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Chôro - ro deutsch.pdf · PDF fileVilla Lobos derart, dass dieser selbst eine ganze Reihe von Chôros schrieb. So ist auch den meisten Gitarristen der Chôro bekannt geworden:

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Chôro

Die Geschichte des Chôro begann um 1870 in Rio de Janeiro. Damals bildeten sich Instrumentalensembles, die die europäischen Modetänze wie Polka, Walzer und Schottisch in „brasilianischer“ Manier inter-pretierten. Einer der ersten Chôro - Musiker, der Flötist Calado schuf die typische Instrumentierung des Chôro: Flöte, Cavaquinho und Gitarre. Durch die Synkopierung von Begleitharmonien und Melodie entstand der typische Swing dieser Musik.

Für die Entstehung des Namens Chôro gibt es drei Erklärungs-versuche. Am plausibelsten erscheint die Erklärung, das Wort Chôro leite sich von den oft melancholischen Melodielinien und damit von dem Verb „chorar“ = weinen, klagen ab. Die anderen erklären den Namen mit dem „Xolo“, einem Tanz der Schwarzen. Wieder andere behaupten, dass Musikgruppen die Choromeleiros genannt wurden (von charamela = Schalmei = Blasinstrument) sich im Sprachgebrauch zu „Chôro“ verkürzten. Gerade um die Jahrhundertwende war es nämlich üblich, dass Blasmusikgruppen Chôros spielten. Berühmtester Vertreter dieses Stiles war Anacleto de Medeiros.

Ernesto Nazaré ist sicher einer der bekanntesten Chôro-Komponisten dieser Zeit. Als großer Bewunderer Chopins gab sein Klavierstil dem Chôro neue Impulse. Mit neuen Harmonien und einem „klassisch“ anmutenden Klavierstil beeindruckte er sogar Heitor Villa Lobos derart, dass dieser selbst eine ganze Reihe von Chôros schrieb. So ist auch den meisten Gitarristen der Chôro bekannt geworden: in Gestalt der „Suite Populaire Brésilienne“ mit seinen Chôros, die in ihren Namen das europäische Erbe verraten: „Mazurka-Chôro“, „Valsa-Chôro“ oder „Schottisch-Chôro“.

Die andere bekannte Pianistin dieser Epoche, Chiquinha Gonzaga, hatte ihre Chôros mehrfach „Tango Brasileiro“ genannt (genauso wie Nazaré). Musikhistoriker vermuten dahinter die Absicht, die Musik durch die damals bereits anerkannte Stellung des argentinischen Tango für die gehobenen Gesellschaftsschichten aufzuwerten. Den Namen Chiquinha Gonzaga verbindet man heute besonders mit der „Corta Jaca“, die ein anderer Name für den Tanz „Maxixe“ ist. Radamés Gnatalli schrieb eine Corta Jaca für zwei Gitarren als Huldigung an Chiquinha. In seiner Suite Retratos wird diese Ehre auch den anderen Komponisten des Chôro zuteil: Anacleto de Medeiros, Ernesto Nazaré und Pixinguinha.

Pixinguinha ist „der“ Chôro-Komponist und Musiker. Er ist auch heute noch derart populär, dass Musikfestivals nach ihm benannt werden. Im Jahre 1919 gründete der Flötist und Saxofonist die Gruppe „Os Oito Batutas“. Modernere Harmonien, auch vom Jazz beeinflusst, und eine neue Instrumentierung führten die Chôro Musik vom eher klassischen Charakter der Musik Nazarés weg. Pixinguinha führte auch den Gebrauch von Percussioninstrumenten wie Pandeiro (Schellentrommel) und Reco Reco (Schraper) ein. Mit seiner Gruppe unternahm er Europatourneen, so dass der Chôro zum erstenmal auch außerhalb Brasiliens bekannt wurde. Jõao Pernambuco spielte übrigens eine Zeitlang in diesem Ensemble. Er komponierte eine Reihe von sehr schönen Chôros für Gitarre.Mit Aufkommen des Radios und der Schallplatte in den zwanziger Jahren wurden Musikstile wie Foxtrott, Jazz und Samba immer popu-lärer. Der Chôro als reine Instrumentalmusik verlor an Be-deutung. Dennoch gab es in den folgenden Jahrzehnten eine Reihe von wichtigen Chôro-Komponisten.

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Der Konzertpianist Radamés Gnatalli verband moderne Elemente mit der Struktur des Chôro. Für den Gitarristen ist diesbezüglich seine Komposition Brasilianas No. 13 interessant.

