17
DIETRICH UND MARLENE RALL DaF gezielt — zuviel verlangt? 1. Kapitel: Bestandsaufnahme Goethe, zuverlässiger Zitatenlieferant in allen Lebenslagen, hat französisch so gelernt, wie es den Behavioristen einzig richtig scheint: “Die franzö- sische Sprache war mir von Jugend auf lieb;... Sie war mir ohne Gram- matik und Unterricht, durch Umgang und Übung, wie eine zweite Mutter- sprache zu eigen geworden .”1 Goethe verdrießt es allerdings, daß Fran- zosen im Gespräch ihm nicht so sehr antworten und entgegnen, als seine Aussagen vielmehr mit den angemessenen Ausdrücken wiederholen und richtigstellen. Ein solcher Erwerb einer zweiten Muttersprache hat also seine Tücken. Goethe zählt auf, wer seine Lehrmeister gewesen seien: Be- diente, Kammerdiener und Schildwachen, junge und alte Schauspieler, theatralische Liebhaber, Bauern und Helden, dazu reformierte Geistliche und schließlich Montaigne, Amyot, Rabelais, Marot; und er berichtet über den Erfolg: “Alle diese Elemente bewegten sich nun in meiner Re- de chaotisch durcheinander, so daß für den Zuhörer die Intention über dem wunderlichen Ausdruck meist verloren ging .”2 Goethe ist — zumindest in dieser Beziehung — durchaus kein Einzelfall. Man kann seine Aussage sogar recht weit verallgemeinern: Wer, abgesehen von Kindern, sich eine Zweitsprache aneignet, ohne sich im geringsten um ihre Regelhaftigkeit zu sorgen, sei es mit Hilfe von Lehrern, sei es anhand von Lehrwerken, wird kaum jemals über eine zuverlässige Kompetenz ver- fügen. Regelhaftigkeit bezieht sich dabei nicht allein auf die morphosyn- taktischen und semantischen Strukturen, sondern auch auf die expressive und die appellative Funktion, was Goethe erkannt und zum Ausdruck ge- bracht hatte, indem er zugibt, daß aus seinem buntscheckigen Gemisch die Intention nicht mehr zu erkennen war, daß er also tatsächlich das adäquate sprachliche Handeln nicht beherrschte. Wenn solcherart dem Spracherwerb mit Methode das Wort geredet wird, so erhebt sich sogleich die Frage, welche die richtige ist. Die Betroffenen, die gegenwärtigen wie die zukünftigen Schüler, haben zumeist sehr unklare Vorstellungen, sind zudem mißleitet von Modeslogans und aus dem Zu- sammenhang gerissenen Schlagzeilen: “Englisch lernen in drei Monaten”, “Spanisch ohne Mühe”, “Russisch in elf Tagen” — “Wieso”, fragt sich dann ein frustrierter Normalverbraucher, “lerne ich schon drei Jahre Deutsch und kann es immer noch nicht? ” 244

DaF gezielt — zuviel verlangt? · tischen Schritte führt andererseits leicht zu einer sterilen Routine, so daß Spontaneität und Kreativität aus dem Unterricht verschwinden

  • Upload
    others

  • View
    6

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: DaF gezielt — zuviel verlangt? · tischen Schritte führt andererseits leicht zu einer sterilen Routine, so daß Spontaneität und Kreativität aus dem Unterricht verschwinden

D IE TR IC H UND M A R LEN E RA LL

DaF gezielt — zuviel verlangt?

1. K apitel: B estandsaufnahm e

G oethe, zuverlässiger Z ita ten lieferan t in allen Lebenslagen, h a t französisch so gelernt, wie es den B ehavioristen einzig richtig schein t: “Die franzö -sische Sprache w ar m ir von Jugend au f l i e b ; ... Sie w ar m ir ohne G ram -m atik und U nterrich t, durch Umgang un d Übung, w ie eine zw eite M u tte r-sprache zu eigen gew orden . ” 1 G oethe verd rieß t es allerdings, daß F ran-zosen im G espräch ihm n ich t so sehr an tw o rten und entgegnen, als seine A ussagen vielm ehr m it den angem essenen A usdrücken w iederholen und richtigstellen. E in solcher E rw erb e iner zw eiten M uttersprache h a t also seine Tücken. G oethe zäh lt auf, wer seine L ehrm eister gewesen seien: Be-diente, K am m erdiener u n d Schildw achen, junge u n d alte Schauspieler, theatra lische L iebhaber, Bauern u n d H elden, dazu re fo rm ierte G eistliche und schließlich M ontaigne, A m yot, Rabelais, M aro t; un d er b e rich te t über den Erfolg: “Alle diese E lem ente bew egten sich nun in m einer R e-de chaotisch du rcheinander, so daß für den Z uhörer die In ten tio n über dem w underlichen A usdruck m eist verloren ging . ” 2

G oethe ist — zum indest in dieser B eziehung — durchaus kein E inzelfall. Man kann seine Aussage sogar rech t w eit verallgem einern: Wer, abgesehen von K indern , sich eine Zw eitsprache aneignet, ohne sich im geringsten um ihre R egelhaftigkeit zu sorgen, sei es m it H ilfe von L ehrern , sei es anhand von L ehrw erken, w ird kaum jem als über eine zuverlässige K om petenz ver-fügen. R egelhaftigkeit b ez ieh t sich dabei n ich t allein au f die m orphosyn- tak tischen u n d sem antischen S truk tu ren , sondern auch auf die expressive und die appellative F u n k tio n , was G oethe e rk an n t und zum A usdruck ge-b rach t h a tte , indem er zugibt, daß aus seinem buntscheck igen G em isch die In ten tio n n ich t m ehr zu erkennen war, daß er also ta tsäch lich das adäquate sprachliche H andeln n ich t beherrschte.

W enn so lcherart dem Spracherw erb m it M ethode das W ort gerede t w ird, so e rh eb t sich sogleich die Frage, w elche die richtige ist. Die B etroffenen , die gegenw ärtigen wie die zukünftigen Schüler, haben zum eist sehr unklare V orstellungen, sind zudem m iß le ite t von M odeslogans u n d aus dem Zu-sam m enhang gerissenen Schlagzeilen: “ Englisch lernen in drei M o n aten ” , “ Spanisch ohne M ühe” , “ R ussisch in e lf T agen” — “W ieso” , frag t sich dann ein fru s tr ie rte r N orm alverbraucher, “ lerne ich schon drei Jah re D eutsch u n d kann es im m er noch n ich t? ”

244

Page 2: DaF gezielt — zuviel verlangt? · tischen Schritte führt andererseits leicht zu einer sterilen Routine, so daß Spontaneität und Kreativität aus dem Unterricht verschwinden

Solche Selbstzw eifel m uß vor allem S tu d en ten im n ich teu ropäischen A usland erfassen, für die D eutsch kein selbstverständliches K om m uni-kationsm itte l ist, das m an bei einer Reise durch M itte leu ropa erfolgreich einsetzen kann. Es b le ib t m eist Schul- oder U niversitätsfach, das m anch-mal eher zufällig von B ildungsplanern in C urricula aufgenom m en w orden ist.

W enn sogar in den USA u m s tritten ist, wie sinnvoll der D eu tschun ter-rich t is t3 , wieviel m ehr m uß in L ändern Asiens, A frikas un d L ateinam e-rikas, wo der B ildungsetat knapper bem essen ist, d ie Frage gestellt wer-den, ob D eutsch zum notw endigen R üstzeug künftiger T echniker, Ä rzte, K rankenschw estern , Sekundarschullehrern etc. gehört. Und w eiter: Sind die L ehrm aterialien , die die D eutschen aus O st und W est für teu re Devi-sen ins Land liefern, speziell dazu geeignet, die Schüler und S tuden ten m it dem A usschn itt der deu tschen Sprache v e rtrau t zu m achen, den sie brauchen , und ist er in der (m eist ku rzen) Zeit, die dafür zu r Verfügung steh t, erlernbar?

