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This article was downloaded by: [Moskow State Univ Bibliote] On: 06 December 2013, At: 18:33 Publisher: Routledge Informa Ltd Registered in England and Wales Registered Number: 1072954 Registered office: Mortimer House, 37-41 Mortimer Street, London W1T 3JH, UK Symbolae Osloenses: Norwegian Journal of Greek and Latin Studies Publication details, including instructions for authors and subscription information: http://www.tandfonline.com/loi/sosl20 Cicero, de Natura deorum buch II und III eine quellenuntersuchung Robert Philippson Published online: 22 Jul 2008. To cite this article: Robert Philippson (1941) Cicero, de Natura deorum buch II und III eine quellenuntersuchung , Symbolae Osloenses: Norwegian Journal of Greek and Latin Studies, 21:1, 11-38, DOI: 10.1080/00397674108590360 To link to this article: http://dx.doi.org/10.1080/00397674108590360 PLEASE SCROLL DOWN FOR ARTICLE Taylor & Francis makes every effort to ensure the accuracy of all the information (the “Content”) contained in the publications on our platform. However, Taylor & Francis, our agents, and our licensors make no representations or warranties whatsoever as to the accuracy, completeness, or suitability for any purpose of the Content. Any opinions and views expressed in this publication are the opinions and views of the authors, and are not the views of or endorsed by Taylor & Francis. The accuracy of the Content should not be relied upon and should be independently verified with primary sources of information. Taylor and Francis shall not be liable for any losses, actions, claims, proceedings, demands, costs, expenses, damages, and other liabilities whatsoever or howsoever caused arising directly or indirectly in connection with, in relation to or arising out of the use of the Content. This article may be used for research, teaching, and private study purposes. Any substantial or systematic reproduction, redistribution, reselling, loan, sub-licensing, systematic supply, or distribution in any form to anyone is expressly forbidden. Terms & Conditions of access and use can be found at http:// www.tandfonline.com/page/terms-and-conditions

Cicero, de Natura deorum buch II und III eine quellenuntersuchung 1

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Symbolae Osloenses: Norwegian Journal of Greek andLatin StudiesPublication details, including instructions for authors and subscription information:http://www.tandfonline.com/loi/sosl20

Cicero, de Natura deorum buch II und III einequellenuntersuchungRobert PhilippsonPublished online: 22 Jul 2008.

To cite this article: Robert Philippson (1941) Cicero, de Natura deorum buch II und III eine quellenuntersuchung , SymbolaeOsloenses: Norwegian Journal of Greek and Latin Studies, 21:1, 11-38, DOI: 10.1080/00397674108590360

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CICERO,

DE NATURA DEORUM BUCH II UND III

EINE QUELLENUNTERSUCHUNG1

VON

ROBERT PHILIPPSON

I. B u c h I I .

Die Rede, die Cic. im zweiten Buche seines Gesprāches fiber

das Wesen der Getter den Balbus halten lāBt, ist die einzige

zusammenhangende Er6rterung der stoischen Theologie, die uns

aus dem Altertum erhalten ist. Zwar wissen wir von fast alien

bedeutenden Stoikern, daC sie Ober diese Lehre oder Teile von

ihr Werke verfafit haben. Aber sie alle sind verloren. Und die

antiken Handbflcher fiber die Geschichte der griechischen Philoso-

phie, wie die deš Diogenes Laertios, des Aetios, des Areios Didymos,

des Sextus Empirikus und anderer bringen nur vereinzelte und

meist unzusammenhangende Bruchstiicke aus ihnen. Urn so wert-

voller ist, was Cic. hier im Zusammenhange so ausfflhrlich bringt,

falls es Zutrauen verdient. Aber grade das wird von vielen be-

stritten. Besonders hat Usener in seinen Epicurea S. LXV Ciceros

Darstellung aufs schārfste getadelt. Indes trifft sein Tadel doch

mehr deren Gedankenfolge als ihre Zuverlāssigkeit. Dabei muC

man berficksichtigen, daB Cic. diese Theologie hier nicht darstellen,

sondern nach zwei Seiten verteidigen will. Daher bedarf er Beweise,

je mehr, um so besser, mSgen sie sich oft auch ahneln und nicht

zusammenhāngen. Dadurch erledigen sich z. T. Useners Vorwiirfe.

Wichtig ist aber die Frage: Woher hat Cic. den Stoff? Er fuhrt

mit Namen Lehren Zenons, Kleanthes', Chrysipps an. Aber bei

der Kūrze der Zeit, in der er diese Scbrift herstellte, ist kaum

anzunehmen, daB er die zahlreichen und umfangreichen theologischen

1 Zu den Quellen des Buches I vgl. Symb. Osl. Fasc. XIX S. 15 ff undXX S. 21 ff.; zu alien 3 Büchern Paulys Realenz. d. kl. Alt.-W. VII AS. 1151 ff. — Arn. bedeutet: v. Arnim, Stoicorum veterum fragmenta;Diels: Diels, Doxographi Graeci; L.: Diogenes Laertios; Sext.: SextusEmpiricus; C i c : Cicero.

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Werke dieser selbst ausgezogen hat. Und dann, hat er sich auf-·

die Altstoa beschrānkt? Fast alle neusten Behandler unsrer Quellen-

frage sind der Ansicht, daB er Posidons' Περί Φεών benutzt hat.

Es wird zwar in Buch II keine Lehre unter seinem Namen angeffihrt.

Und wenn er am Ende des ersten seine Polemik gegen Epikur

mit einem Zitate aus dem fiinften Buche dieser Schrift beschlieBt,

so ist dieses Zitat zwar, wie ich Symb. XX S. 44 vermutete, aus

der Vorlage von Buch II vorweggenommen. Aber diese braucht

nicht Posidons Schrift selbst zu sein. Jedoch auch in unsrem Buche

erscheinen Stellen, die posidonisches Geprāge tragen sollen. Ganz

so sicher freilich, wie man meint, ist das nicht. Denn was hier

als kennzeichnend fūr Posidon betrachtet wird, scheint mir meist

schon altstoisch. Ein grundsātzlicher Gegensatz zwischen ihm und

den alten Schulhāuptern auf theologischem Gebiete wird wenigstens

von den Verfassern der erhaltenen Handbficher nirgends betont;

im Gegenteil, L. beruft sich ungescheut oft for dieselben Lehren auf

diese und Posidon zugleich, manchmal so, daB dieser selbst die

Alten zustimmend angeffihrt zu haben scheint. Und auch bei Cic.

stehen die. angeblich posidonischen Lehren, wie wir sehen werden,

nicht im Widerspruch zu den ģemeinstoischen. Trotzdem scheinen

auch mir bei Cic. Spuren posidonischen Geistes vorzuliegen. Es

fehlen aber auch nicht solche, die nicht von ihm stammen kOnnen.

Wenn es § 6 heiBt, die GQtter offenbaren sich oft persfinlich, so

lesen wir in Buch I der Divinatio Ciceros, das Posidon zur Haupt-

quelle hat (s. Realenz. d. Alt.-W. VII A S. 1158 f), % 7 9 : Die

GQtter zeigen sich uns nicht selbst. So nimmt denn K. Reinhardt

in seinem Poseidonios S. 215 diesen wenigstens nicht als einzige

Vorlage unsres Buches an.

•Einige Gelehrte wollen aber einen grSBeren Abschnitt auf

Panaitios zuriickfūhren. Sie berufen sich dafiir einmal auf ein

MuBeres Zeugnis, den Brief Ciceros an Att. 13,8 (8.6.45), in dem

dieser den Freund bittet, ihm des Brutus epitomen Caelianorum

(des Geschichtswerkes) und den AbriB des Philoxenos' von Panaitios'

Schrift Περί πρόνοια? zu schicken. Caelius wird wirklich einmal in

unsrem Buche (§ 8) zitiert, ofters in der Divinatio. Die Benutzung

1 Philoxenos wohl der alexandrinische Grammatiker, der nach Suidas II1481, 5 Bernh. auch in Rom und zu Ciceros Zeit geweilt hat.

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der Panaitiosschrift steht ebenfalls sicher fur dieses Werk, in demPanaitios auch namentlich angefiihrt wird; ob Cic. sie in unsremBuche benutzt hat, steht dahin. Im Juni, in dem er sich das Buchausbittet, hat er De nat. d. noch nicht begonnen; mōglich, daBer nach nāherer Kenntnisnahme es fur die Divinatio geeigneterfand. Ob aber sachliche Griinde vorliegen anzunehmen, daB Cic.es auch in unsrem Buche benutzte, ist zu untersuchen.

Die Hauptvorlage war jedoch nach fast allgemeiner Ansicht einHandbuch, das ūber die theologischen Lehren der Stoiker nurberichtete, ohne zu urteilen. Aber auch iiber dieses gehen dieMeinungen auseinander. Usener, dem sich andere anschlieBen,vermutet aaO., daB es aus der akademischen Skepsis stammte, diesolcher Zusammenfassungen dogmatischer Lehren fur die Schulebedurfte, urn sie zu widerlegen. Das ist m8glich, wenn auch nichtfiberliefert. Usener verweist zur Begriindung auf die Widerlegungdes Akademikers in Buch III, wo dieselbe Disposition, wie inBuch II viel logischer durchgefiihrt sei. Mir scheint dagegen dieDisposition der akademischen Vorlage in Buch III eine anderegewesen zu sein als die der Quelle des zweiten und Cic. sie nurnach Mfiglichkeit dieser angeglichen zu haben, ein Verfahren, daswir in Buch I kennen lernten. Es wird daher auch das Buch IIInach diesem Gesichtspunkte zu priifen sein. K. Reinhardt nimmtaaO. S. 215 neben Posidon als Quelle des zweiten Buches eineVorlage an, die das Material zu einer These enthielt und darinder von Usener vermuteten akademischen Dogmensammlung glich,als dritte aber — und das ist neu — eine Quelle jungstoischeneklektischen Charakters. Das, glaube ich, nāhert sich der Wahrheit.Nur sehe ich nicht ein, warum Cic. drei Vorlagen benutzt habensollte. Jener Jungstoiker konnte in seiner Sammlung alles bieten,wofiir Reinhardt drei Quellen beansprucht, auch Posidonisches.Ahnliches sehen wir bei Sextus, Diogenes Laertios, Areios Didymosund Aetios. ,

Dieser Widerstreit der Meinungen kann, wenn es iiberhauptm5glich ist, nur durch eine sorgfāltige Zergliederung der beidenCicerobucher und ihre Vergleichung nach Form und Inhalt mitunsren ubrigen Quellen, namentlich den eben genannten, geschlichtetwerden. Dies will ich versuchen.

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A. E i n l e i t u n g .

