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Bauforschung Das französische Baugenehmigungs- und Architekturrecht. F 1724 Fraunhofer IRB Verlag

Das franzoesische Baugenehmigungs- und Architekturrecht. · und des Versichungsgesetzbuchs (Code des assurances) sowie der nicht kodi-fizierten Texte der dem Baurecht (in diesem weiten

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Bauforschung

Das französische Baugenehmigungs-und Architekturrecht.

F 1724

Fraunhofer IRB Verlag

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F 1724

Bei dieser Veröffentlichung handelt es sich um die Kopiedes Abschlußberichtes einer vom Bundesmini sterium fürVerkehr, Bau- und Wohnungswesen -BMVBW- geför-derten Forschungsarbeit. Die in dieser Forschungsarbeitenthaltenen Darstellungen und Empfehlungen gebendie fachlichen Auffassungen der Verfasser wieder. Diesewerden hier unverändert wiedergegeben, sie gebennicht unbedingt die Meinung des Zuwendungsgebersoder des Herausgebers wieder.

Dieser Forschungsbericht wurde mit modernstenHochleistungskopierern auf Einzelanfrage hergestellt.

Die Originalmanuskripte wurden reprotechnisch, jedochnicht inhaltlich überarbeitet. Die Druckqualität hängt vonder reprotechnischen Eignung des Originalmanuskriptesab, das uns vom Autor bzw. von der Forschungsstellezur Verfügung gestellt wurde.

© by Fraunhofer IRB Verlag

Vervielfältigung, auch auszugsweise,nur mit ausdrücklicher Zustimmung des Verlages.

Fraunhofer IRB Verlag

Fraunhofer-Informationszentrum Raum und Bau

Postfach 80 04 69

70504 Stuttgart

Nobelstraße 12

70569 Stuttgart

Telefon (07 11) 9 70 - 25 00Telefax (07 11) 9 70 - 25 08

E-Mail [email protected]

www.baufachinformation.de

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Professor Dr. jur. Rudolf Stich, Ministerialrat a.D.,

Universität Kaiserslautern:

DAS FRANZÖSISCHE BAUGENEHMIGUNGS-

UND ARCHITEKTURRECHT

Forschungsbericht

für das

Bundesministerium für Raumordnung, Bauwesen und Städtebau

März 19,31

9tr

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Gliederung

Vorbemerkungen und Literaturhinweise . . *****

Seite

3

Teil I: Das französische Baugenehmigungsrecht

A. Die Regelung der Baudenehmigung im Städtebaurecht

1. Die Entwicklung der Regelungen über die Baugenehmigung. . 8

2. Die Rechtsnatur des französischen Städtebaugesetzbuchs. . a3. Über -sicht über den Regelungsgehalt des französischen

Städtebaugesetzbuchs ...... • 0 0 •

• .

10

B. Der Anwendungsbereich der Baugenehmigung

1. Grundsätzlich unbeschränkte Anwendung bei allen Bauwerken

und Bauarbeiten . • • 0 0 • . .......... 12

2. Ausnahmen . . • • • • • 0 • . . ......... 13

C. Das Baugenehmigungsverfahren

1. Die Einreichung des Baugenehmigungsantrags 13

2. Zuständige Behörden, Prüfungsfristen 16

3. üffentlichkeit des Baugenehmigungsverfahrens und des Bau-

vorgangs 0 0. 0 0 0 • • 0 0 0 • 0 . . . 20

D. Der sachliche Umfano der Prüfung im Baugenehmigungsverfah-

ren

1. Der gesetzliche Grundsatz . . - • • 0 • 0 0 0

22

2. Zusätzliche Anforderungen aufgrund von Sonderregelungen . 23

3. Das städtebauliche Zeugnis ......... . . 25

E. Kontrolle der Einhaltung des Genehmigungsinhalts, [herein-

stimmungszeugnis . ..... ..........

36

F. Die Abbruchgenehmigung ....... . . . . 37

G. Die allgemeinen Bauvorschriften für Wohngebäude . . 39

H. Folgen von Verstäßen gegen das Städtebaurecht . 0 0 0 • • 44

Teil II: Das französische Architekturrecht

A. Architekturrecht - nicht Architektenrecht

1. Das Architektengesetz von 1977 47

2, Die Bedeutung der Architektur und die gesetzlichen Fol-

gerungen . . . .............. .

• .