Die A n tw o rt dü rfte nur allzu o f t negativ ausfallen. In den m eisten Län-dern der D ritten W elt ist die L eh rw erkp roduk tion für F rem dsprachen n ich t in ausreichendem Maß en tw icke lt, um dadurch den Im p o rt von un-spezifischen, um n ich t zu sagen ungeeigneten L ehrw erken aus dem deu t-schen Sprachraum überflüssig zu m achen. A ber genauso wie daher DaF- Lehrw erke aus V erlegenheit zu K onsum gütern von tau senden von Indivi-duen w erden, ist das P ro d u k t m eist selbst auch aus V erlegenheit zum E x p o rtg u t gew orden: ln D eutsch land für die p rim äre V erw endung im Inland konzip iert, w ird es als “g u t genug” für w eltw eite V erbreitung be-tra c h te t und S tu d en ten und L ehrern angeboten, die dankbar dafür sind, daß m an sie aus der A porie ge re tte t hat.

In Z ukun ft m üß ten aber D aF-L ehrw erke auch in L ändern der D ritten W elt so selbstverständlich für die eigenen Bedürfnisse hergestellt w erden, w ie das e tw a in F rankreich , R uß land oder den USA der Fall ist. Dazu ist die Z usam m enarbeit m it den deu tschen Fach leu ten , m it der F orschung in A ngew andter L inguistik in der BRD, der D D R, Ö sterreich u n d der Schweiz notw endig, denn nirgends sonst au f der Welt w ird es jem als ein solches K onzen tra t an G erm anisten , L inguisten und F rem dsprachend idak-tikern geben. Ein Teil ihrer um fangreichen w issenschaftlichen P roduk tion ist für den Bereich D eutsch als F rem dsprache auch im w eiteren A usland verw ertbar, w obei allerdings anw endungsorien tierte G rundlagenforschung, die als “ R o h m ateria l” d irek t bei der E rarbeitung von Sprachlehrw erken herbeigezogen w erden könn te , noch in ungenügendem U m fang vorliegt.Es fehlen z.B. kontrastive G ram m atiken zu den m eisten Sprachen (inso-fe rn b edeu ten die “ d irek ten M eth o d en ” eine A rt R ettungsanker, als sie

245

Page 3: DaF gezielt — zuviel verlangt? · tischen Schritte führt andererseits leicht zu einer sterilen Routine, so daß Spontaneität und Kreativität aus dem Unterricht verschwinden

das P roblem G ram m atik , so g u t es geht, ignorieren). Es feh len pädago-gische G ram m atiken , sow ohl für L ehrer wie für Schüler, au f d e r G rund -lage neuerer linguistischer B eschreibungen. Es feh lten bis vor kurzem so-lide K riterienkataloge, nach denen m an sich bei der K onzipierung neuer Lehrw erke auch w irklich g e rich te t hä tte . Es feh lte auf w eiten S trecken die C urricu lum forschung in D aF für das A usland, speziell die D ritte W elt, bzw. die A usbildung von S pezialisten in A ngew and ter L inguistik , die dann in ihren L ändern die E rstellung von C urricula un d L ehrm ateria lien auf kon trastiver G rundlage übernehm en k ö n n en .4

Wir behaup ten n icht, daß au f all diesen G eb ie ten n ich ts vo rhanden wäre, oder daß n iem and darin arbeite te . A ber w ie große L ücken im B ereich D aF klaffen, kom m t erst allm ählich zutage. S either a rtiku lie rten S tim m en aus allen m öglichen In s titu tionen , die sich intensiv m it DaF und der Sprach- lehrforschung im allgem einen befassen, sozusagen “ die F ach w elt” , solche auch von uns fo rm u lie rten D esiderata: kon trastive V alenzlex ika5 , kon-trastive G ram m atiken6 , kontrastive L ehrw erke für D aF 7 , pädagogische G ram m atiken8 , L ehrw erkanalysen un d L eh rw erkk ritik9, H erstellung und E rp robung neuer L ehrm ateria lien . 10

“ So viele B erichte. So viele Fragen,” m öch te m an m it B ert B recht vor der Fülle ungelöster Problem e ausrufen. A n tw o rten w urden und w erden gege-ben. W enn sie im m er überzeugend w ären, b rau ch te zum T hem a “ F o rd e -rungen an künftige L ehrw erke für D eutsch als F rem dsp rache” n ichts m ehr geschrieben zu w erden. F ast alle Z ita te sagen n ich ts anderes als: Wir sind noch n ich t sow eit. Die A ufgaben müssen n ich t ausschließlich deu tsche In s titu tio n en leisten. Schon seit jeher kam en aus allen eu ropäischen Län-dern, sowie von überall d o rt, w o sonst noch G erm anistik getrieben w ird, A nregungen für die o f t zu egozentrische deu tsche G erm anistik . A ber w äh-rend im A usland G erm anistik und D eutsch als F rem dsprache stets eine relativ enge Sym biose eingegangen sind, h a t m an sich in W estdeutschland erst in den le tz ten Jah ren zur Schaffung e i n e s L ehrstuh ls D eutsch als F rem dsprache durchgerungen, der natürlich n ich t allein allen dringend nötigen F o rderungen gerech t w erden kann.

Die K onsequenz ist, besonders auch in L ändern der D ritten Welt, sich zu em anzip ieren un d se lbstbew ußter zu w erden in dem , was m an für no tw en-dig un d richtig h ä lt zur E rreichung eines effek tiven D eu tschun terrich ts . Das bed eu te t, au f vielen G ebieten der A ngew and ten L inguistik verstärk te A nstrengungen zu m achen.

246

Page 4: DaF gezielt — zuviel verlangt? · tischen Schritte führt andererseits leicht zu einer sterilen Routine, so daß Spontaneität und Kreativität aus dem Unterricht verschwinden

N achdem B efürw orter und G egner der d irek ten M ethoden — struk turoglo- bal, audiovisuell, in tu itiv , audiolingual — genügend G elegenheit h a tten , ihre Vor- und N achteile zu erkunden , ist es Zeit, sich w ieder einm al nüch tern zu fragen, w elche K riterien für die E rstellung von im A usland brauchbaren L ehrw erken in B etrach t gezogen w erden müssen. Eines s teh t dabei von vornhere in fest: d a s ideale S prach leh rw erk für D eutsch als F rem dsprache w ird es nie geben; dazu ist der G egenstand viel zu kom plex. A ber es k ö n n te sehr viel bessere Lehrw erke geben, w enn diese präziser defin ierte Ziele an streb ten . Je genauer A dressaten , L ernziele u n d Lehrer anvisiert w erden, desto größere Erfolge w erden zu verbuchen sein. Diesen H au p tfak to ren o rdnen sich d idaktische, linguistische un d soziokulturelle K riterien un ter.

Wie schon erw ähnt, ist in le tz te r Z eit gründliche L eh rw erkk ritik u n te r Zugrundelegung ausführlicher K riterienkataloge getrieben w orden. Es geh t hier n ich t darum , alle Forderungen an L ehrw erke zu w iederholen, die d o rt un d anderw eitig fo rm u lie rt w urden. Was im “M annheim er G ut-a ch te n ” , K urzfassung, an P ostu la ten s teh t über Z ielangaben, frem dspra-chendidak tische K onzep tion , L ern rhy thm us, A rbeitsform en, Fertigkeiten , Ü bungsform en, T ex te , G ram m atikverm ittlung , T hem enp lanung etc. kön-nen w ir nu r un tersch re iben . W ichtig scheinen uns für L änder der D ritten W elt vor allem die G esich tspunk te der K on trastiv itä t, d er L ernsitua tion und des U nterrichtsstils . D enn daß an der psychischen V erfassung von Schülern der D ritten W elt o f t vo rb e iu n te rrich te t w ird, läß t sich leider im m er w ieder fes ts te llen . 11

Es ist müßig zu fragen, w ie viele L ehrw erke n u n en ts teh en m üßten . A ber zu fo rdern ist in jedem Fall,

1. daß zukünftige D aF-L ehrw erke sich nach den A dressaten rich ten und n ich t m eh r um gekehrt, was L I , A ltersgruppe, soziale H erkunft, V orbildung, M otivation , akadem ische Bedürfnisse un d ähnliche F ak to ren b e tr iff t;

2. daß die L ernziele genau defin ie rt sind, un d sow ohl T ex te , w ie E r-klärungen un d Ü bungen und der ganze A rbeitsstil streng lernziel- o rien tie rt ausgew ählt w e rd en ;

3. daß der L ehrer um fassendes In fo rm ationsm ateria l e rhä lt über alles, was er für die D urchführung des Kurses wissen m uß , ohne daß er dadurch in allen U n terrich tssch ritten gegängelt ist.

