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Cyanidverbrückte Dreikernkomplexe mit zentralen M(Cyclam)-Einheiten Ralf Appelt und Heinrich Vahrenkamp* Freiburg, Institut für Anorganische und Analytische Chemie der Universität Bei der Redaktion eingegangen am 16. September 2002. Inhaltsübersicht. Durch Umsetzung von Metall-Cyclam-Komple- xen M(Cyclam)X n mit metallorganischen Cyaniden L n M-CN wur- den Dreikernkomplexe L n M-CN-M(Cyclam)-NC-ML n mit M Mn, Fe, Co, Ni und M Cr, Fe, Ru erhalten. Mit strukturanalyti- Cyanide Bridged Trinuclear Complexes with Central M(Cyclam) Units Abstract. Reactions between metal cyclam complexes M(Cy- clam)X n and organometallic cyanides L n M-CN yielded trinuclear complexes L n M-CN-M(Cyclam)-NC-ML n with M Mn, Fe, Co, Ni and M Cr, Fe, Ru. They were probed with structural, spec- 1 Einleitung Metall-Metall Charge Transfer (MMCT) über verbrük- kende Liganden hinweg ist eines der wesentlichen Phäno- mene gemischtvalenter Verbindungen und eines der simpel- sten Indizien für elektronische Wechselwirkungen zwischen den beteiligten Metallzentren [1,2]. Zusammen mit elektro- chemischen Methoden [3] erlauben die MMCT-Messungen auch das Ausmaß dieser Wechselwirkungen zu quantifizie- ren. Wir untersuchen dies am Beispiel cyanidverbrückter Mehrkernkomplexe [4]. Eine wesentliche Frage dabei ist, über wie große Distanzen die Metall-Metall-Wechselwir- kungen reichen und ob sie richtungsabhängig sind. Am Beispiel von Dreikernkomplexen des Typs L n M- CN-PtL 2 -NC-ML n mit cis- und trans-Anordnung an der zentralen PtL 2 -Einheit konnten wir zeigen, daß eine Rich- tungsabhängigkeit besteht [5]: nur bei einer linearen Anord- nung der M···Pt···M-Sequenz zeigten zyklische Voltam- mogramme und NIR-Spektren die elektronische Kommuni- kation zwischen den beiden M-Einheiten an. In der Folge stellten wir daher cyanidverbrückte Dreikernkomplexe her, in denen die Ligandenanordnung am zentralen Metallatom die Linearität der M-CN-M-NC-M-Sequenz sicherstellt. Von dieser Art haben wir bisher solche mit zentralen M(Phthalocyanin)- [6], M(bis-Acetylacetonat) [7] und M(Salen)-Einheiten [8] beschrieben. Hierbei ließen sich Art und Oxidationsstufe des Zentralatoms M variieren, woraus * Prof. Dr. H. Vahrenkamp Institut für Anorganische und Analytische Chemie Universität Freiburg Albertstr. 21 D-79104Freiburg e-mail: [email protected] Z. Anorg. Allg. Chem. 2003, 629, 133138 2003 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, 69451 Weinheim 00442313/03/629/133138 $ 20.00.50/0 133 schen, spektroskopischen und elektrochemischen Methoden wur- den sie auf elektronische Wechselwirkungen zwischen den beteilig- ten Metallzentren untersucht. troscopic and electrochemical methods for electronic interactions between the involved metal centers. Keywords: Chromium; Manganese; Iron; Cobalt; Nickel; Cyclam complexes sich Informationen über dessen Einfluß auf die eletronische Kommunikation der externen Metallatome M ergaben. In der vorliegenden Arbeit wird nun die Chemie solcher Dreikernkomplexe mit zentralen M(Cyclam)-Einheiten be- schrieben. Im Unterschied zu den zuvor genannten Syste- men ist der Cyclamligand ungeladen, was den Zentralein- heiten und den Dreikernkomplexen insgesamt eine höhere Ladung beschert. Es galt festzustellen, inwieweit dies die Stabilität der Dreikernkomplexe, die M-M-Wechselwir- kung und den MMCT beeinflußt. Ein Vorteil der Cyclam- komplexe besteht darin, daß sie für die ganze horizontale Reihe der Übergangsmetalle von Chrom bis Nickel leicht zugänglich sind und in Form trans-konfigurierter oktaedri- scher M(Cyclam)X 2 -Komplexe existieren können. Es war damit vorherzusehen, daß als Liganden X auch metallorga- nische Cyanide L n M-CN fungieren können. 2 Ergebnisse und Diskussion Synthesen Als Ausgangsverbindungen kamen die Cyclamkomplexe 16 zum Einsatz. Alle sechs wurden mit dem Chrom-Cy- anid A, dem Eisen-Cyanid B und dem Ruthenium-Cyanid C im Überschuß zur Reaktion gebracht.