In Buch II trāgt Balbus die Go'tterlehre der Stoiker, zu denener sich selbst bekennt, vor. Das einleitende Gesprāch kniipft mitden Worten 'Quae cum Cotta dixisset, turn Velleius . . . inquit'unmittelbar an den SchluB des ersten Buches an, ebenso das dritteBuch mit den Anfangsworten 'Quae cum Balbus dixisset, turnCotta . . . inquif an den SchluB des zweiten. Geschlossen wirdIII 95 'Haec cum essent dicta, discessimus . . .' Das Gesprāchfindet also in der vorliegenden Fassung ununterbrochen an einemTage statt. Bekanntlich gibt es aber Anzeichen daffir, daB die dreiBūcher ursprūnglich auf drei Tage verteilt waren: II 73 'a te . .hesterno die dictum est', III IS 'quae a te nudius tertius dictasunt'. Und dieses 'vorgestern' (nicht 'gestern') zeigt, daB der Aus-druck Plasbergs in seiner Ausgabe unsrer Sch.rift S. IV 'tribusdiebus continuis' ungenau ist. Zwischen dem zweiten und drittenTage hatte noch ein gesprāchsfreier Tag gelegen.. Auch den Grandverrāt uns Cic. noch wider Willen; Velleius sagt nāmlich III 2'spero . . . te ut soles bene paratum venire', und Cotta erwidert'Sic mehercule'; die Widerlegung der Stoiker habe nāmlich einersorgfāltigeren Vorbereitung bedurft als die der Epikureer, derenTheologie kaum ernstlich gemeint sei. Den Grund dieser Anderungerfahren wir nicht Erschien ihm vielleicht eine dreimalige Zusam-menkunft von Statsmānnern zu solchem Zwecke unwahrscheinlich?Wie dem auch sei, der Umstand, daB Cic. diese Spuren nichtgetilgt hat, spricht entweder dafūr, daB er, wie Plasberg meint, dasWerk nicht selbst herausgeben hat, oder, was mir wahscheinlicherist, die Herausgabe unter dem Eindrucke der Ermordung Caesarsohne nochmalige Durchsicht erfolgte. Wir werden Anzeichen einersolchen Eilfertigkeit auch sonst, eine sofort zu erwahnen haben.

Nach einem kurzen Wechselgesprach ohne philosophische Bedeu-tung (II 1—3 l) beginnt Balbus (3 b): 'Ich werde mich mōglichstkurz fassen; denn nachdem (durch Cotta) die Irrtumer Epikūrswiderlegt sind, ist meine Rede von einer langen Erōrterung befreit.'Daraus scheint hervorzugehen, daB die Vorlage mit einer in Ruck-sicht auf Buch I fortgelassenen Epikurkritik begonnen hatte. EinRest davon ist, wie ich Symbol. XX S. 42 zu zeigen suchte, derSchluB der Epikurkritik Cottas I 123 f, in dem auf PosidonsBuch V Περί θεών verwiesen wird. Da Cotta hier der Ansicht

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Posidons zustimmt, Epikur habe in Wahrheit die GStter geleugriet,wahrend er kurz vorher (I 86), seiner dortigen akademischen Quellefolgend, an dessen Aufrichtigkeit nicht zweifelt, durfte ich schlieBen,daB Cic. I 123 diese gehāssige Kritik aus der Vorlage von Buch IIvorausnahm, die wenn nicht Posidons Schrift selbst war, doch diesebenutzt hatte.

Es folgt § 3 b : 'Im allgemeinen teilen die Unsrigen die ganzeUntersuchung iiber die Getter in vier Teile.' Nach Cičeros Zeug-nisse ist also diese Einteilung die der Stoiker selbst. Schon dasspricht gegen Useners Ansicht, der Heinemann Posidons MetaphysikII 166 und 186 zustimmt, daB die Vorlage ein akademisches Hand-buch war. W. Theiler hat in seiner 'Vorbereitung des Neuplatonis-mus' S. 142 gezeigt, daC diese Einteilung sich in der Tat beiStoikern findet, so Senec. ep. 95,50; Epiktet 2, 14, u; Philon Devirt. 215 f. Auffallig ist aber, was nun bei Cic. 3 folgt: 'Wir miissendie beiden ersten Punktē aufnehmen, den dritten und vierten wegenihres Umfanges auf eine andere Zeit verschieben.' Cotta will davonnichts wissen, wie es auch nicht geschieht. Man kōnnte das furein bedeutungsloses Zwischenspiel halten, wenn.nicht etwas anderesstutzig machte. Nachdem nSmlich Balbus den ersten Teil (essedeos) erledigt hat, fahrt er 45 fort: 'Restat, ut qualis eorumnatūra sit, consideremus.' Mit 'Restat' kann nur der letzte Teileingeleitet werden; aber es folgt 73 'proximum est' der dritte und154 der vierte, der mit Recht als letzter wieder mit 'Restat' ein-gefflhrt wird. Hat sich etwa Cic, wie Balbus andeutet, bei demersten Entwurfe, der das Gesprāch 3 Tage dauern HeB, mit denbeiden ersten Teilen begnūgt, so, daB 'Restat' vor Teil 2 berechtigtwar?. Ich darf darauf hinweisen, daB auch Philon De monarch. Ip. 216 (Am. II 1010), wo ūberhaupt eine āhnliche Vorlage, wiebei Cic. benutzt zu sein scheint, zwei Fragen, namlich die erstenbeiden Ciceros, als die obersten hinstellt.

B. T e i l I.

Mit § 4 beginnt der erste Hauptteil, der Beweis fur das Daseinder Getter, und reicht bis § 44. Oberschauen wir ihn als Ganzes,so fāllt auf, daB von 4—12 ein zusammenhāngender Abschnitt vor-liegt, in dem kein Philosoph genannt ist. Es folgen zwei-Abschnitte13—15 und 16—19, die sich als Zitate aus Kleanthes und Chrysipp

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geben und unter sich durch das nichtssagende 'quidem' ver-

bunden werden, dann (20—22), durch eine Art transitio maior

angeknūpft, ein Zitat aus Zenon. Der neue Abschnitt 2 3 — 3 2 ist

wieder zusammenhāngend, von vorn herein durch ein Stichwort

'rationibus physicis' eingefflhrt und zusammengehalten, ohne Angabe

eines Urhebers und durch das SchluBergebnis 'animantem esse

mundum1 sowohl abgeschlossen als auch dem Hauptthema 'esse

deos' angeschlossen. Wieder āndert sich das Geprāge; āhnlich wie

vorher folgen dem zusammenhangenden, namenlosen Abschnitte

Syllogismen, der erste 3 2 b zwar ohne Namen, der zweite (33—36)

durch Sext. 9, 88 als von Kleanthes stammend bezeugt, der dritte

(37—39) auf Chrysipp gestellt. Damit schlieCt der Beweis, daB

die Welt Gott ist.

Kap. 15 beginnt: Auch die Sterne sind Gutter. Das wird vor-

lāufig von Balbus selbst begrfindet. Dann folgen wieder Zitate,

4 0 — 4 1 unter dem Namen Chrysipps, 4 2 — 4 4 z. T. unter dem des

Aristoteles (Περί φιλοσοφίας). Geschlossen wird mit einer Polemik

gegen Epikur.

Wir haben somit eine verstāndliche und verstandige Beweis-

fuhrung fūr die vorliegende These: Die Welt ist Gott und die

Sterne sind Getter, also gibt es Getter. Eigentfimlich ist nur die

Form: Vier namenlose Abschnitte, die unter sich ein Ganzes bilden

kōnnten (4—12, 2 3 — 3 2 , 39 b , 44 b ), dazwischen Zitate aus Zenon,

Kleanthes und Aristoteles. Wir werden sehen, daB dieselbe Form

sich in erhaltenen HandbQchern wiederfindet.

Priifen wir nun, wie sich ihr Inhalt zu dem der Handbūcher

verhālt! Als Beweise fQr das Dasein der Gōtter werden im ersten

zusammenhangenden Abschnitte (4—14) vier gebracht: 1) Die

Betrachtung des Himmels und seiner Erscheinungen, 2) die Be-

stāndigkeit des Getterglaubens, 3) die persCnlichen Erscheinungen

von Gottern, 4) Zukunftsvoraussagen. Auch Sext. 9,60 lāBt die

Verteidiger dieses Glaubens vier Beiweise fflhren. Von diesen

entspricht der erste dem zweiten Ciceros, der zweite dessen erstem;

dagegen sind ihre dritten und vierten verschieden. Doch erscheint

Ciceros vierter (Voraussagen) bei Sext. 132 unter 3 ) : Wenn es

keine Gfitter gibt, gibt es auch keine Mantik, nur daB Cic. positiv

ausdriickt, was jener negativ sagt. Wie Cic. folgert Themistios

(s. Arn. II 1019) unter Berufung auf Chrysipp, daB es Getter gibt,

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daraus, daB sie voraussagen. Man kann also Ciceros BeweiseauBer dem dritten als alt- und gemeinstoisch betrachten. Musternwir sie einzeln!

1) Der Anblick des Himmels und seiner Erscheinungen ūberzeugtuns von dem gōttlichen Weltregiment. Die Begriindung ist rhetorischund stammt wohl von Cic. selbst. In der Vorlage wird sie kurzabgetan sein, vielleicht im Hinblick auf die folgenden Syllogismenin den Zitaten.

2) Hier fāllt auf, daB nicht die Allgemeinheit, sondern dieBestāndigkeit des Gō'tterglaubens zum Beweise dient. Aber Gottabringt in der Kritik III 11 beides unter Berufung auf Balbus:'grave etiam argumentum tibi videbatur, quod opinio de dis . . .et omnium esset et cottidie cresceret.' Er tut also, als ob Balbusbeides angefiihrt habe. Es wird danach in Ciceros Vorlage sogestanden haben, und daB es in den stoischen Handbūchern soStand, zeigt Sext. 61 ώς άπαντες άνθρωποι . . . Έλληνέξ τε καιβάρβαροι1 νομίζουσιν είναι το θεΐον und 62 ή Ss γε των θεώνέννοια καΐ έξ αιώνος και είς αιώνα διαμένει. Der Grund, warutnCic. den ersten Gesichtspunkt, den 'consensus gentium', hier weg-laCt, liegt auf der Hand. Der Epikureer hatte ihn schon in Buch Igebracht und Cotta ihn dort widerlegt. Im iibrigen tut Balbus selbstzum Schlusse dieses Abschnittes (12b) so, als hatte er ihn vor-gebracht: 'Itaque inter omnis omnium gentium summa constat' etc.

Balbus fāhrt nun (5) fort: Im Unterschiede zur Bestāndigkeitdes Gōtterglaubens seien die āberglāubigen Vorstellungen mit derZeit dahingeschwunden; so glaube niemand mehr an die Greuelder Unterwelt. Aučh dies stammt aus den Handbfichern, wie wiederSext. 62 zeigt: Die falschen Vorstellungen dauern auf die Lāngeničht. Und ebd. 66 sehen wir, daB Gegner sich auf den allgemeinenGlauben an die Unterwelt berufen haben. Dies wird dann aus-fiihrlich im Sinne der Stoiker widerlegt, wie von Balbus, aberverkiirzt.