2. Kapitel: Forderungen

247

Page 5: DaF gezielt — zuviel verlangt? · tischen Schritte führt andererseits leicht zu einer sterilen Routine, so daß Spontaneität und Kreativität aus dem Unterricht verschwinden

M anchm al ist es gar n ich t so einfach, das Lernziel ad äqua t für eine Ziel-gruppe zu bestim m en und auch einzuhalten . A n vielen überseeischen Uni-versitäten w erden z.B. von S tu d en ten L esekenntnisse verlangt, dam it sie die en tsp rechende deu tsche F ach lite ra tu r in ihre S tud ien einbeziehen können. Die w enigsten S tu d en ten bringen aber die fachlichen und allge-m einen sprachlichen V oraussetzungen m it, um aus einem streng fachge-bundenen Lesekurs N utzen zu ziehen. Da ist ein Umweg über einen “no rm alen” Sprachkurs vorteilhafter. E igentlich m üß te m an sogar so w eit gehen und prüfen, ob n ich t besser vor die F rem dsprachenkurse ein Lehrgang in der M uttersp rache gesetzt w ürde,der den S tu d en ten zu einem besseren S prachbew ußtsein verhülfe. Das sind allerdings Fragen, d ie vor O rt gelöst w erden müssen.

Ü berall d o rt, w o n ich t unbed ing t ein ganz streng eingegrenztes Lernziel u n te r starkem Z eitd ruck erre ich t w erden m uß, was, wie gesagt, n u r m it besonders m otiv ierten und qualifiz ierten A dressaten m öglich ist — überall sonst also s c h e i n t e s k l ü g e r , d i e L e r n z i e l e n i c h t z u s e h r z u i s o l i e r e n . So h a t die strenge D urchführung audiovisuel-ler Sprachkurse, die Schreib- und L esefertigkeiten zurückstellt, bis die Schüler das phonologische System der F rem dsprache m öglichst gu t be-herrschen, zu außergew öhnlichen Schw ierigkeiten in der R echtschreibung geführt. E ine V ernachlässigung der A ussprache und des Schreibens in Le-sekursen w irk t o f t negativ zurück, weil ähnlichk lingende W örter leicht verw echselt, weil syn tak tische Gefüge m ißverstanden w erden.

D am it ist aber n ich t gesagt, daß die einzelnen K urseinheiten eines L ehr-gangs (Sem ester, T rim ester o .ä .) sich höchstens durch die Zahl der Lek-tionen un te rsche iden sollen. E s e m p f i e h l t s i c h , d i e v e r -s c h i e d e n e n F e r t i g k e i t e n z u g e w i c h t e n , also z.B. im ersten Ja h r Sprechen und H ören in den V ordergrund zu stellen, und Lesen und Schreiben zw eitrangig zu behandeln , im fo lgenden das H auptgew ich t auf das Lesen, schließlich au f schriftlichen A usdruck zu legen. Je besser die Schüler wissen, was und w ofür sie dasselbe tu n , desto h ö h er sind die C han-cen für den Lernerfolg.

Sinnvoll w ären auch etw a M appen zu einzelnen T hem en m it T exten , deu tsch landkund lichen Illu strationen , gram m atischen Ü bersichten und passenden Ü bungen, die n ich t in einer s tr ik t vorausbestim m ten O rdnung an die Reihe kom m en. A llerdings stellt sich in Ü bersee ärgerlich o f t das Problem , daß einzelne Teile verloren gehen un d nur sehr schw er w ieder zu beschaffen sind. Es w äre le ichtfertig , solche scheinbar nebensächlichen G egebenheiten bei der G estaltung von L ehrw erken zu un terschätzen .

248

Page 6: DaF gezielt — zuviel verlangt? · tischen Schritte führt andererseits leicht zu einer sterilen Routine, so daß Spontaneität und Kreativität aus dem Unterricht verschwinden

L ehrbuchau to ren m einen m anchm al, sie b rau ch ten nur für Schüler M aterial bereitzustellen , Lehrer w üßten von selbst, was sie zu tu n h ä tten . U nd über-all, wo eine gründliche d idak tische A usbildung (“ te a c h e r’s tra in in g ” ) üblich ist, ist eine solche H altung ein igerm aßen vertre tbar. N ur, daß eine solche L ehrerausbildung — w eltw eit gesehen — eher die A usnahm e als die Regel darstellt. E s i s t a l s o u n b e d i n g t z u f o r d e r n , d a ß z u -k ü n f t i g e D a f —L e h r w e r k e a u s f ü h r l i c h e I n f o r m a -t i o n f ü r d e n L e h r e r e n t h a l t e n , und zw ar n ich t nu r d i d a k -t i s c h e r u n d s o z i o k u l t u r e l l e r A r t (wie h eu te üblich), son-dern auch l i n g u i s t i s c h e r A r t . E rfahrungsgem äß g ib t jed e r Lehrer G ram m atikerk lärungen , spätestens w enn die Schüler sie fo rdern . Es ist aber kaum vorzustellen , w ieviele falsche, z.T. unsinnige, z.T. irreführende Erklärungen abgegeben w erden. Die T abuisierung der G ram m atik durch die audiovisuellen M ethoden h a t also diesem K om plex m indestens ebenso viel geschadet w ie genützt. Das strenge V orschreiben der e inzelnen d idak-tischen S ch ritte fü h rt andererseits leicht zu einer sterilen R ou tine , so daß S p o n tan e itä t und K reativ itä t aus dem U n terrich t verschw inden. Zu fo r-dern w äre also eine um fassende A usbildung des Lehrers, die seine D yna-m ik un te rs tü tz t, s ta tt sie zu gängeln. N ach einer allgem einen Einführung in M ethode und das S prach lehrw erk w äre also zu jed e r L ek tion des Schü-lerbuchs im L ehrerbuch In fo rm atio n zu den fo lgenden G esich tspunk tenvonnö ten :

1. K om m unikation1 . 1 . W elches “P rob lem ” ist sprachlich dargestellt?1 .2 . Welche M ittel b e n u tz t der Sprecher, um —1.3. was beim H örer zu bew irken?2 . T ex tlinguistik2 . 1 . Wie g liedert sich der T ext?2 .2 . W elche S trateg ie e n th ä lt er?2.3. Wie w ird argum entiert?2.4. Wie verhalten sich die Teile zum G anzen?3. G ram m atik (M orphosyntax)3.1. W elche S chw ierigkeiten g re ift der T ex t w ieder auf?3.2. Welche Schw ierigkeiten sind neu?3.3. W elche ist ihre op tim ale Klärung?4. S em an tik u n d D eu tsch landkunde4.1. H in terg rund in fo rm ation4.2. E rklärungshilfe für besondere Schw ierigkeiten5. D idak tik5.1. R atschläge, in w elcher F o rm die vorausgehenden P u n k te in

Ü bungen erlernbar un d au f ähnliche S itua tionen übertragbar ge-m ach t w erden können.

249

Page 7: DaF gezielt — zuviel verlangt? · tischen Schritte führt andererseits leicht zu einer sterilen Routine, so daß Spontaneität und Kreativität aus dem Unterricht verschwinden

5.2. R atschläge, wie die einzelnen A bschn itte den jew eiligen B edürf-nissen en tsp rechend erw eitert o d e r e ingeschränk t w erden können .