Cyanidverbrückte Dreikernkomplexe mit zentralen M(Cyclam)-Einheiten

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Cyanidverbrückte Dreikernkomplexe mit zentralen M(Cyclam)-Einheiten

Ralf Appelt und Heinrich Vahrenkamp*

Freiburg, Institut für Anorganische und Analytische Chemie der Universität

Bei der Redaktion eingegangen am 16. September 2002.

Inhaltsübersicht. Durch Umsetzung von Metall-Cyclam-Komple-xen M(Cyclam)Xn mit metallorganischen Cyaniden LnM�-CN wur-den Dreikernkomplexe LnM�-CN-M(Cyclam)-NC-M�Ln mit M �

Mn, Fe, Co, Ni und M� � Cr, Fe, Ru erhalten. Mit strukturanalyti-

Cyanide Bridged Trinuclear Complexes with Central M(Cyclam) Units

Abstract. Reactions between metal cyclam complexes M(Cy-clam)Xn and organometallic cyanides LnM�-CN yielded trinuclearcomplexes LnM�-CN-M(Cyclam)-NC-M�Ln with M � Mn, Fe, Co,Ni and M� � Cr, Fe, Ru. They were probed with structural, spec-

1 Einleitung

Metall-Metall Charge Transfer (MMCT) über verbrük-kende Liganden hinweg ist eines der wesentlichen Phäno-mene gemischtvalenter Verbindungen und eines der simpel-sten Indizien für elektronische Wechselwirkungen zwischenden beteiligten Metallzentren [1,2]. Zusammen mit elektro-chemischen Methoden [3] erlauben die MMCT-Messungenauch das Ausmaß dieser Wechselwirkungen zu quantifizie-ren. Wir untersuchen dies am Beispiel cyanidverbrückterMehrkernkomplexe [4]. Eine wesentliche Frage dabei ist,über wie große Distanzen die Metall-Metall-Wechselwir-kungen reichen und ob sie richtungsabhängig sind.

Am Beispiel von Dreikernkomplexen des Typs LnM�-CN-PtL2-NC-M�Ln mit cis- und trans-Anordnung an derzentralen PtL2-Einheit konnten wir zeigen, daß eine Rich-tungsabhängigkeit besteht [5]: nur bei einer linearen Anord-nung der M�···Pt···M�-Sequenz zeigten zyklische Voltam-mogramme und NIR-Spektren die elektronische Kommuni-kation zwischen den beiden M�-Einheiten an. In der Folgestellten wir daher cyanidverbrückte Dreikernkomplexe her,in denen die Ligandenanordnung am zentralen Metallatomdie Linearität der M�-CN-M-NC-M�-Sequenz sicherstellt.Von dieser Art haben wir bisher solche mit zentralenM(Phthalocyanin)- [6], M(bis-Acetylacetonat) [7] undM(Salen)-Einheiten [8] beschrieben. Hierbei ließen sich Artund Oxidationsstufe des Zentralatoms M variieren, woraus

* Prof. Dr. H. VahrenkampInstitut für Anorganische und Analytische ChemieUniversität FreiburgAlbertstr. 21D-79104Freiburge-mail: [email protected]

Z. Anorg. Allg. Chem. 2003, 629, 133�138 2003 WILEY-VCH Verlag GmbH & Co. KGaA, 69451 Weinheim 0044�2313/03/629/133�138 $ 20.00�.50/0 133

schen, spektroskopischen und elektrochemischen Methoden wur-den sie auf elektronische Wechselwirkungen zwischen den beteilig-ten Metallzentren untersucht.

troscopic and electrochemical methods for electronic interactionsbetween the involved metal centers.Keywords: Chromium; Manganese; Iron; Cobalt; Nickel; Cyclamcomplexes

sich Informationen über dessen Einfluß auf die eletronischeKommunikation der externen Metallatome M� ergaben.