3) Die Getter erscheinen oft selbst (6). Diese. Behauptung be-weist, daB hier und damit in diesem ganzen Teile Posidon nichtQuelle sein ķann. Denn in Buch I der Divinatio, wo sicher PosidonQuelle ist (s. Realenzykl. VII a S. 1158 f), S 79 heiBt es im Gegen-

1 Vgl. den der Stoa nahe stehenden Rhetor Theon Progymn. S. 126,20 πάντες

ανθρωποι, "Ελληνές τε χαί βάρβαροι . . .

2 — Symbol» Osloenses. XXI.

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teil, die Gōtter zeigen sich uns nicht selbst. So ist es zu erklareh;

daB dieser dritte Beweispunkt bei Sextus und sonst nicht erscheint.

Diese Handbiicher und ihre stoischen Quellen stehen schon unter

Posidons EinfluC. Dagegen ist Ciceros Vorlage im wesentlichen

altstoisch. :

Die Punktē 3) und 4) beweist Cic. sachgemāB durch rōmische

Beispiele, wahrscheinlich nach Caelius, dessen Epitome er sich bei

Atticus bestellt hat, den er auch einmal (8) anfūhrt und noch ōfters

in Divin. I zitiert. Die guten Etymologien (7) der Ausdrūcke ostenta,

monstra, portenta, prodigia mag er Vairo verdanken. Die grie-

chischen Beispiele entnahm er wohl der Vorlage; die Sehernamen

(7) kehren in der Divin. I 88 wieder. Den Syllogismus (12): Die

Deuter der Gōttervoraussagen bestehen, also auch die Gōtter, hat

auch Sext. 132 im Auge. Wenn der Punkt 4) schlieBt: Wenn

nicht alle Voraussagen eintreffen, so sind die Ausleger daran schuld;

auch die Medizin bleibt eine Kunst, obgleich sie nicht alle Kranken

heilt, so Obernimmt das Divin. I 24, d. h. Posidon, der er es dann

aber durch seine Erfahrungstheorie erklārt..

Somit erscheint als Quelle dieses zusammenhāngenden Beweises

fur das Dasein der Gōtter ein noch nicht von Posidon beinfluBtes

gemeinstoisches Handbuch. So findet sich auch der SchluB des

Abschnittes (12 b ) : 'Ober die Eigenschaften der Gōtter sind die

Ansichten verschieden; dafi sie sind, leugnet niemand,' ebenfalls

bei Sext. 61: 'Allgemein glaubt man an das Dasein der Gōtter,

ohne denselben Begriff von ihrem Wesen zu haben.'

Mit 13. beginnen die Zitate, die zur Ergānzung des vorigen

geineinstoischen Abschnittes und seiner Beweise fur das Dasein der

Gōtter dienen. Zuerst (13—15) wird des Kleanthes Ansicht fiber

die Entstehung des Gōtterbegriffes mitgeteilt. Man hat den Ein-

schub dieser Stellē unter die Beweise fur die Gotterexistenz als

ungeschickt getadelt. Die Erkenntnis des Ursprungs des Gōtter-

glaubens beweise nichts fur dessen Wahrheit. In der Tat schickt

Sext. 14—28 diese Erōrterung der fiber das Dasein voraus und

kritisiert (29—48) nur ihre geschichtliche Richtigkeit, nicht ihre

Beweiskraft ffir die Gotterexistenz. Aber er selbst nimmt doch

an, daB die Dogmatiker z. T. die Ursachen der Entstehung dieses

GlaUbens als Beweise seiner Wahrheit betrachtet haben. Denn 49

ffigt er hinzu, nicht alles Gedachte bestehe. Auch er setzt also

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bei ihnen die entgegengesetzte Ansicht voraus. Genau so erklārtCotta III 17: 'Nicht das ist die Frage, ob es Leute gibt, die andie Gōtter glauben, sondern ob es Gōtter gibt,' setzt also bei Balbusd. h. den Stoikern ebenfalls das Gegenteil voraus. Entscheidendjedoch scheint mir der AbriB der stoischen Theologie bei AetiosI 6, den Plutarch fālschlich 'Woher die Menschen den Gōtterbegrifferlangten?' ūberschreibt. Er zerfāllt in drei Teile: 1) Die Definitonder Gottheit (1), 2) die Entstehung des Gōtterglaubens (2—9),3) Die Arten der Getter (10—16). Der Beweis fur ihr Daseinfehlt; an seine Stellē tritt offenbar der Nachweis der Griinde, dieden Glauben entstehen lieDen. Diese Griinde sind zugleich Beweisefiir die Wahrheit des Glaubens, und so stimmen sie, wie wirsogleich sehen werden, ζ. Τ. mit den Beweisen Ciceros iiberein.Dieser (oder vielmehr seine Vorlage) folgt daher stoischem Vor-gange, wenn er den Kleanthesabschnitt Ober die Entstehung desGlaubens an die Getter den Beweisen ihres Daseins anfugt. Soverweist er selbst (13) bei dem ersten Grunde des Kleanthes, derZukunftsschau, auf seinen vierten Beweis (7 ff), und der vierteGrund (15) stimmt mit seinem ersten Beweise iiberein.

Der Stoiker des Aetios kundigt wie Kleanthes bei Cicero vierGrunde der Entstehung des Gōtterglaubens an, bringt aber inWirklichkeit nur einen (allerdings viergeteilten), die Schōnheit1 derErscheinungen, die auf einen Kiinstler hinwiese. Dagegen findensich die vier Griinde des Kleanthes sāmtlich bei Sextus IX 14—48,der sich allerdings nicht auf die Stoiker beschrānkt. Man siehtbei ihm, wie Kleanthes seine Griinde z. T. andren, ālteren Denkernentnommen hat, diese aber neben anderen in die Handbiicher iiber-gegangen sind. Ich will dies an den vier des Kleanthes zeigen.1) Praesensio reruni futurarum (13) = Demokrit (Sext. 19) undAristoteles (20). 2) Commoda der Natur (13b) = Prodikos (Sext. 18).3) Schreckenserscheinungen der Natur, wie Blitze, Unwetter usw.(14) = Demokrit (Sext. 24) Donner, Blitze usw. 4) Schonheit undOrdnung der Naturerscheinungen, nicht zufāllig, ein Ordner notig,wie bei einem geordneten Hause (15) = Aristoteles (Sext. 22), ενιοι(wohl Stoiker, vor allem Kleanthes): Ordnung und Schōnheit, nicht

1 Diese Betonung der Schönheit bei dem Stoiker des Aetios verrät den Ein-

fluß des Panaitios, noch mehr die Annahme dreier Arten der Religion,

einer der Physiker, einer der Mythologen und einer der Gesetze (§ 9).

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zufāllig, ein māchtigerer Urheber (Sext. 2 7 ) ; hier kann man auch

den Stoiker des Aetios 1 6 , 2 vergleichen: Schōnheit der Erschei-

nungen, nicht Zufall, Kunst eines Schōpfers. Aber wahrend bei

diesern einzelnes auf Panaitios hindeutete, so bei Sextus § 28 auf

Posidon. Denn hier ist von jfingeren Stoikern die Rede, die den

Ursprung des Getterglaubens auf die ersten, durch Verstand hervor-

ragenden Menschen zurflckfQhrten; das entspricht aber Posidons

Anschauung. Diese Kulturlehre, die sich Cicero schon in De

inventione und De oratore aneignete, erscheint in unsrem Werke

nirgends, obgleich sie II 5 im Munde des Balbus sehr wirksam

gewesen ware, auch ein Zeichen, daC die Vorlage nicht mafigebend

von Posidon beinfluCt war.

Nach der Kleanthstelle bringen § 16—19 Syllogismen Chrysipps.

Sein Name steht zwar nur bei dem ersten. Aber da eine geschlos-

sene Kleanthesstelle vorhergeht und eine solche Zenons (20—22)

folgt, darf man auch 16—19, in denen keiri andrer als Chrysipp

genannt wird, diesem einen Stoiker zuschreiben.1 Cotta nennt ihn

III 25 zum ersten Syllogismus, fflhrt (26) den zweiten mit 'idem-

que' ein und setzt zum dritten (26 b) 'inquit' (d. h. Chrysippus),

nicht 'inquis'. Ober die beiden anderen wird uns Sextus belehren.

Ich will nāmlich in folgenden zeigen, daB auch diese Syllogismen

sich in Handbuchern finden. und schon altstoisch sind.

Der erste (16) besagt: Wenn der Mensch etwas nicht hervor-

bringen kann, ist das, was es hervorbringt, besser als er; nun

kann er die ewige2 Ordnung der Himmelserscheinungen nicht her-

vorbringen; also ist das, was sie hervorbringt, besser als er. Das

kann nur Gott sein. Dieser SchluB findet sich bei Sextus nicht,

wohl aber der folgende, der bei Cic. d. h. bei Chrysipp eng mit

dem ersten verbunderi ist (16 b ) : 'Denn wenn es keine Gōtter gibt,

kann nichts in der Welt besser sein als der Mensch, der durch

seine Vernunft alles andere ūbertrifft. Es ware aber tōricht und

anmafiend, wenn der Mensch sich fur das beste hielte.' Dieser

1 Plasberg setzt in seiner Ausgabe S. 55, 11 vor 'Si enim' das Anfangszeichendes Zitates, setzt aber kein Schlußzeichen; dies muß nach meiner Ansichtam Ende von § 19 nach 'continentur', stehen. Übrigens zeigt das 'enim',daß die Stelle aus einem Zusammenhange, wohl aus Περί θεων entnommen ist.

2 Da Chrysipp die Lehre vom Weltbrand übernahm, hat er wohl αίώνιος imSinne von ααίών = Weltzeit gebraucht.

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SchluB findet sich, eingehender begrundet, bei Sext. IX 88—91,aber dem Kleanthes zugesprochen, was nicht ausschlieBt, daBChrysipp ihn ūbernommen hat. Der dritte lautet: 'Wenn man eingroBes und schōnes Haus sieht, wird man, auch ohne den Herrnzu sehen, nicht glauben, daB es Fur Māuse und Wiesel gebautsei; ebenso wiirde es ganz toricht sein, die Welt bei der Buntheit,GrōBe, Schōnheit der Himmelerscheinungen nicht fur die Wohnungder Gōtter zu halfen'. Wir wissen, daB der Stoiker des Aetios(I 6,2) auch den Getterglauben auf diese drei Eigenschaften derWelt zuriickfiihrte. Der vierte Beweis (17b) schlieBt: Velker, dieGegenden dickerer Luft bewohnen, sind stumpfsinniger; die ganzeErde ist von dickerer Luft umhiillt, die Menschen, ihre Bewohner,also allgemein stumpfer; (die Himmelsluft ist feiner, also ihreBewohner feinsinniger; das miissen Gōtter sein. Cicero hat diesenSchluBsatz weggelassen). Die Ansicht von dem EinfluB der Luftauf den Geist der Menschen ist alt (s. A. St. Pease zu Cic. d.Divinatione S. 234 ff). Aber der SchluB von der grCCten Feinheitder Himmelsluft, des Aethers, auf die hčhere Geistigkeit ihrerBewohner findet sich zueŗst bei Aristoteles Περί φιλοσοφίας (vgl.unten § 42). Von ihm hat es sicher hier Chrysipp.

