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CONSUMER GOODS & RETAIL IFRS in der Praxis 40 Bilanzierungs- und Bewertungsfragen für den Handel AUDIT

CONSUMER GOODS & RETAIL IFRS in der Praxis · Der für Handelswaren relevante Standard (IAS 2) regelt nicht unmittelbar, zu wel chem Zeitpunkt das Eigentum an den erworbenen Handelswaren

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CONSUMER GOODS & RETAIL

IFRS in der Praxis 40 Bilanzierungs- und Bewertungsfragen für den Handel

AUDIT

© 2008 KPMG Deutsche Treuhand-Gesellschaft Aktiengesellschaft Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Mitglied des KPMG-Netzwerks unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG International, einer Genossenschaft schweizerischen Rechts, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten.

Vorwort

In der jüngeren Vergangenheit rückten die International Financial Reporting Stan­dards (IFRS) des International Accounting Standards Board (IASB) immer mehr in den Fokus der bilanzierenden Unternehmen. So sind börsennotierte Unternehmen innerhalb der Europäischen Union schon seit 2005 verpflichtet, ihren Konzernab­schluss nach den Vorschriften der IFRS aufzustellen, und auch mittelständische Unternehmen zeigen ein wachsendes Interesse an einer Bilanzierung nach den internationalen Rechnungslegungsgrundsätzen. Die Gründe hierfür sind vielfältig. So verlangen beispielsweise Banken vermehrt die Vorlage eines IFRS-konformen Abschlusses im Hinblick auf ein Kreditrating. International operierende Unterneh­men nutzen die IFRS, um verbesserte Transparenz und Vergleichbarkeit ihrer Abschlüsse zu gewährleisten.

Diese Entwicklung macht vor der Handelsbranche nicht halt. Dabei spielt die Auslegung der IFRS für bestimmte Sachverhalte speziell von Handelsunterneh­men eine zentrale Rolle. Dazu gehören beispielsweise die Vorratsbewertung, Industrievergütungen oder Mietverhältnisse.

Mit dieser Broschüre möchten wir Sie bei IFRS-Fragestellungen unterstützen. Durch die Darstellung der branchenspezifischen Bilanzierungsprobleme leisten wir einen Beitrag zur Vereinheitlichung der Bilanzierungspraxis innerhalb der Handelsbranche, um Vergleichbarkeit, Zweckmäßigkeit und Akzeptanz der jewei­ligen Abschlüsse zu erhöhen.

Wir danken den Mitarbeitern, die an dieser Broschüre mitgewirkt haben, ins­besondere Wolfgang Fredrich, Georg Griesemann, Michael Ismar, Timo Pütz, Benjamin Schnöckel, Holger Wildgrube, Charlotte Salzmann und Haiko Schmidt.

Wir wünschen Ihnen eine interessante und aufschlussreiche Lektüre!

Johannes Siemes Nicole Stollenwerk

Partner Partnerin Leiter Consumer Goods & Retail Audit

© 2008 KPMG Deutsche Treuhand-Gesellschaft Aktiengesellschaft Wirtschaftsprüfungsgesellschaft, Mitglied des KPMG-Netzwerks unabhängiger Mitgliedsfirmen, die KPMG International, einer Genossenschaft schweizerischen Rechts, angeschlossen sind. Alle Rechte vorbehalten.

Inhaltsverzeichnis

A Handelswaren .................................................................................................4

1 Welche Auswirkungen ergeben sich aus der Unterscheidung zwischenEigen- und Fremdware?.............................................................................4

2 Wann ist beim Bezug von Handelswaren der Anschaffungsvorgang

3 Welche Bewertungsverfahren sind für Handelswaren grundsätzlich

6 Wie sind die Industrievergütungen bei der Vorratsbewertung

7 Welche noch anfallenden Vertriebskosten sind im Rahmen

abgeschlossen? .........................................................................................5

zulässig?.....................................................................................................74 Welche direkten Kosten fließen in die Anschaffungskosten ein?............105 Wie ist eine Finanzierung durch den Lieferanten zu behandeln? ............12

zu berücksichtigen?..................................................................................13

der verlustfreien Bewertung zu berücksichtigen?....................................16

B Umsatzrealisierung ......................................................................................19

8 Wann ist ein Verkaufsgeschäft als Umsatz auszuweisen, und unterwelchen Umständen handelt es sich um Umsatz eines Dritten?............19

9 In welcher Form sind Rücknahmeverpflichtungen bei der Umsatz­realisierung zu berücksichtigen? ..............................................................21

C Industrievergütungen...................................................................................23

10 Wie sind Vergütungen durch Lieferanten in der Gewinn- undVerlustrechnung sowie in der Bilanz abzubilden?....................................23

11 Wie sind Lieferantenvergütungen in einem Zwischenberichtabzugrenzen? ...........................................................................................27

D Werbung und Kundenbindungsprogramme..............................................29

12 Was ist bei der Erfassung von Werbeaufwand zu beachten? .................2913 Wie sind Kundenbindungsprogramme zu bilanzieren?............................31

E Wertminderungsprüfungen .........................................................................33

14 Zu welchen Anlässen sind Wertminderungsprüfungen durchzuführen?...3315 Wie sind zahlungsmittelgenerierende Einheiten (ZGE) im Handel

16 Wie sind gemeinschaftliche Vermögenswerte (sogenannte Corporate

19 Welche Planungsprämissen sind der Planungsrechnung zugrunde

abzugrenzen?...........................................................................................34

Assets) im Rahmen des Wertminderungstests zu berücksichtigen? ......3517 Welcher Ebene sind Geschäfts- und Firmenwerte zuzuordnen?.............3618 Wie sind Wertminderungsprüfungen (Impairmenttests) durchzuführen? ..38

zu legen und welcher Kapitalisierungszinssatz ist zu verwenden? .........39

F Finanzinstrumente........................................................................................41

20 Wie sind Einkäufe in fremder Währung im Abschluss zu behandeln? ....4121 Wie werden die Sicherungsgeschäfte im Jahresabschluss

berücksichtigt, und welche Voraussetzungen bestehen für das

22 Wie werden in Liefer- und Absatzverträgen eingebettete DerivateHedge Accounting? .................................................................................42

identifiziert und wie sind diese im Abschluss zu behandeln? .................46

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3

G Leasing/Miete ...............................................................................................48

23 Was ist bei der Bilanzierung von Leasingverträgen im stationärenEinzel- und Großhandel grundsätzlich zu beachten?................................48

24 Wie sind Vereinbarungen mit einer Festmietzeit mit anschließenden

25 Wie sind variable Mietzahlungen (Indexmieten, umsatzabhängige

26 Wie sind Lease-Incentives des Vermieters (mietfreie Zeiten,

Verlängerungsoptionen für den Mieter zu behandeln?............................51

Mieten) zu berücksichtigen?....................................................................53

Preoperating-Kosten) zu behandeln? .......................................................55

H Verluststandorte ...........................................................................................57

27 Wie sind Mietverträge für nachhaltig verlustbringende Standorte zu behandeln?..........................................................................................57

28 Wie sind günstig und ungünstig übernommene Leasingverträge im Rahmen einer Akquisition zu behandeln? ..........................................59

I Immobilien ....................................................................................................62

29 Unter welchen Voraussetzungen werden Immobilien unter denals Finanzinvestition gehaltenen Immobilien bilanziert? ..........................62

30 Wie sind als Finanzinvestition gehaltene Immobilien zu bewerten?

32 Unter welchen Voraussetzungen dürfen Remodelling-Kosten oder

.......6531 Wie sind Rückbauverpflichtungen der Standorte zu behandeln? ............66

Preopening-Kosten aktiviert werden?......................................................68

J Rückstellungen und Verbindlichkeiten .......................................................70

33 Welche bilanziellen Folgen ergeben sich aus der Verpflichtungzur Rücknahme von Elektroschrott? ........................................................70

34 Wie ist die Verpflichtung zur Rücknahme von Pfandgut (Einweg/Mehrweg) zu behandeln? ..........................................................72

K Expansionen..................................................................................................77

35 Wie sind Expansionsausgaben abzubilden? ............................................7736 Ab welchem Zeitpunkt sind neue Tochtergesellschaften

erstmalig zu konsolidieren? .....................................................................78

L Standortschließungen/Filialnetzüberarbeitung ........................................79

37 Wann sind Rückstellungen für Risiken aus Mietverträgenzu berücksichtigen? .................................................................................79

38 Für welche weiteren Risiken aus Standortschließungen

39 Welche Komponenten sind bei der Bewertung der Rückstellungsind Rückstellungen zu bilden? ...............................................................80

für Standortschließungen zu berücksichtigen?........................................82

M Ausblick .........................................................................................................85

40 Welche weiteren Themen sind relevant?.................................................85

Abkürzungsverzeichnis ................................................................................86

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A Handelswaren

1Welche Auswirkungen ergeben Hintergrund

sich aus der Unterscheidung Der klassische Handel wurde in der jüngeren Vergangenheit immer wieder durch zwischen Eigen- und Fremd- neue Konzepte erweitert und lässt sich nicht mehr auf die ursprünglichen Kom­ware? ponenten Einkauf, Lagerung und Verkauf von Waren reduzieren. Vertikale Verkaufs­

konzepte wie Store-in-Store, Shop-in-Shop, aber auch VMI (Vendor-Managed-Inventory) führten zu einer Erweiterung des klassischen Handelskonzepts und damit einhergehend zu einer Verlagerung von wirtschaftlichen Risiken und Chancen auf Fremdunternehmer oder Lieferanten. Diese Vorgehensweise wirft neue Bilan­zierungsfragen in Bezug auf den Ansatz von Vermögenswerten und die Abbildung der Geschäftsvorfälle in der Gewinn- und Verlustrechnung auf. Im Nachfolgenden wird die Abgrenzung von Eigen- zu Fremdware und die entsprechende Darstel­lung in der Bilanz behandelt. Die Fragen im Zusammenhang mit der Erfassung von Umsatzerlösen werden unter Frage 8 beantwortet.

Behandlung nach IFRS

Die IFRS enthalten keine speziellen Regelungen zur Bestimmung von Eigen- und Fremdware. Es ist daher auf das Rahmenkonzept und andere Standards (vor allem IAS 16 und IAS 38) zurückzugreifen. Demnach hat das Unternehmen einen Vermögenswert zu bilanzieren, wenn es über ihn wirtschaftlich verfügen kann, das heißt die Chancen und Risiken aus dem Vermögenswert übernommen hat. Bei Handelswaren ist dies der Fall, wenn das Unternehmen die Ware weiterveräu­ßern und damit Verkaufserlöse erzielen kann und wenn das Preis- und Bestandsrisiko vom Handelsunternehmen zu tragen ist.

Bei der Beurteilung der Frage, ob die mit einem Store-in-Store, Shop-in-Shop oder VMI-Konzept verbundene Ware als Eigenware zu bilanzieren oder als Fremdware bilanziell nicht zu berücksichtigen ist, ist immer auf das Gesamtbild der Verhältnisse abzustellen.

Werden vom Veräußerer (z. B. Lieferant) wesentliche mit dem Vermögenswert verbundene Risiken wie das Preisrisiko, das Risiko von Reklamationen oder Umtausch oder das Risiko des Untergangs zurückbehalten, ist regelmäßig davon auszugehen, dass der Vermögenswert nicht beim Händler zu bilanzieren ist. Gleiches gilt, wenn der Händler mit dem Veräußerer eine Abrede zur Weiterver­äußerung von Waren trifft und für die nicht veräußerten Waren ein Rückgaberecht besteht. In diesem Fall ist von einem Kommissionsgeschäft auszugehen, bei dem die Vermögenswerte weiterhin beim Veräußerer bilanziert werden. Die Verein­barung eines Lagerwertausgleichs durch den Lieferanten ist in der Regel nicht ausreichend, um von einer Zurückbehaltung der wesentlichen mit dem Vermö­genswert verbundenen Risiken zu sprechen.

Die Frage nach der Zurechnung der Vorräte ist eng verbunden mit der Frage nach der Zurechnung der Umsatzerlöse. Zu weiteren Einzelheiten zu den Abgrenzungs­kriterien verweisen wir auf Frage 8.

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A Handelswaren 555

2Wann ist beim Bezug von Handelswaren der Anschaffungs­vorgang abgeschlossen?

Abweichungen nach HGB

Die Unterscheidung von Eigen- und Fremdware sowie deren bilanzielle Behand­lung nach IFRS entsprechen im Wesentlichen der Vorgehensweise nach HGB.

Hintergrund

Warenbestände sind ein wesentlicher Vermögenswert im Handel und werden dadurch häufig Gegenstand der Risikogestaltung beispielsweise zwischen Liefe­rant und Händler oder zwischen Händler und Kreditgeber.

Der Bilanzierende muss daher zunächst klären, zu welchem Zeitpunkt der Beschaf­fungsvorgang einer Handelsware „abgeschlossen“ ist, das heißt ab welchem Zeitpunkt die Handelsware erstmals in der Bilanz zu aktivieren ist. Ist die Frage des Zugangszeitpunkts einer Handelsware geklärt, stellt sich anschließend die Frage, welche Kostenbestandteile in die Ermittlung der Anschaffungskosten ein­fließen (vgl. dazu Frage 4).

Behandlung nach IFRS

Der für Handelswaren relevante Standard (IAS 2) regelt nicht unmittelbar, zu wel­chem Zeitpunkt das Eigentum an den erworbenen Handelswaren auf den Erwer­ber übergeht und dieser die Bilanzierung eines Vermögenswertes vorzunehmen hat. Diese Fragen sind vielmehr unter Heranziehung anderer Standards und der allgemeinen Vorgaben zum Ansatz von Vermögenswerten (Assets) des Frame­works zu lösen.

Die IFRS definieren einen zu bilanzierenden Vermögenswert als eine in der Ver­fügungsmacht des Unternehmens stehende Ressource, von der ein künftiger Zufluss eines wirtschaftlichen Nutzens erwartet wird und deren Wert zuverlässig messbar ist. Somit entspricht der Zeitpunkt der erstmaligen Bilanzierung dem Zeitpunkt der Erlangung der Verfügungsmacht. Die Verfügungsmacht wird dann erlangt, wenn das Unternehmen die Chancen und Risiken aus dem Vermögens­wert übernommen bzw. übertragen bekommen hat. Bei Handelswaren ist dies regelmäßig dann der Fall, wenn das Unternehmen die Ware weiterveräußern und damit Verkaufserlöse erzielen kann und das Preisrisiko sowie das Risiko des Untergangs oder des Verderbs dem Unternehmen zuzurechnen ist.

Ein starkes Indiz für den Übergang der Verfügungsmacht ist der Übergang des zivilrechtlichen Eigentums.

Der Zeitpunkt der Übertragung des zivilrechtlichen Eigentums bestimmt sich im Handel dabei häufig nach den vereinbarten Lieferbedingungen („INCOTERMS“). Beispielsweise bei Free on Board (FOB)-Lieferungen ist bereits bei Verschiffung von einer Übertragung des zivilrechtlichen Eigentums auszugehen und die Ware entsprechend beim Erwerber zu bilanzieren, auch wenn sich die Ware noch nicht in dessen physischem Zugriff befindet.

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6 IFRS in der Praxis: 40 Bilanzierungs- und Bewertungsfragen für den Handel

Der zivilrechtliche Eigentumsübergang ist jedoch nicht das alleinige Kriterium für eine Bilanzierung beim Erwerber. Chancen und Risiken aus einem Vermögens­wert können beim Erwerb von Handelswaren auch ohne die Erlangung des zivil­rechtlichen Eigentums übertragen werden. Bei den nachfolgenden Varianten ist beim Erwerber ein Vermögenswert nach IFRS bilanziell anzusetzen, obwohl kein zivilrechtliches Eigentum vorliegt:

a) Lieferung von Handelswaren unter Eigentumsvorbehalt Bei Lieferungen unter Eigentumsvorbehalt behält sich der Lieferant das zivilrecht­liche Eigentum an den Handelswaren bis zur Kaufpreiszahlung vor. Da der Erwer­ber die Waren in der Regel bereits vor Kaufpreiszahlung wieder veräußern kann und auch das Preisrisiko sowie das Risiko der Verschlechterung der Ware trägt, ist ihm der Vermögenswert wirtschaftlich zuzuordnen. Folglich hat er die Waren bilan­ziell zu erfassen. Gleiches gilt auch beim verlängerten Eigentumsvorbehalt.

b) Sicherungsübereignung von Warenbeständen Werden Handelswaren zur Sicherung z.B. eines Darlehens übereignet, geht das zivilrechtliche Eigentum auf den Sicherungsnehmer über. Solange der Sicherungs­nehmer dabei die Rolle eines Pfandgläubigers einnimmt und keine über den Sicherungszweck hinausgehenden Verfügungsbefugnisse an den Warenbeständen erhält, ist grundsätzlich von einem Verbleib der wesentlichen Chancen und Risiken beim Sicherungsgeber auszugehen. Entsprechend sind die Handelswaren weiter­hin beim Sicherungsgeber zu bilanzieren.

Mit Blick auf die Ermittlung der Anschaffungskosten von Handelswaren ist wichtig, bis zu welchem Zeitpunkt zurechenbare Gemeinkosten zu aktivieren sind. Dieser Zeitpunkt ist nach IFRS dann erreicht, wenn die Waren ihren zweckbestimmten Zustand erreicht haben. Dies ist im Einzel- und Großhandel dann anzunehmen, wenn die Waren einen verkaufsfähigen Zustand erreicht haben. Im Einzelhandel kann dies nach Verräumung der Ware im Verkaufsregal der Verkaufsstelle sein. Im Großhandel kann dieser Punkt z.B. mit der Bereitstellung im Auslieferungslager erreicht sein.

Abweichungen nach HGB

Hinsichtlich der allgemeinen Ansatzvoraussetzungen von Handelswaren unter­scheiden sich die IFRS-Vorschriften nicht von den Aktivierungsvoraussetzungen nach HGB.

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A Handelswaren 7

3Welche Bewertungsverfahren Hintergrund

sind für Handelswaren grund- Das Warensortiment im Handel ist gekennzeichnet durch eine Vielzahl von unter­sätzlich zulässig? schiedlichen Artikeln, häufigen Sortimentsumgestaltungen und -erweiterungen

sowie einer regelmäßig hohen Lagerumschlagshäufigkeit. Da der Warenbestand in der Regel einen wesentlichen Posten in der Bilanz des Handelsunternehmens darstellt, ist die Warenbewertung folglich für den Bilanzierenden grundsätzlich ein zentraler und wichtiger Themenbereich. Eine Einzelbewertung auf Artikelebene wird sich regelmäßig aufgrund der Praktikabilität (Datenverarbeitungsmöglichkeiten der Warenwirtschaftssysteme, Datenhaltung etc.) und zur Sicherstellung eines wirtschaftlich sinnvollen Rechnungslegungsprozesses nicht anbieten. Neben den Grundlagen der Bewertungsmethodik stellt sich daher die Frage nach der Zuläs­sigkeit sogenannter Bewertungsvereinfachungsverfahren. Weitere Fragestellungen ergeben sich aus der Anwendung der verlustfreien Bewertung (vgl. Frage 7).

Behandlung nach IFRS

Nach IAS 2.9 sind Handelswaren mit dem niedrigeren Wert aus Anschaffungs­kosten (cost) und Nettoveräußerungswert (net realisable value) zu bewerten. Diese Frage beschäftigt sich mit den zulässigen Bewertungsmethoden für die Ermittlung der Anschaffungskosten. Der Nettoveräußerungspreis ist Thema von Frage 7.

Die Ermittlung der Anschaffungskosten hat je nach Ausprägung der zu bewerten­den Handelswaren nach unterschiedlichen Verfahren zu erfolgen. Grundsätzlich ist dabei eine Einzelbewertung vorzunehmen, das heißt die Anschaffungskosten sind für einzelne Vermögenswerte des Vorratsvermögens individuell zu ermitteln und zuzuordnen. Eine Einzelzuordnung erscheint nach IFRS jedoch dann ungeeignet, wenn eine große Anzahl von untereinander austauschbaren Vorräten vorliegt. Dies ist bei Handelswaren grundsätzlich anzunehmen.

In diesem Fall lassen die IFRS die Vereinfachung zu, eine Ermittlung der Anschaf­fungskosten bei Handelswaren gemäß IAS 2.25 entweder nach dem First-In-First-Out (FIFO)-Verfahren oder nach der Durchschnittsmethode vorzunehmen. Andere Zuordnungsverfahren, wie z.B. das Last-In-First-Out (LIFO), Highest-In-First-Out (HIFO) oder auch Konzern-In-First-Out (KIFO), sind nach IFRS dagegen nicht zulässig.

Das FIFO-Verfahren geht von der Annahme aus, dass die zuerst erworbenen Handelswaren zuerst verkauft werden und folglich die am Abschlussstichtag vorliegenden Handelswaren zuletzt erworben worden sind.

Bei der Anwendung der Durchschnittsmethode dagegen werden die Anschaf­fungskosten als durchschnittliche Kosten aus den Werten der Handelswaren zu Beginn der Periode und den Anschaffungskosten der während der Periode erwor­benen Handelswaren ermittelt. Dabei können sowohl die gewogenen Durch­schnittskosten (das heißt, die durchschnittlichen Anschaffungskosten ergeben sich als gewogener Durchschnitt aller Warenzugänge) als auch die gleitenden Durch­

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8 IFRS in der Praxis: 40 Bilanzierungs- und Bewertungsfragen für den Handel

schnittskosten (das heißt, die unterjährigen Lagerabgänge werden jeweils mit dem fortgeschriebenen Durchschnittswert berücksichtigt) einer Berichtsperiode angesetzt werden.

Das jeweils ausgewählte Verfahren ist gemäß IAS 2.25 konsistent auf alle Vorrats­bestände anzuwenden, die eine vergleichbare Beschaffenheit und Verwendung haben. Entsprechend ist das ausgewählte Verfahren bei vergleichbaren Handels­waren nicht nur über alle Filialstandorte eines Handelsunternehmens, sondern gegebenenfalls auch in den zentralen Lagern gleichmäßig anzuwenden.

Neben den oben genannten Vereinfachungsverfahren sieht IAS 2.22 für sich schnell drehende Bestände an Handelswaren mit ähnlichen Bruttogewinnspannen die retrograde Methode (retail method) als weitere zulässige Methode vor. Nach der retrograden Methode ist es zulässig, die Anschaffungskosten retrograd aus dem Nettoverkaufspreis unter Berücksichtigung einer angemessenen prozentualen Bruttogewinnspanne zu ermitteln. Der Prozentsatz kann dabei für einzelne Abtei­lungen oder Warengruppen spezifisch ermittelt werden. Für bereits unter den ursprünglichen Verkaufspreis abgeschriebene Artikel sind Anpassungen vorzuneh­men. Zuletzt können die Anschaffungskosten nach der Standardkostenmethode

bestimmt werden. Generell berücksichtigen Standardkosten die normale Höhe des Materialeinsatzes und der Löhne sowie die normale Leistungsfähigkeit und Kapazitätsauslastung. Sie werden regelmäßig überprüft und, falls notwendig, an die aktuellen Gegebenheiten angepasst. Im Handel sind Standardkosten äußerst selten und kommen auch nur für zurechenbare Gemeinkostenbestandteile in Betracht. Voraussetzung für die Anwendung der drei letztgenannten Methoden ist, dass die daraus resultierende Bewertung der Ermittlung der tatsächlichen Anschaffungskosten nahekommt.

Im nachfolgenden Beispiel soll die Auswirkung der unterschiedlichen Bewertungs­verfahren verdeutlicht werden.

Beispiel:

Das Handelsunternehmen Verkaufsschlager hat zum 31.12.2006 einen Warenbestand von 10 gleichartigen Artikeln zu einem ursprünglichen Preis von 5,00 € je Artikel im Bestand.

Am 31.05.2007 und am 31.07. 2007 wurden je 5 Artikel veräußert. Am 30.06.2007 wurden noch einmal 10 Artikel zu 10,00 € je Artikel gekauft. Der Verkaufspreis (netto) beträgt für das ganze Jahr 15,00 € je Artikel. Die Handelsspanne für die respektive Artikelgruppe weicht von der Handels­spanne des einzelnen Artikels ab und betrug zum Geschäftsjahresbeginn annahmegemäß 64 Prozent und verringerte sich zum 31.12.2007 aufgrund gestiegener Einstandspreise auf 46 Prozent. Alle Bewertungsmethoden wer­den auf das gesamte Geschäftsjahr angewendet. Es ergibt sich folgendes Bild:

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A Handelswaren 9

Beim gewogenen Durchschnitt werden die Abgänge zum durchschnittlichen Einstandspreis aller Zugänge im Geschäftsjahr sowie des Anfangbestands mit jeweils (10x5,00 €+10x10,00 €)/20x5,00 € = 37,50 € bewertet. Beim gleiten­

den Durchschnitt werden die Abgänge zum jeweiligen durchschnittlichen Wareneinstandspreis von 5x5,00 € /5x5 = 25,00 € bzw. von (5x5,00 €+ 10x10,00 € )/15x5 = 41,65 € erfasst. Bei der FIFO-Methode werden die Abgänge von insgesamt 10 Stück zum Einstandswert der ersten 10 Stück von jeweils 5,00 € bewertet. Der Abgangswert beträgt folglich jeweils 5x5,00 € = 25,00 €. Bei der retrograden Methode erfolgt die Bewertung zum Stichtag durch Anwendung der jeweiligen Handelsspanne zum Stichtag auf den Bestand zum Stichtag. Dadurch ergibt sich zum 31.12.2006 ein Buchwert in Höhe von (100%–64%)x10x15,00 € = 54,00 € und zum 31.12.2007 ein Buchwert von (100%–46%)x10x15,00 € = 81,00 € .

Die Methode des gewogenen Durchschnitts und die retrograde Methode führten zu gleichen Ergebnissen, wenn die Handelsspanne für den einzelnen Artikel identisch mit der Handelsspanne der Artikelgruppe wäre.

Sachverhalt Anzahl Einkaufspreis Verkaufspreis Gewogener Gleitender FIFO Retrograde Durchschnitt Durchschnitt Methode

Stück €/Stück € € € €

31. 12. 2006 Bestand 10 5,00 50,00 50,00 50,00 54,00 31. 05. 2007 Verkauf -5 15,00 -37,50 -25,00 -25,00 30. 06. 2007 Ankauf 10 10,00 100,00 100,00 100,00 31. 07. 2007 Verkauf -5 15,00 -37,50 -41,65 -25,00 31. 12. 2007 Bestand/Buchwert 10 75,00 83,35 100,00 81,00

Abweichungen nach HGB

Hinsichtlich der Bewertungsvereinfachungsverfahren gewährt § 256 HGB größere Freiheiten als IFRS. Sowohl das FIFO-Verfahren als auch die Durchschnittsmethode können nach HGB angewendet werden. Zusätzlich dazu sind aber auch andere Verfahren wie z. B. das LIFO-Verfahren oder auch das HIFO-Verfahren zugelassen. Neben den erweiterten Verbrauchsfolgeverfahren lässt das HGB unter bestimm­ten Voraussetzungen auch die im Handel eher unbedeutende Gruppenbewertung sowie das Festwertverfahren zu. Beide Vereinfachungsmethoden sind nach IFRS nicht vorgesehen.

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10 IFRS in der Praxis: 40 Bilanzierungs- und Bewertungsfragen für den Handel

4Welche direkten Kosten fließen in die Anschaffungskosten ein?

Hintergrund

Nachdem vorstehend (vgl. Frage 2) geklärt wurde, zu welchem Zeitpunkt ein Beschaffungsvorgang zu bilanzieren ist, stellt sich darüber hinaus die Frage, welche Kosten dem Beschaffungsvorgang zuzurechnen sind und folglich in die Waren­bewertung mit einfließen. Insbesondere bei nach der physischen Lieferung bzw. nach dem wirtschaftlichen Eigentumsübergang angefallenen Kosten, wie bei­spielsweise Kosten des innerbetrieblichen Transports und der innerbetrieblichen Lagerung z.B. in Zentrallägern sowie Aufwendungen für die Verräumung von Ware in die Verkaufsregale, stellt sich die Frage nach deren Berücksichtigung bei der Bewertung von Handelswaren. Implikationen ergeben sich hieraus auch auf die Gewinn- und Verlustrechnung (Einbeziehung in die Umsatzkosten) und bestimmte handelsspezifische Kennzahlen (wie z.B. die Rohertragsmarge).

Behandlung nach IFRS

Gemäß IAS 2.10 sind in die Anschaffungskosten von Handelswaren alle Kosten des Erwerbs sowie diejenigen Kosten einzubeziehen, die angefallen sind, um die Waren an ihren derzeitigen Ort und in den derzeitigen Zustand zu versetzen. Sowohl im Groß- als auch im Einzelhandel ist zu berücksichtigen, dass die Zweck­bestimmung der Waren regelmäßig erst dann erreicht ist, wenn diese am Ort der potenziellen Umsatzerzielung, das heißt an der Verkaufsstätte, angelangt sind. Davon abzugrenzen sind Vertriebskosten, die nicht in die Anschaffungskosten ein­bezogen werden dürfen (vgl. IAS 2.16 (d)). Die exakte Abgrenzung, an welchem Punkt die Verkaufsfähigkeit erreicht ist bzw. Vertriebsaufwendungen beginnen, ist zum Teil schwierig und nur unter Einbeziehung aller Umstände des Einzelfalls möglich. Wie in Frage 2 bereits erwähnt, werden im Einzelhandel Kosten, die bis zur erstmaligen Verräumung im Verkaufsregal anfallen, in der Regel den Anschaf­fungskosten zuzurechnen sein. Im Groß- und Versandhandel wird die Abgrenzung z.B. bei der Bereitstellung der Ware im Auslieferungslager gegeben sein.

