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Christian Dittrich-Opitz DER WEG DES DIREKTEN ERWACHENS

Christian Dittrich-Opitz DER WEG DES DIREKTEN ERWACHENS · 2018-12-01 · Ribhu Gita 16,3 In meinen Seminaren stelle ich den Teilnehmern oft folgende Frage: Haben Sie sich in Ihrem

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Christian Dittrich-OpitzDER WEG DES DIREKTEN ERWACHENS

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Christian Dittrich-Opitz

DER WEG DESDIREKTEN ERWACHENS

HANS-NIETSCH-VERLAG

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Anmerkung des Verlags

Bei den in diesem Buch enthaltenen Informationen und Übungen han-delt es sich nicht um medizinische Ratschläge. Sie ersetzen keinesfallseine ärztliche oder psychotherapeutische Behandlung.

Neuauflage März 2014

© 1999 by Hans-Nietsch-VerlagAlle Rechte vorbehaltenNachdruck, auch auszugsweise, sowie Verwertung durch Funk, Fern -sehen, photomechanische Wiedergabe, Tonträger jeder Art, elektroni-sche Medien sind nur mit ausdrücklicher Genehmigung des Verlagszulässig.

Lektorat: Martina KloseUmschlaggestaltung: Peter Krafft, Designagentur, Bad KrozingenSatz und Innengestaltung: Hans-Nietsch-VerlagDruck: SOWA Sp. z o.o., Warszawa/Polen

Hans-Nietsch-VerlagAm Himmelreich 779312 Emmendingen

[email protected]

ISBN: 978-3-86264-266-3

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Inhalt

Einführung 7

Kapitel 1 Die vergebliche Suche des Menschen 9

Kapitel 2 Vom Traum zum Trauma – das moderne Weltbild 18

Kapitel 3 Das Potential einer neuen Wissenschaft und Psychologie 47

Kapitel 4 Der Weg des direkten Erwachens 79

Kapitel 5 Von Transzendenz zur Harmonie im alltäglichen Leben 91

Kapitel 6 Freiheit von Selbst-Sabotage 108

Kapitel 7 Das Tao der grundlosen Freude 116

Kapitel 8 Die Umsetzung ins Leben 121

Anhang Weiterführende Seminare 137

Anmerkungen 141

Die 7 Hypothesen 142

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Der einzige Unterschied zwischen den Erleuchteten und

den Unerleuchteten besteht darin,daß die Erleuchteten

keinen Unterschied sehen.

RUSSELL SMITH

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EINFÜHRUNG

Ein Schüler fragte seinen Zen-Meister:„Meister, wie diene ich anderen am besten?“

Der Meister antwortete:„Am besten, du dienst anderen!“

Seit Anbeginn der Geschichte haben Menschen vor existentiel-len Fragen gestanden: Wer sind wir wirklich? Was ist die

Natur des Universums? Wie können Leid, Haß, Selbstsucht undUnrecht überwunden werden?

An der Schwelle des neuen Jahrtausends haben wir die Suchenach Antworten durch Technologie, Komfort, Konsum und ego-zentrische Selbstverwirklichung ausgereizt. Die Errungenschaf-ten unserer technisierten Welt sind nicht schlecht, aber sie rei-chen nicht aus, das tiefe innere Sehnen des Menschen zu stillen.Heutzutage beginnt eine Rückbesinnung auf höhere Werte alsdie der kurzfristigen persönlichen Befriedigung. Dabei werdenjedoch oft ähnliche Mechanismen in die Suche nach den Antwor-ten auf die großen Fragen des Lebens übernommen wie die, diezu unseren individuellen und globalen Problemen geführt haben.Der boomende New-Age-Markt gleicht, wenn man hinter dieOberfläche schaut, der übrigen Gesellschaft in erstaunlichemAusmaß. So gut vieles auch gemeint ist, die New-Age-Bewegunghat der Suche nach Antworten vor allem neue, komplexere Theo-rien, Praktiken und Widersprüche hinzugefügt.

Die gute Nachricht ist, daß das, was wir suchen, unglaublichnahe ist. Wir müssen keine besonderen Voraussetzungen erfüllen,um das zu erfahren, was die Mystiker in glorreichen Worten als„Gott“, „Erleuchtung“, „Tao“ oder das „Absolute“ beschriebenhaben. Wir müssen es uns nicht verdienen, erarbeiten, unserDenken transformieren oder irgend etwas anderes aus unsmachen. Aber es steht uns frei, unsere wahre Natur zu entdecken,

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die alle Göttlichkeit und Vollkommenheit enthält, die wirsuchen. Diese wahre Natur ist unendlich viel mehr als unserePersönlichkeit, und die Erfüllung, die aus ihr in unser Lebenfließt, geht untrennbar mit einem tiefen Erleben von Einheit undMitgefühl mit allem Leben einher.

