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Landesbibliothek Oldenburg Digitalisierung von Drucken Oldenburger Jahrbuch des Vereins für Landesgeschichte und Altertumskunde Oldenburger Verein für Landesgeschichte und Altertumskunde Oldenburg, 1934 Das Bauernhaus der Oldenburger Geest und seine Kosten um 1820. Von Heinrich Ottenjann, Cloppenburg. urn:nbn:de:gbv:45:1-3217 Visual ^Library

Das Bauernhaus Der Oldenburger Geest Und Seine Kosten Um 1820 Von Heinrich Otten

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Oldenburger Jahrbuch des Vereins für Landesgeschichte und Altertumskunde

Oldenburger Verein für Landesgeschichte und Altertumskunde

Oldenburg, 1934

Das Bauernhaus der Oldenburger Geest und seine Kosten um 1820. Von Heinrich Ottenjann, Cloppenburg.

urn:nbn:de:gbv:45:1-3217

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Das Bauernhaus der Oldenburger Geest und seine Kosten um 1820.

Von H e i n r i c h O t t e n j a n n , Cloppenburg.

Im November des Jahres 1936 erhielt ich den Auftrag, das vom Wirt Stracker jan in Vielstedt (Gemeinde Hude) unmittelbar neben seiner Gastwirtschaft neuerrichtete sog. Vielstedter Bauernhaus zu be-sichtigen und über den Befund dem oldenburgischen Ministerium der Kirchen und Schulen ein eingehendes Gutachten vorzulegen. Das wurde der unmittelbare Anlaß zu einer Reihe weiterer Besichtigungsfahrten, die dem Studium des Bauernhauses auf der Oldenburger Geest gal-ten. Auf einer dieser Fahrten, an denen Amtshauptmann Willms, Mi-nisterialrat Tantzen und Amtsbaumeister Hallermann teilnahmen,kamen wir zu dem Hause des Bauern Hermann Johann Behrens in Glane (Gem. Wildeshausen). Erschien uns dieses Haus schon an sich bemerkens-wert, weil es nämlich den alten Zustand verhältnismäßig treu bewahrt, so noch mehr, weil sich darin ein handgeschriebenes Buch fand, in das „Herrman Behrens" und seine Nachfahren alles für den Hof Wissenswerte nun schon mehr denn 100 Jahre hindurch eingetragen, was sie gekauft und verkauft, was sie ausgeliehen und zurückerhalten, „was hilft, wenn ein Pferd oder Kuh Bauchweh hat", oder „wenn ein Pferd, Kuh oder Schwein nicht trächtig bleiben will", was die Braut-ausstattungen kosteten und — welche Kosten das am 24. Nov. 1821 bezogene neue Haus verursachte.

Das Behrenssche Haus in Glane ist das typische Bauernhaus der mittleren Oldenburger Geest. Der Giebel zeigt den Krüppelwalm und darüber das senkrecht stehende Giebeldreieck, dasselbe Bild, das wir auch im Ammerland antreffen, das im Oldenburger Lande etwa nörd-lich der Linie Cloppenburg—Visbek, und zwar je weiter nördlich, in desto höherem Maße, vorherrscht, d. h. soweit das Sachsenhaus und nicht das Friesenhaus in der Landschaft steht, während südlich der Linie Cloppenburg—Visbek das eigentlich münsterländische Bauern-haus mit seinem steilen oder vorgekröpften Giebel angetroffen wird. Diesen Krüppelwalm kannte man ehemals südlich dieser Linie jeden-falls nicht, wohl dagegen den Vollwalm, der hüben und drüben sich findet.

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Das Haus des Hermann Johann Behrens stellt, was weiter zu be-achten ist, ein sog. Zweiständer- oder Kübbungshaus dar. Die Außen-längswände haben in erster Linie raumabschließende, keine tragende Bedeutung. Auch in diesem Punkte stimmt das eigentlich münster-ländische Haus mit ihm überein, nur daß im südlichen Oldenburg neben dem Zweiständerhaus bereits in bemerkenswerter Anzahl das Drei- und Vierständerhaus sich findet und damit langsam zu den ent-sprechenden Verhältnissen im Osnabrücker Lande und im heutigen Westfalen überleitet, während diese Haustypen in den weiter nördlich gelegenen Gebieten neben dem dort ganz und gar die Landschaft be-herrschenden Zweiständerhaus noch eine vollständig untergeordnete, um nicht zu sagen: gar keine Rolle spielen.

Weil das Behrenssche Bauernhaus also ein absolut charakteristi-sches, als d a s Bauernhaus der mittleren Oldenburger Geest zu be-zeichnen ist — auf Abweichungen bzw. Besonderheiten in nebensäch-lichen Dingen kommt es dabei nicht an — erschien es erst recht der Mühe wert, dieses prachtvolle Haus genauestens zu untersuchen, alle Ansichten, Risse und Schnitte festzuhalten, festzustellen, wie es in allen Einzelheiten ehedem vermutlich ausgesehen und worin der heu-tige Zustand von dem früheren abweicht.

Wie bei allen derartigen Untersuchungen, so stellte sich auch in diesem Fal le heraus, daß alle später vorgenommenen Änderungen der ursprünglichen Schönheit des Hauses Abbruch taten, wenn auch zu-gegeben werden muß, daß die wirtschaftlichen und wohnlichen Be-lange im Laufe der Zeit immer wieder Änderungen erforderlich machten.