Die nachfolgend genannten Kosten fallen regelmäßig vor bzw. im Rahmen des Übergangs des wirtschaftlichen Eigentums auf das erwerbende Unternehmen an und sind daher dem Anschaffungsvorgang zuzurechnen (siehe IAS 2.11):

• Kaufpreis, • Einfuhrzölle, • Steuern, soweit diese nicht erstattet werden, • Transport- und Abwicklungskosten, soweit die Anlieferung betreffend

Die folgenden Positionen beschreiben Kostenbestandteile, die überwiegend nach dem Beschaffungsvorgang (das heißt nach dem Übergang des wirtschaftlichen Eigentums) anfallen, jedoch zur Herstellung des verkaufsfähigen Zustands der Ware erforderlich sind. Auch diese Kosten sind grundsätzlich den Anschaffungskosten zuzurechnen:

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A Handelswaren 11

• Kosten der Warenannahme und Warenprüfung, • Kosten der erstmaligen Einlagerung, • Kosten von Zwischen- und Verteillägern, die der kurzzeitigen Zwischenlagerung

vor der Verbringung in die Verkaufsstätten dienen, einschließlich etwaiger Kommissionierungskosten,

• Kosten der erstmaligen Warenverräumung

Welche Kostenbestandteile in die Anschaffungskosten einzubeziehen sind, ist nach den Gegebenheiten des Einzelhandels zu entscheiden. In Abhängigkeit von dem jeweiligen Geschäftsmodell (z.B. stationärer Handel oder Versandhandel) können erhebliche Unterschiede bestehen, welche Kosten notwendig sind, um die Handelswaren in einen verkaufsfähigen Zustand zu versetzen.

Industrievergütungen (vgl. Frage 6) werden bei der Ermittlung der Anschaffungs­kosten in Abzug gebracht.

Grundsätzlich sind sowohl interne als auch externe Kosten zu berücksichtigen. Zu beachten gilt jedoch, dass nur direkt zurechenbare Kosten bei der Warenbewer­tung berücksichtigt werden dürfen. Allgemeine Kosten der Geschäftsleitung, Gebäudekosten und Abschreibungen sowie allgemeine EDV-Kosten können in der Regel nicht unmittelbar zugerechnet werden. Für zurechenbare Gemeinkosten ist ein geeigneter Zurechnungsschlüssel zu ermitteln. Ebenso kann mit Standard-oder Durchschnittskostensätzen gerechnet werden, soweit regelmäßig überprüft wird, dass die Kostensätze den tatsächlichen Verhältnissen entsprechen und bei Feststellung von Abweichungen entsprechende Anpassungen vorgenommen werden (vgl. IAS 2.21).

Im stationären Handel sind Lagerkosten in den Verkaufsstätten nach der erst­maligen Verräumung den Vertriebskosten zuzurechnen und dürfen nicht in die Ermittlung der Anschaffungskosten einfließen.

Bei in fremder Währung bezogenen Handelswaren sind die Anschaffungskosten mit dem Wechselkurs am Tag der Transaktion, das heißt zum Zeitpunkt des erst­maligen Ansatzes des Vermögenswertes umzurechnen. Gemäß IAS 21.22 kann aus Vereinfachungsgründen auch ein Wochen- oder Monatsdurchschnittskurs angesetzt werden. Voraussetzung ist allerdings, dass keine wesentlichen Schwan­kungen des Wechselkurses vorliegen.

Abweichungen nach HGB

Der Umfang der Anschaffungskosten ist nach den Vorschriften des HGB deutlich enger gefasst. Nach § 255 Abs. 1 Satz 1 HGB dürfen nur die einzeln zurechen­baren Kosten als Anschaffungskosten erfasst werden. Hieran werden aber regel­mäßig die intern erzeugten Kosten der Warenannahme, Warenprüfung und Ein­lagerung sowie der Lagerhaltung selbst scheitern, die als Gemeinkosten lediglich über Verteilungsschlüssel auf den einzelnen Vermögensgegenstand zurechenbar sind. Daher kommt es unter HGB regelmäßig nicht zur Aktivierung dieser Kosten­bestandteile.

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12 IFRS in der Praxis: 40 Bilanzierungs- und Bewertungsfragen für den Handel

5Wie ist eine Finanzierung Hintergrund

durch den Lieferanten zu Die Vorratshaltung im Handel steht im unmittelbaren Zusammenhang mit der Frage behandeln? der damit verbundenen Kapitalbindung und der Finanzierung durch Eigen- oder

Fremdkapital. Regelmäßig wird es zu einer wesentlichen Finanzierung der Handels­waren durch die Hersteller und Vorlieferanten kommen, teilweise bis über den Abverkaufszeitpunkt hinaus. Sehr verbreitet ist dabei der Lieferantenkredit als Ziel- oder Ratenkauf. Die Zahlungsbedingungen stellen einen wesentlichen Teil­aspekt des gesamten Konditionsgefüges zwischen Lieferanten und Handelsunter­nehmen dar.

Es stellt sich daher für den Bilanzierenden die Frage, inwieweit die Finanzierungs­bedingungen Einfluss auf die Bilanzierung der Handelswaren haben. Darüber hinaus können sich bei einem hohen Anteil von Lieferantenfremdfinanzierung erhebliche Auswirkungen auf die Struktur der Gewinn- und Verlustrechnung und die Berechnung handelsspezifischer Kennzahlen (wie z.B. der Rohertragsmarge) ergeben.

Behandlung nach IFRS

Für die Bestimmung der Anschaffungskosten der Handelswaren ist zunächst der an den Lieferanten entrichtete Betrag zuzüglich eventueller Anschaffungsneben­kosten maßgeblich (siehe auch Frage 4). Beinhaltet die mit dem Lieferanten getrof­fene Vereinbarung jedoch ein Finanzierungselement, dann ist gemäß IAS 2.18 dieses Element von der eigentlichen Kaufvereinbarung zu trennen und bilanziell gesondert zu berücksichtigen. Eine gesondert zu berücksichtigende Finanzierung durch den Lieferanten liegt regelmäßig dann vor, wenn das vereinbarte Zahlungs­ziel die sonst üblichen Zahlungsfristen überschreitet und dies z. B. nicht durch die Vereinbarung einer gesonderten Verzinsung abgebildet wird, sondern in den Kauf­preiskonditionen berücksichtigt wurde. Gesondert zu berücksichtigen sind unter Beachtung der allgemeinen Grundsätze des Frameworks jedoch nur wesentliche Effekte.

In den genannten Fällen ist die Finanzierungskomponente von dem eigentlichen Kaufpreis zu trennen. Praktisch bedeutet dies, dass die Anschaffungskosten und die korrespondierende Verbindlichkeit zunächst mit einem Barpreis-Äquivalent anzusetzen sind. In den Folgeperioden wird die Verbindlichkeit bis zum Zeitpunkt der Tilgung jeweils aufgezinst und der korrespondierende Aufwand als Zins­aufwand ausgewiesen.

Das Barpreis-Äquivalent entspricht dem Kaufpreis unter normalen Zahlungskondi­tionen. Sofern dieser Kaufpreis nicht unmittelbar abgeleitet werden kann, muss das Barpreis-Äquivalent nährungsweise durch eine Abzinsung der künftigen Zah­lungsmittelabflüsse (also regelmäßig des nominalen Kaufpreises) über den als Zahlungsziel vereinbarten Zeitraum ermittelt werden. Für die Abzinsung ist ein marktüblicher Zins für vergleichbare Geschäfte zu verwenden.

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A Handelswaren 13

6Wie sind die Industriever­gütungen bei der Vorrats­bewertung zu berücksichtigen?

Beispiel:

Das Handelsunternehmen Verkaufsschlager kauft am 30.12.2006 Waren zu einem nominalen (Netto-)Kaufpreis in Höhe von 2.100 € mit einem Zahlungs­ziel von 180 Tagen. Bei einem sonst üblichen Zahlungsziel von 30 Tagen betrüge der Kaufpreis unter ansonsten gleichen Konditionen 2.000 €. Es sind folgende Buchungen vorzunehmen:

Am 30. 12. 2006: Vorräte an Verbindlichkeiten aus LuL 2.000 € Am 30. 06. 2007: Zinsaufwand an Verbindlichkeiten aus LuL 100 € Und bei Zahlung: Verbindlichkeiten aus LuL an Bank 2.100 €

Abweichungen nach HGB

Handelsrechtlich ist die Lieferantenverbindlichkeit in Höhe des vollen Rückzah­lungsbetrags zu passivieren und der verbleibende Unterschiedsbetrag analog zu der Vorgehensweise bei einem Disagio aktivisch abzugrenzen (ADS, § 253 Textziffer 82).

Hintergrund:

Einkaufsvereinbarungen im Handel umfassen regelmäßig eine Vielzahl unterschied­lichster Konditionen. Ein absoluter Kaufpreis, in den schon sämtliche Nachlässe und Vergütungen (Industrievergütungen) einkalkuliert sind (sogenannter Netto-/ Nettopreis), wird in der Branche aus unterschiedlichen Interessen eher selten ver­einbart. Die Bezeichnungen von Industrievergütungen sind mannigfaltig (Boni, Skonti, Rabatte, unberechnete Mehrmengen, Kick-backs, Provisionen, Sonderkon­ditionen, Werbekostenzuschüsse, Listungs-/Platzierungsgelder etc.).

Neben Rechnungskonditionen, das heißt solchen Preisminderungen, die bereits aus der Rechnung des Lieferanten hervorgehen (z. B. Skonti), werden Industriever­gütungen häufig auch als Rückvergütung einmalig oder periodisch und gegebenen­falls abhängig von der Erreichung bestimmter Kennzahlen (z.B. Einkaufsvolumina) oder abhängig vom Eintritt bestimmter Ereignisse (z.B. Jubiläumssonderaktionen, Sonderwerbemaßnahmen, Neueröffnungen etc.) gewährt. Die Gewährung kann bezogen auf eine einzelne Verkaufsstätte, auf ein Unternehmen bis hin zur Gewäh­rung bezogen auf ein gesamtes Konzerneinkaufsvolumen bei dem jeweiligen Lieferanten erfolgen.

Im Rahmen der Beurteilung von Industrievergütungen für Jahresabschlusszwecke ergeben sich zwei wesentliche Themengebiete:

• Wann und wie sind die Nachlässe und Vergütungen ergebniswirksam zu erfas­sen und wie erfolgt der Ausweis in der Gewinn- und Verlustrechnung?

• In welcher Höhe wirken sich Industrievergütungen auf die Anschaffungskosten von Handelswaren und damit auf deren Bewertung aus?

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14 IFRS in der Praxis: 40 Bilanzierungs- und Bewertungsfragen für den Handel

Das erste Themengebiet wird unter Frage 10 beantwortet. Die nachfolgenden Ausführungen beschäftigen sich ausschließlich mit der Auswirkung auf die Bewertung von Handelswaren.

Behandlung nach IFRS

Die Anschaffungskosten von Handelswaren setzen sich aus dem Kaufpreis sowie den Anschaffungsnebenkosten zusammen. Nach IAS 2.11 sind von den Kosten des Erwerbs Skonti, Rabatte und andere vergleichbare Beträge abzuziehen. Welche Lieferantenvergütungen als mit dem Skonto oder Rabatt vergleichbar gelten und dadurch ebenfalls als eine Minderung der Anschaffungskosten zu betrachten sind, ist IAS 2 nicht eindeutig geregelt. In diesem Fall ist ein Rückgriff auf das Rahmen­konzept (Framework), andere Standards sowie gegebenenfalls Verlautbarungen anderer Standardsetter vorgesehen. Die US-GAAP enthalten mit dem EITF 02-16 „Accounting by a Customer (Including a Reseller) for Certain Consideration Received from a Vendor“ explizite Regelungen hinsichtlich der Klassifizierung von Industrievergütungen.

Soweit es sich bei den Preisnachlässen um solche handelt, die unmittelbar aus der Wareneinkaufsrechnung ersichtlich sind („Rechnungskonditionen“), ist in aller Regel klar, dass diese anschaffungskostenmindernd zu berücksichtigen sind.

Eine Minderung der Anschaffungskosten kann sich aber auch darüber hinaus aus nachträglich gewährten („nachlaufenden“) Vergütungen ergeben, z.B. aus einer auf ein Gesamteinkaufsvolumen bei einem Lieferanten erfolgten Bonifizierung oder aus einem Lagerwertausgleich bei gesunkenen Wiederbeschaffungskosten durch Preissenkungen des Lieferanten.

Hinsichtlich der Anschaffungskostenminderungen besteht eine unmittelbare Ver­knüpfung mit der Behandlung in der Gewinn- und Verlustrechnung. Sofern die Berücksichtigung der Anschaffungskostenminderung bei noch im Bestand befind­lichen Handelswaren erfolgt, realisiert sich die Anschaffungskostenminderung mit dem Abverkauf der Ware, da dann der um die Anschaffungskostenminderungen reduzierte Buchwert als Aufwand zu erfassen ist (siehe IAS 2.34). Sind die ent­sprechenden Handelswaren zum Zeitpunkt der Gewährung der Anschaffungs­kostenminderung nicht mehr im Bestand (z.B. bei einer nachträglichen Bonifizie­rung auf Waren, die bereits abverkauft sind), erfolgt die Berücksichtigung direkt in den Warenbezugskosten (costs of sale).

Es sind also nur solche nachlaufenden Vergütungen als Minderung der Anschaf­fungskosten zu berücksichtigen, die in der Gewinn- und Verlustrechnung in den Warenbezugskosten erfasst werden (vgl. dazu auch Frage 10). Daraus folgt z. B., dass Werbekostenzuschüsse, die eine Erstattung von spezifizierten Werbeauf­wendungen des Handelsunternehmens darstellen, nicht anschaffungskostenmin­dernd in den Handelswaren berücksichtigt werden können.

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A Handelswaren 15

In der Praxis stellt sich häufig die Frage nach einer wirtschaftlich sachgerechten Zurechnung von nachträglichen Anschaffungskostenminderungen auf die Waren­bestände. Hier können gegebenenfalls auch geeignete Näherungsverfahren zur Anwendung kommen (z. B. Verteilung der gesamten nachträglichen Anschaffungs­kostenminderungen auf den gesamten Warenbezug eines Artikels über eine Gesamtperiode), gegebenenfalls auch unter Berücksichtigung der unterstellten Verbrauchsfolge, soweit diese Verteilung zu einer zutreffenden Darstellung im IFRS-Abschluss führt. Unter Umständen kann aber auch eine genaue Zuordnung auf Artikel und Lieferung erforderlich sein.

Eine ebenfalls gängige Thematik in der Praxis ist die Frage, wie fest gewährte Lieferantenvergütungen zu behandeln sind, die zum Stichtag noch nicht realisiert sind. Hat das bilanzierende Unternehmen einen (durchsetzbaren) Anspruch gegen den Lieferanten auf Leistung der Vergütung und ist der Zufluss des wirtschaft­lichen Nutzens wahrscheinlich, so kann nach IFRS bei Anwendung eines geeigne­ten Verfahrens zur Hochrechnung des erbrachten Teils der Vereinbarung ein Teil der Vergütung bereits realisiert werden. So kann beispielsweise ein mengen­abhängiger Bonus zum Abschlussstichtag bereits insoweit für das bezogene Volumen berücksichtigt werden, wenn die Erreichung der vereinbarten Gesamt­menge wahrscheinlich ist. In diesem Fall ist der realisierte Teil als Minderung der Anschaffungskosten bei der Vorratsbewertung zu erfassen.

Abweichungen nach HGB

Die Behandlung nach IFRS entspricht in den Grundzügen den Regelungen des HGB. Ein wesentlicher Unterschied besteht darin, dass nach Handelsrecht Indus­trievergütungen erst dann berücksichtigt werden können, wenn sie tatsächlich realisiert werden. Dabei spielt die Wahrscheinlichkeit, dass eine Bedingung zum Abrechnungszeitpunkt voraussichtlich erfüllt sein wird, keine Rolle.

Dieser Unterschied hat insbesondere Bedeutung bei der unterjährigen Hochrech­nung von Staffelkonditionen in einem Zwischenabschluss oder aber bei Unterneh­men mit einem vom Kalenderjahr abweichenden Geschäftsjahr.

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16 IFRS in der Praxis: 40 Bilanzierungs- und Bewertungsfragen für den Handel

7Welche noch anfallenden Hintergrund

Vertriebskosten sind im Konkurrenzsituationen, sich ändernde modische Trends und technische Überalte­Rahmen der verlustfreien rung sind typische Beispiele für Faktoren, die Verkaufspreise der Warenbestände Bewertung zu berücksichtigen? beeinflussen können. Da der Bilanzierende Handelswaren zum niedrigeren Wert

aus Anschaffungskosten und Nettoveräußerungswerten zu bilanzieren hat, ist die Ableitung der Nettoveräußerungswerte aus den Verkaufspreisen ein zentraler Bestandteil der Warenbewertung.

Das Verfahren zur Ableitung des Nettoveräußerungswertes aus den Verkaufsprei­sen wird als verlustfreie Bewertung bezeichnet. Der verlustfreie Wert, das heißt der Nettoveräußerungswert, wird ermittelt, indem von den erwarteten Verkaufs­preisen die bis zur Veräußerung noch anfallenden Kosten des Vertriebs abgezogen werden.

In der Praxis liegt die Schwierigkeit des Verfahrens insbesondere in der Bestim­mung der erwarteten Verkaufspreise. Darüber hinaus stellt sich die Frage, wie noch anfallende Kosten des Vertriebs in geeigneter Form ermittelt werden können. Während sich die Ermittlung der Verkaufspreise an den zukünftigen Erwartungen des Händlers orientiert, wird die Ermittlung der Vertriebskosten aus dem Rech­nungswesen und damit in der Regel aus Vergangenheitswerten abgeleitet.

Behandlung nach IFRS

Die Schätzung eines zukünftigen Verkaufserlöses muss verlässlich und nachvoll­ziehbar sein, wobei auf die Erfahrungen der Vergangenheit zurückgegriffen werden kann. Von den Verkaufserlösen sind erwartete Erlösschmälerungen wie Rabatte, Skonti und sonstige Rückvergütungen in Abzug zu bringen.

Änderungen der Abverkaufspreise nach dem Abschlussstichtag sind insoweit zu berücksichtigen, als sie einen wertaufhellenden Charakter haben. Das bedeutet, dass der wirtschaftliche Grund für die Preisänderung bereits zum Ende der jewei­ligen Berichtsperiode bestanden haben muss. Tritt also z.B. das auslösende Ereig­nis für die technische Überalterung eines Artikels durch das Erscheinen einer neuen technischen Generation erst nach dem Stichtag ein, ist dies bei der Ermitt­lung des erwarteten Abverkaufspreises zum vorhergehenden Bewertungsstichtag nicht zu berücksichtigen. Lag dagegen das auslösende Ereignis bereits vor, ohne dass die Verkaufspreise bereits angepasst wurden, ist die Anpassung in der Bewertung zu berücksichtigen.

Die bis zum Verkauf noch anfallenden notwendigen Kosten sind nach der Vollkos­tenmethode zu ermitteln, das heißt, es sind Einzelkosten und anteilige Gemein­kosten einzubeziehen. Folgende Kosten sind in der Regel bei der Ermittlung des Nettoveräußerungswertes von Handelswaren zu berücksichtigen:

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A Handelswaren 17

• Kosten der Lagerung bis zum Verkauf, • Verpackungskosten und Ausgangsfrachten, • Kosten für Werbemaßnahmen (Werbeflyer, Werbebroschüren etc.), soweit

diese der Bewerbung des Warenbestandes zurechenbar sind, • Provisionen und Lizenzgebühren, die beim Verkauf entstehen

(z.B. DSD-Gebühren), • Kosten des Verkaufsvorgangs (anteilige Personalkosten des Verkaufspersonals), • Kosten des Kassiervorgangs und des Geldhandlings (z.B. anteilige Personal­

kosten des Kassenpersonals, Transaktionsgebühren bei Kreditkarten), • sonstige Vertriebs- und Verwaltungsgemeinkosten

Die geschätzten notwendigen Verkaufskosten müssen nicht in jedem Fall einzeln bestimmt werden, sondern können auch anhand angemessener Erfahrungswerte als Prozentsatz vom Verkaufserlös in Abzug gebracht werden. Ein erwarteter Gewinnzuschlag darf nicht berücksichtigt werden (vgl. Definition des Nettover­äußerungspreises in IAS 2.6).

Eine besondere Herausforderung in der praktischen Anwendung stellt regelmäßig die Herleitung der Datenbasis für die Kosten des Vertriebs dar. Hier können sich insbesondere Fragen der sachlichen Zuordnung der Kosten ergeben. So kann sich z.B. bei den anfallenden Personalaufwendungen für das Verkaufspersonal oder den Werbeaufwendungen die Fragestellung ergeben, wie viel des erwarteten Gesamtaufwandes dem Abverkauf des am Stichtag vorhandenen Bestandes zuzurechnen ist. Soweit sich hier keine Einzelzuordnung treffen lässt (z.B. gezielte Werbung zum Abverkauf der Altbestände, Aufwand für Sonderverkaufsflächen etc.), wird regelmäßig eine Zuordnung auf Basis geeigneter Annahmen erforder­lich sein.

Gegebenenfalls sind dabei auch Faktoren wie die erwartete Zeitperiode bis zum Abverkauf des Bestandes bzw. das Verhältnis der Lagerumschlagshäufigkeit des zu bewertenden Bestandes im Vergleich zu der durchschnittlichen Lagerumschlags­häufigkeit zu berücksichtigen. Im Einzelfall kann auch die Ermittlung der Abver­kaufskosten für neu in das Sortiment aufgenommene Artikel Probleme aufwerfen, da insofern keine Vergleichswerte der Vergangenheit vorliegen. Hier ist dann gege­benenfalls eine Durchschnittsbetrachtung auf Basis vergleichbarer Artikel vorzu­nehmen.

Die verlustfreie Bewertung ist zu jedem Abschlussstichtag und grundsätzlich für jeden einzelnen Vermögenswert vorzunehmen. Es ist jedoch zulässig, ähnliche und miteinander zusammenhängende Handelswaren gemeinsam zu bewerten, wenn eine gesonderte Bewertung praktisch nicht möglich ist (siehe dazu IAS 2.29). Je nach Struktur des Bestandes an Handelswaren kann z.B. eine Zusammenfas­sung nach Warengruppen oder auch nach Abteilungen sachgerecht sein, sofern die den jeweiligen Gruppen zugehörigen Artikel eine homogene Struktur bezüg­

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18 IFRS in der Praxis: 40 Bilanzierungs- und Bewertungsfragen für den Handel

lich der Margen- und Vertriebskostenstruktur aufweisen. Grundsätzlich sollte die Einteilung der Bewertungsgruppen auf der kleinsten möglichen Ebene erfolgen. Eine Zusammenfassung beispielsweise auf Ebene ganzer Warenhäuser dürfte regelmäßig nicht in Frage kommen, da die einzelnen Abteilungen unterschiedliche Rohertragsmargen aufweisen werden. Eine Zusammenfassung kann aber z.B. bei Artikeln erforderlich sein, die regelmäßig im Bündel verkauft werden, da hier nicht immer unterschieden werden kann, welche Artikel im Einzelnen über oder unter den Anschaffungskosten verkauft werden können.

Beispiel:

Das Einzelhandelsunternehmen Sommerbrise verkauft im Rahmen einer Sommeraktion einen Holzkohlegrill nebst zugehörigem Grillbesteck. Bei Barzahlung gibt das Unternehmen zwei Prozent Rabatt, wovon regelmäßig Gebrauch gemacht wird. Der Holzkohlegrill wird des Öfteren einzeln, das Grillbesteck fast ausschließlich in Kombination mit dem Grill verkauft. Die verkaufsrelevanten Daten ergeben sich wie folgt:

Holzkohlegrill € Grillbesteck €

Anschaffungskosten 30,00 5,00 Aktionspreis 49,99 6,99 Erlösschmälerung (Umsatzsteuer, Skonto) 8,82 1,24 Noch anfallende Verkaufskosten 6,00 2,00 Nettoveräußerungswert 35,17 3,75

Der Holzkohlegrill ist mit den Anschaffungskosten anzusetzen, wohingegen das Grillbesteck aufgrund einer Wertberich­tigung in Höhe von 1,25 €/Stück zum Nettoveräußerungswert bilanziert werden müsste. Da der Verkauf dieser Vermö­genswerte jedoch als einheitliche Transaktion gesehen werden kann und damit die Vermögenswerte wirtschaftlich nicht unabhängig voneinander bewertet werden können, ist die Bewertung nur als Gruppe praktikabel. Eine Wertberichtigung ist daher nicht vorzunehmen.

Abweichungen nach HGB

Eine verlustfreie Bewertung von Handelswaren ist auch nach § 253 Abs. 3 HGB vorzunehmen. Im Unterschied zu den IFRS sind nach den handelsrechtlichen Vorschriften bei Handelswaren sowohl der Absatz- als auch der Beschaffungs­markt maßgeblich. Eine Wertberichtigung ist auf den niedrigeren der beiden Alternativwerte vorzunehmen.

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B Umsatzrealisierung

8Wann ist ein Verkaufsgeschäft als Umsatz auszuweisen, und unter welchen Umständen handelt es sich um Umsatz eines Dritten?

Hintergrund

Die wichtigsten Kennziffern des Handels basieren auf dem Umsatz. Bei einigen Händlern allerdings wird ein Teil des Umsatzes nicht mehr durch den Händler selbst erwirtschaftet, sondern im Rahmen sogenannter „store-in-store“-Konzepte oder „Concession“-Vereinbarungen durch Lieferanten bzw. Fremdunternehmen erzielt. Hierbei stellt der Händler die Fläche innerhalb seines Objektes bzw. Kauf­hauses dem Lieferanten zur Verfügung und bietet ihm die erforderlichen Dienst­leistungen zur Umsatzerzielung an. Für die Zurverfügungstellung der Fläche und der Dienstleistungen erhält der Händler in der Regel einen „Mietertrag“ bzw. eine prozentuale „Concession“-Gebühr vom Lieferanten.

Bei solchen Vereinbarungen stellt sich für den Bilanzierenden die Frage, ob die im Rahmen solcher Vereinbarungen erzielten Umsatzerlöse bei dem Händler brutto oder netto auszuweisen sind. Das heißt: Werden die „Concession“-Umsätze aus dem Umsatz herausgerechnet und nur die erhaltene Provision als Umsatz dar­gestellt? Oder können die gesamten Umsatzerlöse sowie die entsprechenden Umsatzkosten ausgewiesen werden?

Aus den beiden genannten Darstellungsformen ergeben sich zwar keine Konse­quenzen für den Rohertrag oder das EBIT (Earings before Interest and Tax), jedoch führt die Bruttodarstellung gegenüber der Nettodarstellung zu einem signifikant höheren Ausweis von Umsatzerlösen und Umsatzkosten und hat damit auch großen Einfluss auf die Kennzahlen.

Behandlung nach IFRS

Nach IFRS werden als Umsatzerlöse nur Bruttozuflüsse ausgewiesen, die das bilanzierende Unternehmen im Rahmen seiner gewöhnlichen Tätigkeit für eigene Rechnung erhalten hat oder beanspruchen kann (IAS 18.7.). Vermittlungsgeschäfte, bei denen der Händler als Agent für einen Lieferanten tätig wird und die damit lediglich für den Lieferanten vereinnahmt werden, sind nicht als Umsatz auszu­weisen.

Für die Unterscheidung, ob ein Händler nicht Stellvertreter eines Lieferanten, son­dern selbstständiger Träger der maßgeblichen Risiken und Chancen (significant risks and rewards) ist, enthält IAS 18 keine detaillierte Regelung. Unter Rückgriff auf die US-GAAP-Vorschrift EITF 99-19 (Reporting Revenue Gross as a Principal versus Net as an Agent) können konkrete Indikatoren herangezogen werden, um zu ermitteln, in welcher Höhe der Umsatz ausgewiesen werden kann.

Die folgenden Kriterien sprechen dafür, dass der Händler selbstständiger Träger der maßgeblichen Risiken und Chancen ist und damit den Umsatz selbst realisiert:

Der Händler • ist der primär zur Leistung verpflichtete Vertragspartner aus seinem Absatz­

geschäft, das heißt, er ist im Wesentlichen verantwortlich für die Erfüllung des Geschäfts und die Akzeptanz des Kunden,

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20 IFRS in der Praxis: 40 Bilanzierungs- und Bewertungsfragen für den Handel

• trägt die grundsätzlichen Bestandsrisiken, • hat die Möglichkeit eigener Preisgestaltung, • wählt seine Lieferanten selbst aus, • bestimmt die angebotenen Waren und zu erbringenden Leistungen selbst, • trägt das Risiko eines Untergangs der zu übertragenden Güter und • trägt das Kreditrisiko.

Keiner dieser Indikatoren ist für sich betrachtet entscheidend. Die relative Stärke der einzelnen Indikatoren soll jedoch bei der Beurteilung Beachtung finden, wobei die drei erstgenannten Indikatoren als starke Indikatoren anzusehen sind.

Erhält der Händler allerdings lediglich eine Provision als Vergütung für seine Leistungen, kann dies als Anzeichen gewertet werden, dass er nicht Träger der maßgeblichen Risiken und Chancen ist. Eine Erfassung eigener Umsätze aus dem Verkauf der Waren durch den Händler (Bruttoausweis) scheidet daher aus. Allerdings sind die oben genannten Kriterien in ihrer Gesamtheit zu beurteilen und auf Basis der vertraglichen Vereinbarung zwischen Händler und Lieferanten zu untersuchen. Ausschlaggebend ist das Gesamtbild der Verhältnisse. Einzelne der genannten Umstände können dabei stärker zu gewichten sein als andere.

Auch wenn kein Bruttoausweis, sondern nur ein Ausweis der erhaltenen Con­cessions-Provisionen erfolgt, können im Konzernanhang und gegebenenfalls im Konzernlagebericht erläuternde Angaben zu den zugrunde liegenden Umsatzerlösen erfolgen. Somit kann den Berichtsadressaten die Umsatzbasis für Concessions-Umsätze zumindest in Form zusätzlicher Erläuterungen dargelegt werden.

Beispiel:

Das Warenhaus Kaufrausch hat einen Untermietvertrag über 200 m2 mit dem Textillieferanten Samtweich abgeschlossen. Da Samtweich über keine eigenen Mitarbeiter verfügt, wird auch das Verkaufspersonal von Kaufrausch eingesetzt. Für die Untervermietung und die Inanspruchnahme der Dienstleis­tungen erhält Kaufrausch zehn Prozent des erzielten Umsatzes als „Miet­ertrag“. Kaufrausch trägt weder ein Bestandsrisiko noch ein Kreditrisiko. Im Geschäftsjahr 2007 hat Samtweich 5.000 € Umsatz erzielt; Kaufrausch hat entsprechend 500 € als Provisionsvergütung erhalten.

Kaufrausch kann Umsatzerlöse nur in Höhe von 500 € ausweisen, da diewesentlichen Chancen und Risiken beim Lieferanten verbleiben.