�Dieses Buch ist eine Einladung, an dieser Entdeckung teilzuneh-men. Lassen Sie sich nicht von der Einfachheit der hier vorge-stellten Ideen täuschen – die großen und bedeutenden Dinge desLebens sind oft so einfach, daß wir sie nicht wahrnehmen. Wennwir beginnen, unsere wahre Natur nicht mehr zu übersehen, er -schließen sich uns die Antworten auf alle existentiellen Fragen.Diese Antworten sind unendlich viel schöner und vollkommenerals alles, was wir uns je vorgestellt haben.

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KAPITEL 1

DIE VERGEBLICHE SUCHEDES MENSCHEN

Warum suchen wir Glück?Was ist Glückseligkeit anderes als dein eigenes Sein?

Du bist nie vom Sein getrennt, das dasselbe wie Glückseligkeit ist.Sei das Selbst, das ist Glückseligkeit.

Ramana Maharshi

Die fundamentale Kraft des menschlichen Lebens ist dieSuche nach wahrer Erfüllung. Sie mag uns nicht immer

bewußt sein, doch sie ist ständig gegenwärtig: die Suche nachdem „gewissen Etwas“, das unserem Leben Glück und Sinnschenken soll. Oftmals glauben wir vielleicht: „Ich will imBeruf vorankommen, eine Beziehung, mehr Anerkennung,etwas Besonderes leisten, anderen einen Dienst erweisen.“Doch all diese Bestrebungen, in unserem Leben bestimmteZiele zu erreichen, verfolgen wir nur, weil wir einen Aspekt vonErfüllung mit ihnen verbinden. Es gibt drei solche Aspekte, dievon Bedeutung sind, nämlich die Befreiung von Leid, das Erle-ben von Freude (die auch gleichzusetzen ist mit Frieden oderLiebe) und das Empfinden von Sinn. Alles mensch liche Strebenläßt sich letzten Endes auf das natürliche Bedürfnis nach einemdieser Aspekte von Erfüllung zurückverfolgen.

Ich benutze hier den Ausdruck „natürliches Bedürfnis“, weilwir offensichtlich gar nicht anders können, als Erfüllung zusuchen. Kein Mensch hofft darauf, mehr Leid zu erfahren, es seidenn, er verspricht sich z.B. aus religiösen Überzeugungen mehrGlück dadurch. Die Suche nach einem grundlegenden Wohlbefin-

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den ist wahrscheinlich die einzige universale Gemeinsamkeit allerMenschen. Unabhängig von der ansonsten unglaublichen Vielfaltmenschlicher Charakterzüge und Verhaltensformen ist derWunsch nach Glück die grundlegende Motivation aller Men-schen. Durch alle Zeitalter hindurch hat dieses fundamentaleStreben den menschlichen Geist dazu getrieben weiterzusuchen.Die großen Errungenschaften aller Kulturen in Kunst, Wissen-schaft, Spiritualität und Gesellschaftsgestaltung, aber auch allemenschlich verursachten Apokalypsen, wie Kriege, Verbrechen,Unterdrückung und Umweltzerstörung, sind die vielfältig schil-lernden Facetten dieser einen großen Suche.

Aber woher kommt eigentlich dieses unermüdliche Strebennach Glück? Warum tritt schon bald nach der Erfüllung einesWunsches das Verlangen nach der Erfüllung weiterer Wünscheauf? Warum können wir uns anscheinend nie völlig mit dem, wasist, zufriedengeben und suchen immer weiter? Oftmals werdenwesentliche Fragen an das Leben nicht gestellt, weil bestimmteEigenarten des Lebens in ihrer Offensichtlichkeit einfach hinge-nommen werden. In diesem Buch wollen wir auch die offensicht-lichsten Dinge, wie die Suche nach Glück, untersuchen. Erstaun -liche Möglichkeiten könnten sich uns dadurch eröffnen. – Alsonoch einmal: Woher kommt unser Streben nach Glück?

Die behavioristische Psychologie oder die alte Schule derNeurophysiologie, die den Menschen als eine rein physiologischfunktionierende Reiz-Reaktions-Maschine ansehen, betrachtenalle menschlichen Verhaltensformen als Derivate des Überlebens-kampfes. Natürlich können wir feststellen, daß die Natur dasÜberleben der Arten dadurch zu sichern versucht, daß die leben-serhaltenden Vorgänge, wie Essen oder Sexualität, als angenehmempfunden werden. Aber stimmt es tatsächlich mit unsererErfahrung überein, daß unser Überleben zu sichern oder einfacheine über die Lebens erhaltung hinausgehende Sinnesbefriedi-gung zu finden das Glück ist, nach dem wir suchen? Was könnteeiner Suche nach einem befriedigenden Sinn im Leben zugrundeliegen, wenn wir reine Reiz-Reaktions-Maschinen wären? Ließesich tatsächlich alles Leben auf Genetik und physiologischeBedürfnisse reduzieren, könnten wir wohl kaum die Veranlagungbesitzen, nach mehr als dem Überleben zu suchen.