48

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2

Seite

B. Die Hinzuziehung von Architekten in Bauangelegenheiten

1. Das Architekten-Monopol 49

2. Ausnahmen vom Architekten-Monopol . . 50

3. Einbeziehung von Fertighäusern in das Architekten-Monopol 51

C. Die Kommissionen für Architektur, Btädtebau und Umweltge-

staltung . 0 0 0 000000 00 00000 000 52

D. Führung der Berufsbezeichnung Architekt und Berufsorganisa-

tion

1. Die Führung der Berufsbezeichnung und die Ausübung des

Architektenberufs . . . 00 000000000 . 54

2. Die Berufsorganisation der Architekten 57

Teil III: Vergleich des französischen und des deutschen Bauge-

genehmigungs- und Architekturrechts

A. Kein Vergleich bezüglich der Gesetzgebungszuständigkeiten . 59

B. Vergleich der städtebaurechtlichen und bautechnischen An-

forderungen an Wohngebäude 60

C. Vergleich der Verteilung der Verantwortlichkeiten far das

ordnungsgemäße Bauen zwischen den Behörden und den am Bauen

Beteiligten . . ............. . 62

D. Vergleich sonstiger Verfahrensregelungen . ..... 68

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Vorbemerkungen und Literaturhinweise

Anders als von den politischen und den wirtschaftlichen Verhältnissen

wird in den beiden großen EG-Nachbarländern Bundesrepublik Deutschland

und Frankreich von den beiderseitigen Rechts- und Verwaltungsordnungen

nur wenig Kenntnis genommen. In einem Raum mit derart vielfältigen

politischen und wirtschaftlichen Wechselbeziehungen sollte es aber

ein wichtiges Ziel sein, auch die Rechts- und Verwaltungsverhältnisse

einander anzugleichen, zumal sie aus nicht wenigen gemeinsamen Wurzeln

gewachsen sind, Dies gilt vor allem für das Bauwesen, das einen wichti-

gen Sektor auf dem Gebiet des wirtschaftlichen Austauschs darstellt.

Für die mit der Rechtsetzung im Bereich des Bauwesens befaßten Gremien

in Bund und Ländern ist deshalb eine Arbeit, in der die Grundzüge des

französischen Baugenehmigungs- und. Arrhitektenrechts dargestellt wer-

den, sicher nicht weniger interessant als für die Architekten, Bauin-

genieure und Unternehmungen, die in Frankreich Bauvorhaben planen und

bauen. Auch die gerade in Gang gekommene Diskussion über die Neugestal-

tung des Baurechts, vor allem des Bauordnungsrechts (Bauzulassungsrechts,

Bauwerksrechts)

S. dazu: Stich, Das Bauordnungsrecht in der Sackgasse - Sind die

Beschleunigungsregelungen der Länder ein Ausweg?-, DÖV 1981 S.

Jürgen Ziegler, Zum Dualismus Bodenrecht Bauordnungsrecht Ein

zelfragen, Gehalt des Bauordnungsrechts, (Bundes-)Baugesetzbuch,

ZfBR 1980 S. 275 ff. ; Hans-Georg Watzke, Zur Konkurrenz von Denk-

malschutz- und städtebaulichem Erhaltungsrecht, ZfBR 1981 S. 10 ff,

Schellhoß, Zur Musterbauordnung, ihren Erfolgen und ihren Chancen,

BaauG 1980 S. 424 ff.; schon viel früher Ulrich Graf von Schack

in der Anmerkung zu dem Beschluß des Bundesverfassungsgerichts

vom 27. Mai 1970 (2 BvR 117/65) zum Planvorlagerecht der Architekten,

DVal. 1971 S. 314 ff.

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V-2 kann vielleicht durch einen "Blick über den Zaun" in dieser oder jener

Hinsicht Anstöße erhalten, bisher ungewohnte Wege einzuschlagen, die

beim Nachbarn bereits erprobt sind.

Wie schon gesagt, beschränkt sich die Darstellung auf die Grundzüge des

französischen Baugenehmigungs- und Architekturrechts. Ist doch kaum an-

zunehmen, daß derzeit bereits ein breites Interesse an den letzten Bach-

und Verfahrenseinzelheiten dieser beiden Rechtsbereiche besteht. Aller-

dings wäre es, wenn ein solches Interesse spürbar würde, nicht ausge-

schlossen, diese Rechtsmaterien unter Berücksichtigung der verwaltungs-

gerichlichen Entscheidungen eingehender darzustellen und etwa auch die

maßgebenden Gesetzes-, Verordnungs- und Erlaßtexte in deutscher Über-

setzung vorzulegen.

Dabei wäre jedoch von dem Umstand auszugehen, daß in Frank reich das

öffentliche Baurecht mit seinen drei Schichten des Gesetzes-, Verord-

nungs- und Erlaßrechts nicht weniger umfangreich ist als bei uns die

Gesamtmaterie des Bundes- und Landesbaurechts einschließlich der durch

Anordnung der obersten Bauaufsichtsbehörden eingeführten technischen

Baubestimmungen, die damit im Sinne der Landesbauordnungen als aner-

kannte Regeln der Baukunst gelten. Immerhin ist die vergleichende Be-

trachtung des Baurechts in Frankreich und Deutschland derart interes-

sent, daß sich der Verfasser von ihr mit Sicherheit nicht mehr lösen

wird.

