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ZVersWiss (2012) 101:151–173 DOI 10.1007/s12297-012-0189-z ABHANDLUNG Das Dreiecksverhältnis zwischen Versicherer, Versicherungsnehmer und versicherten Personen in Innenhaftungsfällen der D&O-Versicherung Robert Koch Online publiziert: 28. Januar 2012 © Springer-Verlag 2012 Zusammenfassung Gegenstand dieses Beitrags ist das Verhältnis zwischen Versi- cherer, Versicherungsnehmer und versicherten Personen in Innenhaftungsfällen der D&O-Versicherung. Anhand eines Beispielfalls, bei dem mehrere Organmitglieder unabhängig voneinander Pflichtverletzungen begehen, wird untersucht, (1) ob die Gesellschaft in ihrer Eigenschaft als Versicherungsnehmerin berechtigt ist, den Ver- sicherer unmittelbar auf Zahlung in Anspruch zu nehmen, (2) ob die Gesellschaft durch ihr taktisches Vorgehen, was die zeitliche Reihenfolge der Inanspruchnahme der Organmitglieder angeht, Obliegenheiten gegenüber dem VR oder Rechtspflich- ten gegenüber den Organmitgliedern verletzt und (3) welche Rechtspflichten den VR gegenüber Organmitgliedern treffen, wenn die Schadensersatzansprüche die Versi- cherungssumme übersteigen. Abstract The article deals with the rights and obligations between the policyholder, the insured directors and officers of the policyholder and the insurer in ‘Insured vs. Insured’ D&O claims. Based on a case study where several directors commit wrong- ful acts the following questions will be examined: (1) whether or not the policyholder is entitled to directly claim damages from the insurer, (2) whether or not the policy- holder violates its duties towards the insurer or the insured directors by its deliberate choice not to make claims against all insured at the same time but in different policy periods, and (3) which obligations has the policyholder towards its directors when there is not sufficient coverage to cover all claims of the policyholder against the directors. Der Verfasser ist ordentlicher Professor an der Universität Hamburg, Geschäftsführender Direktor des Seminars für Versicherungswissenschaft und Leiter des Hamburger LL.M. Studiengangs Versicherungsrecht. Erweiterte Fassung des am 17.3.2011 im Rahmen der Jahrestagung des Dt. Vereins für Versicherungswissenschaft gehaltenenVortrages. R. Koch ( ) Universität Hamburg, Hamburg, Deutschland e-mail: [email protected]

Das Dreiecksverhältnis zwischen Versicherer, Versicherungsnehmer und versicherten Personen in Innenhaftungsfällen der D&O-Versicherung

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ZVersWiss (2012) 101:151–173DOI 10.1007/s12297-012-0189-z

A B H A N D L U N G

Das Dreiecksverhältnis zwischen Versicherer,Versicherungsnehmer und versicherten Personenin Innenhaftungsfällen der D&O-Versicherung

Robert Koch

Online publiziert: 28. Januar 2012© Springer-Verlag 2012

Zusammenfassung Gegenstand dieses Beitrags ist das Verhältnis zwischen Versi-cherer, Versicherungsnehmer und versicherten Personen in Innenhaftungsfällen derD&O-Versicherung. Anhand eines Beispielfalls, bei dem mehrere Organmitgliederunabhängig voneinander Pflichtverletzungen begehen, wird untersucht, (1) ob dieGesellschaft in ihrer Eigenschaft als Versicherungsnehmerin berechtigt ist, den Ver-sicherer unmittelbar auf Zahlung in Anspruch zu nehmen, (2) ob die Gesellschaftdurch ihr taktisches Vorgehen, was die zeitliche Reihenfolge der Inanspruchnahmeder Organmitglieder angeht, Obliegenheiten gegenüber dem VR oder Rechtspflich-ten gegenüber den Organmitgliedern verletzt und (3) welche Rechtspflichten den VRgegenüber Organmitgliedern treffen, wenn die Schadensersatzansprüche die Versi-cherungssumme übersteigen.

Abstract The article deals with the rights and obligations between the policyholder,the insured directors and officers of the policyholder and the insurer in ‘Insured vs.Insured’ D&O claims. Based on a case study where several directors commit wrong-ful acts the following questions will be examined: (1) whether or not the policyholderis entitled to directly claim damages from the insurer, (2) whether or not the policy-holder violates its duties towards the insurer or the insured directors by its deliberatechoice not to make claims against all insured at the same time but in different policyperiods, and (3) which obligations has the policyholder towards its directors whenthere is not sufficient coverage to cover all claims of the policyholder against thedirectors.

Der Verfasser ist ordentlicher Professor an der Universität Hamburg, Geschäftsführender Direktordes Seminars für Versicherungswissenschaft und Leiter des Hamburger LL.M. StudiengangsVersicherungsrecht. Erweiterte Fassung des am 17.3.2011 im Rahmen der Jahrestagung des Dt.Vereins für Versicherungswissenschaft gehaltenen Vortrages.

R. Koch (�)Universität Hamburg, Hamburg, Deutschlande-mail: [email protected]

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1 Einleitung

Die D&O-Versicherung erfährt seit Jahren eine mediale Aufmerksamkeit wie keinanderer Versicherungstypus. Die Tatsache, dass hochbezahlte Führungskräfte sichgegen ihre Haftung wegen Managementfehler versichern können, ist zu einem ech-ten Reizthema in der Tagespresse geworden, das praktisch bei jedem Verfahren ge-gen Führungskräfte der deutschen Wirtschaft wieder hochkommt. Der Gesetzgebersah gar die verhaltenssteuernde Wirkung der Innenhaftung von Vorstandsmitgliedernnach § 93 Abs. 2 AktG durch die D&O-Versicherung als gefährdet an und fühltesich zur Einführung eines Pflichtselbstbehaltes herausgefordert. In der Fachlitera-tur sind inzwischen unzählige Aufsätze und zahlreiche Kommentierungen zur D&O-Versicherung erschienen.1 Die Zahl der veröffentlichen Urteile, die Deckungsstreitig-keiten in der D&O-Versicherung zum Gegenstand hatten, ist bis heute dagegen ehergering.2 Insgesamt steht die dogmatische Durchdringung der D&O-Versicherungnoch in ihren Anfängen. Dies gilt insbesondere für das Dreiecksverhältnis zwischenVR, VN und versicherter Personen in Innenhaftungsfällen. Die Begünstigung Dritterstellt an sich keine Besonderheit im Haftpflichtversicherungsrecht dar. Es ist viel-mehr der Regelfall in der Privat-, Betriebshaft- und Vermögensschadenhaftpflicht-versicherung, die standardmäßig einen zumeist in den besonderen Bedingungen undRisikobeschreibungen näher bestimmten Personenkreis in den Versicherungsschutzeinbezieht.3

Die wesentlichen Unterschiede zwischen den vorgenannten Erscheinungsformender Haftpflichtversicherung und der D&O-Unternehmensversicherung (nicht D&O-Pflichtselbstbehaltsversicherung) bestehen darin, dass letztere erstens nur die ver-sicherten Personen schützt, also als reine Fremdversicherung ausgestaltet ist, undzweitens auch und gerade Ansprüche der VN gegen versicherte Personen in die Ver-sicherung einschließt.4 Der bei allen anderen Haftpflichtversicherungstypen vorge-sehene Ausschluss von Innenhaftungsfällen (vgl. 7.4 (1) AHB 2008, § 7 Nr. 2 AVBVermögen) soll dort der Gefahr der Kollusion begegnen, also des manipulierten Zu-sammenspiels des VN mit den Mitversicherten zu Lasten des VR.5 Des Weiterensoll die Deckung von Schäden ausgeschlossen werden, bei denen es sich wirtschaft-lich betrachtet um Eigenschäden des VN handelt.6 Der letztgenannte Aspekt hatte inder älteren versicherungsrechtlichen Literatur zu der Diskussion geführt, ob in der

1Z. B. Beckmann/Matusche-Beckmann/Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, 2. Aufl. 2009, § 28;van Bühren/Lenz, Handbuch Versicherungsrecht, 4. Aufl. 2009; Prölss/Martin/Voit, 28. Aufl. 2010; Loo-schelders/Pohlmann/von Lanzenauer, 1. Aufl. 2010; Dreher, DB 2005, 1669; Dreher/Thomas, ZGR 2009,31; Ihlas, D&O Directors & Officers Liability, 2. Aufl. 2009; R. Koch, WM 2007, 2173; ders., GmbHR2004, 18, 160 und 288; Lange, VersR 2010, 162; ders., VersR 2008, 713; Graf v. Westphalen, VersR 2011,145; Baumann, NZG 2010, 1366.2Z. B. OLG München, 8.5.2009, VersR 2009, 1066; OLG Köln, 2.9.2008, VersR 2008, 1673; OLG Frank-furt/M., 13.3.2008, RuS 2010, 61; vgl. auch Übersicht bei R. Koch, WM 2007, 2173.3Vgl. nur Prölss/Martin (Fn. 1), Ziff. 2 BesBed PHV; Mustertarif 2007 Allgemeiner Teil Ziff. 7.1.2; Ziff.5 BBR Arch.4Zur Rechtsnatur eingehend R. Koch, GmbHR 2004, 18, 22 f.5Späte, Haftpflichtversicherung, 1993, § 7 Rn. 10.6Bruck/Möller/R. Johannsen, VVG, Bd. IV, 8. Aufl. 1970, Anm. H 23.

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Haftpflichtversicherung der VN überhaupt geschädigter Dritter sein könne.7 DieseDiskussion schien mittlerweile zumindest für Haftpflichtversicherungen, die als rei-ne Fremdversicherung ausgestaltet sind, beendet zu sein, droht aber durch jüngsteMeinungsäußerungen zur D&O-Versicherung, die im Zusammenhang mit der Rege-lung zum Abtretungsverbot in § 108 Abs. 2 VVG stehen, wieder neu zu entflammen.8

Dabei geht es im Kern vor allem um die Bannung der „mit Händen zu greifende Ge-fahr von Manipulationen zum Nachteil des Versicherers“.9 Allerdings wird in denStellungnahmen nicht der Charakter der D&O-Versicherung als Fremdschadenver-sicherung in Frage gestellt, sondern nur für eine von §§ 100, 108 Abs. 1, 109, 110sowie 86 VVG und damit vom Interessebegriff losgelöste abweichende Bestimmungdes Dritten im Rahmen des § 108 Abs. 2 VVG plädiert.

Auf diese Diskussion wird sogleich einzugehen sein. Zunächst ist der Hinweisauf einen weiteren, für die Entstehung, Inhalt und Umfang der Rechte und Pflichtenaus dem D&O-Versicherungsvertrag fundamentalen Unterschied nicht nur zu ande-ren Haftpflichtversicherungstypen, sondern zu allen anderen Versicherungszweigengeboten, der aus der Definition des Versicherungsfalls resultiert. Bekanntlich basiertdie D&O-Versicherung auf dem Anspruchserhebungsprinzip, d. h. der Versicherungs-fall tritt nicht bereits zum Zeitpunkt der pflichtwidrigen Handlung (Verstoßprinzip)oder des pflichtwidrigen Erfolges (Schadenereignis), sondern erst mit der erstmaligen(schriftlichen) Geltendmachung des Haftpflichtanspruchs ein. Damit hat es der VNim Rahmen der Innenhaftung grundsätzlich selbst in der Hand, den Versicherungsfallbewusst und gewollt herbeizuführen und damit nicht nur seine eigenen, sondern auchdie Rechte und Pflichten des VR und der mitversicherten Personen aus dem D&O-Versicherungsvertrag, soweit sie an den Eintritt des Versicherungsfalls anknüpfen,entstehen zu lassen. Welche Gestaltungsmöglichkeiten sich daraus für den VN er-geben, wird am nachstehenden Beispiel deutlich, das Ausgangspunkt der weiterenDarlegung ist.