Das P roblem der Ü b u n g e n scheint auch noch w eit von einer o p tim a-len, o der zum indest befriedigenden L ösung en tfe rn t zu sein. Zw ar g ib t es heu te endlos viel S prach laborm ateria l — m eist hausgem acht — und viele Seiten, H efte un d Bücher voller S truk tu rübungen . A ber es f e h 1 e n e r n s t h a f t e U n t e r s u c h u n g e n ü b e r Ü b u n g s z e i t u n d L e r n e f f i z i e n z . Es g ilt also w ieder sehr kritisch zu prüfen, w ie die U nterrich tszeit, d ie schließlich im m er knapp und kostbar ist, am sinnvoll-sten auszunützen ist. Fest steh t, daß zu langes D rillen eher verdum m t, als D eutsch beibringt. Schülerbücher so llten also n ich t die H älfte ihrer Seiten m it Ü bungen füllen, d ie der S tu d e n t m it G änsefüßchen erledigen kann, sondern m it m öglichst vielen verschiedenen Ü bungstypen , d ie sinnvoll von der R ep ro d u k tio n zur P ro d u k tio n führen, also w irklich den ste ts ge-fo rderten T ransfer leisten, L ehrerbücher so llten n ich t so sehr langweilig ablesbare Schem a-X -Ü bungen en tha lten , sondern präzise A nw eisungen, wie solche Ü bungen zu m achen sind. D enn keine D rillübung ist w irkungs-voller als die spon tan aus dem U nterrich tsgeschehen , genau au f die Lern- schw ierigkeit der Schüler p rogram m ierte. U nd dazu b rau ch t der L ehrer Tips, wie er die Schüler zum kreativen Ü ben anregt. D enn m ancher Schü-ler schläft im S prach labor ein und w ird sich seiner vertusch ten Inkom pe-tenz erst w ieder bew ußt, w enn er eine N acherzäh lung m achen o d e r über ein ak tuelles T hem a schreiben oder sprechen soll.

Was die t h e m a t i s c h e G estaltung der zukünftigen L ehrw erke be-tr iff t, so ist eine ungleich strengere A u s r i c h t u n g a u f L e r n z i e l u n d Z i e l g r u p p e zu fo rdern . Für einen gu ten Lernerfolg ist es uner-läßlich, daß die Schüler sich zum indest bis zu einem gewissen G rad m it den L ehrbuchgestalten iden tifiz ieren können . So b ring t das Fam ilienidyll beim W ecken, W aschen u n d F rühstücken die m eisten m ehr o der w eniger erw achsenen Schüler nur zum G ähnen. O der der U rlaub — L ieblingsthem a und L ieblingsobsession der D eutschen — w irk t w enig anregend auf eine Schülergruppe von A ngestellten und S ekre tärinnen , die im Jah r A n rech t auf fünf fre ie Tage haben. Und W issenschaftler und T echniker, die Lese-kenntnisse für ihr Spezialfach brauchen, w erden n ich t gerade m it E n th u -siasm us R übezahlsagen und A n ek d o ten von H errn S chm id t oder H errn M eyer lesen. A lso gerade für den E rw achsenenun terrich t ist eine bessere inhaltliche D ifferenzierung w esentlich. Es b es teh t ein R iesenuntersch ied zw ischen Schülern, die in D eutsch land D eutsch lernen, solchen, d ie sich darau f vo rbereiten , in D eutsch land zu leben, solchen, die vielleicht ein-mal eine D eutsch landreise m achen können , und solchen, die die deu tsche Sprache in ihrem V aterland brauchen. D em entsp rechend müssen T ext-

250

Page 8: DaF gezielt — zuviel verlangt? · tischen Schritte führt andererseits leicht zu einer sterilen Routine, so daß Spontaneität und Kreativität aus dem Unterricht verschwinden

Sorten, T hem en, P roblem e und Fragestellungen ausgew ählt w erden. Z.B. das in D eutsch land zu r Z eit so an erk an n te “ P rob lem atisieren” ist sehr sinnvoll für den U n terrich t in D eutschland. Für zukünftige S tipend ia ten ist es nützlich. A ber für d ie Schüler, die n ich t Vorhaben, in D eutschland zu leben, ist es nu r allzu häufig irritierend , w o n ich t abstoßend . Skepsis, K ritizism us, un te rk ü h lte Iron ie können viele Schüler in Ü bersee n ich t nachvollziehen. N atürlich w äre sim ple Propaganda über die heile W elt in W estdeutschland das schlim m ste, was m an anb ie ten kann , um so m ehr, w enn es dem G eschm ack der be tro ffen en Schüler entgegenkäm e. Es ist n ich t so sehr das k ritische B eleuchten , das den Schülern, selbst A kade-m ikern , z.B. in L ateinam erika, m ißfällt, sondern der m üde, m ißm utige Ton, m it dem die T hem en so o ft dargebo ten w erden. D iesen psycholo-gischen und soziokultu rellen A spek ten sollten künftige L ehrw erke stärker R echnung tragen. Für die M otivation beim D eu tsch lernen spielt in Län-dern, wo Englisch d ie einzige w irklich nötige F rem dsprache darste llt, die em otionale K om ponen te eine hervorragende Rolle. H ier sind noch viele R eserven n ich t ausgeschöpft.

B leibt schließlich die Frage nach der R o l l e d e r G r a m m a t i k , heikelstes T hem a des F rem dsp rachenun terrich ts , das selten d isku tie rt w ird, ohne in G laubensbekenn tn isse auszuarten . S icher w ar die entschie-dene A bkeh r vom altvä terlichen G ram m atik u n te rrich t ein en tscheiden-der F o rtsc h ritt der F rem dsprachenm ethod ik . A ber w arum gleich das K ind m it dem Bade ausschütten? Es ist ja n ich t zu leugnen, daß alle, aber auch alle M ethoden G ram m atik u n te rrich t einschließen. S truk tu rübungen sind im G runde n ich ts anderes als stu rer G ram m atikdrill, d er das K ind n ich t beim N am en nennt. S elbstverständlich ist es berech tig t, exp liz ite G ram -m atikregeln in K ursen m it sehr spezifischen L ernzielen und e iner bestim m -ten Zielgruppe abzu lehnen . So ist den T ou ris ten m ehr m it R edew endun-gen als m it Regeln gedient. L esekursteilnehm er m it sehr soliden fachli-chen K enntnissen können T ex te au f G rund der S em an tik erschließen.A ber im ganzen sollte m an seine Z eit lieber au f das W i e , W a s u n d W i e v i e l a n G r a m m a t i k f ü r k l a r d e f i n i e r t e K u r s e verw enden, als über die Scheinfrage von Sein un d N ich tsein zu streiten .Das F atale an der T abuisierung ist vor allem, daß erschreckend viele L ehrer, besonders M uttersp rach ler, sich die G ram m atik fe ind lichkeit zu H erzen genom m en haben — was wäre bequem er? — und herzlich wenig darüber wissen, was sie den Schülern beibringen. Das h in d ert sie nicht, E rklärungen abzugeben, ad-hoc-Regeln, die allzu o f t zum L achen, w enn n ich t zum V erzw eifeln klingen . 12 Das b ed eu te t aber leider auch, daß sie n ich t das genügende R üstzeug besitzen , um selbständig Ü bungsm aterial in ko rrek te r g ram m atischer Progression zu erarbeiten .

251

Page 9: DaF gezielt — zuviel verlangt? · tischen Schritte führt andererseits leicht zu einer sterilen Routine, so daß Spontaneität und Kreativität aus dem Unterricht verschwinden

V ielleicht ist das W ort Grammatik zur Z eit ein zu gefühlsbesetzter Aus-d ruck und verschleiert, w orum es w irklich geh t: näm lich ganz allgemein um die R egelhaftigkeit der Sprache und das Ziel, daß d ie Schüler in diese R egelhaftigkeit h ine in finden — m al ganz abgesehen von dem Weg, au f dem sie das erreichen. R egelhaftigkeit bezieh t sich dabei n ich t nu r auf die M orphosyn tax der E in-Satz-G ram m atik, dem G ebiet, das m an her-köm m lich und viel zu einengend “ G ram m atik ” nann te , sondern auch auf die tex t- und pragm alinguistischen beobach tbaren G esetzm äßigkeiten .