S 18 bringt zwei SchliiBe, die, wie ausdriicklich gesagt wirdXenophon (Memor. I 4,8) entnommen sind: Die festen Bestandteile,die Feuchtigkeit, die Warme, den Athem haben wir von den vierElementen der Welt, aus ihr miissen wir auch unsren Geist haben.Da die Welt alles hat, kann ihr das Beste der Geist (d. i. Gott)nicht fehlen. Dieselbe Xenophonstelle und zwar wfirtlich zitiertSextus IX 92—4. Er fiigt aber 95 eine induktive Ergānzung hinzu,die kaum anders als stoisch sein kann, § 96 wird dann berichtet,wie einige diesen induktiven SchluB ad absurdum fūhrten. Dadiese wahrscheinliche Karneadesschfiler sind, so mufi der Stoiker,der den XenophonschluB anfuhrte und ergānzte, alter als sie sein,und da dieses Zitat an unsrer Stellē auf Chrysippbeweise folgt,wird es dieser benutzt haben. Bei Sextus wird 97 berichtet, wieVerteidiger des Schlusses die erwahnte akademische Kritik zuwiderlegen versuchten, also etwas jungere Stoiker, vielleicht Diogenesvon Babylon oder Antipater. Aus Sextus 101 sehen wir aber, dafischon Zenon sich. auf die Xenophonstelle berufen hat;. ihm istChrysipp darin gefolgt.

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Am wichtigsten ist der letzte Beweis (19), der aus der Sympathfe·

der Welt auF ein gčttliches sie durchwaltendes Pneuma schliefit.

DaB schon die Altstoa diese Lehre und die damit zusammenhfingende

von der Henosis der Welt auFgestellt hat, nicht erst Posidon, hat

Pohlenz Gōtt. Gel. Anz. S. 216 f gegen Reinhardi gezeigt. Alexander

Aphrod. De mixt. ρ. 216, 14 Br. (II 473 Arn.) bringt ein wortliches

Zitat aus Chrysipp darūber in indirekter Rede: Έστι δέ ή Χρυσίπ-

που δόξα περί κράσεως ήδε· ήνώσθαι μεν υποτίθεται την σΰμπασαν

οΰσίαν, πνεύματος τίνος δια πάσης αυτής διήκοντος, 6φ* οδ . . . συμ-

παθές έστιν αύτβ τό παν, und weiterhin beruFt er sich immer wieder

auf ihn: φησίν S. 154, 12 Am.; λέγει Ζ. 11, 19,22; πειράται Ζ. 2 9 ;

S. 155,38 f 6 Χρύσιππος , . . λέγει. Er schliefit den ganzen Abschnitt

(Z. 39 F): καΐ αυτή . . . ή περί κράσεως δόξα Χρυσίππου τε και

τών κατ' αυτόν φιλοσοφουντων.1 Es ist danach kein Zweifel, daC

schon Chrysipp diese Lehre vertreten hat. Nicht minder beweisend

ist Cic. De Fato 4,7: Sed Posidonium . . . dimittamus, ad Chrysippi

laqueos revertamur, cui quidem primum de ipsa contagione (Sym-

pathie) rerutn respondeamus. Auch mittelbar wird dies bestātigt.

Schon Karneades hat die stoische Sympathielehre berficksichtigt;

sie muB also alter als er sein. Nach Cic. De Fato 3,5 und De

nat. deor. 3,38, De div. 2,32 hat er sie an sich gelten lassen, nur

die Folgerungen, die die Stoiker aus ihr zogen, bekāmpFt. Ich sage

'er'; denn an alien drei Stellen ist Karneades oder einer seiner

Schiiler Ciceros Quelle. Aber wir haben noch weitere unmittelbare

Bestātigungen. Plutarch, De deF. orac. (II 367) sagt: ού γαρ . . .

iv συνίσταται σώμα πολλάκις έκ διεστωτων σωμάτων . . . ώς οίεται

Χρύσιππος. Und nach Philon, De incorrupt, mundi 15 (III 265,20

Arn.) haben Boethos v. Sidon, der Schuler Chrysipps, und Panaitios

auF Grund der Henosislehre die periodische Weltverbrennung ver-

worFen. Endlich hat nach Strabon I 1,9 der Astronom Hipparchos

(160—125 v. Chr.) unter BeruFung auF Seleukos von Babylon (um

150) die όμοιοπάθεια-Lehre bekāmpft, also vor Posidon.

Wir haben gesehen, wie die Beweise, die Cic. 16—19 Fur das

Dasein der Getter bringt und zwar nach meiner Ansicht als solche

1 Von S. 155, 4 an gibt Alexander Beweise (πίστεις) durch die die Anhängerdieser Lehre (of προιστάμενοι τήσδε της δόξης) sie stützen. Sehr möglich,daß er auch das Chrysippzitat einer Schrift dieser jüngeren Stoiker ent-nahm; um so besser ist es bezeugt.

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Cicero, De natūra deorum Buck II und III 23

Chrysipps, z. T. bei Sextus wiederkehren, beide also aus āhnlichenHandbuchern schōpfend. Das gilt nun auch von dem SchluB ausder Sympathie und Einheit der Welt, den Sextus IX 78—84 wieCicero I 19 nur viel ausfūhrlicher erortert. Unter den Beweisendafflr erscheinen bei beiden die Gezeiten, bei Cicero unter Hinweisauf den EinfluB des Mondes. K. Reinhardi, Poseidonios S. 246glaubt nun, daC hier Posidons Ansicht vorliege; denn er sei derEntdecker des Zusammenhanges zwischen dem Monde und denGezeiten. Das ist aber ein Irrtum. Denn nach Aetios HI 17,4ist Pytheas von Massilia ihm in dieser Entdeckung vorausgegangen,so daB schon Chrysipp, ja schon Zenon diese Lehre kennen konnte.Wenn Cic. die Gezeiten auf den Auf- und Untergang des Mondesd. h. auf seinen tāglichen Umlauf zuriickffihrt, so geht diese richtigeBeobachtung nicht erst auf Posidon zuruck. Nāher kann ich hierauf diese Frage nicht eingehen, brauche ich auch nicht. Dennnichts steht im Wege, auch diese Bemerkung auf Chrysipp zuriick-zufiihren.

• Von 20—22 folgen vier Syllogismen Zenons. Sie entsprechen,wie Cic. betont, denen Chrysipps, sind aber kurzer und deshalbmehr dem Tadel offen. Eigentumlich ist ihnen, daB sie alle aufdie Geisttgkeit der Welt schlieBen, also eigentlich unter Teil II(quales di sint) fallen, weshalb Cotta (III 22 f) sie auch hier er-Srtert. Diese Unstimmigkeit fillt aber nicht Cic. zu last, sondernseiner Vorlage; denn diese Beweise kehren bei Sextus auch in demTeile wieder, der vom Dasein der Getter handelt. Mangelhaft istauch, daB Cic. auBer in Nr. 1 nur die Geistigkeit der Welt beweist,aber nicht folgert: Also ist sie Gott, und es gibt Getter.

1) (21) Das Vernunftige ist besser als das Vernunftlose; nichtist besser als die Welt; also (ist sie vernflnftig, dieses Glied fehlt);sie ist also Gott. Derselbe SchluB ist ahnlich, aber in ausfuhrlichererGestalt schon dem Chrysipp zugesprochen. Ebenso bringt ihnSextus 104 als SchluB Zenons; bei ihm fehlt aber der SchluBsatz:'Also ist die Welt vernunftbegabf nicht. Bei Cic. wird dieserMelius-Beweis auf die Weisheit, Seligkeit, Ewigkeit der Welt aus-gedehnt, bei Sextus auf ihre Intelligenz und Beseeltheit.

2) (22) Kein Teil eines unbewuBten (Ganzen) kann tewuBt sein;Teile der Welt sind aber bewuBt; also ist sie bewuBt. Ahnlich, abererweitert, doch ohne Nennung Zenons steht der SchluB bei Sextus 85.

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3) (22b) Nichts Unbeseeltes und Vernunftloses kann Beseeltesund Vernfinftiges erzeugen;' die Welt bringt solches hervor; alsoist sie beseelt und vernfinftig. Sextus 101 bringt denselben SchluBals einen Zenons, der von Xenophon dažu angeregt sei, fiigt aberthemagemāfi im Uņterschiede zu Cic. hinzu, daB damit auch dasDasein eines solchen Wesens bewiesen sei; vgl. auch Sextus 77.1

4) (22b) enthālt zur Ergānzung von vori 3) einen AnalogieschluBvon geringem Werte, der daher bei Sextus fehlt. Sonst finden wirdie Schliisse Zenons, wie Cic. sie bringt, bei Sextus wieder, ζ. Τ.auch unter Zenons Namen.

Vergleichen wir nun die bisherigen vier Abschnitte miteinander,so finden wir, daB die drei mit Namen versehenen trotz ofFenbarenAhnlichkeiten mit dem erstenallgemeinstoischen doch keine mussigenZusātze sind, sondern diesen tind sich gegenseitig ergānzen. Ichwill das hier nicht im einzelnen zeigen. DaB die Stoiker denDefinitionen, Lehren, Beweisen Zenons immer neue' Fassungengaben, ist bekannt (die anderen Schulen verfuhren entsprechend).Die Vorlage Ciceros verfuhr nun so, daB sie einem allgemein-stoischen Abschnitte zusammenhāngende Zitate aus Werken deralten Schulhāupter ergānzend zufflgte.

Dasselbe Verfahren finden wir bei Sextus, der auch im einzelnenviel mit Cicero gemein hat. Trotzdem unterschied sich seineVorlage zwiefach von der dieses. Erstens berichtete und bekāmpftesie, wohl nach dem Vorgange des Karneades, nicht die dogmatischenSchulen einzeln, sondern faBte ihre Dogmen zusammen, um siedann nach bestimmten Gesichtspunkten zu kritisieren; das lSBtsich in alien Teilen des Sextuswerkes und auch in den AcademicaCiceros beobachten. Zweitens hat die akademische Vorlage desSextus eine stoische Quelle benutzt, die zwar auf einer āhnlichenGrundlage wie die Ciceros beruhte, sie aber durch eine Verteidigungder gemeinstoischen Lehren seitens jūngerer Stoiker gegen dieakademische Kritik ergānzte.