In der vorliegenden Arbeit wird nun die Chemie solcherDreikernkomplexe mit zentralen M(Cyclam)-Einheiten be-schrieben. Im Unterschied zu den zuvor genannten Syste-men ist der Cyclamligand ungeladen, was den Zentralein-heiten und den Dreikernkomplexen insgesamt eine höhereLadung beschert. Es galt festzustellen, inwieweit dies dieStabilität der Dreikernkomplexe, die M�-M�-Wechselwir-kung und den MMCT beeinflußt. Ein Vorteil der Cyclam-komplexe besteht darin, daß sie für die ganze horizontaleReihe der Übergangsmetalle von Chrom bis Nickel leichtzugänglich sind und in Form trans-konfigurierter oktaedri-scher M(Cyclam)X2-Komplexe existieren können. Es wardamit vorherzusehen, daß als Liganden X auch metallorga-nische Cyanide LnM�-CN fungieren können.

2 Ergebnisse und Diskussion

Synthesen

Als Ausgangsverbindungen kamen die Cyclamkomplexe1�6 zum Einsatz. Alle sechs wurden mit dem Chrom-Cy-anid A, dem Eisen-Cyanid B und dem Ruthenium-CyanidC im Überschuß zur Reaktion gebracht.

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[Cr(Cyclam)Cl2]Cl (1), [Mn(Cyclam)Cl2]Cl·H2O, (2)

[Fe(Cyclam)Br2]ClO4, (3) [Co(Cyclam)Cl2]Cl, (4)

[Ni(Cyclam)Cl2], (5) [Cu(Cyclam)](ClO4)2, (6)

[(CO)5Cr-CN]� Cp(dppe)Fe-CN Cp(PPh3)2Ru-CNA B C

Es stellte sich heraus, daß die Bildungstendenz der ge-wünschten M�-CN-M(Cyclam)-NC-M�-Dreikernkomplexewesentlich niedriger ist als in den zuvor von uns beschriebe-nen Fällen. Dies scheint im wesentlichen daran zu liegen,daß die Verbindungen B und C als Neutralliganden nichtmit den vorhandenen anionischen Liganden der MIII-Cy-clamkomplexe um deren Koordinationsstellen konkurrierenkönnen. Dazu scheint im Falle des CrIII-Komplexes 1 des-sen Inertheit die Chlorid-Substitution so sehr zu behindern,daß sich mit dem Anion A nur das Chlorid-Anion von 1substituieren ließ. Schließlich war keines der drei Organo-metall-Cyanide in der Lage, an das Kupferion von 6 anzu-binden, welches offensichtlich die planar quadratischeCuN4-Koordination bevorzugt. Als Dreikernkomplexe, diesich unter milden Bedingungen und in guten Ausbeuten bil-deten, wurden so die Verbindungen 2A-5A, 5B und 5C er-halten.

[(CO)5Cr-CN-Mn(Cyclam)-NC-Cr(CO)5][(CO)5Cr-CN], (2A)

[(CO)5Cr-CN-Fe(Cyclam)-NC-Cr(CO)5]Cl, (3A)

[(CO)5Cr-CN-Co(Cyclam)-NC-Cr(CO)5]Cl, (4A)

[(CO)5Cr-CN-Ni(Cyclam)-NC-Cr(CO)5], (5A)

[Cp(dppe)Fe-CN-Ni(Cyclam)-NC-Fe(dppe)Cp](SbF6)2, (5B)

[Cp(PPh3)2Ru-CN-Ni(Cyclam)-NC-Ru(PPh3)2Cp](SbF6)2, (5C)

Strukturen

Die Identität der Dreikernkomplexe wurde durch Kristall-strukturanalysen von 2A, 4A und 5B abgesichert. Die Ab-bildungen 1 und 2 zeigen die Molekülform der Dreikern-komplexe ohne Solvensmoleküle bzw. Gegenionen. DieStrukturen von 2A und 4A sind einander so ähnlich, daßsie sich verfälschungsfrei mit einer Abbildung wiedergebenlassen.

Ausgewählte Abstände und Winkel sind in Tab. 1 wieder-gegeben. In allen drei Fällen liegt das Zentralatom auf ei-nem Symmetriezentrum, und die Hauptebenen der Koordi-nationspolyeder (M(Cyclam), Cr(CO)4, FeP2Cp) sind unge-fähr parallel. Die M-CN-M�-Anordnungen sind wie üblich[5�8] nicht linear, sondern um bis zu 7° abgeknickt. Dietypische Unterscheidung der M-C-N- und M-N-C-Winkel,bei der ersterer wegen der stärkeren M-C-Rückbindung vielweniger abgeknickt ist, ist hier aber nicht gegeben. Die

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Abb. 1 Molekülstrukturen von 2A (M � Mn) und 4A (M � Co).