G erade die d irek ten M ethoden bestehen o f t au f einer solchen trad itio n e l-len G ram m atikperfek tion bei den Schülern, daß Zw eifel lau t w erden müs-sen, ob d am it das Ziel der K om m unikationsfäh igkeit ad äqua t angestreb t wird. A ngeblich zielen norm alerw eise A nfänger- u n d auch viele F o rtge-sch rittenenku rse au f Sprech- und H örfertigkeit; aber ein G roß te il der Tests bew erten danach, ob die A djek tivm orphem e m akellos gese tz t sind. Tragen nun A djek tivm orphem e zur besseren K om m unikation bei? L e h r -b u c h k r i t i k w ird inzw ischen in D eutsch land sehr e rn s th a ft be trie -ben. Sie ist eigentlich n i c h t v o l l s t ä n d i g o h n e E v a l u i e r u n g d e r e n t s p r e c h e n d e n P r ü f u n g e n . Und eine T estk ritik m üßte zwangsläufig zu einer Ü berprüfung der F eh lerbew ertung führen. Wir wis-sen noch herzlich w enig und nich ts System atisches darüber, was reine Schönheitsfeh ler und was w irklich V erständnisbarrieren sind, das heiß t, wo es dem Schüler n ich t gelingt, das auszudrücken, was er sagen will. Es ist sogar zu fürch ten , daß diese le tz te ren und w ichtigeren F eh ler viel w e-niger beach te t w erden, wo n ich t u n te r den T isch fallen, einfach weil es soviel schw erer ist, sie zu erkennen und zu verbesseren. H ier liegt noch ein weites, v ielleicht das eigentliche Feld für die Fehleranalyse.

Es ist höchste Zeit, den G laubenskrieg zu beenden un d lieber sehr genau zu überlegen, wie der G ram m atik u n te rrich t op tim al au f Lernziel und A dressatenspezifik zugeschn itten w erden kann. U nd w enn bestim m te Schülergruppen keine exp liz iten G ram m atikregeln brauchen , so m uß doch der L ehrer sichere K enntn is der F u nk tionsp rinz ip ien der zu lehrenden Sprache haben. Da aber die m eisten Lehrer wenig m ehr als ihr L ehrer-handbuch konsu ltieren und selten L ust haben, sich durch den w eniger süßen als zähen Brei der verschiedenen G ram m atikbücher m it ih rer jeweils verschiedenen T erm inologie h indurchzufressen , so g ib t es in der Sprach- lehrforschung w ohl kaum etw as V ordringlicheres als L ehrergram m atiken, eine A rt le ich t verständlicher R ezep tbücher m it E rklärungshilfen, Tips für g rößere A nschaulichkeit, V ergleichsm öglichkeiten m it der L I und vor allem E insich tsm öglichkeiten in die F u nk tionsp rinz ip ien der deu tschen Sprache.

252

Page 10: DaF gezielt — zuviel verlangt? · tischen Schritte führt andererseits leicht zu einer sterilen Routine, so daß Spontaneität und Kreativität aus dem Unterricht verschwinden

Dazu g eh ö rt also auch das S ich tbarm achen von E m otionen und In ten -tio n en in den S prechakten , o h n e die Sprache im G runde kein K om m u-nikationsw erkzeug ist. Es m uß für d ie Schüler du rchschaubar w erden, wie F reude, A nerkennung, freund liche D istanz, G leichgültigkeit, Ab-lehnung, Ärger u n d dergleichen linguistisch, para- u n d ex tralinguistisch zum A usdruck kom m t. Wie m anifestieren sich Selbst- un d P artnere in -schätzungen, B estätigung u n d K ritik in G esp rächen ? 13 Wie w erden be-stim m te R eak tionen beim H örer wie Lachen, M itleid, Beleidigung, A kzep-tie ren etc. erzeugt o d e r angestreb t? Was gilt als höflich , was als unhöflich?

D er Idealfall w äre es, w enn das jew eilige L ehrerhandbuch des zu erstellen-den Lehrw erks diese A ufgabe leistete, also gleichzeitig d ie richtige In te-grierung in den U nterrich t, d ie günstigsten S tra teg ien aufzeigen würde.Ein be träch tlich e r F o rtsc h ritt w äre es im m erhin schon, w enn ein solches K om pendium lehrw erkunabhängig vorläge, aus dem jeder L ehrer die Da-ten en tnehm en kann, die ihm für seinen ko n k re ten Kurs relevan t erschei-nen. Ein solches K om pend ium sollte aber auch sehr ko n k re te R atschläge en thalten , w ie die G ram m atik sinnvoll zu re in tegrieren ist. E in Lehrer, der gleich g u t über D idak tik und G ram m atik Bescheid w eiß, w ird keine G efahr laufen, in altm od ischen G ram m atik u n te rrich t zurückzuverfallen. Und n u r der, der sich w irklich auskennt, w ird die F orderung erfüllen k önnen : E i n M i n i m u m a n G r a m m a t i k f ü r e i n M a x i -m u m v o n L e r n e r f o l g .

Für das jew eilige S prach lehrw erk w äre dem nach ein M inim alregelschatz aufzustellen , der sich nach d idak tischen K riterien un d n ich t nach linguisti-scher V o llständ igkeit rich te t, nach der Devise: So w enig G ram m atik wie m öglich, so viel G ram m atik w ie nötig. Zum B rö tchenkau fen brauche ich ta tsäch lich n ich ts von G ram m atik zu wissen. A ber w er w agte ernstlich zu behaup ten , daß ein D eutscher, der Hegel, S chopenhauer o der M arcuse liest und versteh t (!), keine A hnung von G ram m atik h ä tte? Wer w eiß, wie die deu tsche Sprache s tru k tu r ie rt wäre, w enn n ich t seit dem M itte la lter diese so eindrucksvolle W echselwirkung zw ischen G ram m atik und geschrie-benem Stil bestanden hätte . G erade w enn m an die E ntw ick lung des D eu t-schen bei den b ibelüberse tzenden M önchen verfolg t, w ird die konstruk tive Spannung zw ischen S prachm ateria l und gefo rderte r Leistung, zw ischen versprach lich ter Regel un d angepaß ter Sprache deu tlich . Es w äre also blind , in der K om petenz der S chriftsprache das G ram m atikbew ußtse in zu leugnen.

A llerdings ist G ram m atik n ich t nu r eine Sam m lung von m orphosyn tak - tischen Regeln. D aher m uß das P rinzip der E in-Satz-G ram m atik überw un-den w erden. T ext- un d pragm alinguistischer Bezug m uß den R ahm en je-der iso lierten B etrach tung abgeben. Ä quivalenzen u n d Paraphrasen, ja auch

253

Page 11: DaF gezielt — zuviel verlangt? · tischen Schritte führt andererseits leicht zu einer sterilen Routine, so daß Spontaneität und Kreativität aus dem Unterricht verschwinden

K ontraste w erden erst plausibel in der en tsp rechenden S itua tion oder dem T extzusam m enhang . So ist es z.B. müßig, A b tönungspartike l nu r aus E inzelsätzen zu erk lären oder die S tellungsvarianten bestim m ter Satzglieder ohne Bezug zum K o n tex t p lausibel m achen zu w ollen. D ie F orderung nach einer L ehrergram m atik um faß t also n ich t w eniger als die trad itione llen G eb ie te der Phonologie, M orphosyn tax u n d Sem antik , ein-g eb e tte t in tex tlingu istische und pragm alinguistische D im ension.