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Die Wohlstandsgesellschaften westlicher Länder seit derindustriellen Revolution haben wohl eindeutig bewiesen, daßim Menschen eine tiefere Sehnsucht steckt als nur der Wunschzu über leben. An der Schwelle zum 21. Jahrhundert gibt es mehrMen schen als je zuvor, die – wenn unser Daseinszweck tatsäch-lich nur im Ausleben physiologischer Reiz-Reaktions-Pro-gramme bestünde – völlig zufrieden sein müßten. Doch auchwenn eine gewisse Stufe des Wohlstandes erreicht ist, geht dieSuche nach Erfüllung weiter. Natürlich bevorzugen fast alleMenschen Wohlstand und nicht Armut, aber zu tiefer innererErfüllung führt er nicht. Ganz offensichtlich sind die rein phy-siologischen oder be havioristischen Theorien nicht ausreichend,um die Suche nach Glück befriedigend zu erklären. Es ist sogarfraglich, ob irgendeine Theorie zu dieser Frage jemals befriedi-gend sein kann. Ich bin der Ansicht, daß nur eine Theorie, dieauch einen nachvollzieh baren Weg beinhaltet, auf dem manErfüllung erfahren kann, wirklich von Wert ist.

Genau darum soll es in diesem Buch gehen. An Theorien,seien sie wissenschaftlicher, religiöser, esoterischer oder philoso-phischer Art, die den Sinn des Lebens zu erklären versuchen, hates der Menschheit noch nie gemangelt. Ebenso hat der Versuch,sich über fundamentale Fragen des Lebens keine Gedanken zumachen und einfach zu versuchen, das Leben zu meistern, derMenschheit keine nennenswerten Durchbrüche beschert.

Ich möchte Sie zu einem anderen Ansatz einladen. Er bestehtdarin, die wirklich grundlegenden Phänomene des Lebens, diezumeist einfach hingenommen werden, zu erforschen, um dannbeim Schritt in die Praxis nicht auf ungeprüfte Annahmen ange-wiesen zu sein, die eventuell falsch oder nur teilweise zutreffendsind. In diesem Prozeß verwende ich 7 Hypothesen, die denSinn haben, Sie, geschätzter Leser/geschätzte Leserin, zu einergründ lichen Erforschung anzuregen. Es ist nicht mein Ziel,Ihnen be stimmte Erkenntnisse fix und fertig zum Verzehr vorzu-setzen und Ihnen diese dann mit den üblichen Autorentricks,wie imposanten Quellennachweisen und diversen Stilmitteln,schmackhaft zu machen. Vielmehr lade ich Sie zu einer Art desinteraktiven Lesens ein, bei der Sie sich von der Relevanz derHypothesen selbst überzeugen.

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Diese Hypothesen sind von sehr einfacher Natur. In meinenSeminaren kann ich immer wieder erleben, wie Menschen dazutendieren, einfache Aussagen, die logisch leicht nachvollziehbarsind, als bereits bekannt abzuhaken. Oftmals beginnt dann dieSuche nach komplexeren Philosophien und Methoden zur Arbeitan sich selbst. Aber wie tief haben wir die einfachen Aussagenwirklich verstanden? Wenn wir sie tatsächlich im Sinne desunmittel baren, inneren Erlebens verstanden haben, sind komple-xere Er klärungsmodelle dann noch notwendig?

In spirituell orientierten Kreisen trifft man z.B. oft auf dieAussage: „Alles, was wir suchen, ist schon in uns.“ Jeder glaubtes, und doch verhalten sich die meisten spirituell Suchenden, alswäre das, was sie suchen, überall, nur nicht im eigenen Innern.Ein Großteil des „Esoterik-Supermarktes“ existiert nur wegender Suche nach innerer Erfüllung am falschen Ort.

Also, anstatt die einfachen Dinge rasch zu übergehen und zurTagesordnung der geistigen Gewohnheiten zurückzukehren, wol-len wir in diesem Buch erforschen, wie wahr die einfachen,großen Wahrheiten des Seins tatsächlich sind – jenseits unsererkühnsten Träume.

Und damit kommen wir zur 1. Hypothese:

Menschen suchen nach Erfüllung, weil diese bereits inihnen vorhanden ist.

Woher, wenn nicht aus dem inneren Wissen, daß es unser natür -licher Zustand ist, könnte ein Sehnen nach dauerhafter Freudekommen? Da dieses Sehnen so unauslöschlich und universal ist,muß es eine Quelle im Menschen geben, die den ersehnten Zu -stand bereits kennt. Wir ahnen in unserem tiefsten Innern, daßein Er leben von Freude natürlich ist. Da dieses Ahnen nicht ein-fach ein physiologischer Impuls sein kann und wir nach mehrsuchen als einem emotionalen Hochgefühl, muß die Freude, diewir suchen, transzendentaler Natur sein. Eine körperliche oderemotionale Euphorie oder einfach eine friedliche Gemütslage ver-gehen irgendwann, weil uns das Leben einfach eine Vielfalt an

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körperlichen, gedanklichen und emotionalen Reaktionen abver-langt. In ihrer Suche nach Zufriedenheit versuchen viele Men-schen – auch durch esoterische Praktiken aller Art – solche not-wendigerweise zeitweiligen Zustände dauerhaft zu machen. Dasführt zwangsläufig zu Frustration und kann unmöglich unserinneres Sehnen nach dem „gewissen Etwas“ zufriedenstellen. Waswir eigentlich suchen, ist kein Zustand, der von allen möglichenunkontrollierbaren Faktoren in unserem Leben abhängt, sondernetwas viel Tieferes – und gleichzeitig viel Näheres.