Abb. 2 Molekülstruktur von 5B (Phenylgruppen der Übersicht-lichkeit halber weggelassen).

durch die Abknickungen resultierende wellenförmige An-ordnung der M�-CN-M-NC-M�-Ketten ist aber nicht ohnePräzedenz [5�8].

Tabelle 1 Abstände/A und Winkel/° in den Dreikernkomplexen

Komplex 2A 4A 5BM, M� Mn, Cr Co, Cr Ni, Fe

M-N(Cyclam) 1.975(3) 1.980(3) 2.086(3)M-N(CN) 1.878(3) 1.899(3) 2.117(3)C-N 1.158(5) 1.133(6) 1.158(4)M�-C(CN) 2.035(4) 2.034(5) 1.879(4)M-N-C 172.5(3) 172.8(4) 175.0(3)N-C-M� 172.8(3) 173.6(4) 178.0(3)

Die generelle Ähnlichkeit der Komplexe 2A und 4A er-streckt sich auch auf ihre Bindungslängen M-N(CN) undCr-C(CN). Die hohe Ladung der Zentralatome Mn und Cokombiniert mit der negativen Ladung der Liganden[Cr(CO)5CN]� verursacht ungewöhnlich kurze M-N(CN)-Abstände [7,8], die um 0.1 A kürzer sind als die M-N(Cy-clam)-Abstände und damit eine hohe Bindungsfestigkeitandeuten. Ganz anders ist die Situation im NiII-Komplex5B. Hier sind alle M-N-Bindungen länger, und die Ni-N(Cyclam)-Bindungen sind 0.03 A kürzer als die Ni-N(CN)-Bindungen, die ihrerseits über 0.2 A länger sind alsdie entsprechenden Bindungen in 2A und 4A. Dies deutetfür 5B schon im festen Zustand eine Tendenz zum Zerfallin kationisches [Ni(Cyclam)]2� und freies Cp(dppe)Fe-CNan, was für die Diskussion der elektrochemischen Daten(s.u.) von Bedeutung ist.

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Cyanidverbrückte Dreikernkomplexe mit zentralen M(Cyclam)-Einheiten

Spektren

Die ν(CN)-IR-Banden und die UV-VIS-Absorptionen derneuen Komplexe sind in Tabelle 2 wiedergegeben. Die IR-Daten wurden von den Festsubstanzen und von Lösungenaufgenommen. Sie unterscheiden sich dabei jeweils kaum,und die ν(CN)-Banden sind gegenüber denen der Organo-metall-Cyanide A, B und C verschoben. Dies beweist, daßauch in Lösung alle Verbindungen so gut wie vollständigals Dreikernkomplexe vorliegen.

Tabelle 2 IR- und UV-VIS-Daten

Komplex Solvens ν(CN)/cm�1 λmax(εmax)/nm(M�1cm�1)

A CH3OH 2103w 280(400)B CH2Cl2 2062s 409(620)C CH2Cl2 2072s 330(300)2A CH3OH 2121wa) 336(Sch 5900), 420(1600)3A CH3OH 2119w 336(6000), 602(810)4A CH3OH 2120w 334(Sch 5900), 420(980)5A CH3OH 2110w 340(1800)5B CH2Cl2 2059m 348(Sch 2350), 402(1330)5C CH2Cl2 2066m 332(4600), 366(Sch 2700)

a) Die Bande des [Cr(CO)5CN]�-Ions erscheint bei 2098 cm�1.

Die Verschiebungen der ν(CN)-IR-Banden im Vergleichzu denen der “Liganden” A, B und C sind gering, aber cha-rakteristisch. Im Falle des elektronenarmen “Liganden” Agehen sie zu höheren, bei B und C zu niedrigeren Wellen-zahlen. Da die geringe Varianz der Massen von M und M�(Ausnahme 5C) den kinematischen Effekt hier konstanthält, kommen zur Erklärung nur π-Bindungs-Effekte inFrage, die auch eine konsistente Interpretation ermöglichen:bei den guten π-Donoren Cp(dppe)Fe und Cp(PPh3)2Ruverstärkt der Elektronenabfluß von der Cyanid-Brücke aufdas Zentralatom die π-Rückbindung zum CN, was die C-N-Bindungsordnung und damit die ν(CN)-Frequenz senkt[6]. Umgekehrt dominiert bei dem schlechten π-DonorCr(CO)5 der Abzug von π*-Elektronendichte am N-Termi-nus des CN, was die C-N-Bindungsordnung und die ν(CN)-Frequenz erhöht.

