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Dante, La Divina Commedia Thomas Klinkert Sommersemester 2014 Mi 16 – 18 Uhr Hörsaal 1009 Vorlesung vom 07.05.2014

Dante, La Divina Commedia - Romanisches Seminar · Plan der Vorlesung • 0. Einleitung • 1. Biographischer und historischer Hintergrund • 2. Die Struktur der Commedia 2.1 Das

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Page 1: Dante, La Divina Commedia - Romanisches Seminar · Plan der Vorlesung • 0. Einleitung • 1. Biographischer und historischer Hintergrund • 2. Die Struktur der Commedia 2.1 Das

Dante, La Divina Commedia

Thomas Klinkert Sommersemester 2014

Mi 16 – 18 Uhr Hörsaal 1009

Vorlesung vom 07.05.2014

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Plan der Vorlesung •  0. Einleitung •  1. Biographischer und historischer Hintergrund •  2. Die Struktur der Commedia

2.1 Das Gattungsproblem 2.2 Analyse des Beginns der Commedia 2.3 Die Struktur des Textes a) Die physische Ordnung b) Die moralische Ordnung c) Die politische Ordnung d) Die Ordnung des Textes 2.4 Interferenz von narrativen und dramatischen Verfahren 2.5 Poetologische Selbstbezüglichkeit

•  3. Volkssprache und Mehrsprachigkeit •  4. Allegorie, Typologie, Figuralschema •  5. Intertextualität •  6. Gedächtnis •  7. Florenz •  8. Zum Verhältnis von Poesie, Politik und Metaphysik

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Übersicht über die heutige Vorlesung

•  1. Biographischer und historischer Hintergrund

•  a) Der Autor-Mythos Dante Alighieri •  b) Die Bedeutung der Städte im Mittelalter •  c) Modernisierung und Laienbildung in

Florenz •  d) Dante als Florentiner Politiker

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1. Biographischer und historischer

Hintergrund Ier, più oltre cinqu’ore che quest’otta,

mille dugento con sessanta sei anni compié che qui la via fu rotta. (Inf. XXI, 112-114)

Es waren gestern, nur fünf Stunden später, Tausendzweihundertsechsundsechzig Jahre Genau vergangen, seit der Fels geborsten. (Üs. Gmelin)

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1. Biographischer und historischer Hintergrund

Aber Jesus schrie abermal laut und verschied. Und siehe da, der Vorhang im Tempel zerriß in zwey Stücke von oben an bis unten aus. Und die Erde erbebete, und die Felsen zerrissen, und die Gräber thaten sich auf, und standen auf viele Leiber der Heiligen, die da schliefen, und gingen aus den Gräbern nach seiner Auferstehung, und kamen in die heilige Stadt, und erschienen Vielen. Und der Hauptmann, und die bey ihm waren und bewahreten Jesum, da sie sahen das Erdbeben und was da geschah, erschraken sie sehr und sprachen: Wahrlich, dieser ist Gottes Sohn gewesen. (Evangelium nach Matthäus, XXVII, 50-54, Üs. von Martin Luther)

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1. Biographischer und historischer Hintergrund

Nel mezzo del cammin di nostra vita mi ritrovai per una selva oscura che la diritta via era smarrita. (Inf. I, 1-3)

Grad in der Mitte unsrer Lebensreise Befand ich mich in einem dunklen Walde, Weil ich den rechten Weg verloren hatte. (Üs. Gmelin)

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1. Biographischer und historischer Hintergrund

Es gibt von Dante kein zeitgenössisches Porträt. Keine einzige von ihm selbst geschriebene Zeile, nicht einmal eine Unterschrift oder eine Notiz sind uns überliefert. Die ersten biographischen Aufzeichnungen entstehen Jahre nach seinem Tod. Dantes Biographie stützt sich daher weitgehend auf seine Werke – und auf Vermutungen. (Ulrich Prill, Dante, Stuttgart-Weimar 1999, S. 1)