Amtsbaumeister Hallermann, mit dem ich das Behrenssche Bauern-haus in Glane nachträglich wiederholt eingehend untersuchte, hat alle Einzelheiten mit viel Mühe und Sorgfalt aufgetragen, Hauptlehrer Kunst-Adelheide alles Bemerkenswerte in ausgezeichneten Bildern festgehalten. Eins davon ist als Abb. 1 hier wiedergegeben.

Was zunächst den Lageplan betrifft, so sehen wir auch hier, daß die einzelnen Nebengebäude zum Hauptgebäude, dem eigentlichen Bauernhaus, im rechten Winkel gelagert sind. Nur wo besondere Ver-hältnisse, etwa ein anders verlaufender Weg, dazu drängten, wich man von der üblichen Regel ab. Die Vorderseite des Hauptgebäudes liegt nach Südwesten, die Rückseite, der Wohnteil des Hauses, nach Nord-osten. In Südoldenburg schaut die Vorderseite des Bauernhauses in den meisten Fällen nach Süden, die Rückseite nach Norden. Für das Wohnen der Menschen in den Bauernhäusern war beides mißlich.

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Auch diese Tatsache hat oftmals zu Änderungen bzw. Anbauten Anlaß gegeben.

Betrachten wir nun zunächst die vier Ansichten des Hauses ge-nauer. Das große Einfahrtstor war, wie der Besitzer des Hauses sich noch erinnert, ursprünglich einfacher gestaltet. Es bestand aus zwei gleichen Hälften. Davor lag das Heck. In den beiden Ständern rechts und links des Tores zeigten sich noch die Vertiefungen, die von der Befestigung des Hecks an diesen Ständern herrührten. Die Inschrift im Türsturz lautet:

Herrman Behrens G. Margreta Behrens M. H. 1820—2. Aug. G. C. Krüders1)

Bezeichnenderweise laufen auch die Bänder, mit denen die beiden Türständer geschmückt sind, o b e r h a l b d e s H e c k s in Spiralen

x) Hiermit stimmt überein. was „Herrman Behrens" selbst in seinem Buche niedergeschrieben hat: „Ich bin mit Gesche Margreta Krüders in Ehestand getreten den 19. Juny 1818 Herrman Behrens." Der 2. Aug. 1820 dürfte der Tag sein, an dem das neue Haus gerichtet wurde. Erst am 24. Nov. 1821 wurde „das neu erbaute Haus zur Wohnung angetreten" (vgl. unten!).

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aus. Die Stalltür auf der linken Seite des Vordergiebels war, wie aus dem Fachwerk bzw. seiner Verarbeitung deutlich zu ersehen ist, ur-sprünglich nicht vorhanden. Auch die unmittelbar unter dem Walm, über dem Tor angebrachten kleinen Fenster dürften ursprünglich nicht vorhanden gewesen sein, wohl dagegen die beiden Fensterpaare rechts und links des Einfahrtstores.

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An dem Fachwerk des Hintergiebels ist bis zum heutigen Tage nichts geändert worden. Nur der Riegel unter dem Fenster auf der äußersten Rechten ist offenbar später ersetzt worden. Die sechs großen Fenster aber waren ursprünglich offenbar breiter und genau so ge-staltet wie die noch erhaltenen a l t e n Fenster in den Seitenwänden. Von den oberen kleinen drei Fenstern ist das mittlere noch in Blei gefaßt. So werden anfangs auch die beiden andern gestaltet gewesen sein. Das alte Bild des Hintergiebels zeigt eine prachtvolle Gliederung. Während der Vordergiebel unterhalb des Giebelbalkens dreimal durchgesegelt ist, ist der Hintergiebel wie die Seiten des Hauses nur zweimal durchgeriegelt. Der Balken reicht hier auf beiden Seiten bis

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1 5 2 Oldenburger J a h r b u c h 1938

auf die Außenwände, so daß man, wenn man das Haus von dieser Seite betrachtet, an ein Vierständerhaus denken könnte. Doch das Kammerfach hat ja seine eigene Gestaltung, gehört an sich ursprüng-lich nicht zum Hause.

Die Seitenwände zeigen heute häßliche Türgestaltungen. Die alten Seitentüren waren einfach und schön und bestanden aus einer unteren

XirtuiVMKxr (sü»<*rr) zust h) .

und oberen Hälfte. Besonders schön wirkten die beiden Fensterpaare rechts und links der Seitentür an der nach Südosten gerichteten Seite des Hauses. Andere Fenster waren hier ursprünglich nicht vorhanden. Auf der gegenüberliegenden Seite war außer dem links neben der Seitentür eingebauten Fensterpaar zu Anfang nur noch e i n kleines Fenster vorhanden, durch das Licht in die Spülkammer fiel. Alle üb-rigen Fenster stellen offensichtlich spätere Zutaten dar. Die in Eisen gefaßten Fenster, durch die heute Licht in die Stallungen fällt, waren anfangs sicher nicht vorhanden. Das heute noch erhaltene weiche Dach bestand ehemals ohne Frage nur aus Stroh und ward von einem Heide-

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first wie heute noch bekrönt. Der Giebelschmuck bestand in einem sog. Giebelpfahl.