Dazu trägt selbstverständlich nichtwenig bei, daß man den Rechtsstoff

in einer Weise aufbereitet vorfindet, die einem geradezu fesselt und

nicht mehr losläßt. Gemeint ist damit zunächst einmal das handliche

Standardwerk des französischen Baurechts von

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V-3 - Georges Liet-Veaux, Le droit de la construction, 6. Auflage, Librairies

Techniques/Edition GELSE, Paris 1980 (418 Seiten).

Diese Schrift kann stellvertretend dafür angeführt werden, was ein Such

über "Das Baurecht" aus französischer Sicht bringt, wenn es sich zugleich

als Lehrbuch und Handbuch für die Praxis versteht: In einer Einführung

befaßt es sich zunächst mit den einseitigen und zweiseitigen (den ver-

traglichen) Rechtsquellen, mit der Unterscheidung zwischen Privatrecht

und öffentlichem Recht und mit den Gerichtsbarkeiten. Das anschließende

Buch I enthält das Grundstücksrecht, das in das private und das öffent-

liche Grundstücksrecht gegliedert wird. Zum privaten Grundstücksrecht

gehören das materielle und das formelle Grundstücksrecht und das Nach-

barrecht. Im Rahmen des öffentlichen Grundstücksrechts (bzw. Eigentums-

rechts) werden zunächst unter der Überschrift "Städtebau" (Purbanisme)

die städtebaulichen Pläne, die Baugenehmigung, die Grundstücksparzellie-

rung zur Schaffung von Baugrundstücken und die besonderen städtebaulichen

Maßnahmen (Gebiete mit vorrangiger .städtebaulicher Erschließung, Gebiete

für die spätere städtebauliche Erschließung, Gebiete für die "konzer-

tierte" Erschließung) abgehandelt. Das zweite Kapitel des öffentlichen

Grundstücksrechts ist den Vorschriften über die öffentliche Hygiene und

Sicherheit gewidmet; zur ihnen rechnen das nationale Städtebaureglement,

das allgemeine Baureglement, die örtlichen und nationalen Gesundheits-

reglements, die speziellen Sicherheitsreglements sowie die Bestimmungen

über die klassifizierten gefährlichen und emittierenden Einrichtungen

und über die baufälligen Gebäude. Das dritte Kapitel des ersten Buches

hat unter dem Titel "Verwaltungstätigkeit zur Erhaltung von Gebäuden"

(police de la conservation des immeubles) die Gesetzgebung über die

Baudenkmäler, die Wiederherstellung des erhaltenswerten Baubestandes

sowie die geschützten Naturbestandteile und Landschaften zum Gegenstand..

Im vierten Kapitel werden die rechtlichen Regelungen über die Nutzungs-

änderung und den Abbruch von Gebäuden behandelte Ebenfalls noch im Rahmen

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V-4 des ersten Buchs wird die Gesetzgebung zum öffentlichen Eigentum

(legislation domaniale) erläutert, in deren Mittelpunkt die Enteignung

steht. Ruch II,das umfangmäßig mehr als die Hälfte des Werks ausmacht,

faßt unter dem nicht einfach zu übersetzenden Titel "Statut des

constructeurs" (etwa: Rechtsordnung der am Bauen Beteiligten) nicht

nur alles zusammen, was wir dem privaten Baurecht zuzuordnen gewohnt

sind. Dargestellt werden auch die dffentlich-rechtlichen Bezüge, darun-

ter vor allem die im Jahre 1977 durch Gesetz neugestaltete Ordnung des

Architektenwesens (s. dazu Näheres unten im Teil II). Wie für die Archi-

tekten werden auch für die Bauherren, die Unternehmer, die Lieferanten

und die Techniker die Vertrags-, Vergütungs-, Haftungs-, Verjährungs-

und Steuerfragen, weiterhin die strafrechtliche Verantwortlichkeit der

am Bauen Beteiligten und schließlich auch noch Versicherungsfragen ab-

gehandelt.

S. noch weitere Bemerkungen zu dem Buch von Liet-Veaux in meiner

Rezension, ZfBR 1980 S. 211 f.

Diesem umfassenden Begriff, den man in Frankreich vom "Baurecht" hat,

entspricht auch der Inhalt des in der Reihe "Collection des Juris-Classeursr

Begründer: J. Labic, erscheinenden

,airis-Classeur de la Construction, Loseblattsammlung in (derzeit)

sechs DIN-A-4-Ordnern, Editions Techniques, Paris.