In den UV-VIS-Spektren erzeugen sowohl die Charge-Transfer-Banden der metallorganischen Cyanide A-C alsauch die schwachen d-d-Übergänge der Cyclam-Komplex-einheiten M(Cyclam)Xn keine intensiven Absorptionen imsichtbaren Bereich des Spektrums. Mit Ausnahme von 5Ctreten jedoch in den sichtbaren Spektren der Dreikernkom-plexe Absorptionen mit Extinktionskoeffizienten um1000 M�1 cm�1 (z.T. als Schultern) auf. Abbildung 3 gibtdies für die Komplexe mit terminalen Cr(CO)5-Einheitenwieder. Die prominenten Absorptionen lassen sich MMCT-Banden zuordnen. Der Transfer geht dabei von Chromatomzum Zentralatom, entspricht also einer Oxidation der exter-nen Organometall-Einheit bei gleichzeitiger Reduktion desZentralatoms.

Die elektronischen Verhältnisse der beteiligten Baugrup-pen erlauben eine konsistente Interpretation der MMCT-Daten. So ist in der Serie der Komplexe 2A�5A das Redox-potential der externen Baugruppe (CO)5Cr konstant, und

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Abb. 3 UV-VIS-Spektren von 2A-5A (in Methanol).

die Bandenlage ist Ausdruck der Reduzierbarkeit der zen-tralen M(Cyclam)-Baugruppe. Deren Reduktion wird typi-scherweise in der Reihenfolge NiII < CoIII < MnIII < FeIII

leichter. Die Spektren geben dies wieder, wobei die Reduk-tion des NiII im Meßfenster nicht mehr erfaßt wird. In derSerie der Komplexe 5A�5C ist dagegen das Redoxpotentialder zentralen Baugruppe Ni(Cyclam) konstant und die Oxi-dierbarkeit der externen Baugruppen sinkt in der Reihen-folge FeCp(dppe) > Cr(CO)5 � RuCp(PPh3)2 (s.u.). DieSpektren reproduzieren das, indem sie nur für die am leich-testen zu oxidierende Spezies 5B eine prominente Absorp-tionsbande im Meßfenster zeigen. Nach der Klassifizierungvon Robin und Day [1] gehören die Dreikernkomplexe da-mit der Klasse II gemischtvalenter Verbindungen an.

Elektrochemie

Mit Ausnahme von 5C lieferten alle Dreikernkomplexe in-terpretierbare zyklische Voltammogramme. Die daraus ent-nommenen Redoxpotentiale sind in Tabelle 3 wiedergege-ben. Die Redoxschritte sind reversibel oder quasireversibel.Abbildung 4 zeigt ein charateristisches Voltammogramm.

Man erwartet, daß das Redoxpotential der “Liganden”A und B in den Dreikernkomplexen um 200-400 mV erhöhtwird, infolge des Elektronenabzugs durch die Koordination.Eine entsprechende Verschiebung des ersten Redoxschritteszu höheren Potentialen wird aber mit Ausnahme von 4A in

Tabelle 3 Elektrochemische Daten der Dreikernkomplexea)

Komplex E1/2(1)/mV E1/2(2)/mV

A 610B 4002A 620 8803A 600 8804A � 8905A 660 9205B 420 910

a) Lösungsmittel Acetonitril, Scangeschwindigkeit 100 mV/sec, Potentiale ge-gen Ag/AgCl.