Hat Glück eine Ursache?Ich bin immer endlose Freude.

Diese Welt ist Weisheit – Freude.Ich bin meiner Natur nach erleuchtende Freude.

Der Geist ist immer Freude.Ribhu Gita 16,3

In meinen Seminaren stelle ich den Teilnehmern oft folgendeFrage: Haben Sie sich in Ihrem Leben schon mal etwas sehr ge -

wünscht und sind heute rückblickend froh darüber, daß Sie esnicht bekommen haben? Natürlich ist die Antwort immer: „Ja.“

In dieser simplen Beobachtung steckt mehr als nur die Fest-stellung, daß wir uns während unseres Lebens verändern, neuorientieren und dazulernen. Es ist eine schlichte Tatsache, daßunsere Ansichten darüber, was Glück verursacht, sich nicht ausdem Leben ableiten, sondern daraus, wie wir das Leben inter-pretieren. Solche Ansichten werden bestimmt von unserem kul-turellen Um feld, unserer Erziehung, unserer Einsichtigkeit undVerführbarkeit, Moden, der Werbeindustrie u.v.a. Während alleMenschen nach Glück suchen, sind sie sich bei kaum einemThema so uneins wie bei der Frage, was zu Glück führt.Während in unserer westlichen Kultur ein regelrechter „Jugend-wahn“ betrieben wird, gilt in einigen indianischen Völkern dashohe Alter als die beste Zeit des Lebens. Hierzulande mühensich besonders Frauen damit ab, schlank zu sein, in Kenia hinge-

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gen werden schlanke Frauen geringschätzig als „Moskitos“bezeichnet. Millionen von Menschen halten Impotenz oder Fri-gidität für eine große Einschränkung der Lebensqualität; Mön-che und Nonnen aller religiösen Orden der Welt wären dagegenfroh, nicht mehr von sexuellen Trieben geplagt zu werden.

Es ließen sich noch unzählige weitere Beispiele für dieses Phä-nomen anführen. Auch in unserem eigenen Leben können wirfeststellen, wie schwankend unsere Vorstellungen davon sind, waswohl die Ursache von Glück ist. Nicht selten widersprechen wiruns im Laufe unseres Lebens immer wieder in unseren Ansich-ten. Manches, was wir zu einem bestimmten Zeitpunkt unbe-dingt er leben wollten, wurde irgendwann zur Last. Einige Dinge,die wir früher ablehnten, sind uns später lieb und teuer gewor-den. Ich habe noch keinen Menschen getroffen, der nicht Bei-spiele für dieses Prinzip im eigenen Leben finden könnte.

Unsere Ansichten darüber, was wohl Glück verursacht, stehenalso nicht auf sehr festem Grund, denn jede dieser Ansichtenkönnte sich auch wieder ändern. Wenn Sie nun denken: „Ja, aberdiese oder jene Ansicht ändert sich bestimmt nicht …“, dannschauen Sie einfach einmal hin, wie oft genau das in Ihrem Lebenschon passiert ist. War die erste Person, in die Sie sich Hals überKopf verliebt haben, wirklich die richtige fürs Leben? Haben Sienoch nie Wertvorstellungen, die einmal sehr wichtig erschienen,verändert? Unser Leben lang suchen wir nach den „richtigen“Dingen, die uns Erfüllung schenken sollen. Dabei setzen wir aberimmer, ohne dies zu hinterfragen, voraus, daß es die richtigenLebensumstände, Erlebnisse, Ziele, Personen etc. gibt. Andersausgedrückt, wir setzen voraus, daß die Erfüllung, nach der wiruns eigentlich sehnen, Ursachen hat. Aber woher wissen wir daseigentlich? Wenn Menschen das erreichen, was ihrer (derzeitigen)Meinung nach zu Glück führen sollte, sind sie dann auch immerglücklich? Wohl kaum. Ohne Zweifel erfahren Menschen manch-mal innere Erfüllung, obgleich das Leben nicht unbedingt ihrenWünschen entspricht.