Beispiel Der VN (AG) hat einen D&O-Versicherungsvertrag abgeschlossen, der eineNachmeldefrist von 3 Jahren und eine Umstandsmeldefrist während der Laufzeit desVertrages und bis zu 60 Tagen nach Vertragsbeendigung vorsieht. Die mitversicher-ten Vorstandsmitglieder A und B treffen im Jahr 2008 unabhängig voneinander un-ternehmerische Fehlentscheidungen. A vergibt ohne ausreichende Sicherheit ein Fir-mendarlehen, das vom Schuldner nicht bedient wird, und B erwirbt infolge fehlerhaf-ter Due Diligence-Prüfung ein verlustbringendes Unternehmen. Hiervon erlangt derAufsichtsrat Anfang 2010 Kenntnis. Da die Schäden zusammengenommen die Jah-resversicherungssumme genau um das Doppelte übersteigen, kommt der Aufsichtsratauf die Idee, A und B nicht sofort auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen, son-dern noch im selben Jahr, und zwar vor Ablauf der Übergangsfrist der Neuregelung(30.6.2010) zum obligatorischen Selbstbehalt (§ 93 Abs. 2 S. 2 AktG), zunächst denA und im Jahr darauf den B. Auf diese Weise hofft der Aufsichtsrat, den größten Teil

7Bruck/Möller/R. Johannsen (Fn. 6), Anm. H 23.8Armbrüster RuS 2010, 441, 448; Ihlas (Fn. 1), S. 408 ff.; Schimikowski, in: Rüf-fer/Halbach/Schimikowski, VVG, 1. Aufl. 2009, § 108 Rn. 6; Schimmer, VersR 2008, 875, 878 f.9Armbrüster RuS 2010, 441, 448.

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des Schadens vom VR ersetzt zu erhalten. Bei der Abwägung, welches der beidenVorstandsmitglieder zuerst in Anspruch genommen werden soll, lässt sich der Auf-sichtsrat von der Überlegung leiten, dass B über das größere Privatvermögen verfügtund deshalb in der Lage ist, nicht nur den Selbstbehalt, sondern notfalls – nämlich fürden Fall, dass der VR auf die Idee kommen sollte, den Vertrag zu kündigen –, auchden gesamten Schaden selbst zu tragen.10 Im Übrigen würde der Aufsichtsrat gerneAuseinandersetzungen mit A und B vermeiden und deshalb den VR direkt auf Zah-lung in Anspruch nehmen. A und B werden in die Pläne nicht eingeweiht, weil derAufsichtsrat befürchtet, dass B nicht „mitspielt“ und eine Umstandsmeldung beimD&O-Versicherer abgibt. In den Anstellungsverträgen ist der Abschluss einer D&O-Unternehmensversicherung vorgesehen.

Das Beispiel gibt Anlass für eine ganze Reihe von Fragen, die das Rechtsverhältniszwischen VR, VN und den versicherten Personen betreffen:

1. Ist die Gesellschaft berechtigt, den VR unmittelbar auf Zahlung in Anspruch zunehmen?

2. Verletzt die Gesellschaft durch ihr taktisches Vorgehen, was die zeitliche Reihen-folge der Inanspruchnahme der Vorstandsmitglieder angeht, Obliegenheiten ge-genüber dem VR oder Rechtspflichten gegenüber den Organmitgliedern?

3. Welche Rechtspflichten treffen den VR gegenüber Organmitgliedern, wenndie geltend gemachten Schadensersatzansprüche die Jahresversicherungssummeübersteigen?

Diese Fragen lassen sich nicht ohne einen kurzen Blick auf die vertragliche Ausge-staltung der D&O-Versicherung beantworten.

2 Gegenstand der D&O-Unternehmensversicherung

Das Versicherungsvertragsgesetz enthält keine besonderen Vorschriften für die D&O-Versicherung. Insoweit finden die Regelungen des Allgemeinen Teils Anwendung,die für alle Versicherungszweige und für die Schadensversicherung gelten (§§ 1–99 VVG). Da der VR nach allen auf dem Markt angebotenen Deckungskonzepten alsHauptleistung die Abwehr von unbegründeten und die Freistellung von begründetenHaftpflichtansprüchen schuldet, ist sie als Haftpflichtversicherung zu qualifizieren,die den Vorschriften zur (freiwilligen) Haftpflichtversicherung (§§ 100–112 VVG)unterliegt. Versichert ist nicht das Risiko der Gesellschaft, wegen einer (behaupte-ten) Pflichtverletzung ihrer Organmitglieder (und leitenden Angestellten) von (au-ßenstehenden) Dritten auf Ersatz von Vermögensschäden in Anspruch genommen zuwerden, sondern nur die persönliche Haftpflicht der Organmitglieder (und leitendenAngestellten) gegenüber der Gesellschaft und (außenstehenden) Dritten für Pflicht-verletzungen, die sie im Rahmen der Ausübung ihrer Tätigkeit begangen haben (sol-len). Allein die Interessen der Organmitglieder (und der leitenden Angestellten) sindversichert. Deshalb handelt es sich bei der von der Gesellschaft (im eigenen Namen)

10Vgl. zu weiteren Szenarien Schramm, Das Anspruchserhebungsprinzip, 2009, S. 63 f.

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abgeschlossenen D&O-Versicherung – wie bereits bemerkt – um eine reine Fremd-versicherung. Diese Einordnung hat zur Konsequenz, dass hinsichtlich des Anspruchsauf die Versicherungsleistung (und alle mit der Entschädigung zusammenhängendenRechte) der Organe (und der leitenden Angestellten) die Vorschriften zur Fremd-versicherung (§§ 43 ff. VVG) eingreifen. Lediglich hinsichtlich der Rechte, die mitdem Vertragsganzen zusammenhängen und als solche dem VN zustehen, geben dieallgemeinen versicherungsrechtlichen und ergänzend die bürgerlich-rechtlichen Vor-schriften das Maß.

3 Anspruch auf die Versicherungsleistung

3.1 Gesetzlicher Ausgangspunkt: Auseinanderfallen von Verfügungsbefugnis undmaterieller Berechtigung

Soweit es um den Anspruch auf die Versicherungsleistung geht, sehen die §§ 43 ff.VVG eine vom bürgerlich-rechtlichen Vertrag zugunsten Dritter (§ 328 BGB) abwei-chende Rollenspaltung vor, aus der die Rechtsprechung ein gesetzliches Treuhand-verhältnis herleitet. Inhaber des Anspruchs auf die Versicherungsleistung und damitmateriell berechtigt sind allein die versicherten Personen (§ 44 Abs. 1 VVG). Zur(formellen) Verfügung über den Anspruch einschließlich der (gerichtlichen) Geltend-machung ist dagegen nur der VN berechtigt (§§ 44 Abs. 2, 45 Abs. 1 VVG). Durchdiese Aufteilung wollte der (historische) Gesetzgeber den VR davor bewahren, sichim Versicherungsfall mit einer Vielzahl von Dritten auseinandersetzen zu müssen,die behaupten, ein Recht aus der Versicherung herleiten zu können.11 Sie hat zurFolge, dass nur die Gesellschaft, die einen Schaden erlitten hat, vom VR verlangenkann und – wegen des gegenüber den in Anspruch genommenen Organmitgliedernbestehenden Treuhandverhältnisses – auch muss, seine Pflichten gegenüber den Or-ganmitgliedern zu erfüllen. Ist die Haftpflicht strittig, hat die Gesellschaft in Innen-haftungsfällen somit in letzter Konsequenz für die Abwehr ihrer eigenen Ansprüchegegen ihre Organmitglieder durch den VR Sorge zu tragen. Verweigert der VR dieDeckung, muss sie den Abwehrschutz für die versicherten Personen mit gerichtlicherHilfe sicherstellen.

Den aus der Rollenspaltung resultierenden Interessenkonflikt hat das OLG Mün-chen bei einer CMR-Fremdunternehmerversicherung des Spediteurs zugunsten desFrachtführers in der Weise zu lösen versucht, dass es dem Spediteur, der den ausder Beschädigung entstandenen Schaden gegenüber dem Frachtführer im Wege derDrittschadensliquidation geltend machte, einen unmittelbaren Zahlungsanspruch ge-gen den VR zubilligte.12 Falle der Anspruch auf Zahlung gegen den Versicherten unddie Berechtigung, die Rechte des Versicherten gegen den VR geltend zu machen, inder Person des VN zusammen, so gehe sein Anspruch gegen den VR unmittelbar

11Vgl. Motive zum Versicherungsvertragsgesetz, 1963, S. 148; öOGH 13.7.1994 VersR 1995, 1123;Bruck/Möller/Brand, VVG, 9. Aufl. 2010, § 44 Rn. 3; Looschelders/Pohlmann/R. Koch, 1. Aufl. 2010,§ 44 Rn. 1.12OLG München, 3.2.1993, VersR 1994, 422 = TranspR 1993, 256, 257.

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auf Zahlung. Der VN brauche nicht erst den Anspruch des Versicherten gegen denVR auf Befreiung von der Verbindlichkeit zu pfänden und sich überweisen zu lassen,weil er ihn ohnehin geltend machen könne. Diese Begründung vermag nicht zu über-zeugen. Allein das Zusammentreffen von Verfügungsbefugnis über den Deckungs-anspruch und Gläubigerstellung hinsichtlich des Haftpflichtanspruchs in der Persondes VN berechtigt nicht zur Inanspruchnahme des VR auf Zahlung. Für die Herlei-tung einer solchen Rechtsfolge geben die Regeln über die Versicherung für fremdeRechnung nichts her. Ein Zahlungsanspruch des geschädigten Dritten kann nach all-gemein bürgerlich-rechtlichen Grundsätzen nur dann entstehen, wenn der VN bzw.die versicherte Person seinen/ihren Freistellungsanspruch gegen den VR an den ge-schädigten Dritten abtritt und auf diese Weise materielle Berechtigung am Anspruchauf Deckung und an der Haftpflichtforderung sich in dessen Person vereinigen.