Mit 23 beginnt zum zweiten Male ein zusammenhāngenderAbschnitt, der als ganzes nicht einem bestimmten Stoiker zu-gewiesen, also als gemeinstoisch hingestellt wird. Er reicht bis 28.

1 Ich mache darauf aufmerksam, daß W. Wundt ähnlich schließt: Die Tatsache,daß Bewußtes aus Unbewußtem hervorgeht nötigt zu der Annahme, daßauch das scheinbar Unbewußte ein Analogon von Bewußtheit besitzt.

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In ihm soil dieselbe Lehre wie vorher, daB die Welt beseelt undGott sej, aber durch physikalische Griinde bestātigt werden. Alles,was ernāhrt wird und wachst, heiBt es, schlieBt Warmekraft in sich,durch die es ernāhrt wird und wachst. Das wird durch einenSyllogismus bewiesen: Alles Warme und Feurige wird durch eigenenAntrieb bewegt; alles aber, was genāhrt wird und wachst, hat einebestimmte und gleichmSBige (eigene) Bewegung; (also wird esdurch Warme bewegt; dieser SchluBsatz fehlt). Ohne die Warmesterben wir. (24) Dies, eine wie groBe Warmekraft in jedemKSrper sei, lehrt Kleanthes auch (etiam) durch folgende Beweis-grfinde. Dies 'auch' weist auf den Syllogismus in 23 hin, der alsoalter sein, von Zenon stammen wird. DaB die Lehre selbst schonvon diesen herrtihrt, lfiBt sich daraus schlieBen, daB Kleanthes neueBeweise fur sie aufstellt. Es folgen nun diese, die durch 'negat'Cic. ausdriicklich noch einmal Kleanthes zuspricht: 1) Jede nochso schwere Speise wird in 24 Stunden verdaut. 2) Auch dieExkremente sind warm. 3) Die Venen und Arterien pulsierenunaufh6rlich gleichsam infolge eines feurigen Antriebes. 4) Ofthat man beobachtet, daB,, ein herausgenommenes Herz wie mitfeuriger Schnelligkeit schlug. Alle Pflanzen und Tiere leben alsoinfolge der eingeschlossenen Warme. Daraus muB man schlieBen,daB diese Warmenatur eine Lebenskraft (vis vitalis) in sich habe,die sich durch die ganze Welt erstreckt. Bis hierher reichen dieeingeschobenen BegrQndungen des Kleanthes. Nun (25) wird diegemeinstoische Lehre wiederaufgenommen.

Da bisher der Beweis nur fur die Organismen gefuhrt war, wirder nun auf die vier Elemente ausgedehnt. 1) Die Erde: a. GeriebeneSteine geben Funken. b. Frisch aufgegrabene Erde raucht. c. Ausbestāndigen Brunnen wird warmes Wasser geschōpft, besonders imWinter; das wird aus der Beschaffenheit der Erde erklārt. d. Eskōnnten viele Grflnde dafflr angefuhrt werden (die Vorlage brachtesie wohl, Cicero lieB sie fort), daB aller in der Erde geborgene oderentstandene Samen, durch Warme sich hebt und wachst. 2) Wasser:Auch ihm ist Wārm& beigemischt. a. Das Schmelzen geschiehtdurch Eindringen von Warme, das Gefrieren durch Entweichen.b. Vom Sturm gepeitschtes Meer wird erwarmt, also schlieBt esWarme ein. 3) (27) Die an sich kalte Luft enthālt Warme; diesestammt von den Wasserdampfen. 4) Der vierte Teil der Welt ist

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26 Robert Philippson

ganz feurig und liefert den Ubrigen Teilen die Lebenswarme (caīor

vitalis). Also (28, SchluB des Abschnittes), da aile Teile der Welt

durch Warme erhalten werden, wird die ganze Welt durch sie in

so groBer Dauer (diuturnitate, nicht aeternitate) erhalten. Auf der

Warme beruht die Zeugungskraft der Welt.

Halten wir hier einen Augenblick inne! Das Bisherige besagt

kurz: Warme (Feuer) halt die Welt zusammen; sie erzeugt als

. 'vis (calor) vitalis' alle Bewegung, alles Werden und Wachsen;

ohne sie erstirbt das Leben. 1st diese Lehre, die geschlossen den

ganzen Abschnitt (23—28) beherrscht, altstoisch? Fur 23/4 ist aus-

drucklich Kleanthes als Gewahrsmann genannt; iiberdies wird 40/1

wieder ihm die Lehre vom 'ignis corporeus vitalis' zugesprochen.

Kleanthes will aber 24, wie wir sahen, fūr eine Lehre seiner Schule

neue Beweise geben; also muB sie schon sein Lehrer aufgestellt'

haben. Und sie wird fur Zenon bezeugt. Nach § 57 hat dieser

die Natur. definiert als ignis arteficiosus ad gignendum progrediens

via. Er erklSrt, 'creare et gignere' sei Sache der Kunst. Aber

auch die Bezeichnung 'vis vitalis' ist fur Zenon uberliefert. Chal-

cidius in Tim. c. 292 (I 25,8 ff Am.) berichtet, Zenon habe unter

der Substanz eine anima vivificans (πνεύμα ζωτικόν) verstanden.

Nach Philon von Alexandria Περί άφ-9·. κόσμ. c. 33 f bekāmpfte

Theophrast schon eine Ansicht, nach der sich in der ίξ,ις der Steine

ein πνευματικός τόνος (Ι 30,35 Am.) offenbare (s. Chalcidius S. 25,17

spiritus ac vigor) und das Leben der Tiere auf dem ζωτικόν αίμα

(S. 31, 12 und 16) beruhe. DaB diese Philonschrift echt ist, hat

Cumont, daB die bekSmpfte Lehre stoisch ist, Zeller bewiesen.

Theophrast kann aber keine jtingeren Stoiker als Zenon und seine

unmittelbaren Schiiler kritisiert haben. Zeitlich steht dem nichts

entgegen.

Und woher die Stoa den Begriff der Lebenskraft nahm, lāBt sich

noch jetzt ermitteln. Galen in De plačit. Hipp, et Plat, bezeugt

S. 145,7 M., daB Chrysipp sich auf den bedeutenden Arzt Praxa-

goras (4 t e s Jahrh.) berufen habe, der die Arterien mit Pneuma,

die Venen mit Blut gefūllt sein lieB (s. Susemihl, Alex. Litter. I

864, 147). Ihm folgte sein Schuler, der groBe Arzt und Anatom

Erasistratos, und er unterschied ein ζωτικόν und ein ψυχικόν πνεύμα.

Wahrend er aber die linke Herzkammer von jenem erfiillt sein

lieB, fullte Chrysipp, der sich wohl so mit Erasistratos auseinander-

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Cicero, De natūra deorum Buch II und III 27

setzte, sie mit diesem (Galen ebd. 141,5). Vermutlich haben "sichZenon und Kleanthes mit der Annahme eines ζωτίκον πνεϋμα engeran die Arzte angeschlossen. Die Abweichung Chrysipps ist abernur scheinbar, da die Wfirme schon nach jenen ālteren StoikernTrāger nicht nur des Lebens, sondern auch der Seele ist. Unddas war auch die Ansicht der beiden Arzte (Galen 7,614 und 15,14 K.).Aber auch von Aristoteles kann die Altstoa zu dieser Lehre an-geregt sein. In Περί ζώων γενέσ. Β. 3 S. 736 b 33 ff unterscheidet,er, wie wir es bei der Altstoa sogleich finden werden, das ·&ερμόνdes Samens ( = der Sternsubstanz) von dem irdischen Feuer, dasnichts erzeugt, und bezeichnet diese erzeugende Warme als ζωτικήαρχή. Der Vorgang besonders der Arzte erklārt es, warum Klean-thes seine Beweise fur die Lebenswarme physiologisch-medizinischenTatsachen, Verdauung, Herz- und Pulsschlag entnahm.

DaB der erste Teil unsres Abschnittes (23 f) mit seinen Beweisenffir die Warme als Lebenskraft altstoisch ist, wird durch das Kleanth-zitat gesichert. Dagegen k6nnen die folgenden Paragraphen 25—28,die diese Lebenskraft in alien Elementen nachweisen, z. T. auchvon einem spāteren Stoiker stammen. Die Beispiele fiberschreitenallerdings den Wissenkreis der altstoischen Zeit nicht, und keinsist fūr Posidon besonders bezeugt. DaB er aber den Begriff derlebenerzeugenden Warme sich angeeignet und die Lehre mit denKennthissen seiner Zeit und mit den reichen Ergebnissen seinereignen Beobachtungen bereichert hat, ist selbstverstāndlich. Ichglaube daher, daB Ciceros Vorlage in der Hauptsache Altstoischesvortrāgt, dies aber durch Posidonisches ergānzt. Das wird sichjedoch erst durch spātere Stellen wahrscheinlich machen lassen.

Sextus hilft uns hier nicht. In seinen Biichem gegen die Physikererwahnt er Posidon nirgends, aber auch die Lebenswarme nicht.In I 75 f spricht er allerdings von einer Kraft (8ύναμις) die dieSubstanz durchdringt und sich wie alles selbst bewegt, wie dieSeele uns. Das ist einerseits stoisch; aber als Warme wird sienicht bezeichet und erinnert auch an Platon. Wir wissen ja, daBSextus die āhnlichen Lehren m6glichst zusammenfaBt.

Mit S 29 āndert sich die Weise. An Stellē der physikalischenGriinde treten wieder Syllogismen, die furs erste keinen Autor-namen tragen. 29/30. Es war bewiesen, daB Feuer die das All durch-waltende Natur ist. Es soil nun dargetan werden, daB diese 'Natur'

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28 Robert Philippson '

BewuBtsein und Vernunft besitzt. Der Beweis lautet kurz zusammeri-

gezogen: Jede zusammengesetzte Natur besitzt einen leitenden Teil

(Hegemonikon); dies ist ihr Bestes- Da nun die Welt das Beste

aller Dinge ist, muB sie ihr Hegemonikon sein. Und da ferner

Teile der Welt BewuBtsein und Vernunft als ihr Bestes besitzen,

muB auch die Welt beides haben, und als das Beste aller Dinge

beide Eigenschaften im haheren MaBe. Die Welt ragt daher durch

ihre Vernunft fiber alles hervor, ist somit Gott.

Derselbe Beweis findet sičh kūrzer und schārfer bei Sextus 119 f.

Aber beide unterscheiden sich auch sonst in kennzeichnender Weise.