Auch der Gitarrist Garoto bereicherte den Chôro. Im Gegensatz zu Gnatalli der den Ansatz der klassischen Musik hatte, verband er Jazz-Harmonien und -Melodik mit dem Chôro. Die Grenzen verwischen sich hier: Garoto nahm in den vierziger Jahren schon vieles vorweg, was mit dem Bossa-Nova Ende der fünfziger Jahre populär wurde. In einem seiner schönsten Stücke „Desvairada“(= der verrückte Walzer) liefert er sich einen Wettstreit in Virtuosität mit einem berühmten Kollegen: Jacob do Bandolim.

Dessen Instrument, das Bandolim (Mandoline), war schon häufiger im Chôro eingesetzt worden. Die unnachahmliche Virtuosität dieses Musikers sicherten dem Bandolim jedoch eine feste Position im Repertoire zu.

Eine ähnliche Stellung hatte Waldir Azevedo mit seinem Cavaquinho. Er schrieb einige wirkliche Hits wie das berühmte „Brasileirinho“. Er spielte unter anderem auch mit dem Altmeister der brasilianischen Gitarre, Dilermando Reis, zusammen. Dieser spielte seine Gitarre mit Stahlsaiten (Violão da seresta), was seinen romantischen Walzern einen eigenen Charme gab.

Einen wichtigen Impuls für die heutige Instrumentierung gab Horondino Silva. Um die für den Chôro typischen Bassläufe auf der Gitarre besser spielen zu können, benutzte er eine 7-saitige Gitarre. Seine Nachfolge hat heutzutage Dino Sete Cordas (Dino der Siebensaitige) angetreten.

Er spielte eine sehr schöne CD im Duo mit Rafael Rabello ein. Ein virtuoses Werk, auf dem einige der bekanntesten Chôros vorgestellt werden. Rafael Rabello ist leider sehr jung, mit 32 Jahren, 1995 gestorben. Sein ungeheueres Talent trug dazu bei, den Chôro in der heutigen Zeit wieder aus der Vergessenheit zu holen.

Auch Gruppen wie Nó em Pingo d’Agua, Galo Preto oder Henrique Cazes mit seinem Ensemble sorgten in den letzten Jahren dafür, dass der Chôro eine lebendige aktuelle Musikkultur bleibt. Henrique Cazes hat übrigens auch eine sehr gute Cavaquinho Schule geschrieben.

Im Moment vibriert die Szene in Rio de Janeiro. Die ganze Altstadt (Lapa) ist durchzogen von Kneipen, in denen man Musik hören kann. Zé Paulo Becker mit seinem Trio Madeira, Hamilton de Holanda (bandolim) und Yamandu Costa sind die Vertreter einer modernen Chôro-Generation, die viele Elemente des Jazz und der Improvisation miteinfließen lassen. Aber auch der traditionelle Chôro wird hochgehalten von Musikern wie Mauricio Carilho und Paulo Aragão (Quarteto Maogani), die wunderschöne Arrangements geschrieben haben.

Die typische Chôro Gruppe von heute spielt in folgender Besetzung:Siebensaitige Gitarre (siebte Saite in C) CavaquinhoUkuleleartiges viersaitiges Instrument, ursprünglich aus Portugal, mit Stahlsaiten gestimmt in D4, G3, H2, D1. Die erste Saite kann auch wie bei der Gitarre in E gestimmt werden.Bandolim

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Mandoline, doppelsaitig, Stahlsaiten gestimmt in G4, D3, A2, E1. Die Zahl bezeichnet die Saite von der tiefen (4) bis zur hohen Saite (1).FlöteSechsaitige GitarrePercussioninstrumente hauptsächlich Pandeiro.

Wichtige Merkmale der Musik:Es werden hauptsächlich Grundakkorde (Grundton, Terz, Quint) verwendet, die in allen Umkehrungen erscheinen. Basslinien oder Durchgangsakkorde verbinden die Hauptharmonien, wie I, IV oder V.Die Improvisation ist ein wichtiges Element, sowohl in der Begleitung als auch in der Melodie, die häufig in Variationen gespielt wird. Es ist dabei weniger eine freie Impro-visation wie im Jazz, sondern ein Umspielen der Melodie, sowie ein ständig neues Erfinden der Bass und Harmonie Begleitung. Üblicherweise ist der Chôro im 2/4 Takt geschrieben. Da aber auch Walzer und Mazurka zum Chôro gehören, stehen die Stücke dementsprechend im 3/4 Takt.

Ein Chôro ist meist in zwei oder drei Teile aufgegliedert:A B A oder A B A C AIm B und C Teil sind Modulationen (Übergänge in eine andere Tonart) üblich.