Die reichhaltige, ja wohl lückenlose Materialsammlung enthält außer den

Texten des Zivilgesetzbuchs (Code civil - Auszüge -), des Steuergesetz-

buchs (Codegeneral des impöts), des Städtebaugesetzbuchs (Code de

l'urbanisme), des Bau- und Wohnungsgesetzbuchs (Code de la construction

at de l'habitation), des Enteignungsgesetzbuchs (Code de l'expropriation)

und des Versichungsgesetzbuchs (Code des assurances) sowie der nicht kodi-

fizierten Texte der dem Baurecht (in diesem weiten Sinne) zugerechneten

Gesetze, Verordnungen und Erlasse ausführliche Abhandlungen zu allen diesen

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Rechts- und Verwaltungsbereichen aus der Feder von Mitarbeitern (aus

Wissenschaft, Rechtsberatungs- und Fachpraxis sowie Gerichtsbarkeit)

und die amtlichen Verfahrensanleitungen und Formularmuster. Die im

vorliegenden Zusammenhang außer den einschlägigen Vorschriftentexten

vor allem wichtigen Abhandlungen zur Baugenehmigung sind - wie das

bereits angeführte Handbuch - von Georges Liet-Veaux verfaßt

(Fascicules 25-1bis 27).

Ergänzend ist noch auf folgende Literatur hinzuweisen:

- Charles, H., und F. Moderne, Code de l'urbanisme, Documentation

commentee, 2. Auflage, Librairie Dalloz, Paris 1980.

- Forget, Jean-Pierre, Le regime juridque et administratif du permis

de construire, Edition Delmas, Paris 1980.

- Jacquinon und Danan, Le droit de l'urbanisme, 6. Auflaoe, 1978.

- Mulphin, Philippe-Charles, Droit immobilier at de la construction,

Berger-Levreault, Paris 1977.

- Picard, M., La pratique du permis de constuire, 1978.

Schließlich sind noch die folgenden Fachzeitschriften zu nennen:

- Revue de Droit Immobilier, revue trimestrielle, vier Nummern mit

insgesamt rund 400 Seiten im Jahr, Editions SIREY, Paris.

- Revue Juridique de l'Environnement, trimestriel, Publications

Periodiques Specialisees, Lyon.

- Urbanisme, zweimonatlich, Regisseur: Regirex-France, Paris (in

erster Linie fachliche, aber auch umfassende rechts- und verwal-

tungsbezoge Informationen).

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B

Teil I: Das französische Baugenehmigungsrecht

A. Die Regelung der Baugenehmigung im Städtebaurecht

1. Die Entwicklung der Regelungen über die Baugenehmigung

Eine Baugenehmigung (permis be construire) mit umfassendem Anwendungs-

bereich ist in Frankreich erstmals durch das Städtebaugesetz (Loi sur

l'urbanisme) vom 15. Juni 1943 eingeführt worden. Die entsprechenden

Regelungen wurden später fortentwickelt und in das Städte- und Wohnungs-

baugesetzbuch (Code be l'urbanisme et be l'habitation) vom 26. Juli 1954

übernommen. Sie bilden nunmehr mit wiederum weiterentwickeltem Inhalt

einen Teil des Städtebaugesetzbuchs (Code de l'urbanisme) vom B. Novem-

ber 1973, das derzeit mit mehreren Änderungen, insbesondere vom 31. De-

zember 1975 und vom 31. Dezember 1976 sowie durch das Architekturgesetz

vom 3. Januar 1977, in Geltung ist.

Zur Entstehungsgeschichte der Regelungen über die Baugenehmigung

ausführlich Liet-Veaux, Juris-Classeur Construction, Fasc. 25-1,

S. 3 f. Wegen des französischen Architekturgesetzes von 1977 wird

auf Teil II verwiesen.

2. Die Rechtsnatur des französischen Städtebaugesetzbuchs

Das französische Städtebaugesetzbuch besteht aus drei Teilen: dem

ersten, "legislativen" Teil, der vom Parlament beschlossen ist, dem

zweiten, "reglementären" Teil, der im wesentlichen die allgemeinen

Ausführungsverordnungen der Regierung umfaßt, und dem dritten Teil,

in dem die Erlasse mit allgemeiner Regelungswirkung (arretes ä carac-

tere reglementaire) zusammengefaßt sind (vor allem Anweisungen für den

Inhalt von städtebaulichen Plänen und von Formularen und für die nähere

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9

1-2 Ausgestaltung von Verfahrensabläufen). Diese Gesetzes-, Verordnungs-

und Erlaßbestimmungen sind bei der Entstehung und Entwicklung des

Städtebaurechts nach und nach erlassen, dann aber von der Regierung

durch die Verordnung (decret) Nr. 73-1022 vom 8. November 1973 (Journal

Officiel vom 13. November 1973) kodifiziert worden. Seitdem ergehende

Gesetzes-, Verordnungs- und Erlaßregelungen werden durchweg in den

"Code" unter entsprechender Änderung und Ergänzung seines Inhalts

eingefügt.

