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2. Vergleich der Windlastannahmen nach DIN EN 13001-2 mit entsprechen- den Festlegungen in bisherigen Kranbaunormen und in der neuen DIN 1055-4 des Bauwesens 2.1 Grundsätzliches 2.1.1 Annahmen zum Tragwerk Es wird von den Normen, so auch jetzt wie- der von DIN EN 13001-2, unterstellt, dass das Krantragwerk hinreichend steif und in- folge dessen gegenüber Wind schwingungs- unempfindlich sei. Diese grundsätzliche Forderung kann vereinfachend als erfüllt angesehen werden, wenn die erste Eigen- frequenz des Krantragwerks f 1 > (2 Hz) ist. Ist das der Fall, darf mit den in der Norm angegebenen Windlasten quasi-sta- tisch gerechnet werden. Anderenfalls ist das Schwingen des Stahltragwerks im Wind bei der Ermittlung der aus Windeinwirkung entstehenden Tragwerksreaktionen mit zu berücksichtigen. Für f 1 > (0,5 Hz) kann das näherungsweise geschehen, indem man die nach der Norm berechnete Windlast mit dem dynamischen Faktor ϕ≈ 1 + 0,1 Hz/f 1 (1) vergrößert und mit dieser erhöhten Wind- last das Krantragwerk in gewohnter Weise quasi-statisch berechnet – genauere Be- rechnung nach DIN 1055-4 [7], Anhang C. In DIN EN 13001-2 fehlt dazu jedoch jed- wede Angabe. 2.1.2 Annahmen zum Berechnungs- ansatz Der Berechnungsansatz für die Norm-Wind- last lautet: W = A w c w (z). (2) Er enthält zwei Probleme: a) das strömungsmechanische Problem b) das meteorologische Problem. 2.1.2.1. Das strömungsmechanische Problem der Windlastberechnung Der strömungsmechanische Teil der Wind- lastberechnung ist in Gl. (2) dargestellt durch das Produkt A w c, wobei A w die vom Wind getroffene Windfläche des Trag- werks ist und der Formbeiwert c die Be- sonderheiten der Umströmung des Trag- werks im Luftstrom des Windes erfasst. Diese Umströmung ist abhängig von der Geometrie und von der konstruktiven Ge- staltung des Tragwerks. Der auf das Trag- werk zuströmende Wind wird dabei kon- ventionell vereinfachend als geradlinige horizontale Luftströmung angenommen. Dementsprechend gehen die meisten Fest- legungen der Normen zu A w und c auf Windkanalversuche zurück. Die in der Natur auftretenden Turbulenzen des böigen Windes sind dagegen räumliche Luftwir- bel, die sich sowohl vertikal als auch horizontal drehen. In den Kranbaunormen werden diese Luftwirbel vereinfachend erfasst als in Wind- richtung an- und abschwellende Windstaudrücke, deren Betrag bei hinreichend hohen Windge- schwindigkeiten zwar höhenabhängig veränder- lich, rechtwinklig zur Windrichtung jedoch als konstant angenommen wird. Man unterstellt, dass in der Horizontalebene die Kranabmessun- gen rechtwinklig zur Windrichtung klein seien gegenüber der räumlichen Ausdehnung dieser Luftwirbel. Mit kleinem Radius horizontal drehen- de Windwirbel in Orkanstärke treten in Deutsch- land äußerst selten auf und, wenn überhaupt, dann nur örtlich eng begrenzt. Sie sind deswe- gen bisher nicht Bemessungsgrundlage für Kran- tragwerke gewesen. Die praktische Erfahrung der Vergangenheit zeigt, dass diese vereinfachende Vorgehensweise bis in jüngste Zeit ausreichend gewesen ist, so lange wie noch keine auffälligen Klimaveränderungen zu beobachten waren. 2.1.2.2 Das meteorologische Problem der Windlastberechnung Das meteorologische Problem der Wind- lastberechnung steckt in der Windge- schwindigkeit v(z, q). Dabei ist z die Höhe über Grund. Der in Gl. (2) enthaltene Wind- staudruck w (z, q) ist proportional zum Quadrat der Windgeschwindigkeit v (z, q). Der Parameter q mit 0 ≤ q ≤ 1 ist die Un- terschreitungswahrscheinlichkeit, mit der beide Größen sich als Zufallsgrößen zwi- schen ihren Endwerten nach dem für sie zutreffenden statistischen Verteilungsge- setz einordnen. Die Werte min v (z) und min w (z), beide gültig für q = 0, sind die 1. Einleitung Die europäische Kranbaunorm DIN EN 13001-2 [1] enthält neue Festlegungen zur Annahme der auf den Kran einwirkenden Wind- lasten. Diese weichen nicht nur formal, sondern auch inhaltlich von den Festlegungen der bisherigen Kranbaunormen [2 bis 5] ab (Tafel ). Es ist deshalb angebracht, einerseits Vergleiche mit den bisherigen Regelungen anzustel- len, andererseits diese neuen Festlegungen mit Windmessungen zu vergleichen. Darüber hinaus sollen dem Anwender der neuen Norm wichtige Hintergrundinfor- mationen zur Windproblematik vermittelt werden (betreffende Textpassagen sind im Kleindruck dargestellt. Red.). Denn Schadens- fälle durch Windeinwirkung, vornehmlich durch Abtreiben des Krans entstanden, aber auch durch Umkippen, z. B. bei Baukra- nen, oder durch Abreißen leichter Bauteile mit verhältnismäßig gro- ßer Windfläche, wie Schilder, Verkleidungen oder Abdeckungen, die vom Sturm losgerissen werden und dann unkontrolliert herum- fliegen und Schaden anrichten, sind in der Vergangenheit leider nicht so selten gewesen, als dass man bei im Freien arbeitenden Kranen den Windeinfluss von der Sache her als unproblematisch einstufen kann. Bekanntlich sind weitaus mehr Krane durch Wind abgetrieben worden und nach dem Anprall gegen die Fahrbahn- endbegrenzer um- oder abge- stürzt, als unter Last zusammen- gebrochen. www.hebezeuge-foerdermittel.de · Hebezeuge Fördermittel, Berlin 47 (2007) online Berechnung und Konstruktion Betrachtungen zur Windlast- annahme nach DIN EN 13001-2 1 online Krane Dr.-Ing. habil. Werner Warkenthin, freier wissenschaftlicher Mitarbeiter der IFF Engineering & Consulting GmbH in Leipzig

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2. Vergleich der Windlastannahmennach DIN EN 13001-2 mit entsprechen-den Festlegungen in bisherigen Kranbaunormen und in der neuen DIN 1055-4 des Bauwesens

2.1 Grundsätzliches

2.1.1 Annahmen zum Tragwerk

Es wird von den Normen, so auch jetzt wie-der von DIN EN 13001-2, unterstellt, dassdas Krantragwerk hinreichend steif und in -folge dessen gegenüber Wind schwingungs -unempfindlich sei. Diese grundsätzlicheFor derung kann vereinfachend als er fülltangesehen werden, wenn die erste Ei gen-frequenz des Krantragwerks f1 > (≈ 2 Hz)ist. Ist das der Fall, darf mit den in derNorm angegebenen Windlasten quasi-sta-tisch gerechnet werden. Anderenfalls istdas Schwingen des Stahltragwerks im Windbei der Ermittlung der aus Windeinwirkungentstehenden Tragwerksreaktionen mit zuberücksichtigen. Für f1 > (≈ 0,5 Hz) kanndas näherungsweise geschehen, indem mandie nach der Norm berechnete Windlast mitdem dynamischen Faktor

ϕ ≈ 1 + 0,1 Hz/f1 (1)

vergrößert und mit dieser erhöhten Wind-last das Krantragwerk in gewohnter Weisequasi-statisch berechnet – genauere Be-rechnung nach DIN 1055-4 [7], Anhang C.In DIN EN 13001-2 fehlt dazu jedoch jed-wede Angabe.

2.1.2 Annahmen zum Berechnungs-ansatz

Der Berechnungsansatz für die Norm-Wind -last lautet:

W = Aw • c • w (z). (2)

Er enthält zwei Probleme:a) das strömungsmechanische Problemb) das meteorologische Problem.

2.1.2.1. Das strömungsmechanische Problem der WindlastberechnungDer strömungsmechanische Teil der Wind-lastberechnung ist in Gl. (2) dargestellt

durch das Produkt Aw • c, wobei Aw dievom Wind getroffene Windfläche des Trag-werks ist und der Formbeiwert c die Be-sonderheiten der Umströmung des Trag-werks im Luftstrom des Windes erfasst.Diese Umströmung ist abhängig von derGeometrie und von der konstruktiven Ge-staltung des Tragwerks. Der auf das Trag-werk zuströmende Wind wird dabei kon-ventionell vereinfachend als geradlinigehorizontale Luftströmung angenommen.Dementsprechend gehen die meisten Fest-legungen der Normen zu Aw und c aufWindkanalversuche zurück.