Erheblich größer sind die Veränderungen, die das Haus im Laufe der J a h r e im Innern erfuhr. Das zeigt uns ein Vergleich der beiden Grundrisse. Auch hier erkennen wir deutlich, wie sehr das Hans an Schönheit durch die im Laufe der Zeit vorgenommenen Änderungen

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verlor. Eingangs lagen, durchaus symmetrisch angelegt, zu beiden Sei-ten die Pferdeställe. Eigenartig und von besonderer Schönheit ist der Aufbau der Vorderwände mit den darinliegenden Pferdetrögen. W o heute die Milchkühe stehen, stand ehemals das Jungvieh und umge-kehrt. Das lehrt die Zahl der Pfosten, die vor den Ställen zwischen je zwei Ständern ehemals angebracht waren. Ihre Zahl ist noch aus den Zapfenlöchern in den darüberliegenden Riegeln zu ersehen. An die Stände für die Milchkühe schloß sich ehemals ein auf die Diele vorspringender Raum, wohl die Spinn- oder Gesindestube. In dieser Stube stand offenbar ehemals einer der beiden Öfen, die der Bauer ^.Herrman Behrens", wie er selbst schreibt, für seinen Neubau für ins-

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gesamt 25 Reichstaler kaufte. Der an die Stallungen angrenzende Teil dieser Stube war ehemals offenbar von zwei Alkoven ausgefüllt. Einer dieser beiden Alkoven war von der Stube nur durch eine Holzwand abgeschlossen, der zweite jedoch, der nach der Diele zu geöffnet war, war von der eigentlichen Spinnstube und dem ersten der beiden Alkoven wohl durch eine Lehmwand abgetrennt. Vielleicht schlief hier

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die Magd. Gegenüber, über dem Kälberstall und der Milchkammer, auf dem Priechel, schliefen wohl die Knechte. Eine Treppe führte hin-auf. An die Milchkammer schloß sich die Spülkammer. Diese beiden Kammern springen jedoch über die Ständerreihe nicht vor. Die Diele blieb vor diesen Kammern mit anderen Worten ursprünglich voll-kommen frei. Die Spülkammer war mit der Milchkammer durch ein Fenster der gleichen Art, wie sie die Herdwand rechts und links der Herdstelle zeigt, verbunden. Der Herdraum war in seiner ganzen Breite und Tiefe unaufgeteilt und von der Diele durch nichts getrennt. Das Haus war ein sog. Rauchhaus. Vielleicht war über der offenen

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D a s B a u e r n h a u s der Oldenburger G e e s t und se ine K o s t e n um 1820 1 59

Feuerstelle ein Herdrahmen angebracht. Das den Kessel tragende „Feuerhai" wurde vermutlich an einem hölzernen Wendebaum hin und her bewegt. Eigentümlich ist an der Anlage des Kammerfaches, daß der dreischiffige Grundriß des Hauptteils hier beibehalten ist. In der Verlängerung der Stallungen bzw. Unterschläge liegen nämlich beider-seits die Alkoven, dazwischen, genau in der Mitte durch eine Wand

von einander getrennt, die Stuben, von denen eine wenigstens ur-sprünglich offenbar geheizt werden konnte. Die beiden kleinen Fenster in der Herdwand gestatteten von den Stuben aus den Überblick über das ganze Haus. Nur die nach Südosten gekehrte Hälfte des Kammer-faches ist unterkellert, nicht dagegen die andere Hälfte; ursprünglich war aber auch die Milchkammer nicht unterkellert. Das erhellt aus der Tatsache, daß hier das Kellermauerwerk neu, unterhalb des Kammerfaches jedoch alt ist.

Die Lage der in den von Anfang an vorhandenen Keller und auf den Boden führenden Treppen zeigt der Querschnitt E — F . Der unter-

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halb der zum Boden führenden Treppe eingebaute Alkoven war wohl für die kleine Magd berechnet. Durch eine Luke vor diesem Alkoven stieg man in den mit Findlingen ausgemauerten Keller hinab. Der später „gezogene" gemauerte Schornstein war selbstverständlich ur-sprünglich nicht vorhanden.

Aber auch der „liegende" Dachstuhl, den der Querschnitt A — B zeigt, war von alters her bestimmt nicht vorhanden. Das geht deutlich hervor aus der Tatsache, daß sämtliche Balken und Sparren (ein-schließlich der Hahnenbalken) des Hauses schwarz geräuchert, die einzelnen Bestandteile des Dachstuhles dagegen hell geblieben sind. Eigenartig an dem Behrensschen Hause in Glane sind noch die Sparren, die das Dach über den Kübbungen tragen, die sog. Ansatz-sparren, die zwischen den Sparrenschwellen oder aber den Kopfenden der Balken einerseits und den Pfetten der Außenwände andererseits festgeklemmt sind, während sonst diese Sparren (auch „Tosparren" oder „Uplanger" genannt) auf die Hauptsparren geschoben werden: Daher die Bezeichnung: Aufschieblinge! Diese Art der Befestigung scheint sich auch nicht bewährt zu haben. Die Außenwände wurden nach außen gedrückt. Daher hat der Besitzer des Hauses auch nach-träglich die Außenwände mit den Dielenständern durch Eisen ver-bunden. Bemerkenswert sind auch die beiderseitigen Kopfbänder an den Dielenständern. Nur die zur Diele gekehrten Bänder waren aus-geziert. Die anderen unverzierten waren vielleicht erforderlich wegen des außergewöhnlich großen Überstandes der Balken. Die Haupt-sparren stehen nicht unmittelbar auf den Balken, sondern auf den über die Balkenenden laufenden Sparrenschwellen. Auffallend erscheint auf den ersten Bl ick der später eingebaute üaehstuhl; denn das Haus trägt j a heute noch ein weiches Dach. W ä r e dieses später durch ein hartes ersetzt, wäre der Dachstuhl ohne weiteres verständlich. Viel-leicht erklärt sich die Tatsache aus etwas anderem, das wir bisher noch nicht berührten: Das Haus hat nämlich zwar Eichenfachwerk ringsum, auch in den Innenwänden, auch die Ständer und Kopfbänder wurden aus Eichenholz hergestellt, die Balken und Sparren jedoch aus Tannenholz und vielleicht drohten gerade deshalb die Sparren das Dach schließlich nicht mehr tragen zu können. So könnte deshalb der Dachstuhl späterhin erforderlich geworden sein.