Wenn der "Code de l'urbanisme" trotz seinen unterschiedlichen Bestand-

teilen mit uStädtebaugesetzbuch u übersetzt wird, so geschieht dies im

Hinblick darauf, daß nach der französischen Verfassung von 1958 nur

noch die im einzelnen aufgelisteten Sachbereiche der Regelung durch

das Parlament (Nationalversammlung und Senat) vorbehalten sind (Art. 34).

Zusätzlich ist das Parlament für bestimmte Materien auf die Festlegung

der Grundprinzipien (principes fondamentaux) beschränkt; zu diesen

Regelungsmaterien gehören auch das Eigentum und die dinglichen Rechte.

Das Städtebaurecht wird in Frankreich als ein Teil der das Eigentum

betreffenden Rechtsvorschriften angesehen.

S. dazu aus der Gliederung des Standardwerks zum französischen

Baurecht von Liet-Veaux, Le droit de la construction, die folgenden

Punkte: 1. Buch (S. 17 ff.): Grundstücksrecht (droit immobilier);

1. Titel (S. 19 ff.): Privates Grundstücksrecht (regles civiles

de droit immobilier); 2. Titel (S. 71 ff.): Offentliches Grund-

stücksrecht (reglEmentation administrative de la propriete);

1. Kapitel (S. 74 ff.): Der Städtebau; 1. Abschnitt (S. 75 ff.):

Die städtebaulichen Pläne; 2. Kapitel (S. 87 fr.): Die Baugenehmigung.

Dies bedeutet, daß das gesamte Städtebaurecht reglementären Charakter

hat und die Regierung nach Abstimmung mit dem Staatsrat (Conseil d'Etat)

Näheres über die Funktionen dieses Staatsorgans, das zugleich

Beratungsgremium der Regierung und oberstes Verwaltungsgericht

ist, bei Constantineco/Hübner, Einführung in das französische

Recht, München 1974, S. 15 ff.

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- 10 -

1-3 die Gesetzestexte durch Verordnung (decret) abändern und ergänzen kann

(Art. 37 der Verfassung). Tatsächlich sind die Verordnungen, die von

der Regierung gewissermaßen gemeinsam mit dem Staatsrat erlassen wer-

den, zwar nicht die wichtigste , von ihrem Regelungsumfang her aber

die bedeutsamste Rechtsquelle.

Da infolge der Abstimmung dieser Verordnungen mit dem Staatsrat keine

Möglichkeit besteht, ihre Ungültigkeit wegen Verletzung einer vom Parla-

ment beschlossenen Gesetzesbestimmung oder wegen Verstoßes gegen den

Inhalt der Verfassung geltend zu machen, haben die Verordnungen im

Bereich des Städtebaurechts in Frankreich im wesentlichen die gleiche

Bedeutung wie in der Bundesrepublik Deutschland das Gesetzesrecht.

In Frankreich hat es auch nie eine wirkliche Kontrolle der Ver-

fassungsmäßigkeit von Gesetzeidurch richterliche Instanzen ge-

geben; s. dazu Näheres bei Constanisesco/Hübner S. 5 f.

3. Übersicht über den Regelunnehalt des französischen Städtebaugeset-

buchs

Um die Sachzusammenhänge zu verdeutlichen, in denen die Bestimmungen

über die Baugenehmigung stehen, sei zunächst ein Überblick über den

wesentlichen Regelungsgehalt des Städtebaugesetzbuchs gegeben.

Im ersten Buch finden sich die allgemeinen Regelungen über die Raum-

ordnung und den Städtebau, darunter die Vorschriften über die Leit-

programme für Raumordnung und Städtebau (schemes directeurs d'amenage-

ment et d'urbanisme) und die Bodennutzungspläne (plans d'occupation des

sols).

Das zweite Buch regelt die Möglichkeiten der Ausübung des Vorkaufs-

rechts in verschiedenen Gebietsarten und die Bildung von Bodenvorräten.

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- 11

1-4 Das dritte Buch behandelt die Bodenordnung und Erschließung. Es ent-

hält vor allem die wichtigen Bestimmungen über die Gebiete mit "konzer-

tierter" Bodenordnung und Erschließung, die städtebauliche Erneuerung,

die Gebäudeinstandsetzung und die geschützten Bereiche (secteurs

sauvegardes), die Schaffung von Bauland durch Parzellierung sowie über

die Zuständigkeiten zur Durchführung solcher Maßnahmen und ihre Finan-

zierung,mit den Vorschriften über den Nationalen Bodenordnungi- und

Städtebau-Fonds (Fonds national d'amenagement foncier et d'urbanisme).