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1. Biographischer und historischer Hintergrund

In der Welt des Mittelalters mit ihrem niedrigen Niveau an technischen Kenntnissen und Fertigkeiten waren die italienischen Seestädte Inseln des technischen Fortschritts und des Experimentierens. [...] Intellektuell und technisch allen anderen weit überlegen, waren die italienischen Seestädte auch die ersten, in denen sich Form und Ordnung der städtischen und bürgerlichen Selbstverwaltung sehr früh herausgebildet haben. (Giuliano Procacci, Geschichte Italiens und der Italiener [1970], aus dem Ital. üs. von F. Hausmann, München 1983, S. 20)

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1. Biographischer und historischer Hintergrund

In den Trümmern der großen Städte haben sich dann z. T. Bischöfe und königliche Grafen niedergelassen, da die Mauerreste eine gute Vorarbeit für Befestigungsanlagen boten. In den Resten der Römerstädte entstanden also frühmittelalterliche Herrensitze mit ländlicher Umgebung und agrarischem Leben, aus denen sich langsam neue Städte bildeten, die aber keine Fortsetzung der antiken darstellen. (Karl Mielcke, Städtewesen und Frühkapitalismus, Braunschweig 1948, S. 2)

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1. Biographischer und historischer Hintergrund

In den Trümmern der großen Städte haben sich dann z.T. Bischöfe und königliche Grafen niedergelassen, da die Mauerreste eine gute Vorarbeit für Befestigungsanlagen boten. In den Resten der Römerstädte entstanden also frühmittelalterliche Herrensitze mit ländlicher Umgebung und agrarischem Leben, aus denen sich langsam neue Städte bildeten, die aber keine Fortsetzung der antiken darstellen. (Mielcke, S. 2)

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1. Biographischer und historischer Hintergrund

Auch in der Verwaltung der Städte und in der Bewahrung der Staatsform ist ihr (der Bewohner der Lombardei) Vorbild noch heute die Klugheit der alten Römer. Schließlich lieben sie die Freiheit so sehr, daß sie sich jedem Übergriff der Gewalt entziehen und sich lieber von Konsuln als von Herrschern regieren lassen. Da es bekanntlich bei ihnen drei Stände gibt, nämlich Kapitane, Valvassoren [Lehnsmänner] und Bürger, werden, um keinen Hochmut aufkommen zu lassen, diese Konsuln nicht aus einem, sondern aus allen Ständen gewählt, und damit sie sich nicht zur Herrschsucht verleiten lassen, werden sie fast jedes Jahr ausgetauscht. So kommt es, daß das Land fast vollständig unter Stadtstaaten aufgeteilt ist und daß jeder derselben die Bewohner seines Gebietes mit ihnen zusammenzuleben zwingt, daß man ferner kaum einen Edlen oder Großen von noch so großem Ehrgeiz findet, der sich nicht trotzdem der Herrschaft seines Stadtstaates beugte...

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1. Biographischer und historischer Hintergrund

Damit sie nicht der Mittel entraten, auch die Nachbarn zu unterdrücken, halten sie es nicht für unter ihrer Würde, junge Leute der unteren Stände und auch Handwerker, die irgendein verachtetes mechanisches Gewerbe betreiben, zum Rittergürtel und zu höheren Würden zuzulassen, während die übrigen Völker solche wie die Pest von den ehrenvolleren und freieren Beschäftigungen ausschließen. So kommt es, daß sie an Reichtum und Macht die anderen Städte der Welt bei weitem übertreffen. (Otto episcopus Frisingensis, Gesta Friderici II, dt. von A. Schmidt, zit. nach Procacci, S. 26)

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1. Biographischer und historischer Hintergrund

Nichts war schlimmer als die Lage des Ausgestoßenen und Verbannten (bandito), der fern der Heimat 'entwurzelt' leben mußte. (Procacci, S. 27)

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1. Biographischer und historischer Hintergrund