E s ist eine Eigenart der Häuser auf der Oldenburger Geest, daß sie seit etwa 1800 mit tannenen Balken und Sparren versehen wurden. In dem von „Herrman Behrens" geführten Buche steht ausdrücklich geschrieben, daß er in der Zeit, als er sein neues Haus baute, Tannen-holz für viel Geld kaufte. Eichenholz war offenbar nicht in genügender

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Menge oder Stärke vorhanden. Im ganzen errechnete Amtsbaumeister Hallermann für das Behrenssche Bauernhaus ca. 60 cbm Eichen- und 45 cbm Tannenholz.

Der Längsschnitt C—D zeigt deutlich, wie sehr der Herdraum, das Flett, durch die später eingebaute Küche an Schönheit verloren hat. Das alte Bild zeigt etwa noch das Haus des Bauern Hellmann in Ostrittrum. Der Längsschnitt zeigt auch den über den Stuben und

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Kammern des sog. Kammerfaches sich dehnenden Kornboden, daß der Priechel über dem Kälberstall gegen die Diele durch Bretter abge-schlossen und wie der Pferdestall im einzelnen gestaltet war.

Was kostete nun ehemals dieses Bauernhaus? „Herrman Behrens" hat darüber in seinem Buche wiederholt und immer ausführlicher be-richtet. Es erscheint notwendig, sämtliche Einzeldarstellungen hier zunächst unverkürzt folgen zu lassen:

„An P i a s vor T a n n e n h o l z bezahl t 1818 60 R t l . gold 1819 an E g b e r t S c h n i e r 145 R t l . gold 1820 von E g b e r t S c h n i e r Empfangen für . . . . 1 1 2 R t l . gold 1820 E m p f a n g e n vor 110 Rt l . Die len .

a lso i n s g e s a m t an T a n n e n h o l z gekauf t vor . . 427 Rt l . gold.

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1 5 8 Oldenburger J a h r b u c h 1938

noch für zu sparen (Tosparren = Aufschiebl inge bzw. Ansatzsparren) 3 Rt l . 36 grt.

für Deckelspie len 1 ) . . 2 Rt l . 48 grt. R t l . 36

noch vor D e c k e l s p i e l e n 3 Rt l . 36 grt. vor schwepennagel'-') 4 R t l . 22 grt. '

„ A r b e i t s l o h n meines Neuen Hauses zu S a a g e n (Sägelohn) an F r i e d e r i c h Bührman 52 Rt l . 58 gold gt. an J o h a n n B e h r e n d Poppen 4 Rt l . 22 gd-Zimman J o h a n Hinrich Diers 60 Rt l . 66 gold M a u r an Ludolf G u t k e e s e n 4 Rt l . 60 gold an das ha lbe zu decken 7 Rt l . 18 g t Hinrich Wigger 10 Rt l . 36 gt. 1821 das l e tz te ha lbe zu d e c k e n mit 4 M a n 5 J 4 T a g

b e t r a g e n 4 Rt l . 42 grt . (Darauf h a b e ich ausbezahle t 5 Rt l . gold, b e h a l t e ich zu gute 66 grote , weit sie die Heide noch auf den F a s t [F irs t ) legen müssen. ) "

„1821 den 27. August Z immerman J o h a n Hinrich Diers bezah l t 53 Rt l . gold

an G u t k e s e n b e z a h l t 16 Rt l . 60 grt. an Gust . G u t k e s e n 2 Rt l . 54

zus. 19 Rt l . 36 J o h a n Hinrich Diers den 6 ten F e b r . 1822 wider . 10 Rt l . gold . "

„1821 vor E i sennage l vor 6 Rt l . 24 grt . w i e d e r vor nagel 2 „ vor P l i s ternagel 3 ) vors 1000/54 gt 2 R t l . 18 vor P l i s ternagel 1000/60 gt. vor 1200 1 R t l . vor a n d e r e nagel 5 Rt l . 36 1820 vor nagel 12 Rt l . 36.

vor S c h w e p e n n a g e l 4 Rt l . 36

S u m m a in al len 34 Rt l . 12 g t . "

' ) S t a t t der Deckelspie len, langer dünner Hölzer, die ehemals in horiron t a l e r Lagerung über bzw. zwischen die einzelnen R e i t - oder S t rohschichten gelegt wurden, bedient sich der D a c h d e c k e r zwecks Verfest igung des weichen D a c h e s heute des Walzdrahtes , s ta t t der W e i d e n (Decke lweden) , mi t te ls derer er ehemals Rei t bzw. S t roh und Decke lsp ie len mit dem aus S p a r r e n und D a c h l a t t e n bestehenden Dachger ippe verband, des B indedrahtes .