Das vierte Buch besteht aus den Bestimmungen über die Errichtung bau-

licher Anlagen und Oberverschiedene Arten der Bodennutzung, darunter

die Regelungen über das städtebauliche Zeugnis (certificat d'urbanisme),

die Baugenehmigung und die Abbruchgenehmigung.

Das fünfte Buch beschäftigt sich mit dem Bau, dem Wieraufbau und der

Nutzungsänderung von Räumen (Bauten) und Einrichtungen, die Zwecken der

Industrie, des Handels, des Handwerks, der Verwaltung, Technik, der

Wissenschaft und des Unterrichts dienen und die nicht staatlich sind

oder der Kontrolle durch den Staat unterliegen.

Im sechsten Buch haben die ver-schiedenen beratenden Organe ihren Platz,

so die Departementskommissionen für Städtebau, die Ständige Baugenehmi-

gungskonferenz und das Raumordnungskomitee für die Region Paris; außerdem

stehen in ihm die Schlußvorschriften.

Zu allen Regelungsbereichen finden sich Vorschriften durchweg sowohl im

ersten, "legislativen" Teil ("L.'! vor den Artikelnummern), im zweiten,

"reglementären" Teil ("R." vor den Artikelnummern) und im dritten, dem

Erlaß-Teil ("A." - von "arrtes" - vor den Artikelnummern). Sie sind

dadurch leicht einander zuzuordnen, daß die in den drei Teilen enthal-

tenen Regelungen zu einem bestimmten Sachbereich jeweils mit der gleichen

Ordnungsnummer beginnen.

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i-5 B. Der Anwendungsbereich der Baugenehmigung

1. Grundsätzlich unbeschränkte Anwendung bei allen Bauwerken und Bau-

arbeiten

Zum Anwendungsbereich der Baugenehmigung bestimmt das Städtebaugesetz

(Art. 1— 421-1):

Wer ein Bauwerk zum Wohnen oder für eine andere Zweckbestimmung mit

oder ohne Fundament errichten will, bedarf der vorherigen Genehmigung

Dies gilt für die öffentlichen Einrichtungen (services publics) und

die Konzessionsinhaber von öffentlichen Einrichtungen, von Departements

und von Gemeinden genau so wie für Privatpersonen. Dieselbe Genehmigung'

ist für Arbeiten erforderlich, die an bestehenden Bauwerken ausgeführt

werden, wenn ihre Zweckbestimmung, ihr äußeres Erscheinungsbild oder

ihre Baumasse geändert werden soll oder zusätzliche Stockwerke geschaf-

fen werden sollen.

Unterliegen Bauwerke oder Arbeiten im vorstehenden Sinne im Hinblick

auf ihre Lage oder ihre Verwendung einer Zulassungsregelung- oder Rechts-

vorschriften, deren Anwendung der Aufsicht durch einen anderen Minister

als den Städtebauminister unterliegt, so wird die Baugenehmigung im Ein-

vernehmen mit diesem Minister oder seinem Vertreter erteilt und sie UM-

faßt dann auch die Genehmigung nach den anderen RechtsvorschrifterkLJi

terhin ersetzt die Baugenehmigung die Erlaubnis, die aufgrund der Vor

schriften über die Hochhäuser (immeubles de grande haute0r)erforderli

ist; sie wird in diesem Falle im Einvernehmen mit der Behörde erteilt,

die für die Sicherheitspolizei zuständig ist.

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1-6 2. Ausnahmen

Von dem Grundsatz des unbeschränkten Anwendungsbereichs der Baugeneh-

migung gibt e s eine Rei he von Ausnahmen (Art . L.422-1 und R. 442-I bis 5

des Städtebaugesetzes). So bedürfen keine r Baugenehmigung die Bauwerke,

di e aus Gründen der nationalen Verteidigung der Geheimhaltung unterliegen,

weiterhin die Bauten innerh alb der Marinearsenale, der Mil itärflu gpl ätze

und der Truppenübungsplätze. F erner kommen Au snahmen vor allem öffent-

li chen Einrichtungen im Hinblick auf di e Aufrechterhaltung ihres Betriebs

zugute. Der Privatmann kommt praktisch nur in den Genuß der Ausnahme, daß

Verputzarbeiten von der Genehmigungspflicht freigestellt sind. Auch er

muß allerdings dem Bürgelioeioter mindestens einen Monat vor dem Begi nn

der Arbei ten eine Erklärung über i hren Gegenstand und die vorgesehenen

Materialien machen, der gegebenenfalls Einwendun gen erheben und die

Angelegenheit dem Präfekt zur Entscheidung vorlegen kann. 8ei Zuuider~

handlungen kann eine Geldstrafe im Betrag zwischen 1000 /uncF2000 Franken

verhängt und im WiederhoIongsfalle kann zusätzlich noch ej,ne Gefängnis-

strafe von 10 Tagen bis zu e inem Mon at ausgesprochen werden.