Cicero bezeichnet als ffihrenden Teil des Menschen den Verstand,

der Tiere etwas Verstandāhnliches, ohne dessen Sitz anzugeben,

wahrend er bei den Pflanzen nur diesen, die Wurzel, nennt. Da-

gegen bezeichnet Sextus nur den Sitz des ffihrenden Teiles, beim

Menschen entweder das Herz (so Aristoteles und die Stoa) oder

das Gehirn (Platon) oder einen andren Kfirperteil, bei den Pflanzen

die Wurzel (Aristoteles), bei anderen das Laub, bei andern das

Mark. Er faCt also hier wieder Ansichten verschiedener Philosophen

zusammen. Immerhin in der allgemeinen Fassung, die wir als

zenonisch kennen (s. Cic. 22, Sextus 85), stimmt er mit QXt. fiber-

ein; seine Quelle hat also fur den Hauptgedanken ein ahnliches

stoisches Handbuch benutzt wie die Ciceros.

Der nāchste Abschnitt (30 b —32) beweist ebenfalls die Beseeltheit

der Welt wie der vorige, knflpft aber nicht an den Begriff der

Natur, sondern an den des Feuers an. Das der Welt ist reiner

usw. als das unsere. Wenn also Menschen und Tiere durch dieses

beseelt werden, so die Welt durch das ihre noch mehr. AuBerdem

kann das Weltfeuer nur durch sich bewegt werden. Denn nichts

kann starker als die Welt sein. So unterscheide auch Platon (im

Phaidros und den Gesetzen) zwei Arten der Bewegung und erklāre,

daB nur Seelen eigene haben. Der Beweis bei Cic. schlieBt: Also

muB die Welt beseelt sein.

Die Unterscheidung der beiden Feuerarten wird § 40 f als

Kleanthisch bezeugt. Die der beiden Arten der Bewegung sowie

die Lehre, daB die Himmelsbewegung aus ihm selbst stamme wie

die der Seele, woraus die Beseeltheit der Welt und ihre Gettlichkeit

folge, findet sich auch bei Sextus 75 f. Wieder zeigt sich darin

die Verwandschaft beider Quellen. Die Berufung Ciceros auf Platon

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Cicero, De natūra deorum Buck II und III 29

(32), wie friiher die auf Xenophon, die durch Sextus (101)~alszenonisch bezeugt ist, und die spātere (42) auf Aristoteles bezeugen,daB schon die Altstoa an die Sokrātiker angekniipft hat.

Der Beweis 32b, daB die Welt weise sein miisse, veil der Mensch,ein Teil von ihr, der Weisheit fāhig sei, gleicht dem Zenons 21 f,hat aber einen Zusatz; er weist auf die Analogie unsres Kōrpershin, von dem jeder Teil wertloser sei als wir selbst. Die Wieder-holung ist auch hier nicht miifiig.

SS 33—36 ein neuer SchluB. In alien Dingen gibt es ein Bestes;das Beste von allem .muB ein von Natur weises Wesen sein. DieWelt ist nun das Beste von allem, also muB sie ein von Naturweises Wesen, Gott sein. Dies wird zuerst (33) grundlegend durchden stufenweisen Aufstieg der Organismen bewiesen: 1) niedersteStufe die nur durch die Natur beherrschten Pflanzen, 2) die mitSinnen, Bewegung, Trieb, also Seele begabten Tiere, 3) der mitVernunft ausgestattete Mensch, der der Weisheit wenigstens fāhigist, 4) die ho'chsten, die von Natur und Anbeginn guten und weisenWesen, die fiber den Menschen stehen und den G8ttern sowie derWelt gleichzusetzen sind./

Hilfsbeweise: 1) (35) In jeder Gattung der Organismen undKunste gibt es ein Hčchstes, Vollkommenes. Noch niehr muB dasin der Natur der Fall sein. 2) Den einzelnen Gattungen ziehtdie Natur Schranken; das ist bei der Gesamtnatur ausgeschlossen.Daher muB sie den hQchsten Grad erreichen, und dieser intelligentund weise sein. 3) • Dieser kann nicht in Pflanzen und Tieren,auch nicht im Menschen gefunden werden; er kann nur weise, dieWelt mufi es von Anbeginn sein. Denn wenn sie in der langenvergangenen Weltzeit ('aeternus' auch hier = αΙώνιος) unweise blieb,konnte sie nie weise werden und ware schlechter als der Mensch.

Denselben Beweis hat nach Sextus 88—91 Kleanthes geffihrt,aber wieder erscheint er hier geschlossener und in einzelnen kleinenZiigen anders zum Zeichen, daB seine Vorlage mit der Cicerosnicht ganz zusammenfiel. Ich hebe nur hervor, daB der geringereWert des Menschen bei Sextus 90 ausfiihrlich dargelegt wird.

37—39 Beweise Chrysipps fur die Mangellosigkeit und absoluteVollkommenheit der Welt. Da sie den vorigen āhnlich sind (Schltissea minore ad maius) gehe ich nicht nāher auf sie ein. -Die ebenzitierte Sextiisstelle gibt Parallelen zu ihnen, besonders in dem

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30 Robert Philippson

Schlusse von den unvollkommenen Tugenden der Menschen auf

die vollkommenen Gottes. Wir haben hier wieder ein ergānzendes,

mit Namen angefiihrtes Zitat.

Wahrend bis hierher der Beweis, daB es Gōtter gibt, auf den

Nachweis gestellt war, daB die Welt Gott ist, wird in Kap. 15 f

dargetan, daD die Sterne Gfitter sind. (39) Sie befinden sich in dem

reinsten und beweglichsten Teile des Athers, sind ohne Beimischung

eines andren Stoffes, ganz Warme und Leuchtkraft, sodaB man ihnen

(wie der Welt) mit vollem Rechte Seele, Sinneswahraehmung, Vernunft

beilegt. Dies wird als gemeinstoisch berichtet; die folgende Begriin-

dung der feurigen Natur der Sonne erscheint als Zitat aus Kleanthes.

Er beruft sich auf den Tastsinn und das Gesicht. Ihr Glanz ist

heller als der irgend eines andren Feuers, da sie den ungeheuren

Weltraum beleuchtet, und sie warmt nicht nur, sondern verbrennt

auch oft. Es gibt, fāhrt er fort (inquit), zwei Arten von Feuer,

eine, die wir zum Kochen und zur Technik benutzen, die andere

in Tierkōrpern enthalten. Jene vernichtet alles, die Lebenswarme

(vitalis ignis) nāhrt, vermehrt, erhfilt, beseelt alles. Da nun auch

die Sonne alles bliihen und gedeihen macht, erklārt er es fur

zweifellos, daB sie dem Lebensfeuer in den beseelten Kōrpern

gleicht und selbst beseelt ist, und ebenso die flbrigen Gestirne.

Die Lehre vom Lebensfeuer kennen wir schon von Kleanthes

§ 24, dessen Unterscheidung vom irdischen Feuer als gemeinstoisch

aus 30 f. Aber Zenon hat schon dasselbe gelehrt; das zeigt sein

Fragment 120 Am. (nach Areios Didymos). Da nennt er das

Gebrauchsfeuer ·πϋρ άτεχνον, das Lebensfeuer πϋρ τεχνικόν und

zugleich αύξητικόν und τηρητικόν ('auget', 'conservat' bei Cicero)

und setzt es der φύσις und ψυχή gleich. Da es auch das der Sterne

sei, folgert er daraus auch ihre Beseeltheit. DaB er es wie Kleanthes

£omxov nennt, habe ich gezeigt. Den vitalistischen Zug hat nicht

erst Posidon in die Stoa gebracht.

Dieselbe Unterscheidung der Lebenswarme vom irdischen Feuer

und ihre Gleichsetzung mit der Warme der Gestirne, namentlich

der Sonne, findet sich in der schon erwahnten Aristotelesstelle

Π. ζώων γεν. Β . 3. Es handelt sich darum, wie die seelischen

Krāfte in den menschlichen K8rper gelangen. Da heifit es S. 736 b

33 ff: Was den Samen zeugungsfāhig macht, ist das sogenannte

Warme; dies ist nicht Feuer, sondern das im Samen eingeschlossene

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Cicero, De natūra deorum Buch II und III 31

Pneuma, das analog ist dem Elemente der Sterne. Denn das Feuererzeugt keirie Lebewesen. Die Warme aber der Sonne und dieder Lebewesen hat ein lebenerzeugendes Prinzip (ζωτικήν αρχήν).Ein Teil dessen umfaBt bei den Menschen ein Gōttliches, die Ver-nunft. Mit Recht sagt W.Jager, Aristoteles S. 152: Der Vitalismusdes Aristoteles ist der Keim der stoischen Ansicht.

Wahrend hier der EinfluB des Aristoteles und zwar einer seinerLehrschriften nur erschlossen werden kann, wird er im folgendenzitiert, hier wahrscheinlich die Friihschrift Περί φιλοσοφίας. Dergeschlossene Abschnitt 42—44 soil die Geistigkeit und damit dieGQttlichkeit der Sterne erweisen. Er besteht aus 4 (oder 5) Teilen.Im ersten und letzten wird Aristoteles angefuhrt. Es fragt sichaber, ob diese beiden Zitate unverāndert iibernommen oder stoischumgestaltet sind, und zweitens, ob die dazwischenliegenden aucharistotelisch sind.

1) (42) Da einige beseelte Wesen auf ('in') der Erde, andereim Wasser, andere in der Luft entstehen, scheint es Aristoteleswidersinnig, wenn im Āther, der doch zur Erzeugung solcher Wesenam geeignetsten ist, keine entstānden ('gigni'). Nun nehmen aberdie Sterne diesen Ort ein; also miissen sie beseelte Wesen sein.Da ferner Ather der reinste Stoff, immer bewegt und wirkend ist,muB das in ihm entstehende ('gignatur') Wesen die schārfsten Sinneund die gro'Bte Beweglichkeit haben. Also sind die Sterne zu denGōttern zu zāhlen. — Hier ergeben sich mehrere Schwierigkeiten.Nach Aristoteles sind die Sterne ewig, k6nnen also nicht entstehen;wohl aber nach der Stoa. Aber das 'gigni' der Luft- und Ather-wesen kSnnte ein MiBgriff Ciceros sein. Wenigstens spricht Sextus86 f richtig von ihrem είναι und όπάρχειν, wahrend er bei denender Erde und des Wassers συνίστασθαι sagt. Ferner nimmt Aristoteles5 Weltregionen an, zwischen Luft und Ather das Feuerreich, da-gegen die Stoa 4 (Āther = Feuer). Andrerseits bestātigt Aetios 5,20,1(d. h. Theophrast), daB Aristoteles nur 4 Arten Lebewesen ange-nommen hat, Erdgeschopfe, Wassertiere, Gefliigel und Himmels-wesen (denn auch die Gestirne sind Lebewesen, fiigte er hinzu).Ob der Stoiker Ciceros unter Luftwesen auch Vfigel versteht, sagter nicht. · Sicher nicht, wenn das 'gigni' Ciceros bei ihm schon'entstehen' bedeutet; bei Sextus 86 bewohnen Dāmonen die Luft,nach der Stoa die Seelen der Weisen nach dem Tode (s. Sext. 71).