Die in der Natur auftretenden Turbulenzen desböigen Windes sind dagegen räumliche Luftwir-bel, die sich sowohl vertikal als auch horizontaldrehen. In den Kranbaunormen werden dieseLuftwirbel vereinfachend erfasst als in Wind-richtung an- und abschwellende Windstaudrücke,deren Betrag bei hinreichend hohen Windge-schwin digkeiten zwar höhenabhängig veränder -lich, rechtwinklig zur Windrichtung jedoch alskonstant angenommen wird. Man unterstellt,dass in der Horizontalebene die Kranabmessun-gen rechtwinklig zur Windrichtung klein seiengegenüber der räumlichen Ausdehnung dieserLuftwirbel. Mit kleinem Radius horizontal drehen -de Windwirbel in Orkanstärke treten in Deutsch-land äußerst selten auf und, wenn überhaupt,dann nur örtlich eng begrenzt. Sie sind deswe-gen bisher nicht Bemessungsgrundlage für Kran-tragwerke gewesen. Die praktische Erfahrung derVergangenheit zeigt, dass diese vereinfachendeVorgehensweise bis in jüngste Zeit ausreichendgewesen ist, so lange wie noch kei ne auffälligenKlimaveränderungen zu beobach ten waren.

2.1.2.2 Das meteorologische Problemder WindlastberechnungDas meteorologische Problem der Wind-last berechnung steckt in der Windge-schwin digkeit v (z, q). Dabei ist z die Höheüber Grund. Der in Gl. (2) enthaltene Wind-staudruck w (z, q) ist proportional zumQuadrat der Windgeschwindigkeit v (z, q).Der Parameter q mit 0 ≤ q ≤ 1 ist die Un-terschreitungswahrscheinlichkeit, mit derbeide Größen sich als Zufallsgrößen zwi-schen ihren Endwerten nach dem für siezutreffenden statistischen Verteilungsge-setz einordnen. Die Werte min v (z) undmin w (z), beide gültig für q = 0, sind die

1. Einleitung

Die europäische Kranbaunorm DIN EN 13001-2 [1] enthält neueFestlegungen zur Annahme der auf den Kran einwirkenden Wind-lasten. Diese weichen nicht nur formal, sondern auch inhaltlich vonden Festlegungen der bisherigenKranbaunormen [2 bis 5] ab (Tafel ➀). Es ist deshalb angebracht,einerseits Vergleiche mit den bisherigen Regelungen anzustel-len, andererseits diese neuen Festlegungen mit Windmessungenzu vergleichen. Darüber hinaus sol len dem Anwender der neuenNorm wichtige Hinter grundinfor-mationen zur Wind problematikvermittelt werden (betreffendeTextpassagen sind im Kleindruckdarge stellt. Red.). Denn Schadens-fälle durch Wind einwirkung, vornehmlich durch Abtreiben des Krans entstanden, aber auchdurch Umkippen, z. B. bei Baukra-nen, oder durch Abreißen leichterBauteile mit verhältnismäßig gro-ßer Windfläche, wie Schilder, Verkleidungen oder Abdeckungen,die vom Sturm losgerissen wer denund dann unkontrolliert herum-fliegen und Schaden anrichten,sind in der Vergangenheit leidernicht so selten gewesen, als dassman bei im Freien arbeitenden Kranen den Windeinfluss von derSa che her als unproblematisch einstufen kann. Be kanntlich sindweit aus mehr Krane durch Windabgetrieben worden und nach dem Anprall gegen die Fahrbahn -endbegrenzer um- oder abge-stürzt, als unter Last zusammen-gebrochen.

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Betrachtungen zur Windlast-annahme nach DIN EN 13001-2

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so genannten unteren Endwerte; kleinereWerte v (z) und w (z) gibt es nicht. DieWerte max v (z) und max w (z), beide gül-tig für q = 1, sind die so genannten oberenEndwerte; größere Werte als diese tretennicht auf, zumindest zufolge der statisti-schen Auswertung der in der Vergangen-heit am betreffenden Standort als konkreteEinzelwerte gemessenen Windgeschwin dig -keiten nicht. Ob durch globale Klimaverän-derung in Zukunft höhere Endwerte maxv (z) und max w (z) möglich sein werden,kann mit mathematischer Strenge aus denderzeit vorliegenden Messwerten nochnicht geschlossen werden. Man kann der-zeit vorerst nur schätzen.Die zur Unterschreitungswahrscheinlich-keit q komplementäre Überschreitungs-wahrscheinlichkeit qü = 1 – q ist ein auchfür den Laien verständliches Maß für dieBeurteilung des Auftretens extrem hoherWindstärken.

Abweichend vom Normtext wird hier der aufdie Flächeneinheit wirkende Windstaudruck (= Geschwindigkeitsdruck) nicht mit dem Buch-staben q, sondern mit dem Buchstaben w be-zeichnet, weil der Buchstabe q gebraucht wirdfür die Wahr scheinlichkeit, mit der die betref-fende Wind geschwindigkeit und der ihr zuge-ordnete Windstaudruck unterschritten werden.v (z, q) ist das q-Quantil der auf der Höhe z überGrund auftretenden Windgeschwindigkeit v (z).Als Mittelwert hängt die Windgeschwindigkeitab von der Zeitspanne, in der sie mit geeigne-ten Instrumenten gemessen wird. Man unter-scheidet:� Böengeschwindigkeit (Windspitze);

v (3) = Mittelwert über 3 s Messdauer� 10-min-Mittel; v10 = Mittelwert über

10 min Messdauer� Stunden-Mittel; v60 = Mittelwert über

1 h (60 min) Messdauer.

Die in der Norm festgeschriebenen Wertefür die Böengeschwindigkeit v(3) sind die

Grundlage für alle Windlastannahmen nachDIN EN 13001-2. Das war in früheren Nor-men nicht so eindeutig geregelt gewesen.

Für den Zustand „Kran in Betrieb“ sind dieNormwerte gestaffelt für drei Betriebswindstu-fen angegeben, um bei der Windlastannahmebetriebswirtschaftliche und umschlagtechnischeGesichtspunkte des Kra neinsatzes berücksichti-gen zu können. v (3) wird dabei, auf der sicherenSeite liegend, wie bisher als höhenunabhängigangenommen; einerseits zur Berechnungsver-einfachung, andererseits, weil Turbulen zen mitsignifikanter Höhenabhängigkeit des q-Quantilsder Windgeschwindigkeit v (z) sich größtenteilsohnehin erst bei höheren Windgeschwindigkeits-werten bilden.Für den Zustand „Kran außer Betrieb“ sind dieNormwerte der Böengeschwindigkeit v (3) ab-hängig vom Standort des Krans, haupt sächlichvon der Windregion, in der der Kran steht, be-sonders aber abhängig von der Höhe z überGrund. Die nur schwache Abhängigkeit des Wind-staudrucks von der Höhe über dem Meeres-spiegel, wie z. B. im Anhang A zur DIN 1055-4 [7]angegeben, wird im Kranbau vereinfachend ver-nachlässigt.Für Angaben der Windgeschwindigkeit wer dentraditionell die Windstärken 0 bis 12 der Beau-fort-Skala verwendet (Tafel ➁). Diese auf denbritischen Admiral F. Beaufort zurückgehendeSkala aus dem Jahr 1806 sollte ursprünglich nurden Zusammenhang zwi schen Windstärke undSeegang vermitteln. Vorgänge wie der Meeres-Seegang hän gen tatsächlich von der in einernicht zu kleinen Zeitspanne gemessenen durch-schnitt lichen Windgeschwindigkeit ab. Kurz zei-tig auftretende Böengeschwindigkeiten sinddabei uninteressant. Deshalb geben nach in-ternationaler Konvention die Windstärken derBeaufort-Skala, exakt angewendet, das 10-min-Mit tel in 10 m Höhe an. Für die Standsicherheitvon Bauwerken und Kranen sind jedoch die inden Windböen auftretenden Windspitzen maß-gebend, so auch für das Brechen eines Schiffs-mastes, aber ohne nennenswerten Einfluss auf

das vom Seegang abhängige Rollen und Stamp-fen des Schiffes.Das Verhältnis der Böengeschwindigkeit v (3)zum 10-min-Mittel ist kein fester Wert. Es hängtvom Widerstand ab, den das Bodenprofil demWind entgegensetzt, ist dem zufolge von Ort zuOrt verschieden, je nach dem, wie stark die Rau-igkeit des örtlichen Bodenprofils ist. Demzufol-ge können wirksam werdende oder bei aufge-trete nen Schadensfällen wirksam geweseneWind lasten nicht ohne Zusatzinformationen alleinaus Angaben des 10-min-Mittels bestimmt wer-den. Ein für die Wirtschaft aus sagefähiger Wetterbericht muss deshalb neben der durch-schnittlichen Windgeschwin dig keit auch die Bö-engeschwindigkeit mit ent halten. Weil der vonder Beaufort-Skala erfasste Geschwindigkeits-bereich aber auch für die an den wichtigstenSiedlungs- und Wirtschaftsstandorten auftre-tenden Böen geschwindigkeiten ausreicht undin der Öffentlichkeit die Windstärken der Beau-fort-Skala nicht nur gewohnt sind, sondern inihrer Anwendung auch sehr effektiv sprach ver-