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Abb. 4 Zyklisches Voltammogramm von 5B (in Acetonitril,Potentiale gegen Ag/AgCl, Scangeschwindigkeit 100mV/sec).

keinem Fall beobachtet. Stattdessen liegen die Potentialeder ersten Redoxschritte immer sehr nahe bei denen derfreien Organometall-Cyanide. Dies legt die Vermutungnahe, daß die Elektrochemie die durch ein Dissoziations-gleichgewicht gebildeten Organometall-Cyanide zuerst er-faßt und sie dadurch aus dem Gleichgewichtsgemisch ent-fernt. Selbst wenn sie nur in sehr geringer Gleichgewichts-konzentration vorliegen (s.o.), können sie so zu den domi-nierenden Spezies in den zyklischen Voltammogrammenwerden, wie zuvor schon bei den analogen Komplexen mitzentralen M(Salen)-Einheiten beobachtet [7,8]. Nur imFalle des CoIII-zentrierten Komplexes 4A, der der inertesteder Serie ist, bleibt dieses Phänomen aus. Im Falle vonKomplex 2A, der die freien [(CO)5Cr-CN]�-Einheiten alsGegenionen enthält, ist es dagegen ein natürliches Phäno-men.

Die mit E1/2(2) gekennzeichnete Redoxwelle kann dannden komplexgebundenen Organometall-Cyaniden zugeord-net werden. Dies dürfte für die Komplexe 2A, 3A und 4Aunzweifelhaft sein, z. B. weil es für 4A keine andere Inter-pretation gibt. Bei 5A und 5B ist es aber durchaus möglich,daß mit E1/2(2) die Oxidation der (Acetonitril-solvatisier-ten) Ni(Cyclam)-Einheit erfaßt wird. Hierfür sprechen dreiIndizien: 1. die Ähnlichkeit der beiden Potentiale, 2. dasAussehen des zyklischen Voltammogramms von 5B (Abb.4), in dem die erste Redoxwelle doppelt so hoch ist wie diezweite, mithin vor der Oxidation bei 910 mV schon alleCp(dppe)Fe-CN-Spezies oxidiert sein können, 3. die zugroße Distanz von 500 mV zwischen dem Potential fürfreies und (möglicherweise) gebundenes Cp(dppe)Fe-CN.Eine Diskussion der echten Dreikernkomplex-Oxidationenmuß sich also auf die Komplexe 2A, 3A und 4A beschrän-ken.

In diesen Komplexen ist das Redoxpotential derCr(CO)5CN-Einheit um das erwartete Maß, nämlich ca.300 mV, erhöht. Die Unterschiede zwischen den drei Kom-plexen sind gering, was vergleichbarem Elektronenabzugdurch die Zentral-Ionen MnIII, FeIII und CoIII entspricht.Dies deckt sich mit den Beobachtungen aus der IR-Spek-troskopie und den Strukturanalysen (s.o.), während die

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MMCT-Banden (s.o.) auf Unterschiede, nämlich die derReduzierbarkeit der MIII-Zentren, aufmerksam machen.Die wesentlichste Gemeinsamkeit aller drei Komplexe istdie, daß die Redoxwelle bei 880�890 mV nicht aufgespaltenist. Dies bedeutet, daß entlang der Cr-CN-M-NC-Cr-Kettekeine elektronische Kommunikation zwischen den Chroma-tomen besteht, mithin das zweite nicht auf die Oxidationdes ersten anspricht. Diese Beobachtung stellt eine Aus-nahme von der Regel dar, daß bei linearer Anordnung inden Dreikernkomplexen eine elektronische Kommunikationzwischen den beiden Termini gegeben ist [5,6,8]. Doch auchdiese Ausnahme ist nicht ohne Präzedenz, z.B. bei analogenDreikernkomplexen mit zentralem linear koordiniertenAg(I) [9]. Dies wirft erneut die Frage auf nach einer syste-matischen Klassifizierung der Zentraleinheiten bezüglichihrer Fähigkeit, elektronische Kommunikation über sie hin-weg zu unterstützen.

3 Experimenteller Teil

Alle Umsetzungen wurden unter Luftausschluß durchgeführt. Dieallgemeinen experimentellen und Meßtechniken [5] sowie die Proze-duren der UV-VIS-Spektroskopie und zyklischen Voltammetrie [10]waren wie beschrieben. Die Ausgangsverbindungen A [11], B [12]und C [12] sowie [Cr(Cyclam) Cl2]Cl [13], [Mn(Cyclam)Cl2]Cl-·5H2O [14], [Fe(cyclam)Br2]ClO4 [15], [Co(Cyclam)Cl2]Cl [16] und[Ni(Cyclam)Cl2] [17] wurden nach Literaturvorschriften dargestellt.