G ram m atik im F rem d sp rach en u n terrich t erschein t dann gerech tfertig t, w enn sie den Schülern erlaub t, h in te r der chaotisch an m utenden Masse von E inzelsätzen überschaubare Regeln zu en tdecken , die eben diese Mas-se o rdnen und erle rn b ar m achen. D aher m u ß G r a m m a t i k a l s e i n k o n s i s t e n t e s M o d e l l a n g e b o t e n w e r d e n , um M eillet zu z itieren : “ Un systèm e ob to u t se t ie n t” . D enn G ram m atik in F orm von en -b loc-Inform ation vereinzelter K apitel, d ie anschließend als erledigt gelten, ist nutzlos, w o n ich t schädlich. G ram m atik m uß zyklisch geleh rt w erden, im m er w ieder au f G rundregeln zurückkom m end, klärend, ergänzend und vertiefend . Schließlich m uß bei den Schülern erst behu tsam ein G ram m atikbew ußtse in en tw icke lt w erden, ebenso ein V erständnis für typisch deu tsche D enkkategorien (wie z.B. unsere V orstellung von O rt und R ichtung un d der en tsp rechende G ebrauch von P räposition m it D ativ oder A kkusativ ; unsere V orstellung von Z ustand und Z ustandsänderung für das Perfek t und das en tsp rechende H ilfsverb; V orstellungen, die ja durchaus keine Universalien sind, wie n ich t kon trastiv geschulte L ehrer o f t anzuneh -m en scheinen). V or allem Schüler, die keine G ram m atikvorschulung m it-bringen, b rauchen Zeit, um eine “ Fähigkeit zur G ram m atik” zu en tfa lten . G ram m atik w ird nur allm ählich und quasi in Schüben erfaß t. N ach glück-lichen A ha-E ffek ten stellen sich im m er w ieder V ernebelungsphasen ein. Insistieren verschlim m ert das nur. D arüber m uß Zeit verstreichen, die n icht-kognitiven F ähigkeiten gew idm et w ird. E in zur rech ten Z eit w ieder aufgenom m enes E rk lären un d Ü ben festig t u n d v ertie ft dann den E rk en n t-nisprozeß. D aher darf G r a m m a t i k n ich t einfach au fgesetzt w erden. Sie m u ß l e r n p s y c h o l o g i s c h d e m A d r e s s a t e n k r e i s a n g e p a ß t s e i n . Das ist eine Forderung , die b isher keine der vor-liegenden G ram m atiken erfüllt. Die D arstellung gram m atischer P häno-m ene — u n d sei sie noch so m eiste rhaft — h ilft allein n ich t w eiter; es gilt, sie plausibel zu m achen. O b das anders als kon trastiv geschehen kann, ist fraglich. U nbefriedigend ausgeschöpft sind bisher auch noch d i e g r a ; p h i s c h e n M i t t e l z u r E r l e i c h t e r u n g v o n L e r n - s c h w i e r i g k e i t e n . Für viele L ehrer w äre es eine g roße Hilfe, A n-w eisungen für fu n k tio n a le Tafel- oder S chaub ilder zu bekom m en. Es geh t im m er darum , w ie der L ernprozeß so klar, so kurz un d so nachhaltig wie m öglich b ew irk t w erden kann.

254

Page 12: DaF gezielt — zuviel verlangt? · tischen Schritte führt andererseits leicht zu einer sterilen Routine, so daß Spontaneität und Kreativität aus dem Unterricht verschwinden

G ram m atikregeln sind vertre tb ar d o rt, wo ein großer A nw endungsbereich erfaß t wird. L eistungsstarke S tru k tu ren , die also vielen verschiedenen Sp rechak ten zugrunde liegen können , müssen n ich t nu r erk lärt, sondern auch viel geübt w erden, ln jeder Klasse sind aber m it dem un tersch ied lichen L ern rhy thm us der Schüler erheb liche P roblem e verbunden . Es w ürde daher den K lassenunterrich t sehr en tlasten , w enn für solche G ram m atikkap ite l a u t o d i d a k t i s c h e E i n g r e i f p r o g r a m m e bereitlägen, die jeden Schüler nach seinem eigenen T em po in der verstehenden u n d rep ro -duktiven Phase des L ernprozesses lenk ten , so daß der L ehrer seine Zeit u n d A ufm erksam keit p roduk tiven T ätigkeiten w idm en k an n . 14 Solche E ingreifprogram m e (z.B. zur V erbm orphologie , zur A djek tivdeklination , zur V erbvalenz e tc .) sind in H eftform oder auch in V erb indung m it dem Sprach labor denkbar. Im U nterschied zu dem üblichen Sprach laborm ate-rial w ürden die Schüler hier kognitiv, u n d das he iß t w ohl fast zw angsläu-fig kontrastiv lernen. Solches B egleitm aterial w ürde besonders lernwilligen Schülern en tgegenkom m en, die vom K urstem po überfo rdert und n ich t ge-schult sind, selbständig zu lernen. E ine Sam m lung von au tod idak tischen H eften und ein A usleihsystem für au tod idak tisches T onbandm ateria l wür-de die L erneffizienz jedes S p rach in stitu ts ungem ein erhöhen .

3. Kapitel: Projekte

K ritik am V orhandenen bzw. N ich tvorhandenen , F orderungen nach Ver-besserungen und E rneuerungen w ären unbefried igend ohne den V ersuch, sie durch E igenaktiv itä t in A ngriff zu nehm en.Wir haben versucht, die D aF-Problem e aus der Perspektive der D ritten Welt zu beleuch ten , und w ir versuchen, sie auch für unseren Bereich an-zugehen. Im Land des “ m anana” w erden zw ar n ich t alle P ro jek te schon m orgen realisiert sein, aber die k o nk re ten Bedürfnisse der S tu d en ten und L ehrer erlauben es auch n ich t, m it den H änden im Schoß nur au f die kul-turelle E ntw icklungshilfe aus deu tschen L anden in F o rm linguistisch-di-dak tischer P roduk te zu w arten . So seien in Kürze die A nsätze skizziert, m it denen wir einen Beitrag zur V erbesserung des D aF -U nterrich ts zu leisten versuchen.

W issenschaftler der D eutschen A bteilung des S p rachenzen trum der U niver-sitä t M exiko (C entro de E nseñanza de Lenguas E xtran jeras, Universidad N acional A u tónom a de M exico) arbeiten z .Z t. m it der sk izzierten Ziel-rich tung an m ehreren P rojek ten . D araus ergib t sich fo lgendes S pek trum :1. V alenzlexikon deu tscher V erben, deutsch-spanisch (aber n ich t rever-sibel), au f der Basis des K leinen V alenzlexikons deu tscher V erben von U. Engel, H. Schum acher u .a .15, in A bsprache m it den A uto ren .

255

Page 13: DaF gezielt — zuviel verlangt? · tischen Schritte führt andererseits leicht zu einer sterilen Routine, so daß Spontaneität und Kreativität aus dem Unterricht verschwinden

2. B earbeitung des K apitels über die V alenzen deu tscher und spanischer V erben, für d ie deutsch-spanische kon trastive G ram m atik , die z .Z t. am In s titu t für deu tsche Sprache in M annheim erste llt wird.

3. In Z usam m enarbeit m it Ulrich Engel u n d g e fö rdert vom DAAD en t-stand eine T eilg ram m atik für Lehrer au f der G rundlage der D ependenz- V erb-G ram m atik : DVG für DaF. O bgleich die d idak tische E rp robung in M exiko s ta ttf in d e t, ist das Buch n ich t nu r für den spanischsprachigen R aum gedacht. Wir versuchen dam it einer der H aup tfo rderungen an päda-gogische G ram m atiken gerech t zu w erden, d ie von einer R ich tung der A n-gew andten L inguistik vertre ten w ird: E ine G ram m atik au f der G rundlage einer gu t d idak tis ierbaren gram m atischen T heorie au fzubauen , die es L ehrern und Schülern erlaub t, ein m öglichst w iderspruchsfreies R egelw erk zu verw enden. M it der DVG w ird auch im G o e th e -In s titu t seit m ehreren Jahren erfolgreich ex p erim en tie rt und u n te rr ic h te t . 16 M it dieser L ehrer-g ram m atik ho ffen wir, ein In s tru m en t anb ie ten zu können , das den A n-spruch erfüllen h ilft, “ daß ein S prach lehrbuch , bzw . eine einzelne Lehr- und L ernphase einen durch ein einziges linguistisches M odell geprägten, hom ogenen G esam taufbau besitzen m u ß ” 17.

4. M itarbeit an L ehrw erkanalysen für den Bereich D eutsch als F rem d-sp rach e18 und dam it A nw endung von K riterien au f die L ehrm ateria lge-staltung an der U niversität M exiko.

5. A usarbeitung eines Lesekurses für m exikanische S tu d en ten aller F aku l-tä ten , m it einer E inführung in die deu tsche S yn tax au f der G rundlage der DVG. H auptlernziele sind M ikroanalyse und M akroanalyse von T ex ten (H inführung zu r A bfassung von “A b strac ts” ), E rw erb eines w issenschaft-lichen G rundw ortschatzes 19 und W ortbildungslehre. W esentlicher B estand-teil des K urses ist ein ausführliches L eh rerheft m it R egeln zur E rklärung der syn tak tischen H aup tp rob lem e des D eutschen.