Abweichungen nach HGB

Grundsätzlich bestehen hinsichtlich der Realisierung von Umsatzerlösen keine wesentlichen Abweichungen zwischen IFRS und Handelsrecht. Bezüglich der Bilanzierung von Vermittlungs- und Kommissionsgeschäften entspricht es dem wirtschaftlichen Charakter des Geschäfts, in der GuV nur die erhaltenen

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B Umsatzrealisierung 21

9In welcher Form sind Rück­nahmeverpflichtungen bei der Umsatzrealisierung zu berück­sichtigen?

Provisionen unter den Umsatzerlösen auszuweisen, auch wenn (bei Kommissions­geschäften) der Kommissionär nach außen im eigenen Namen auftritt. (ADS § 227 Anmerkung 27)

Hintergrund

Das deutsche Zivilrecht räumt dem privaten Kunden aus Gründen des Verbraucher­schutzes bei verschiedenen Vertragsarten ein Widerrufsrecht ein. Von besonderer Bedeutung sind dabei Fernabsatzverträge, unter die Verträge im klassischen Versandhandel fallen. Das Widerrufsrecht kann vom Händler in ein Rückgaberecht umgewandelt werden, was für den Händler den Vorteil hat, dass der Vertrag nur durch Rücksendung der Ware gelöst wird. Dies vereinfacht die Logistik und redu­ziert das Bestandsrisiko. Formell ist das allgemeine Rückgaberecht mit einem Kauf auf Probe gleichzustellen.

Behandlung nach IFRS

Bei Vorliegen von Rückgabe- oder Widerrufsrechten hängt die Gewinnrealisierung nach IAS 18.16 davon ab, ob der Händler die Wahrscheinlichkeit der Rückgabe ein­schätzen kann. Hierzu sollte anhand valider Erfahrungswerte aus der Vergangen­heit eine Rückgabequote pro Artikel bzw. Warengruppe ermittelt worden sein, damit eine Projektion künftiger Rücknahmeverpflichtungen vorgenommen werden kann. Wenn dies der Fall ist, kann der Umsatz insoweit realisiert werden, als nicht mit einer Rücklieferung gerechnet wird. Für die Kosten der Rücknahmen muss eine Rückstellung passiviert werden. Sind die Forderungen aus den retouren­behafteten Lieferungen zum Bilanzstichtag noch offen, kann anstelle einer Rück­stellung auch eine Wertminderung der Forderungsbestände in Höhe der erwar­teten Rohertragsminderung gezeigt werden.

Sollte ein Händler den Umfang der Warenrücklieferungen nicht abschätzen können, darf keine Umsatzrealisierung erfolgen. Dies kann beispielsweise bei neuen Produkten oder Waren der Fall sein, für welche noch keine Erfahrungswerte aus der Vergangenheit vorliegen. In diesem Fall darf der Umsatz erst realisiert werden, wenn das Rücklieferungsrecht erloschen ist.

Beispiel:

Das Versandhandelsunternehmen Lieferglück gewährt seinen Kunden ein zweiwöchiges Rückgaberecht für alle Produkte. Voraussetzung ist, dass die Produkte sich in der Originalverpackung befinden, ungebraucht sind und sich somit zum Weiterverkauf eignen. Im Dezember 2007 wurden Hemden für 3.000 € verkauft (die Umsatzsteuer wird hier zur Vereinfachung vernachlässigt).

Aus Erfahrungen der Vergangenheit wird damit gerechnet, dass zehn Prozent der Hemden zurückgeschickt werden. Die Kunden können die Hemden gegen andere Waren umtauschen oder eine Rückerstattung in Bar erlangen. Zur Vereinfachung soll ferner davon ausgegangen werden, dass der Um­tausch von bereits umgetauschten Artikeln ausgeschlossen ist.

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22 IFRS in der Praxis: 40 Bilanzierungs- und Bewertungsfragen für den Handel

Das Versandhaus darf in diesem Fall zunächst nur Umsatzerlöse in Höhe von 2.700 € realisieren, da in Höhe von 300 € (zehn Prozent von 3.000 €) Retouren erwartet werden. In Höhe der erwarteten Kosten der Retouren ist eine Rück­stellung zu bilden. Da zu den Kosten der Retouren nicht die unrealisierten Um­satzerlöse in voller Höhe gehören, sondern lediglich der entgehende Rohertrag, wird in der Regel auch eine Anpassung der Umsatzkosten vorzunehmen sein.

Abweichungen nach HGB

Auch im Handelsrecht sind bei Verkäufen mit Rückgabe- oder Widerrufsrechten Rückstellungen für Retouren zu bilden. Die Bildung der Rückstellung ist wie nach IFRS von den Umsätzen abzusetzen. Ein konzeptioneller Unterschied besteht nach HGB darin, dass die Rückstellungsbildung unter dem Gesichtspunkt der Risikovorsorge und daher nur in Höhe der Ergebnisauswirkung erfolgt.

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C Industrievergütungen

10Wie sind Vergütungen durch Hintergrund

Lieferanten in der Gewinn- und Neben der Abgrenzung in der Bilanz (vgl. Frage 6) stellt sich bei Industrievergü­Verlustrechnung sowie in der tungen insbesondere die Frage nach der Zuordnung des entsprechenden Ertrags Bilanz abzubilden? in der Gewinn- und Verlustrechnung. Hieraus ergeben sich Folgeauswirkungen auf

die Bewertung der Handelswaren sowie für die Herleitung handelsspezifischer Kennzahlen. Zudem stellt sich die Frage nach der unterjährigen Abgrenzung in Zwischenabschlüssen (vgl. hierzu Frage 11).

Behandlung nach IFRS

Ein umfassendes Regelungswerk bezüglich der Klassifizierung von Vergütungen der Industrie in der Gewinn- und Verlustrechnung existiert mit Ausnahme der Regelungen des IAS 18 zu Erlösen unter IFRS nicht. Daher ist über IAS 18 hinaus auf die allgemeinen Vorschriften des Frameworks und der anderen Standards sowie gegebenenfalls auf die Regelungen anderer Standardsetter zurückzugreifen. Ein explizites Regelwerk existiert unter US-GAAP mit EITF 02-16 (Accounting by a Customer [Including a Reseller] for Certain Consideration Received from a Vendor).

Grundsätzlich können Industrievergütungen in drei Kategorien eingeteilt werden:

a) Erbrachte Dienstleistung Sofern die Vergütung für eine Gegenleistung oder eine Gegenlieferung des Handels­unternehmens gewährt wird, handelt es sich unter den Voraussetzungen des IAS 18 um einen Ertrag in Form von Umsatzerlösen oder sonstigen betrieblichen Erträgen.

Eine Gegenleistung des Handelsunternehmens kann z.B. dadurch gegeben sein, dass die Vergütung für eine bestimmte Vermittlungsleistung gewährt wird (wie z.B. die Vermittlung eines Servicevertrags oder einer Finanzierung) oder dass bei­spielsweise dem Lieferanten Verkaufs- oder Präsentationsflächen zur Verfügung gestellt werden. Entscheidend ist, dass die Gegenleistung von der eigentlichen Lieferung eindeutig getrennt werden kann, das heißt, das empfangende Unter­nehmen hätte die Leistung ebenso gut für ein drittes Unternehmen erbringen können und hätte dafür eine vergleichbare Vergütung erhalten.

Darüber hinaus müssen die in IAS 18 genannten Voraussetzungen erfüllt sein (also insbesondere zuverlässige Messbarkeit des Erlöses und die Wahrscheinlich­keit des Zuflusses des wirtschaftlichen Nutzens. Denkbar ist auch, dass es sich um die Vergütung für die Lieferung eines Vermögenswertes handelt, wobei dieser Fall eher selten auftreten dürfte.

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24 IFRS in der Praxis: 40 Bilanzierungs- und Bewertungsfragen für den Handel

Je nachdem, ob die Gegenleistung oder -lieferung dem Kerngeschäft des Handels­unternehmens zuzurechnen ist oder nicht, kann es sich um Umsatzerlöse oder sonstige betriebliche Erträge handeln. Ein Beispiel für den Ausweis als Umsatz­erlöse sind Provisionen für die Vermittlung von Handyverträgen, soweit dieses Geschäft einen solchen Umfang hat, dass es nicht als ein Neben-, sondern eher als ein Kerngeschäft des Händlers einzustufen ist. Sonstige Erträge liegen bei­spielsweise in Fällen vor, in denen der Händler eine Vergütung erhält, weil er dem Lieferanten besondere Präsentationsflächen zur Verfügung stellt.

b) Kostenerstattung Sofern genau spezifizierte Kosten erstattet werden, kommt unter Berücksichti­gung der Anforderungen des IAS 1.34 eine Saldierung mit dem entsprechenden Aufwandsposten in Frage. Dies ist beispielsweise bei genau spezifizierten Werbe­kostenzuschüssen der Fall. Entscheidendes Kriterium ist hier, dass spezifische, zusätzliche und einzeln identifizierbare Kosten erstattet werden und sich Kosten­entstehung und Kostenerstattung auf ein und denselben Sachverhalt beziehen (Beispiel: Ein Hersteller ersetzt einem Einzelhändler den Aufwand für einen ganz bestimmten Werbeflyer, dessen Produktions- und Herstellungskosten genau bestimmbar und abgrenzbar sind und in dem die Produkte des Herstellers bewor­ben werden). Nicht einzeln identifizierbar sind dagegen allgemeine Zuschüsse eines Lieferanten zu den Werbeaufwendungen eines Handelsunternehmens. Diese Fälle sind unten unter c) zu erfassen. Die Grenzen für die Saldierung müssen eng gezogen werden. Der unmittelbare Zusammenhang zwischen Aufwandsent­stehung und Aufwandserstattung muss nachweisbar sein, um die Saldierung vor­nehmen zu können.

c) Warenbezogene Preisreduktion In allen anderen Fällen handelt es sich bei der Zahlung durch den Lieferanten grundsätzlich um eine Rückvergütung auf den Warenbezug und damit um eine Minderung der Einstandskosten. Diese Klassifizierung trifft auch auf solche Bestandteile der Vergütungen nach a) und b) zu, die über den beizulegenden Zeitwert der erbrachten Leistung oder die Höhe der zu erstattenden Kosten hinausgehen.

Eine ganze Reihe von Fragen ergibt sich bezüglich der Behandlung von Industrie­vergütungen in der Bilanz. Grundsätzlich sind aus der Vergütung entstehende Ansprüche als Forderungen gegen den Lieferanten auszuweisen. Dazu muss das Unternehmen die aus der Vergütung resultierenden Zahlungsmittelzuflüsse auf­grund der vertraglichen Vereinbarungen mit dem Lieferanten kontrollieren können.

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C Industrievergütungen 25

Eine nur teilweise Realisierung der Lieferantenforderung kommt nach den Grund­sätzen des IAS 18 dann in Betracht, wenn die Laufzeit des Vertrags über den Bilanzstichtag hinausgeht und folglich der Ertrag bzw. die Kostenminderung am Stichtag nur teilweise realisiert ist. Dies ist beispielsweise der Fall, wenn eine mehrjährige Vereinbarung getroffen wird oder aber wenn die Vereinbarung mit dem Lieferanten über ein Kalenderjahr geschlossen wurde, das Geschäftsjahr des Händlers aber vom Kalenderjahr abweicht.

Voraussetzung für die anteilige Erfassung einer Forderung ist, dass das bilanzie­rende Unternehmen aus der vertraglichen Gestaltung unter anderem einen (durchsetzbaren) Anspruch gegen den Lieferanten auf Leistung der Vergütung besitzt, der Zufluss des wirtschaftlichen Nutzens wahrscheinlich ist und es ein geeignetes Verfahren zur Hochrechnung der bereits erbrachten Leistung gibt (also z.B. mittels eines Programms zur Berechnung der Lieferantenvergütungen, in dem sowohl die Vertragskonditionen als auch die relevanten Inputdaten verwal­tet werden).

Sofern Vergütungen bereits vereinnahmt wurden, für die die Gegenleistung aber noch zu erbringen ist, ist in Höhe der noch zu erbringenden Leistung eine Abgren­zung (deferred income) vorzunehmen.

Sofern ein gesetzliches oder vertragliches Recht zur Aufrechnung hinsichtlich der Vergütungsansprüche mit den Verbindlichkeiten gegenüber dem Lieferanten besteht und die Aufrechnung tatsächlich beabsichtigt ist (z.B. im Rahmen eines regelmäßigen Kontokorrentausgleichs), sind die Forderungen aus den Lieferanten­vergütungen mit den Verbindlichkeiten gegenüber dem gleichen Lieferanten auf­zurechnen (IAS 32.42), woraus sich unter Umständen eine erhebliche Verkürzung der Bilanz ergibt.

Soweit die Lieferantenvergütung eine Erstattung der Einstandskosten darstellt, ergibt sich eine unmittelbare Auswirkung auf die Warenbewertung (vgl. dazu auch Frage 6), da insofern eine Anschaffungskostenminderung vorliegt (IAS 2.11).

Je nach Vertragsgestaltung kann die Verteilung zentral (z.B. auf Konzernebene) vereinnahmter Vergütungen auf einzelne operative Einheiten oder Segmente erforderlich sein, denen sie wirtschaftlich zuzuordnen sind. Dazu ist ein Vertei­lungsschlüssel anzuwenden, der objektiv nachvollziehbar ist.

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26 IFRS in der Praxis: 40 Bilanzierungs- und Bewertungsfragen für den Handel

Das folgende Schaubild fasst die vorstehenden Ausführungen zusammen.

Kate

gorie

Lieferantenvergütungen

Beis

piel

e

Warenbezogene Preisreduktion Kostenerstattung Erbrachte Dienstleistung

• Staffelboni • Jahresboni • Allgemeine Verkaufsförderung

ohne bestimmte Werbeaktion

• Zweckgebundene Werbekostenzuschüsse (WKZ) für Anzeigen, Flyer, Promotionen, Handzettel

• Kassenplatzierung • Auflegung und Durchführung

einer Marktstudie

Bila

nzie

rung

Ware wurde bereits

umgeschlagen

Ware ist noch auf Lager

Minderung der Nachträgliche Saldierung mit entsprechenden Ausweis als sonstiger betrieb-Umsatzkosten Anschaffungs- Aufwendungen licher Ertrag oder Umsatzerlös

kosten­minderung

Abweichungen nach HGB

Im Vergleich zu den dargestellten Bilanzierungsgrundsätzen nach IFRS ergeben sich nach HGB Unterschiede hinsichtlich des Ausweises von Kostenerstattungen aufgrund des generellen Verrechnungsverbots nach § 246 Abs. 2 HGB.

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C Industrievergütungen 27

11Wie sind Lieferantenver­gütungen in einem Zwischen­bericht abzugrenzen?

Hintergrund

Aufgrund verschiedener gesetzlicher Regelungen sowie gegebenenfalls börsen­rechtlicher Vorschriften sind viele Handelsunternehmen verpflichtet, Zwischen­berichte aufzustellen und offenzulegen. Teilweise erfolgt die Berichterstattung auch freiwillig aus Gründen der Unternehmenskommunikation. Während sich der Wareneinkauf und -verkauf im Einzel- und Großhandel regelmäßig zeitlich eindeu­tig abgrenzen und somit den einzelnen Zwischenberichtsperioden zuordnen lassen, trifft dies auf die nachlaufenden Vergütungen häufig nicht zu, da die Bemessungs­grundlage oftmals auf Basis einer längeren oder abweichenden Zeitperiode ermittelt wird (z.B. bei Rückvergütungen auf das Einkaufsvolumen eines ganzen Geschäfts­jahres oder abweichendem Geschäftsjahr des Lieferanten). In diesen Fällen ergibt sich die Schwierigkeit einer wirtschaftlich zutreffenden Zuordnung auf die Zwischen­berichtsperioden. Eine wesentliche Rolle spielt hier auch der im Einzel- und Groß­handel oft vorzufindende stark saisonale Geschäftsverlauf. Schließlich werden nicht selten Vergütungen in Form von gestaffelten Vereinbarungen getroffen, die unter Umständen nur auf Jahresbasis, nicht jedoch bereits in den ersten Quartalen erreicht werden. Wegen der regelmäßig sehr umfangreichen Rückvergütungen im Handel können sich aus der Bilanzierung signifikante Auswirkungen auf die unterjährige Darstellung der Ertragslage des Unternehmens ergeben. Gleiche Fragestellungen ergeben sich darüber hinaus auch bei einem abweichenden Wirtschaftsjahr, da Lieferantenvergütungen häufig für Kalenderjahre ausgehandelt werden.

Behandlung nach IFRS

Die Zwischenberichterstattung nach IFRS ist in IAS 34 geregelt. Grundsätzlich sind in einem Zwischenbericht nach IAS 34.28 die gleichen Ansatz- und Bewer­tungsregeln anzuwenden wie in dem (Konzern-)Abschluss zum Jahresende. Darüber hinaus sieht IAS 34.37 f. ein grundsätzliches Verbot vor, saisonal verein­nahmte Erträge über das gesamte Jahr zu „glätten“.

Daraus ergibt sich, dass in Bezug auf die Rückvergütungen die gleichen Abgren­zungsgrundsätze anzuwenden sind wie im Jahresabschluss. Falls also eine Rück­vergütung abhängig von der Erreichung eines bestimmten Einkaufsvolumens gewährt wird, ist die anteilige Minderung der Warenbezugskosten hieraus auf Grund­lage des zum Stichtag des Zwischenberichts bereits erreichten Einkaufsvolumens abzugrenzen. Vergütungen, die einmalig aufgrund eines bestimmten Ereignisses gewährt werden, können dagegen regelmäßig nicht abgegrenzt werden, wenn das Ereignis zum Stichtag des Zwischenberichts noch nicht eingetreten ist. In diesen Fällen liegt nämlich kein ansatzfähiger Vermögenswert im Sinne des F.53 ff. vor, da das Unternehmen den Zufluss von finanziellen Vermögenswerten noch nicht auf­grund eines Ereignisses der Vergangenheit kontrollieren kann, vgl. auch IAS 34.B23.

Häufig sind gestaffelte Vergütungsvereinbarungen vorzufinden. Zum Beispiel wird eine Rückvergütung in Höhe von einem Prozent auf das Einkaufsvolumen gewährt, wenn bis zu 1.000 Stücke bezogen werden, ab 1.001 Stücke werden drei Prozent auf das gesamte Volumen gewährt. Wenn zum Ende des ersten Quartals lediglich 600 Stücke bezogen wurden, stellt sich die Frage, welcher Prozentsatz für die unterjährige Abgrenzung heranzuziehen ist.

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28 IFRS in der Praxis: 40 Bilanzierungs- und Bewertungsfragen für den Handel

Wenn es aufgrund der Vergangenheitserfahrung und der aktuellen Planung wahr­scheinlich ist, dass tatsächlich das höhere Einkaufsvolumen auf Ebene des Ge­samtjahres erreicht werden wird, ist der höhere Prozentsatz (hier also drei Prozent) für die Abgrenzung der bereits erreichten Vergütung zugrunde zu legen (vgl. dazu auch IAS 34.B23).

Beispiel:

Der Hemdenlieferant Bügelfrei schließt mit dem Warenhaus Kaufrausch einen Einkaufsvertrag mit den folgenden Konditionen ab: Ab einem Volumen von 500 Hemden erhält Kaufrausch eine Rückvergütung von einem Prozent auf das Einkaufsvolumen. Ab einem Einkaufsvolumen von 1.500 Hemden wird eine Rückvergütung von zwei Prozent gewährt. Der Einkaufspreis pro Hemd beträgt 10 €. Zum 31.03.2007 hat Kaufrausch bereits 600 Hemden verkauft; in der Hochrechnung und aus den Erfahrungen der Vergangenheit wird ein Umsatz von 2.000 Hemden für das Gesamtjahr 2007 erwartet. Somit ist es sehr wahrscheinlich, dass Kaufrausch eine Rückvergütung von zwei Prozent auf das Einkaufsvolumen erhält.

Geplantes Einkaufsvolumen 2007

(= IST) €

2.100

2% =

IFRS nachlaufendeVergütung

420 Total

Q4 2007: 800

Q3 2007: 300

Q2 2007: 400

Q1 2007: 600

Q4 2007: 160

Q3 2007: 60

Q2 2007: 80

Q1 2007: 120

Volumengrenze für Rückvergütung 2 %

Volumengrenze für Rückvergütung 1%

Nach IFRS sind bereits zum 31.03.2007 (Q1) Rückvergütungen von 120 € (zwei Prozent von 600 €) zu berücksichtigen.

Abweichungen nach HGB

Im Grundsatz ist die unterjährige Abgrenzung vergleichbar derjenigen nach IFRS vorzunehmen. Ein entscheidender Unterschied besteht in der Berücksichtigung von gestaffelten Einkaufskonditionen. Unter HGB greift hier eher das Vorsichts­und Realisationsprinzip des § 252 Abs. 1 Nr. 4 HGB. Dementsprechend wäre regelmäßig nur der bereits zum Stichtag erreichte Staffelsatz anzuwenden, da ansonsten noch nicht realisierte Gewinne abgegrenzt würden. In dem obigen Beispiel wäre nach HGB zum 31.03.2007 (Q1) nur eine Rückvergütung in Höhe von 60 € zu bilanzieren.

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D Werbung und Kundenbindungsprogramme

12Was ist bei der Erfassung Hintergrund

von Werbeaufwand zu Im Handel werden regelmäßig vielfältige Aufwendungen getätigt, um Kunden zu beachten? finden, das Angebot zu präsentieren oder den Kunden zu einem höheren Konsum

anzuregen. Für den Bilanzierenden stellt sich dabei die Frage, wie Werbemaßnah­men zu bilanzieren sind, das heißt insbesondere, zu welchem Zeitpunkt sie das Periodenergebnis belasten.

Behandlung nach IFRS

Grundsätzlich sehen die IFRS vor, dass Werbeaufwand in der Periode aufwands­wirksam zu erfassen ist, in der er angefallen ist (IAS 38.68), sofern nicht ein akti­vierungsfähiger materieller Vermögenswert vorliegt. Beispiele für aktivierungs­fähige Vermögenswerte wären Werbebanner oder Leuchtreklamen.

Liegt kein aktivierungsfähiger Vermögenswert vor, so hat der Bilanzierende weiter zu berücksichtigen, dass der Werbeaufwand abzugrenzen ist (deferred expenses), soweit er zum Stichtag noch nicht angefallen, aber bereits bezahlt wurde. Dabei gelten Aufwendungen als „angefallen“, wenn die Aufwendungen für die Güter oder Dienstleistungen, die benötigt werden, um eine Werbeaktion herzustellen oder zu kommunizieren, geleistet wurden (beispielsweise Aufwendungen an eine Agentur für die Erstellung eines Werbeplakats).

Hierzu einige Beispiele:

a) Katalogkosten Kataloge haben aufgrund ihrer vorhandenen physischen Substanz zweifelsohne auch einen materiellen Charakter. Die materielle Komponente bildet jedoch nur das Trägermedium, da grundsätzlich der über den Katalog vermittelte Inhalt in Form des angebotenen Sortiments im Vordergrund steht.

Kataloge, die ohne Berechnung an mögliche Kunden verteilt werden, zählen daher nicht zu den Vorräten oder zum Betriebs- und dem Sachanlagevermögen. Die Kosten für Kataloge fallen daher unter das Aktivierungsverbot des IAS 38.68. Unserer Meinung nach sind die Kosten für die Erstellung und Produktion der Kataloge abzugrenzen. Die Abgrenzung ist ergebniswirksam aufzulösen, wenn die Kataloge an die Kunden verteilt werden. Die Behandlung von Werbeaufwand gemäß IAS 38 wird voraussichtlich durch das erste Annual Improvement Project geändert werden.

b) Gratisartikel Gratisartikel kommen in verschiedenen Formen vor. Häufige Varianten sind Warenmuster, die unentgeltlich abgegeben werden oder aber Kundenaktionen im Sinne von „Buy one get one for free“. Für die Bilanzierung ist es dabei wichtig, ob die Ware ohne Berechnung von der Ware unterschieden werden kann, die zum regulären Preis abgegeben werden soll.

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30 IFRS in der Praxis: 40 Bilanzierungs- und Bewertungsfragen für den Handel

Ist die Ware nicht unterscheidbar, wie beispielsweise bei der Variante „Beim Kauf von drei Paar Schuhen ist ein Paar Schuhe gratis“, so muss grundsätzlich davon ausgegangen werden, dass die Handelsware zum Verkauf vorgesehen ist und eine Gewinnerzielungsabsicht besteht.

Die Handelswaren sind als Vorräte nach den allgemeinen Bilanzierungsvorschrif­ten des IAS 2 zu erfassen, da zum Stichtag noch nicht bekannt ist, ob ein Artikel mit oder ohne Berechnung abgegeben wird. Wird ein Umsatz getätigt, so ist diese Transaktion als Mehrkomponentengeschäft anzusehen, mit der Folge, dass der Umsatz auf alle drei Paar Schuhe zu verteilen ist. Im Ergebnis führt dies zu einer Verringerung der Umsatzmarge und damit gegebenenfalls bereits zum Stichtag zu einer Abwertung im Rahmen der verlustfreien Bewertung (vgl. hierzu Frage 7).

Abgesehen von der Vorwegnahme eines drohenden Verlustes im Rahmen der verlustfreien Bewertung erfolgt die Erfassung des Aufwands zum Zeitpunkt des Umsatzgeschäfts über den Abgang der Handelswaren. Ein Ausweis als Werbe­aufwand erscheint nicht sachgerecht.

Anders ist der Fall zu sehen, wenn unterscheidbare Ware vorliegt, da hier genau bestimmt werden kann, dass diese Ware nicht zum Verkauf vorgesehen ist. In diesem Fall ist für die Aufwendungen eine Abgrenzung zu bilden, die aufzu­lösen ist, wenn die Artikel verteilt werden. Sofern ein Hersteller Produkte an den Händler verkauft und dieser dann Verkaufsmuster an den Kunden ohne Berech­nung abgibt, würden die Warenmuster als Vorräte des Herstellers betrachtet.

Abweichungen nach HGB

Für die handelsrechtliche Behandlung von Werbemaßnahmen gelten die allgemei­nen Grundsätze für den Ansatz von immateriellen Vermögensgegenständen und Sachanlagen. Das Aktivierungsverbot für selbstgeschaffene immaterielle Vermö­gensgegenstände wird hier in der Regel nicht greifen, da es sich nicht um Ver­mögensgegenstände des Anlagevermögens handelt. Abgrenzungen in der Gewinn-und Verlustrechnung sind vorzunehmen, sofern Zahlungen geleistet, die Aufwen­dungen für eine bestimmte Zeit nach dem Stichtag darstellen. Es erscheint sach­gerecht, den Periodenbezug daran zu orientieren, wann eine Werbemaßnahme dem Kunden zugänglich wird. ©

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D Werbung und Kundenbindungsprogramme 31

13 Durch den Prämienanreiz wird eine intensivere Kundenbindung geschaffen, die letztendlich den Umsatz des Unternehmens steigern soll.

Bei jedem Einkauf werden dem Kunden z.B. Bonuspunkte in Abhängigkeit des Warenwertes gutgeschrieben oder vergleichbare Treueprämien gewährt. Der Kunde kann diese Bonuspunkte später ganz oder teilweise einlösen und erhält kostenlose oder reduzierte Waren oder aber auch Bargeld.

Wie sind Kundenbindungs- Hintergrund

programme zu bilanzieren? Kundenbindungsprogramme sind wichtige Marketinginstrumente im Handel.

In vielen Fällen wird das Bonussystem von einem Serviceanbieter verwaltet.

Unabhängig davon, wie ein Kundenbindungsprogramm im Einzelnen ausgestaltet ist, stellt sich regelmäßig die Frage, wie, wann und in welcher Höhe die Verpflich­tung aus den gewährten Bonuspunkten in der Buchhaltung zu erfassen ist.

Behandlung nach IFRS

Nach IFRS ist dieses Thema inzwischen verbindlich geregelt (IFRIC 13 Kunden­bonusprogramme in Verbindung mit IAS 18.13). Die nachfolgend beschriebene Vorgehensweise ist für Berichtsperioden, die am oder nach dem 01.07.2008 beginnen, verbindlich anzuwenden, kann aber auch früher angewendet werden.

Prämien stellen eigene Leistungen dar, die dem Kunden zu einem späteren Zeit­punkt zugehen. Entsprechend stellt der Verkauf der Ware zusammen mit dem zugehörigen Kundenbindungsprogramm ein Mehrkomponentengeschäft dar (IAS 18.13, IFRIC 13.5). Der Umsatzanteil, der auf die Prämienkomponente entfällt, ist daher zunächst passivisch abzugrenzen und wird in denjenigen Zeiträumen als Ertrag erfasst, in denen der Kunde den Prämienanspruch einlöst.

Die nach IFRIC 13 in Verbindung mit IAS 18.13 vorzunehmende Aufteilung der jeweiligen Transaktion erfolgt anhand des beizulegenden Zeitwertes der gewährten Treueprämie. Von dem Nettoverkaufspreis ist ein Betrag, der dem beizulegenden Zeitwert der gewährten Treueprämie entspricht, zunächst passivisch abzugrenzen, was zu einer Reduzierung des realisierten Umsatzerlöses führt. Der beizulegende Zeitwert entspricht dem Wert, zu dem der Prämienanspruch an einen unabhän­gigen Marktteilnehmer (at arm’s length transaction) verkauft werden könnte (vgl. IFRIC 13.6). Entscheidend ist also eine Marktperspektive, nicht dagegen die Frage, welche Kosten für die Erfüllung des Prämienanspruchs erwartungsgemäß anfallen werden. Bei Einlösung der Prämie sind dann die abgegrenzten Umsatz­erlöse erfolgswirksam zu realisieren. Dabei ist das Verhältnis zwischen den tat­sächlich eingelösten Prämien im Verhältnis zu der erwarteten Anzahl aller einge­lösten Prämien zu berücksichtigen (das heißt, wenn von vornherein die begründete Erwartung besteht, dass nicht alle Prämien eingelöst werden, ist entsprechend bereits bei der Erfassung des Grundgeschäfts ein höherer Anteil als Umsatzerlös zu realisieren). Gleichzeitig ist der Aufwand aus der Gewährung der Prämien (also

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32 IFRS in der Praxis: 40 Bilanzierungs- und Bewertungsfragen für den Handel

z.B. der Wareneinsatz bzw. der Aufwand für die Erbringung einer Dienstleistung) zu realisieren, was zu einem entsprechenden Effekt auf den Rohertrag führt.