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Tafel ➀ Windlastannahmen für das Brückenträgerpaar eines Zweiträger-Brückenkrans in Kastenträgerbauweise nach verschiede-nen Normen für den Zustand „Kran außer Betrieb“ (Spannweite l = 24 m, Trägerhöhe d = 2 m, Trägerbreite b = 1 m, Trägerabstand a = 2 m, Höhe z = 15 m über Grund)

Tafel ➁ Windgeschwindigkeitsbereichenach der Beaufort-Skala

Windstärke Windgeschwindigkeitin m/s

0 0…0,2

1 0,3…1,5

2 1,6…3,3

3 3,4…5,4

4 5,5…7,9

5 8,0…10,7

6 10,8…13,8

7 13,9…17,1

8 17,2…20,7

9 20,8…24,4

10 24,5…28,4

11 28,5…32,6

12 > 32,6

1 2 3 4 5 6 7 8 9

NormFormbeiwert wirksame Windfläche Windstaudruck Windlast

c % Aw • c [m2] % Wa.B. [N/m2] % Wa.B. [kN] %

DIN 120 [2] 1,6 100 76,8 100 800 100 61,44 100

DIN 15018-1 [3] 1,638 102,4 78,62 102,4 800 100 62,9 102,4DIN 1055-4 [6]

F.E.M. 1.001 [4] 1,79 111,9 94,51 123,0 800 100 75,6 123,0

TGL 13470 [5] 1,2 75,0 66,24 86,25 700 87,5 46,4 75,52

DIN EN 13001-2 [1]a) Tab. A.4., Zeile 3 1,56 97,5 82,4 107,2

766 95,75

63,1 102,73Tab. A.6, Bild A.9

b) Tab. A.4, Zeile 6 1,014 63,4 48,67 63,4 37,28 60,68

Ab

scha

ttun

gsm

od

ell

exak

teLö

sun

g

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kürzend wirken, werden sie heute umgangs-sprachlich ebenfalls zur Angabe der Böenge-schwindigkeit verwendet. Meldet der Wetterbe-richt beispielsweise „Wind: Süd-West 5 bis 6,Böen 7“, so besagt diese auf die kürzestmögli-che Form gebrachte Information, dass in dennächsten 24 Stunden der Wind aus RichtungSüd-West wehen wird mit einem 10-min-Mittelvon etwa 10 bis 12 m/s und Windspitzen bis etwa17 m/s, gemessen in 10 m Höhe (s. Tafel ➁).Alle Windgeschwindigkeitsangaben der Wet- terberichte gelten grundsätzlich im mer nur für z = 10 m über Grund. Für den Kranfahrer, der beizunehmender Windstärke den von ihm bedien-ten Kran stillsetzen muss, sobald die Böen zustark werden, ist jedoch die am höchsten Punktdes Krans auftretende Böengeschwindigkeitmaß gebend. Außerdem: In der Zeit, die ge-braucht wird, um den Kran vom Betriebs-zustand in den sturmsicheren Außerbetriebszu-stand umzurüsten, darf die Böengeschwindigkeitam höchsten Punkt des Krans den zulässigenWert nicht schon vor Abschluss der Umrüstar-beiten überschritten haben. Besonders bei älte-ren Kranen, bei denen Schie nenzangen oderSchienenklemmen noch von Hand anzulegensind, kann die Umrüstzeit t mitunter mehrereMinuten dauern. Der bei aufkommendem Stark-wind in dieser Zeitspanne mögliche Anstieg derBöengeschwindigkeit ist unbedingt mit zu be-rücksichtigen. Doch da über diesen Anstieg jeZeiteinheit gesicherte Angaben nicht verfügbarsind, muss notgedrungen auf entsprechendebisherige genormte Festlegungen des Kranbausund auf Erfahrungswerte der Kranbetreiber zu-rückgegriffen werden:Ein bewährter Ansatz zum Berücksichtigen derUmrüstzeit t bei dem für das Beenden des Be-triebszustandes geltenden Grenzwert des Be-triebswind-Staudrucks ist im Abschn. 6.1.3 derDIN 15019 [8] enthalten. Bild 7 der DIN EN13001-2 gibt für die in Tab. 4 dieser Norm ange-gebenen drei Betriebswindstufen die zulässigeWind stärke nach der Beaufort-Skala im her-kömm lichen Sinne an, nämlich bezogen auf das10-min-Mittel der Windgeschwindigkeit. DiesesBild 7 der Norm gilt streng genommen jedochnur für z = 10 m über Grund bei einer Umrüst-zeit t = 0. Eine bessere Orientierungshilfe gibtBild➊, indem die dort dargestellten Diagram-

me neben variablen Wer ten z auch die Um-rüstzeit t gemäß Grenzwert des Betriebswind-Staudrucks nach DIN 15019 mit berücksichtigen.Jedoch ist zu beachten, dass die in dieser erwei-terten Darstellung angegebenen Beaufort- Wind-stärken, anders als in der neuen Norm DIN EN13001-2, sich auf die Böengeschwindigkeit be-ziehen. Das ist zweckmä ßiger, weil für die nach-weisbestimmende Windlast nach Norm die Bö-engeschwin digkeit und nicht das 10-min-Mittelmaßgebend ist. Außerdem ist die Böenge-schwin digkeit direkt zu vergleichen mit der Mo-mentan-Messwert-Anzeige des Windmessge-rätes. Denn am besten ist es, sich nichtaus schließlich nur auf Angaben im Wetterbe-richt zu verlassen, sondern den Kran selbst miteinem Windmessgerät auszurüsten. Dieses Ge -rät ist am höchsten Punkt des Krans anzubrin-gen. Der praktischen Erfahrung nach gilt diegemäß Betriebswindstufe des Krans festgelegtezulässige Betriebswind-Böengeschwindigkeit alserreicht und es ist unverzüglich mit dem Umrüs-ten in den Außerbetriebszustand zu beginnen,wenn das Windmessgerät des Krans dreimal hin-tereinander 95 % des in DIN EN 13001-2, Tab. 4,angegebenen Norm wertes anzeigt. Das 50-%-Quantil der Böenwiederholungszeit beträgt inMittel- und Ostdeutschland etwa 16 bis 20 s. Dasheißt: Gibt das Windmessgerät des Krans in einerMinute dreimal hintereinander Signal, ist der Kran-betrieb einzustellen, und die Sturm sicherungendes Krans sind zu aktivieren.Mit zunehmender Höhe z verliert sich der Ein-fluss der Rauigkeit des örtlich vorhandenen Bo-

denprofils auf die Windgeschwin digkeit. In Bo-den nähe ist dieser Einfluss jedoch bedeutend.Dort beträgt für z = 10 m über Grund das Verhält -nis der Böengeschwindigkeit zum 10-min-Mittel � ≈ 4/3 im offenen flachen Gelände� ≈ 2 über den Zentren großer Städte. Dazwischen liegende Werte für Standorte in denneuen deutschen Bundesländern können aus denAngaben der Tafel ➃ berechnet werden (s. a.Tafel ➆, Spalte 2). DIN EN 13001-2 verwendethin gegen vom Standort unabhängige Pauschal -werte, näm lich für Wind bei „Kran in Betrieb“,unabhängig von der Höhe z, das Verhältnis 1,5.Jedoch werden für Wind bei „Kran außer Be-trieb“, höhenabhängig, etwas klei nere Verhält-nis werte angenommen, z. B. für z = 10 m überGrund der Wert 1,4; hingegen 1,32 für z = 50 m.Der Pauschalwert 1,5 für das Verhältnis v (3)/v10im Betriebszustand liegt auch dem Bild 7 derDIN EN 13001-2 zugrunde. Das Verhältnis desStunden-Mittels zum 10-min-Mittel zeigt gerin-gere territoriale Unterschiede; es beträgt unge-fähr 1/1,1.