C. Das Bau i L

1. Die Einreichun2 des Baugenehmi2unsantrags

Hinsichtlich der Einreichung deoBaugenehmigungaantroga sind die

legislativen Bestimmungen im Zusemxnenh^n__ 't dem Architekturgesetz

vom 3. Januar 1977 (e. Näheres im Teil II) um wichtige Bestimmungen

ergänzt warden (Art. L. 42l-2 des Städtebaugesetzes): Will jemand Bau-

arbeiten vornehmen, die einer Bauerlaubnis bedürfen, so ist der Bau-

genehmigungsantrag nur prüffähig, wenn das Architekturprojekt, dos

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1-7 Bestandteil des Baugenehmigungsantrags ist, von einem Architekten erar-

beitet ist.

8 , zum sogenannten Architekten-Monopoi und zum Begriff des

Architekturprojektes Näheres im Teil II unter 8.1.

Ein Architekt braucht nur dann nicht hinzugezogen zu werden, wenn eine

natürliche Person erklärt, daß sie selbst ein Bauwerk von geringer Bedeu-

' tung errichten oder ändern will. Nach der ergänzenden Verordnungsregelung

(Art. R. 421-1-1 des Städtebaugesetzbuchs) handelt es sich dabei um fol-

dende Bauwerke:

- Bauten für nichtlandwirtschaftliche Zwecke, deren Netto-Baufläche

170 Quadratmeter nicht übersteigt,

- Bauten für landwirtschaftliche Zwecke, die keine größere Brutto-

Baufläche als 800 Quadratmeter haben,

- Produktionshallen, deren Wandpfeiler weniger als 4 Meter hoch sind

und deren Brutto-Baufläche 2000 Quadratmeter nicht überschreitet.

Doch ist ein Baugenehmigungsantrag, den die genannten Personen einrei-

chen, nur prüffähig, wenn vorher eine Begutachtung durch die zuständige

Kdffiission für Architektur, Städtebau und Umweltgestaltung eingeholt

worden ist (s. dazu Näheres im Teil II unter 0); deren Stellungnahme

muß den Bauunterlagen beigefügt sein.

Weiterhin braucht ein Architekt nicht eingeschaltet zu werden, wenn bau-

genehmigungspflichte Arbeiten ausschließlich die Anordnung und Ausstattung

innerer Bereiche von Bauwerken oder von Verkaufsvitrinen betreffen oder

die Wiederherstellung von Zuständen zum Gegenstand haben, die keine von

außen sichtbareaVeränderungen mit sich bringt.

Diese neuen Bestimmungen über das Architekten-Monopol für die Anfertigung

des dem Baugenehmigungsantrag beizufügenden Architekturprojektes waren

an den Anfang der Darlegungen über die Einreichung dieses Antrags zu

llen, weil bei, ihrer Mißachtung die zuständigen Behärden erst gar nicht

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15

1-8 in eine nähere Prüfung eintreten. Demgemäß werden für den Baugenehmigunqs-

antrag selbst folgende Angaben gefordert (Art. R. 421-1 Städtebaugesetz):

- die Person des Antragstellers,

- die Person und Qualifikation des Planverfassers,

- die Person des Grundstückseigentümers, wenn er nicht selbst der

Antragsteller ist,

- die Art der Arbeiten und die Zweckbestimmung der baulichen Anlagen,

- die Baudichte und

- gegebenenfalls die notwendigen Grundlagen für die Berechnung des

örtlichen Erschließungsbeitrags gemäß Art. 1585 des Allgemeinen

Steuergesetzbuchs (Code general des impots).

(Art. R. 421-2)Die dem Baugenehmigungsantrag beizufügenden Unterlagen/bestehen aus

- dem Lageplan,

- dem Baumdelluleil in dreidimensionaler Darstellung und

- den Fassadenplänen.

Wenn der Antrag die Errichtung von Gebäuden oder Werken zum Gegenstand

hat, die an die öffentlichen Erschließungsanlagen angeschlossen werden

müssen, so muß der Baumassenplan auch die Führung der Leitungen und dip

näheres Einzelheiten des Anschlusses ausweisen. Fehlt es an-öffentlichen

Erschließungsanlagen, hat der Plan die erforderlichen privaten Maßnahmen

aufzuzeigen, vor allem für die Wasserversorgung und die Abwasserbesei-

tigung.