In die Ermittlung des Zeitwertes (fair value) gehen folgende Faktoren ein:

• hypothetischer Preisnachlass pro Kundenbonus, • Anteil der Bonuspunkte, die erwartungsgemäß eingelöst werden, • wenn verschiedene Prämien zur Auswahl stehen, die erwartete Auswahl der

Prämien und die jeweils resultierenden beizulegenden Zeitwerte, • Zinseffekte aus der Zeitspanne zwischen dem Umsatz und dem Einlösen der

Punkte

Wenn die Prämien über einen dritten Serviceanbieter abgewickelt werden und an diesen dafür Entgelte abgeführt werden, kann der abzuführende Betrag als Anhalts­punkt für die Berechnung des beizulegenden Zeitwertes herangezogen werden.

IFRIC 13 gilt nicht für Prämien, die in Geld eingelöst werden können, da insofern kein nachträgliches Umsatzgeschäft vorliegt. Vielmehr wäre hierfür eine finanzielle Verbindlichkeit abzugrenzen mit entsprechender Kürzung der Umsatzerlöse.

Abweichungen nach HGB

Die unter IFRIC 13 zur Anwendung kommende Aufteilung eines Umsatzgeschäftes in mehrere Komponenten ist nach HGB nicht explizit vorgesehen. Vielmehr ergäbe sich hier eine Abgrenzung in Form einer Rückstellung für ungewisse Verpflichtun­gen mit einer entsprechenden Gegenbuchung in den Umsatzerlösen.

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E Wertminderungsprüfungen

14Zu welchen Anlässen sindWertminderungsprüfungendurchzuführen?

Hintergrund

Das Betreiben von Handelsgeschäften bindet in erheblichem Umfang Kapital. Die Bilanzen von Handelsunternehmen weisen daher in der Regel in wesentlichem Umfang Sachanlagevermögen und immaterielle Vermögenswerte wie Grund und Boden, Verwaltungs- und Filialbauten, Ladeneinrichtungen und Läger oder aber Geschäfts- oder Firmenwerte aus.

IFRS schreibt vor, die Werthaltigkeit von Vermögenswerten unter bestimmten Umständen zu überprüfen. Ziel dieser Wertminderungsprüfungen ist, dass die Aktiva nicht höher bewertet sind als ihr erzielbarer Betrag. Liegt der „erzielbare Betrag“ unter dem Buchwert, so hat eine Abschreibung zu erfolgen.

Dieses Kapitel beschäftigt sich mit verschiedenen Praxisfragen, angefangen von der Abgrenzung der Bewertungseinheiten, der Frage nach dem Zeitpunkt oder dem Anlass für eine Wertminderungsprüfung bis hin zu der Frage, wie eine Wertminderungsprüfung durchgeführt werden muss (vgl. Fragen 14–19).

Behandlung nach IFRS

IAS 36 unterscheidet die anlassbezogene und die jährlich durchzuführende Wert­minderungsprüfung.

Eine anlassbezogene Wertminderungsprüfung ist regelmäßig dann vorzunehmen, wenn zum Abschlussstichtag ein Anhaltspunkt (triggering event) für eine mögliche Wertminderung vorliegt. Anlässe können beispielsweise die schlechte Rentabilität einer Filiale, eine Sortimentsumstellung oder die Aufgabe oder Verlagerung eines Geschäftsteils sein.

Unabhängig von der anlassbezogenen Wertminderungsprüfung ist für bestimmte Gruppen von Vermögenswerten einmal jährlich ihr Wert zu überprüfen. Hierzu zählen:

• Geschäfts- oder Firmenwerte, • immaterielle Vermögenswerte mit unbestimmter Nutzungsdauer, • immaterielle Vermögenswerte, die noch nicht genutzt werden können

Die jährlich durchzuführenden Wertminderungsprüfungen müssen nicht zwingend auf den Stichtag erfolgen. Der Zeitpunkt ist frei wählbar. Ein einmal gewählter Zeitpunkt ist jedoch beizubehalten.

Aufgrund der Komplexität von Wertminderungsprüfung bietet sich in der Praxis häufig ein Zeitpunkt zwischen der jährlichen Budgetplanung und dem Abschluss­stichtag an.

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34 IFRS in der Praxis: 40 Bilanzierungs- und Bewertungsfragen für den Handel

15Wie sind zahlungsmittel­generierende Einheiten (ZGE) im Handel abzugrenzen?

Abweichungen nach HGB

Über die planmäßigen Abschreibungen hinausgehende Wertminderungen des Anlagevermögens sind nach dem deutschen Handelsrecht zu berücksichtigen, wenn der beizulegende Wert den Buchwert voraussichtlich dauerhaft unterschrei­tet. Der beizulegende Wert richtet sich je nach Einzelfall nach dem Börsen- oder Marktpreis, Wiederbeschaffungswert, Einzelveräußerungswert, Ertragswert oder auch dem Barwert zukünftig erwarteter Zahlungsströme. Außerplanmäßige Abschreibungen werden grundsätzlich nach dem Grundsatz der Einzelbewertung pro Vermögensgegenstand ermittelt. Spezielle Regelungen zum Zeitpunkt eines Wertminderungstests gibt es nach HGB nicht. Es ist davon auszugehen, dass die Prüfung der Werthaltigkeit der Vermögensgegenstände zum Stichtag zu erfolgen hat. Analog zu IFRS ist die Prüfung einer Wertminderung erforderlich, sobald es Anhaltspunkte für eine mögliche Wertminderung gibt.

Hintergrund

Häufig ist es nicht möglich, die Werthaltigkeit für einen einzelnen Vermögenswert zu bestimmen, weil der Vermögenswert nicht alleine, sondern nur in Verbindung mit anderen Vermögenswerten Mittelzuflüsse generiert. Als Bewertungseinheit wird daher jeweils die kleinste Gruppe an Vermögenswerten zusammengefasst, die Zahlungsmittel generiert, die weitgehend unabhängig von den Mittelzuflüssen von einer anderen Einheit generiert werden. Eine solche Gruppe wird als zahlungs­mittelgenerierende Einheit (ZGE) (Cash-generating Unit (CGU)) bezeichnet.

Die Identifizierung von ZGE erfordert ein erhebliches Urteilsvermögen und ist einer der schwierigsten Aspekte bei Wertminderungsprüfungen.

Behandlung nach IFRS

Der Schlüssel bei der Identifizierung von ZGE liegt in der Fragestellung, welche Gruppe von Vermögenswerten unabhängige Zahlungsmittelzuflüsse erwirtschaftet. Dabei ist zu berücksichtigen, in welcher Weise die Geschäftstätigkeit in den Managementprozess eingebunden ist und wie Entscheidungen über die Fortfüh­rung oder die Veräußerung von Vermögenswerten getroffen werden. Letztendlich entscheidend sind jedoch voneinander unabhängige Zahlungsmittelzuflüsse. Es ist nicht entscheidend, ob Zahlungsmittelabflüsse beispielsweise für den Warenbezug oder im Personalbereich zentral für mehrere Einheiten gesteuert werden.

In einem Handelsunternehmen kommen als ZGE – in Abhängigkeit von der Orga­nisation des Unternehmens und den betrachteten Vermögenswerten – unter­schiedliche Detaillierungsgrade in Betracht. In der Regel wird eine einzelne Filiale aufgrund ihrer eigenständigen Kundenbasis die Obergrenze für die Zusammen­fassung von Vermögenswerten zu einer ZGE bilden (hinsichtlich der Behandlung von Geschäfts- oder Firmenwerten verweisen wir auf Frage 17).

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E Wertminderungsprüfungen 35

16Wie sind gemeinschaftliche Vermögenswerte (sogenannte Corporate Assets) im Rahmen des Wertminderungstests zu berücksichtigen?

Beispiel:

Die Filiale Kaufrausch24 gehört zu der Handelskette Kaufrausch. Der Waren­einkauf wird zentral für alle Filialen der Handelskette organisiert. Die Preis­gestaltung, das Marketing und der Personalbereich werden durch Kaufrausch ebenfalls zentral gesteuert.

Die Auswahl von Kassenkräften und Verkaufspersonal erfolgt durch Kauf­rausch24. Zu Kaufrausch gehören fünf weitere Filialen, die in der gleichen Stadt wie Kaufrausch24 sind, sowie 20 weitere Filialen in anderen Städten.

Alle Filialen werden in gleicher Weise gesteuert. Im Beispiel soll angenom­men werden, dass alle Filialen – auch die in derselben Stadt – eine unter­schiedliche Kundenbasis haben.

Wie ist die ZGE von Kaufrausch24 abzugrenzen?

Aufgrund der unterschiedlichen Kundenbasis ist davon auszugehen, dass die Zahlungsmittelzuflüsse von Kaufrausch24 unabhängig von den anderen Filialen generiert werden. Aus diesem Grund wird Kaufrausch24 als eine eigene ZGE definiert.

Abweichungen zu HGB

Das Konzept der ZGE ist handelsrechtlich nicht bekannt. Für die Bewertung im Jahresabschluss gilt der Grundsatz der Einzelbewertung, das heißt, jeder Vermö­gensgegenstand und jeder Schuldposten ist bei der Aufstellung der Bilanz grund­sätzlich wertmäßig einzeln zu berücksichtigen.

Hintergrund

Als gemeinschaftlicher Vermögenswert (Corporate Asset) werden solche Vermö­genswerte bezeichnet, die nicht einzelnen Verkaufseinheiten zugerechnet werden können, sondern die Gemeinschaftsfunktionen für mehrere oder alle Verkaufs­einheiten übernehmen. Beispiele hierfür sind das Gebäude der Hauptverwaltung oder das Zentrallager.

Gemeinschaftliche Vermögenswerte zeichnen sich dadurch aus, dass sie keine eigenständigen Mittelzuflüsse erwirtschaften, die unabhängig von den Mittelzu­flüssen der Verkaufseinheiten sind. Insofern können sie im Rahmen der Bilanzie­rung auch keine eigene ZGE bilden. Andererseits ist es aber auch nicht möglich, den Buchwert des gemeinschaftlichen Vermögenswertes vollständig einer belie­bigen ZGE zuzuordnen. Dennoch besteht auch für gemeinschaftliche Vermögens­werte die Verpflichtung, eine Wertminderungsprüfung durchzuführen, wenn auf einer höheren Ebene Anzeichen dazu vorliegen.

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36 IFRS in der Praxis: 40 Bilanzierungs- und Bewertungsfragen für den Handel

17Welcher Ebene sind Geschäfts- oder Firmenwerte zuzuordnen?

Behandlung nach IFRS

Im Rahmen des Wertminderungstests einer zahlungsmittelgenerierenden Einheit (ZGE) werden alle gemeinschaftlichen Vermögenswerte der zu prüfenden ZGE anteilig zugeordnet, sofern die Zuordnung auf einer vernünftigen und stetigen Basis durchgeführt werden kann.

Sofern ein Anhaltspunkt für eine Wertminderung eines gemeinschaftlichen Ver­mögenswertes vorliegt, wird der erzielbare Betrag für die (Gruppe von) ZGE(s) bestimmt, zu der der gemeinschaftliche Vermögenswert gehört. Ist der Buchwert höher als der erzielbare Betrag, ist eine Wertminderung in Höhe der Differenz zu berücksichtigen.

Abweichungen zu HGB

Das Konzept der ZGE ist handelsrechtlich nicht bekannt. Für die Bewertung im Jahresabschluss gilt der Grundsatz der Einzelbewertung (vgl. Frage 15).

Hintergrund

Ein Geschäfts- oder Firmenwert, der im Rahmen eines Unternehmenszusammen­schlusses erworben wurde, stellt eine Residualgröße zwischen dem Kaufpreis dar, den der Erwerber in der Erwartung künftigen wirtschaftlichen Nutzens des Unternehmens oder Unternehmensteils geleistet hat, und den Vermögenswerten und Schulden, die einzeln identifiziert und bewertet werden konnten.

Insofern ergibt sich hier gleichermaßen wie für die vorstehend erläuterten gemein­schaftlichen Vermögenswerte (vgl. Frage 16) die Problematik der Zuordnung des Geschäfts- oder Firmenwertes zu einer zahlungsmittelgenerierenden Einheit (ZGE im Rahmen einer Wertminderungsprüfung).

Behandlung nach IFRS

Da ein Geschäfts- oder Firmenwert keine Zahlungsmittelzuflüsse generiert, die unabhängig von anderen (Gruppen von) Vermögenswerten sind, wird er zu der ZGE oder Gruppe von ZGE zugeordnet, für die z.B. Synergien aus dem Unterneh­menszusammenschluss erwartet werden. Dies gilt unabhängig von der Zuord­nung der Vermögenswerte des erworbenen Unternehmens zu einer ZGE.

Für die Zuordnung eines Geschäfts- oder Firmenwertes zu einer ZGE oder Gruppe von ZGE ist zu beachten, dass die ZGE oder Gruppe von ZGE

• innerhalb des Unternehmens die niedrigste Ebene darstellt, für die der Geschäfts-oder Firmenwert für interne Managementzwecke überwacht wird, und

• nicht größer als ein operatives Segment nach IAS 14 bzw. IFRS 8 sein darf.

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E Wertminderungsprüfungen 37

Für Zwecke der Wertminderungsprüfung eines Geschäfts- oder Firmenwertes ist kein Aufbau eines zusätzlichen Reportingsystems erforderlich; vielmehr soll das interne Managementinformationssystem genutzt werden. Dies bedeutet aber nicht, dass die Zuordnung eines Geschäfts- oder Firmenwertes willkürlich und zwangsläufig auf der obersten Gliederungsebene eines Unternehmens wie z. B. der Segmentebene vorgenommen wird.

Sind beispielsweise unterhalb der Segmente eines Handelsunternehmens ver­schiedene Organisationseinheiten – zu denken ist an unterschiedliche Formate – vorhanden, die teilweise von dem Unternehmenszusammenschluss völlig unbe­rührt bleiben, so ist der Geschäfts- oder Firmenwert nur auf die Vertriebslinien zu verteilen, die von dem Unternehmenszusammenschluss profitieren.

Entscheidend für die Zuordnung des Geschäfts- oder Firmenwertes auf eine Gruppe von ZGE oder eine übergreifende, größere ZGE sind die Verhältnisse bei Entstehen des Geschäfts- oder Firmenwertes. Anhaltspunkte können sich aus den Planungsrechnungen des Unternehmens ergeben, wenn beispielsweise für bestimmte ZGE nach dem Unternehmenszusammenschluss mit erheblich gestei­gerten Ergebniserwartungen geplant wird. Ursächlich hierfür können erwartete Synergieeffekte sein, die das Vorhandensein eines Geschäfts- oder Firmenwertes in diesem Bereich bereits implizieren würden.

Das Controlling der Zielerreichung dient dann später indirekt auch der Überprüfung der Werthaltigkeit des Geschäfts- oder Firmenwertes. Es handelt sich dann um eine „indirekte“ Überwachung des Geschäfts- oder Firmenwertes.

Abweichungen nach HGB

Nach Handelsrecht wird der Geschäfts- oder Firmenwert nicht einer Gruppe von Vermögenswerten zugerechnet, sondern einzeln bewertet. Gegebenenfalls müs­sen auch außerplanmäßige Abschreibungen erfolgen. Das HGB enthält jedoch keine expliziten Vorschriften, nach welchem Verfahren außerplanmäßige Wert­minderungen zu ermitteln sind.

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38 IFRS in der Praxis: 40 Bilanzierungs- und Bewertungsfragen für den Handel

18Wie sind Wertminderungs- Hintergrund

prüfungen (Impairmenttests) Nachdem in den vorangegangenen Fragen darauf eingegangen wurde, auf welcher durchzuführen? Basis eine Wertminderungsprüfung durchzuführen ist, beschäftigt sich diese Frage

mit dem anzuwendenden Verfahren der Wertminderungsprüfung.

Behandlung nach IFRS

Bei einer Wertminderungsprüfung nach IFRS wird der erzielbare Betrag mit dem Buchwert eines Vermögenswertes oder einer zahlungsmittelgenerierenden Einheit (ZGE) verglichen. Ist der erzielbare Betrag geringer als der Buchwert, ist eine Wertminderung (Impairment) ergebniswirksam zu erfassen. Sofern eine ZGE wertgemindert ist, wird die Wertminderung zunächst dem Geschäfts- oder Firmenwert zugeordnet. Ein danach verbleibender Wertminderungsbedarf ist anteilig auf die anderen der ZGE zugeordneten Vermögenswerte zu verteilen.

Der erzielbare Betrag ist definiert als der höhere der beiden Beträge aus

• beizulegendem Zeitwert, abzüglich der Verkaufskosten (fair value less costs to sell) und

• Nutzungswert (value in use).

Der erste Betrag stellt auf einen gedachten Fremdvergleich (at arm’s length trans­action) ab und beschreibt den Betrag, der bei einem Verkauf des Vermögenswertes oder der ZGE zwischen sachverständigen, vertragswilligen und unabhängigen Geschäftspartnern erzielbar ist, abzüglich Verkaufskosten. Die Bewertung erfolgt somit aus der externen Perspektive des Marktes, in dem das Unternehmen tätig ist.

Der zweite Betrag beschreibt den Zeitwert/Barwert der zukünftig erwarteten Cash Flows aus einem Vermögenswert oder einer ZGE auf Basis des vorhande­nen Nutzungskonzeptes des bilanzierenden Unternehmens. Die Bewertung erfolgt hier aus der internen Perspektive des jeweiligen Unternehmens.

Üblicherweise werden bei der Durchführung der Wertminderungsprüfung nicht beide Werte ermittelt, da es ausreicht, dass einer der Werte den Buchwert übersteigt.

Abweichungen nach HGB

Hinsichtlich der Durchführung von Wertminderungsprüfungen ergeben sich keine wesentlichen Unterschiede zum Handelsrecht. Handelsrechtlich ist der beizule­gende Wert eines Vermögensgegenstands in der Regel aus dem Ertragswert abzuleiten. Alternativ kann der Zukunftserfolgswert nach dem Discounted Cash Flow-Verfahren ermittelt werden.

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E Wertminderungsprüfungen 39

19Welche Planungsprämissen Hintergrund

sind der Planungsrechnung Bei der Ermittlung des Nutzungswertes über das Discounted Cash Flow-Verfahren zugrunde zu legen und welcher werden im ersten Schritt aus den Planungsrechnungen des Unternehmens die Kapitalisierungszinssatz ist zu erwarteten Zahlungsmittelüberschüsse der zukünftigen Jahre abgeleitet. Im zwei­verwenden? ten Schritt wird durch Abdiskontierung dieser Zeitreihe mit einem Kapitalisierungs­

zinssatz der beizulegende Zeitwert ermittelt. Aber auch für die Ermittlung des bei­zulegenden Zeitwertes kann sich die Notwendigkeit zur Festlegung einer Planung ergeben, wenn z.B. ein Marktpreis nicht unmittelbar als Börsenpreis o.Ä. abzule­sen oder ansonsten aus Markttransaktionen abzuleiten ist. In diesem Fall ist dann gegebenenfalls die Bestimmung eines beizulegenden Zeitwertes mittels eines geeigneten Bewertungsverfahrens vorzunehmen, was regelmäßig ebenfalls über die Abdiskontierung einer Zeitreihe erfolgt.

Behandlung nach IFRS

In der Regel umfasst die Planungsrechnung des Unternehmens mindestens eine Detailplanungsperiode, die aus einer Historie von Istzahlen abgeleitet wird. Umfang und Intensität dieser Detailplanung hängen von den Umständen des Einzelfalls ab. Ein sich in Änderungsprozessen befindliches Unternehmen wird z.B. eine längere und intensivere Detailplanung benötigen als ein seit langem eta­bliertes Geschäftsmodell mit nahezu konstanten Wachstumsraten.

Regelmäßig sind Detailplanungsperioden von bis zu fünf Jahren anzutreffen. IAS 36.35 sieht diesen Prognosezeitraum als denjenigen, den Unternehmen für gewöhnlich ihrer Detailplanung maximal zugrunde legen. Für den Zeitraum nach der Detailplanung geht man in der Regel von einem „eingeschwungenen Zustand“ aus, sodass eine Extrapolation mit angenommenen Wachstumsraten erfolgt. Zu berücksichtigen sind auch regelmäßig die Zahlungsmittelflüsse aus der Veräußerung des Vermögenswertes oder der zahlungsmittelgenerierenden Einheit (ZGE) zum Ende der Nutzungsdauer. Deren Bedeutung nimmt aufgrund der Abdiskontierung umso mehr ab, als der gedachte Veräußerungszeitpunkt in der Zukunft liegt.

Die Prognose der Zahlungsmittelzuflüsse muss jeweils bezogen auf den zu ermit­telnden Wert erfolgen. So geht die Ermittlung des Nutzungswertes des zu bewer­tenden Vermögenswertes bzw. der zu bewertenden ZGE von der fortgesetzten Nutzung im gegenwärtigen Zustand aus. Es dürften daher beispielsweise keine Effekte einer Restrukturierung berücksichtigt werden, zu denen sich das Unter­nehmen noch nicht verpflichtet hat.

Auch Erweiterungsinvestitionen, die die künftige Kapazität des Vermögenswertes oder der ZGE erhöhen, dürfen nicht berücksichtigt werden, wenn sie noch nicht geleistet sind. Finanzierungsaktivitäten und Ertragsteuern werden nicht berück­sichtigt.

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40 IFRS in der Praxis: 40 Bilanzierungs- und Bewertungsfragen für den Handel

Dagegen geht die Ermittlung des beizulegenden Zeitwertes grundsätzlich von den Erwartungen der Marktteilnehmer aus. Somit können z. B. Synergien, die die Marktteilnehmer aus einem gedachten Erwerb des Vermögenswertes oder der ZGE realisieren könnten, in die Berechnung mit einbezogen werden. Bei der Prognose der Zahlungsmittelzuflüsse sind einige Besonderheiten zu beachten.

Die Abzinsung der Zahlungsmittelzuflüsse ist mittels eines Vorsteuerzinssatzes vorzunehmen. Auch der Zinssatz ist spezifisch für den jeweils zu ermittelnden Wert zu bestimmen. Die Konzeption des Nutzungswertes erfordert eine Abzin­sung mit einem Eigenkapitalkostensatz eines fiktiv unverschuldeten Unterneh­mens, der die spezifischen Risiken des Bewertungsobjektes widerspiegelt. Die Berechnung des beizulegenden Zeitwertes erfolgt dagegen regelmäßig auf Basis gewichteter Kapitalkosten (weighted average cost of capital, wacc). Dabei spielt die Markterwartung bezüglich des Risikos sowie die Kapitalstruktur des Unter­nehmens eine Rolle. Häufig kommt hier das sogenannte CAPM-Modell zur Anwendung.

Abweichungen nach HGB

Die Ermittlung des niedrigeren beizulegenden Wertes ist gesetzlich nicht geregelt. In der Praxis kommen ebenfalls Ertragswert- oder Discounted Cash Flow-Verfahren zur Anwendung.

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F Finanzinstrumente

20Wie sind Einkäufe in fremder Währung im Abschluss zu behandeln?

Hintergrund

Einkäufe in fremder Währung gewinnen für den Handel immer mehr an Bedeu­tung. Auch wenn durch die Einführung des Euro das Fremdwährungsrisiko in Europa weitgehend ausgeschlossen wurde, steigen doch die Einkäufe vor allem im asiatischen Wirtschaftsraum und somit auch die Verwendung von Währungen außerhalb des Euro.

Für den Bilanzierenden stellt sich daher die Aufgabe, zum einen die Risiken aus den schwankenden Wechselkursen zu steuern und zum anderen die komplexen Regelungen der IFRS bezüglich Fremdwährungen und Finanzinstrumenten (vor allem IAS 21 und IAS 39) richtig anzuwenden.

Behandlung nach IFRS

Zur Verdeutlichung der nachfolgenden Beschreibungen stelle man sich folgenden Sachverhalt vor:

Ein Unternehmen im Euroraum erwirbt Elektroartikel in Fernost zu einem Preis von insgesamt 1,0 Millionen USD. Es wird vereinbart, dass die Lieferung der Artikel in drei Monaten erfolgt und die Ware mit einem Zahlungsziel von vier Wochen nach Lieferung bezahlt wird. Bei einem aktuellen USD-Kurs von annah­megemäß 1 € = 1,35 USD ergibt sich ein Kaufpreis von umgerechnet 740.741 €. Zum Stichtag ist der USD-Kurs auf 1 € = 1,30 USD gestiegen. Zum Zeitpunkt des Zugangs der Ware beträgt der USD-Kurs 1 € = 1,40 USD.

Aus dieser Transaktion ergeben sich folgende Bilanzierungsfragen:

a) Wie sind ungünstige Kursbewegungen des USD zu berücksichtigen, wenn die (offene) Bestellung am Abschlussstichtag noch besteht?

b) Wie ermitteln sich die Anschaffungskosten bei Lieferung der Waren?

c) Wie ist die Verbindlichkeit aus der Lieferung am Abschlussstichtag zu bewerten?

Sofern das Geschäft noch von keiner Seite erfüllt ist, das heißt vor Lieferung der Elektroartikel, liegt ein schwebendes Geschäft vor, das nach IFRS grundsätzlich nicht bilanziert wird. Droht aus dem schwebenden Geschäft allerdings ein Verlust, so ist dieser bereits vor Realisierung über eine Rückstellung vorwegzunehmen. Die Verlustantizipation erfolgt nach IFRS streng absatzmarktorientiert. Unzulässig sind daher Rückstellungen für Verträge, deren Einkaufskonditionen sich bis zum Abschlussstichtag ungünstig entwickelt haben, letztlich aber nicht zu einem Nettoressourcenabfluss führen. In dem vorliegenden Beispiel würde ein Anstieg des USD zum Stichtag nicht zu der Bildung einer Rückstellung führen, weil der Kursanstieg zwar zu gestiegenen Einstandspreisen, nicht aber zu einem Netto­ressourcenabfluss führt.

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42 IFRS in der Praxis: 40 Bilanzierungs- und Bewertungsfragen für den Handel

21Wie werden die Sicherungs­geschäfte im Jahresabschluss berücksichtigt, und welche Voraussetzungen bestehen für das Hedge Accounting?

Bei Lieferung der Elektroartikel sind diese zu Anschaffungskosten in der Bilanz zu erfassen. Gemäß IAS 21.21 sind die Anschaffungskosten in fremder Währung mit dem zum Zeitpunkt des Geschäftsvorfalls gültigen Umrechnungskurs umzurech­nen. Aus Vereinfachungsgründen darf bei der Fremdwährungsumrechnung anstelle des Tageskurses auch ein (beispielsweise monatlicher) Durchschnittswert ange­setzt werden, sofern die Wechselkurse nicht so stark schwanken, dass durch die Verwendung von Durchschnittskursen die Bilanzierung unzuverlässig wird.

Die Anschaffungskosten der erworbenen Waren werden durch spätere Verände­rungen des Wechselkurses nicht berührt (IAS 21.23 (b)). In unserem Beispiel betragen die Anschaffungskosten 1.000.000 USD zu 1,40 €/USD =714.286 €.

Die Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen sind monetäre Posten im Sinne von IAS 21.8, da das Unternehmen eine feste oder bestimmbare Anzahl von Währungseinheiten bezahlen muss. Diese Verbindlichkeiten sind zu jedem Abschlussstichtag unter Verwendung des Stichtagskurses umzurechnen. Im Gegensatz zum HGB kann dies dazu führen, dass unrealisierte Währungskurs­gewinne durch die währungsbedingte Minderung der Verbindlichkeit in der Gewinn-und Verlustrechnung nach IFRS ausgewiesen werden.

Abweichungen nach HGB

Abweichungen ergeben sich insbesondere im Bereich der Drohverlustrückstellun­gen und der unrealisierten Währungsgewinne.

Die Bildung von Drohverlustrückstellungen erfolgt nach IFRS streng absatzmarkt­orientiert, wohingegen nach HGB auch gesunkene Wiederbeschaffungskosten bei Beschaffungsgeschäften zu der Bildung einer Rückstellung führen.

Im Gegensatz zu IFRS sind unrealisierte Währungsgewinne bei Forderungen und Verbindlichkeiten nach HGB nicht ergebniswirksam zu erfassen. Hier steht das Realisationsprinzip im Vordergrund.

Hintergrund

Sicherungsgeschäfte dienen dazu, Grundgeschäfte wie Wareneinkäufe oder -verkäufe gegen Kurs-, Zins- oder andere Risiken abzusichern. Das Konzept des Sicherungsgeschäfts (Hedging) besteht allgemein darin, neben dem Grundgeschäft einen oder mehrere Verträge mit gegenläufiger Risikoentwicklung abzuschließen, mit der Folge, dass dadurch die Risiken des Grundgeschäfts kompensiert werden.

Das Hedge Accounting ist eine Methode, welche für solche spezifischen Siche­rungszusammenhänge eine Bilanzierung als geschlossene Position und damit eine Kompensation von möglichen Gewinnen und Verlusten zulässt.

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F Finanzinstrumente 43

Behandlung nach IFRS

Grundprinzip der Behandlung von Finanzinstrumenten nach IAS 39 ist, dass Finanzinstrumente der Aktivseite zum Teil mit Marktwerten, Finanzinstrumente der Passivseite grundsätzlich mit (fortgeführten) Anschaffungskosten und Derivate immer mit dem Marktwert bewertet werden. Dies führt dazu, dass die Markt­wertveränderung von zur Sicherung abgeschlossenen Derivaten ergebniswirksam erfasst wird, während beispielsweise das abzusichernde Grundgeschäft bei Ter­mingeschäften (Bestellung von Waren in fremder Währung) im Jahresabschluss überhaupt nicht erfasst wird. Diese Asymmetrie der Ergebniswirksamkeit führt im Grundfall zu einer erhöhten Volatilität der Periodenergebnisse, obwohl realiter die Derivate der Absicherung von Grundgeschäften dienen.

Um diese Effekte zu vermeiden, existiert in IAS 39 das Konzept des „Hedge Accounting“. IAS 39 unterscheidet dabei zwischen dem „Fair Value Hedge“, dem „Cash Flow Hedge“ und dem „Hedge of a Net Investment“. Der Begriff Hedging für Bilanzierungszwecke beschreibt die Zuordnung eines oder mehrerer Siche­rungsinstrumente (z.B. Devisentermingeschäfte) zu einem Grundgeschäft (z.B. Bestellung von Waren in fremder Währung), so dass die Wertänderung des Absicherungsinstruments eine entgegengesetzte Wertänderung des Grundge­schäfts ganz oder teilweise ausgleicht. Liegen also die Voraussetzungen des Hedge Accounting vor, führt dies im Ergebnis zu einer „Glättung“ der Perioden­ergebnisse.