6 . E inführungskurs in die schriftliche P ro d u k tio n deu tscher G ebrauchs-tex te . Dieser w ie der L esekurs füh rt insofern über einen reinen Sprach-kurs hinaus, als viele S tu d en ten au fgrund ih rer m angelhaften schulischen A usbildung ers t h ier K riterien un d T echn iken zu r A nalyse und A bfassung von T ex ten bekom m en.

7. P hon e tik k u rs zum Schulen un d T esten aud itiver u n d a rtiku la to rischer F äh igkeiten spanischsprachiger S tu d en ten au f kon trastiver G rundlage.

8 . A u tod idak tische E ingreifprogram m e zur individuellen B ehebung von V erständnis- un d L ernschw ierigkeiten bei ausgew ählten P roblem en der deu tschen G ram m atik . F ertig ist H eft Nr. 1: “M orphologie des Verbs.Das P erfek t und andere V ergangenheitstem pora” .

256

Page 14: DaF gezielt — zuviel verlangt? · tischen Schritte führt andererseits leicht zu einer sterilen Routine, so daß Spontaneität und Kreativität aus dem Unterricht verschwinden

V orgesehen sind w eitere P rogram m e zur M orphologie des Substantivs, des A djektivs und zur V erbvalenz . 20

9. E rstellung einer Schülergram m atik, die auf spanisch die hoch frequen -ten gram m atischen P roblem e der deu tschen Sprache für H ispanophone verständlich m achen soll.

10. V orgesehen ist die E in rich tung eines zw eijährigen Postgraduierten- K urses in A ngew andter L inguistik für die Z ielsprachen Englisch, Franzö- sich, D eutsch. H ier h o ff t m an, F ach leu te für C urriculum fragen, L ehrm it-te lp ro d u k tio n u n d L ehrerausb ildung zu schulen, d ie M exico au f dem Weg zur E m anzipation im F rem d sp rach en u n te rrich t w ieder ein S tück w eiter-bringen.

A nm erkungen

1 J.W. Goethe, Dichtung und Wahrheit, 3. Teil, 11. Buch. Wiesbaden 1951,S. 390.

2 Ebd., S. 392.

3 Vgl. Hans-Peter Apelt, Deutsch als Fremdsprache — Wahlfach in der Schule. In: Zielsprache Deutsch 3/1976, S. 2 - 6 . Apelt gibt auch zu bedenken: “ Unterrichtsziele, die für den Sprachunterricht in Europa gelten, müssen nicht unbedingt auf andere Kontinente übertragbar sein.” (S. 6 )

4 “ Lehrmaterialprobleme sind Curriculum probleme.” H. Schrey, Probleme der Lehrmaterialgestaltung. In: IRAL-Sonderband, Kongreßbericht der 3. Jahrestagung der Gesellschaft für angewandte Linguistik GAL e.V., hrsg. v.G. Nickel/A. Raasch, Heidelberg 1972, S. 16.

5 “Mehr denn je wurde daher die Forderung nach kontrastiven Valenzlexika erhoben und zugleich als Aufgabe für die Praktiker des Fachs form uliert.”G. Kaufmann/L. Götze, Didaktisierung linguistischer Ergebnisse. In: Grund-fragen der M ethodik des Deutschunterrichts und ihre praktischen Verfahren. Ergebnisse der 4. Internationalen Deutschlehrertagung in Kiel, hrsg. v. H.G. Funke, München 1975, S. 243.

6 “ In jedem Fall wäre Lernenden und Lehrenden m it Unterrichtswerken ge-dient, die neben den speziellen Voraussetzungen der jeweiligen Lemgruppe die Kontraste zwischen Primär- und Zielsprache berücksichtigen und für die Überwindung von Interferenzen entsprechende Erläuterungen und Übungen anbieten.” Gerhard Stickel, Voraussetzungen und Ziele einer kontrastiven Untersuchung des Deutschen und des Japanischen. In: Deutsch-japanische Kontraste. Vorstudien zu einer kontrastiven Grammatik, hrsg. v. G. Stickel (= Forschungsberichte des Instituts für deutsche Sprache), Tübingen 1976,S. 8 .Stickel stellt bedauernd fest, daß es derartige Lehrwerke “ für das Sprachen-paar Deutsch-Japanisch bisher leider noch n icht g ib t” — aber man könnte an die Stelle fast jedes andere Sprachenpaar setzen, und die Aussage würde weiterhin stimmen. Und er fährt fort: “ Die wichtigste Voraussetzung für kontrastiv orientierte Lehrwerke ist ein systematischer umfassender Vergleich

257

Page 15: DaF gezielt — zuviel verlangt? · tischen Schritte führt andererseits leicht zu einer sterilen Routine, so daß Spontaneität und Kreativität aus dem Unterricht verschwinden

der beiden am Lernprozeß beteiligten Sprachen, die die strukturellen U n te r schiede und Entsprechungen zwischen Primär- und Zielsprache explizit m acht” (ebd. S. 9). Welches in Deutschland hergestellte DaF-Lehrwerk könnte bisher diese Forderung erfüllen?

7 Es ist zu erwarten, daß der Trend in diese Richtung gehen wird, denn: “ Die vorhandenen und angekündigten kontrastiv-grammatischen Zusatzmaterialien zu einigen Lehrwerken sind ein deutliches Sym ptom dafür, daß das allgemeine Deutschlehrwerk für Lernende beliebiger Ausgangssprachen im Grunde nur ein wirtschaftlich m otiviertes Provisorium ist. Für große und ausgangssprachlich homogene Lem ergruppen dürften sich Lehrwerke, die von vornherein kontrastiv angelegt sind, auf längere Sicht als lehr- und lem ökonom ischer erweisen.”U. Engel/H.-J. Krum m /G . Stickel/A . Wierlachet: Mannheimer G utachten (Kurzfassung). Synoptisches G utachten zu 15 Lehrwerken erstellt von der Kommission zur Begutachtung von Lehrwerken Deutsch als Fremdsprache im Auftrag des Auswärtigen Amts. In: Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache 3, Heidelberg 1977, S. 296 - 338. Das Gesam tgutachten liegt je tz t auch in Buch-form vor: U. Engel e t al., Mannheimer Gutachten. Heidelberg 1977.

8 Über das zugrundezulegende linguistische Beschreibungsmodell herrscht zwar keine Einigkeit, aber pädagogische Grammatiken, sowohl für Lehrer wie Schü-ler, werden seit Jahren gefordert: “ Hier fehlt, da solche Versuche gemacht wurden und noch gemacht werden, das Bindeglied zwischen Theorie und Praxis, das wir m it anderen ‘Pädagogische Gram matik’ nennen wollen,” ...Lutz Götze, Moderne Gram matiktheorien und ihre Anwendung im Unter-richt “ Deutsch als Fremdsprache” , I n : Beiträge zu den Fortbildungskursen des Goethe-Instituts für Deutschlehrer und Hochschulgermanisten aus dem Ausland, München 1972, S. 28.Wer die Praxis kennt, weiß, wie große Bedürfnisse auf diesem Gebiet weiterhin bestehen, wie hilflos oft die Sprachlehrer nach Erklärhilfen fragen, und dies, nachdem seit mehr als zehn Jahren “ Linguistik und Didaktik” in allen Schat-tierungen getrieben worden ist. Zu einem ähnlichen beklagenswerten Ergebnis kommen auch die Verfasser des “Mannheimer G utachtens” , wenn sie feststel-len: “ Was freilich zur Zeit noch fehlt, ist eine umfassende G r a m m a t i k der deutschen Gegenwartssprache, die eine linguistische Grundlage für neue Lehrwerke abgeben könnte.” Mannheimer G utachten [Anm. 7], S. 337.