2 ) Das sind handgeschmiedete lange e iserne Nägel, die die in schräger R ichtung unter mehreren nebeneinander l iegenden S p a r r e n her laufenden S t u r m l a t t e n (Schwepen) mit den S p a r r e n verbinden.

3 ) In a l ter Zeit handgeschmiedete kurze Nägel mit großen Köpfen, d ie beim V e r r o h r e n der eichenen S t ä n d e r und Riegel der F a c h w e r k w ä n d e V e r -wendung fanden.

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D a s B a u e r n h a u s der Oldenburger G e e s t und se ine K o s t e n um 1820 1 5 9

„ v o r D e c k e n in allen ausbezahl t 12 Rt l . 20 gt. mit Heide auf den F a s t zu legen. an den G l a s e r K r ä t z e r in allen b e z a h l e t den 7 ten

J a n u a r i 1822 — 20 Rt l . gold nach herr 10 Rt l . gold an K r ä t z e r bezahlet und 4 Scheffel Rogen zu

28 grot gold 1 R t l . 40 grt . und im M o n a t N o v e m b e r 1821 ein F u d e r Holz . . 60 grt. gold

b e t r ä g t 32 Rt l . 28 grt . gold . " was K r ä t z e r vor F e n s t e r Empfangen h a t . "

„ K o s t e n d e r G e t r ä n k e zum Neuen B a u von M ä r z 1820 2 virtel anker brantewein 3 Rt l . E in Ochshof i 1 ) brantewein 23 Rt l . gold zwey a n k e r 1 ) 8 R t l . gold zwey vir te l a n k e r 2 R t l . 24 grt. zwei kannen 1 ) 2 8 gr. 2 3 Schef fe l Malz a 54 gr 17 Rt l . 1821 wieder 24 Scheff . Malz verbraucht lYi T o n n e 1 )

B i e r 6 R t l . 1821. 1 A n k e r brantewein 3 Rt l . 36 grote wider 2 anker brantewein 7 Rt l . gold Aug. 12 wider 1 A n k e r brantewein 3 Rt l . 36 gold den 9 t e n S e p t . wider 1 A n k e r 3 R t l . 36 gold den 19ten S e p t . wider 1 A n k e r 3 R t l . 36 gt. gold den 12. O k t o b e r w i e d e r 3 K a n n e n 39 „ M o n a t N o v e m b e r ein anker 3 R t l . 36 gt. von L a s c h e n */» a n k e r 2 R t l .

an g e t r ä n k e n in a l len bis 24ten Nov. 1821 g e r e c h -net auf 90 R t l . gold . "

„1822 den 7 t e n J a n u a r i bezahle t an arbe i t s lohn sonst ige K o s t e n an Glaser , k r e t z e r 20 Rt l . gold

1822 J a n u a r » 7 an E i l e rhors t 10 Rt l . 36 gold und 1 Rt l . 39 grt . müntze . Chr is t jahn L a s c h e n 15 Rt l . gold, das er vorher an Chris t )ahn Behrens ausbezahlet hat. J a n . 8 an J o h a n Hinrich Diers 1 R t l . 10 gold J a n . 7 an J o h a n Hinrich S c h u m a c h e r S c h m i e d e -

a r b e i t 12 Rt l . 36 gold. an Hinrich G a r m s in Dötling 5 R t l . gold an A n d r e a s G r i e s m a n vor 4 F e n s t e r b e s c h l a g a

30 grote 1 R t l . 4 8 grt .

' ) 1 Oxhof t = 6 A n k e r = 156 K a n n e n = 214,297 L i ter (im Herzogtum Oldenburg) ; 1 T o n n e B i e r = 108 K a n n e n = 160.844 L i ter in Wi ldeshausen , V e c h t a und Cloppenburg, = 112 K a n n e n = 159,600 L i ter in Oldenburg. (Vgl. Le i t faden zur Kenntnis der neuen M a ß - und Gewichtsordnung des Norddeut-schen Bundes für das Großherzogtum Oldenburg. S ta l l ing , Oldenburg 1869.)

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1 6 0 Oldenburger J a h r b u c h 1938

und für die W i n d e i s e n die zum Hause gebraucht sind 3 Rt l . 52 grt.

bezahlt den 12ten J a n . 1822. an Fr iedr ich Budeken vor 6 Fens terbeschlag und

ein Thürengr ipfe l ' ) bezahlt 2 Rt l . 36 und vor 4 gripfel und 2 P a r hengte ? ) 2 Rt l . 4 4 . "

„Zehrungskosten zum Holzholen von J u l i 1818 bis J u l i 1820 den 25ten J u l y b e y D e l m e n h o r s t in golde 3 Rt l . 54 grt.