Wollte man mit dem OLG München das Zusammenfallen von Verfügungsbefugnisüber den Anspruch auf die Versicherungsleistung mit der materiellen Berechtigungan der Haftpflichtforderung zur Begründung eines Zahlungsanspruchs gegen den VRausreichen lassen, würden die §§ 44 Abs. 2, 45 Abs. 1 VVG mit § 100 VVG kon-fligieren. Sie müssten letztlich hinter § 100 VVG zurücktreten, weil ansonsten demVR das ihm nach § 100 VVG eingeräumte Ermessen zwischen Abwehr und Frei-stellung von Haftpflichtansprüchen des VN gegen versicherte Personen genommenwerden würde.13 Der VN kann sich deshalb auch nicht dadurch einen auf Zahlunggerichteten Anspruch gegen den VR verschaffen, dass er von seiner Verfügungsbe-fugnis Gebrauch macht und den Freistellungsanspruch der versicherten Person ansich selbst abtritt. Fraglich ist, ob eine solche Abtretung nicht auch an § 399 Alt.1 BGB scheitert, weil ein Treuhänder selbstverständlich nicht frei darüber befindenkann, ob er das Treugut behält oder sich des Treuguts entäußert, „um auf diese Weisedas Treuhandverhältnis obsolet werden zu lassen“.14

3.2 Vertragspraxis: Zusammenführung von Verfügungsbefugnis und materiellerBerechtigung am Versicherungsanspruch

Mittlerweile sehen alle auf dem Markt angebotenen D&O-Konzepte ausdrücklichvor, dass abweichend von § 45 Abs. 1 VVG nur die versicherten Organmitgliederzur Geltendmachung der Ansprüche auf Freistellung berechtigt sind.15 Die Gesell-schaft kann somit nur nach Abtretung (§ 398 BGB) oder Pfändung und Überweisung(§§ 829, 835 ZPO) des Freistellungsanspruchs Zahlung vom VR verlangen. Zuvorist lediglich eine Klage auf Feststellung der Deckungspflicht des VR zulässig.16 Dashierfür erforderliche rechtliche Interesse i. S. von § 256 Abs. 1 ZPO an alsbaldigerFeststellung ist u. a. dann gegeben, wenn wegen Untätigkeit des Organmitglieds dieGefahr besteht, dass der Gesellschaft der Deckungsanspruch als Befriedigungsobjekt

13R. Koch, GmbHR 2004, 18, 23 f.14Vgl. BGH, 5.5.2010, NJW 2010, 2197, 2198 (zur treuhänderischen Beteiligung an einer Verwaltungs-gesellschaft).15Vgl. Lange, VersR 2010, 162, 167 f.16BGH, 22.7.2009, VersR 2009, 1485; BGH, 15.11.2000, VersR 2001, 90.

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verloren geht.17 Für den Fall der Insolvenz des Organmitglieds kann die Gesellschaftnach § 110 VVG abgesonderte Befriedigung aus dem Freistellungsanspruch verlan-gen.18 Nach der Rechtsprechung überdauert sein Absonderungsrecht das Insolvenz-verfahren als Pfandrecht an der Entschädigungsforderung selbst.19

3.3 Gesellschaft als Dritte i. S. von § 108 Abs. 2 VVG?

An dieser Stelle bieten sich einige Bemerkungen zu Stimmen in der Literatur an,die der Gesellschaft die Eigenschaft als Dritte i. S. von § 108 Abs. 2 VVG abspre-chen und insoweit in der D&O-Versicherung dem VR das Recht einräumen wollen,dem Organmitglied die Abtretung an die Gesellschaft formularvertraglich zu unter-sagen.20 Hierdurch soll verhindert werden, dass die Gesellschaft den VR direkt aufZahlung in Anspruch nehmen kann. Nach dieser Ansicht sollen zu den Dritten i. S.von § 108 Abs. 2 VVG nur „außerhalb des Vertragsverhältnisses stehende Personen“zählen, nicht hingegen die geschädigten Versicherungsnehmer bei einer Fremdver-sicherung.21 Diese Ansicht vermag nicht zu überzeugen. Wenn und soweit man derD&O-Versicherung von Innenhaftungsansprüchen den Charakter als Haftpflichtver-sicherung nicht absprechen will, und dies tun diejenigen nicht, die sich gegen eineAnwendung von § 108 Abs. 2 VVG aussprechen, muss die Gesellschaft als geschä-digter Dritter i. S. des § 100 VVG angesehen werden.22 Folgte man den Literatur-stimmen, liefe dies i. E. auf eine uneinheitliche Bestimmung der Person des Drittenim Recht der Haftpflichtversicherung hinaus. Für einen dahingehenden Willen desGesetzgebers gibt es jedoch keinerlei Anhaltspunkte. Auch aus dem Gesetzeszwecklässt sich nicht auf ein von § 100 VVG abweichendes Begriffsverständnis schließen.Wie aus der Gesetzesbegründung deutlich wird, will der Gesetzgeber dem VN dieMöglichkeit einräumen, den Geschädigten direkt an den VR verweisen zu können,wenn dieser einen Haftpflichtanspruch in Frage stellt, den der VN wegen seiner Be-ziehungen zu dem Geschädigten nicht zurückweisen möchte. Genau darum geht esauch in der D&O-Versicherung, wie die abgewiesenen Direktklagen aus der Zeit vorder Reform des VVG zeigen.23 Weder die betroffenen Organmitglieder noch die Ge-sellschaft haben Interesse an einer gerichtlichen Auseinandersetzung über den Haft-pflichtanspruch. Die immer wieder hervorgehobene Gefahr der Kollusion mag gege-ben sein, kann jedoch nicht zur einschränkenden Auslegung von § 108 Abs. 2 VVGherangezogen werden. Das Abstellen auf ein im Einzelfall gegebenes Missbrauchs-risiko im Rahmen der Gesetzesauslegung würde den Vorstellungen des Gesetzgebers

17Vgl. BGH, 15.11.2000, VersR 2001, 90.18BGH, 2.4.2009, NJW-RR 2009, 964.19BGH, 2.4.2009, NJW-RR 2009, 964; BGH, 28.3.1996, NJW 1996, 2035.20Ihlas (Fn. 1), S. 408 ff.; Schimikowski (Fn. 8), § 108 Rn. 6; Schimmer, VersR 2008, 875, 878.21Armbrüster RuS 2010, 441, 338.22R. Koch, RuS 2009, 133, 135 f.23Z. B. OLG Köln, 2.9.2008, VersR 2008, 1673; OLG München, 15.3.2005, VersR 2005, 540; LG Wies-baden, 14.12.2004, VersR 2005, 545; LG Marburg, 30.3.2004, DB 2005, 437.

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vom vertrags- und rechtstreuen Normadressaten und damit seinem Willen widerspre-chen.24

Misst man § 108 Abs. 2 VVG Leitbildcharakter i. S. von § 307 Abs. 2 Nr. 1BGB zu, dürfte ein formularmäßiges Abtretungsverbot im Übrigen auch bei Verträ-gen über Großrisiken i. S. von § 210 VVG keinen Bestand haben. Zwar handelt essich bei § 307 Abs. 2 BGB nur um eine Vermutung. Sie ist widerlegt, wenn eine Ge-samtabwägung der berechtigten Interessen aller Beteiligten ergibt, dass die Klauseldie betroffenen Vertragspartner des Verwenders nicht unangemessen benachteiligt.25

Ich vermag jedoch nicht zu erkennen, warum die Interessenlage der Parteien bezüg-lich eines Abtretungsverbots bei Großrisiken eine andere ist als bei Massenrisiken.Das im Schrifttum immer wieder vorgebrachte Argument, die halbzwingenden Vor-schriften beruhten auf dem Gedanken, den VN als schwächere Partei zu schützen,26

kann im Rahmen der Gesamtinteressenabwägung nicht den Ausschlag zugunsten desVR geben. Erstens handelt es sich bei § 108 Abs. 2 VVG nicht um eine halbzwingen-de Vorschrift und zweitens dient sie nicht dem allein dem Schutz des Versicherten,sondern ausweislich der Gesetzesbegründung auch den Interessen des geschädigtenDritten.27 Insoweit reiht sich § 108 Abs. 2 VVG in die sonstigen, dem Geschädig-tenschutz dienenden Vorschriften wie z. B. §§ 108 Abs. 1, 109, 110 VVG ein und esstellt sich die Frage, ob § 210 VVG überhaupt auf § 108 Abs. 2 VVG anwendbar ist.Dass es sich hierbei um den VN handelt, rechtfertigt angesichts der Ausgestaltung derD&O-Versicherung als reine Fremdversicherung keine andere Bewertung. Soweit inder Literatur § 108 Abs. 2 VVG jedwede Bedeutung im Rahmen der Inhaltskontrolleabgesprochen wird, weil diese Regelung keine über das Verbot eines Abtretungs-ausschlusses hinaus gehende Regelung enthalte, die als dispositives Recht auch aufGroßrisiken angewendet werden könne,28 überzeugt diese Begründung nicht. In je-dem Fall wäre die § 108 Abs. 2 VVG zugrundeliegende Wertung des Gesetzgebersauch im Rahmen einer nur am Maßstab des § 398 BGB vorzunehmenden Inhaltskon-trolle zu Lasten des Abtretungsverbots zu berücksichtigen.

3.4 Zwischenergebnis

Als Zwischenergebnis ist festzuhalten, dass die Gesellschaft im Beispielsfall nichtberechtigt ist, den VR unmittelbar auf Zahlung in Anspruch zu nehmen, ohne dass esdarauf ankommt, ob die Gesellschaft oder die Organmitglieder die Verfügungsbefug-nis über den Anspruch auf die Versicherungsleistung haben. Eine Inanspruchnahmedes VR durch die Gesellschaft auf Zahlung ist nur zulässig nach Abtretung des Frei-stellungsanspruchs oder nach Pfändung und Überweisung des Freistellungsanspruchsan die Gesellschaft.

24R. Koch, FS Winter, 2007, S. 345, 347.25BGH 28.1.2003 NJW 2003, 1447, 1448.26Z. B. Langheid/Wandt/Looschelders, VVG, 2009, § 210 Rn. 9.27Vgl. RegE BT-Drucks. 16/3945, S. 87.28Prölss/Martin/Klimke, § 210 Rn. 18, der sich an anderer Stelle (Rn. 8) für eine teleologische Redukti-on des § 210 VVG ausspricht, soweit (halb-)zwingende Normen auch nicht am Vertrag beteiligte Dritteschützen sollen.

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4 Belastung mit Obliegenheiten

Während die Frage, unter welchen Voraussetzungen die Gesellschaft den VR direktauf Zahlung in Anspruch nehmen kann, mit Hilfe sorgfältiger Subsumtion unter dieVVG-Vorschriften zur Fremd- und Haftpflichtversicherung sowie den Regeln desBürgerlichen Rechts ohne weiteres zu beantworten ist, lässt sich Ähnliches nicht fürsolche Konflikte behaupten, die daraus resultieren, dass die Gesellschaft sowohl ge-schädigter Dritte als auch VN ist und in dieser Eigenschaft vor und nach Eintrittdes Versicherungsfalls vertragliche und gesetzliche Obliegenheiten zu beachten hat.Muss die Gesellschaft im Beispielsfall deshalb nicht nur die Pflichtverletzung ihresVorstandsmitglieds A, sondern auch die des B anzeigen? Und hat sie sich aktiv an derAbwehr ihres eigenen Haftpflichtanspruchs gegen A zu beteiligen, wenn der VR nachPrüfung des Sachverhalts zu dem Ergebnis kommt, der Anspruch sei unbegründet?