Bilanziell ergeben sich die folgenden Konsequenzen bei einer angenommenen Absicherung der Bestellung in fremder Währung durch ein Devisentermingeschäft. Die sogenannte „feste Transaktion“ (Bestellung der Ware) wird grundsätzlich bilanziell nicht erfasst. Das Derivat „Devisentermingeschäft“ ist zwingend (auch bei Vorliegen des Hedge Accounting) mit dem Marktwert anzusetzen.

Steigt nun der USD nach Abschluss der Bestellung und des Devisentermin­geschäfts, so erhöht sich die Zahlungsverpflichtung in Euro aus der Bestellung, während das Devisentermingeschäft einen positiven Marktwert aus Sicht des Unternehmens aufweist. Im Idealfall kompensieren sich die Änderungen. Bilan­ziell ist das Derivat als sonstiger Vermögenswert mit seinem Marktwert zu erfas­sen. Die Marktwertveränderung wird jedoch direkt im Eigenkapital ohne Berührung der Gewinn- und Verlustrechnung gebucht (other comprehensive income). Erst bei Lieferung der Ware wird der so im Eigenkapital geparkte Betrag gelöst und dem Grundgeschäft zugeordnet.

Zur besseren Veranschaulichung der Vorschriften stelle man sich das gleiche Beispiel wie in der vorhergehenden Frage vor, mit dem Unterschied, dass der Kauf der Elektroartikel über ein Devisentermingeschäft zum USD-Kurs von 1€ = 1,32 USD in Form eines Cash Flow Hedge gesichert wird (Anmerkung: es wären hier gege­benenfalls auch andere Formen des Hedge Accounting unter IFRS denkbar, die jedoch nicht sämtlich diskutiert werden sollen). Folgende Annahmen hinsichtlich

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44 IFRS in der Praxis: 40 Bilanzierungs- und Bewertungsfragen für den Handel

der tatsächlichen Kursentwicklung und der jeweils erwarteten Kursentwicklung sollen gelten:

Zeitpunkt Tageskurs (USD/€) Terminkurs (USD/€) Bestellung 1,35 1,32 Lieferung 1,30 1,25 Zahlungsausgleich 1,20

Bei der Bestellung ergibt sich hier zunächst keine Buchung, da der Vertrag über die Lieferung beidseitig noch nicht erfüllt und damit schwebend ist und der Wert des Devisentermingeschäftes Null beträgt.

Zum Zeitpunkt der Lieferung der Elektroartikel ist der Zugang der Elektroartikel sowie die nunmehr entstehende Verbindlichkeit aus Lieferungen und Leistungen zum Tageskurs von 1,30 USD/€ einzubuchen, das heißt, mit einem Wert in Höhe von 1.000.000 USD/1,30 €/USD = 769.231 € (Buchungssatz: Vorratsvermögen an Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen 769.231 €).

Gleichzeitig ist zunächst die Wertentwicklung des Devisentermingeschäftes erfolgs­neutral im Eigenkapital zu erfassen (unter der Annahme, dass die Absicherung des Währungsrisikos effektiv ist, vgl. dazu unten). Der Wert des Devisentermin­geschäftes zum Zeitpunkt der Lieferung leitet sich aus der Differenz des zu diesem Zeitpunkt erwarteten Kurses bei Fälligkeit und des Sicherungskurses wie folgt ab: (1.000.000 USD/1,25 USD/€) – (1.000.000 USD/1,32 USD/€) = 42.424 €. Aus Sicht des Devisenkäufers handelt es sich um einen positiven Wert, da der benötigte USD-Betrag „billiger“ erworben werden kann, als es der aktuell erwarteten Kurs­entwicklung entspricht. Daher ist ein finanzieller Vermögenswert zu bilanzieren (Buchungssatz: Devisentermingeschäft an Eigenkapital 42.424 €).

Da jedoch gleichzeitig die Sicherungsbeziehung über das Liefergeschäft durch die Lieferung eines nicht finanziellen Vermögenswertes (hier Vorratsvermögen) aufge­hoben ist, wird der im Eigenkapital erfasste Betrag aus dem Sicherungsgeschäft aufgelöst und dem nicht finanziellen Vermögenswert zugeordnet (Buchungssatz: Eigenkapital an Vorratsvermögen 42.424 €). Im Ergebnis werden dadurch die Anschaffungskosten des Vorratsvermögens herabgesetzt.

Zum Zeitpunkt des Zahlungsausgleichs sind die Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen zu dem dann geltenden Stichtagskurs zu begleichen, das heißt mit 1.000.000 USD/1,20 USD/€ = 833.333 €. Die Anpassung an den Stichtags­kurs erfolgt ergebniswirksam (Buchungssatz: Verbindlichkeiten aus Lieferungen und Leistungen 769.231 € und Aufwand aus Währungsumrechnung 64.102 € an Bank 833.333 €). Das Devisentermingeschäft ist zunächst erfolgswirksam zum aktuellen Marktwert zu bewerten, der sich wie folgt ergibt:

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F Finanzinstrumente 45

(1.000.000 USD/1,20 USD/€) – (1.000.000 USD/1,32 USD/€) = 75.758 € (Buchungs­satz: Devisentermingeschäft an Ertrag aus Währungsumrechnung 33.334 €). Durch das Settlement des Devisentermingeschäft fließt dem Handelsunternehmen zu diesem Zeitpunkt der Marktwert des Devisentermingeschäfts in Höhe von 75.758 € in Zahlungsmitteln zu (Buchungssatz: Bank an Devisentermingeschäft 75.758 €).

Insgesamt resultiert somit aus dem Liefervertrag für das Handelsunternehmen zum Stichtag des Zahlungsausgleichs ein Zahlungsmittelabfluss in Höhe von 833.333 €–75.758 € = 757.575 €. Dies entspricht genau der Zahlungsbelastung von 1.000.000 USD zu dem Absicherungskurs in Höhe von 1,32 USD/€, womit das Ziel der Währungssicherung des Cashflow erreicht wurde.

Zum Stichtag des Zahlungsausgleichs verbleibt folgender kumulierter Ergebniseffekt:

Aufwand aus Umrechnung der Verbindlichkeit -64.102 Ertrag aus Aufwertung des Termingeschäfts +33.334

Saldo (Aufwand) -30.768

Diesem Saldo ist jedoch noch die im Vorratsvermögen enthaltene Minderung der Anschaffungskosten in Höhe von 42.424 € entgegenzurechnen, die sich beim Abverkauf der Elektroartikel durch entsprechend geringere Umsatzkosten realisie­ren werden. Es verbleibt daher hier insgesamt ein positiver Ergebniseffekt in Höhe von 11.656 €. Dieser verbleibende Ergebniseffekt resultiert aus der Differenz zwi­schen dem Sicherungskurs und dem Marktkurs bei physischer Lieferung der Elektroartikel und stellt somit die (hier negativen) Kosten der Währungssicherung zwischen Lieferung und Zahlungsausgleich dar.

Die Anerkennung des Hedge Accounting nach IAS 39 ist an verschiedene Voraus­setzungen geknüpft: Grundsätzlich können nur bestimmte Vermögenswerte/Trans­aktionen als Grundgeschäft dienen. Ähnliches gilt auch für die Sicherungsinstru­mente, für die prinzipiell nur derivative Finanzinstrumente vorgesehen sind.

Wesentliche Voraussetzung für das Hedge Accounting nach IAS 39.88 ist weiter­hin, dass das Sicherungsgeschäft effektiv ist. Dies bedeutet, dass die einem gesi­cherten Risiko (z.B. Veränderung des Wechselkurses) zurechenbaren Änderungen des beizulegenden Zeitwertes oder der Cashflows durch das Sicherungsinstru­ment zu einem bestimmten Grad kompensiert werden. Diese Effektivität muss prospektiv und retrospektiv gegeben sein. Für diese Effektivitätsmessungen sind verschiedene Methoden zulässig, von denen hier nur der historische Abgleich und die Sensitivitätsanalyse (ex ante) sowie die Dollar-Offset-Methode und die Regressionsanalyse (ex post) genannt werden sollen.

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46 IFRS in der Praxis: 40 Bilanzierungs- und Bewertungsfragen für den Handel

22Wie werden in Liefer- und Absatzverträgen eingebettete Derivate identifiziert und wie sind diese im Abschluss zu behandeln?

Neben diesen materiellen Erfordernissen nach IAS 39 spielt auch die Dokumen­tation der Sicherungen eine wesentliche Rolle. Die Dokumentation muss im Einzelnen darauf eingehen, was die Strategie des Risikomanagements ist und welche Ziele es verfolgt. Das Sicherungsinstrument (hedging item), das Grund­geschäft (hedged item) sowie das abzusichernde Risiko sind zu nennen. Weiterhin ist zu beschreiben, wie die Effektivität gemessen werden soll und ob die Messung verlässlich ermittelbar ist.

Abweichungen nach HGB

Beim Hedge Accounting zeigen sich deutliche Unterschiede zwischen HGB und IFRS. Das HGB kennt zwar die Bilanzierung und Bewertung von geschlossenen Positionen, die Voraussetzungen hierfür sind jedoch ungleich leichter zu erfüllen, als die sehr formal ausgerichteten Vorschriften des IAS 39 zum Hedge Accounting.

Hintergrund

Handelsunternehmen gehen eine Vielzahl von langfristigen Verträgen ein, wie z.B. Filialmietverträge oder Beschaffungsverträge über Energie und Ähnliches. Alle diese Verträge enthalten möglicherweise sogenannte eingebettete Derivate (embedded derivatives), die nach IAS 39 eventuell gesondert bilanziert und bewertet werden müssen. Eingebettete Derivate sind oftmals nicht direkt erkenn­bar, da sie sich hinter teilweise sehr üblichen und normalen Vertragsgestaltungen verbergen. Zum Beispiel sind die Indexierungen in Mietverträgen, Zinsbegrenzungs­vereinbarungen in Darlehensverträgen oder bestimmte Mindestabnahmemengen bei Energielieferverträgen als eingebettete Derivate nach IFRS zu klassifizieren.

Behandlung nach IFRS

Ein eingebettetes Derivat ist Bestandteil eines strukturierten Finanzinstruments, das auch einen nicht derivativen Basisvertrag enthält. Dies führt dazu, dass ein Teil der Cashflows des zusammengesetzten Finanzinstruments ähnlichen Schwan­kungen ausgesetzt ist, wie ein frei stehendes Derivat (IAS 39.10). In IAS 39.11 sind die Voraussetzungen genannt, unter denen dieses eingebettete Derivat vom Haupt­vertrag bilanziell „abgespalten“ und gesondert bilanziert werden muss. Grund­sätzlich ist dies dann der Fall, wenn die wirtschaftlichen Merkmale und Risiken des eingebetteten Derivats nicht eng mit den wirtschaftlichen Merkmalen und Risiken des Hauptvertrages verbunden sind.

Hierzu einige praktische Fälle:

a) Bei Vertragsabschlüssen in fremder Währung, z.B. beim Erwerb von Textilien in HongKong Dollar durch eine deutsche Gesellschaft von einer in England behei­mateten Gesellschaft, liegt ein abspaltungspflichtiges Derivat in Form eines Devisentermingeschäfts vor, das auch gesondert bilanziert und bewertet wer­den muss. Dies gilt jedoch nicht, sofern die Kontraktwährung eine im jeweili­gen Umfeld übliche Währung darstellt. Das heißt, die Bestellung der Textilien

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F Finanzinstrumente 47

wird so bilanziert, als wäre der Vertrag in der sonst üblichen Währung (Euro oder Pfund) geschlossen. Das Devisentermingeschäft (HongKong Dollar gegen Euro oder Pfund) wird wie ein alleinstehendes Devisentermingeschäft bilan­ziert.

b) Die meisten gewerblichen Mietverträge enthalten Mietanpassungsklauseln dergestalt, dass sich die Höhe der zu zahlenden Miete an Preisindizes orien­tiert. In vielen Fällen ist auch eine Abhängigkeit der Miethöhe vom Umsatz festzustellen. In beiden Fällen liegen eingebettete Derivate vor, die jedoch nicht gesondert bilanziert werden müssen, da zwischen dem Derivat und dem Basisvertrag eine enge wirtschaftliche Beziehung besteht.

c) Finanzierungen über Kreditinstitute bzw. den Kapitalmarkt enthalten teilweise Verlängerungsklauseln, wonach der Kreditvertrag sich automatisch bzw. auf Wunsch des Kreditnehmers verlängert. Grundsätzlich handelt es sich hierbei um trennungspflichtige Derivate, es sei denn, dass zum Zeitpunkt der Prolon­gation eine Anpassung an den Marktzins erfolgt.

Abweichungen nach HGB

Das deutsche Handelsrecht kennt keine expliziten Regelungen für eingebettete Derivate. Daher ist die Bilanzierung und Bewertung dieser Verträge mit einge­betteten Derivaten teilweise auch heute noch strittig. Lediglich für Banken und Versicherungen hat das Institut der Wirtschaftsprüfer (IDW) einen Rechnungsle­gungshinweis zur Bilanzierung von strukturierten Produkten erlassen. Für Handels­unternehmen gilt der Grundsatz, dass eingebettete Derivate bei der Bilanzierung grundsätzlich unberücksichtigt bleiben.

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G Leasing/Miete

23Was ist bei der Bilanzierung von Leasingverträgen im stationären Einzel- und Großhandel grundsätzlich zu beachten?

Hintergrund

Groß- und Einzelhandelsketten betreiben ihre zahlreichen Filialen vielfach in gemieteten Immobilien, um hohe Investitionen in den Grundstückserwerb oder den Bau von Gebäuden zu vermeiden.

Je nach Ausgestaltung der Verträge kann sich eine bilanzielle Zurechnung zum Mieter oder zum Vermieter ergeben. Entsprechend können sich die Bilanzstruktur und daraus abgeleitete Kennzahlen grundlegend anders darstellen.

Behandlung nach IFRS

Gemäß IAS 17.7 ff. sind Mietverträge zu Beginn der Mietlaufzeit entweder als Operating-Leasingverhältnis (wirtschaftliches Eigentum liegt beim Vermieter) oder als Finanzierungsleasingvertrag (wirtschaftliches Eigentum liegt beim Mieter) zu klassifizieren. Während bei einem Operating-Leasingverhältnis der Vermögenswert beim Leasinggeber (hier der Vermieter) bilanziert wird, sieht IAS 17 vor, dass bei einem Finanzierungsleasingvertrag der Vermögenswert vom Leasingnehmer (hier der Mieter) zu bilanzieren ist.

Insbesondere für den stationären Handel stellt sich regelmäßig die Frage der Klassifizierung der gemieteten Immobilien. Dabei ist zu beachten, dass die Klassi­fizierung der Grundstücks- und Gebäudekomponenten gesondert zu erfolgen hat (IAS 17.15). Ausnahmsweise ist eine gesonderte Betrachtung nicht erforderlich, wenn für beide Komponenten am Ende der Vertragslaufzeit mit einen Übergang des rechtlichen Eigentums auf den Mieter zu rechnen ist (dann sind in aller Regel beide Komponenten als Finanzierungsleasingvertrag zu klassifizieren) oder wenn der für die Grundstückskomponente anzusetzende Wert unwesentlich ist (dann erfolgt die Klassifizierung für beide Komponenten gemeinsam, vgl. IAS 17.17).

Grundstücke besitzen, anders als Gebäude, eine unbegrenzte wirtschaftliche Nutzungsdauer. In der Regel wird sich daraus eine wirtschaftliche Zuordnung zum Vermieter ergeben. Für Gebäude ist dies dagegen nicht zwangsläufig der Fall. Daher ist insbesondere für die aufstehenden Gebäude die Klassifizierung anhand der Kriterien des IAS 17.10 f. vorzunehmen.

Demnach liegt immer dann ein Finanzierungsleasingvertrag vor, wenn eines der folgenden Kriterien erfüllt ist:

1. Das Eigentum soll am Ende der Leasingdauer auf den Leasingnehmer übergehen. 2. Der Leasinggeber räumt dem Leasingnehmer eine günstige Kaufoption ein,

das heißt, der Mieter hat das Recht, den Leasinggegenstand nach Ablauf der Leasingdauer zu einem unter dem beizulegenden Zeitwert liegenden Kaufpreis zu erwerben.

3. Die Laufzeit des Leasingverhältnisses umfasst den überwiegenden Teil der wirtschaftlichen Nutzungsdauer des Leasinggegenstands (hier kann als Indi­kator eine Relation von 75 Prozent herangezogen werden).

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G Leasing/Miete 49

4. Der Barwert der Mindestleasingzahlungen entspricht zu Beginn des Leasing­verhältnisses mindestens annähernd dem beizulegenden Zeitwert des Leasing­gegenstandes (hier kann als Indikator eine Relation von 90 Prozent heran­gezogen werden).

5. Es liegt ein Fall des Spezialleasings vor, das heißt, der Leasinggegenstand hat eine so spezielle Beschaffenheit, dass er nur vom Leasingnehmer genutzt wer­den kann.

In der Praxis ergibt sich eine Klassifizierung als Finanzierungsleasingvertrag in der Regel über die Kriterien drei (Nutzungsdauertest) und vier (Barwerttest), auf die im Folgenden eingegangen wird.

a) Nutzungsdauertest Entscheidend für die Einordnung des Nutzungsdauerkriteriums ist die wirtschaft­liche Nutzungsdauer (economic life) des Leasingobjekts.

Die wirtschaftliche Nutzungsdauer des Leasingobjekts ist entweder:

• der Zeitraum, in dem ein Vermögenswert voraussichtlich von einem oder meh­reren Nutzern wirtschaftlich nutzbar ist oder

• die voraussichtlich durch den Vermögenswert von einem oder mehreren Nutzern zu erzielende Anzahl an Produktionseinheiten oder ähnlichen Maßgrößen.

Die wirtschaftliche Nutzungsdauer des Leasingobjekts ist demzufolge maximal so groß wie die Nutzungsdauer (useful life). Diese ist definiert als der geschätzte ver­bleibende Zeitraum ab dem Beginn der Laufzeit des Leasingverhältnisses, über den der im Vermögenswert enthaltene wirtschaftliche Nutzen voraussichtlich vom Unternehmen verbraucht wird (IAS 17.4), ohne Beschränkung durch die Laufzeit des Leasingverhältnisses.

b) Barwerttest Das in der Praxis meist ebenfalls ausschlaggebende Kriterium für das Vorliegen eines Finanzierungsleasingvertrags ist der Barwert der Mindestleasingzahlungen.

Der Barwert der Mindestleasingzahlungen ist der abgezinste Betrag derjenigen Zahlungen, welche der Leasingnehmer während der Laufzeit des Leasingverhält­nisses zu leisten hat. Nicht einzubeziehen sind bedingte Mietzahlungen sowie Aufwendungen für zusätzliche Dienstleistungen und Steuern. Sofern ein Mietver­hältnis über ein bebautes Grundstück nach oben stehenden Grundsätzen geson­dert für Grundstück und aufstehendes Gebäude zu beurteilen ist, muss die Miet­zahlung zur Durchführung des Barwerttests auf beide Komponenten aufgeteilt werden. Dies erfolgt grundsätzlich auf Basis der relativen beizulegenden Zeitwerte von Grund und Boden einerseits und Gebäude andererseits zu Beginn des Miet­verhältnisses (vgl. IAS 17.16 fair value of the leasehold interests). Für Besonder­heiten bei der Barwertberechnung siehe Fragen 25 bis 27.

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50 IFRS in der Praxis: 40 Bilanzierungs- und Bewertungsfragen für den Handel

Aus beiden vorgenannten Kriterien ergibt sich als Faustregel, dass umso eher ein Finanzierungsleasingvertrag mit bilanzieller Zuordnung des Gebäudes zum Handels­unternehmen vorliegt, je „einfacher“ und normierter die Bauweise ist. Dies wird in nachfolgender Übersicht deutlich:

Wahrscheinlichkeit für wirtschaftliches Eigentum des Leasingnehmers sinkt

• Freestander (z. B. Aldi, Lidl, Plus, Penny) – genormte Einfachbauweise • Bauten nach eigenen Anforderungen – insbesondere Baumarktketten • Filialen in Einkaufszentren • Filialen in klassischen Häusern (in der Regel Mischbebauung, unten Handel,

oben Wohnen) • Warenhaus in Innenstadtlage

Bei den sogenannten„Freestandern“ auf der grünen Wiese ist die wirtschaftliche Nutzungsdauer begrenzt (15 bis 20 Jahre), sodass die Grundmietzeit regelmäßig einen großen Teil der wirtschaftlichen Nutzungsdauer ausmachen wird. Gleichzeitig sind die Anschaffungs- oder Herstellungskosten im Vergleich zu einer klassischen Bauweise eher gering, sodass auch der Barwerttest eher zu der Zuordnung des wirtschaftlichen Eigentums zum Mieter führen wird.

Dagegen werden beide Kriterien bei hochwertiger Bauweise in Innenstadtlagen eher zu einer Zuordnung zum Vermieter führen, da einerseits die wirtschaftliche Nutzungsdauer (50 Jahre und mehr) deutlich länger sein wird als die Grundmiet­zeit und andererseits auch die Anschaffungs- oder Herstellungskosten deutlich über dem Barwert der Mindestleasingzahlungen liegen werden.

Ungeachtet der vorgenannten Faustregel ist jedoch jeder Sachverhalt anhand der Umstände des Einzelfalls gesondert zu würdigen.

Abweichungen nach HGB

Mangels eigener Vorschriften im HGB werden handelsrechtlich regelmäßig die steuerrechtlichen Vorschriften zugrunde gelegt. Prinzipiell ist auch handels- bzw. steuerrechtlich eine Klassifizierung als Finanzierungsleasingvertrag oder Operating-Leasingverhältnis vorzunehmen. Die Kriterien sind allerdings unterschiedlich und führen dazu, dass in der Praxis nach HGB nur in sehr geringem Umfang Finanzie­rungsleasingverträge vorzufinden sind.

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G Leasing/Miete 51

24Wie sind Vereinbarungen Hintergrund

mit einer Festmietzeit mit Üblicherweise werden Mietverträge über eine feste Grundmietzeit, einschließlich anschließenden Verlänge- einer oder mehrerer Verlängerungsoptionen, geschlossen. rungsoptionen für den Mieter zu behandeln? Für die Bilanzierung stellt sich die Frage, welche Bedeutung diese Vertragsgestal­

tung für die Klassifizierung des Mietvertrags und damit für die Zurechnung des wirtschaftlichen Eigentums an der Immobilie hat.

Behandlung nach IFRS

Die Leasingdauer hat dann Einfluss auf die Klassifizierung als Finanzierungsleasing­vertrag, wenn sie den überwiegenden Teil der wirtschaftlichen Nutzungsdauer umfasst (als Indikator können hier 75 Prozent gelten), sodass die wesentlichen Chancen und Risiken aus dem Gebäude auf den Leasingnehmer übergehen oder die Leasingraten während der Vertragslaufzeit dazu führen, dass der Barwert der Mindestleasingzahlungen annähernd dem beizulegenden Zeitwert entspricht (als Indikator können hier 90 Prozent gelten).

Sieht der Leasingvertrag vor, dass der Mieter nach Ablauf der Festmietzeit eine einmalige oder mehrfache Verlängerungsoption hat, ist fraglich, ob diese Options­zeiträume für die Berechnung der Leasingdauer und des Barwertes zu berück­sichtigen sind.

Die Leasingdauer umfasst nach herrschender Meinung sowohl die Grundmietzeit, während derer das Mietverhältnis unkündbar ist, als auch den Zeitraum einer oder mehrerer Mietverlängerungsoptionen, wenn deren Inanspruchnahme durch den Mieter hinreichend sicher (reasonably certain) ist. Ob die Inanspruchnahme einer Mietverlängerungsoption hinreichend sicher ist, ist für den Einzelfall zu beurteilen. An den Nachweis werden sehr hohe Anforderungen gestellt. Das Kriterium „hinreichend sicher“ ist regelmäßig nur dann erfüllt, wenn der Leasing­nehmer wirtschaftlich gezwungen ist, die Option auszuüben.

In der Praxis stellt sich hier das Problem, dass man in der Regel erst nach einem gewissen Zeitraum weiß, ob der Standort „läuft“ oder nicht. Bei einem Standort mit hoher Rentabilität werden dann meist alle Optionen gezogen, bei schlechter Rentabilität gegebenenfalls keine.

Zu den Gründen, warum bereits zum Vertragsabschluss davon ausgegangen wird, dass eine Mietverlängerungsoption nicht ausgeübt wird, zählt die Schaffung von Eintrittsbarrieren für andere Wettbewerber an diesem Standort, geplante Verlage­rungen beispielsweise in ein neues Gewerbegebiet bei Ablauf der Grundmietzeit oder erwartete demografische Veränderungen (Kunden verändern sich aufgrund geänderter Bebauungspläne, Attraktivitätsveränderungen des Standorts im Zeit­ablauf).

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52 IFRS in der Praxis: 40 Bilanzierungs- und Bewertungsfragen für den Handel

Beispiel:

Das Handelsunternehmen Kaufrausch und der Vermieter Hai schließen einen Mietvertrag über ein bebautes Grundstück zum Betrieb einer Filiale mit folgen­dem Inhalt ab:

Mietlaufzeit: zehn Jahre zuzüglich zwei Optionen über jeweils fünf weitere Jahre; der Standort wird bisher erfolgreich in dem Neben­gebäude betrieben. Nach 15 Jahren ist der Umzug in ein dann fertig gestelltes Shoppingcenter geplant

Jährliche Leasingrate: 240.000 € während der Grundmietzeit und des Optionszeitraums (erwartetes künftiges Marktniveau 264.000 €)

Beizulegender Zeitwert Gebäude: 2,8 Millionen € (25 Prozent Grundstück, 75 Prozent Gebäude)

Interner Zins: 5,5 Prozent p. a. Wirtschaftliche Nutzungsdauer: 20 Jahre

Einen Eigentumsübergang oder eine günstige Kaufoption am Ende der Miet­laufzeit sieht der Vertrag nicht vor.

Aufgrund der unterstellten unbegrenzten wirtschaftlichen Nutzungsdauer des Grundstücks ist diese Komponente als Operating-Leasingverhältnis zu klassifi­zieren.

Für das Gebäude ist eine Klassifizierung nach den Kriterien des IAS 17.10 vor­zunehmen. Aus den vertraglichen Bedingungen ergibt sich, dass eine Klassi­fizierung als Finanzierungsleasingvertrag lediglich aufgrund der Leasingdauer oder aus dem Barwertkriterium erfolgen kann (IAS 17.10 (c) und (d)).

a) Leasingdauer Vorliegend wird die Miete von 240.000 € nach Ablauf der Grundmietzeit unter dem erwarteten Marktniveau von 264.000 € liegen, was für die Inanspruch­nahme der Option spricht. Dies allein reicht jedoch nicht aus, um die Inan­spruchnahme der ersten Option als hinreichend gesichert anzusehen. Wichtiger ist, dass nach 15 Jahren der Umzug in ein dann fertig gestelltes Einkaufszentrum vereinbart ist. Es kann davon ausgegangen werden, dass der Händler für den Übergangszeitaum keinen neuen Standort anmieten wird. Folglich ist hier nur der erste Optionszeitraum in die Leasingdauer einzube­ziehen. Entsprechend beträgt die Leasingdauer 15 Jahre.

Dies entspricht 75 Prozent der wirtschaftlichen Nutzungsdauer, sodass ein starkes Indiz für einen Finanzierungsleasingvertrag vorliegt.

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G Leasing/Miete 53

25Wie sind variable Miet­zahlungen (Indexmieten, umsatzabhängige Mieten) zu berücksichtigen?

b) Barwert der Mindestleasingzahlungen Zunächst ist eine Aufteilung der Leasingraten auf das Grundstück und das Gebäude vorzunehmen. Unter Berücksichtigung der beizulegenden Zeitwerte entfallen 75 Prozent der Jahresmiete auf das Gebäude. Dies bedeutet, dass sich über einen Leasingzeitraum von 15 Jahren ein Barwert der Mindest­leasingzahlungen für das Gebäude von 1.906 T € ergibt (Barwert von 240.000 €x15 Jahrex75%). Der Barwert entspricht 90,8 Prozent des Zeit­wertes, sodass auch nach diesem Kriterium ein starker Hinweis auf einenFinanzierungsleasingvertrag vorliegt.

Beide Kriterien führen hier zu der Klassifizierung als Finanzierungsleasingver­trag. Das Gebäude ist daher dem Handelsunternehmen als wirtschaftlichem Eigentümer zuzurechnen. Folglich hat das Handelsunternehmen das Gebäude zu bilanzieren und mit dem niedrigeren Wert aus beizulegendem Zeitwert und Barwert der Mindestleasingzahlungen zu bewerten und über die Leasingdauer abzuschreiben. Gleichzeitig ist eine Verbindlichkeit in gleicher Höhe einzu­stellen (vgl. IAS 17.20).

Abweichungen nach HGB

Hinsichtlich der Berücksichtigung von Verlängerungsoptionen sind keine Unter­schiede zu HGB erkennbar.

Hintergrund

Oftmals vereinbaren Handelsunternehmen in ihren Mietverträgen variable Mieten, z.B. in Abhängigkeit von Preisindizes oder von in den Mieträumen erzielten Umsatzerlösen.

Es stellt sich die Frage, welchen Einfluss diese variablen Komponenten auf die Klassifizierung des Mietvertrags und gegebenenfalls die Bewertung eines zu bilanzierenden Vermögenswertes haben.

Behandlung nach IFRS

Die variablen Komponenten der Miete, die nicht festgelegt sind und sich in Abhän­gigkeit von der Entwicklung eines Faktors ändern (z.B. Umsätze, Preisindizes etc.), stellen unter IFRS bedingte Mietzahlungen (contingent rents) dar (IAS 17.4). Nicht unter diese Definition fallen jedoch solche Mietbestandteile, die sich nach einem festgelegten Schema im Zeitablauf ändern (z.B. festgelegte Staffelmieten).

In die Berechnung der Mindestleasingzahlungen zu Beginn des Leasingverhält­nisses sind nur solche Mietzahlungen einzubeziehen, die zu diesem Zeitpunkt bekannt sind. Das bedeutet, dass die an einen Index oder einen anderen Faktor geknüpften Mietzahlungen auf Basis des zu Beginn geltenden Niveaus des Faktors (z.B. aktuelles Preisniveau) zu berücksichtigen sind. Insofern ist die Miet­

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54 IFRS in der Praxis: 40 Bilanzierungs- und Bewertungsfragen für den Handel

zahlung nicht bedingt, sondern „sicher“. Darüber hinaus sind bedingte Mietzah­lungen explizit aus den Mindestleasingzahlungen ausgeschlossen (IAS 17.4).