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32 Robert Philippson

Aristoteles hat seine Luftbewohner, die V8gel, ebensowenig in der

Luft entstehen lassen. DaB er seine Feuerregion nicht bevōlkerte,

ist verstāndlich; denn in der oben angefiihrten Stellē Π. ζώ. γεν.

737*1 hiefi es ja: Das Feuer erzeugt kein Lebewesen> Seine Behaup-

tung von den Feuertieren in Kypros Π. ζώ. £στ. 552 b 10 fāllt daher

entweder spater, oder, wenn friiher, hat er sie nachher aufgegeben.

Nach alledem bleibt es fraglich, ob wir das Aristoteleszitat hier

unverāndert besitzen.

2) (42b) Der vorige AnalogieschluB wird durch einen zweiten

ergānzt: Auch unter den Vo'lkern sind die geistig begabter, · die

in reinerer Luft leben und feinere Nahrung genieBen. So die Sterne,

die ira Ather wohnen und sich von den Ausdiinstungen des Wassers

und der Erde erhalten. Aristoteles ist hier nicht genannt, und es

scheint mir fraglich, ob er hier zitiert wird. Die Lehre zwar, daB

die Geistigkeit der Vōlker vom Klima abhāngt, kennen schon Hippo-

krates und Platon (s. Jāger S. 52 f). Aber Ghrysipp hatte sie iiber-

nommen und auch schon aus ihr die griJBere Geistigkeit der Gestirne

gefolgert (s. oben % 17). Die AnsichJ, daB diese sich von den

irdischen AusdQnstungen nāhren, ist defti spāteren Aristoteles fremd,

und ich traue sie auch dem fruheren jiicht zu, wie sie auch nicht

platonisch ist. Es bleibt also zweifelhaft, ob die Stellē ein Zitat aus

Aristoteles ist. Bei Sextus fehlt der Beweis; das kann zufāllig sein.

3) (43) Die in der ganzen Weltzeit (aeternitate wieder wohl

= α!ών; s. 51) bestāndige Ordnungder Sternlāufe bezeugt, daB

nicht die (blinde) Natur oder der Zufall sie bewegt, sondern ihr

Wille und ihr gōttlicher Geist. Auch hier ist Aristoteles nicht

genannt. Aber Jāger weist S. 153 nach, daB die Alternative, Natur

und Zufall oder bewuBter Wille, von Platon stammt. Auch die

Stoa kennt sie und kann sie von Platon haben. Eher kōnnte der

hier gebrauchte Begriff einer blinden Natur auffallen; die die Welt

durchwaltende Natur ist bewuBt. Aber wir werden sogleich bei

Sextus 111 f sehen, daB die Stoiker neben der bewuBten auch eine

unbewuBte Natur anerkannten. Den SchluB von der Ordnung der

Bahnen der Gestirne auf eine geistige Kraft die sie lenkt, kennen

wir als gemeinstoisch (4) und von Kleanthes (15). Sicher ist jeden-

falls auch hier die Zuruckfiihrung der Stellē auf Aristoteles nicht.

4) (44) Aristoteles wird gelobt, weil er urteilt, daB die -Sterne

nicht durch Natur oder Zwang, sondern durch eignen Willen bewegt

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Cicero, De natūra deorum Bach II and Ill 33

wiirden; denn was durch Natur bewegt werde, das bewege sichgradlinig nach unten oder oben, die Sterne aber bewegten sich imKreise. Gewalt kōnne sie nicht dazu zwingen; denn es gebe keinegrōBere als ihre. Also muB diese Bewegung aus ihrem Willenentspringen. Dieser Beweis hāngt durch die Alternative: Natur(Gewalt) — Wille mit dem vorigen zusammen. Das wurde fiir denaristotelischen Ursprung auch jenes sprechen. Aber bei Sextus111—114 haben wir eine Parallele zu beiden, und hier werdensie ausdriicklich den Stoikern und ihren Gesinnungsgenossen (wohlden Antiocheern) zugesprochen. DaB hier vom Kosmos statt vonden Sternen geredet wird, macht keinen Unterschied. Dem freienWillen (προαίρεσις) wird auch. bei Sextus die Natur entgegengestelltund ausdrucklich, worauf ich oben hinwies, die hier gemeinte Naturals 'unbewuBt' (αφάνταστος) von der vernunftvollen (νοερά) unter-schieden. So mag schon die Altstoa diese Bewegungslehre bewuBtunter dem EinfluB des Aristoteles ausgebildet und auch schon diebeiden bei Cicero ūberlieferten Zitate aus seinem Dialoge Περίφιλοσοφίας gebracht haben Von 2) und 3) ist es nicht sicher, obsie Zitate sein sollen und «fnd,

Mit 44 b beschlieBt Balbps den ersten Teil, die Beweise fur dasDasein der Gōtter durch.eihe kurze Ablehnung der Gottesleugnerund der untātigen Gōtter Epikūrs.

Ich habe schon auf die Eigenart des ganzen Teilen hingewiesen,den Wechsel unbenannter" αΐηα ergānzender benannter Abschnitte,der sich aber, wie ich noch ģenauer zeigen werde, auch in denphilosophischen Handbuchern findet und ein solches, stoisches alsCiceros Vorlage vermuten lāBt. Das machen auch die zahlreichenUbereinstimmungen mit unsren sonstigen Quellen wahrscheinlich,namentlich mit Sextus. Keine Stellē zwingt uns anzunehmen, daCCic. noch andere philosophische Schriften herangezogen habe; jenerAbriB kann ihm auch die Zitate geliefert haben. Diesem kōnnenebenfalls die Mangel der Disposition zu Last fallen, auf die ichnoch zuriickkommen werde. Die Vorlage, wie sie bei Cic. erscheint,gleicht mehr einer Stoffsammlung als einer ausgeffihrten Darstellungder Lehre; fur Ciceros Zwecke war eine solche wohl die ge-eignetste.

3 — Symbolae Osloenses. XXI.

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34 Robert Israel Philippson

C. T e i l I I .

Der zweite Hauptteil (45r—72), der von den Eigenschaften der

Getter handeln soli, beginnt mit einem zusammenhāngenden Ab-

schnitte ohne Zitat (45—56). Nachdem Balbus zuerst die Ansicht

(Epikūrs und des Volksglaubens), die Getter hātten Menschengestalt,

mit Hinweis auf Cottas Kritik (I 77 b —102) kurz abgetan hat, er-

klart er, nach unsrem natūrlichen Begriffe (der Prolepsis) sei Gott

beseelt und ūberrage ailes in der Natur. Diese beiden Eigen-

schaften kāmen aber der Welt zu,· daher sei sie Gott. Hier konnte

man fragen, ob nicht den Gōttern grade nach dem Volksglauben

auch Unsterblichkeit zukomme. Das ist fur die Stoa ein heikler

Punkt; denn wie wir auch hier sehen, ist vor allem die Welt Gott,

und diese fSllt periodenweise dem Weltenbrande anheim. Nur das

Urfeuer, das sich abwechselnd in unsre Welt verwandelt und diese

in jenes, ist unverganglich. So vermied es die Stoa die Ewigkeit

in den Begriff Gottes aufziinehmen.

Ein andrer Mangel ergibt sich aus der Disposition. Methodisch

ware es richtiger gewesen, die zweite Frage vor der ersten zu be-

antworten, zuerst die Merkmale des Gottesbegriffes aufzustellen und

dann zu zeigen, dafi es Māchte gibt, die diese Eigenschaften be-

sitzen. Indem Balbus umgekehrt zuerst das Dasein von Gettern

beweist, ist er genfitigt zu zeigen, daB die Welt und die Sterne,

die er fūr Getter halt, Eigenschaften besitzen, die er als gōttlich

nachweist. Im zweiten Teile, wo er die Eigenschaften der Getter

darlegen will, bleibt ihm nichts fibrig als das, was er im ersten

von der Welt und den Sternen gesagt hat, in umgekehrter Ge-

dankenfolge zu wiederholen. In Wirklichkeit handelt dieser zweite

Teil daher nur kurz von der Eigenschaften der Getter, sondern in

der Hauptsache von den Klassen der Getter. Schuld an diesem

Mifigriff ist aber nicht C i c , sondern sind die stoischen Abrisse,

deren eines er benutzt hat. Sie haben sich, wie ich zeigte, dieser

Disposition bedient. LSstige Wiederholungen waren da nicht zu

vermeiden. ·

Zuerst werden nun die Eigenschaften der Wesen besprochen,

die er im ersten Teile als GStter nachgewiesen hat.

1) Die Welt (46—49"). Sie ist beweglich und rund. Daswird

gegen Epikūrs Kritik (I 18) bewiesen. Dagegen gestehe er die

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Cicero, De natūra deorutn Bach Π and III 35

Vorzuglichkeit und Geistigkeit den G6ttern zu. Aber diese Eigen-schaften habe auch die Welt. Da nichts vollkommner als Beseeltessei, miisse sie beseelt und Gott sein. Diese Beweise kennen wirschon aus dem ersten Teile. Dann wird dialektisch und physikalischihre Kugelgestalt1 verteidigt. Dasselbe finden wir in dem Abrisseder stoischen Theologie bei Aetios I 6, 3.

Kap. 19 § 49 wird als weiterer Beweis fiir die Beweglichkeit undKugelgestalt der Welt auf die Analogie der Gestirne hingedeutetund damit zu den Eigenschaften dieser, der zweiten Go'tterklasse,ūbergeleitet.

2) Die Gestirne (49 b —56). Begonnen wird mit der Sonne. Sieruft durch ihren regelmaCigen Lauf die Jahreszeiten hervor, dieUrsachen alles dessen sind,. was auf der Erde un im Wasser ge-schieht. Zu S. 68, 12 (Plasberg) 'eiusdemque solis turn accessus . . .turn recessus' vgl. oben II 19 (S. 56,26) Chrysipp. 'solis accessusdiscessusque', im allgemeinen II Nr. 693—696 Am., besonders 694Philon D. prov.: Die Sonne fuhrt 'per accessum secessumque' dieJahreszeiten herauf und ist so 'nascendi, crescendi, perfectionisomnium sub caelo causa'. Uberall sind fur die gleichlautendenLehren āhnliche Handbucher, die wohl meist auf Chrysipps Schriftenzurfickgehen, Quelle.