4.1 Gesellschaft und Organmitglieder als Obliegenheitsadressaten

4.1.1 § 47 VVG als Ausgangspunkt

Dieser Konflikt wird durch § 47 VVG noch verschärft. § 47 Abs. 1 VVG bestimmt,dass bei der Versicherung für fremde Rechnung auch die Kenntnis und das Verhal-ten des Versicherten zu berücksichtigen sind, soweit die Kenntnis und das Verhaltendes VN von rechtlicher Bedeutung sind. Im Rahmen der Fremdversicherung stehenKenntnis und Verhalten des Versicherten somit der Kenntnis und dem Verhalten desVN gleich.29 Hierdurch wird verhindert, dass sich der Versicherte den Verhaltensan-forderungen und den Rechtsfolgen im Falle ihrer Verletzung dadurch entzieht, dasser einen anderen mit dem Abschluss einer Versicherung in seinem Interesse beauf-tragt.30 Es greifen ähnliche Erwägungen wie bei § 20 S. 1 VVG. § 47 Abs. 1 VVGist somit eine Norm, die sowohl die Zurechnung zum VN31 als auch eine eigeneVerantwortlichkeit des Versicherten begründet.32 Als Zurechnungsnorm ist sie vorallem in den Fällen von Bedeutung, in denen die versicherten Personen nicht um denAbschluss der Versicherung wissen und deshalb ihren Obliegenheiten nicht nach-kommen. Ihre Kenntnis von Umständen, die Anzeige-, Auskunfts- oder sonstige Ob-liegenheiten auslösen, wird dem VN zugerechnet und der VN wird so behandelt, alshabe er sich in Kenntnis der entsprechenden Tatsachen so verhalten, wie geschehen.Eine daraus resultierende (teilweise) Leistungsfreiheit kann der VR den versichertenPersonen nach § 334 BGB entgegenhalten.

29BGH, 14.12.1967, BGHZ 49, 130, 134 = NJW 1968, 447.30Bruck/Möller/Brand (Fn. 11), § 47 Rn. 4.31Vgl. BGH, 18.9.1991, RuS 1991, 423, 424 = VersR 1991, 1404; OLG Köln, 18.1.2005, RuS 2006, 235,236; Hans. OLG Hamburg, 4.6.1993, RuS 1995, 7; OLG Hamm, 4.2.1994, VersR 1994, 1464; Lang-heidt/Wandt/Dageförde (Fn. 26), § 47 Rn. 2; a.A. Bruck/Möller/Brand (Fn. 11), § 47 Rn. 8; Nießen,Die Rechtswirkungen der Versicherung für fremde Rechnung unter besonderer Berücksichtigung des In-nenverhältnisses zwischen Versichertem und Versicherungsnehmer, 2004, S. 105; Beckmann/Matusche-Beckmann/Armbrüster (Fn. 1), § 6 Rn. 99.32Vgl. Prölss/Martin/Prölss/Klimke, § 47 Rn. 5; Bruck/Möller/Sieg/K.Johannsen/R. Johannsen, Bd. III, 8.Aufl. 2002, Anm. G 8.

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Von dieser Zurechnungs- und Verhaltensregel macht § 47 Abs. 2 S. 1 VVG ei-ne Ausnahme, wenn der Versicherte keine Kenntnis von der Fremdversicherung hat(Alt. 1) oder dem Versicherten eine rechtzeitige Benachrichtigung des VN nicht mög-lich oder nicht zumutbar war (§ 47 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 VVG). In beiden Konstellationenkann dem Versicherten kein Vorwurf gemacht werden, wenn er weder den VN nochden VR benachrichtigt. Dabei genügt es für die Kenntnis, dass der Versicherte wuss-te, der Vertrag solle geschlossen werden.33 Angesichts der Corporate-Compliance-Debatte, die wir seit einigen Jahren erleben, und der damit einhergehenden Bewusst-seinverschärfung bei Organmitgliedern für Haftungsfragen dürfte die Sicherstellungvon D&O-Versicherungsschutz zumindest bei Aktiengesellschaften zum Grundbe-standteil von Anstellungsverträgen gehören, so dass die Voraussetzungen dieser Aus-nahme kaum vorliegen dürften. Die fehlende Kenntnis schützt den Versicherten imÜbrigen nach § 47 Abs. 2 S. 2 VVG nicht, wenn der VN dem VR bei Vertragsab-schluss nicht angezeigt hat, dass er ohne Auftrag der versicherten Personen handelte.Dahinter steht die Erwägung, dass der VR bei Kenntnis des auftragslosen Handelnsseinerseits den Versicherten benachrichtigen kann, um auf diese Weise die Anzei-gepflicht des Versicherten auszulösen. Der Gesetzeszweck des § 47 VVG lässt sichsomit dahin gehend umschreiben, dass der VR durch die Rollenspaltung auf der Ge-genseite keine Nachteile erleiden soll.34 Da in der Praxis ein Hinweis an den VRnicht erfolgt, bleibt es deshalb bei der Grundregel gemäß § 47 Abs. 1 VVG.

Zu beachten ist, dass die Zurechnung nach § 47 Abs. 1 VVG auf das Verhältniszwischen den jeweiligen Organmitgliedern und der Gesellschaft beschränkt ist. DasWissen sowie die Handlungen und Unterlassungen eines Organmitglieds werden an-deren Organmitgliedern somit nicht zugerechnet.35 Zur Vermeidung der Konsequen-zen einer Anfechtung des Versicherungsvertrages wegen einer arglistigen Täuschung(§§ 22 VVG, 123 BGB) eines Organmitglieds für andere Organmitglieder36 ent-spricht es mittlerweile dem Marktstandard, dass der VR auf sein Recht zur Anfech-tung des Vertrages verzichtet und stattdessen nur die Ansprüche gegen die arglistigtäuschenden Organmitglieder und Mitwisser vom Versicherungsschutz ausschließt.37

Ein solcher Verzicht ist auch nach dem Urteil des BGH in Sachen HEROS II wirksam(BGH, 21.9.2011, RuS 2012, 32).

4.1.2 Gesamtwirkung von „Erfüllungshandlungen“ durch einenObliegenheitsbelasteten?

Die sich aus § 47 Abs. 1 VVG für den VN ergebenden Konfliktsituationen werdendurch die VVG-Reform abgemildert. Bereits vor der Reform blieben (selbst vorsätz-liche) Verletzungen der Anzeigeobliegenheit vor und nach Eintritt des Versicherungs-falls folgenlos, wenn der VR auf andere Weise von den anzeigepflichtigen Umstän-den rechtzeitig Kenntnis erlangt hat.38 In diesem Fall war es dem VR nach § 153

33Vgl. Ritter/Abraham, Recht der Seeversicherung, Bd. I., 2. Aufl. 1967,§ 57 ADS Anm. 8.34Bruck/Möller/Brand, § 47 Rn. 5.35Looschelders/Pohlmann/R. Koch (Fn. 11) , § 47 Rn. 7.36Vgl. OLG Düsseldorf, 23.8.2005, WM 2006, 1874.37Vgl. R. Koch, WM 2007, 2173, 2181 f.38Vgl. OLG Frankfurt/M., 24.5.2007, RuS 2008, 66, 67.

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Abs. 1 S. 2 i. V. m. §§ 6 Abs. 3, 33 Abs. 2 VVG a.F. verwehrt, sich auf die Verlet-zung der Anzeigepflicht zu berufen. An dieser Regelung hat der Reformgesetzgeberin § 104 Abs. 3 i. V. m. § 30 Abs. 2 VVG festgehalten, obgleich es ihrer angesichtsder Einführung des Kausalitätserfordernisses auch bei vorsätzlichen (nicht arglisti-gen) Obliegenheitsverletzungen nicht mehr bedurft hätte.39 Aufgrund des (für alleObliegenheiten geltenden) Kausalitätserfordernisses genügt es, wenn derjenige – seies der VN, sei es eine versicherte Person –, der zuerst Kenntnis von den Umstän-den erlangt hat, die eine Anzeigeobliegenheit begründen, diese Obliegenheit erfüllt.Zeigt der VN anzeigepflichtige Umstände nicht an, erleidet der VR hierdurch keinenNachteil, wenn wenigstens die versicherte Person ihren Anzeigeobliegenheiten nach-kommt und umgekehrt.40 In diesem Fall wird es der sich jeweils fehl verhaltendenPartei gelingen, den Beweis zu führen, dass die Verletzung der Obliegenheit wederfür den Eintritt oder die Feststellung des Versicherungsfalles noch für die Feststel-lung oder den Umfang der Leistungspflicht des VR ursächlich war. Dem VR wirdes dagegen bei Erfüllung der Anzeigeobliegenheit z. B. durch den Versicherten nichtgelingen, die Möglichkeit eines für ihn günstigeren Ergebnisses bei Erfüllung der Ob-liegenheit auch durch den VN aufzuzeigen. Anders mag die Situation bei Verletzun-gen von Aufklärungs- und Rettungsobliegenheiten zu beurteilen sein, weil die Tatsa-chen, die jeweils Gegenstand eigener Wahrnehmung gewesen sind, sich naturgemäßunterscheiden können, und die Zumutbarkeit von Rettungsmaßnahmen hinsichtlichder Person des VN und der versicherten Personen unterschiedlich ausfallen kann.Bei arglistigen Obliegenheitsverletzungen besteht mit Blick auf die in § 28 Abs. 3VVG getroffene grundsätzliche Entscheidung des Gesetzgebers über die Sanktionie-rung von arglistigen Obliegenheitsverletzungen kein Raum für einen Rückgriff aufdas Kausalitätserfordernis, so dass Arglist in der Person eines Obliegenheitsbelaste-ten stets die Leistungsfreiheit des VR zur Folge haben muss.

Der Umstand, dass in der D&O-Versicherung sowohl die Gesellschaft als auchdie Organmitglieder obliegenheitsbelastet sind und die Erfüllung der Obliegenheitdurch einen Obliegenheitsbelasteten dazu führen kann, dass die Leistungspflicht desVR bestehen bleibt, ist auch von Bedeutung für eine mögliche Haftung der Gesell-schaft aus dem Innenverhältnis gegenüber den Organmitgliedern wegen von ihr be-gangener Obliegenheitsverletzungen (hierzu unten VI.). Haben die Organmitgliedernämlich Kenntnis vom Bestand der D&O-Versicherung, kommt eine Kürzung ihresSchadensersatzanspruchs gemäß § 254 Abs. 2 S. 1 Alt. 1 BGB in Betracht, wenn sieihren Obliegenheiten ebenfalls schuldhaft nicht nachkommen.

4.2 Folgerungen für den Ausgangsfall

Mit diesen Erkenntnissen gilt es sich nun wieder dem Beispielsfall zuzuwenden undzu untersuchen, ob der Aufsichtsrat der Gesellschaft durch sein taktisches Vorgehen– die Inanspruchnahme der Vorstandsmitglieder A und B nicht in ein und dersel-ben Versicherungsperiode, sondern in aufeinander folgenden Versicherungsperioden– Obliegenheiten gegenüber dem VR verletzt hat. Der Beispielsfall lässt offen, ob

39Vgl. Landheid/Wandt/Wandt, § 30 Rn. 46 ff.40Looschelders/Pohlmann/R. Koch (Fn. 11), § 47 Rn. 12; Bruck/Möller/Brand (Fn. 11), § 47 Rn. 37.

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und wann die Vorstandsmitglieder Kenntnis von der Pflichtverletzung und den dar-aus resultierenden Schäden erlangt haben. Der Einfachheit halber soll hier unterstelltwerden, dass sie zum selben Zeitpunkt wie der Aufsichtsrat Kenntnis erlangt haben.