2.2 Produkt Aw • c

Der Ansatz der vom Wind getroffenen Flä-che Aw ist in den Normen unterschiedlichdefiniert. In den alten Berechnungsnormen[2 bis 5] ist es bei hintereinander stehen-den Bauteilen und Baugruppen die Sum -me aller durch vorgelagerte Bauteile undBaugruppen nicht abgeschatteten Flächen,die rechtwinklig zur Windrichtung stehen.Dieses „Abschattungsmodell“, als her-kömm licher Berechnungsansatz auch inDIN EN 13001-2, Tab. A.6 und Bild A.9, mitübernommen, gilt streng genommen abernur für hintereinander angeordnete Fach-werkwände. Für hintereinander angeord-nete Vollwandscheiben oder Vollwand-träger ist es zwar auch zugelassen, als Näherungsverfahren liegt es bei geringemAbstand der hintereinander stehenden Tei -le jedoch beträchtlich auf der sicherenSeite, besonders dann, wenn für c derFormbeiwert des vorgelagerten, vom Windzuerst getroffenen Bauteils oder Baukör-pers in Ansatz gebracht wird (Bild ➋).In DIN EN 13001-2, Tab. A.4, Zeile 6, ist nunaber für zwei hintereinander angeordneteschmale Kastenträger auch die strömungs-mechanisch exakte Lösung angegeben.Diese ergibt bei Zweiträger-Brückenkranenmit üblichem Trägerabstand weniger als2/3 der Werte Aw • c des Abschattungs-

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➋ Windlastberech-nung Aw • c/A1bei einem Kreis-rondenpaar (Einzelfläche A1 = d2 • π/4)a) nach Abschat-tungsmodell be-rechnetb) exakte Lösungnach [9]

➊ Zulässige Beaufort-Windstärke der Böengeschwindigkeit, abhängig von der zulässigen Betriebswindstufe, der Höhe z über Grund des höchsten Kranpunktesund der Zeit t, die für das Umrüsten des Krans vom Betriebszustand in den sturmsicheren Außerbetriebszustand benötigt wird

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modells (s. Tafel ➀, Spalte 4). Dass dabeidie exakte Lösung so viel günstiger ist,liegt daran, dass das Abschattungsmodellkeine entlastenden Sogwirkungen erfasst.

2.3 Windstaudruck w

2.3.1 Wind bei „Kran im Betriebs-zustand“ (Index „i.B.“)

Je größer die zulässige Unterschreitungs-wahrscheinlichkeit q ist, um so seltenermuss ein im Freien arbeitender Kran we -gen zu starken Windes außer Betrieb ge-setzt werden und um so wirtschaftlicherist er. Das ist der betriebswirtschaftlicheGesichtspunkt, der beim Festlegen des fürden Kran zulässigen Windstaudrucks wi.B.eine maßgebliche Rolle spielt. Andererseitssind umschlagtechnische Gesichtspunktezu beachten, indem ein gegebenes Um-schlaggut nur bis zu einer für dieses Gutgeltenden Höchstgrenze der Böenge-schwin digkeit umgeschlagen werden kann:So müssen Stückgüter innerhalb bestimm-ter Toleranzen genau positioniert abge-setzt werden können; Schüttgüter dürfenbei Greiferbetrieb vom Wind nicht sonstwie weit verstreut werden. Ebenso darf dieam Kran hängende Last im Wind nur mitbegrenzt zulässiger Amplitude pendeln.Der gesamte Kran muss für das Arbeitenbei erhöhtem Betriebswind konstruktiv ein-gerichtet sein. Er wird mit steigender zu-lässiger Windstufe aufwändiger und damitteurer. Ein Kran für die höchste Betriebs-windstufe – die Windstufe 3 (schwer) mitzulässiger Böengeschwindigkeit von 28 m/s,was einen Windstaudruck von wi.B. = 500 N/m² ergibt – lohnt den erheblich hö-heren Kostenaufwand für verstärkte Fahr-werke und Fahrwerksbremsen, für Pen-delausgleich oder Einbau einer festenHub masseführung erfahrungsgemäß nurdort, wo ein solcher Kran in einen techno-logischen Prozess eingebunden ist, derauch unter extremen Witterungsbedin-gungen nicht oder nur auf kurze Dauerunterbrochen werden kann bzw. wo eingesteuert verzögerter Prozessablauf nurbegrenzt möglich ist. Leider enthält DINEN 13001-2 für die drei Betriebswindstufenkeine Angaben zum Abschätzen der wind-bedingten Ausfallzeit durch Überschreitender zulässigen Böengeschwindigkeit. Diesewindbedingte Ausfallzeit hängt von derWindregion und von der Rauigkeit des Bo-denprofils des Kranstandortes ab.Bei der Tragwerksbemessung eines Kransmit höherer Betriebswindstufe sind die grö-ßeren Anfahr- und Bremskräfte des Katz-und Kranfahrens zu beachten. Bemessungs-und nachweisbestimmend für das Tragwerksind, wenn überhaupt, jedoch die Windlas-ten bei Kran außer Betrieb. Die größerenProbleme liegen dort.

2.3.2 Wind bei „Kran im Außer-betriebszustand“ (Index „a.B.“)

Die Annahme des Windstaudrucks wa.B.im Außerbetriebszustand wurde bei Kra-

nen schon immer höhenabhängig vorge-schrieben. Das geschah bisher gestuft, an-gelehnt an entsprechende Festlegungendes Bauwesens [2 bis 6]. Die Stufung desbei Orkan auftretenden Windstaudrucksentsprach dabei der so genannten Hell-mann-Parabel. Diese gibt an, wie das ei nembestimmten Wert der Unterschreitungs-wahrscheinlichkeit q entsprechende Quan-til des Windstaudrucks sich mit zunehmen-der Höhe über Grund vergrößert. Es sindfolglich nicht die auf verschiedenem Hö-henniveau zum gleichen Zeitpunkt auftre-tenden Werte des Windstaudrucks, die inder Hellmann-Parabel dargestellt sind, son-dern es sind mit gleicher Unterschreitungs-wahrscheinlichkeit q auftretende Wind- staudruckwerte. Es ist deshalb durch ausmöglich, dass in einer Momentansituationunten ein ebenso starker Wind bläst wieoben, jedoch nicht nennenswert stärker alsder Normwind für das untere Höhenniveau.Denn mit der Unterschreitungswahrschein-lichkeit q nahe 1 stellen die Normwerte desWindstaudrucks für den Außerbetriebszu-stand angenähert die zu erwartendenHöchstwerte dar, jedoch im mer etwas klei-ner als der obere Endwert. Wird der Kranfür die nach der Hellmann-Parabel von un -ten nach oben ansteigenden Windstau-druck werte bemessen, ist für ihn erfah-rungs gemäß kein Schaden zu erwarten. Dasverbleibende Restrisiko ist so klein, dass es,mit Berufung auf das Regelwerk, vomKranhersteller vernachlässigt werden darf.Neu ist, dass in der europäischen Kranbau-norm [1] der im Außerbetriebszustand an-

zunehmende Windstaudruck wa.B. jetzt, direkt der Hellmann-Parabel folgend, mitdem Höhenniveau z stetig ansteigend vor-gegeben wird. Das hat den Vorteil, dassder Statiker seine Windstaudruckannahmefür den Außerbetriebszustand besser derGestalt des Krans anpassen kann. Grundla-ge ist die Gleichung

wa.B. (z) = 0,625{frec • vref • [(z/10)0,14 + 0,4]}2

in [N/m2]. (3)

Darin sind� vref das – definitionsgemäß – in R = 50 Jahren sich nur einmal wiederholende 10-min-Mittel, gemessen in m/s auf demHöhenniveau z = 10 m, abhängig von derWindregion, in der der Aufstellungsort desKrans liegt (weiteres dazu in [1]).� frec Abminderungsfaktor, der die vo-raussichtliche Lebensdauer des Krans er-fasst. Ist diese kleiner als 50 Jahre, darf derfür die Bemessung maßgebende Stau-druckwert wa.B. abgemindert werden, in -dem man die Wiederholungsdauer R gleichder voraussichtlichen Kranlebensdauer Lsetzt.Für Krane mit L = 25 Jahre geplanter Nutzungs-dauer darf man, der Norm zufolge, die Wertewa.B. in Tafel ➂ normgemäß auf 90 % abmin-dern (entspricht frec = 0,9463), für Krane mit L = 10 Jahre geplanter Nutzungsdauer auf 76 %(entspricht frec = 0,8733) und für Krane mit nurL = 5 Jahre geplanter Nutzungsdauer sogar auf66 % (entspricht frec = 0,8155). Diese Abminde-rungen sind jedoch mit erhöhtem Risiko belas-tet (weiteres dazu im Abschn. 3).

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Tafel ➂ Nach DIN EN 13001-2 im Zustand „Kran außer Betrieb“ anzunehmenderWindstaudruck wa.B. in N/m2 für R = 50 Jahre in Abhängigkeit von der Windregionund der Höhe z über Grund

Höhe WindregionA/B C D E F

zvref

in m 24 m/s 28 m/s 32 m/s 36 m/s > 36 m/s

1 455 619 809 1024

5 615 838 1094 1385

10 706 960 1254 1588

15 766 1042 1361 1723

20 812 1105 1444 1827

25 850 1157 1512 1913

30 883 1202 1570 1987

40 938 1276 1668 2110

50 983 1338 1748 2212

60 1022 1391 1817 2300

70 1056 1438 1878 2377

80 1087 1480 1933 2446

100 1141 1553 2029 2567

120 1187 1615 2111 2671

140 1228 1671 2183 2763

160 1265 1721 2248 2845

Wer

te v

on

wa.