9 “ Konkrete Curriculumforschung, konkrete Lehrwerkanalysen sind teils noch nicht publiziert, teils stehen sie überhaupt noch aus.” U. Bonnekamp, Sprach- lehrforschung. In: Perspektiven der Linguistik I, hrsg. v. W A. Koch, S tuttgart 1973, S. 203.So trostlos wie Bonnekamp die Situation 1973 beschrieb, sieht es im Bereich DaF inzwischen nicht m ehr aus. Verschiedentlich ist geschehen, was in dem-selben Jahr auf der Jahrestagung Deutsch als Fremdsprache in Erlangen von der Sektion ‘Lehrwerkanalyse und Lehrwerkkritik’ gefordert worden war:“ Die Sektion war sich am Ende der Diskussion darüber einig, daß die Erstel-lung eines Kriterienkatalogs zur Beurteilung von Lehrwerken für das Fach Deutsch als Fremdsprache weiterhin ein Desiderat von vorrangiger Bedeutung bleibt.” In: Materialien Deutsch als Fremdsprache, Heft 1, Didaktische und methodische Beiträge Deutsch als Fremdsprache, hrsg. v. AKDaF, Mainz 1975,S. 167 f.

Heute bilden mehrere Kriterienkataloge und Sammlungen von Lehrwerkkriti-ken — abgesehen von den laufend erscheinenden Rezensionen — eine solide

258

Page 16: DaF gezielt — zuviel verlangt? · tischen Schritte führt andererseits leicht zu einer sterilen Routine, so daß Spontaneität und Kreativität aus dem Unterricht verschwinden

Grundlage für die Lehrwerkerstellung und -auswahl. So liegen u.a. vor:a) Das schon zitierte “Mannheimer G utachten” samt Kriterienkatalog (vgl. auch Jahrbuch Deutsch als Fremdsprache 1/1975, S. 93 - 101).

b) Untersuchungen zu Lehrm ethoden “ Deutsch für Anfänger” , vorgelegt von der Arbeitsgruppe “ Sprachlehrm ethoden” des DAAD Paris. Bonn-Bad Godesberg 1976.

c) Prüfbogen für Rezensenten. I n : Unterrichtsmediendienst, hrsg. v. der Pädagogischen Arbeitsstelle des Volkshochschulverbandes, Frankfurt.

d) Arbeitsmittel für den D eutschunterricht an Ausländer. Beschreibungs-raster und Rechnersortierungen (durchgeführt an T iteln aus der BRD), hrsg. v. G oethe-Institut, AWD, Inform ations- und Dokum entationsstelle, München 1974. — Außerdem die von derselben Stelle herausgegebene Liste ‘Arbeits-m ittel für den Deutschunterricht an Ausländer’, eine jährlich erscheinende kom m entierte Bibliographie; 11. Auflage 1976.

e) Lutz Götze, Kriterien für eine Lehrwerkanalyse. In: Materialien Deutsch als Fremdsprache, H eft 1, Mainz 1975, S. 169-177.

f) Lutz Götze, Analyse von Lehrmaterial unter Einbeziehung pragmalingui- stischer Gesichtspunkte. In: G.I. Spracharbeit 1/1976, S. 94.

g) Detlef Köpf, Audio-visuelle Lehrwerke: Probleme und Beurteilungskriterien, ln: Praxis des neusprachlichen Unterrichts 1/1975, S. 52 - 65.

h) H.-J. Krumm, Beurteilungskriterien für Unterrichtsmedien. Zur Konzeption des Unterrichtsmedien-Dienstes des DVV. In: Volkshochschule im Westen, 1972/73.

i) E.-R. Rinke, Kriterien zur Beurteilung von Lehrmaterial im Zielsprachen-unterricht. In: Grundfragen der M ethodik des D eutschunterrichts und ihre praktischen Verfahren [Anm. 5], S. 259 - 265.

j) Benno Steffens, Pragma-didaktische Kriterien für die Auswahl und Herstel-lung sowie die Beurteilung von Lehrbuchtexten. In: G.I. Spracharbeit 1/1976,S. 95 ff.

k) Zur Lehrwerkkritik allgemein vgl. F.-J. Hausmann, Linguistik und Fremd-sprachenunterricht, Tübingen 1975, S. 169 - 172; H. Heuer/R . Müller (Hrsg.), Lehrwerkkritik — ein Neuansatz. D ortm und 1973.

10 “ An der Bereitschaft der Verlage, Deutsch als Fremdsprache in ihr Programm aufzunehmen, fehlt es nicht. Derzeit ungelöst ist das Problem ‘Wer schreibt die Bücher?’ ‘Wer vermag sie zu schreiben?’ sowie das Problem ‘Wer kann not-wendige empirische Untersuchungen durchführen?’ und n icht zuletzt ‘Wer ist sachkom petent genug, um über entsprechende Anträge entscheiden zu können?’. Der Fremdsprachenlinguist, der Frem dsprachendidaktiker sicherlich nicht.” - Alois Palzer, Bericht eines Besuchers der Frankfurter Buchmesse 1976. Ein-drücke und Erfahrungen aus der Praxis für die Praxis. In: Inform ationen Deutsch als Fremdsprache, hrsg. v. DAAD in Zusammenarbeit m it dem AKDaF, 6/1976, S. 9.

11 Ober “ die bisher unbefriedigend beschriebene psychische Realität von Sprache” vgl. Werner Hüllen, Zur Anwendung der Linguistik innerhalb der Sprachlehr- forschung. In: Sprachlehrforschung. Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik, Heft 13, Jg. 4/1974, S. 27.

259

Page 17: DaF gezielt — zuviel verlangt? · tischen Schritte führt andererseits leicht zu einer sterilen Routine, so daß Spontaneität und Kreativität aus dem Unterricht verschwinden

12 Viele Lehrer und Lehrbuchautoren geben zu, daß ihre Gram matikerklärun-gen immer mal wieder zufällig geraten; dafür mag eines von vielen Geständ-nissen stehen: “ Ich habe daher vorläufig m it einer kontrastiv auf das Italieni-sche ad hoc von mir erstellten Gram matik gearbeitet.” Lore Armaleo-Popper, Lesekurse für Anfänger — Fachbereich Psychologie. In: Zielsprache Deutsch, 4/1976, S. 4.

13 Vgl. Werner Holly, Selbst- und Partnereinschätzungen in Gesprächen. In: Sprachtheorie und Pragmatik. Akten des 10. Linguistischen Kolloquiums Tübingen 1975; Band 1, hrsg. v.H . Weber und H. Weydt, Tübingen 1976,S. 175 - 186.

14 Ganz ähnlich argumentiert auch J.B. Hilton in seinem Buch Language Teaching: A systems approach. London, Toronto, Sydney, Wellington (Methuen Educational) 1974, S. 48: “ It seems th a t as far as programmed learning is concerned, the only really promising application to language teaching is to pu t over restricted individual packets o f essential knowledge — especiallyin remedial cases, where one is touching up a particular student’s blind spots, or rapidly covering ground missed through absence.”

15 Forschungsberichte des Instituts für deutsche Sprache 31, Tübingen 1976.

16 Sicher ist die Bemerkung von Theodor Ebneter nicht mehr haltbar: “ Anwen-dungen der Dependenz- oder Valenzgrammatik auf den Frem dsprachenunter-richt sind bis je tz t kerne vorhanden.” Angewandte Linguistik 2. Eine Ein-führung. München 1976 (UTB 523), S. 260. — Es sei denn, man rechnet DaF nicht zu den Fremdsprachen.

17 Th. Ebneter [Anm. 16], S. 236. Zur L iteratur über dieses komplexe Thema vgl. u.a.: F.-J. Hausmann, Linguistik und Frem dsprachenunterricht, Tübin-gen 1975; R. Emons, Linguistik und Frem dsprachenunterricht. Vorüberle-gungen zu einer pädagogischen Grammatik. In: Praxis des neusprachlichen Unterrichts 4 /1975, S. 341 - 346; Dietrich Nehls, Überlegungen zum Aufbau eines didaktischen Sprachmodells für den Frem dsprachenunterricht. In: IRAL 1/1975, S. 51 - 6 8 , und die in diesen Publikationen zitierte L iteratur.

18 Mannheimer G utachten [Anm.7] .

19 Grundlage: H. Erk, Hochfrequenter W ortschatz aus wissenschaftlichen Texten. München 1975.

20 Eine wichtige E tappe zur Entwicklung der Sprachprogrammierung in Mexiko war der erste vollprogrammierte autodidaktische Lesekurs Französisch für Hispanophone: Marlene Rail e t al., Invitation a la lecture. I. Morfología y fonética; II. Sintaxis. México 1976.

260