4.2.1 Verletzung von Anzeigeobliegenheiten

§ 104 VVG Betrachtet man die haftpflichtversicherungsrechtlichen Sonderregelun-gen, fällt der Blick zunächst auf § 104 VVG. Nach § 104 Abs. 1 S. 1 VVG hatder VN dem VR innerhalb einer Woche die Tatsachen anzuzeigen, die seine Ver-antwortlichkeit gegenüber einem Dritten zur Folge haben könnten. Nun geht es beiD&O-Innenhaftungsfällen nicht um die Verantwortlichkeit des VN, sondern der ver-sicherten Personen. Im Hinblick darauf, dass die Obliegenheiten bei der Fremdversi-cherung (vorbehaltlich abweichender Vereinbarungen) sowohl den VN als auch denVersicherten (vgl. § 47 Abs. 1 VVG) treffen, müssten die Gesellschaft und die betrof-fenen Vorstandsmitglieder A und B innerhalb einer Woche nach Kenntniserlangungvon der Pflichtverletzung dem VR hierüber Anzeige erstatten. Nimmt der VR die-se Anzeigen zum Anlass, den Versicherungsvertrag ordentlich zum nächstmöglichenZeitpunkt zu beenden (eine Kündigung gemäß § 111 VVG kommt mangels Eintrittdes Versicherungsfalls nicht in Betracht), bliebe der Gesellschaft als Option nur dieInanspruchnahme beider Organmitglieder, um den Versicherungsfall noch vor Ver-tragsablauf herbeizuführen. Ein solches Vorgehen würde der Gesellschaft im Hin-blick auf die zur Verfügung stehende Versicherungssumme nicht weiter helfen. Dievereinbarte Nachmeldefrist würde der Gesellschaft ebenfalls nichts nutzen, weil fürden Fall der Kündigung vertragsseitig die Haftung des VR auf die Jahreshöchstsum-me des letzten Versicherungsjahres beschränkt ist.

Die Verletzung der Anzeigeobliegenheit bleibt freilich ohne Sanktion, weil§ 104 VVG keine Rechtsfolge vorsieht (lex imperfecta).41 Die Verletzung derAnzeigeobliegenheit ist erst dann sanktionsbewehrt, wenn der VR diese zum In-halt des Vertrages macht und vertragliche Rechtsfolgen für den Fall ihrer Verlet-zung vereinbart. In diesem Falle gilt uneingeschränkt § 28 VVG. In der D&O-Versicherungsvertragspraxis wird in der Regel keine Obliegenheit zur Anzeige einerdrohenden Inanspruchnahme vereinbart.42 Zuweilen finden sich Anzeigeobliegen-heiten vor Anspruchserhebung in Verträgen, in denen vorbeugender Rechtsschutzversprochen wird, der die Übernahme der Kosten für eine Überprüfung der haftungs-rechtlichen Risiken und der zur Abwehr geeigneten Maßnahmen zum Zwecke derfrühzeitigen Verteidigung der versicherten Person umfasst. In diesem Fall kommt beivorsätzlicher Nichtanzeige eine (kausalitätsabhängige) Leistungsfreiheit des VR inBetracht.

41Vgl. BGH, 3.11.1966, NJW 1967, 776, 778.42Beispielhaft sei auf die GDV Musterbedingungen hingewiesen, die in dieser Hinsicht nicht vom ge-genwärtigen Marktstandarf abweichen. Nach Ziff. 7.3.1 AVB-AVG 2008 (Obliegenheiten vor Eintritt desVersicherungsfalles) hat der VN „[b]esonders gefahrdrohende Umstände [. . .] auf Verlangen des VR in-nerhalb angemessener Frist zu beseitigen. Dies gilt nicht, soweit die Beseitigung unter Abwägung derbeiderseitigen Interessen unzumutbar ist. Ein Umstand, der zu einem Schaden geführt hat, gilt ohne wei-teres als besonders gefahrdrohend.“

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Wird der Gesellschaft und/oder den Organmitgliedern– wie im Ausgangsfall – dieMöglichkeit zur Meldung von Umständen eingeräumt, die mit hinreichender Wahr-scheinlichkeit zur Geltendmachung eines Haftpflichtanspruchs führen können, so re-sultiert daraus noch keine Anzeigeobliegenheit. Es geht bei dieser Meldung nämlichnicht primär um die Mitteilung von Wissen, sondern um die Herbeiführung einerdie versicherten Organmitglieder begünstigen Rechtsfolge, nämlich die Fiktion desEintritts des Versicherungsfalls, soweit später auf diesen Umständen beruhende An-sprüche tatsächlich geltend gemacht werden.

§ 23 VVG Des Weiteren stellt sich die Frage, ob die Pflichtverletzung der Organmit-glieder nicht als eine Gefahrerhöhung zu qualifizieren ist, die die Gefahrstandsoblie-genheiten gemäß § 23 VVG auslöst. Eine Gefahrerhöhung liegt nach der Rechtspre-chung des BGH vor, wenn „die Veränderungen dem VR vernünftigerweise hättenAnlass bieten können, die Versicherung aufzuheben oder nur gegen erhöhte Prämienfortzusetzen“.43 Zum Teil wird auch gefordert, dass „nachträglich eine Gefahren-lage eingetreten ist, bei der der Versicherer den in Frage stehenden Versicherungs-vertrag entweder überhaupt nicht oder jedenfalls nicht zu der vereinbarten Prämieabgeschlossen hätte“.44 Der österreichische OGH definiert den Begriff der Gefahr-erhöhung als „jede objektive, nach Abschluss des Vertrags eingetretene erheblicheÄnderung der Umstände, die den Eintritt des Versicherungsfalls wahrscheinlichermacht und den Versicherer deshalb vernünftigerweise veranlassen kann, die Versi-cherung aufzuheben oder nur gegen erhöhte Prämien fortzusetzen“.45 Auf den ers-ten (flüchtigen) Blick scheint es naheliegend, die Pflichtverletzung eines Organs alsGefahrerhöhung zu qualifizieren, macht diese doch den Eintritt des Versicherungs-falls wahrscheinlicher und hätte der VR den Vertrag bei Kenntnis hiervon nicht abge-schlossen. Gegen die Annahme einer Gefahrerhöhung spricht jedoch, dass der Ver-sicherungsschutz hierdurch entwertet würde. Zu Recht weist Prölss darauf hin, dasseine Gefahrerhöhung mitversichert ist, „wenn sie die notwendige. . . Zwischenstati-on der Verwirklichung einer der in der Risikobeschreibung angeführten versichertenGefahren ist“.46 So liegt der Fall in der Haftpflichtversicherung, wenn die Pflicht-verletzung oder der Schaden aus einer versicherten Tätigkeit resultiert. Soweit in derVertragspraxis Regelungen und Beispiele zur Gefahrerhöhung enthalten sind, betref-fen diese in der Regel nur Veränderungen in der Gesellschafterstruktur, den Erwerbund die Neugründung von Gesellschaften oder den Börsengang, nicht aber den Fall,dass infolge eines Pflichtverstoßes die Wahrscheinlichkeit des Eintritts des Versiche-rungsfalls gestiegen ist.

4.2.2 Verletzung der Obliegenheit zur Schadensabwendung/-minderung

Schließlich ist zu klären, ob die Gesellschaft und die Organmitglieder sich darumbemühen müssen, den durch die Pflichtverletzung bereits eingetretenen Schaden zu

43Z. B. BGH, 24.11.1983, VersR 1983, 284.44BGH, 11.12.1980, BGHZ 79, 156, 158 = VersR 1981, 245; BGH, 8.7.1987, VersR 1987, 921.45Vgl. öOGH, 14.6.2000, VersR 2002, 127.46Prölss/Martin/Prölss (Fn. 1), § 23 Rn. 12.

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vermindern und den Eintritt weiterer Schäden abzuwenden. Hierzu könnte im Aus-gangsfall bezüglich des Vorstandsmitglieds B beispielsweise die Veräußerung ver-lustbringender Unternehmensteile oder die Kündigung von Verträgen zählen.

Nach § 82 Abs. 1 VVG hat der VN erst „bei Eintritt des Versicherungsfalles“ nachMöglichkeit für die Abwendung und Minderung des Schadens zu sorgen. Nach denVorstellungen des Reformgesetzgebers sollen die Rettungsobliegenheiten erst „mit“dem Eintritt des Versicherungsfalls entstehen.47 Hierdurch soll eine zeitliche Über-schneidung des Anwendungsbereichs der Rettungsobliegenheiten mit subjektiven Ri-sikoausschlüssen im Hinblick auf die Unterschiede bei der Beweislastverteilung unddie Beschränkung der Leistungsfreiheit durch das Kausalitätserfordernis bei vorsätz-lichem Verhalten vermieden werden. In der Sachversicherung droht in der Tat einesolche Überschneidung, da die Definition des Versicherungsfalls an den Eintritt desSchadens anknüpft. Das Unterlassen der Abwendung des (Erst-)Schadens fällt hier inden Anwendungsbereich sowohl von § 81 VVG als auch § 82 VVG. Gleiches gilt fürdie Privat- und Betriebshaftpflichtversicherung, weil der Vorsatzausschluss gemäß §103 VVG ausdrücklich auf die Schadensherbeiführung abstellt.48

In der D&O-Versicherung knüpft die Vertragspraxis ebenso wie in der Vermögens-schadenhaftpflichtversicherung an die vorsätzliche (wissentliche) Pflichtverletzungder Organmitglieder an. Eine Überschneidung dieses vertraglich in Abweichung zu§ 103 VVG vereinbarten Ausschlusses mit § 82 VVG scheidet deshalb aus. Im Hin-blick auf den gesetzgeberischen Willen scheint eine Vorverlagerung der Rettungsob-liegenheit – verbunden mit dem Anspruch der Organmitglieder auf Rettungskostener-satz nach § 83 VVG – durchaus vertretbar.49 Denn letztlich lässt sich auch die D&O-Versicherung als ein auf dem Verstoßprinzip beruhendes Deckungskonzept begreifen,das gegenüber herkömmlichen Vermögensschadendeckungen die Besonderheit auf-weist, dass erstens der Haftpflichtanspruch innerhalb der Vertragslaufzeit (oder einervereinbarten Nachmeldefrist) geltend gemacht werden muss. Zweitens knüpft die füreinzelne oder mehrere Pflichtverletzungen zur Verfügung stehende Versicherungs-höchstsumme nicht an das Jahr an, in dem die Pflichtverletzungen begangen wur-den, sondern in dem Ansprüche gegen die Organmitglieder geltend gemacht werden.So betrachtet fügt sich die D&O-Versicherung widerspruchsfrei – was die Vorschriftzur Rückwärtsversicherung (§ 2 VVG), die hier angesprochene Rettungsobliegenheit(§ 82 VVG) und die Überschrift des § 103 VVG (Herbeiführung des Versicherungs-falls) angeht – in das VVG ein.

Gegen eine Anwendung von § 82 VVG auf den VN in der D&O-Versicherung lie-ße sich anführen, dass sich Inhalt und Umfang der Rettungsobliegenheiten am Verhal-ten eines Nicht-Versicherten orientieren. Vom Versicherten wird also erwartet, dasser sich so verhält wie ein Nicht-Versicherter. Diesen Maßstab wird man jedoch nur andiejenigen anlegen können, deren Interesse versichert ist, in der D&O-Versicherungsomit die versicherten Organmitglieder, nicht hingegen die Gesellschaft. Insoweitfehlt hinsichtlich der Gesellschaft an sich der zur Bestimmung von Inhalt und Um-fang der Rettungsobliegenheiten erforderliche Vergleichsmaßstab.