B.(z

)

nac

h A

nga

ben

der

reg

ion

alen

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terd

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stst

elle

n f

estl

egen

Zwischenwerte dürfen nur über z linear interpoliert werden.

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Page 5: Crane Wind Load

Tafel ➂ enthält die Auswertung der Gl. (3)für R = 50 Jahre und Höhen z bis 160 m, abhängig von den in DIN EN 13001-2 defi-nierten Windregionen A/B bis E. Leiderstimmen diese innerhalb Deutschlands nichtdeckungsgleich mit den in DIN 1055-4 [7]definierten Windzonen 1 bis 4 überein.Auch die Referenz-Windgeschwindigkeitenvref sind, wenn auch nur geringfügig, inbeiden Normen verschieden. Ebenso wer-den in [7] anstelle von Gl. (3) verbesserteAnsätze der Höhenabhängigkeit angege-ben, die sowohl die Windzone als auch dieRauigkeit des Bodenprofils erfassen. Bild ➌zeigt für Standorte innerhalb der fürDeutschland maßgebenden WindregionenA/B, C und D den Vergleich des Windstau-drucks wa.B. mit entsprechenden Festle-

gungen in den bisherigen Normen und inder für das Bauwesen geltenden Neuaus-gabe der Norm DIN 1055-4 [7]. Sehr deut-lich ist zu erkennen, dass die Windlastan-nahmen der alten Normen [2 bis 6] für denZustand „Kran außer Betrieb“ eigentlichnur für Standorte der Windregion A/B zu-treffend gewesen sind. Wenn es trotzdembei den nach diesen alten Normen bemes-senen und auf Abtreiben und Umkippennachgewiesenen Kranen in den Windre-gionen C und D nicht gehäuft zu eklatan-ten Schadensfällen gekommen ist, so nichtzuletzt auch deshalb, weil bei der nachdem Abschattungsmodell ermitteltenWind fläche Aw dem Statiker nicht be-kannt gewesene Reserven vorhanden ge-wesen sind, die Fehlbeträge beim bisher

normgemäß zu niedrig angesetzten Wind-staudruck wa.B. vollständig oder zumindestteilweise kompensiert haben. Deshalb istjetzt, wo nach DIN EN 13001-2 mit exaktenWerten Aw • c gerechnet wird, unbedingtmit den dem Kranstandort entsprechen-den, gegenüber früher teils beträchtlich er-höhten genaueren Windstaudrücken zurechnen. Weil die Windstaudrücke derDIN EN 13001-2 in den Windregionen Cund D unter den in DIN 1055-4 [7] für dasBauwesen vorgeschriebenen Windstau-druck werten liegen, ist es dabei angeraten,für Krane, die an Standorten der Windre-gionen C und D stehen, vorsichtshalber diehöheren Werte der DIN 1055-4 [7] als Wind-staudruckwerte wa.B. anzusetzen.Neu in der europäischen Kranbaunorm ist,dass die vom Kran gehobene Last bei Au-ßerbetriebswind nicht unbedingt abgesetztwerden muss, sondern am Kran hängenbleiben darf, wenn das laut Betriebsan-weisung zulässig ist und wenn durch dasim Wind verstärkte Lastpendeln kein Sach-oder Personenschaden entstehen kann.Selbstverständlich müssen dann die auf dieLast einwirkenden vergrößerten Windkräf -te in der statischen Berechnung mit be-rücksichtigt sein. Das Hängenlassen derHublast im Außerbetriebsfall sollte abernur auf jene Ausnahmefälle beschränktblei ben, wo das betriebstechnisch unbe-dingt notwendig ist. Es sollte nicht zur Re -gel werden.

3. Vergleich mit Windmessungen

In [10] und [11] sind Ergebnisse von Wind-messungen mitgeteilt. Diese wurden inden 50er- bis 70er-Jahren des vorigen Jahr-hunderts an verschiedenen Standorten derneuen deutschen Bundesländer durchge-führt. Tafel ➃ enthält die Anzahl der Be-obachtungsjahre, die in dieser Zeitspannegemessenen Höchstwerte der Böenge-schwin digkeit und des 10-min-Mittels so wiedie Höhe zM des Messfühlers über Grund.Die Umrechnung auf z = 10 m über Grunderfolgte in Anlehnung an DIN EN 13001-2durch Multiplikation der Messwerte mitdem Faktor 1/(zM/10)0,14. Wie man ausdem Vergleich der Spalte 11 mit der Spalte8 sieht, liegt der in DIN EN 13001-2 ange-gebene Normwert vref im Großen und Ganzen recht gut. Die Standorte „Brocken“und „Fichtelberg“ unterliegen als „starkwindexponierte Standorte“ ohnehin Son-derregelungen. Dort, wo zwar die Refe-renz-Windgeschwindigkeit vref ausreicht,aber der aus dem höchsten Messwert derBöengeschwindigkeit ermittelte Böenge-schwindigkeitswert nach Spalte 7 erheb-lich größer ist als der in Spalte 10 für R = 50Jahre genannte Wert der Böengeschwin-digkeit, den DIN EN 13001-2 zugrunde legt,handelt es sich um Standorte mit verstärk-ter Wirbelbildung. Bei diesen ist das Ver-hältnis der Böengeschwindigkeit zum 10-min-Mittel beachtlich größer als der in derNorm angesetzte Pauschalwert 1,4, näm-lich am Standort „Dresden-Wahnsdorf“

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➌ Vergleich Windstaudruck wa.B. nach alten und nach neuen Normen (WZ = Windzone)

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1,63, am Standort „Potsdam“ 1,55, amStand ort „Weimar“ sogar 1,72 und amStandort „Wernigerode“ 1,59. Diese ver-stärkte Wirbelbildung liegt nicht zuletzt ander örtlichen Topografie und Bodenrauig-keit und kann bei der Windlastberechnungrecht gut erfasst werden, wenn man sol-che Standorte als „windexponierte Stand-orte“ ansieht, die, vereinfachend, beim Ein-ordnen in die Windregion eine Stufe höhergesetzt werden als in DIN EN 13001-2, Bild 12, vorgesehen. Es ist ein Mangel, dassDIN EN 13001-2 örtliche Besonderheitenbei der Windlastannahme nicht detailliertberücksichtigt, sondern sich mit allgemei-nen verbalen Hinweisen begnügt.Setzt man, wie vorgeschlagen, windexpo-nierte Standorte eine Windregion höher,so liegt der in Tafel ➃, Spalte 8, angege-bene, auf z = 10 m umgerechnete gemes-sene Höchstwert des 10-min-Mittels nur beiei nem Sechstel der aufgelisteten Langzeit-beobachtungen geringfügig über dem de-finitionsgemäß für R = 50 Jahre geltendenNorm wert vref. Die größte Überschreitungbeträgt lediglich 3,75 %. Die damit erreich-te Nachweisgenauigkeit reicht aus. Mindertman jedoch, so wie die Norm es gestattet,den Normwert vref mit frec entsprechendder An zahl der Beobachtungsjahre ab, soliegt die ser abgeminderte Wert des 10-min-Mittels bei jedem zweiten der aufge-listeten Fälle unter dem in Spalte 8 ange-gebenen modifizierten Messwert, wobeidie größte Über schreitung 11,9 % beträgt.Mit der gemessenen höheren Windge-schwindigkeit er gibt sich ein um rund 1/4

größerer Windstaudruck, als nach Gl. (3)mit frec < 1 berechnet. Dieser Sachverhalt istbedenklich! Noch bedenklicher ist die Be-wertung der Böengeschwindigkeit. OhneEinstufung als windexponierter Standortwürden 4 von 12 Standorten, verglichenmit gemessenen Werten (Tafel ➃, Spalte 7),nach Gl. (3), selbst mit frec = 1 gerechnet,mit z. T. be trächtlich zu niedrigem Wind-staudruck wa.B. berechnet werden. Der Feh-ler beträgt bis zu 46 % (s. Tafel ➃, Spalte 12,letzte Zeile). Käme dann für den dort ge-nannten Standort „Wernigerode“ mit L = 21Beobachtungsjahren noch eine Abminde-rung mit frec ≈ 0,931 hinzu, wäre der größ-te Fehler sogar 68,4 %. Jedoch mit Einstu-fung als windexponierter Standort undBerechnung mit frec = 1 reduziert sich fürdiesen sehr ungünstigen Standort der Feh-ler auf 7,3 %. Diese Fehlergröße ist geradenoch hinnehmbar.Man soll bei der Bewertung von Lastan-nahmen aber nicht allein nur den Vergleichzwischen Normwert und Spitzenmesswertanstellen. Da Messwerte immer ein mehroder weniger breites Streufeld haben, stehtvielmehr die Frage nach der Wahrschein-lichkeit, mit der bestimmte Messwerte auftreten; hier besonders die Frage: Aufwelchem Niveau der Überschreitungswahr -scheinlichkeit qü bewegt man sich, wenndie Windlast nach DIN EN 13001-2 berech-net wird? Obwohl im Kranbau wahr schein-lichkeitstheoretische Sicherheitsnach weisegegenwärtig noch nicht üblich sind, mussdie Windlastannahme auch von dieser Seiteher betrachtet werden, weil erst mit Kennt-