1819 Ers t l i ch zu b e s e h e n das Holz 60 grt . zu holen in 2 R e i s e und j edes Mahl ein Y\ a n k e r

brantewein mitgenommen 8 Rt l . gold. 1820 — 3 Rt l . 48 grt . von Dreye zehrungskosten 4 Rt l . 8 g, Zoll be i D r e y e und Hors tedt 1 Rt l . 2 K o s t e n für zollen vorbey fahren 1 Rt l . 24 in W i l d e s h a u s e n 2 Rt l . 61 gt. M ü n t z e an zollen vorhin für mich mit meine Eigenen P f e r d e und

W a g e n 2 Mahl gefahren verzehr t j edes 36 gr te . 1 Rt l . von De lmenhors t 16 Rt l . 18 gr. gold von D r e y e 9 Rt l . 23 grt. M ü n t z e noch ein 1 R t l . "

„an J o h a n F r i e d e r i c h B u d e k e n b e z a h l t den 29. J u n y 1823 vor 4 Thürengripfel und 4 P a r Hängde . . 3 Rt l . 38 gr . "

„1822 J a n n u a r i 10 vor Ziegel S t e i n e bis dato b e z a h l e t an Chr is t jahn

B e h r e n s zur B r a k e vor 5050 S t ü c k zehnzolige und 2500 K l i n k e r s bezahl t 47 Rt l . 36 grt . gold

res t i r t n o c h 5 Rt l . 27 gold an J o h a n B a a r s in Harpstedt bezahl t 35 Rt l . gold res t i r t noch 36 grote i n a l l e n bis dato bezahle t vor S t e i n e 88 Rt l . an zehlgelder 3 R t l . 64 grte . und noch vor 1 R t l . S t e i n e f e h l e t . "

„an Chr is t jahn B e h r e n s noch b e z a h l e t M o n a t D e c . 1821 5 Rt l . gold

F e b r . 2. 1823 an J o h a n Hinrich Diers noch r ü c k -ständiges z immerarbei ts lohn b e z a h l t 10 Rt l . gold

M a y 31 an J o h a n Hinrich Dierßen noch rück-ständigen Arbe i t s lohn bezah l t 10 Rt l . gold.

b is 3 1 t e n M a y 1823 al les in gold b e z a h l t . "

' ) „Thoren- oder Thürengr ip fe l " : anderswo sagt man Hespen: das sind T o r - oder T ü r h a k e n bzw. T o r - oder Türange ln .

2 ) Hengte bedeuten Tor- oder Türbänder .

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Das B a u e r n h a u s der Oldenburger G e e s t und se ine K o s t e n um 1820 1 59

„Die K o s t e n M e i n e s Neuen Hauses b e t r ä g t bis zum 1. J a n u a r i 1821 an Holz gekauf t 447 Rt l . 12 gt,

an Arbe i t s lohn 140 Rt l . 44 gt., an G e t r ä n k e 59 Rt l . 52 gt, an E i s e n Nagels 17 Rt l . 48 gt. an Re isekos ten um Holz zu holen 26 Rt l . 58 gt. geschr ieben den 20ten Dec . 1820. ' '

„den 24ten Nov. 1821 haben wir unser Neu erbautes Hauß zur Wohnung angetreten und Kosten sind folgende in golde: an gekauf ten Holz vor 447 Rt l , Ziegel S t e i n e vor 92 Rt l . 64 G l a s e r a r b e i t 32 Rt l . 28 S c h m i e d e a r b e i t in al len ohne Nagel 15 Rt l . 4 g.

587 Rt l . 24 g . "

1821 a l les in G o l d gerechnet den 24ten Nov. folgende Kosten aus be-zahlet zehrungskosten in allen für a l le rhand S a c h e n a u f W e g e n 30 Rt l . für G e t r ä n k e i m H a u s e 92 Rt l . für Zimmer- und T i s c h l e r a r b e i t 136 „ 9 gr. für M a u r e r ohne K e l l e r 25 „ 24 „ für D e c k e n das Hauß 12 „ 20 „ noch für Deckenspie len und zu sparen 10 „ für W e e d e n gekauft 1 „ 4 8 für Nagel ohne den o b e r s t e n B o d e n 38 „ für W i n d e i s e n und Thürengr ipfe l und F e n s t e r -

besch lag 10 „ 3 6 für z w e y E i s e n o fende 25 „ 2 4 für 200 S c h ö f e D a c k ' ) 10 „ und 800 S c h o f e ge l iehen. z w e y f e t t e K ü h e gekauf t 70 „

„an Schmidt S c h u m a c h e r in Dötl ing b e z a h l e t den 20ten J a n . 1823 5 R t l . gold

M a y 2 — 1823 an Schmidt S c h u m a c h e r bezahlet . 5 R t l . gold Damit die R e c h n u n g abgethan bis auf 2 Rt l . C u r a n t "

„Al le K o s t e n des Hauses b e t r ä g t fo lgendes : für g e k a u f t e s Holz 457 Rt l . vor Ziegel S t e i n e 93 R t l . 64 vor F e n s t e r oder G l a s e r a r b e i t 32 „ 2 8 vor Zimmer- und T i s c h l e r a r b e i t 136 „ 9 vor 2 Ofende gekauf t 2 5 „ 2 0 vor Brantewein 1820 und 21 55 „ 3 6 vor 200 S c h o f e D a c k gekauft 9 „ 36

b is dato a l les in golde b e t r ä g t 807 Rt l . 49

Gemeint sind 200 S c h ö f e oder B u n d e Dachst roh .