Natürlich erleben wir auch immer wieder Freude, wenn sich einWunsch erfüllt. Aber ist diese Freude tatsächlich vom Objekt unse-res Wunsches verursacht worden? Wie Sie sehen, gebe ich Ihnenin diesem Buch viele Fragen, denn – wie bereits erwähnt – hier

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geht es nicht um ein fertiges „Antwortmenü“. Vielmehr möchteich Sie dazu einladen, sehr offen alle Ansichten über das Leben zuerforschen und auch überraschenden Erkenntnissen gegenüberaufgeschlossen zu sein. Die erste Hypothese besagt, daß Erfül-lung ein Aspekt der wahren Natur des Menschen ist und keineUrsachen hat. Nur weil unser linear-kausal arbeitender Verstandsich nichts ohne Ursache vorstellen kann, heißt das noch langenicht, daß es nichts ohne Ursache gibt. Wenn Erfüllung keineUrsachen hat, ist vielleicht die Suche nach ihr, die damit einher-geht, daß wir ver suchen, das zu erreichen, von dem wir glauben,daß es der Erfüllung zugrunde liegt, genau der Prozeß, mit demwir die Erfahrung, erfüllt und glücklich zu sein, vermeiden.Sollte dies so sein, dann erleben wir im Moment der Wunscher-füllung einfach deshalb eine gewisse Freude, weil wir mal fürkurze Zeit nichts zwischen uns und dieses Erleben projizieren.Jeder Wunsch, der impliziert, daß erst durch seine Erfüllung ech-tes Glück vollständig erlebbar wird, hält uns von der Erfüllungab.

An der Wurzel jeder individuellen und globalen Krise stehtein Mißverständnis darüber, was wir als Ursachen von Glückannehmen. Wenn wir von innen heraus, ohne besonderenGrund, erfüllt wären, gäbe es natürlich Herausforderungen imLeben, aber keine Probleme, die innerlich als Beschränkung derErfüllung erlebt würden. Es gäbe auch keinen Grund mehr, so zuhandeln, daß der Umwelt oder anderen Menschen Schaden zuge-fügt wird, da Glück dem Leben nicht mit Gewalt entrissen wer-den muß, wenn es als ursachenlos und ewig gegenwärtig erlebtwird. Wir wissen ja nur zu gut, daß z.B. die Ursache für Hunger-snöte nicht in einem globalen Nahrungsmangel besteht, sondernim selbstsüchtigen Handeln mancher Menschen. Die Ursachenfür die ökologischen Probleme sind nicht mangelnde technologi-sche Alternativen, sondern Uneinsichtigkeit und Angst vor Ver-änderung, die bei zutiefst er füllten Menschen gar nicht auftretenkönnten. Wäre es tatsächlich möglich, ohne äußere Ursacheglücklich zu sein, würde unsere Fähigkeit, weise und rücksichts-voll zu leben, enorm zunehmen. Fehlt inneres Glück, nützenauch gutgemeinte Gesetze, soziale Veränderungen oder religiöseund moralische Gebote nur sehr wenig.

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Interpretation und Wirklichkeit

Vor einigen Jahren besuchte ich eine junge Frau im Kranken-haus, die erst dreiundzwanzig Jahre alt war und zwei kleine

Kinder zu Hause hatte. Ihr war gerade gesagt worden, daß sieunheilbar an Krebs erkrankt sei. Als ich ihre Hand hielt und nachtröstenden Worten suchte, sagte sie unter Tränen: ,Ich würde allesdafür geben, einfach nach Hause gehen und eine dreckige Windelwechseln zu können.‘ Als ich über ihre Worte und meine eigenenKinder nachdachte, erkannte ich, wie oft mein Mann und ich Win-deln hastig mit einem Pflichtgefühl gewechselt hatten, frustriertüber die scheinbare Unannehmlichkeit in unserem geschäftigenLeben, anstatt diese kostbaren Momente von Liebe wertzuschät-zen.“ 1

Dieses Erlebnis von Rebecca Merrill, einer der bedeutendstenamerikanischen Lehrerinnen für Persönlichkeitsentwicklung,wirft ein interessantes Licht auf unsere Interpretation des Alltags.Wie oft gehen wir an Aufgaben heran mit einer vorgefaßten Mei-nung darüber, ob wir dieses Erlebnis nun mögen oder nichtmögen werden? Wie oft verschließen wir uns der eigentlichenErfahrung des Lebens, indem wir vorwegnehmen, was die Ursa-chen von Glück und Langeweile, Streß etc. sind?

Wenn wir solchen Interpretationen Bedeutung zubilligen,erfahren wir nicht das Leben selbst, sondern eben nur unsere Vor-stellungen vom Leben, die dessen Zauber und Schönheit heraus -filtern. Die Substanz des Lebens ist Freude selbst, ist Liebe undGöttlichkeit. Die Ereignisse des Lebens sind eine immer neueGelegenheit, diese Göttlichkeit zu erfahren. Je weniger wirunsere vorgefaßten Meinungen über Glück festhalten und jemehr wir uns für das öffnen, was ist, offenbart sich uns das Lebenim Glanz seiner Vollkommenheit.

Die 2. Hypothese lautet:

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Die Ursachen, von denen Menschen annehmen, daßsie dem Erleben von Erfüllung zugrunde liegen, sindlediglich ein Produkt ihrer Ansichten – und somit nichtgegebene Realitäten des Lebens.