nis der Überschreitungswahrschein lich keitqü das mit Annahme der Norm-Windlastverbundene Risiko überschaubar wird.Zu beachten ist, dass bei Berechnung nachDIN EN 13001-2 sowohl beim Abtriebs-sicherheitsnachweis als auch beim Tragfä-hig keitsnachweis bei den Windlasten Teilsi-cher heitsbeiwerte γF > 1 eingerechnet wer- den. Diese gelten für den Windstaudrucknach Gl. (3). Dieser ist für z = 10 m überGrund proportional zu (1,4 • vref • frec)2.Folglich legt DIN EN 13001-2 für den Zu-stand „Kran außer Betrieb“ bei z = 10 mdem Windstaudruck wa.B. die Böenge-schwindigkeit

rechn v(3) =

zugrunde. An Hand konkreter Beispieleder statistischen Verteilung der an ver-schiedenen Standorten gemessenen Wind-geschwindigkeit soll hier für diesen derNorm zugrunde liegenden Rechenwertrechn v(3) die Überschreitungswahrschein-lichkeit qü bestimmt werden.In [11] sind für einige der in Tafel ➃ ge-nannten Wetterstationen für die Zeit von1956 bis 1970 die gemessenen Windge-schwindigkeiten klassiert angegeben. Lei-der sind die Messwerte Stunden-Mittel.Multipliziert mit 1,1 und mit dem oben be-reits verwendeten Faktor 1/(zM/10)0,14 aufdie Höhe z = 10 m über Grund normiert, er-hält man daraus einen Näherungs wertzum Vergleich mit den in DIN EN 13001-2genannten Bezugswerten vref. Dieser Nä-herungswert für das in z = 10 m Höhe über

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1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12

Brocken 1142 27,0 21 68 46 59,2 40,0 örtliche Wetterdienststelle befragen! –

Dresden-Wahnsdorf 246 25,0 28 44 27 38,7 23,7B 33,6 24 1,327C 39,2 28 0,975

Fichtelberg 1213 23,0 25 60 36 53,4 32,0 örtliche Wetterdienststelle befragen! –

Kaltennordheim 487 13,75 23 35 26 33,5 24,9 B 33,6 24 0,994

Leipzig-Stadt 146 22,0 24 34 17 30,4 15,2 B 33,6 24 0,818

Magdeburg 79 19,0 19 37 24 33,8 21,9 B 33,6 24 1,006

Neustrelitz 64 18,0 27 36 25 33,1 23,0 B 33,6 24 0,970

Plauen 406 18,0 28 36 22 33,1 20,3 B 33,6 24 0,970

Potsdam 81 39,0 28 45 29 37,2 24,0B 33,6 24 1,226C 39,2 28 0,900

Schwerin 59 22,0 27 43 29 38,5 26,0 C 39,2 28 1,226

Teterow 46 14,0 23 41 30 39,1 28,6 C 39,2 28 0,995

Warnemünde 4 21,75 28 41 31 36,8 27,8 C 39,2 28 0,881

Weimar 264 17,0 23 43 25 39,9 23,2B 33,6 24 1,410C 39,2 28 1,036

Wernigerode 234 15,0 21 43 27 40,6 25,5 B 33,6 24 1,460C 39,2 28 1,073

Windgeschwindigkeit in m/s Windstaudruck-Messwerte Rechenwerte vergleich

Wetterstation Höhe Hs der zM in m Beobach- höchster Messwert Umrechnung auf z = 10 m nach DIN EN 13001-2Station über tungs- Böe (zM) v10 (zM) Böe (10 m) v10 (10 m) Wind- Böe (z = 10 m) vref (z = 10 m)

NN in m jahre region R = 50 Jahre⎛ ⎞⎝ ⎠

Spalte 7Spalte 10

2

vergleiche vergleicheSpalte 10 Spalte 11

fett gedruckte Werte für windexponierte Lage, die eineWindregion ungünstiger angenommen worden ist, als in DIN EN 13001-2, Bild 12 angegeben

Tafel ➃ Vom Meteorologischen Dienst der DDR gemessene Spitzenwerte der Böengeschwindigkeit und des 10-min-Mittels im Vergleich mit Festlegungen der DIN EN 13001-2

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Grund aufgetretene 10-min-Mittel, multi-pliziert mit der vom Messfühler am betref-fenden Standort gemessenen höchstenBöen geschwindigkeit, dividiert durch dasdort gemessene höchste 10-min-Mittel, er-gibt schließlich modifizierte Messwerte derhöchsten in z = 10 m über Grund aufgetre-tenen Böengeschwindigkeit. Bild ➍ undBild ➎ zeigen, als Volllinien dargestellt,diese modifizierten Messwerte im Wahr-scheinlichkeitsdiagramm für die Standorte„Fichtelberg“ und „Warnemünde“. Als Un-terschreitungswahrscheinlichkeit q wurdenauf der Ordinate die Werte der empirischenUnterschreitungswahrscheinlichkeit aufge -tragen, wie sie in [11] für das Stunden-Mit-tel mitgeteilt sind. Bis auf den Standort

„Fichtelberg“, der im untersten Böenge-schwindigkeitsbereich eine kleine Singula-rität aufweist, die vermutlich aus örtlichbegrenzter Thermik infolge von Tempera-turunterschieden zwischen der Sonnen-und der Schattenseite des Berges entsteht,ergab sich für alle übrigen untersuchtenStandorte von der Form her der gleicheeinfach geknickte Geradenzug mit den inTafel ➄ zusammengestellten Kennwerten.Für den Kranbau sind neben der für q = 1zu erwartenden höchstmöglichen Böen-geschwindigkeit nur die q-Werte derjeni-gen Böengeschwindigkeiten interessant,die für den Zustand „Kran in Betrieb“ als zulässig und für den Zustand „Kranaußer Betrieb“ als genormte Berechnungs-

grundlage der Windlastannahme gelten. Mit den Werten qü = 1 - q für den höchst-zulässigen Betriebswind kann man bei-spielsweise die windbedingte Kran-Ausfall-zeit berechnen, während der ein Kran,standortabhängig, wegen zu starken Win-des außer Betrieb gesetzt werden muss.Die berechnete Ausfallzeit für die vomehemaligen DDR-Standard TGL 13470 [5]zugelassene höchste Be triebswind-Ge -schwin digkeit v(3) = 17,9 m/s (entsprichtwi.B. = 200 N/m2) stimmt durchschnittlichgut mit den in den 60er-Jahren notiertenAngaben der Kranbetreiber aus dem ehe-maligen DDR-Gebiet überein. In gleicherWeise berechnete Werte für die in DIN EN13001-2, Tab. 4, aufgeführten Betriebs-

➍ Statistische Auswertung der Windmessungen der Wetterstation „Fichtelberg“ von 1956 bis 1970, normiert auf z = 10 m über Grund; x = [v(3)]1/2; y = 2/π • arc sin (2/π • arc sin q1/2) • y (q=1)

Tafel ➄ Kennwerte des im Wahrscheinlichkeitsdiagramm {q, v(3)} geknickten Geradenzuges der statistischen Auswertung von Windmessungen verschiedener Wetterstationen in den Jahren 1956 bis 1970

Standort unterer Endwert Zentralwert oberer Endwert für z = 10 mmin v(3) in m/s zentr v(3) in m/s v(3)** in m/s q** max v(3) in m/s max wa.B. in N/m2