In S 50 werden die Eigenschaften des Mondes er6rtert. Eigen-tiimlich ist die Behauptung, daC der Mond wie die Sonne eine'brumae et solstitii similitudo' habe. Aber das findet sich auch schonbei Aristoteles (s. Mayor zu dieser Stellē). Dann daB durch seinπνεύμα Lebewesen wachsen und Pflanzen reifen. Diesen Mond-einflufi hat bereits Chrysipp behauptet, vgl. oben % 19 und unten119. Die gleiche Lehre erwahnt als stoisch der Akademiker CicerosDivin. 2, 33 wohl nach Karne'ades. Ausfiihrlich stellt die Nachrichtendariiber A. St. Pease in seiner Ausgabe der Divinatio S. 406 ff zu-sammen. Ich bitte mit Cicero 'multaque ab ea (luna) manant. . .,quibus alantur . . . quae oriuntur e terra' zu vergleichen Sext. 9, 79κατά . . τάς της σελήνης αυξήσεις και φθίσεις πολλά των επιγείων . . .φθίνει και αυξεται, aus einem AbriB wie bei Cicero. In dem desAreios Didymos erscheint die Lehre ausdrficklich unter dem Namen

1 § 49 ein Wortspiel, wie Cic. es liebt: Epikur beurteile das Beste nach demGaumen, habe aber nicht zum Gaumen des Himmels, wie Ennius sagt,aufgeblickt (Gaumen = Gaumenbogen).

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36 Robert Philippson

Chrysipps: μάλιστα διατείνειν την άπ' αΰτηξ (σελήνης) δύναμιν είςτά

•περίγεια (Diels S. 466,14). Sie stammt daher nicht erst von Posidon.

SS 5 1 — 5 4 . Die Planeten. Sie wflrden fālschlich Irrsterne genannt;

denn sie wandelten alle Zeit (aeternitate = αιών; s. 43) dieselben

Bahnen. So schon Platon Legg. VII 821 B. Fur ihre GesetzmāBig-

keit zeuge auch das 'groBe Jahr', in dem sie zu derselben gegen-

seitigen Stellung zuruckkehrten. Bereits Heraklit spricht von ihm

(Aetios II 32, 3), Aristoteles Π. φιλοσ. fr. 25, ebenso Diog. Babyl.

(Aetios II 32,4), Areios Did. fr. 37 Diels. Ober seine Lānge herrsche

groBer Streit, sagt er, leider ohne die Ansicht seiner Quelle zu

verraten. Oder ist es fur sie kennzeichnend, daB sie eine Ent-

scheidung vermeidet, wie spāter fiber den Weltbrand? Dagegen

scheint mir die von ibr gegebene Reihenfolge der Planeten einen

Fingerzeig zu geben. Sie setzt nāmlich (52 f) Merkur und Venus

mit Platon (Tim. 38 D) vor die Sonne; so auch unten § 119. Dies

(die agyptische Ansicht) ist nach Areios Did. fr. 31 (S. 466, lOff

Diels) Chrysipps Lehre. Andrerseits scheint Posidon (vielleicht

nach Archimedes) beide Planeten zwischen Sonne und Mond ge-

setzt zu haben, so bei Cic. Divin. II 91; Somnium Scip. 17;

Vitruvius 9,1, 6; Kleomedes, Ptolemaios (s. A. St. Pease aaO. S. 505

und Mayor zu unsrer Stellē). Danach wflrde Ciceros Vorlage hier

nicht diesem folgen. ~ .

Geschlossen wird diese Stellē 54*: Die in aller Weltzeit (aeter-

nitate) gleiche Ordnung der Planeten zeigt, daB man sie nicht ohne

Vernunft, Verstand, Einsicht denken kann und man sie unter die

Gōtter rechnen muB.

S§ 5 4 b — 5 5 . Dasselbe gilt von den Fixsternen. Da sie ihre

Bahnen nach eigenem Willen lenken, haben sie ihre eigene Sphāren

und sind nicht (wie Anaximenes bei Aetios II 14,3 meint) dem

Ather eingeheftet.1 Denn dieser ist dazu ungeeignet, weil diinn;

vgl. Areios Did. fr. 31 S. 466 (Chrysipp): τον αιθέρα άραιότατον όντα.

Aus § 56, der mit 'igitur' den Beweis der Beseeltheit der

Himmelswelt schlieBt, ist nur die Ansicht hervorzuheben, daB die

Ģegend unter dem Monde Sitz der Unordnung sei. Sie ist alt.

Nach Aet. II 7j 7 und II 4, 12 haben sie schon Philolaos und

Aristoteles vertreten.1 Hinter inhaerentes ist wohl durch Haplographie 'sunt' ausgefallen:

-tes <sunt> ut; sonst bezöge sich das Partizip auf cursus, was sinnlos ist.

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Cicero, De natūra deorum Buch II und III 37

SS 57—58. Das vorige Gemeinstoische wird passend durch einZenonzitat ergāiizt. Welt und Gestirne waren durch ihre Eigen-schaften als Gōtter erwiesen. Nun soil das Zitat das hochstePrinzip (principium = αρχή) den Gōttern zufiigen. Dies ist dieNatur. Sie wird definiert als 'ignis arteficiosus ad gignendum pro-grediens via' vgl. gemeinstoisch L. VII 156 τήν . . φύσιν είναι πυρτεχνικόν όδω βαδίζον ε!ς γένεσιν und Aet. I 7,33. Wieder stimmtCic. also mit Handbūchern Qberein. Wenn (58) von diesem Prinzipgesagt wird, daB es als Vorsehung dafūr gesorgt habe, daB dieWelt mōglichst (!) geeignet sei zur Dauer (ad permanendum), sosagt Chrysipp II 174,23, sie sei zusammengehalten προς διαμονήνκαΐ οίονεΐ (!) άφθ-αρσίαν. Bezeichnend ist wieder die Ahnlichkeitder ganzen Stellē mit Sextus 75 if: Als Ursache der geordnetenWelt erkennen wir δύναμίν τίνα δι' αΰτης (της ουσίας) πεφοιτηκυΐαν;sie ist αυτοκίνητος, λογική, φρονίμη, also θεία. Wenn schlieBlichdie Vernunft der Welt aus ihrer Vorsorge fūr die auBerordentlicheSchōnheit der Welt erschlossen wird, so nimmt das den drittenTeil voraus, in dem ebenso die Pronoia der Gōtter auch aus derSchōnheit der Welt gefolgert wird. In dem AbriB der stoischenTheologie bei Aetios I 6 ist diese Schōnheit Grand der Entstehungdes Gōtterglaubens (§$ 2—7) .

§§ 5 9 — 6 0 b schliefien den Abschnitt Uber die gettlichen Eigen-schaften der Welt und Sterne mit dem Vergleich dieser miihelosund doch stetig wirkenden Gōtter mit den untātigen Epikūrs ab.Zu 'nee . . . molientium cum Iabore operoso' vgl. Theon: Progymn.126,6 άνευ πάσης πραγματείας. Wenn die Gōtter des letzterenhier alš 'monogrammi' d. h. als nur umrissen ohne Kōrperlichkeitund Farbe verspottet werderi, so braucht der Ausdruck. nicht vonPosidon zu stammen. Nach Nonius p. 37, n hat inn schon Luciliusvon gespenstergleichen Menschen gebraucht.

Den beiden Klassen eigentlicher Gōtter (Welt und Sternen)werden 60 b —72 noch fiinf uneigentlicher zugefiigt.

3) 60b. Wohltaten (beneficia, utilitates) sind von den griechischenWeisen und den rōmischen Vorfahren personifiziert und zu Gōtterngemacht, so Getreide zu Ceres, Wein zu Liber (vgl. Persaiosoben I 38).

4) 61. Ebenso wirkungsvolle Māchte (res, in qua vis inest maioraliqua) wie Fides, Mens, Ops, Salus u. a.

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38 Philippson: Cicero, De natūra deorum etc.

5) 61 b . Laster wie Cupido, Voluptas, Lubentina Venus.6) 62. Hervorragende Wohltater der Menschen, deren Seelen

als Daimonen nach stoischer Ansicht weiter leben, sind durch dieSage in den Himmel versetzt, wie Herkules, Castor und Pollux,Āskulap, Liber.

7) 63—69. Naturkrāfte sind in Menschengestalt personifiziertund boten den Dichtern AnlaB zu Sagen. Sie sind von Zenon,Kleanthes, Chrysipp in physikalischer Weise (allegorisch) erklārt, undihre Namen miissen etymologisch gedeutet werden.

70/1. Diese Personifikation der Naturkrāfte ist an sich gut undnfltzlich, aber sie hat Irrtiimer und Aberglauben hervorgerufen.Balbus zāhlt kurz die ungōttlichen Eigenschaften und Handlungenauf, die den Gettern so beigelegt sind und die schon Velleius I 42(s. Symbol. Osl. XIX S. 31) gerfigt hat. Trotzdem verdienen dieseGetter, da sie Ausstrahlungen der Gottheit sind, unsre Verehrung,die aber am frommsten in reinen Gedanken und Worten dar-gebracht wird.

Diese Gčtterklassen finden sich z. T. wCrtlich in dem AbriB derstoischen Theologie bei Aetios I 6, 10-16 wieder. Auch er zāhltsieben, meist dieselben auf. In 1 = Cic. 1) und 2) werden Weltund Sterne als φαινόμενα und μετέωρα zusammengefaBt, Uranos =πατήρ, die γη = μητηρ wie bei Cic. 64 und 67 Juppiter und Ceres,die αστέρες, weil αεί δέοντες, als θεοί gedeutet. In 2) und 3) ent-spricht τό ώφελοϋν den utilitates (3) bei Cic. (τό βλάπτον fehlt beiihm). 4) Der 'res, in qua inest vis maior', wie Fides u. a. entsprichtbei Aetios 4) πράγματα, ζ. Β. Έλπίς, Δίκη, Ευνομία, 5) die 'vitia'wie Cupido, Voluptas u. a . = Aet. 5) πάθη : Έρως, Αφροδίτη, Πόθος.

6) Die Gōttervāter Hesiods wie ΚοΤος usw. fehlen bei Cicero.7) Die είς τό κοινόν βίον εύεργεταί = Cic. 7) beneficiis excellentesviri. Die Beispiele sind bei beiden dieselben. Also ergibt sichauch hier, daB beide āhnliche Handbucher benutzt haben. Jedochhat Cic. passender Weise seine Beispiele einer rCmischen Schriftentnommen, die ihm wohl auch die oft sehr wunderlichen Etymo-logie'n bot, wie sie Varro liebte. Er Oder etwa Nigidius FigulusDe dis mag dafur Ciceros Quelle sein. Aus ihr hat er versehentlich(66) zitiert: 'ut Stoici disputant', nicht nostri.

So bietet der zweite Teil der Balbusrede das gleiche Bild wieder erste.

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