dem Wettbewerb stel-lenden Logistikdienstleisters liegen dabei auf der Hand: Einerseits muss diehistorisch gewachsene Expertise im Gefahrstoffbereich mit hohen Investitionenin Spezial-Equipment am Standort und die Aus- und Weiterbildung des Personalsunterlegt werden. Andererseits muss gleichzeitig für eine hohe Auslastung derKapazitäten unabhängig von den Konjunkturzyklen der chemischen Industriegesorgt werden. Dieser Spagat ist im Grunde nur zu schaffen, wenn es gelingt,andere Unternehmen aus weniger konjunkturabhängigen Branchen für die Kon-zepte eines integrierten Logistikers zu interessieren und so die einseitige Bran-chenabhängigkeit des Logistikers zu minieren, ohne die in der Chemie notwen-dige Spezialisierung aufs Spiel zu setzen.Innovative IT-Technologien bilden dabei in jedem Fall, unabhängig von den

Anteilen chemienaher und chemieferner Kunden, die Grundlage allen Fortschrittsin der Logistikbranche. Informationstechnologie fungiert bei allen Prozessen alsTüröffner für Effizienz und Kosteneinsparung. Während in den Anfängen IT-Konzepte den Prozess lediglich begleiteten, sind sie für kostenoptimierte undprozessorientierte Logistiklösungen zwingend notwendig. Dies gilt für die Be-standsminimierung und Reduzierung des Umlaufvermögens sowie die Minimie-rung der Transport- und Lagerkosten gleichermaßen. Bei allen Prozessen kommtes ganz besonders auf eine präzise, verlässliche und ausfallsichere Steuerung vonDaten- und Warenflüssen an. IT ist heute – nicht nur in der Chemie – integralerBestandteil der Logistik, um Prozesse nachhaltig zu gestalten. Besonders imBereich des schonenden Umgangs mit Ressourcen kann die Informationstech-nologie eine Schlüsselrolle für nachhaltiges Management in der produzierendenIndustrie einnehmen – neben anderen Aktivitäten wie z. B. nachhaltiger Disponie-rung von Frachten/Warenströmen, energieschonendem Gebäudemanagementoder Etablierung intelligenter (umweltfreundlicher) Verpackungskonzepte. DieVerbesserung der CO2-Bilanz ist ein wesentlicher Teil des Trends zu einerallumfassenden grünen Logistik, “Green Logistics”, mit dem sich der Gefahrstoff-logistiker schon in naher Zukunft gemeinsam mit seinen Kunden maßgeblichvom Wettbewerb absetzen und damit wirtschaftliche Vorteile sichern kann.

7.3 Fazit und Ausblick 169

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Die zukünftige Beurteilung des Leistungsvermögens eines Chemielogistikerswird neben den vorhandenen Kernthemen Kostenmanagement und Qualität derDienstleistung in immer stärkerem Maße von der Umsetzung innovativer, flexib-ler und kundenorientierter Logistikkonzepte abhängen: Auch in der Logistikbran-che ist der Nachhaltigkeitsdreiklang von Ökologie, Ökonomie und sozialer Verant-wortung angekommen und wird in hohem Maße die Wirtschaftlichkeit derBranche und den Wohlstand seiner Kunden mitbestimmen.

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