47BT-Drucks. 16/3945, S. 203.48Hierzu umfassend Bruck/Möller/R. Koch (Fn. 11), § 82 Rn. 32 ff.49Bruck/Möller/R. Koch (Fn. 11), § 82 Rn. 103.

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Bringt man § 82 VVG zur Anwendung, ist die dort genannte Beschränkung fürden Obliegenheitsbelasteten auf zumutbare Rettungsmaßnahmen zu beachten. We-der von den in Anspruch genommenen noch von den anderen, für die Gesellschafthandelnden Vorstandsmitgliedern kann verlangt werden, dass diese unter Verstoß ge-gen § 93 Abs. 1 S. 1 AktG unverantwortliche Risiken zur Schadensabwendung und–minderung eingehen. Des Weiteren ist zu berücksichtigen, dass den Vorstandsmit-gliedern auch hinsichtlich der Bewertung solcher Risiken nach § 93 Abs. 1 S. 2 AktGein Beurteilungsspielraum zuzubilligen ist.50 Unabhängig von solchen, im Kontextdes Risikomanagements zu treffenden Maßnahmen, dürfte es der Gesellschaft bzw.den für sie handelnden, nicht in Anspruch genommenen Organmitgliedern nicht zu-zumuten sein, über die Erteilung von Auskunft über den haftpflichtbegründendenSachverhalt hinausgehend an der Abwehr der Haftpflichtansprüche mitzuwirken.Im Haftpflichtprozess ist die Gesellschaft nicht gehalten, im Rahmen ihrer (Aktiv-)Prozessführung auf die Interessen des VR Rücksicht zu nehmen. Anders sieht es da-gegen bei den in Anspruch genommenen Organmitgliedern aus.51

Bei alledem ist ferner zu beachten ist, dass die Verletzung der Rettungsobliegen-heit für die in Anspruch genommenen Vorstandsmitglieder folgenlos bleibt, wenndas Versäumnis, den Schaden abzuwenden oder zu mindern, zu einer Kürzung desHaftpflichtanspruchs der Gesellschaft führt (§ 254 Abs. 2 S. 1 BGB) und der VRinsoweit keinen Nachteil erleidet. Es geht hier vor allem um die Fälle, in denen diebetroffenen Organmitglieder bereits aus ihrem Amt ausgeschieden sind.52 Eine Kür-zung findet im Übrigen dann nicht statt, wenn für das Versäumnis andere Mitgliederdes Vorstands als Gesamtschuldner verantwortlich sind. Wie § 93 Abs. 2 S. 1 AktGzeigt, bilden diese dann nämlich im Verhältnis zur Gesellschaft zusammen mit demin Anspruch genommenen Organmitgliedern eine Haftungsgemeinschaft und haftengesamtschuldnerisch auf den gesamten Schaden (§§ 421ff. BGB), dessen Aufteilungdem Regress im Innenverhältnis unterliegt (§ 426 BGB).53

4.3 Zwischenergebnis

Bezogen auf das Ausgangsbeispiel ist das (taktische) Verhalten der Gesellschaft so-mit nach Maßgabe des VVG grundsätzlich nicht deckungsschädlich. Nimmt der VRdie Inanspruchnahme des Vorstandsmitglieds A zum Anlass, den Versicherungsver-trag wegen Eintritts des Versicherungsfalls (§ 111 Abs. 1 VVG) zu kündigen, endetder Vertrag frühestens mit Ablauf eines Monats und spätestens zum Ende der Versi-cherungsperiode (§§ 111 Abs. 2, 92 Abs. 2 S. 3 VVG).

50Hierzu R. Koch, ZGR 2006, 184, 193 f.51Schimikowski, RuS 2009, 327, 331.52OLG Oldenburg, 22.6.2006, NZG 2007, 434, 439; vgl. auch BGH, 14.3.1983, WM 1983, 725 (für eineGmbH); OLG München, 17.9.1999, NZG 2000, 741, 744; Nichtannahmebeschl. BGH, 5.7.1993, DStR1993, 1637, 1638 zit. von Goette, DStR 1993, 1637, 1638.53Vgl. BGH 14.3.1983 WM 1983, 725 (für eine GmbH); OLG München 17.9.1999 NZG 2000, 741, 744;Nichtannahmebeschl. BGH 5.7.1993 DStR 1993, 1637, 1638 zit. von Goette, DStR 1993, 1637, 1638.

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5 Exkurs: Verteilungsverfahren bei nicht ausreichender Versicherungssumme

Im Ausgangsfall ist eine Umstandsmeldefrist während der Laufzeit des Vertrages undbis zu 60 Tagen nach Vertragsbeendigung vorgesehen. Dies entspricht dem gegen-wärtigen Marktstandard. Organmitglieder, die eine Innenhaftung befürchten, müssensich also keine Sorge mehr darum machen, dass die Gesellschaft ihre Ansprüche nichtwährend der Vertragslaufzeit oder innerhalb einer vereinbarten Nachmeldefrist recht-zeitig geltend macht und ihnen deshalb der Verlust des Versicherungsschutzes droht.Sie brauchen keine (gerichtlichen) Maßnahmen (z. B. negative Feststellungsklage) zuergreifen, die letztlich zu einer Inanspruchnahme seitens der Gesellschaft und damiteinhergehend zum Eintritt des Versicherungsfalls führen.

Nicht nur mit Blick auf den Ausgangsfall stellt sich jedoch die Frage, welchePflichten den VR hinsichtlich der Verteilung der Versicherungssumme treffen, wenndie innerhalb des Versicherungsjahres gleichzeitig geltend gemachten Haftpflichtan-sprüche diese Summe übersteigen. Keine Probleme bestehen bei einer gesamtschuld-nerischen Haftung. Werden z. B. die Organmitglieder von der Gesellschaft als Ge-samtschuldner erfolgreich auf Zahlung von 30 Mio. € in Anspruch genommen, be-trägt die Versicherungssumme jedoch lediglich 25 Mio. €, mindert sich durch dieZahlung des VR an die Gesellschaft die Gesamthaftpflichtschuld aller Organmitglie-der auf 5 Mio. € (§ 422 BGB). Hinsichtlich dieses Restbetrags kann die Gesell-schaft nach ihrem Belieben von jedem haftenden Organmitglied Zahlung verlangen,zwischen den Organmitgliedern findet ggf. ein anteilsmäßiger Regress statt. Im Bei-spielsfall haften die Organmitglieder A und B jedoch nicht als Gesamtschuldner, dasie nicht wegen desselben Schadens verantwortlich gemacht werden.

Die gegenwärtig auf dem Markt angebotenen Versicherungsverträge enthalten kei-ne Bestimmungen zur Verteilung der (nicht ausreichenden) Versicherungssumme aufdie Organmitglieder. Ebenso wenig treffen die Vorschriften zur Fremdversicherungoder zur Haftpflichtversicherung eine Regelung zur Verteilung der Versicherungss-umme auf versicherte Personen, soweit die Summe nicht zur Befriedigung der An-sprüche des/der Geschädigten ausreicht. § 109 S. 1 VVG behandelt nur den Fall derAußenhaftung, bei dem es bei einem Haftpflichtfall mehrere geschädigte Dritte gibtund die Versicherungssumme nicht zu ihrer Befriedigung ausreicht. Der VR hat al-le Haftpflichtansprüche nach dem Verhältnis ihrer Beträge zu erfüllen. Ergänzendbestimmt § 109 S. 2 VVG, dass sich ein bei der Verteilung nicht berücksichtigterDritter bei Erschöpfung der Versicherungssumme auf § 108 Abs. 1 VVG nicht beru-fen kann, wenn der VR mit der Geltendmachung dieser Ansprüche nicht gerechnethat und auch nicht rechnen musste. Der zu spät kommende Dritte geht also leer aus.Fraglich ist, ob eine analoge Anwendung von § 109 S. 1 VVG auf die hier in Redestehende Konstellation mit der Folge in Betracht kommt, dass der VR die Freistel-lungsansprüche der Organmitglieder nach dem Verhältnis ihrer Haftpflichtbeträge zuerfüllen hat. § 109 S. 2 VVG könnte sinngemäß dahingehend angewendet werden,dass bei Erschöpfung der Versicherungssumme ein bei der Verteilung unberücksich-tigtes Organmitglied vom VR die Neuberechnung der Quoten und Freistellung inHöhe der auf ihn entfallenden Quote verlangen kann, es sei denn, der VR hat mit denspäter geltend gemachten Haftpflichtansprüchen nicht gerechnet und musste auchnicht damit rechnen. Im Falle einer erforderlichen Neuberechnung der Quote könn-te der VR von den Organmitgliedern, die mehr erhalten haben, als ihnen nach der

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Neuberechnung zusteht, Rückzahlung nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 BGB verlangen,da diese insoweit ohne rechtlichen Grund von ihrer Haftpflichtschuld gegenüber derGesellschaft befreit worden sind.54

Ob § 109 VVG analog vorliegend herangezogen werden kann, scheint auf den ers-ten Blick fraglich, weil diese Vorschrift dem sozialen Gedanken der Haftpflichtversi-cherung Rechnung tragen will. Das Risiko der Erschöpfung der Versicherungssummesoll mehreren durch einen Haftpflichtfall geschädigten Personen gleichmäßig aufge-bürdet werden.55 Das in der Einzelzwangsvollstreckung herrschende Prioritätsprin-zip (vgl. § 804 Abs. 3 ZPO) gilt deshalb nicht.56 Stattdessen findet in Anlehnung an§ 1991 Abs. 4 BGB und das Insolvenzverfahren eine verhältnismäßige Befriedigungstatt.57 Nach dem Willen des Gesetzgebers dient die Verteilungsregelung aber auchder Beschleunigung der Auszahlung der Versicherungssumme an die Geschädigten.Ausdrücklich heißt es in der Begründung des § 156 Abs. 3 a. F., der Vorgängerre-gelung zu § 109 VVG, dass „eine Hinterlegung durch den VR möglichst vermiedenwerden [muss]“.58 Genau diese droht zumindest dann, wenn der VN Ansprüche ge-gen mehrere Organmitglieder gleichzeitig erhebt und diese ihrerseits Ansprüche ge-gen den VR auf Freistellung geltend machen. Die sich aus der fehlenden gesetzlichenRegelung über die Verteilung ergebende Unsicherheit ist als in der Person des Gläubi-gers liegender Grund i. S. von § 372 S. 2 BGB anzusehen. Eine analoge Anwendungdes § 109 VVG ist deshalb in Betracht zu ziehen. Verneinendenfalls müsste die Re-gelungslücke im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung des Versicherungsvertragsi. S. des § 109 VVG geschlossen werden, weil diese Vorschrift den Interessen allerBeteiligten angemessen Rechnung trägt: dem VR wird das Risiko einer fehlerhaftenVerteilung der Versicherungssumme genommen, die Gesellschaft erhält zügig Befrie-digung und die Verteilung der Versicherungssumme hängt nicht allein vom Zeitpunktder Inanspruchnahme durch die Gesellschaft ab, auf die die Organmitglieder keinenEinfluss nehmen können.