An dieser Stelle möchte ich Sie gern zu einer kleinen Selbsterfor-schung einladen. Lassen Sie sich einfach einmal auf die Vorstellungein, daß die beiden bisher genannten Hypothesen zutreffen. Neh-men Sie ferner an, Sie könnten aus einem inneren Reichtum anFreude, Vollständigkeit, Selbstwertgefühl und Frieden schöpfen,völlig unabhängig davon, ob andere Sie anerkennen, und unabhän-gig von irgendwelchen anderen Umständen. Sie könnten mitBegeisterung und Intensität am Leben teilhaben, Ziele verfolgenund sich für Ideale einsetzen, ohne innerlich davon abhängig zusein, daß etwas Bestimmtes geschehen oder unbedingt vermiedenwerden muß.

Wie würde sich das auf Ihr Leben auswirken?Nehmen Sie sich, wenn Sie wollen, ruhig Zeit, dieser Frage

gründlich nachzugehen, bevor Sie weiterlesen. An dieser Stellekommen wir zu einer Komponente, die wichtig ist, wenn Sie diehier präsentierten Gedankengänge in unmittelbares Erleben um -setzen wollen. Klares Denken und intuitives Fühlen sind wert-volle Bestandteile der Selbsterforschung. Doch unser inneresSehnen nach dem „gewissen Etwas“ kann nie auf den Ebenen derGefühle und Gedanken landen – sie sind zu begrenzt und von zukurzer Dauer. In uns steckt die Ahnung, daß es etwas Größeres,Schöneres gibt, das jenseits aller Gedanken und Gefühle liegtund somit von ihnen auch nicht erfaßt wird. Auch positives Den-ken und emotionale Höhenflüge sind nur ein schwacher Abglanzdieser transzendenten Existenz.

Wenn Selbsterforschung wirklich unser Innerstes berührensoll, ist es notwendig, eine Offenheit für etwas Unbegreifliches,Unfaßbares zu haben. „Ich weiß, daß ich nichts weiß“ – derberühmte Ausspruch von Sokrates faßt diese Einstellung, die vontiefer Weisheit zeugt, treffend zusammen. Anzuerkennen, daß eseine Wirklichkeit gibt, die nicht objektiv analysiert, aber direkterlebt werden kann, ist unermeßlich wertvoll. Im Zen-Buddhis-mus wurde gerade den erfahrenen Schülern geraten, jeden Tagwie ein Anfänger zu beginnen und sich nicht vom bisherigen

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Wissen begrenzen zu lassen. Also, was wäre, wenn alles, was Siewirklich suchen –, innere Erfüllung, ein vollkommener Sinn imLeben – völlig ohne Ur sachen schon Ihr eigen wäre? Jetzt. WennSie von innerer Erfüllung aus ins Leben gingen und nicht mehrdanach suchen würden, was Sie wohl glücklich macht?

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KAPITEL 2

VOM TRAUM ZUM TRAUMA – DAS MODERNE WELTBILD

Die Vision von René DescartesWie kann Er, der Eine und All-Durchdringende,

der mühelos alles bewegt, was beweglich und unbeweglich ist, in Verschiedenheit aufgeteilt werden?

Für mich ist Er nondual.

Ich bin wahrlich das Höchste, denn ich bin das Absolute, essentieller als jede Essenz, denn ich bin frei von Geburt und Tod,

ruhig und unteilbar.Avadhuta-Gita, II 4,5

Unsere moderne Welt ist von einer multidimensionalen Krisegeprägt. Umweltzerstörung, Hunger, soziale Ungerechtig-

keit, Drogen, Gewalt, Kriege – jeder halbwegs bewußte Menschhat sich über diese Mißstände Gedanken gemacht. Manchmalsind wir aktiv geworden, um einen positiven Beitrag zum Wohlaller zu leisten, manchmal wollten wir einfach einen Schuldigenausmachen, manchmal haben wir einfach resigniert oder wegge-schaut. Betrachten wir die gesellschaftlichen Probleme isoliert,so finden wir keine befriedigende Möglichkeit, sie zu lösen.Aber auch wenn wir uns über ihre Vernetzung klar werden, bleibtdie Frage nach ihrer fundamentalen Ursache.

Im ersten Kapitel wurde die Hypothese aufgestellt, daß alleHandlungen des Menschen von der Suche nach Erfüllung bzw.der Befreiung von Leid motiviert sind. Auch die entarteten,selbstzerstörerischen Verhaltensformen der Menschheit sind aus

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diesem grundlegenden Streben geboren. Das Problem liegt offen-sichtlich darin, daß die Ansichten darüber, wie Erfüllung zu fin-den ist, manchmal sehr von den Tatsachen des Lebens abwei-chen. Wenn wir davon ausgehen, daß die Suche nach Erfüllungdie Grundlage unseres Denkens, Fühlens und Handelns ist, wirdklar, welche überragende Bedeutung unser Weltbild für dieGestaltung des Denkens, Fühlens und Handelns hat.

Die vernetzten globalen Probleme, denen wir heutzutagegegen überstehen, beruhen letzten Endes auf einer Handlungs-weise, die einem bestimmten, lebensfernen Weltbild entspringt.Fritjof Capra, der in seinen Büchern Wendezeit und Das Lebens-netz die Notwendigkeit für ein neues, ganzheitliches Weltbildaufzeigt, nennt es „eine Krise der Wahrnehmung“ 1.

