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URL: http://www.uni-jena.de/Forschungsmeldungen/FM170707_Hypnose_Hirntheorie.pdf Das Brett vorm inneren Auge Psychologen wollen Hirntheorie der Hypnose entwickeln Foto: Jan-Peter Kasper Eine unter Hypnose stehende Probandin muss auf verschiedene Symbole auf dem Bildschirm reagieren. Gleichzeitig wird per EEG ihre Hirnaktivität gemessen. Auf diese Weise untersuchen die Jenaer Psychologen, wie Hypnose einzelne Regionen des Gehirns bei der visuellen Reizaufnahme beeinflusst. Mit der Hilfe von Hypnose gewöhnen sich Menschen das Rauchen ab, finden besseren Schlaf und überstehen sogar Zahnarztbesuche schmerzfrei. Doch was ist eigentlich Hypnose und was genau passiert im Gehirn eines hypnotisierten Menschen? Im Rahmen eines von der Deutschen Forschungsgemeinschaft unterstützten Projektes gehen derzeit Psychologen der Friedrich-Schiller-Universität Jena unter Mitwirkung eines Kollegen von der Universität Trier diesen Fragen nach, um umfassende wissenschaftliche Antworten auf diese Fragen zu finden. In der aktuellen Ausgabe des Fachmagazins "Scientific Reports" präsentieren sie erste Ergebnisse. Wie das Gehirn hypnotische Zustände ermöglicht Das Brett vorm inneren Auge 1

Das Brett vorm inneren Auge Psychologen wollen Hirntheorie ... · Schmerzlinderung durch Hypnose. "Bis in die 1920er Jahre hinein gehörte Hypnose durchaus zur medizinischen Ausbildung

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Page 1: Das Brett vorm inneren Auge Psychologen wollen Hirntheorie ... · Schmerzlinderung durch Hypnose. "Bis in die 1920er Jahre hinein gehörte Hypnose durchaus zur medizinischen Ausbildung

URL: http://www.uni-jena.de/Forschungsmeldungen/FM170707_Hypnose_Hirntheorie.pdf

Das Brett vorm inneren Auge

Psychologen wollen Hirntheorie der Hypnose entwickeln

Foto: Jan-Peter Kasper

Eine unter Hypnose stehende Probandin muss auf verschiedene Symbole auf dem Bildschirmreagieren. Gleichzeitig wird per EEG ihre Hirnaktivität gemessen. Auf diese Weise untersuchen dieJenaer Psychologen, wie Hypnose einzelne Regionen des Gehirns bei der visuellen Reizaufnahmebeeinflusst.

Mit der Hilfe von Hypnose gewöhnen sich Menschen das Rauchen ab, finden besseren Schlaf undüberstehen sogar Zahnarztbesuche schmerzfrei. Doch was ist eigentlich Hypnose und was genaupassiert im Gehirn eines hypnotisierten Menschen? Im Rahmen eines von der DeutschenForschungsgemeinschaft unterstützten Projektes gehen derzeit Psychologen derFriedrich-Schiller-Universität Jena unter Mitwirkung eines Kollegen von der Universität Trier diesenFragen nach, um umfassende wissenschaftliche Antworten auf diese Fragen zu finden. In deraktuellen Ausgabe des Fachmagazins "Scientific Reports" präsentieren sie erste Ergebnisse.

Wie das Gehirn hypnotische Zustände ermöglicht

Das Brett vorm inneren Auge 1

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"Wir untersuchen im Rahmen unseres Projektes, wie das Gehirn hypnotische Zuständeermöglicht", erklärt Prof. Dr. Wolfgang Miltner, der sich bereits seit Jahrzehnten mit demPhänomen beschäftigt. "Aktuell haben wir dabei die Verarbeitung visueller Reize genauer unter dieLupe genommen." Für ein Experiment teilten sie Probanden in drei Gruppen ein: Personen, diesehr suggestibel, also empfänglich für Hypnose, sind, und Personen, bei denen diese Fähigkeiteher mittelmäßig und wenig ausgeprägt ist. "Wir ließen sie hypnotisiert auf einen Bildschirmschauen, auf dem wir verschiedene Symbole zeigten, beispielsweise einen Kreis oder ein Dreieck",berichtet Dr. Barbara Schmidt, die den Versuch durchgeführt hat. "Die Testpersonen bekamendabei die Aufgabe, ein bestimmtes Symbol zu zählen, sich also darauf besonders zukonzentrieren. Gleichzeitig sollten sie sich ein Brett vor ihren Augen vorstellen. Durch diesuggerierte Sichtbehinderung stieg die Anzahl der Zählfehler erheblich." Die Effekte zeigten sich inallen drei Testgruppen, am stärksten ausgeprägt allerdings bei den besonders guthypnotisierbaren Probanden.

Um auch die Hirnaktivitäten beobachten zu können, waren die Testpersonen an einenElektroenzephalographen (EEG) angeschlossen. "Betrachten wir die dabei entstandenenneuronalen Vorgänge des Gehirns bei der Verarbeitung der Symbole, dann erkennen wir etwa 400Millisekunden, nachdem die Probanden das besonders zu beachtende Symbol gesehen haben,eine extrem reduzierte Hirnaktivität, obwohl sie normalerweise sehr hoch sein müsste", erklärtSchmidt. "Kurze Zeit vorher - bis 200 Millisekunden nach der Präsentation des Reizes - zeigen sichjedoch keine Auffälligkeiten." Das bedeute also, dass die einfache Wahrnehmung noch stattfindet,tiefere Verarbeitungsprozesse, wie etwa das Zählen, aber stark beeinträchtigt sind. Auf diesemWeg konnten die Psychologen der Universität Jena herausfinden, wie die Hypnose einzelneRegionen im Gehirn bei der visuellen Reizaufnahme beeinflusst.

Eine seriöse Hypnoseforschung etablieren

In den kommenden Jahren sollen weitere solche Untersuchungen folgen. Dabei widmen sich dieJenaer Forscher zum einen der veränderten Verarbeitung akustischer Reize und zum anderen derSchmerzlinderung durch Hypnose. "Bis in die 1920er Jahre hinein gehörte Hypnose durchaus zurmedizinischen Ausbildung und auch heute wird sie wieder in der Anästhesie eingesetzt", berichtetMiltner. "Allerdings gibt es kaum wissenschaftliche Forschungen dazu, warum Hypnose wie einNarkosemittel wirkt." Leider gebe es zu viele esoterische Spekulationen zu diesem Thema, so dasssich Wissenschaftler auf dem Gebiet häufig mit Skepsis konfrontiert sehen. "Wir müssen nichtmehr zeigen, dass Hypnose wirksam ist, denn das ist bewiesen. Es gilt vor allem herauszufinden,warum und wie solche merkwürdigen Wahrnehmungsveränderungen bei hypnotisierten Menschenmöglich sind", sagt Miltner. "So wollen wir eine seriöse Hypnoseforschung etablieren."

Original-Publikation:Schmidt B. et al. The Power of mind: Blocking visual perception by hypnosis. Scientific Reports(2017), 7: 4889, DOI:10.1038/s41598-017-05195-2; www.nature.com/articles/s41598-017-05195-2

Kontakt:Prof. Dr. Wolfgang H. R. Miltner, Dr. Barbara SchmidtInstitut für Psychologie der Universität JenaAm Steiger 3, 07743 JenaTel.: 03641 / 945140E-Mail: [email protected], [email protected]

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