1 2 3 4 5 6 7

Dresden-Wahnsdorf 2,04 8,05 23,48 0,995 45,17 1275

Neustrelitz 0,99 5,15 18,05 0,997 47,68 1421

Potsdam 1,71 7,1 21,3 0,996 44,38 1231

Schwerin 1,63 6,93 19,98 0,995 52,2 1703

Warnemünde (Bild ➎) 1,45 7,65 25,4 0,996 62,6 2449

Weimar 0,95 7,57 28,00 0,996 53,0 1756

Mittelwert � 0,996

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windstufen, ermittelt für die Wind regio-nen A/B und C, sind als Richtgrößen inTafel ➅ zusammengestellt. Örtliche Gege-benheiten des Kranstandortes haben gro-ßen Einfluss auf die windbedingte Ausfall-zeit der Krane – zu erkennen an denangegebenen Streufeldgrenzen. StarkeWirbelbildung ist durch Einordnung in dieKategorie „windexponierter Standort“ zuberücksichtigen. Selbst mit dieser ver-schärften Bewertung gilt für Standortemit starker Wirbelbildung vorwiegend derobere Streufeldbereich der in Tafel ➅ an-gegebenen Richtgrößen zum Abschätzender windbedingten Kran-Ausfallzeit. De-tailliertere Angaben sind vorausschauendfür einen einzelnen Kran nicht möglich,weil zur Wahrscheinlichkeit des territorialauftretenden Windes noch die Zufälligkeitder Umbauung im Umfeld des Krans hin-zukommt. Für das Planen der Verfügbar-keit von Terminals, in denen vie le frei demWind ausgesetzte Krane arbeiten, bietendie in Tafel ➅ angegebenen Mittelwertejedoch eine gute Grundlage.Tafel ➆ enthält die Werte der Überschrei-tungswahrscheinlichkeit qü, die im Außer-betriebsfall dem o. a. Rechenwert rechnv(3) für die in DIN EN 13001-2 angege-benen Faktoren frec entsprechen, wenn γF = 1,16 gesetzt wird, wie in der Norm fürden Nachweis der Starrkörperstabilität (Ab -triebssicherheitsnachweis) in der Lastkom-bination C2, Stabilitätsklasse S1 gefordert.Für frec = 1 erreicht die Überschreitungs-wahrscheinlichkeit qü Werte zwischen ≈ 10-4

und ≈ 10-3, was durchaus akzeptabel ist.Mit frec < 1 – vorausgesetzt, windexponier-te Standorte werden eine Windregionhöher eingestuft – nimmt die Überschrei-tungswahrscheinlichkeit qü trotz dieser Ver-schärfung jedoch so stark zu, dass der Au -tor vom Multiplizieren des Norm wertes vrefmit einem Faktor frec < 1 abraten muss. Beifrec = 0,8155 für R = 5 Jahre steigt z. B. amStandort „Weimar“ die Überschreitungs-wahr scheinlichkeit qü auf 1 %, ohne ver-schärfte Einstufung als windexponierterStandort sogar auf ≈ 3,5 %. Das ist zweifel-los zu viel!Die Schwierigkeit liegt auch im Umgangmit der prognostizierten Lebensdauer, weildie ursprünglich vorgesehene Nutzung sichnachträglich ändern kann. Es ist zu be-zweifeln, dass der Kran wirklich nach Ab-lauf der ursprünglich vorgesehenen Nut-zungszeit stillgelegt und verschrottet wird.Eher ist zu vermuten, dass der am altenStandort ausgediente Kran als Gebraucht-kran an einen neuen Standort umgesetztwird. Beginnt dann an diesem neuen Stand-

ort die verkürzte Nutzungsdauer, für dieer ausgelegt ist, von neuem? Kein Problemfür clevere Geschäftsleute, wohl aber fürdiejenigen, die mit solchen „preisgünstig“angebotenen Kranen dann über Jahre hin-weg arbeiten müssen! Diese mit zu klei-nem Windstaudruck wa.B. berechnetenKra ne sind ohne nachgerüstete Sturmsi-che rungen meist erhöht abtriebs- undkippgefährdet. Das bedeutet erhöhte Ge-fahr für Leben und Gesundheit. Nicht ohneGrund gilt die Maxime „Safety first!“. Des-halb verfährt das Bauwesen mit der Wind-lastannahme anders. Denn weil ursprüng-lich als Provisorium vorgesehene Bautenoftmals am längsten stehen, ist eine mitdem Abminderungsfaktor frec der DIN EN13001-2 vergleichbare Abminderung derBöengeschwindigkeit für R > 2 Jahre in derNeufassung der Bau-Windnorm DIN 1055-4 [7] nicht enthalten.Entfällt in Gl. (3) der Abminderungsfaktorfrec, ist zugleich auch berücksichtigt, dassWind in Spitzen-Orkanstärke, was den Zeit-punkt des Auftretens betrifft, ein langfris-

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➎ Statistische Auswertung der Windmessungen der Wetterstation „Warnemünde“ von 1956 bis 1970, normiert auf z = 10 m über Grund; x und y analog Bild 4

Tafel ➅ Richtgrößen der jährlichen windbedingten Ausfallzeit für Krane im rund um die Uhr durchgehenden Schichtbetrieb in Abhängigkeit von der Windregion und der zulässigen Betriebswindstufe nach DIN EN 13001-2

durchschnittliche windbedingte Ausfallzeit in Stunden/JahrWindstufe 1 Windstufe 2 Windstufe 3

Windregionv (3) � 14 m/s v (3) � 20 m/s v (3) � 28 m/s

A/B 250 � 40 % 20 � 80 % 4 � 80%

C 1000 � 40 % 200 � 80 % 20 � 80%

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tig nicht genau voraussehbares zufälligesNaturereignis ist. Es kann, wenn auch mitgeringer Wahrscheinlichkeit, praktisch zujeder Zeit auftreten, auch innerhalb einerKranlebensdauer von nur fünf Jahren. FürSpitzen-Orkan verwendete Begriffe wie„Jahrhundertsturm“ sind insofern irrefüh-rend, weil sie unterschwellig eine gewissePeriodizität des Auftretens solcher Ereig-nisse suggerieren, die es in Wirklichkeit je-doch nicht gibt. Es ist falsch, anzunehmen,dass, wenn heute ein extrem schwererSturm in Spitzen-Orkanstärke gewütet hat,man in den nächsten 80 bis 90 Jahren mitSturm vergleichbarer Stärke nun nicht mehrzu rechnen habe. Im Gegenteil: Festigt sichdie globale Großraum-Wetterlage, die zuso einem extremen Sturm geführt hat,muss man viel mehr damit rechnen, dasssich Sturm von derartiger Stärke in verhält-nismäßig kurzer Zeit wiederholt. Die ge-genwärtig weltweit zu beobachtende Er-wärmung der Erdatmosphäre trägt ein Übriges dazu bei. Deshalb sind in den letz-ten zehn Jahren in Europa Starkwinde häu-figer aufgetreten als in davor liegendenfrüheren Jahrzehnten.Zum Vergleich mit den in Tafel ➃, Spalte 6, aufgeführten oberen Endwerten der Böen ge -schwin digkeit seien noch zwei weitere gemes-sene Spit zenwerte der Windgeschwin digkeitgenannt:� Zugspitze (2963 m): max v = 335 km/h

= 93 m/s, entspricht w = 5412 N/m²� Mt. Washington, USA (1917 m): max v

= 371 km/h = 103 m/s, entspricht w = 6638 N/m².

Letztere ist die bisher weltweit höchste außer-halb eines Tornados gemessene Windgeschwin-digkeit (gemessen am 12. April 1934). Dieserglo bale Spitzenwert zeigt, dass tatsächlich diegeografische Lage des betreffenden Standor-tes, die Windregion und das Bodenprofil, für diehöchstmögliche Böengeschwindigkeit bestim-mend sind und die Höhe über dem Meeresspie-gel nur eine untergeordnete Bedeutung hat.

Die als Ergebnis der statistischen Aus-wertung ermittelten oberen Endwerte in Tafel ➃, Spalte 6, liegen deutlich unterdem gemessenen Spitzenwert max v = 103m/s; ein notwendiger Beweis, dass die er-mittelten oberen Endwerte nicht unrealis-tisch zu hoch liegen, wie von manchemvielleicht auf den ersten Blick vermutet.

4. Schlussfolgerungen

Erstens: Die in DIN EN 13001-2 enthalte-nen Abminderungsfaktoren frec sollten nichtangewendet werden. Will oder muss je-mand, aus welchen Gründen auch immer,dennoch von der Möglichkeit Gebrauchmachen, bei kurzlebigen Kranen im Außer-betriebsfall mit reduzierter Böengeschwin-digkeit rechnen zu dürfen, gibt ihm Tafel ➆Anhaltswerte über das damit verbundeneerhöhte Risiko.

Zweitens: In DIN EN 13001-2 sollten die Begriffe „windexponierter Standort“ und

„stark windexponierter Standort“ mit auf-genommen werden. Ein „windexponierterStandort“ liegt vor, wenn an diesem dieWindgeschwindigkeit örtlich begrenzt hö-her ist als im umgebenden Gelände. Das istder Falla) auf Erhebungen der Erdoberfläche, die

das umliegende Gelände hoch überra-gen und dem auf sie zuströmendenWind frei ausgesetzt sind. Hochflächenund Bergkuppen, die mehr als ≈ 200 müber dem umgebenden Gelände liegen,sind „stark windexponierte Standorte“.

b) in eingeengten Tallagen mit Düsenwir-kung.

c) in der Umgebung von Geländestufen,großen Felsvorsprüngen, Hochhaus-oder frei stehenden wuchtigen Einzel-bauten, wo es zu verstärkter örtlicherWirbelbildung kommt.