Warum wird, angesichts der so offensichtlichen Probleme, dieunser altes Weltbild uns beschert hat, dieses nicht einfach verän-dert und eine neue, ganzheitliche Sichtweise allgemein angenom-men? Warum hält der Mensch oftmals zum eigenen Nachteil anüberholten Weltbildern fest? So, wie die Suche nach Erfüllung,nach Glück untrennbar mit dem Leben eines jeden Menschen ver-bunden ist und dieses durchdringt, ist auch der Wunsch nacheinem befriedigenden Verständnis vom Leben in jedem Menschenvorhanden. Irgendwo in uns wollen wir, daß alles einen Sinnergibt, mit dem wir leben können. Wir sind bereit, uns an zumTeil aberwitzige Vorstellungen – seien sie religiös, wissenschaftlichdurchdacht oder gefühlsmäßig erahnt – zu klammern, nur um diescheinbare Sicherheit eines scheinbar schlüssigen Weltbildes zuhaben.

Die 3. Hypothese lautet:

In der Suche nach Erfüllung ist auch die Suche nacheinem tieferen Sinn des Lebens enthalten.

Weil uns ein Verständnis vom Leben so wichtig ist, tun wir unsmanchmal schwer, alte Überzeugungen und Weltbilder, von denenwir annehmen, daß sie eine wahrheitsgetreue Aussage über dasLeben darstellen, loszulassen. Dieses Festhalten mag auch dann

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noch ge schehen, wenn viele Hinweise einen Mangel in unseremWeltbild belegen. Solche Hinweise zu ignorieren oder zugunstender bisherigen Überzeugung zu interpretieren ist eine hartnäckigeGewohnheit des menschlichen Geistes. Doch es steht uns jederzeitfrei, diese Verengung des inneren Horizontes loszulassen und unseiner Wahrheit zu öffnen, die größer ist als das Gebäude unsererVorstellungen.

Woher kommt unser modernes Denken?

Wollen wir ein begrenztes Weltbild loslassen, so ist es hilf-reich, dieses erst einmal zu verstehen. Das Bild vom

Leben, von dem hier die Rede ist, welches unserer modernenWelt die geistige und ethische Grundlage gegeben hat, wird alsdas „kartesianische Weltbild“ bezeichnet. Es ist geprägt vomGlauben an eine absolute objektive Wirklichkeit, die wissen-schaftlich erkannt werden kann. Das Leben wird als ein riesigerMechanismus verstanden, der, ähnlich wie ein Uhrwerk, nachexakten Gesetzmäßigkeiten funktioniert. Das kartesianischeDenken hat den Menschen zu der Einstellung geführt, er könnedie Natur beherrschen und müsse sich nicht mehr in sie einfü-gen. Obwohl wir heute so viele Sackgassen und Irrtümer in die-sem Weltbild erkennen können, hat es uns auch einen unschätz-baren Dienst erwiesen. Meiner Meinung nach war es sogar einehistorische Notwendigkeit, hat aber seinen Zweck längst erfülltund verbaut mittlerweile die Sicht für ein konstruktiveres, demLeben mehr entsprechendes Weltbild.

Der Ausdruck „kartesianisch“ bezieht sich auf den berühmtenMathematiker und Philosophen René Descartes (1596–1650),dessen Genius vor über dreihundert Jahren eine völlig neue Artder Wissenschaft entsprang. Dazu bedurfte es jedoch auch derbesonderen Situation, in der sich die abendländische Welt imausgehenden Mittelalter befand. Mehr als tausend Jahre lang wardie geistige Freiheit der Menschen in gewaltigem Ausmaßbeschnitten worden. Das Weltbild, welches von den Bewohnernaller christ lichen Länder als allein wahr angenommen werdenmußte, entsprang vor allem der römisch-katholischen Auslegung

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der Bibel sowie einer diesem Rahmen angepaßten Interpretationder aristotelischen Lehre. Thomas von Aquino, der „Fürst derScholastik“, hatte im 13. Jahrhundert eine Synthese aus derkatholischen Dogmatik und den Lehren von Aristoteles geschaf-fen, die als Vollendung des intellektuellen Gerüsts des gesamtenMittelalters angesehen werden kann. (Thomas von Aquinoerlebte gegen Ende seines Lebens Einsichten spiritueller Art, dieihn zögern ließen, sein schriftliches Werk zu vollenden: „Mir sindderartige Dinge offenbart worden, daß alles, was ich geschriebenhabe, mir nun wie Stroh erscheint“, sagte er.2 Widerspruch gegendieses Weltbild wurde nicht geduldet. Wer es wagte, sich dem„wahren Glauben“ zu widersetzen, machte Bekanntschaft mitder heiligen Inquisition. Wenn Ketzer auf Scheiterhaufen hinge-richtet wurden, war die zuschauende Menge angewiesen worden,die Schreie der Sterbenden durch kirchliche Jubelgesänge zuübertönen.

