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journal club 11 In|Fo|Neurologie & Psychiatrie 2014; 16 (5) Yasiry Z, Shorvon SD. The relati- ve effectiveness of five antiepi- leptic drugs in treate m ent of Benzodiazepine-resistant convul- sive status epilepticus: a m eta- analysis of published studies. Seizure 2014; 23: 16 7 7 4 Status epilepticus Das Benzo hilft nicht mehr, was nun? Fragestellung: Anhand einer Metaanalyse soll geklärt werden, welches der üblicherweise im konvulsiven Status epilepticus ver- abreichten Medikamente das Effektivste ist nach Versagen von Benzodiazepinen, die leitliniengerecht first-line zu geben sind. Ist es Valproat (VPA), Phenytoin (PHT) oder Phenobarbital (PB)? Wie schneiden die „Neuen“ wie Levetriacetam (LEV) und Lacosamid (LCM) bei dieser Indikation ab Hintergrund: Der konvulsive Status epilepticus ist ein ernsthaf- ter Notfall, der mit hoher Mortalität und, bei Überleben der Akut- situation mit hohen Komplikationsraten und Folgeerkrankungen einhergehen kann. Relevant für das Outcome ist das rasche Durchbrechen des Status, das heißt es muss gelingen, in kürzes- ter Zeit das effektivste Medikament zu etablieren, bevor die Indi- kation zur Narkose gestellt werden muss. First-line werden Ben- zodiazepine verabreicht, dies ist weltweiter Konsens. Oſt, vor al- lem wenn der Status länger andauert, wirken Benzodia- zepine nicht mehr, was an der Status-assoziierten Verände- rung der GABA-Rezeptoren liegt. Doch zu welchem Medi- kament greiſt man dann? Die Auswahl ist aufgrund der Notwendigkeit zur i. v.-Appli- kation per se limitiert, außerdem sind VPA, LEV und LCM nicht zur Statustherapie zu genanntem Zeitpunkt, das heißt first-line, oder als zweite Wahl zugelassen. Patienten und Methodik: Metaanalyse der in MEDLINE und EMBASE publizierten englischsprachigen Originalartikel. Nicht eingeschlossen wurden dabei Publikationen, die keine Originaldaten veröffentlicht hatten, also beispielsweise Exper- tenmeinungen oder Reviews. Bei Unklarheiten wurden die je- weiligen Autoren kontaktiert. Die Auswertung der Daten fokus- sierte auf die klinisch nachweisbare Beendigung des konvulsi- ven Status epilepticus nach i. v.-Applikation oben genannter An- tikonvulsiva (AED). Von zunächst 2.754 erfassten Publikationen blieben 27 nach den gesetzten Kriterien übrig zur Auswertung. Ergebnisse: Die Wirksamkeit von Phenobarital liegt bei 73,6%, die von Valproat bei 75,7%, Levetiracetam schneidet mit 68% ab und Phenytoin mit 50,2%. Für Lacosamid war eine Auswertung nicht möglich. Schlussfolgerungen: Valproat und Phenobarbital können glei- chermaßen zur Durchbrechung des konvulsiven Status epilep- ticus verabreicht werden, auch Levetiracetam ist gut wirksam. Phenytoin ist nach vorliegender Metaanalyse weniger effektiv und für Lacosamid reicht bislang die Datenlage nicht aus. Kommentar von Vivien Homberg, Bad Berka Indikationen überprüfen Die Metaanalyse suggeriert, dass Phenytoin nicht so effektiv ist, wie vermutet. Realität oder Effekt der Metaanalyse und der zugrunde liegenden Daten? Problematisch sind Metaanalysen in ihrer Aussagekraft allemal, da stets das Problem gegeben ist, dass sie nicht für solche Auswertungen angelegt wurden, das heißt, dass es nie wirklich verwertbare Übereinstimmungen der Dosierungen, des Zeitpunktes und der Geschwindigkeit der Applikation gibt, oder gar die demografischen Daten ausrei- chend übereinstimmen, um vergleichbare Daten zu liefern. Im Falle des Status epilepticus kommt als gravierendes Problem die Dauer des Status vor Beginn der Intervention hinzu, was ei- nen erheblichen Effekt auf die potenzielle Wirksamkeit der Me- dikamente hat. Auch die Dosis des gewählten AED hat Einfluss auf den Effekt. Im Fall von Phenytoin fehlten in den meisten Studien die Spiegelbestimmungen, sodass potenzielle Unter- dosierungen möglich sind. Gerade Phenytoin gehört zu den Medikamenten, die ein Spiegelmonitoring verlangen. Unab- hängig von diesen kritischen Schwächen der Studie kommen von den Autoren selbst diskutierte erheblich limitierende Fak- toren hinzu, wie zu kleine Paper-Anzahl, die Tatsache, dass es am Ende fast nur retrospektive Analysen und Beobachtungs- studien waren, die ausgewertet wurden und keine doppelblin- den Studien erfasst wurden. Die Liste der Studienschwächen könnte weiter fortgesetzt werden, sodass wir diese Studie maximal als Denkanstoß ansehen dürfen um am Ende zu kon- statieren: Vielleicht ein Versuch wert, nach Versagen oder be- stehenden Kontraindikationen für Valproat erst noch Levetira- cetam vor Phenytoin zu applizieren, dies aber nur wegen der besseren Verträglichkeit von Levetiracetam. Bei allem gilt in der Statustherapie: Tu es schnell in maximal hoher Dosis und ent- scheide rasch, wenn das eine Medikament nicht funktioniert hat, ein effektives zweites zu wählen! Sollte es notwendig wer- den, eine Narkose einzuleiten, muss stets an die parallele Eta- blierung eines Antikonvulsivums für die Zeit nach Abfluten der Narkose gedacht werden. Dr. med. Vivien Homberg, Bad Berka Chefärztin der Klinik für Neurologie, Zentralklinikum Bad Berka E-Mail: Vivien.Hom[email protected]