Windexponierte Standorte sind eine Wind-region höher einzustufen als nach DIN EN13001-2, Bild 12. Bei stark windexponier-ten Standorten sind die Windlastannah-men in Abstimmung mit den örtlichenWetterdienststellen zu treffen. Den Stand-ort „Brocken“ wegen sei ner Sonderstel-lung ausgenommen, kann man für die üb-rigen stark windexponierten Standorte derdeut schen Mittelgebirge vereinfachend –allerdings nur zur Groborientierung! – miteiner um zwei Stufen höher gesetztenWindregion rechnen (s. Bild ➍).

Drittens: Für Krane an deutschen Standor-ten, die nach DIN EN 13001-2, Bild 12, denWindregionen C und D zuzuordnen sind,wird empfohlen, die höheren Windstau-druckwerte der DIN 1055-4 [7] als Wind-last wa.B. anzusetzen. Dabei ist zu beach-ten, dass in Gl. (17) dieser Bau-Norm statt1,5 der Faktor 2,6 stehen muss, wie in Tab. B.2, Spalte 1, der Norm richtig ange-geben. Die Überschreitungswahrscheinlich -keit der Normwerte der DIN 1055-4 [7] istungefähr eine halbe Zehnerpotenz gerin-ger als die der Normwerte der DIN EN13001-2, denn sie beträgt nur rund 1/3 des

Wertes der Überschreitungswahrscheinlich -keit der neuen Kranbaunorm (s. Bild ➎).

Viertens: Bedingt durch die zunehmendeErwärmung der Erdatmosphäre treten ge-genwärtig Starkwinde häufiger als früherauf. Das bedeutet im Wahrscheinlichkeits-diagramm ein Verschieben des geknicktenGeradenzuges nach rechts zu größerenEndwerten hin, so, wie als gestrichelt ge-zeichnete Linie in den Bildern ➍ und ➎dargestellt unter der Annahme, dass dieoberen Endwerte der Böengeschwindig-keit (geschätzt) sich um 10 % vergrößern.Genaue Werte der Endwerterhöhung feh-len. Auf jeden Fall sind die in den Bildern➍ und ➎ eingezeichneten Volllinien für dieZukunft eher etwas zu optimistisch als einezu ungünstige Bewertung des Naturphä-nomens Wind. Es besteht unbedingt wei-terer Forschungsbedarf, dem sich der eu-ropäische Kranbau nicht verschließensollte. Wahrscheinlichkeitstheoretische Si-cherheitsbetrachtungen im Rahmen derGrundlagenforschung für das Zusammen-wirken von Wind, Schnee und Regen sindangeraten, weil sich durch Vereisen undam Eis anhaftenden nassen, pappigenSchnee rings um das Tragwerk herum mit-unter sehr dicke Eis-Schnee-Körper bilden,die nicht nur schwerer sind, sondern auchdeutlich größere Windflächen haben alsbisher vom Normenansatz her beim Festle-gen der Sicherheitsbeiwerte angenommenworden ist. Die sich durch Eis und Schneestark vergrößernde Windfläche ist fürKrane mit filigranem Tragwerk gefährlich!

Fünftens: In der Horizontalebene drehen-de Windwirbel sind in den bisherigen Kran-baunormen bei der Windlastannahmenicht gesondert berücksichtigt worden,weil Windhosen in Mitteleuropa bislang soselten aufgetreten waren, dass man, wieeingangs bereits festgestellt, solche Natur-phänomene bei der Tragwerksbemessungder Krane vernachlässigen konnte. Als Fol -ge der gegenwärtig stattfindenden Klima-

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Tafel ➆ Überschreitungswahrscheinlichkeit qü der im Außerbetriebszustand von DIN EN 13001-2 dem Nachweis der Starrkörperstabilität zugrunde gelegten

Böengeschwindigkeit rechn v(3, z = 10 m) = für verschiedene Standorte nach langjährigen Windmessungen (fett gedruckteWerte gelten für die verschärfende Annahme als windexponierter Standort)

Standort Messwerte- Windlastannahme nach DIN EN 13001-2 für Windverhältnis im Außerbetriebszustand

vBöe qü in ‰ für frec =v10 Windregion

1 0,9463 0,8733 0,81551 2 3 4 5 6 7

Dresden-Wahnsdorf 1,63 B 2,92 4,02 7,74 14,69C 0,93 1,47 2,59 3,90

Neustrelitz 1,44 B 0,67 0,89 1,3 1,73

Potsdam 1,55 B 1,42 1,98 3,04 4,55C 0,43 0,70 1,26 1,92

Schwerin 1,48 C 0,79 1,1 1,68 2,3

Warnemünde (Bild ➎) 1,32 C 0,238 0,381 0,680 1,034

Weimar 1,72 B 8,69 13,54 23,38 34,71C 2,62 3,61 6,63 10,74

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veränderung treten „Mini-Tornados“ ver-mehrt nun aber auch in Deutschland auf.Dem Autor sind allein aus dem letztenJahrzehnt fünf derartige Vorkommnissebekannt, die, örtlich eng begrenzt, zu ver-heerenden Schäden geführt haben. DieseSchäden verliefen exakt dem Weg entlang,den die Windhose auf der Erdoberflächegenommen hatte. In einem Fall warenauch mehrere Krane davon betroffen ge-wesen (Totalverlust). Zwar muss man dieNormen wegen solcher Vorkommnissenicht von Grund auf ändern, doch zumin-dest bei größeren Dreh- und Schwenkkra-nen ist es angeraten, z. B. in Anlehnung andie Tagebau-Großgeräte-Norm DIN 22261[12], zusätzlich zur Belastung der Gesamt-windfläche mit gleichmäßig verteiltem vol-len Windstaudruck – als alternative Zweit-oder Drittvariante der Windlastannahme –bei „Kran außer Betrieb“ die Windlast aucheinseitig von der Dreh- bzw. Schwenkachsenur zu 50 % anzunehmen. Sinngemäß istbei langen Verladebrücken mit Kragarmenzu verfahren, indem bei diesen abgemin-derte Windlasten entweder auf einem Krag-

arm oder auf beiden Kragarmen oder auchnur im Bereich zwischen den Stützen anzu-setzen sind. Welche Variante der Wind last-verteilung für welches Bauteil des betref-fenden Gerätes die ungünstigste ist, kannim Allgemeinfall nur an Hand der Ergebnis -se der statischen Berechnung entschie denwerden. Neben den schnell horizontal dre-henden Luftwirbeln ist der nach oben ge-richtete Sog ein wesentliches Merk mal vonWindhosen. Ob es in Zukunft notwendigsein wird, dementsprechende Aufwindkräf -te im europäischen Kranbau zu be rück sich -tigen, muss entschieden werden, wenn wei- tere Beobachtungsergebnisse vor liegen. Aufjeden Fall dürfen die gegenwär tig stattfin-denden Klimaveränderungen nicht auf dieleichte Schulter genommen werden.

Literatur[1] DIN EN 13001-2: Krane – Konstruktion allge-mein – Teil 2: Lasteinwirkungen; Deutsche Fas-sung EN 13001-2: 2004. April 2005.[2] DIN 120: Berechnungsgrundlagen für Stahl-bau teile von Kranen und Kranbahnen. Novem-ber 1936.

[3] DIN 15018-1: Krane; Grundsätze für Stahl-tragwerke; Berechnung. November 1984.[4] F.E.M. 1.001: Berechnungsgrundlagen fürKrane. Oktober 1987.[5] TGL 13470: Stahlbau; Stahltragwerke der He-bezeuge; Berechnung; Bauliche Durchbildung.Oktober 1974.[6] DIN 1055-4: Lastannahmen für Bauten; Ver-kehrslasten; Windlasten bei nicht schwingungs-anfälligen Bauwerken. August 1986.[7] DIN 1055-4: Einwirkungen auf Tragwerke –Teil 4: Windlasten. März 2005.[8] DIN 15019-1: Krane; Standsicherheit für alleKrane außer gleislosen Fahrzeugkranen und au -ßer Schwimmkranen. September 1979.[9] Dubbel: Taschenbuch für den Maschinenbau.19. Aufl., S. B 60. Berlin: Springer-Verlag 1997.[10] Trätner, A.: Windwirkung auf schwin gungs-gefährdete Bauwerke; Berechnungsgrundlagen.Bauforschung – Baupraxis 48. Bauinformation •DDR, Berlin 1980, S. 27.[11] Klimadaten der DDR, Reihe B, Bd. 4, Potsdam 1983.[12] DIN 22261-2: Bagger, Absetzer und Zusatz-geräte in Braunkohlentagebauen; Berechnungs-grundlagen. Januar 1998.

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