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1938 Oldenburger J a h r b u c h 1938

an M a u e r a r b e i t bis je tz t 32 Rt l . vor Nagel bis j e tz t 38 „ vor das Hauß zu d e c k e n 12 „ 2 0 vor Windeisen, Thürengripfe l und F e n s t e r b e s c h l a g

und a l lerhand Hängde und H a k e n b e t r a g e n . . 25 „ 40 zwey fe t te K ü h e gekauft 70 „ gold vor E i s e n Nagel bis je tzt 38 „ vor D e c k e l w e d e n , 2 „ 12 vor K o s t e n auf W e g e und Zol le 33 „ vor bier und malz 20 „ das Holz einen M a n zu Saagen 52 „ 5 8

b e t r a g t in al len = 1131 R t l . "

Das ist, was „Herrman Behrens" über die Kosten seines neuen Hauses im einzelnen nacheinander aufgezeichnet hat. Es möchte einer glauben, daß es genügt hätte, nur die letzte Aufrechnung hierher-zusetzen. Aber einmal sind die voraufgehenden Notizen aus mehr als einem Grunde bemerkenswert, zum andern kann so jeder selbst die Gesamtdarstellung in allen Einzelheiten nachprüfen.

Zunächst sehen wir klar, daß „Herrman Behrens" bei seiner Kostenberechnung nur das berücksichtigt hat, was er für seinen Neu-bau zu kaufen sich genötigt sah, nicht was er selbst lieferte, nicht, was er gelegentlich lieh, nicht auch seine eigene Arbeit. So stellte sich die Endsumme in Wirklichkeit bedeutend höher. U. a. hat er die 457 Reichstaler, von denen zum Schluß die Rede ist, offenbar nur für das benötigte Tannenholz ausgegeben. Vielleicht war in dieser Summe aber auch einbegriffen, was der Bauherr für „Zusparen und Deckel-spielen" ausgegeben. Denn einerseits war eingangs davon die Rede, daß das Tannenholz nur 427 Reichstaler gekostet habe, während anderer-seits die „Zusparen usw." in der Schlußaufrechnung fehlen. Gar nicht in Anrechnung gebracht ist dagegen das für den Neubau gebrauchte Eichenholz. Da aber für das Bauernhaus des „Herrman Behrens" nach Hallermanns Berechnung nur 45 cbm Tannenholz, dagegen rund 6 0 c b m Eichenholz — im Quatmannshof stecken 200 cbm Eichenholz — ver-arbeitet wurden, würden hierfür noch annähernd 1000 weitere Reichs-taler anzurechnen sein.

Außerdem sind nur 200 „Schoof" Dachstroh in Anrechnung ge-bracht, und zwar mit rund 10 Reichstalern. Nicht berechnet wurden dagegen die 800 geliehenen „Schoofe". Hierfür wären sinngemäß weitere 40 Reichstaler in der Schlußrechnung anzusetzen. Dabei ist vorausgesetzt, daß diese 1000 Bunde ausreichten. Da es sich um Dach s t r o h handelt, dürfte der Umfang jedes einzelnen Bundes ver-hältnismäßig groß gewesen sein, und deshalb wäre es denkbar, daß

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Das B a u e r n h a u s der Oldenburger G e e s t und se ine K o s t e n um 1820 1 6 3

man, zumal wenn die Decke nicht zu dick war, mit den (raglichen 1000 Bunden ausgekommen wäre.

Dagegen ist in der Schlußrechnung die Summe von 38 Reichs-talern für Eisennägel offenbar versehentlich zweimal gesetzt. Ein Be-trag von 38 Reichstalern wäre deshalb von der Endsumme hinwiederum abzusetzen. Auch sonst finde.i sich innerhalb der Einzelangaben des „Herrman Behrens" allerhand Unstimmigkeiten. Auch ist hier und da in der Aufrechnung gefehlt. Ungenauigkeiten sind auch nicht selten. Trotzdem gewinnt man schließlich ein ziemlich klares Bild.

Für Steine gab der Bauherr, wie immer wieder berichtet wird, 93 Rtl . 64 grt. aus, für Glaserarbeiten 32 Rtl. 28 grt., für Zimmer-und Tischlerarbeiten 136 Rtl. 9 g r t , für Maurerarbeiten 32 Rtl., für Dachdeckerarbeiten 12 Rtl. 20 grt., an Sägelohn 52 Rtl. , für Nägel, wie schon erwähnt, etwa 38, für Fenster und Türbeschläge 25 Reichs-taler.

Nicht ganz klar zu ersehen ist, was insgesamt während der lang-jährigen Bauzeit für Branntwein, Bier und an Zehrkosten sowie an Zöllen verausgabt wurde. Insbesondere für Bier und Branntwein wurde offenbar eine außerordentlich hohe Summe verausgabt. In der Schluß-rechnung sind hierfür freilich „nur" 55 Rtl . 36 grt. + 20 Rtl. , insgesamt also 75 Rtl . 36 grt. aufgeführt. Doch ist darin ja auch nur von dem „Brantewein" aus den Jahren 1820 und 1821 die Rede. Der Bau des Hauses aber begann doch schon bedeutend früher. Dazu wurden an anderer Stelle die Kosten der Getränke von März 1820 bis zum 24. November 1821 bereits auf rund 90 Rtl.gold berechnet. Hiervon entfielen nur 23 Rtl . auf Malz und Bier. An anderer Stelle werden allein die Getränke „i m H a u s e " mit 92 Reichstalern berechnet. Auch die „Kosten auf Wege und Zolle" werden anderswo höher angesetzt als am Schluß. Auch in dieser Hinsicht dürften daher in der Schluß-rechnung an die 50 Reichstaler unberücksichtigt geblieben sein.