Präparationen

2A: 150 mg (0.62 mmol) Na[A] und 72 mg (0.16 mmol) 2 in 25 mlEthanol wurden 4 h bei Raumtemp. gerührt. Nach Filtration wurdedie Lösung 1 d im offenen Gefäß stehengelassen. Die ausgefallenenKristalle wurden abfiltriert, mit wenig eiskaltem Ethanol gewa-schen und i. Vak. getrocknet. Es verblieben 96 mg (63 %) 2A alsrote Kristalle vom Schmp. 178 °C.Elementaranalyse: C28H24Cr3MnN7O18·C2H5OH (909.46 � 46.07):C 37.42 (ber. 37.71); H 3.77 (3.16); N 9.94 (10.26) %.

IR(KBr): ν[cm�1] � 816w (CH2), 882w, 889w, 903w (NH2), 1895s, 1924s,1988m, 2056m (C�O), 2099w (C�N), 2119w (µ-CN).

3A: Eine Lösung von 145 mg (0.28 mmol) 3 und 200 mg(2.68 mmol) KCl in 80 ml Wasser und 20 ml Aceton wurde 1 h ge-rührt. Dann wurden 271 mg (1.12 mmol) Na[A] zugegeben undnochmal 1 h gerührt. Der entstandene Niederschlag wurde abfil-triert, an der Luft getrocknet und mit 200 ml Methanol extrahiert.Der Extrakt wurde i. Vak. auf 70 ml eingeengt und dann bei 7 °Cfür eine Woche offen stehengelassen. Das ausgefallene Produktwurde abfiltriert und i. Vak. getrocknet, wobei 63 mg (31 %) 3A alsblaues Pulver vom Schmp. 166 °C verblieben.Elementaranalyse: C22H24ClCr2FeN6O10 (727.76): C 36.80 (ber.36.31); H 2.94 (3.32); N 11.70 (11.55) %.

IR(KBr): ν[cm�1] � 832w (CH2), 901w (NH2), 1894s, 1914s, 1975m, 2057m(C�O), 2116w (µ-CN).

4A: Eine Lösung von 78 mg (0.21 mmol) 4 und 103 mg (0.43 mmol)Na[A] in 50 ml Methanol wurde 10 min. gerührt. Nach Filtrationwurde die Lösung mehrere Tage offen stehengelassen. Das ausge-fallene Produkt wurde abfiltriert, mit wenig eiskaltem Methanolgewaschen und i. Vak. getrocknet. Es verblieben 147 mg (95 %) 4Aals rote Kristalle vom Schmp. 172 °C.

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Cyanidverbrückte Dreikernkomplexe mit zentralen M(Cyclam)-Einheiten

Tabelle 4 Kristallographische Details

2A 4A 5B

Summenformel C28H24Cr3MnN7O18·2C2H5OH C22H24ClCoCr2N6O10·2CH3OH C74H82F12Fe2N6NiP4Sb2·2CH2Cl2Molmasse 1302.80 794.92 2091.12Kristallgröße/mm 0.4 x 0.3 x 0.2 0.6 x 0.05 x 0.05 0.1 x 0.25 x 0.3Raumgruppe C2/c P-1 P-1Z 4 1 1a/A 14.574(3) 9.435(2) 11.439(2)b/A 15.559(3) 9.732(2) 12.239(2)c/A 19.400(4) 10.703(2) 15..038(3)α/° 90 78.60(3) 91.59(1)β/° 100.38(3) 83.66(3) 103.65(1)γ/° 90 77.76(3) 97.17(1)V/A3 4327(1) 939.1(3) 2026.3(7)dber./gcm�3 1.33 1.71 1.55µ(Mo-Kα)/mm�1 1.21 1.86 1.45hkl-Bereich h: �16 bis 16 h: �11 bis 0 h: �14 bis 14

k: �17 bis 16 k: �11 bis 11 k: �15 bis 15l: �21 bis 20 l: �13 bis 13 l: �19 bis 19

gem. Reflexe 9413 3909 18436unabh. Reflexe 3120 3676 9454beob. Reflexe [I>2σ(I)] 2447 2756 6289Parameter 275 233 494verfeinerte Refl. 3120 3676 9454R1(beob. Refl.) 0.037 0.052 0.042wR2 (alle Refl.) 0.119 0.152 0.100Restelektronendichte/ �0.9 �1.3 �1.1e/A3 �0.7 �0.6 �1.0

Elementaranalyse: C22H24ClCoCr2N6O10 (730.84): C 35.96 (ber.36.16); H 3.27 (3.31); N 11.44 (11.50) %.