Bedingte Mietzahlungen sind in Folgeperioden so zu berücksichtigen, wie sie tat­sächlich anfallen. Die Erfassung erfolgt beim Mieter aufwandswirksam (IAS 17.25). Außerdem haben Vermieter und Mieter jeweils Angaben über die in der Periode als Aufwand bzw. als Ertrag erfassten bedingten Mietzahlungen zu machen (IAS 17.31 (c) bzw. 17.47 (e)).

Unter bestimmten Bedingungen ist es möglich, dass in einer späteren Periode die Bedingung für die Mietzahlung entfällt und die Mietzahlung sich somit als Teil der künftigen Grundmiete „konkretisiert“. Dies kann z. B. dann der Fall sein, wenn Anpassungen auf Basis eines Index vorgenommen werden und das einmal erreichte Mietniveau aufgrund der vertraglichen Regelung fortan nicht mehr unter­schritten wird.

Beispiel:

Der Händler Vielfalt vereinbart mit dem Vermieter Gutelage im Jahr 2003 eine Grundmiete für eine Filiale in Höhe von 20.000 € pro Monat. Die Mietdauer beträgt zehn Jahre. Außerdem wird vereinbart, dass bei Anstieg des Index der allgemeinen Lebenshaltungskosten um jeweils fünf Prozentpunkte die Miete um jeweils 1.000 €/Monat steigen soll. Es ist vertraglich festgelegt, dass das einmal erreichte Mietniveau die künftige Mindestmiete darstellt. Der Index beträgt im Jahr 2003 100.

Für die Berechnung des Barwertes der Mindestmietzahlungen wird lediglich die Grundmiete in Höhe von 20.000 € pro Monat über die Mietdauer berück­sichtigt, da die an den Index gekoppelte Miete eine bedingte Miete darstellt, die sich noch nicht konkretisiert hat.

Im Jahr 2006 übersteigt der Index erstmals die Schwelle von fünf Prozent­punkten, sodass die Miete um 1.000 € pro Monat steigt. Aufgrund der ver­traglichen Vereinbarung beträgt damit die Grundmiete für die Restlaufzeit monatlich 21.000 €. Weitere Mietsteigerungen sind auf Basis der Entwicklung des Index möglich, stellen aber aus Sicht des Jahres 2006 weiterhin bedingte Mietzahlungen dar.

Die IFRS geben für den vorgenannten Sachverhalt keine Bilanzierungs­methode hinsichtlich des nicht mehr bedingten Teils der Grundmiete vor. Vorzugsweise wird für die Restlaufzeit des Mietvertrags die veränderte Grundmiete zugrunde gelegt. Folglich ändern sich der Betrag der Mindest­leasingzahlungen und die Höhe der auszuweisenden Aufwendungen. Alternativ kann aber auch die Höhe der Mindestleasingzahlungen beibehalten werden, und die „bestätigten“ bedingten Mietzahlungen werden in den Perioden erfolgswirksam, in denen sie anfallen.In jedem Fall bleibt jedoch die Klassifizierung des Mietverhältnisses insgesamt unberührt.

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G Leasing/Miete 55

26Wie sind Lease-Incentives des Vermieters (mietfreie Zeiten, Preoperating-Kosten) zu behandeln?

Abweichungen nach HGB

Mangels eigener Vorschriften im HGB werden handelsrechtlich regelmäßig die steuerrechtlichen Vorschriften zugrunde gelegt. Hinsichtlich der Berücksichtigung von variablen Mietzahlungen sind keine Abweichungen erkennbar.

Hintergrund

Im Rahmen von Verhandlungen über den Neuabschluss eines Leasingvertrags bzw. über die Verlängerung eines bereits bestehenden Vertrags gewährt der Vermieter dem Mieter oftmals Anreize, um den Verhandlungspartner zu einem Vertragsabschluss zu bewegen (Lease-Incentives).

Diese Anreize können unterschiedlich gestaltet werden, z. B. in Form von Barzah­lungen durch den Leasinggeber an den Leasingnehmer, Signing Fees oder durch die Gewährung von kostenlosen Mietzeiten oder auch durch die Übernahme von Kosten (für Ein- und Umbauten oder Umzugskosten).

Behandlung nach IFRS

Wird das Vertragsverhältnis als Operating-Leasingverhältnis klassifiziert, werden die Leasingzahlungen des Leasingnehmers linear über die Laufzeit des Leasing­verhältnisses ergebniswirksam erfasst. Dies gilt gemäß SIC-15 analog auch für den Nutzen bzw. die Kosten, die aus der Gewährung von Anreizen entstehen und gemäß SIC-15.3 sämtlich als Teil der vereinbarten Gegenleistung für die Nutzung des Leasinggegenstandes (net consideration) zu würdigen sind.

Der Leasingnehmer darf diesen erzielten Nutzen nur linear über die Vertragslauf­zeit ergebniswirksam vereinnahmen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn eine andere systematische Verteilung dem zeitlichen Verlauf der Nutzenverringerung des Leasinggegenstandes besser entspricht.

Stellt das Leasingverhältnis einen Finanzierungsleasingvertrag dar, ist das wirt­schaftliche Eigentum an dem Leasinggegenstand dem Leasingnehmer zuzurech­nen. Gemäß IAS 17.20 bilanziert der Leasingnehmer zu Beginn des Mietzeitraums den Leasinggegenstand als Vermögenswert und eine Verbindlichkeit in gleicher Höhe. Sowohl der Vermögenswert als auch die Verbindlichkeit sind in der Regel mit dem Barwert der Mindestleasingraten zu bewerten (es sei denn, der beizu­legende Zeitwert des Leasingobjekts ist ausnahmsweise niedriger).

Die Gewährung eines Anreizes bei einem Finanzierungsleasingvertrag ist weder im Standard selbst noch in einer Interpretation zum Standard geregelt. Aus den allgemeinen Vorschriften zur Bilanzierung und Bewertung von Finanzierungsleasing­verträgen ist jedoch zu schließen, dass der Anreiz den Barwert der Mindestmiet­zahlungen vermindert und daher sowohl bei der erstmaligen Bewertung des Vermögenswertes als auch der korrespondierenden Verbindlichkeit zu berücksich­

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56 IFRS in der Praxis: 40 Bilanzierungs- und Bewertungsfragen für den Handel

tigen ist. Über die Laufzeit des Mietvertrags realisiert sich der Anreiz dann in Form von geringeren Abschreibungsbeträgen auf den Vermögenswert bzw. gerin­gerem Zinsaufwand auf die Verbindlichkeit.

Beispiel:

a) Operating-Leasingverhältnis Das Handelsunternehmen Vielfalt befindet sich mit dem Vermieter Gutelage in Verhandlungen über den Abschluss eines Leasingvertrags über eine Immo­bilie, in der ein Supermarkt betrieben werden soll. Um den Vertragsabschluss zu sichern, erklärt der Vermieter, sich in Höhe von 50.000 € an den Umbau­kosten zu beteiligen. Die monatliche Miete für das Objekt soll 10.000 € betra­gen, die Leasingdauer wird zunächst auf fünf Jahre begrenzt.

Das Handelsunternehmen darf den Nutzen aus dem Zuschuss nicht unmittel­bar vereinnahmen, sondern muss diesen über die Laufzeit von fünf Jahren verteilen, sodass sich die jährlichen Leasingaufwendungen um 10.000 € min­dern.

b) Finanzierungsleasingvertrag Handelsunternehmen Kaufrausch mietet eine Immobilie von Vermieter Hai für eine Grundmietzeit von zehn Jahren. Aufgrund des Laufzeitkriteriums handelt es sich um einen Finanzierungsleasingvertrag. Um Kaufrausch zum Abschluss des Mietvertrags zu bewegen, sagt Hai Mietfreiheit für die ersten zwei Jahre zu. Die Miete beträgt 100.000 € pro Jahr; der Grenzfremdkapitalzinssatz beträgt zehn Prozent.

Der Barwert der zukünftigen Leasingzahlungen reduziert sich durch die miet­freie Zeit von 675.902 € auf 484.993 €. Zu Beginn des Leasingsvertrags sind Anlagevermögen und Verbindlichkeit in Höhe des reduzierten Betrags zu erfassen. In den Folgejahren wird das Anlagevermögen linear über den Miet­zeitraum abgeschrieben. Den reduzierten Anschaffungskosten entsprechend sind auch die Abschreibungen vermindert. Die Verbindlichkeit erhöht sich in den ersten beiden Jahren um den Zinseffekt. Ab dem dritten Jahr verändert sich die Verbindlichkeit durch die Tilgung.

Abweichungen nach HGB

Auch im Handelsrecht sind gemäß § 250 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 HGB Ausgaben bzw. Einnahmen vor dem Bilanzstichtag, soweit sie Aufwendungen bzw. Erträge für eine bestimmte Zeit nach dem Abschlussstichtag darstellen, aktiv bzw. passiv abzugrenzen. Dementsprechend sind auch Kosten und Nutzen, die aus der Gewährung von Anreizen bei Abschluss eines Leasingvertrags entstehen, linear über dessen Laufzeit zu verteilen.

Somit ist die bilanzielle Behandlung von Lease-Incentives nach IFRS und HGB in der Regel gleich.

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H Verluststandorte

27Wie sind Mietverträge für nachhaltig verlustbringende Standorte zu behandeln?

Hintergrund

Es kann vorkommen, dass eine oder mehrere Filialen eines Handelsunternehmens nachhaltig Verluste erwirtschaften. Dies resultiert zum Teil aus Fehleinschätzungen des Standortpotenzials zum Eröffnungszeitpunkt, aber auch aus der bewussten Inkaufnahme von Verlusten an ganz bestimmten Standorten. Solche strategischen Standorte werden betrieben, um das Filialnetz flächendeckend zu gestalten, um den Wettbewerb von diesem Standort fernzuhalten oder auch aus Prestigegründen in ausgewählten 1a-Lagen sowie als Vorzeigeobjekt (Flagshipstores).

Fraglich ist, ob und in welcher Form eine nachhaltige Verlustsituation Auswirkun­gen auf die Bilanzierung der Leasingverhältnisse hat.

Behandlung nach IFRS

Nach IFRS besteht grundsätzlich eine Verpflichtung, für sogenannte belastende Verträge (onerous contracts) eine Rückstellung zu bilden. Ein belastender Vertrag liegt nach IAS 37.10 vor, wenn die unvermeidbaren Kosten zur Erfüllung der ver­traglichen Verpflichtung höher sind als der erwartete wirtschaftliche Nutzen. Dies impliziert, dass ein Vertrag selbst verlustbringend sein muss. Die Tatsache, dass ein Mietvertrag im Vergleich zu Mietverträgen, die zu marktüblichen Konditionen abgeschlossen wurden, „nachteilig“ ist, spielt für die Behandlung nach IFRS keine Rolle. Die Verlustantizipation erfolgt streng absatzmarktorientiert.

Fraglich ist nun zunächst, ab wann ein Standort nachhaltig Verluste erwirtschaftet. Ist der Standort zwar defizitär, die Unternehmensplanungen gehen aber davon aus, dass der Barwert der zukünftig geplanten Ergebnisse aber positiv ist, so liegt kein nachhaltiger Verlust vor.

Liegt ein belastender Vertrag vor, ist nach IAS 37.66 eine Rückstellung in Höhe des niedrigsten unvermeidbaren Verpflichtungsüberschusses zu bilden. Dabei erfolgt eine Abzinsung des Rückstellungsbetrags, wenn der Zinseffekt wesentlich ist. Bei der Ermittlung des niedrigsten unvermeidbaren Verpflichtungsüberschus­ses sind alle Umstände des Einzelfalls zu berücksichtigen. Besteht etwa eine Betriebspflicht der Filiale, setzt sich der Verpflichtungsüberschuss sowohl aus den Mietaufwendungen als auch aus den unvermeidbaren Kosten des Weiterbetriebs zusammen. Dieser Wert ist z.B. mit einer Ablösezahlung zur vorzeitigen Beendi­gung des Mietverhältnisses abzugleichen. Ist diese niedriger, so ist der geringere Betrag zurückzustellen. Auch die Möglichkeit einer Untervermietung ist in die Betrachtung mit einzubeziehen.

Besteht keine Betriebspflicht, ist regelmäßig eine Alternativbetrachtung eines Leerstandes und des Weiterbetriebs anzustellen. Ergeben sich aus dem Weiter­betrieb positive Ergebnisbeiträge, wird der unter dem Weiterbetrieb ermittelte Wert regelmäßig der niedrigere der beiden sein.

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58 IFRS in der Praxis: 40 Bilanzierungs- und Bewertungsfragen für den Handel

Bevor jedoch eine Rückstellung gebildet werden kann, muss das Unternehmen diejenigen Vermögenswerte, die in Zusammenhang mit dem belastenden Vertrag aktiviert sind (z.B. Mietereinbauten oder Mobiliar im wirtschaftlichen Eigentum des Mieters), zunächst außerplanmäßig wertberichtigen. Daher wird eine Rück­stellung für belastende Verträge in der Regel bei Operating-Leasingverhältnissen und nicht bei Finanzierungsleasingverträgen gebildet.

Bei der Ermittlung der standortbezogenen Risiken aus belastenden Verträgen ist grundsätzlich jeder einzelne Standort, das heißt der individuelle Markt, zu betrachten.

Beispiel:

Die Handels GmbH hat die Filialen A und B für eine Jahresmiete in Höhe von jeweils 20.000 € angemietet. Die Jahresmiete entspricht der Marktmiete, für die auch eine Untervermietung erfolgen könnte. Die Mietverträge sind als Operating-Leasingverhältnis bilanziert. Die verbleibende Mietdauer beträgt jeweils fünf Jahre, jedoch besitzt die Handels-GmbH das Recht, gegen Leis­tung einer Abstandszahlung in Höhe von 25.000 € die Mietverträge vorzeitig nach zwei Jahren zu kündigen. Die Filialen erwirtschaften jeweils nachhaltige Verluste (unter Berücksichtigung der Mietaufwendungen) in Höhe von 10.000 € jährlich bei A und 50.000 € jährlich bei B. Der Zinssatz beträgt zehn Prozent.

Die unvermeidbaren Kosten der Vertragserfüllung betragen jeweils 83.397 € (Barwert von 20.000 €x5). Die Kosten bei Wahrnehmung des vorzeitigen Kündigungsrechts betragen jeweils 63.182 € (Barwert von 20.000 €x2+25.000 €). Die Kosten der Weiterführung des Geschäftsbetriebs betragen in der Filiale A 41.699 € (Barwert von 10.000 €x5) und in der Filiale B 208.493 € (Barwert von 50.000 € *5). Im Ergebnis stellt bei A die Fortführung des Betriebs und bei B die vorzeitige Beendigung des Mietvertrags jeweils die Option mit den ver­gleichsweise geringsten Kosten dar. Aus diesem Grund ist für Filiale A eine Rückstellung in Höhe von 41.699 € und für Filiale B eine Rückstellung in Höhe von 63.182 € zu bilden.

Abweichungen nach HGB

Grundsätzlich entsprechen Rückstellungen für belastende Verträge den nach § 249 Abs. 1 Satz 1 HGB zu bildenden Rückstellungen für drohende Verluste aus schwebenden Geschäften, das heißt, für belastende Mietverträge ist korrespon­dierend zu der Rückstellung nach IFRS auch eine Rückstellung nach HGB zu bilden. Im Gegensatz zu IFRS orientiert sich die Rückstellungsbildung nach HGB am Realisations- und Imparitätsprinzip und nicht an der rechtlichen oder faktischen Unentziehbarkeit der Verpflichtung.

Nach HGB dürfen Rückstellungen nur abgezinst werden, wenn die ihnen zugrunde liegende Verbindlichkeit einen Zinsanteil enthält (§ 253 Abs. 1 Satz 2 HGB).

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H Verluststandorte 59

28Wie sind günstig und Hintergrund

ungünstig übernommene Im Regelfall kaufen Händler Filialen dazu, um sich diese Standorte zu sichern, zu Leasingverträge im Rahmen expandieren oder den Wettbewerb von diesen Standorten fernzuhalten. einer Akquisition zu behandeln?

Bei Akquisition einer ganzen Kette ergibt sich im Portfolio der übernommenen Leasingverträge in der Regel eine Mischung aus Operating- und Finanzierungs­leasingverträgen sowie im Verhältnis zur ortsüblichen Miete eine Anzahl von günstig und ungünstig übernommenen Leasingverträgen.

Erfolgt die Übernahme der Leasingverhältnisse im Rahmen einer Akquisition (Unternehmenszusammenschluss), ist zu beurteilen, in welcher Weise die über­nommenen Leasingverträge bei der Allokation des Kaufpreises auf die übernom­menen und identifizierbaren Vermögenswerte, Schulden und Eventualschulden zu berücksichtigen sind.

Behandlung nach IFRS

Für die Leasingqualifikation gelten die oben genannten Kriterien (vgl. Frage 23). Hinsichtlich des Zeitpunkts, auf den die Qualifikation zu erfolgen hat, ist immer der erstmalige Abschluss des Leasingvertrags entscheidend. Es erfolgt keine erneute Prüfung zum Zeitpunkt des Unternehmenszusammenschlusses.

Beispiel:

Das Handelsunternehmen Kaufrausch schließt mit dem Vermieter Grüne Wiese einen Leasingvertrag ab dem 01.01.2000 mit einer Laufzeit von 20 Jahren ab.

Am 01.10.2007 wird Kaufrausch im Rahmen eines Unternehmenszusam­menschlusses von dem Konzern Schnäppchenjäger übernommen.

Wir gehen davon aus, dass bei der Beurteilung des Vertrags am 01.01.2000 aufgrund von Laufzeittest und Barwerttest ein Finanzierungsleasingvertrag vorgelegen hat. Bei isolierter Beurteilung des Vertrags am 01.01.2007 über dessen Restlaufzeit würde sich aufgrund der nunmehr kürzeren Laufzeit von jetzt nur noch 13 Jahren ein Operating-Leasingvertrag ergeben.

Für die Beurteilung des Leasingverhältnisses ist jedoch auf den ursprüng­lichen Beginn, das heißt den 01.01.2000, abzustellen. Daher liegt auch im Rahmen der Kaufpreisallokation bei Erwerb durch Schnäppchenjäger ein Finanzierungsleasingvertrag vor. Der Sachverhalt wäre auch nicht anders zu

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60 IFRS in der Praxis: 40 Bilanzierungs- und Bewertungsfragen für den Handel

behandeln, wenn die Übernahme durch Schnäppchenjäger zum 01.01.2019 erfolgen würde und der Leasingvertrag somit eine Restlaufzeit von nur noch einem Jahr hätte.

Die Bilanzierung von übernommenen Leasingverhältnissen richtet sich nach den folgenden Grundsätzen:

a) Übernommene Standorte mit Operating-Leasingverhältnissen Grundsätzlich wird die Miete laufzeitbezogen gezahlt und im Aufwand erfasst. Die Bilanzierung des Vermögenswertes und dessen Bewertung liegen beim Leasing­geber. Je nach Konstellation ist hier beim Leasinggeber bei ungünstigen Stand­orten eine Rückstellung für belastende Verträge (IAS 37.66) zu bilden. Bei Über­nahme von Mietverhältnissen, die günstiger als die Marktbedingungen sind, ist ein immaterieller Vermögenswert zu bilanzieren. Die Bewertung erfolgt in Höhe des beizulegenden Zeitwertes des „Vorteils“ gegenüber den Marktbedingungen.

Die Rückstellung respektive der immaterielle Vermögenswert werden über die Laufzeit des Mietverhältnisses amortisiert (Gegenbuchung: Mietaufwand), sodass in der Folgezeit der Mietaufwand in Höhe der ortsüblichen Miete ausgewiesen wird.

b) Übernommene Standorte mit Finanzierungsleasingverträgen Aus dem übernommenen Leasingverhältnis stehen sich die fortgeführten Anschaffungskosten der aktivierten Vermögenswerte und der passivierte Barwert der Mindestleasingzahlungen gegenüber. Unterschiede in beiden Werten sind allein durch die unterschiedliche Entwicklung von Abschreibungen und Zinsen begründet. Steht die Leasingrate jedoch im Missverhältnis zum geleasten Objekt (sei es zu günstig oder sei es zu teuer angemietet), ist der Wertansatz zwischen Vermögenswert und Schuld zum Zeitpunkt der Akquisition ungleich.

Im Fall eines ungünstigen Mietvertrags ist eine Abwertung des geleasten Vermö­genswertes auf den beizulegenden Zeitwert des Leasinggegenstandes geboten. Im Fall eines günstigen Mietvertrags ist eine entsprechende Aufwertung auf den beizulegenden Zeitwert des Leasinggegenstandes geboten.

Die übernommene Schuld ist dagegen mit dem beizulegenden Zeitwert der künf­tigen Mietzahlungen zu bilanzieren, die in aller Regel dem Barwert entsprechen wird.

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H Verluststandorte 61

Abweichungen nach HGB

Unterschiede zur Bilanzierung nach HGB ergeben sich insbesondere daraus, dass nach Handelsrecht der Vorteil aus einem günstigen Mietvertrag keinen bilanzie­rungsfähigen immateriellen Vermögensgegenstand darstellt.

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I Immobilien

29Unter welchen Vorausset­zungen werden Immobilien unter den als Finanzinvestition gehaltenen Immobilien bilan­ziert?

Hintergrund

Teilweise stehen im Handel Immobilien (Grundstücke, Gebäude oder Gebäude­teile) zwar im Eigentum des Handelsunternehmens, dienen aber nicht dem eigentlichen Geschäftsbetrieb, sondern werden als Finanzinvestition, etwa zur Erzielung von Mieteinnahmen, erhalten.

Nach IFRS sind solche Vermögenswerte getrennt vom Sachanlagevermögen zu zeigen, also getrennt von den Vermögenswerten, die im operativen Geschäft genutzt werden. Der Ausweis erfolgt unter den als Finanzinvestition gehaltenen Immobilien (investment property). Neben dem Ausweis bestehen auch Bewer­tungsunterschiede im Vergleich zum Sachanlagevermögen, da bei Investment Property der Marktwert stärker im Vordergrund steht und dem Bilanzierenden die Möglichkeit gegeben wird, Marktwertänderungen ergebniswirksam über die Gewinn- und Verlustrechnung zu erfassen (vgl. Frage 30).

Diese Frage beschäftigt sich damit, wann eine Immobilie als Finanzinvestition ein­zustufen ist. Die Ermittlung des Wertansatzes für eine als Finanzinvestition gehal­tene Immobilie ist in Frage 30 erläutert.

Behandlung nach IFRS

Die Entscheidung, ob beispielsweise ein Grundstück oder ein Gebäude als Finanz­investition bilanziert wird, ist von dem Verwendungszweck des Grundstücks oder des Gebäudes abhängig. IAS 40 erfordert eine Aufteilung des Immobilienbestan­des in vom Eigentümer selbst genutzten Immobilien (owner-occupied property), welche grundsätzlich nach IAS 16 zu bewerten sind, und als Finanzinvestitionen gehaltene Immobilien (investment property).

Als Finanzinvestition gehaltene Immobilien sind nach IAS 40.5 solche, die vom Eigentümer bzw. vom Leasingnehmer im Rahmen eines Finanzierungsleasing­vertrags ausschließlich

• zur Erzielung von Mieteinnahmen und/oder • zum Zweck der Wertsteigerung gehalten werden.

Leasingnehmer im Rahmen eines Operating-Leasingverhältnisses können optie­ren, ob der geleaste Vermögenswert als als Finanzinvestition gehaltene Immobilie behandelt wird, soweit die Immobilie die Voraussetzungen hierzu erfüllt. In die­sem Fall wird der Leasingvertrag wie ein Finanzierungsleasingvertrag behandelt.

Die Klassifizierung als Finanzinvestition scheidet dagegen für solche Immobilien aus, die für den betrieblichen Produktionsprozess, die Erbringung von Dienst­leistungen oder für Verwaltungszwecke genutzt werden oder zum Verkauf im Rahmen der gewöhnlichen Geschäftstätigkeit stehen (z. B. bei einem Immobilien­händler).

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I Immobilien 63

Bezogen auf den Handel stellen also z.B. solche Immobilien keine Finanzinves­tition dar, die als Verkaufsfläche, als Lagerfläche oder für die Verwaltung durch den Händler selbst genutzt werden.

In den Kosten bzw. dem beizulegenden Zeitwert eines als Finanzinvestition gehal­tenen Gebäudes sind auch Vermögenswerte (und gegebenenfalls Schulden) ent­halten, die einen integralen Bestandteil des Gebäudes bilden (vgl. IAS 40.50). So sind Ausstattungsgegenstände wie Aufzüge und Klimaanlagen für diese Betrach­tung mit dem Gebäude verbunden und nicht gesondert als Sachanlagen zu erfas­sen. Auch der Zeitwert mitvermieteter Möbel ist im beizulegenden Zeitwert eines als Finanzinvestition gehaltenen Gebäudes enthalten, sodass die Möbel bei An­wendung des sogenannten „Fair Value“-Modells nicht gesondert bilanziert werden.

Abgrenzungsprobleme ergeben sich insbesondere bei gemischt genutzten Immo­bilien (dual purpose property), das heißt bei Immobilien, die teilweise selbst vom Eigentümer genutzt werden, zum Teil aber auch an Dritte überlassen werden. Die Klassifizierung als Finanzinvestition ist für die vermieteten Teile nur dann möglich, wenn diese gesondert verkauft oder in Form eines Finanzierungsleasingvertrags vermietet werden könnten (IAS 40.10). Außerdem darf der Vermieter an den Mieter keine Nebenleistungen (ancillary services) erbringen, die wesentlich sind. Erlaubt sind aber z. B. Sicherheits- und Instandhaltungsleistungen durch den Vermieter (vgl. IAS 40.11).

Für den Handel ergeben sich aus den vorgenannten Punkten konkrete Abgren­zungsfragen bezüglich der an Dritte überlassenen Flächen innerhalb eines Super­marktes, eines Warenhauses, eines Einkaufszentrums usw. So kann z. B. ein an einen Mieter überlassenes abgetrenntes Ladenlokal innerhalb eines Einkaufs­zentrums mit eigenem Eingang einen als Finanzinvestition gehaltenen Teil einer Immobilie darstellen. Unter bestimmten Umständen kann dies auch für Store-in-Store-Lösungen gelten, sofern die entsprechenden Flächen separiert werden kön­nen (das heißt, wenn sie z. B. gesondert veräußert werden könnten, vgl. IAS 40.10). Eine bloße Überlassung von Ladenflächen innerhalb eines Kaufhauses (zum Bei­spiel als Präsentationsfläche für einen Hersteller oder zur Erzielung von Concession-Umsätzen) erfüllt dagegen in aller Regel nicht die Kriterien eines als Finanzinves­tition gehaltenen Teils einer Immobilie.

Sofern die Trennung eines Gebäudes nach den vorgenannten Grundsätzen in ein­zelne Bereiche nicht möglich ist, führt bereits die teilweise Nutzung durch den Eigentümer dazu, dass die gesamte Immobilie nicht als Finanzinvestition klassifi­ziert werden kann. Eine Ausnahme gilt nur dann, wenn die Eigennutzung unbe­deutend ist (vgl. IAS 40.10). Als Indikator hierfür kann ein Anteil der Eigennutzung von maximal fünf Prozent gelten.

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64 IFRS in der Praxis: 40 Bilanzierungs- und Bewertungsfragen für den Handel

Eine Immobilie in der Entwicklungs- und Herstellungsphase ist nicht als Finanz­investition zu bilanzieren, unabhängig davon, ob sie der Selbstnutzung dienen soll oder aber ein Verwendungszweck als Finanzanlage vorgesehen ist. Erst nach der Herstellungsphase kommt eine Bilanzierung als eine als Finanzinvestition gehal­tene Immobilie in Frage. Grund und Boden ist jedoch bereits bei Erwerb dieser Immobilie zu bilanzieren, wenn die Absicht zur Erzielung von Mieteinnahmen und/oder der Wertsteigerung vorliegt.

Die Behandlung von Immobilien in der Entwicklungs- und Herstellungsphase wird voraussichtlich durch das Erste Annual Improvement Project umfassend geändert.

Auch Immobilien, die leer stehen und auf unbestimmte Zeit stillgelegt sind, kön­nen die Kriterien einer Finanzinvestition erfüllen. Gleichwohl gilt zu beachten, dass ein Leerstand einer Immobilie nicht automatisch zu einer Bilanzierung als Finanzinvestition führt. Grundsätzlich ist in diesem Fall der künftige Verwendungs­zweck maßgeblich.

Beispiel:

Der Handelskonzern Schnäppchenjäger erwirbt eine Immobilie für einen Supermarkt mit angrenzendem Getränkemarkt. Des Weiteren ist im Ein­gangsbereich eine Verkaufsfläche für einen Zeitschriftenladen baulich vorge­sehen. Die Immobilie hat eine Gesamtfläche von 4.000 m2, wovon 1.000 m2

auf den Getränkemarkt und 50 m2 auf die Verkaufsfläche im Eingangsbereich entfallen. Der Wert der Gesamtimmobilie beträgt 1.000.000 €.

Entgegen der ursprünglichen Planung beschließt die Geschäftsführung am 28.12.2007, den Getränkemarkt an einen fremden Dritten unterzuvermieten, der den Getränkemarkt in völliger Eigenregie betreiben wird. Der Leasing­vertrag soll so ausgestaltet werden, dass ein Finanzierungsleasingvertrag vorliegt.

Der Zeitschriftenhandel soll ebenfalls für Rechnung eines fremden Dritten betrieben werden. Allerdings stellt Schnäppchenjäger das Personal und über­nimmt die Buchhaltung. Der Mietvertrag wurde über einen Zeitraum von einem Jahr abgeschlossen.

Zum 31.12.2007 ist der Teil des Getränkemarktes mit einem Wert von 200.000 € (1.000.000 € * 20 Prozent) nach IAS 40 unter den als Finanzinvestition gehal­tenen Immobilien auszuweisen. Die bis dato im Sachanlagevermögen (Grund­stücke und Gebäude) ausgewiesene Immobilie wird in den Posten „Als Finanzinvestition gehaltene Immobilie“ umgegliedert und in der Bilanz gesondert ausgewiesen. Die Fläche des Zeitschriftenhandels wird weiterhin als Sachanlagevermögen ausgewiesen, weil der Händler wesentliche Serviceleistungen für den Zeitschriftenhandel übernimmt und die Steuerung des Geschäfts wirtschaftlich gesehen, weiter über den Händler erfolgt.