6 Verhältnis zwischen versicherter Person und VN

Im letzten Abschnitt soll das Verhältnis zwischen den Organmitgliedern und der Ge-sellschaft näher beleuchtet werden. Hier treten neben den versicherungsvertraglichenBeziehungen der Anstellungsvertrag und das Organ-/Korporationsverhältnis.59 BeiAufsichtsratsmitgliedern ist umstritten, ob neben dem Organverhältnis ein begleiten-des Rechtsverhältnis in Form eines Dienstvertrages tritt. Die aktienrechtliche Litera-tur vertritt mehrheitlich die Ansicht, dass die Rechte und Pflichten der Aufsichtsrats-

54Vgl. Prölss/Martin/Lücke (Fn. 1), § 109 Rn. 13; Berliner Kommentar/Baumann, VVG, 1999, § 156 Rn.61.55Vgl. Motive (Fn. 11), S. 639.56BGH, 26.6.1985, VersR 1985, 1054.57Vgl. Sieg, Ausstrahlungen der Haftpflichtversicherung, 1952, S. 174 f.58Motive (Fn. 11), S. 639.59Zur Abgrenzung Organ-/Anstellungsverhältnis Goette, DStR 1998, 938 ff.

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mitglieder nur durch Gesetz, Satzung und Hauptversammlungsbeschlüsse begründetwerden.60

6.1 Gesetzliches Treuhandverhältnis

Lässt man die Vertragspraxis in der D&O-Versicherung für einen Moment außer Be-tracht und nimmt nur die gesetzlichen Regelungen zur Fremdversicherung in denBlick, so lässt die zuvor geschilderte Aufspaltung zwischen Verfügungsbefugnis undmaterieller Berechtigung hinsichtlich des Anspruchs auf die Versicherungsleistungmit Eintritt des Versicherungsfalls ein gesetzliches Treuhandverhältnis entstehen.61

Die treuhänderische Bindung ist allerdings – wie zu Beginn meiner Ausführungenangemerkt – auf die den Organmitgliedern zustehenden Forderungsrechte gegen denVR beschränkt.62 Hinsichtlich der den Versicherungsvertrag als Ganzes berührendenRechte kann dagegen keine treuhänderische Bindung entstehen, weil diese Rechtenur der Gesellschaft in ihrer Eigenschaft als VN zustehen. Vor Eintritt des Versiche-rungsfalls ist die Gesellschaft noch keine Treuhänderin. Sie kann deshalb frei überdas Versicherungsverhältnis verfügen.63 Für Organmitglieder nachteilige Verfügun-gen können nur zu Schadensersatzansprüchen wegen Verletzung des zwischen ihnenund der Gesellschaft bestehenden Schuld-/Organverhältnisses führen. Nach Eintrittdes Versicherungsfalls ist die Gesellschaft im Grundsatz verpflichtet, den ihr nichtzustehenden Entschädigungsbetrag einzuziehen und an die Organmitglieder auszu-kehren. In der Praxis wird sie gegen den Herausgabeanspruch des Organmitgliedsmit ihrem Haftpflichtanspruch aufrechnen (§§ 387, 389 BGB). Zur Sicherung desHerausgabeanspruchs kann der Versicherte gemäß § 241 Abs. 2 BGB, ggf. aus § 666BGB Auskunft über den sachlichen Umfang der Versicherung und die Adresse desD&O-Versicherers verlangen.64 Dieser Auskunftsanspruch begründet ein Zurückbe-haltungsrecht des Organmitglieds gemäß § 273 Abs. 1 BGB gegenüber dem Haft-pflichtanspruch der Gesellschaft, soweit es sich die Versicherungsunterlagen nichtselbst in zumutbarer Weise verschaffen oder einsehen kann. Bei Obliegenheitsver-letzungen der Gesellschaft haben die Organmitglieder in dem Umfang, in dem derVR leistungsfrei wird, einen Schadensersatzanspruch gegen die Gesellschaft, der beiKenntnis der Organmitglieder vom Versicherungsschutz ggf. wegen Mitverschuldensgemäß § 254 Abs. 2 S. 1 Alt. 2 BGB zu kürzen ist.

60MünchKommAktG/Habersack, 3. Aufl. 2008, § 101 Rn. 67; Baumbach/Hueck/Zöllner/Noack, GmbHG,19. Aufl. 2010, § 52 Rn. 59; KölnerKomm/Mertens, AktG, 3. Aufl. 2004 ff., § 101 Rn. 5 ff.; a.A. RG,2.3.1929, RGZ 123, 351, 354; RG, 2.11.1934, RGZ 146, 145, 152.61Vgl. BGH, 7.5.1975, BGHZ 64, 260, 264 = NJW 1975, 1273; bestätigt durch BGH, 12.12.1990, BGHZ113, 151, 154 = VersR 1991, 299; BGH, 29.7.1991, BGHZ 115, 275, 280 = VersR 1991, 299; BGH,12.6.1991, NJW 1991, 3031, 3032 = VersR 1994, 1011; BGH, 27.5.1998, NJW 1998, 2537, 2538; BAG,17.6.1997, NZA 1998, 376, 377; OLG Saarbrücken, 10.11.2004, NJW-RR 2005, 709, 710; OLG Köln,18.10.1989, VersR 1990, 847, 848; öOGH, 5.8.2003, VersR 2005, 1267, 1268; öOGH, 29.11.2006, VersR2008, 283.62Vgl. BGH, 7.5.1975, BGHZ 64, 260, 264 = NJW 1975, 1273.63Unpräzise insoweit BGH, 7.5.1975, BGHZ 64, 260, 264 = NJW 1975, 1273.64Vgl. BGH, 12.6.1991, NJW 1991, 3031, 3032 (Gebäudeversicherung); BGH, 12.12.1990, BGHZ 113,151, 154 = VersR 1991, 299 (Vertrauensschadenversicherung der Notarkammern).

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Wie zuvor bereits erwähnt wird in der D&O-Versicherung die Verfügungsbefugnisder Gesellschaft über die Rechte der versicherten Person durchweg abbedungen.65 Esfehlt somit bei Eintritt des Versicherungsfalls (Geltendmachung des Schadensersatz-anspruchs) an der für die Entstehung eines Treuhandverhältnisses erforderlichen Auf-spaltung zwischen materieller Berechtigung und Verfügungsbefugnis am Versiche-rungsanspruch.66 Wird der Versicherungsschutz der Organmitglieder durch Verfü-gungen oder Obliegenheitsverletzungen der Gesellschaft nachteilig berührt, kommendeshalb nur Schadensersatzansprüche gegen die Gesellschaft aus dem Anstellungs-und/oder aus dem Organ-/Korporationsverhältnis in Betracht. Wertungsmäßig ver-mag dieses Ergebnis nicht vollends zu überzeugen, weil es dazu führt, dass in denFällen, in denen die verfügungsbefugten versicherten Personen keine Kenntnis vomVersicherungsschutz haben oder auch nur den VR nicht kennen (weil sie nicht im Be-sitz des Versicherungsscheins sind), keinen versicherungsvertragsrechtlichen Schutzbeanspruchen können, obgleich sie im Vergleich zu nicht verfügungsbefugten Versi-cherten eine stärkere Rechtsstellung gegenüber dem VN und dem VR innehaben.

6.2 Anstellungs-/Korporationsverhältnis

6.2.1 Vereinbarung über Sicherstellung von D&O-Versicherungsschutz

Hat die Gesellschaft sich – wie im Beispielsfall – im Anstellungsvertrag zum Ab-schluss und zur Aufrechterhaltung einer D&O-Versicherung verpflichtet, haftet siegegenüber ihren Organmitgliedern nach § 280 Abs. 1 BGB auf Schadensersatz, wennder Abschluss einer D&O-Versicherung unterblieben, der Versicherungsanspruchdurch Verletzung einer Rechtspflicht erloschen (z. B. Kündigung wegen Prämien-verzugs) oder der VR infolge einer Obliegenheitsverletzung (teilweise) leistungs-frei ist. Das Organmitglied kann die Gesellschaft in dem Maße auf Schadenersatzin Anspruch nehmen und gegen den Anspruch der Gesellschaft aus der Innenhaf-tung aufrechnen, wie zur Abdeckung des Schadensfalls Leistungen aus der D&O-Versicherung zur Verfügung gestanden hätten oder bei konkreten Vorgaben im An-stellungsvertrag z. B. zur Versicherungssumme und zum Selbstbehalt zur Verfügunghätten stehen müssen.67 Auch hier gilt, dass bei Obliegenheitsverletzungen der Ge-sellschaft der Schadensersatzanspruch der Organmitglieder bei Kenntnis vom Versi-cherungsschutz ggf. gemäß § 254 Abs. 2 S. 1 BGB zu kürzen ist. Soweit es nichtim Besitz des Versicherungsscheins ist und sich die Versicherungsunterlagen nicht inzumutbarer Weise verschaffen oder einsehen kann, hat das Organmitglied – wie imFalle des Bestehens eines gesetzlichen Treuhandverhältnisses – Anspruch aus Aus-kunft, und zwar als leistungsbezogene Nebenpflicht (§ 241 Abs. 1 BGB) aus demAnstellungsvertrag, die auch nach dessen Beendigung fortwirkt.68 Eines Rückgriffs

65Vgl. Lange, VersR 2010, 162, 167 f.66Lange, VersR 2010, 162, 167 f.; Beckmann/Matusche-Beckmann/Armbrüster § 6 Rn. 117; noch teilwei-se anders R. Koch, GmbHR 2004, 160, 163.67R. Koch, GmbHR 2004, 160, 167; Lange, VersR 2010, 162, 163 f.68R. Koch, GmbHR 2004, 160, 166 f.

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auf § 242 BGB bedarf es nicht. Wird in den Anstellungsverträgen die Höhe der De-ckungssumme festgelegt, ist die von der Gesellschaft übernommene Gewähr bei ver-ständiger Würdigung nicht als Garantie zu verstehen, sondern als Verpflichtung, mitdem VR eine entsprechende Versicherungssumme zu vereinbaren. Steht die Versi-cherungssumme aufgrund von Schadensfällen nicht mehr in der vereinbarten Höhezur Verfügung, erwächst daraus deshalb keine Haftung der Gesellschaft.