Besondere Erwähnung finden dagegen in der Schlußaufrechnung 2 Öfen, die insgesamt 25 Rtl . 20 grt. kosteten, und 2 fette Kühe im Gesamtpreise von 70 Reichstalern, obwohl doch mindestens der für die beiden Öfen, von denen einer offenbar heute noch vorhanden ist, eingesetzte Betrag bei den Baukosten nicht hätte in Erscheinung treten dürfen.

Somit würde sich statt der von „Herrman Behrens" errechneten Summe von 1131 Reichstalern eher eine Endsumme von rund 2100 Reichstalern ergeben. Dabei ist zu bedenken, daß die Handwerker während der ganzen Bauzeit vom Bauern beköstigt wurden und ent-

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1938 Oldenburger Jahrbuch 1938

sprechend niedrigeren Lohn erhielten. Daher führte der Bauer freilich auch den Preis für die beiden fetten Kühe unter den Baukosten auf.

Bedenkt man nun, daß die Kuh damals 35 Reichstaler kostete, so ergibt sich dadurch andererseits, daß das neue Haus des Bauern Behrens in Glane 1820 dasselbe kostete, was in dieser Zeit 60 fette Kühe kosteten. Rechnet man heute eine fette Kuh zu etwa 400 .— RM., so ergibt sich damit für unsere Zeit als Preis für ein gleiches Haus die Summe von etwa 24 000 .— RM., was den tatsächlichen Verhältnissen entsprechen würde.

Aus den einzelnen Mitteilungen des „Herrman Behrens" ergibt sich noch manche wertvolle Erkenntnis, d. i., daß das Tannenholz offenbar von „außen" hereinkam, daß die Steine von Brake und Harpstedt gebracht wurden, daß der First ursprünglich wie auch heute noch aus Heide hergestellt war u. a. m. Ergötzlich ist auch zu sehen, wie der Bauer gelegentlich versucht, die niederdeutschen Zimmer-mannsausdrücke ins Hochdeutsche zu übertragen.

Schriftliche Aufzeichnungen der hier ausgewerteten Art sind für die Bauernhausforschung von größter Bedeutung. Man sollte sie sorg-fältig wahren und für die Auswertung zur Verfügung stellen, zumal die Einzelforschung auch auf diesem Gebiete in der Erkenntnis oft weiter zu führen vermag als irgendwelche Betrachtung allgemeiner Art.

Page 21: Das Bauernhaus Der Oldenburger Geest Und Seine Kosten Um 1820 Von Heinrich Otten

Ein eiszeitlicher Fundplatz auf der Glaner Heide bei Wildeshausen.

Von H e r m a n n S c h w a b e d i s s e n , Kiel.

1. E i n f ü h r u n g .

Wer würde vor noch nicht allzu langer Zeit an die Möglichkeit menschlichen Lebens und Treibens im eiszeitlichen Norddeutschland geglaubt haben! Man bestritt, daß der Mensch bei uns im Norden, besonders zur Zeit der Eisvorstöße, die Voraussetzungen gefunden habe zur Fristung seines Daseins. Wohl das eisfreie und mildere Westeuropa, das höhlenreiche Süddeutschland oder allenfalls noch Mitteldeutschland boten — so meinte man — genügend Lebensbedin-gungen für den Menschen des Eiszeitalters. Das erwiesen die dort in reichem Maße auftauchenden Funde. Doch eine eiszeitliche Besied-lung des immer erneut von gewaltigen Gletschermassen bedeckten Norddeutschland und des Nordens allgemein, hielt man für aus-geschlossen. Die Erforschung der frühesten Menschheitsgeschichte er-streckte sich deshalb auf den Süden und Westen, während Nord-deutschland im allgemeinen außerhalb des Gesichtsfeldes blieb. W o sich dort einmal ältere Spuren andeuteten, galten diese allenfalls für frühnacheiszeitlich. So lag ein Bann über der Forschung nach den frühesten Bewohnern des Nordens. Da war es in erster Linie G. Schwantes, der in fortgesetztem Bemühen diesen Bann zu brechen suchte. Ein eingehendes Studium der geologischen und sonstigen Voraussetzungen hatte Schwantes zu der Überzeugung gebracht, daß auch der Norden während des Eiszeitalters die für den Menschen er-forderlichen Lebensbedingungen aufzuweisen gehabt habe, so daß einer eiszeitlichen Besiedlung Norddeutschlands nichts entgegenstehe. In der Tat gelang es auch seinem Schüler Alfred Rust und ihm per-sönlich, die ersten mit Sicherheit endeiszeitlichen Flintgeräte des Nordens zu erkennen. Rust war es bald darauf vergönnt, die Ver-mutungen seines Lehrers auf Grund von Grabungen in geradezu schlagender Weise zu bestätigen. Es gelang ihm, nicht nur die Feuer-steinwerkzeuge, sondern auch die zugehörigen Knochen- und Geweih-

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