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I Immobilien 65

30Wie sind als Finanzinvestition gehaltene Immobilien zu bewerten?

Abweichungen nach HGB

Eine vergleichbare Regelung zu IAS 40 findet sich im Handelsrecht nicht; daher erfolgt ein Ausweis von Immobilien grundsätzlich im Sachanlagevermögen und nicht in einem gesonderten Posten in der Bilanz.

Behandlung nach IFRS

Erfüllen Immobilien die Voraussetzungen, um als Finanzinvestition (investment property) klassifiziert zu werden (vgl. Frage 29), erfolgt der Zugang zunächst zu Anschaffungs- und Herstellungskosten. Hierbei umfassen die Anschaffungskosten neben dem Kaufpreis auch alle direkt zurechenbaren Kosten, insbesondere anfal­lende Transaktionskosten, wie z. B. Grunderwerbsteuer, Maklerhonorare oder Notargebühren (vgl. IAS 40.21). Nicht den Anschaffungskosten zugerechnet wer­den dürfen anfängliche Betriebsverluste, die z. B. durch anfänglichen Leerstand entstehen.

Werden gemietete Immobilien in Form eines Finanzierungsleasingvertrags als Finanzinvestition klassifiziert, richtet sich die erstmalige Bilanzierung und Bewer­tung grundsätzlich nach den für Finanzierungsleasingverträge geltenden Regeln. Das bedeutet, die Immobilie ist in aller Regel mit dem Barwert der Mindest­leasingzahlungen anzusetzen (oder ausnahmsweise mit dem beizulegenden Zeitwert, wenn dieser niedriger ist). Entsprechend ist eine Schuld in gleicher Höhe zu passivieren (vgl. IAS 40.25 sowie Frage 23).

Für die Folgebewertung hat das bilanzierende Unternehmen ein Wahlrecht (vgl. IAS 40.32A). Es kann die Immobilien entweder nach dem

• Anschaffungskostenmodell (Cost Model), das heißt zu fortgeführten Anschaffungs- und Herstellungskosten, oder nach dem

• Modell des beizulegenden Zeitwertes (Fair Value Model) bewerten.

Bedeutsam hierbei ist allerdings, dass das einmal gewählte Bewertungsmodell durchgängig und konsistent für alle Immobilien, die als Finanzinvestitionen ausge­wiesen werden, anzuwenden ist.

Entscheidet sich ein Unternehmen dazu, das Modell des beizulegenden Zeitwer­tes als Bewertungsmodell für seine Immobilien zu verwenden, so muss zu jedem Bilanzstichtag der beizulegende Zeitwert der Immobilien bestimmt werden. Der beizulegende Zeitwert ist der Betrag, zu dem ein Vermögenswert zwischen sach­verständigen, vertragswilligen und voneinander unabhängigen Geschäftspartnern getauscht werden könnte. Die Ermittlung des beizulegenden Zeitwertes basiert auf einem gedachten Verkauf des Vermögenswertes.

Nach IAS 40.45 soll der beizulegende Zeitwert als Marktwert ermittelt werden, indem das Unternehmen den Wert anhand von Vergleichen mit aktuell notierten

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66 IFRS in der Praxis: 40 Bilanzierungs- und Bewertungsfragen für den Handel

31Wie sind Rückbauverpflich­tungen der Standorte zu behandeln?

Preisen für vergleichbare Immobilien (similiar property) auf einem aktiven Markt (active market) ermittelt. Immobilien sind demnach als vergleichbar anzusehen, wenn sie von Größe, Lage und Zustand her vergleichbar sind. Ist eine Ermittlung des beizulegenden Zeitwertes mittels des Vergleichswertverfahrens nicht möglich, ist auf andere Informationsquellen, wie z.B. mittelbare Vergleichswerte oder durch finanzmathematische Verfahren ermittelte Zukunftserfolgswerte zurück­zugreifen.

Wird hingegen für die Folgebewertung das Modell der Anschaffungskosten gewählt, dann sind die fortgeführten Anschaffungs- und Herstellungskosten der Immobilien nach den Vorschriften von IAS 16 zu ermitteln. Mit anderen Worten sind die Anschaffungskosten für die Immobilie in einen Anteil für den Grund und Boden und für das Gebäude aufzuteilen. Der Gebäudeanteil ist über die Nutzungs­dauer abzuschreiben. Zu beachten gilt hierbei jedoch, dass im Falle der Folge­bewertung zu fortgeführten Anschaffungs- und Herstellungskosten im Anhang u. a. der beizulegende Zeitwert der Immobilien, die als Finanzinvestition gehalten werden, anzugeben ist. Insofern ergibt sich keine Erleichterung für das bilanzie­rende Unternehmen, da die Notwendigkeit zur Ermittlung der beizulegenden Zeitwerte der Immobilien nicht entfällt.

Behandlung nach HGB

Das HGB enthält keine spezifischen Vorschriften für Immobilien, die als Finanz­investition gehalten werden. Demzufolge erfolgt die Bilanzierung im Sachanlage­vermögen und die Bewertung zu fortgeführten Anschaffungs- und Herstellungs­kosten.

Hintergrund

Häufig werden im Handel die Geschäfte in gemieteten Geschäftsräumen betrieben. Über Einbauten werden die Geschäftsräume mit einem markenüblichen Layout ausgestattet. Häufig sind darüber hinaus geschäftsbedingte, bauliche Vorkehrun­gen notwendig wie beispielsweise bei der Gestaltung der Verkaufsfläche für Fleischwaren. In den Mietverträgen ist daher oft eine Verpflichtung des Mieters vorgesehen, eingebaute Gegenstände nach Ablauf des Mietvertrages wieder aus­zubauen und das Mietobjekt in seinen ursprünglichen Zustand zurückzuversetzen.

Behandlung nach IFRS

Die Verpflichtung zur Wiederherstellung entsteht durch den Abschluss des Miet­vertrages und den Umbau der Filiale. Sofern es wahrscheinlich ist, dass die Verpflichtung in der Zukunft zu einem Abfluss von Ressourcen führt und die Verpflichtung verlässlich geschätzt werden kann, liegt ein rückstellungspflichtiger Sachverhalt vor (IAS 37.14).

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I Immobilien 67

Die Kosten des Rückbaus stellen unter IFRS gleichzeitig Anschaffungs- oder Herstellungskosten der eingebauten Vermögenswerte dar (IAS 16.16 (c)). Wenn also gleich bei erstmaliger Bilanzierung der Mietereinbauten die Rückbauverpflich­tung als wahrscheinlich eingeschätzt wird, ist parallel auf der Aktivseite eine Erhöhung der Anschaffungskosten und auf der Passivseite die Bilanzierung der Rückstellung vorzunehmen. In der Folgebilanzierung ergeben sich dann zwei erfolgswirksame Effekte: Über die planmäßige Abschreibung der Mietereinbauten werden die zuaktivierten Rückbaukosten amortisiert. Gleichzeitig ist die Rückstel­lung jeweils aufzuzinsen, sofern die erstmalige Bilanzierung mit dem abgezinsten Betrag erfolgte (IAS 37.45). Die Aufzinsung ist als Finanzierungsaufwand zu erfas­sen (IFRIC 1.8). Aufgrund der beschriebenen Vorgehensweise kommt es grund­sätzlich zu einer ratierlichen Erfassung des Aufwands aus der Rückbauverpflich­tung im Zeitablauf.

Anwendungsfragen ergeben sich in denjenigen Fällen, in denen im Nachhinein Bewertungsannahmen hinsichtlich der Verpflichtungshöhe angepasst werden. Denkbar sind hier z. B. Fälle, in denen sich die Einschätzung des erwarteten Ressourcenabflusses durch den künftigen Rückbau ändert oder in denen sich die Annahmen für den anzuwendenden Abzinsungssatz ändern. Die Interpretation IFRIC 1 stellt für diese Fälle klar, dass (sofern nicht ausnahmsweise für die Bewertung der Mietereinbauten das Modell der beizulegenden Zeitwerte zur Anwendung kommt) die geänderten Bewertungsannahmen parallel bei dem auf die Mietereinbauten hinzu aktivierten Betrag und dem Rückstellungsbetrag zu berücksichtigen sind. Die Folgebilanzierung erfolgt dann unter Berücksichtigung der geänderten Ausgangsbasis.

Unter IFRS ungeregelt ist dagegen die Frage, welche Bilanzierungsfolgen sich aus einer erst im Zeitablauf neu entstehenden Verpflichtung ergeben, die nach erst­maliger Bilanzierung der Vermögenswerte auftritt. Vergleichbar ist auch der Fall, in dem sich die grundlegende Einschätzung bezüglich der Eintrittswahrscheinlichkeit ändert. In diesen Fällen können die in IFRIC 1 genannten Grundsätze entspre­chend angewendet werden, das heißt, es erfolgt bei Entstehen der Verpflichtung eine Zubuchung des erwarteten Wertes der Rückbaukosten bei den aktivierten Vermögenswerten. Auf der Passivseite erfolgt die Einstellung einer entsprechen­den Rückstellung.

Abweichung nach HGB

Handelsrechtlich ist für Rückbauverpflichtungen eine Rückstellung zu bilden. Die zu erwartenden Ausgaben sind von Vertragsbeginn an über die Laufzeit des Vertrags verteilt anzusammeln. Die Aktivierung zusätzlicher Anschaffungskosten auf die eingebauten Vermögensgegenstände kennt das Handelsrecht nicht.

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68 IFRS in der Praxis: 40 Bilanzierungs- und Bewertungsfragen für den Handel

32Unter welchen Vorausset­zungen dürfen Remodelling­Kosten oder Preopening-Kosten aktiviert werden?

Hintergrund

Die permanente Überarbeitung und Erweiterung des Filialnetzes sowie das Remodelling von bestehenden Filialen sind wichtige und kapitalintensive Eckpfeiler einer jeden Marketingstrategie.

Für die Bilanzierung stellt sich die Frage, ob und über welchen Zeitraum Remodelling-Kosten oder Preopening-Kosten verteilt werden können.

Behandlung nach IFRS

a) Remodelling-Kosten Häufig wird bei Filialisten das Filiallayout in regelmäßigen Abständen vollständig überarbeitet. Die Filiale erhält ein neues Gesicht und wird an das jeweilige mar­kenübliche Layout angepasst.

Unter Remodelling werden alle baulichen Maßnahmen zusammengefasst, die im Rahmen der vorgenannten Anpassungen erforderlich sind. Zumeist beinhaltet das Remodelling eine Summe von Einzelaktivitäten, die für sich genommen häufig Instandhaltungsaufwendungen darstellen würden wie beispielsweise Verände­rungen von nicht tragenden Wänden und abgehängten Decken, Malerarbeiten, Veränderung der Kassen, Sanitär- und Elektroarbeiten, Änderungen von Rolltreppen oder der Heizung oder Belüftung.

Wir sind der Auffassung, dass die Maßnahmen im Rahmen des Remodelling in der Regel zu aktivieren und über die Nutzungsdauer, das heißt in der Praxis den Remodelling-Zyklus, abzuschreiben sind (IAS 16.14). Ob die Remodelling-Kosten dabei Mietereinbauten und damit Komponenten des Gebäudes darstellen oder ob sie Komponenten von bereits bestehenden Mietereinbauten sind, ist nach den Gegebenheiten des Einzelfalls zu beurteilen.

b) Preopening-Kosten Als Preopening-Kosten werden Kosten bezeichnet, die anfallen, um eine Filiale vor der ersten Öffnung zu renovieren und in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen. Beispiele sind Kosten für die Renovierung, Personalkosten für das Einrichten der Filiale oder Lagerkosten für Waren vor Eröffnung.

Sofern Preopening-Kosten anfallen, um die Filiale mit einem markenüblichen Layout auszustatten, sind sie inhaltsgleich mit Remodelling-Kosten. In diesen Fällen gelten für die Bilanzierung von Preopening-Kosten die gleichen Grundsätze wie für das Remodelling.

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I Immobilien 6969

Sofern Preopening-Kosten nicht in direktem Zusammenhang mit einem materiel­len Vermögenswert stehen, sind sie nicht aktivierbar, sondern sind in der Periode aufwandswirksam zu erfassen, in der sie anfallen (IAS 38.69). Zu diesen Kosten gehören insbesondere Personalkosten und Lagerkosten für Waren vor Eröffnung der Filiale, aber auch Beratungskosten im Zusammenhang mit der Errichtung einer Filiale.

Abweichungen nach HGB

Handelsrechtlich sind Remodelling oder Preopening-Kosten dann zu aktivieren, wenn sie Herstellungskosten im Sinne von § 255 HGB darstellen. Im Ergebnis sind die Voraussetzungen für die Aktivierung grundsätzlich vergleichbar. Aktivier­barkeit ist gegeben, wenn durch die durchgeführten Maßnahmen ein oder meh­rere Vermögensgegenstände geschaffen werden.

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J Rückstellungen und Verbindlichkeiten

33Welche bilanziellen Folgen Hintergrund

ergeben sich aus der Durch das Elektro- und Elektronikgerätegesetz (Elektrogesetz – „ElektroG“) Verpflichtung zur Rücknahme wurde im Jahr 2005 eine EU-Richtlinie in nationales Gesetz umgesetzt. Ziel des von Elektroschrott? Elektrogesetzes ist es, die Hersteller von Elektro- und Elektronik-Altgeräten zur

umweltgerechten Entsorgung bzw. zur Finanzierung der Entsorgung anzuhalten. Auch Händler können zu den Herstellern im Sinne des ElektroG gehören, sofern sie Elektrogeräte unter einem Eigennamen vertreiben oder Elektrogeräte gewerb­lich in die EU einführen. In Deutschland erfolgt die Koordinierung der Entsorgung von Altgeräten durch die Stiftung Elektro-Altgeräte Register (Stiftung EAR).

Im Elektrogesetz wird zwischen historischen und neuen Altgeräten sowie zwi­schen Geräten privater Haushalte (B2C-Geräte) und Geräten kommerzieller Nutzer (B2B-Geräte) unterschieden. Historische Altgeräte sind solche, die vor dem 24.11.2005 auf den Markt gebracht wurden; entsprechend wurden neue Altge­räte ab dem 24.11.2005 auf den Markt gebracht. Allerdings wurde in Deutschland die Berechnung der Rücknahmeverpflichtung bis zum 24. 03. 2006 ausgesetzt. B2C-Geräte sind solche Geräte, die in privaten Haushalten genutzt werden können, wie z.B. Haushaltsgroßgeräte, Haushaltskleingeräte, IT-geräte und Telekommuni­kationsgeräte oder Geräte der Unterhaltungselektronik. B2B-Geräte sind solche Geräte, die ausschließlich in anderen als privaten Haushalten genutzt werden. Im Folgenden wird daher nur auf die Bilanzierung von Geräten privater Haushalte ein­gegangen.

Behandlung nach IFRS

Die Hersteller sind für die Finanzierung der Entsorgung von historischen Altgerä­ten privater Haushalte verantwortlich. Hierbei bemisst sich die Beteiligung an den Entsorgungskosten nach dem Absatzanteil in der Periode, die von der Stiftung EAR als Berechnungszeitraum zugrunde gelegt wurde. Beim Absatzanteil handelt es sich um die Menge an Geräten einer Geräteart, die ein Hersteller in Deutsch­land in Verkehr bringt, in Bezug auf alle Geräte sämtlicher Hersteller derselben Geräteart (vgl. IFRIC 6 und RIC 2).

Die Entsorgungsverpflichtung entsteht somit weder zum Zeitpunkt der Produktion noch bei erstmaligem Inverkehrbringen, weil sich diese Verpflichtung erst aus der (künftigen) Marktteilnahme ergibt. Das Entstehen der Entsorgungsverpflichtung und die Passivierung einer Rückstellung sind allein an die Marktteilnahme eines Herstellers im Berechnungszeitraum (verpflichtendes Ereignis nach IAS 37) geknüpft. Sobald ein Unternehmen nicht mehr am Markt vertreten ist bzw. diese Geräteart nicht mehr am Markt anbietet, entstehen dem Unternehmen keine Verpflichtungen mehr.

Sofern es sich um neue Altgeräte von privaten Haushalten handelt, haben die Hersteller die Kosten für die Entsorgung dieser Geräte zu tragen. Grundsätzlich haben diese hierbei ein Wahlrecht zwischen der sogenannten Vorwärtsfinanzie­

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J Rückstellungen und Verbindlichkeiten 71

rung und dem Umlageverfahren, welches in der Praxis fast ausschließlich zur Anwendung kommt. Hierbei berechnet sich die Entsorgungsverpflichtung nach der im jeweiligen Berechnungszeitraum in Verkehr gebrachten Menge an Elektro-und Elektronikgeräten pro Geräteart. Somit werden die Entsorgungskosten für Altgeräte von den im Markt aktuell bestehenden Herstellern einer Geräteart über­nommen.

Auch hier begründet das Inverkehrbringen von neuen Altgeräten keine Rückstel­lungspflicht, da sich der Hersteller durch Marktaustritt seiner Verpflichtung zur Finanzierung der Entsorgung von Altgeräten entziehen kann. Die Marktteilnahme ist das rückstellungsbegründende Ereignis. Die Methode und die Bilanzierung beim Umlageverfahren entsprechen der für die historischen Altgeräte von privaten Haushalten dargestellten Methode.

Haben mehrere Hersteller, die das Umlageverfahren gewählt haben, sich zu einem kollektiven System zusammengeschlossen, sind im Einzelfall die Regelungen dieser privatrechtlichen Vereinbarung zu würdigen und zu überprüfen, ob sich ein Hersteller im Falle des Marktaustritts unter bestimmten Voraussetzungen seiner Verpflichtung zur Finanzierung der Entsorgung von Altgeräten entziehen kann.

Beispiel:

In den Jahren 2006 und 2007 hat die Computer-Handels-AG 100 Computer unter ihrer Eigenmarke „Computerblitz“ auf den Markt gebracht. In 2008 konnte die Computer-Handels-AG bereits 250 Computer verkaufen. In 2009 verkauft die Computer-Handels-AG keine Computer mehr, sondern nur noch Drucker. Die Gesellschaft hat sich für die Finanzierung der Entsorgungskosten für das Umlageverfahren entschieden.

Im Jahr 2007 betrug der Marktanteil der Computer-Handels-AG zehn Prozent der gesamten Geräteart „Computer“ in Deutschland. Mit Bescheid der Stiftung EAR wurde der Gesellschaft mitgeteilt, dass die gesamten Entsor­gungskosten für diese Geräteart sich in 2007 auf 20.000 € belaufen haben. Basis hierfür waren die voraussichtlichen Entsorgungskosten für Computer, die voraussichtliche Rücklaufquote und die Menge der in Verkehr gebrachten Computer. Somit hat die Computer-Handels-AG zum 31.12.2007 eine Rück­stellung über 2.000 € (10% von 20.000 €) zu bilden und in der Folge Entsor­gungskosten in dieser Höhe zu tragen.

Im Jahr 2008 beträgt der Marktanteil der Computer-Handels-AG 25 Prozent an dieser Geräteart. Somit sind auch 25 Prozent der Entsorgungskosten von 30.000 €, die in 2008 insgesamt angefallen sind, von der Computer-Handels-AG zu tragen. Es ist daher zum 31.12.2008 eine Rückstellung über 7.500 € zu bilden.

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72 IFRS in der Praxis: 40 Bilanzierungs- und Bewertungsfragen für den Handel

34Wie ist die Verpflichtung zur Rücknahme von Pfandgut (Einweg/Mehrweg) zu behan­deln?

Für 2009 ist die Computer-Handels-AG nicht mehr zur Bildung einer Rückstel­lung und zur Finanzierung der Entsorgungskosten der Geräteart Computer verpflichtet. Durch „Nichtteilnahme“ am Markt hat sie sich ihrer Verpflichtung entzogen, auch wenn künftig noch Computer der Marke „Computerblitz“ zur Entsorgung anstehen. Die verbleibenden Hersteller im Markt haben künftig für die Entsorgung aller Computer entsprechend ihrem aktuellen Marktanteil aufzukommen. Jedoch ist die Computer-Handels-AG zur Stellung einer Garantie verpflichtet, die sie über den Zeitraum der mittleren Lebensdauer der durch sie in Verkehr gebrachten Elektrogeräte aufrechterhalten muss. Diese Garantien greifen jedoch nur in dem sogenannten „Garantiefall“, das heißt dem Fall, dass der letzte Hersteller, der sich für eine Verpflichtung nach seinem Anteil am Neugerätemarkt entschieden hat, aus dem Markt ausschei­det, und stellen ansonsten aus Sicht der Computer-Handels-AG eine Eventualschuld nach IAS 37.10 dar, für die lediglich die Angabepflichten nach IAS 37.86 gelten, sofern die Inanspruchnahme nicht unwahrscheinlich ist.

Behandlung nach HGB

Die Bilanzierung nach HGB entspricht der Bilanzierung nach IFRS.

Hintergrund

In Deutschland sind Pfandgüter teils sehr unterschiedlicher Art im Umlauf. Neben Mehrwegverpackungen sind aufgrund gesetzlicher Regelungen auch Einwegver­packungen bei Getränken teilweise mit Pfand behaftet. Zudem ist bei den Pfand­gütern noch zwischen Markenartikeln und ausschließlich vom Handelsunternehmen vertriebenen Eigenmarken zu unterscheiden. Die vorherrschenden Pfandsysteme unterscheiden sich wie folgt:

a) Lieferant als Pfandkontoführer Tritt der Lieferant als Pfandkontoführer auf, so wird das Pfandgut (z.B. Leergut oder Getränkekästen) vom Handelsunternehmen lediglich vertrieben, die Pfand­erhebung liegt originär beim Lieferanten. Beim Erwerb der Ware wird neben dem Kaufpreis der Ware eine zusätzliche Pfandgebühr an den Lieferanten entrichtet. Bei Veräußerung eines Pfandgutes an den Kunden erhebt das Handelsunterneh­men seinerseits ein Pfand in Höhe der ursprünglichen Gebühr und verpflichtet sich gleichzeitig, das Pfandgut bei Rückgabe anzunehmen und dem Kunden die Pfandgebühr wieder zu erstatten. Das zurückgenommene Leergut wird anschlie­ßend vom Handelsunternehmen an den Pfandkontoführer retourniert, der wiede­rum die Pfandgebühr zu erstatten hat. Soweit der Lieferant einem Mehrweg- bzw. Einwegsystem angehört, werden vom Handelsunternehmen auch Verpackungen von anderen Teilnehmern des Systems entgegengenommen und gegen Verrech­nung an den Lieferanten weitergegeben.

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J Rückstellungen und Verbindlichkeiten 73

b) Handelsunternehmen als Pfandkontoführer Tritt das Handelsunternehmen als Pfandkontoführer auf, so ist zu unterscheiden, ob es einem Verband mit einem einheitlichen Mehrwegpfandgut bzw. einem Einwegpfandsystem angehört oder aber ob es lediglich die eigenen Verpackungen ausgibt und wieder zurücknimmt. Im ersten Fall ist das Handelsunternehmen auch verpflichtet, vom Kunden Pfandgüter eines anderen dem Verband oder System angehörigen Unternehmens anzunehmen. Ausgleichend kann dafür der Kunde die Verpackung des Handelsunternehmens auch bei einem anderen dem Verband oder System zugehörigen Unternehmen abgegeben. In Deutschland werden beispielsweise im Bereich der Einwegpfandverpackungen die größten Lebensmitteleinzelhändler von der DPG (Deutsche Pfandsystem GmbH) betreut. Ist das Handelsunternehmen in keinem Pfandsystem organisiert, so muss es nur die eigenen Pfandgüter zurücknehmen.

Behandlung nach IFRS

a) Lieferant als Pfandkontoführer Obliegt dem Lieferanten die Pfandkontoführerschaft, so stellt die entrichtete Pfandgebühr als „Leergut“ beim Handelsunternehmen lediglich einen durchlau­fenden Posten dar. Das Pfandgut verbleibt im Eigentum des Lieferanten, und das Handelsunternehmen hat in Höhe des entrichteten Pfandgeldes eine Forderung gegen den Lieferanten. Der einem Pfandgut innewohnende Pfandwert erfüllt die Definitionen eines Vermögenswertes gemäß dem IFRS-Rahmenkonzept. Dem­nach ist ein Vermögenswert eine Ressource, die in der Verfügungsmacht des Unternehmens steht und von der erwartet wird, dass dem Unternehmen daraus ein künftiger wirtschaftlicher Nutzen zufließt. Die entrichtete Pfandgebühr ist als Vermögenswert anzusetzen, dessen wirtschaftlicher Nutzenzufluss sich bei Rückgabe der Pfandgüter an den Lieferanten einstellt. Die Anschaffungskosten des Vermögenswertes entsprechen der entrichteten Pfandgebühr.

Gemäß IAS 18.7 ist ein Ertrag dann abzubilden, wenn dem Unternehmen ein wirtschaftlicher Nutzen zufließt, der zu einer Erhöhung des Eigenkapitals führt. Davon ausgenommen sind daher Beträge, die im Interesse Dritter eingezogen werden und dadurch zu keiner Erhöhung des Eigenkapitals führen (IAS 18.8). Dies ist bei fremdem Pfandgut grundsätzlich anzunehmen, da bei der Weitergabe an den Kunden lediglich der an den Lieferanten bereits abgeführte Betrag einge­zogen wird. Das Pfandgut ist daher als durchlaufender Posten erfolgsneutral zu behandeln. Für die bei Ausgabe von Pfandgütern entstehende Rücknahmever­pflichtung ist eine Rückstellung gemäß IAS 37 zu bilden. Die Rückstellung ist bei Erstattung der Pfandgebühren an den Kunden in Anspruch zu nehmen. Eine Saldierung der Pfandforderung gegen den Lieferanten mit der Pfandschuld gegen­über dem Kunden scheidet aufgrund des Saldierungsverbots (IAS 1.32) aus. Für die bilanzielle Behandlung ist es unerheblich, ob der Lieferant Einweg- oder Mehrwegverpackungen verwendet.

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74 IFRS in der Praxis: 40 Bilanzierungs- und Bewertungsfragen für den Handel

Beispiel:

Das Handelsunternehmen hat am 01.01.2007 10.000 Flaschen Mineralwasser zu einem Einkaufspreis von 1,00 €/Stück erworben. Für die Mehrwegpfand­flaschen ist eine Pfandgebühr in Höhe von 0,15 €/Stück zu entrichten. Am 02. 01. 2007 werden 4.000 Flaschen zu einem Verkaufspreis von 2,00 €/Stück zuzüglich Pfand verkauft.

Es sind folgende vereinfachende Buchungen vorzunehmen (ohne Umsatz­steuer):

01. 01. 2007: Waren (Mineralwasser) 10.000 € Forderung aus Pfand 1.500 € an Verbindlichkeiten 11.500 € 02. 01. 2007: Kasse 8.600 € an Erträge 8.000 €

an Rückstellung für Pfand 600 €

Materialaufwand 4.000 € an Waren (Mineralwasser) 4.000 €

b) Handelsunternehmen als Pfandkontoführer Insbesondere bei Eigenmarken tritt das Handelsunternehmen häufig als Pfand­kontoführer auf, das heißt, das Handelsunternehmen selbst ist verpflichtet, die in Verkehr gebrachten Pfandgüter zurückzunehmen und wieder aufzubereiten (Mehr­weg) bzw. zu entsorgen (Einweg). Gehört das Handelsunternehmen einem Mehr­wegverband oder Einwegsystem an, sind darüber hinaus auch noch die Pfand­güter der Mitglieder des Verbandes oder Systems zurückzunehmen und aufzu­bereiten bzw. zu entsorgen.

Der Verkauf der Ware ist nach IAS 18 als Erlös zu erfassen, wohingegen die vereinnahmte Pfandgebühr regelmäßig keine Ertragsrealisierung im Sinne des IAS 18 darstellt. Der wirtschaftliche Nutzenzufluss in Form der Pfandgebühr wirkt nicht eigenkapitalerhöhend, sondern begründet eine Schuld gegenüber dem Kunden, die zum Zeitpunkt der Rückgabe des Pfandguts zu einem Ressourcen­abfluss führt. Soweit die Schuld der Fälligkeit oder Höhe nach ungewiss ist, handelt es sich gemäß IAS 37.10 um eine Rückstellung. Diese ist anzusetzen, wenn aus einem Ereignis der Vergangenheit eine gegenwärtige Verpflichtung entstanden ist, ein Ressourcenabfluss wahrscheinlich ist und die Höhe der Verpflichtung verläss­lich geschätzt werden kann.

Die Bewertung der Rückstellung bestimmt sich entsprechend der bestmöglichen Schätzung des zur Erfüllung der Verpflichtung erforderlichen Ressourcenabflusses (IAS 37.36). Soweit dem Handelsunternehmen aufgrund der Erfahrungen der Ver­gangenheit verlässliche Daten zum tatsächlichen Rückgabeverhalten der Kunden vorliegen, ist die Rückstellung nur in Höhe der tatsächlich zu erwartenden Rück­

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J Rückstellungen und Verbindlichkeiten 75

gaben an Pfandgütern zu bewerten. Diese Vorgehensweise berücksichtigt die Tatsache, dass die Pfandgüter vom Kunden vernichtet oder anderweitig entsorgt werden und daher nicht mehr an das Unternehmen retourniert werden.

Soweit ein Handelsunternehmen einem Mehrwegverband bzw. einem Einweg­system angeschlossen ist, erfolgt regelmäßig ein interner Ausgleich für die ent­gegengenommenen Pfandgüter anderer Mitglieder. Dies führt nach IFRS zur Realisierung einer Forderung gegenüber dem anderen Mitglied bzw. dem Verband oder System in Höhe der an den Kunden erstatteten Pfandgebühr. Korrespondie­rend ist die Rückstellung in eine Verbindlichkeit umzuwidmen, soweit dem Handels­unternehmen bekannt ist, dass ein anderes Mitglied des Verbandes oder Systems bereits eigene Pfandgüter angenommen hat.