Auf dem Nährboden dieser geistigen Unterdrückung – derOhnmacht, mit Gewalt zum blinden Glauben an ein ungerechtesWeltbild verurteilt zu sein – wuchs ein Sehnen nach einem besse-ren Verständnis vom Leben. Es ist nicht verwunderlich, daßbesonders die freiheitsliebenden Geister unter den Naturwissen-schaftlern ein Wissen herbeisehnten, welches logisch, beweisbarund frei von der Notwendigkeit des Glaubens sein sollte.

Die Geburtsstunde für eine rationale Wissenschaft war amEnde des Mittelalters gekommen.

Aufbruch in die neue Wissenschaft

Historisch gesehen, begann die kartesianische Wissenschaftbereits 1543, als Nikolaus Kopernikus seine Hypothese

eines heliozentrischen Weltbildes veröffentlichte. Jahrhunderte-lang blieb die Sicht von Ptolemäus unwidersprochen, nach derdie Erde im Mittelpunkt des Universums stand, paßte sie dochzum selbstgerechten Bild des Menschen als Krone der Schöpfungin der kirch lichen Dogmatik. Nun wurde dieser Herrlichkeit einerster Dämpfer versetzt, der bei anderen künftig die Bereitschaftfördern sollte, an grundlegenden Aspekten des kirchlichen Welt-

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bildes zu zweifeln. Allerdings hatte Kopernikus, wohl aus berech-tigter Angst vor der Inquisition, mit der Veröffentlichung seinerheliozentrischen Hypothese, nach der die Erde um die Sonnekreist, bis kurz vor seinem Tod gewartet.

Galileo Galilei, der mit einer außergewöhnlichen Beobach-tungsgabe gesegnet war, griff die heliozentrische Idee auf unduntermauerte sie wissenschaftlich zweifelsfrei. Obwohl er vorallem wegen dieser Errungenschaft und dadurch, daß er deshalbmit der kirch lichen Gerichtsbarkeit zusammenstieß, bekanntwurde, hatte sein Wirken noch einen entscheidenden anderenAspekt. Er war der erste namhafte Wissenschaftler, der die ratio-nale Analyse als einzig zulässiges Mittel zur Wissensfindungbetrachtete. „Die Sprache der Natur“, so Galilei, „ist die Mathe-matik, und ihre Schriftzeichen sind Dreiecke, Kreise und sonstigegeometrische Formen.“

So sollte zum Verständnis des Lebens nur gelten, was mathe-matisch nachvollziehbar ist. Ästhetik, Empfinden, geistige Intui-tion, Werte, die nur mit dem Herzen erkannt werden können,wurden aus der Wissenschaft verbannt.

Zur gleichen Zeit wurde diese neue Prägung der Wissenschaftin England durch Francis Bacon um eine folgenreiche Kompo-nente erweitert, die unsere Welt bis heute nachhaltig prägt. Fran-cis Bacon war ein genialer Analytiker und gleichzeitig General-staatsanwalt des englischen Königs und als solcher an denHexenverfolgungen der damaligen Zeit maßgeblich beteiligt.Leidenschaftlich widersprach er der traditionellen Ethik der Wis-senschaft, welche verlangte, daß man das Leben in Respekt vorder Natur studiere. Nach Bacon sollten Wissenschaftler „dieNatur auf die Folter spannen, bis sie ihre Geheimnisse preisgibt“,man sollte die Natur „sich gefügig und zur Sklavin machen“. Esblieb keinesfalls nur bei der blumenreichen Sprache. Die Wissen-schaft war auf dem Weg, zur ethikfreien Zone zu werden.

Descartes’ Weltmaschine

Auf der Grundlage von Kopernikus, Galilei und Bacon ent-wickelte René Descartes die mathematische und philoso -

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Christian Dittrich-OpitzDer Weg des direkten Erwachens

Christian Dittrich-Opitz ist im Bereich Neues Bewusstsein einer der vielversprechends-ten jungen deutschen Autoren mit einer stetig wachsenden Fan-Gemeinde. Sein Le-bens- und Erfahrungsweg führte ihn von der Erforschung alternativerErnährungsformen und Heilverfahren (z.B. mit Tachyon-Energie) zu einer intensivenAuseinandersetzung mit den herausragenden spirituellen Traditionen der Menschheit.In seinem neuen Buch "Der Weg des direkten Erwachens" zieht er nun sein ganz per-sönliches Resümee.In gewohnt klarer Sprache beschreibt er die jahrtausendealte Suche des Menschennach Glück und Wahrheit und erklärt, warum sich der Traum von der Freiheit oft in einTrauma verwandelt: Der Mensch kann nicht frei und glücklich werden, er kann es nursein, indem er direkt zur unermeßlichen Freiheit des Seins erwacht. Dies ist die Essenzaller großen spirituellen Lehren von Ramana Maharshi bis zu den Meistern des Zen-Buddhismus und des Taoismus.

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HANS-NIETSCH-VERLAGL E S E P R O B E

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