Für [die Laienbildung] ist Florenz paradigmatisch. Dort begann zuerst das Wissen, vers tanden a ls zweckgebundenes Inst rument der Daseinsbewältigung, sich von dem transzendenten Bezug zu lösen, durch den es im christlichen Weltbild gerechtfertigt wurde, nämlich durch seine propädeutische Funktion für die Auslegung der Heiligen Schrift. Neben die reductio artium ad theologiam trat eine Ausrichtung der Bildung auf das Handeln in Staat und Wirtschaft. Trägerin dieser praxisbezogenen Bildung war das im politisch-wirtschaftlichen Leben aktive Laientum der bürgerlichen Oberschicht. Da für eine solche Laienbildung die herkömmlichen Kloster- und Domschulen weder ausreichten noch geeignet erschienen, wurden allerorten neue Stadtschulen eingerichtet: Elementarschulen und die von Villani erwähnten Rechenschulen und Lateinschulen, wobei der Unterricht zum größten Teil in den Händen von Laien lag. (August Buck, "Die Commedia", in: H. R. Jauß/E. Köhler (Hg.), Grundriß der romanischen Literaturen des Mittelalters, X/1: Die italienische Literatur im Zeitalter Dantes und am Übergang vom Mittelalter zur Renaissance, Bd. 1: Dantes Commedia und die Dante-Rezeption des 14. und 15. Jahrhunderts, Heidelberg 1987, S. 21-165, hier S. 22) 14 Vorlesung vom 07.05.2014

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1. Biographischer und historischer Hintergrund

"Ich-Figur" meint Stilisierung, Betonung einzelner Eigenschaften, die für seine Mission besonders wichtig sind: der Prophet, der Verfolgte, der Einzelgänger, der geläuterte Liebende sind die wichtigsten. Dantes Kernbiographie eignete sich besonders gut dazu, sie in diese Richtung hin umzudeuten; je isolierter er dastand, umso günstiger war es für diejenigen, die seine Auffassungen teilten oder sich seiner gar als Sprachrohr bedienten. Wer einen derart zentralen Angriff gegen seine Heimatstadt, ihre führenden Repräsentanten und mindestens die Hälfte ihrer Bewohner führte, wer sich mit Kirche, Kaiser und Königen anlegte, konnte nur ein Interesse haben, möglichst wenig Konkretes über seine Lebensumstände bezeugt zu wissen. (Frank-Rutger Hausmann, "Fast alles, was wir von Dante wissen, wissen wir von Dante", in: C. Pollner et al., Hg., Bright is the Ring of Words. FS H. Weinstock, Bonn 1996, S. 109-125, S. 122)

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Literaturhinweise •  Alighieri, Dante, La Divina Commedia, a cura di Natalino Sapegno, Firenze 1955. •  Alighieri, Dante, Die Göttliche Komödie, mit Anmerkungen und einem Nachwort von

R. Baehr, Stuttgart 1988. •  Buck, August, "Die Commedia", in: H. R. Jauß/E. Köhler (Hg.), Grundriß der

romanischen Literaturen des Mittelalters, X/1: Die italienische Literatur im Zeitalter Dantes und am Übergang vom Mittelalter zur Renaissance, Bd. 1: Dantes Commedia und die Dante-Rezeption des 14. und 15. Jahrhunderts, Heidelberg 1987, S. 21-165.

•  Hausmann, Frank-Rutger, "Fast alles, was wir von Dante wissen, wissen wir von Dante", in: C. Pollner et al. (Hg.), Bright is the Ring of Words. FS H. Weinstock, Bonn 1996.

•  Mielcke, Karl, Städtewesen und Frühkapitalismus, Braunschweig 1948. •  Prill, Ulrich, Dante, Stuttgart-Weimar 1999. •  Procacci, Giuliano, Geschichte Italiens und der Italiener [1970], aus dem Ital. üs. von

F. Hausmann, München 1983.

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