Offen ist noch die Frage, ob die Gesellschaft im Beispielsfall durch ihr taktischesVorgehen hinsichtlich der Reihenfolge der Inanspruchnahme der VorstandsmitgliederA und B Rechtspflichten gegenüber B verletzt. Die Verletzung einer Rechtspflicht ge-genüber B, die sich nur aus § 241 Abs. 2 BGB herleiten lässt, dürfte zu verneinen zusein. Zwar ist der Aufsichtsrat nach §§ 111 Abs. 1, 112 AktG grundsätzlich gehalten,Haftpflichtansprüche der Gesellschaft gegen Vorstandsmitglieder geltend zu machen.Verstößt der Aufsichtsrat gegen diese Pflichten, haftet er seinerseits nach §§ 116, 93Abs. 2 AktG. Jedoch hat er seine Entscheidung, ob er Haftpflichtansprüche geltendmacht, allein am Unternehmenswohl auszurichten. Die Interessen der Vorstandsmit-glieder müssen insoweit zurückstehen. Selbst wenn man eine Rücksichtnahmepflichtannehmen würde, hätte der Aufsichtsrat sie im Ausgangsfall nicht verletzt. Nach derRechtsprechung des BGH hat der Aufsichtsrat nämlich nicht nur die Rechtslage zuprüfen und die Prozessrisiken abzuwägen, sondern auch die Beitreibbarkeit der For-derung abzuschätzen.69 Es ist daher nicht zu beanstanden, dass sich der Aufsichtsratbei seiner Entscheidung, zunächst den Vorstand A in Anspruch zu nehmen, von Sol-venzerwägungen hat leiten lassen.70

6.2.2 Fehlende Vereinbarung über Sicherstellung von D&O-Versicherungsschutz

Haben die Parteien keine Regelung über die Sicherstellung von D&O-Versicherungs-schutz getroffen, ist die Gesellschaft weder aus dem Anstellungsvertrag (im Rahmendes Rücksichtnahmegebots nach § 241 Abs. 2 BGB) noch aus dem Organverhält-nis (als Ausfluss der Treu- und Fürsorgepflichten) gegenüber ihren Organmitgliedernzum Abschluss einer D&O-Versicherung verpflichtet.71

Hat sie gleichwohl eine Versicherung abgeschlossen, stellt sich die Frage, ob dieGesellschaft Pflichten gegenüber ihren Organmitgliedern treffen und falls ja, welcheRechtsfolgen bei Pflichtverletzungen eintreten. Spezielle Rechtsprechung, wie die-ser Fall in der D&O-Versicherung zu behandeln ist, existiert nicht. Allerdings gibtes ein Urteil des BAG zur Gruppenunfallversicherung eines Arbeitgebers zugunstenseiner Arbeitnehmer. In jenem Fall hatte der Arbeitgeber seine Arbeitnehmer nichtüber den Abschluss der Versicherung informiert und es auch selbst versäumt, den Un-fall einer Arbeitnehmerin fristgemäß beim VR anzuzeigen. Als der VR deshalb die

69BGH, 16.03.2009, NJW 2009, 2545, 2456 f. = VersR 2009, 1635.70Lange, VersR 2010, 162, 171; Ihlas (Fn. 1), S. 655; teilweise noch anders R. Koch, GmbHR 2004, 160,164.71BGH, 16.03.2009, NJW 2009, 2545, 2456 = VersR 2009, 1635 (Aufsichtsrat); OLG Koblenz,24.9.2007, NZG 2008 280 (GmbH-Geschäftsführer); R. Koch, GmbHR 2004, 160, 167 f.; MünchKomm-AktG/Spindler (Fn. 60), § 84 Rn. 90; Lange, VersR 2010, 162, 164; Kort, DStR 2006, 799, 801; Fleischer,WM 2005, 909, 919; Peltzer, Festschrift für Harm Peter Westermann, 2008, S. 1257, 1274.

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Leistung verweigerte, verklagte die verunfallte Arbeitnehmerin den Arbeitgeber aufSchadensersatz. Nach Auffassung des BAG „trifft den Arbeitgeber eine Auskunfts-pflicht, wenn der Arbeitnehmer in entschuldbarer Weise über das Bestehen oder denUmfang seiner Rechte, die im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis stehen, imUngewissen ist, während der Arbeitgeber unschwer Auskunft geben kann“.72 Zu die-sen Rechten zählten auch Ansprüche aus einer Gruppenunfallversicherung. Deshalbsei der Arbeitgeber verpflichtet, den Arbeitnehmer darauf hinzuweisen, dass dieserverpflichtet sei, den Versicherungsfall selbst unmittelbar dem VR anzuzeigen. Ver-säume der Arbeitnehmer auf Grund dieser unterbliebenen Unterrichtung die für dieGeltendmachung von Ansprüchen gegen den VR einschlägigen Fristen, so habe derArbeitgeber seine Aufklärungspflicht schuldhaft verletzt und dem Arbeitnehmer dendadurch entstandenen Schaden zu ersetzen.

Überträgt man dieses Urteil auf die D&O-Versicherung, wäre die Gesellschaft,die Haftpflichtansprüche geltend macht, zumindest ihren mitversicherten leitendenAngestellten gegenüber zur Auskunft verpflichtet. Im Hinblick darauf, dass die Aus-kunftspflicht vor Inkrafttreten des § 241 Abs. 2 BGB aus Treu und Glauben (§ 242BGB) hergeleitet worden ist, dürfte sich diese Auskunftspflicht aber nicht auf die-sen Personenkreis beschränken, sondern auch für Organmitglieder gelten, die kei-ne Kenntnis vom Abschluss einer D&O-Versicherung haben.73 Ist das Organmit-glied bei einer Konzerntochter tätig, kann es von ihr verlangen, dass diese bei derKonzernmutter Auskunft einholt.74 Die Rechtslage bei freiwilligem Abschluss einerD&O-Versicherung unterscheidet sich von der Situation, in der die Gesellschaft sichgegenüber den Organmitgliedern zur Sicherstellung von D&O-Versicherungsschutzverpflichtet hat, somit nur darin, dass vor Eintritt des Versicherungsfalls die Gesell-schaft bei freiwilligem Abschluss keine Pflichten gegenüber den Organmitgliederntreffen und deshalb auch nicht für eine wie auch immer geartete Verschlechterungdes D&O-Versicherungsschutzes vor Eintritt des Versicherungsfalls haftet.

7 Zusammenfassung in Thesen

1. Das Dreiecksverhältnis zwischen VR, VN und versicherten Personen in der D&O-Versicherung ist abweichend von anderen Erscheinungsformen der Haftpflichtver-sicherung dadurch gekennzeichnet, dass erstens nur die Interessen der versichertenPersonen versichert sind, zweitens Haftpflichtansprüche des VN gegen versichertePersonen versichert sind und deshalb drittens der VN im Rahmen der Innenhaf-tung zugleich geschädigter Dritter i. S. von § 100 VVG ist.

2. Unabhängig von der Verfügungsbefugnis über den Anspruch auf die Versiche-rungsleistung kann die Gesellschaft sowohl in ihrer Rolle als VN als auch in ihrerEigenschaft als geschädigte Dritte den VR nur nach Abtretung oder nach Pfän-dung und Überweisung des Freistellungsanspruchs des in Anspruch genommenenOrganmitglieds auf Zahlung in Anspruch nehmen.

72BAG, 26.07.2007, VersR 2008, 558, 559.73Lange, VersR 2010, 162, 168 f.74A.A. Lange, VersR 2010, 162, 169.

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3. Den Regeln der Fremdversicherung folgend sind sowohl die Gesellschaft als auchdie Organmitglieder obliegenheitsbelastet (§ 47 VVG). Bezüglich der Anzeigeob-liegenheiten vor und nach Eintritt des Versicherungsfalls entfaltet die „Erfüllung“durch einen Obliegenheitsbelasteten im Hinblick auf das Erfordernis der Kausa-lität grundsätzlich auch Wirkung zugunsten der anderen Obliegenheitsbelasteten,die ihren Obliegenheiten nicht nachgekommen sind, soweit letztere nicht arglis-tig gehandelt haben. Auf die Verletzungen von Aufklärungs- und Rettungsoblie-genheiten lässt sich dieser Grundsatz nicht ohne Weiteres übertragen, weil dieTatsachen, die jeweils Gegenstand eigener Wahrnehmung gewesen sind, sich un-terscheiden können, und die Zumutbarkeit von Rettungsmaßnahmen hinsichtlichder Gesellschaft und der Organmitglieder unterschiedlich ausfallen kann.

4. Reicht die Versicherungssumme nicht zur Befriedigung der Haftpflichtansprücheder Gesellschaft aus und haften die in Anspruch genommenen Organmitgliedernicht als Gesamtschuldner, hat der VR die Freistellungsansprüche der Organmit-glieder – sei es im Wege der analogen Anwendung der Rechtsfolgen des § 109,sei es im Wege der ergänzenden Auslegung des Versicherungsvertrags – nach demVerhältnis ihrer Haftpflichtbeträge zu erfüllen. Ist hierbei die Versicherungssum-me erschöpft, kann ein bei der Verteilung unberücksichtigt gebliebenes Organmit-glied vom VR die Neuberechnung der Quoten und Freistellung in Höhe der aufihn entfallenden Quote verlangen, es sei denn, der VR hat mit den später geltendgemachten Haftpflichtansprüchen nicht gerechnet und musste auch nicht damitrechnen. Der VR kann von den Organmitgliedern, die mehr erhalten haben, alsihnen nach der Neuberechnung zusteht, Rückzahlung nach § 812 Abs. 1 S. 1 Alt.1 BGB verlangen, da diese insoweit ohne rechtlichen Grund von ihrer Haftpflicht-schuld gegenüber der Gesellschaft befreit worden sind.

5. Hat die Gesellschaft sich im Anstellungsvertrag zur Sicherstellung von D&O-Versicherungsschutz verpflichtet, hat das in Anspruch genommene Organmit-glied einen Anspruch auf Auskunft über Bestand, Inhalt und Umfang des D&O-Versicherungsschutzes gegen die Gesellschaft, den es dem Haftpflichtanspruchim Wege eines Zurückbehaltungsrechts (§ 273 BGB) entgegenhalten kann. Ist derAbschluss einer D&O-Versicherung unterblieben oder der VR infolge einer Ver-letzung von Rechtspflichten oder Obliegenheiten aus dem Versicherungsvertragseitens der Gesellschaft nicht zur (vollständigen) Leistung verpflichtet, haftet dieGesellschaft gegenüber dem Organmitglied wegen Verletzung des Anstellungs-vertrags nach § 280 Abs. 1 BGB auf Schadensersatz. Das Organmitglied kann dieGesellschaft in dem Umfang auf Schadenersatz in Anspruch nehmen und gegenden Anspruch der Gesellschaft aus der Innenhaftung aufrechnen, wie zur Abde-ckung des Schadensfalls Leistungen aus der D&O-Versicherung zur Verfügunggestanden hätten. Fallen dem Organmitglied eigene Obliegenheitsverletzungenzur Last, ist der Schadensersatzanspruch ggf. wegen Mitverschuldens zu kürzen(§ 254 Abs. 2 S. 1 BGB).

6. Hat die Gesellschaft eine D&O-Versicherung freiwillig, d. h. ohne sich hier-zu gegenüber ihren Organmitgliedern verpflichtet zu haben, abgeschlossen,trifft die Gesellschaft die Pflicht aus dem Anstellungsvertrag, die in Anspruchgenommenen Organmitglieder über Bestand, Inhalt und Umfang des D&O-Versicherungsschutzes zu informieren. Verletzt die Gesellschaft diese Pflicht, haf-

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tet sie den Organmitgliedern gegenüber nach § 280 Abs. 1 BGB auf Schadenser-satz.

7. Die Gesellschaft ist bei der Verfolgung von Haftpflichtansprüchen gegen die Or-ganmitglieder nur dem Unternehmenswohl verpflichtet, nicht den Interessen derOrganmitglieder. Es stellt daher keine Pflichtverletzung gegenüber den in An-spruch genommenen Vorstandsmitgliedern dar, wenn sich der AG-Aufsichtsratbei seiner Entscheidung, ob und in welcher Reihenfolge er die Vorstandsmitglie-der in Anspruch nimmt, von deren Solvenz leiten lässt, mag dies auch im Ergebnisdazu führen, dass später in Anspruch genommene Vorstandsmitglieder nicht mehrin den Genuss der Versicherungsleistung kommen.