Das Benzo hilft nicht mehr, was nun?

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11In|Fo|Neurologie & Psychiatrie 2014; 16 (5)

Yasiry Z, Shorvon SD. The relati-ve eff ectiveness of fi ve antiepi-leptic drugs in treatement of Benzodiazepine-resistant convul-sive status epilepticus: a meta-analysis of published studies. Seizure 2014; 23: 167–74

Status epilepticus

Das Benzo hilft nicht mehr, was nun?Fragestellung: Anhand einer Metaanalyse soll geklärt werden, welches der üblicherweise im konvulsiven Status epilepticus ver-abreichten Medikamente das E� ektivste ist nach Versagen von Benzodiazepinen, die leitliniengerecht � rst-line zu geben sind. Ist es Valproat (VPA), Phenytoin (PHT) oder Phenobarbital (PB)? Wie schneiden die „Neuen“ wie Levetriacetam (LEV) und Lacosamid (LCM) bei dieser Indikation ab

Hintergrund: Der konvulsive Status epilepticus ist ein ernsthaf-ter Notfall, der mit hoher Mortalität und, bei Überleben der Akut-situation mit hohen Komplikationsraten und Folgeerkrankungen einhergehen kann. Relevant für das Outcome ist das rasche Durchbrechen des Status, das heißt es muss gelingen, in kürzes-ter Zeit das e� ektivste Medikament zu etablieren, bevor die Indi-kation zur Narkose gestellt werden muss. First-line werden Ben-zodiazepine verabreicht, dies ist weltweiter Konsens. O� , vor al-

lem wenn der Status länger andauert, wirken Benzodia-zepine nicht mehr, was an der Status-assoziierten Verände-rung der GABA-Rezeptoren liegt. Doch zu welchem Medi-kament grei� man dann? Die Auswahl ist aufgrund der Notwendigkeit zur i. v.-Appli-

kation per se limitiert, außerdem sind VPA, LEV und LCM nicht zur Statustherapie zu genanntem Zeitpunkt, das heißt � rst-line, oder als zweite Wahl zugelassen.