IR(KBr): ν[cm�1] � 816w (CH2), 888w, 901w (NH2), 1914s, 1996m, 2058m(C�O), 2132w (µ-CN).

5A: Wie 4A aus 58 mg (0.18 mmol) 5 und 85 mg (0.34 mmol)Na[A]. Ausbeute 88 mg (72 %) 5A als rosafarbige Kristalle vomSchmp. 198 °C.Elementaranalyse: C22H24Cr2N6NoO10 (695.15): C 37.85 (ber.38.01); H 3.62 (3.48); N 11.86 (12.09) %.

IR(KBr): ν[cm�1] � 795w (CH2), 874w (NH2), 1887s, 1905s, 1929s, 1945m,2058m (C�O), 2121m (µ-CN).

5B: Zu einer Lösung von 278 mg (0.51 mmol) B und 84 mg(0.25 mmol) 5 in 40 ml Methanol wurden unter Rühren 132 mg(0.51 mmol) NaSbF6 gegeben und dann noch 10 min. gerührt. Derentstandene Niederschlag wurde abfiltriert, i. Vak. getrocknet undmit 150 ml CH2Cl2 extrahiert. Der Extrakt wurde i. Vak. auf 50 mleingeengt und mit 100 ml Hexan überschichtet. Nach 2 Tagen wur-den die abgeschiedenen Kristalle abfiltriert, mit Hexan gewaschenund an der Luft getrocknet. Es verblieben 441 mg (87 %) 5B alsgelbe Kristalle vom Schmp. 115 °C.Elementaranalyse: C74H82F12Fe2N6NiP4Sb2·2CH2Cl2 (1821.26 �

169.86): C 45.69 (ber. 45.89); H 4.24 (4.25); N 4.20 (4.23) %.

IR(KBr): ν[cm�1] � 662s (SbF6), 697s (dppe) 801w (CH2), 874w (NH2),2063s (µ-CN).

5C: 226 mg (0.32 mmol) C, 52 mg (0.16 mmol) 5 und 82 mg(0.32 mmol) NaSbF6 in 100 ml Methanol wurden 18 h gerührt. Dergebildete Niederschlag wurde abfiltriert, an der Luft getrocknet, in50 ml CH2Cl2 aufgenommen und mit 100 ml Hexan überschichtet.Nach 2 Tagen wurden die abgeschiedenen Kristalle abfiltriert, mitHexan gewaschen und an der Luft getrocknet. Es verblieben259 mg (76 %) 5C als gelbe Kristalle vom Schmp. 232 °C.Elementaranalyse: C74H82F12N6NiP4Ru2Sb2 (2164.02): C 51.98(ber. 52.17); H 4.42 (4.38); N 3.76 (3.88) %.

Z. Anorg. Allg. Chem. 2003, 629, 133�138 137

IR (KBr): ν[cm�1] � 661s (SbF6), 696s (PPh3) 802w (CH2), 874w (NH2),2063s (µ-CN).

Strukturanalysen

Die Kristalle wurden aus den Reaktionslösungen erhalten undohne Trocknung sofort in Markröhrchen überführt und bei Raum-temp. auf einem Smart CCD-Diffraktometer der Firma BrukerAXS mit Mo-Kα-Strahlung vermessen. Die Strukturen wurden mitDirektmethoden gelöst und ohne Absorptionskorrektur anisotropverfeinert (SHELX-Programme) [18]. Abbildungen wurden mitSCHAKAL [19] erstellt. Tab. 4 gibt die kristallographischen Da-ten wieder.Die Kristalldaten wurden beim Cambridge Crystallographic DataCentre als Supplementary Publications Nr. CCDC 194332 (für 2A),194333 (für 4A) und 194334 (für 5B) hinterlegt. Kopien dieserDaten sind auf Antrag zu erhalten bei CCDC, 12 Union Road,Cambridge CB2 1EZ (Fax: (�44) 1223-336-033; E-mail:[email protected]).

Diese Arbeit wurde vom Fonds der Chemischen Industrie unter-stützt. Wir danken Dr. W. Deck und Dr. H. Brombacher für Hilfebei den Strukturanalysen.

Literatur

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[18] SHELXL und SHELXS, G. M. Sheldrick, Universität Göttin-gen, 1986 und 1993.

[19] SCHAKAL für Windows, E. Keller, Universität Freiburg,1999.