Beispiel:

Ein Handelsunternehmen vertreibt Limonade unter einer Eigenmarke in einer Einwegverpackung, die es von einem Produzenten für 1,00 € je Flasche bezieht. Am 01.01.2007 erwirbt das Unternehmen 10.000 Flaschen. Der Verkaufspreis der Limonade liegt bei 2,00 € je Flasche zuzüglich einer gesetzlich vorge­schriebenen Pfandgebühr in Höhe von 0,15 €. Am 02.01.2007 werden 4.000 Flaschen verkauft. Dem Unternehmen ist aus den Erfahrungen der Vergan­genheit bekannt, dass lediglich 90 Prozent aller in Verkehr gebrachten Flaschen wieder retourniert werden. Am 03.01.2007 werden insgesamt 100 Flaschen retourniert. Es sind folgende vereinfachende (ohne Umsatzsteuer) Buchungen vorzunehmen:

01. 01. 2007: Waren (Limonade) 10.000 € an Verbindlichkeiten 10.000 € 02. 01. 2007: Kasse 8.600 € an Umsatzerlöse 8.000 €

an sonstigen betrieblichen Ertrag 60 € an Rückstellung für Pfand 540 €

Materialaufwand an Waren (Limonade) 4.000 € 03. 01. 2007: Rückstellung für Pfand an Kasse 15 €

Die Rückstellung für Pfand in Höhe von 540 € (entspricht 4.000x0,15 €x90%) wird in Höhe des wahrscheinlichen Wertes gebildet. Der Restbetrag in Höhe von 60 € (entspricht 4.000x0,15 €x10%), der voraussichtlich nicht zurückge­fordert wird, wird als sonstiger betrieblicher Ertrag vereinnahmt.

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76 IFRS in der Praxis: 40 Bilanzierungs- und Bewertungsfragen für den Handel

Abweichungen nach HGB

Grundsätzlich entspricht die nach den IFRS skizzierte Vorgehensweise auch den Vorschriften nach HGB. Demnach entsteht mit der Ausgabe von Pfandgütern und der Vereinnahmung von Pfandgeldern eine Außenverpflichtung gegenüber dem Kunden, für die eine Rückstellung nach § 249 Abs. 1 S. 1 HGB zu bilden ist. Lediglich bei der Bewertung der Rückstellung für Pfandgüter, bei denen das Handelsunternehmen Pfandkontoführer ist, kann es zu Unterschieden kommen. Bei der Ermittlung der voraussichtlich nicht mehr retournierten Pfandgüter ist nach HGB gegebenenfalls ein strengerer Maßstab anzulegen. Zudem wird in der Praxis die Vereinnahmung und Erstattung von Pfandgeldern zunächst über die GuV abgebildet und erst zum Abschlussstichtag durch eine entsprechende Rückstellungsbuchung wieder korrigiert.

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K Expansionen

35Wie sind Expansions­ausgaben abzubilden?

Hintergrund

Wachstum im Handel ist zumeist verbunden mit der Erschließung neuer Stand­orte im In- oder Ausland. Häufig führen neue Standorte auch zu der Gründung neuer Gesellschaften.

Expansionen sind zudem oft verbunden mit zusätzlichen Kosten. Gerade für die erste Filiale in einer neuen Stadt oder einem neuen Land entstehen häufig sehr viel höhere Kosten als für die Geschäftserweiterung in einem bereits erschlosse­nen Gebiet. Expansionskosten fallen zum einen am Standort der neuen Filiale an. Zum anderen führen sie aber auch einfach zu Mehraufwendungen in der Zentrale und werden von dort aus weiterbelastet.

Wird die Expansion in einer eigenen rechtlichen Gesellschaft betrieben, so stellt sich darüber hinaus die Frage, ab welchem Zeitpunkt diese Gesellschaft dem Konzern zuzurechnen ist. Zu dieser Fragestellung verweisen wir auf Frage 36.

Behandlung nach IFRS

Start-up-Kosten können nach IAS 16.19 nicht als Teil der Anschaffungs- oder Her­stellungskosten für das Sachanlagevermögen erfasst werden. Kosten, die not­wendig sind, um Vermögenswerte in einen betriebsbereiten Zustand zu versetzen, werden jedoch aktiviert. Die Anlaufverluste, die entstehen, bevor eine Filiale sich am Markt etabliert und ein konstantes operatives Geschäft entwickelt hat, dürfen nach IAS 16.20 nicht aktiviert werden.

Explizit verboten ist auch eine Bilanzierung als immaterieller Vermögenswert: Nach IAS 38.69 (a) sind Ausgaben für die Gründung und den Anlauf eines Geschäftsbe­triebs in der Periode als Aufwand zu erfassen, in der sie angefallen sind. Zu den Gründungs- und Anlaufkosten in diesem Sinne zählen Kosten der Rechtsberatung und sonstige Kosten, die bei der Gründung einer juristischen Einheit anfallen, Aus­gaben für die Eröffnung einer neuen Betriebsstätte oder eines neuen Geschäftes (das heißt Eröffnungskosten), Kosten für die Aufnahme neuer Tätigkeitsbereiche, die Einführung neuer Produkte oder Verfahren (das heißt Anlaufkosten).

Abweichungen nach HGB

Bei der Errichtung einer neuen Gesellschaft sieht das Handelsrecht die Aktivie­rung von Ingangsetzungsaufwendungen im Sinne des § 269 HGB vor. Hierzu zählen alle Aufwendungen, die während der Anlaufphase des Geschäftsbetriebs durch den erstmaligen Aufbau der Innen- und Außenorganisation und durch die Bereitmachung des Geschäftsbetriebs für die Aufnahme einer geregelten Leis­tungserbringung ausgelöst werden und die weder Anschaffungskosten noch Herstellungskosten von aktivierbaren Vermögensgegenständen darstellen. Nicht zu den Ingangsetzungsaufwendungen gehören die Aufwendungen für die Gründung des Unternehmens und für die Beschaffung des Eigenkapitals. Ingang­setzungsaufwendungen sind über einen Zeitraum von maximal vier Jahren abzu­schreiben, wobei die Abschreibung in jedem folgenden Geschäftsjahr mindestens 25 Prozent des ursprünglich aktivierten Betrags betragen muss.

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78 IFRS in der Praxis: 40 Bilanzierungs- und Bewertungsfragen für den Handel

36Ab welchem Zeitpunkt sind Behandlung nach IFRS

neue Tochtergesellschaften erst- Nach IAS 27.12 gilt für den Konzernabschluss das sogenannte Weltabschlussprin­malig zu konsolidieren? zip, das heißt, es sind grundsätzlich alle Tochterunternehmen – unabhängig von

Sitz oder Rechtsform – in den Konzernabschluss einzubeziehen. Die Frage des Zeitpunkts der Einbeziehung hängt daher allein von der Frage ab, ob und ab wann ein Unternehmen Tochterunternehmen ist. Nach den IFRS ist ein Unternehmen dann ein Tochterunternehmen, wenn es von der Mutter beherrscht wird.

Dabei wird unter Beherrschungsmöglichkeit durch die Mutter die Möglichkeit verstanden, die Finanz- und Geschäftspolitik eines Unternehmens zu bestimmen, um aus dessen Tätigkeit Nutzen zu ziehen.

Beherrschung wird vermutet, wenn das Mutterunternehmen entweder direkt oder indirekt über Tochterunternehmen über mehr als die Hälfte der Stimmrechte eines Unternehmens verfügt; dies gilt nicht, wenn sich eindeutig nachweisen lässt, dass ein derartiger Besitz keine Beherrschung begründet. Im Umkehr­schluss liegt eine Beherrschung ebenfalls vor, wenn das Mutterunternehmen zwar weniger als die Hälfte der Stimmrechte besitzt, Kontrolle aber dennoch auf­grund der tatsächlichen Verhältnisse gegeben ist. IAS 27.13 nennt hierzu einen Katalog von Voraussetzungen.

Ein Unternehmen darf auch dann nicht von der Konsolidierung ausgeschlossen werden, wenn sich die Geschäftstätigkeit von der Geschäftstätigkeit anderer Unternehmen des Konzerns unterscheidet (IAS 27.20) oder wenn es für die Ver­pflichtung, ein den tatsächlichen Verhältnissen entsprechendes Bild der Vermögens-, Finanz- und Ertragslage des Konzerns zu vermitteln, von untergeordneter Bedeu­tung ist. Ein faktisches Einbeziehungswahlrecht für unwesentliche Tochterunter­nehmen ergibt sich allenfalls aus dem allgemeinen Grundsatz der Wesentlichkeit (materiality principle), der im Framework der IFRS festgeschrieben ist.

Nach IFRS ist es nicht möglich, als Zeitpunkt der erstmaligen Einbeziehung in den Konzernabschluss einen anderen Zeitpunkt zu bestimmen als den Tag, an dem die Beherrschungsmöglichkeit tatsächlich übergegangen ist. Unter Umständen ist es nicht zu beanstanden, wenn der Erwerber die Erstkonsolidierung auf ein nahe­liegendes Periodenende legt (z.B. Monatsende oder Quartalsende), sofern die Effekte daraus unwesentlich sind. Beispielsweise kann ein Unternehmen, das am 13. Oktober erworben wurde, bereits zum 30. September konsolidiert werden, sofern der Effekt aus den 13 Tagen unwesentlich ist.

Abweichungen nach HGB

Abweichungen bezüglich des Konsolidierungskreises können sich dadurch ergeben, dass die Voraussetzungen für die Begründung eines Mutter-Tochter-Verhältnisses nach IFRS teilweise von denjenigen nach § 290 HGB abweichen sowie aufgrund von Unterschieden bei den Konsolidierungswahlrechten (§ 296 HGB).

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L Standortschließungen/ Filialnetzüberarbeitung

37Wann sind Rückstellungen Hintergrund

für Risiken aus Mietverträgen Betriebswirtschaftliche und strategische Überlegungen sowie die Reaktion auf zu berücksichtigen? geänderte Kundenbedürfnisse veranlassen die Handelsunternehmen zu einer

kontinuierlichen Überarbeitung ihres Standort- bzw. Filialnetzes. Es ist branchen­üblich, Filialen anzumieten, um unrentable Standorte möglichst flexibel schließen zu können.

Aus der Schließung eines Standortes bzw. einer Filiale entstehen Schließungs­kosten aus den abgeschlossenen Mietverträgen (z.B. Abbruch, Entsorgungs­kosten, Renovierungskosten, Abstandszahlungen zur Beendigung des Mietver­trags, drohende Verluste aus schwebenden Geschäften).

Behandlung nach IFRS

Abbruch- und Entsorgungsverpflichtungen von sogenannten Mietereinbauten sowie die Renovierungsverpflichtungen nach Beendigung des Mietvertrags ent­stehen mit Abschluss des Mietvertrags. Sie sind ab Beginn des Mietverhältnisses als Rückstellungen zu berücksichtigen (IAS 16.16 (c)) und mit dem zugehörigen Vermögenswert zu aktivieren. Die rechtliche Verpflichtung für Abstandszahlungen zur Beendigung des Mietvertrags entsteht in der Regel erst mit Abschluss einer entsprechenden Vereinbarung mit dem Vermieter. Eine faktische Verpflichtung kann bereits aus dem Schließungsbeschluss des Unternehmens resultieren, der dem Vermieter vor dem Abschlussstichtag ausführlich mitgeteilt wurde (IAS 37.20). Da in diesen Fällen sowohl der Abfluss von Ressourcen wahrscheinlich als auch eine verlässliche Schätzung z.B. aus Vorverhandlungen mit dem Vermieter oder Erfahrungswerten möglich ist, ist ab dem Zeitpunkt der Mitteilung an den Vermie­ter eine Rückstellung zu bilden.

Ab dem Zeitpunkt der Schließung des Marktes steht der durch das Unternehmen zu zahlenden Miete kein wirtschaftlicher Nutzen mehr gegenüber, solange der Standort nicht anderweitig, z.B. durch Untervermietung, weiter genutzt werden kann. IAS 37.10 definiert solche Verträge als belastende Verträge, bei denen die unvermeidbaren Kosten zur Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen (Mietzah­lungen) höher sind als der erwartete wirtschaftliche Nutzen. Nach IAS 37.66 ist für diese gegenwärtige Verpflichtung eine Rückstellung anzusetzen. Diese Verpflich­tung entsteht bereits mit dem Schließungsbeschluss des Unternehmens, der dem Vermieter vor dem Abschlussstichtag ausführlich mitgeteilt wurde (IAS 37.20).

Abweichungen nach HGB

Handelsrechtlich ist die Bildung von Rückstellungen in § 249 HGB geregelt. Eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten ist dann zu bilden, wenn eine sicher oder wahrscheinlich bestehende Verbindlichkeit gegenüber einem Dritten am Abschlussstichtag rechtlich oder wirtschaftlich verursacht war und mit einer Inan­spruchnahme ernsthaft zu rechnen ist.

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80 IFRS in der Praxis: 40 Bilanzierungs- und Bewertungsfragen für den Handel

38Für welche weiteren Risiken aus Standortschließungen sind Rückstellungen zu bilden?

Abbruch- und Entsorgungsverpflichtungen der Mietereinbauten sowie Renovie­rungsverpflichtungen nach Beendigung des Mietvertrags entstehen mit Abschluss des Mietvertrags und sind ab Vertragsbeginn in Form einer Rückstellung ratierlich anzusammeln. Grundsätzlich erfolgt keine Aktivierung der Rückbauverpflichtung als Mietereinbauten (vgl. Frage 31).

Weiter wird für handelsrechtliche Zwecke bereits das Vorliegen eines formalen Schließungsbeschlusses durch das Unternehmen als hinreichender Konkretisie­rungsgrund für eine Verbindlichkeit angenommen. Die bloße Wahrscheinlichkeit der Schließung reicht dagegen nicht aus.

Eine Rückstellung für drohende Verluste aus dem Mietvertrag oder auch für mög­liche Abstandszahlungen ist daher ab dem Zeitpunkt des Schließungsbeschlusses zu bilden.

Hintergrund

Schließungskosten umfassen neben den Kosten aus Mietverträgen auch außer­planmäßige Kosten aus Abschreibungen aus der nur bedingten Verwertbarkeit sowie Kosten aus der Verlagerung des am Standort vorhandenen Anlage- bzw. Vorratsvermögens. Auch entstehen in Folge häufig personalbedingte Umstruk­turierungen. Bezüglich der Bewertung von Risiken aus Standortschließungen verweisen wir auf Frage 39.

Behandlung nach IFRS

Außerplanmäßige Abschreibungen des Anlage- oder Vorratsvermögens aus Anlass einer Standortschließung unterliegen vorrangig den Vorschriften des IAS 36 (Wertminderungen von Vermögenswerten) und des IAS 2 (Vorräte).

Im Falle der Schließung mehrerer Standorte einer Region oder eines Landes im Rahmen sogenannter Restrukturierungsmaßnahmen (Geschäftsfeld oder Geschäftsdurchführung werden wesentlich verändert) werden die Kriterien zum Vorliegen einer faktischen Verpflichtung gemäß IAS 37.72 konkretisiert:

• Es muss ein detaillierter, formaler Restrukturierungsplan mit den folgenden Einzelangaben vorliegen: – der betroffene Geschäftsbereich oder Teil eines Geschäftsbereichs, – die wichtigsten Standorte, – Standort, Funktion und ungefähre Anzahl der Arbeitnehmer, die für die

Beendigung ihres Beschäftigungsverhältnisses eine Abfindung erhalten werden,

– die entstehenden Ausgaben, – den Umsetzungszeitpunkt des Plans, und

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L Standortschließungen/Filialnetzüberarbeitung 818181

• bei den Betroffenen muss eine gerechtfertigte Erwartung geweckt worden sein, dass die Restrukturierungsmaßnahmen durch den Beginn der Umset­zung des Plans oder die Ankündigung seiner wesentlichen Bestandteile den Betroffenen gegenüber durchgeführt wird.

Beim Verkauf ganzer Bereiche entsteht erst dann eine Verpflichtung für das Unternehmen, wenn ein bindender Kaufvertrag existiert (IAS 37.78).

Bestimmte Aufwendungen (wie z. B. für die Umschulung oder Versetzung weiter­beschäftigter Mitarbeiter oder die Investition in neue Systeme und Vertriebs­netze) sind nicht im Rahmen einer Restrukturierungsrückstellung zu erfassen (IAS 37.81).

Handelt es sich nicht um eine Restrukturierung im oben genannten Sinne, son­dern werden lediglich vereinzelte Personalmaßnahmen getroffen, kommt die Bildung einer Rückstellung unter den allgemeinen Voraussetzungen des IAS 37/ IAS 19.132 ff. in Betracht. In aller Regel sind die Voraussetzungen zu dem Zeit­punkt erfüllt, in dem z.B. die Zusage einer Abfindung usw. dem Betroffenen so ausführlich und konkret mitgeteilt wurde, dass die Mitteilung eine gerechtfertigte Erwartung bei ihm hervorgerufen hat, dass das Unternehmen seinen Verpflich­tungen nachkommt (IAS 37.20).

Beispiel:

Ein Handelsunternehmen mit 300 Filialen beschließt die Schließung einer gemieteten Filiale ab dem 01.05.2008 mit formalem Beschluss vom 15.12.2007. Das Anlagevermögen der Filiale wurde zum 01.10.2005 aktiviert. Eine anderweitige Verwendungsmöglichkeit besteht nicht. Gemäß schrift­licher Absprache mit dem Vermieter am 30.12.2007 wird der zugehörige Mietvertrag einvernehmlich zum 30.09.2008 beendet. Im Mietvertrag waren Entfernungsverpflichtungen für die vorgenommenen Mietereinbauten festge­legt. Die betroffenen Mitarbeiter der Filiale wurden noch nicht über die Schließung informiert. Fünf Mitarbeitern soll eine Kündigung ausgesprochen werden. Das vollständige Anlage- und Umlaufvermögen der Filiale kann ohne zusätzliche Kosten und Wertverluste in der Nachbarfiliale weiterverwendet werden.

• Nach IAS 16.16 sind die Entfernungsverpflichtungen mit den Mieterein­bauten bereits zum 01. 10. 2005 zu aktivieren, und in gleicher Höhe ist eine Rückstellung für Rückverpflichtungen zu bilden.

• Aufwendungen für die Kündigung von Mitarbeitern können nach IFRS zum 31.12.2007 noch nicht als Rückstellung angesetzt werden, da die Mitarbei­ter bisher noch nicht über die Schließung informiert wurden und somit bei ihnen nicht die gerechtfertigte Erwartung der Betroffenheit geweckt werden konnte.

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82 IFRS in der Praxis: 40 Bilanzierungs- und Bewertungsfragen für den Handel

39Welche Komponenten sind bei der Bewertung der Rückstellung für Standortschließungen zu berücksichtigen?

• Für die drohenden Verluste aus dem Mietvertrag ist zum 31. 12. 2007 eine Rückstellung zu berücksichtigen, weil sich das Handelsunternehmen durch die Vereinbarung mit dem Vermieter verbindlich festgelegt hat, die Filiale zu schließen.

Abweichungen nach HGB

Wie bereits in der vorherigen Frage ausgeführt, ist handelsrechtlich ein Schlie­ßungsbeschluss maßgeblich. Die Rückstellungsbildung knüpft hingegen nicht an die formelle Verkündung dieses Beschlusses an.

Ergänzend dürfen handelsrechtlich sogenannte Aufwandsrückstellungen im Rah­men eines Passivierungswahlrechts gebildet werden. Im Rahmen dieser Defi­nition ist es daher nach herrschender Meinung möglich, Kosten für die Verlage­rung des Anlage- oder Vorratsvermögens sowie Aufwendungen für Umschulung oder Versetzung weiterzubeschäftigender Mitarbeiter in Form von Aufwandsrück­stellungen im Jahresabschluss zu berücksichtigen.

In dem obigen Beispiel wäre für die Mietereinbauten keine Aktivierung vorzuneh­men. Allerdings wäre ab dem 01.10.2005 ratierlich eine Rückstellung zu bilden.

Bezüglich der Kündigung der Mitarbeiter liegt nach HGB mit dem formalen Schlie­ßungsbeschluss ein hinreichender Konkretisierungsgrund für eine Rückstellung für ungewisse Verbindlichkeiten vor, die bereits zum Zeitpunkt des Schließungs­beschlusses zu passivieren sind.

Für die Kündigung des Mietvertrags ist ebenfalls ab dem Zeitpunkt des Schließungsbeschlusses eine Rückstellung zu bilden.

Hintergrund

Die Schließung eines Standortes ist zumeist ein Prozess, der sich über einen län­geren Zeitraum hinzieht. Insofern fallen auch Ausgaben, im Zusammenhang mit der Schließung zeitlich verteilt und häufig auch erst Jahre nach dem Schließungs­beschluss, an.

Daneben sind die einzelnen Aufwendungen mit verschiedenen Unsicherheiten behaftet. Häufig hängt die Höhe einer Zahlung von dem Ergebnis eines Verhand­lungserfolgs ab.

Idealerweise können im Rahmen einer Schließung auch Erträge aus dem Verkauf oder einer anderen Verwertung der Ressourcen erwirtschaftet werden, die die Aufwendungen teilweise kompensieren. Diese und weitere Komponenten sind entscheidend dafür verantwortlich, welche Kosten letztendlich mit der Restruk­turierung verbunden sind.

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L Standortschließungen/Filialnetzüberarbeitung 8383

Diese Frage beschäftigt sich damit, ob und wie einzelne Bewertungskomponenten in die Ermittlung der Restrukturierungsrückstellung einfließen.

Behandlung nach IFRS

Nach IFRS stellt der als Rückstellung angesetzte Betrag die bestmögliche Schät­zung der Ausgaben dar, die zur Erfüllung der gegenwärtigen Verpflichtung zum Abschlussstichtag erforderlich sind. Dabei sind die mit vielen Ereignissen und Umständen verbundenen Risiken und Unsicherheiten zu berücksichtigen.

(Kurzfristig erwartete) Aufwendungen für die Kündigung von Mitarbeitern (z.B. Abfindungen) sowie Abstandszahlungen zur Beendigung eines Mietvertrags sind daher mit dem wahrscheinlichen Auszahlungsbetrag zurückzustellen. Bei einer wesentlichen Auswirkung des Zinseffektes ist die Rückstellung in Höhe des Barwertes der erwarteten Ausgaben anzusetzen (IAS 37.45 bzw. IAS 19.139).

Rückstellungen für Abbruch- und Entsorgungsverpflichtungen nach Beendigung des Mietvertrags sind mit der Errichtung oder Inbetriebnahme von Anlagen ent­standen und bereits sofort nach Errichtung oder bei Inbetriebnahme in voller Höhe zurückzustellen. Nach IAS 16.16 (c) sind sie bereits ab diesem Zeitpunkt korrespondierend zur Rückstellung als Teil der Anschaffungs- oder Herstellungs­kosten der Vermögenswerte zu aktivieren und über die Nutzungsdauer des Vermögenswertes abzuschreiben. Als Rückstellungsbetrag ist der Barwert der voraussichtlichen Kosten anzusetzen. Durch den Schließungsbeschluss können Anzeichen für eine außerplanmäßige Wertminderung im Sinne von IAS 36 vorlie­gen. Für die Bemessung der Rückstellung wird die abweichende Restlaufzeit in der Regel Auswirkungen auf die Bemessung des Barwertes haben.

Künftige Ereignisse, die den zur Erfüllung einer Verpflichtung erforderlichen Betrag beeinflussen können, sind bei der Höhe der Rückstellung zu berücksichtigen, sofern es ausreichende objektive, substanzielle Hinweise auf deren Eintritt gibt. Erträge aus dem erwarteten Abgang von Vermögenswerten dürfen jedoch nicht berücksichtigt werden. Künftige betriebliche Verluste sind bei der Rückstellungs­bemessung ebenfalls außer Acht zu lassen.

Für belastende Verträge ist die gegenwärtige vertragliche Verpflichtung als Rück­stellung anzusetzen und zu bewerten (IAS 37.66). Die unvermeidbaren Kosten zur Erfüllung der vertraglichen Verpflichtungen sind in diesen Fällen höher als der erwartete wirtschaftliche Nutzen. Zurückzustellen sind die Nettokosten als Differenz zwischen den erwarteten Erlösen und den zwingend anfallenden höhe­ren Ausgaben. Außerplanmäßige Abschreibungen sind vorrangig, soweit es im Rahmen des schwebenden Geschäftes zur Aktivierung eines Vermögenswertes gekommen ist (IAS 37.69).

Bei drohenden Verlusten aus einem Mietvertrag einer zur Schließung vorgesehe­nen Filiale – Schließungsfiliale – sind demzufolge in der Regel alle Mietzahlungen

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84 IFRS in der Praxis: 40 Bilanzierungs- und Bewertungsfragen für den Handel

ab dem Schließungszeitpunkt zurückzustellen. Gegebenenfalls anfallende Erträge (z. B. aus Untervermietungen) sind zu saldieren. Bei wesentlicher Auswirkung ist zudem der Zinseffekt mit einzubeziehen. Dem Filialmietvertrag zuzuordnende Vermögenswerte, die einer außerplanmäßigen Abschreibung aus dem drohenden Verlust unterzogen werden müssten, liegen in der Regel nicht vor, da Anlage- und Vorratsvermögen der Filiale grundsätzlich weiterverwendet, veräußert oder ver­schrottet und somit gesondert bewertet werden. Eine Restrukturierungsrückstel­lung darf nur die direkt im Zusammenhang mit der Restrukturierung entstehen­den Ausgaben enthalten, die zwangsweise anfallen und nicht mit den laufenden Aktivitäten des Unternehmens im Zusammenhang stehen (IAS 37.80).

Abweichungen nach HGB

Nach § 253 Abs. 1 HGB sind Rückstellungen nur in Höhe des Betrags anzusetzen, der nach vernünftiger kaufmännischer Beurteilung notwendig ist. Für Verbindlich­keitsrückstellungen ist der Erfüllungsbetrag und für Drohverlustrückstellungen der Verpflichtungsüberschuss anzusetzen. Im Einzelfall können sich daher Unterschiede in der Ausweishöhe zu dem nach IFRS gefassten Betrag ergeben.

Weitere Unterschiede resultieren aus der handelsrechtlich deutlich restriktiver gehandhabten Abzinsung von Rückstellungen sowie aus der Tatsache, dass han­delsrechtlich beispielsweise Rückstellungen für Abbruch- und Entsorgungsver­pflichtungen nach Beendigung des Mietvertrags im Rahmen der normalen Miet­vertragslaufzeit „anzusammeln“ sind. Wird die Mietvertragslaufzeit im Rahmen des Schließungsbeschlusses angepasst, ist eine korrespondierende Anpassung des Rückstellungsbetrags vorzunehmen.

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40 umfassend diskutiert, bei denen sich noch keine einheitliche bzw. herrschende Bilanzierungsmeinung in der Praxis und in den entsprechenden Literaturveröffent­lichungen bzw. Kommentaren gebildet hat.

Wir begleiten diese Diskussionen in der Praxis bei unseren Mandanten sowie in den entsprechenden fachlichen Gremien und werden die Ergebnisse künftig über eine laufende Ergänzung der vorliegenden Broschüre darstellen.

Unter www.kpmg.de können Sie die jeweils aktuelle Version herunterladen. Spannende zukünftige Themen sind beispielsweise Warentermingeschäfte, die Behandlung von Abstandszahlungen und Maklercourtage oder aber die Frage, welche Arten von immateriellen Vermögensgegenständen im Handel häufig entstehen und wie diese zu bewerten sind.

Welche weiteren Themen Die in dieser Broschüre dargestellten Bilanzierungsfragen nach IFRS sind nicht sind relevant? abschließend. Vielmehr werden derzeit weitere Themen in der Handelsbranche

Wir würden uns freuen, Ihre individuellen Fragen persönlich mit Ihnen zu diskutieren.

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86 IFRS in der Praxis: 40 Bilanzierungs- und Bewertungsfragen für den Handel

Abkürzungsverzeichnis

B2B Business to Business

B2C Business to Customer

EITF Emerging Issues Task Force (des FASB)

FASB Financial Accounting Standards Board

GuV Gewinn- und Verlustrechnung

IAS International Accounting Standards

IFRS International Financial Reporting Standards

i.S.v. im Sinne von

o.g. oben genannt

o.Ä. oder Ähnliches

p.a. per annum

RIC Rechnungslegungs Interpretations Committee

s.o. siehe oben

SIC Standing Interpretation Committee

US-GAAP United States-Generally Accepted Accounting Principles

u.U. unter Umständen

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KPMG – Service nach Maß

KPMG ist ein weltweites Netzwerk rechtlich selbstständiger, nationaler Firmen mit über 123.000 Mitarbeitern in 145 Ländern.

Auch in Deutschland gehört KPMG zu den führenden Wirtschaftsprüfungs- und Beratungsunternehmen und ist mit ca. 7.700 Mitarbeitern an über 20 Standorten präsent. Unsere Leistungen sind in die Geschäftsbereiche Audit, Tax und Advisory gegliedert. Im Mittelpunkt von Audit steht die Prüfung von Konzern- und Jahres­abschlüssen. Tax steht für die steuerberatende Tätigkeit von KPMG. Der Bereich Advisory bündelt unser hohes fachliches Know-how zu betriebswirtschaftlichen, regulatorischen und transaktionsorientierten Themen.

Für wesentliche Sektoren unserer Wirtschaft haben wir eine geschäftsbereichs­übergreifende Branchenspezialisierung vorgenommen. Hier laufen die Erfahrungen unserer Spezialisten weltweit zusammen und tragen zusätzlich zur Beratungsqualität bei.

Stand der Rechnungslegung:

Unsere in dieser Publikation dargelegten Ausführungen basieren auf den vom IASB bis zum 30. September 2007 veröffent­lichten Standards und Interpretationen.

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Ansprechpartner KPMG Deutsche Treuhand-Gesellschaft

Aktiengesellschaft Wirtschaftsprüfungsgesellschaft

Johannes Siemes

Partner Leiter Consumer Goods & Retail Barbarossaplatz 1a 50674 Köln T +49 221 2073-6248 F +49 1802 11991-6248 [email protected]

Nicole Stollenwerk

Partnerin, Audit Consumer Goods & Retail Barbarossaplatz 1a 50674 Köln T +49 221 2073-6288 F +49 1802 11991-6288 [email protected]

Die enthaltenen Informationen sind allgemeiner Natur und nicht auf die spezielle Situation einer Einzelperson oder einer juristischen Person ausgerichtet. Obwohl wir uns bemühen, zuverlässige und aktuelle Informationen zu liefern, können wir nicht garantieren, dass diese Informationen so zutreffend sind wie zum Zeitpunkt ihres Eingangs oder dass sie auch in Zukunft so zutreffend sein werden. Niemand sollte aufgrund dieser Informationen handeln ohne geeigneten fachlichen Rat und ohne gründliche Analyse der betreffenden Situation.

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