Patienten und Methodik: Metaanalyse der in MEDLINE und EMBASE publizierten englischsprachigen Originalartikel. Nicht eingeschlossen wurden dabei Publikationen, die keine Originaldaten verö� entlicht hatten, also beispielsweise Exper-tenmeinungen oder Reviews. Bei Unklarheiten wurden die je-weiligen Autoren kontaktiert. Die Auswertung der Daten fokus-sierte auf die klinisch nachweisbare Beendigung des konvulsi-ven Status epilepticus nach i. v.-Applikation oben genannter An-tikonvulsiva (AED). Von zunächst 2.754 erfassten Publikationen blieben 27 nach den gesetzten Kriterien übrig zur Auswertung.

Ergebnisse: Die Wirksamkeit von Phenobarital liegt bei 73,6%, die von Valproat bei 75,7%, Levetiracetam schneidet mit 68% ab und Phenytoin mit 50,2%. Für Lacosamid war eine Auswertung nicht möglich.

Schlussfolgerungen: Valproat und Phenobarbital können glei-chermaßen zur Durchbrechung des konvulsiven Status epilep-ticus verabreicht werden, auch Levetiracetam ist gut wirksam. Phenytoin ist nach vorliegender Metaanalyse weniger e� ektiv und für Lacosamid reicht bislang die Datenlage nicht aus.

– Kommentar von Vivien Homberg, Bad Berka

Indikationen überprüfenDie Metaanalyse suggeriert, dass Phenytoin nicht so e� ektiv ist, wie vermutet. Realität oder E� ekt der Metaanalyse und der zugrunde liegenden Daten? Problematisch sind Metaanalysen in ihrer Aussagekraft allemal, da stets das Problem gegeben ist, dass sie nicht für solche Auswertungen angelegt wurden, das heißt, dass es nie wirklich verwertbare Übereinstimmungen der Dosierungen, des Zeitpunktes und der Geschwindigkeit der Applikation gibt, oder gar die demogra� schen Daten ausrei-chend übereinstimmen, um vergleichbare Daten zu liefern. Im Falle des Status epilepticus kommt als gravierendes Problem die Dauer des Status vor Beginn der Intervention hinzu, was ei-nen erheblichen E� ekt auf die potenzielle Wirksamkeit der Me-dikamente hat. Auch die Dosis des gewählten AED hat Ein� uss auf den E� ekt. Im Fall von Phenytoin fehlten in den meisten Studien die Spiegelbestimmungen, sodass potenzielle Unter-dosierungen möglich sind. Gerade Phenytoin gehört zu den Medikamenten, die ein Spiegelmonitoring verlangen. Unab-hängig von diesen kritischen Schwächen der Studie kommen von den Autoren selbst diskutierte erheblich limitierende Fak-toren hinzu, wie zu kleine Paper-Anzahl, die Tatsache, dass es am Ende fast nur retrospektive Analysen und Beobachtungs-studien waren, die ausgewertet wurden und keine doppelblin-den Studien erfasst wurden. Die Liste der Studienschwächen

könnte weiter fortgesetzt werden, sodass wir diese Studie maximal als Denkanstoß ansehen dürfen um am Ende zu kon-statieren: Vielleicht ein Versuch wert, nach Versagen oder be-stehenden Kontraindikationen für Valproat erst noch Levetira-cetam vor Phenytoin zu applizieren, dies aber nur wegen der besseren Verträglichkeit von Levetir acetam. Bei allem gilt in der Statustherapie: Tu es schnell in maximal hoher Dosis und ent-scheide rasch, wenn das eine Medikament nicht funktioniert hat, ein e� ektives zweites zu wählen! Sollte es notwendig wer-den, eine Narkose einzuleiten, muss stets an die parallele Eta-blierung eines Antikonvulsivums für die Zeit nach Ab� uten der Narkose gedacht werden.

Dr. med. Vivien Homberg, Bad Berka

Chefärztin der Klinik für Neurologie, Zentralklinikum Bad BerkaE-Mail: [email protected]