Zusätzliche Anforderungen werden etwa in folgenden Fällen gestellt, ohnE

daß ihre Einzelheiten hier näher dargestellt werden können (s. Art.

R. 421-3 bis R 421-7-1):

- wenn Bauten für industrielle Zwecke mit einer Baufläche von 2000 und

mehr Quadratmetern errichtet werden sollen,

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1-9 - wenn im Zuge der beabsichtigten Bauarbeiten in Wäldern oder Parks

geschützte Bäume gefällt werden sollen,

- wenn die geplanten Bauarbeiten sich auf Einrichtungen beziehen, die

nach dem Gesetz Nr. 76-663 vom 19. Juli 1976 unter die aus Umwelt-

schutzgründen klassifizierten nladen fallen,

- wenn die geplanten Bauarbeiten den Abbruch von Gebäuden vorsehen,

für die eine besondere Abbruchgenehmigung erforderlich ist (vgl.

Art. L. 430-1 des Städtebaugesetzbuchs),

- wenn we gen der Bereitstellung der notwendigen Kraftfahrzeug-

Einstellmöglichkeiten eine langfristige Berechtigung an einer

öffentlichen Parkeinrichtung nachgewiesen werden muß.

2. Zuständige Behörden, Prüfungsfristen

Der folgende Verfahrensgang ist als die Regel vorgeschrieben (Art.

R. 421-8 bis R. 421-21 des Städtebaugesetzbuchs):

Im allgemeinen ist der Baugenehmigungsantrag mit den Bauunterlagen

in drei Ausfertigungen einzureichen, von denen eine an den Bür ermeister

der Gemeinde zu senden ist, in der das Bauvorhaben ausgeführt werden

soll, während die beiden anderen an den Departement-Baudirektor

(directeur departemental de l'equipement) zu schicken sind. Der Bürger-_

meister muß innerhalb eines Monats nach dem Eingang des Antrags dem

Departement-Baudirektor seine Stellungnahme mitteilem, Ist diese Std.-

lungnahme ablehnend, so ist sie zu begründen und dem PrUekt bekanntzu-

geben. Läßt der Bürgermeister die Frist ohne Äußerung verstreichen, wird

dies als zustimmende Stellungnahme angesehen.

Wenn die Bauunterlagen vollständig sind, teilt der Präfekt innerhalb

von zwei Wochen nach dem Eingang des Antrags beim Departement-Baudirektor

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I-10 dem Antragsteller das Aktenzeichen mit, unter dem der Antrag registriert

worden ist, sowie den Zeitpunkt, vor dem ihm - unter Beachtung der vor-

geschriebenen Prüfungsfristen - die Entscheidung bekanntgegeben werden

wird. Der Präfekt unterrichtet den Antragsteller auch darüber, daß

seine (diese erste) Mitteilung als Baugenehmigung gilt und die Bau-

arbeiten entsprechend dem eingereichten Archtekturprojekt begonnen

werden können, wenn ihm vor dem genannten Zeitpunkt keine Entscheidung

zugegangen ist, vorbehaltlich der Rücknahme dieser stillschweigenden

Baugenehmigung (permis tacite) im Falle ihrer Rechtswidrigkeit. Ist

allerdings die Erteilung der Baugenehmigung davon abhängig, daß eine

andere Behörde ihre Zustimmung,erklärt, so belehrt der Präfekt den

Antragsteller darüber, daß er keine stillschweigende Baugenehmigung

Erlangen kann. Auch ist in einer Reihe von Fällen, in denen erschwerade

Umstände vorliegen, das Entstehen einer stillschweigenden Baugenehmigung

ausdrücklich ausgeschlossen.

Die Regel-Prüfungsfrist beträgt zwei Monate. Sie verlängert sich auf

drei Monate, wenn der Bau g enehmigungsantrag die Errichtung von mehr

als 200 Wohnungen oder von Räumlichkeiten für Industrie-, Handels-

oder Bürozwecke mit einer Brutto-Fußbodenfläche von 2000 Quadratmetern

und mehr zum Gegenstand hat. Eine weitere Verlängerung um einen Monat

tritt ein, wenn öffentliche Einrichtungen oder Behörden beteiligt war-

den müssen, die der Aufsicht eines anderen Ministers als des Städtebau-

ministers unterstehen, oder wenieine Kommission auf der Fbene des Departe-

ments oder der Region angehört werden muß. Eine zusätzliche Verlängerung

um einen Monat wird wirksam, wenn die Zulässigkeit einer Befreiung

(derogation) geprüft werden muß. Schließlich beläuft sich die Prüfungs-

frist auf sechs Monate, wenn die Stellungnahme einer Kommission auf

nationaler Ebene eingeholt werden muß oder wenn der Baugenehmigungs-

antrag die Errichtung von Räumlichkeiten für Handelszwecke betrifft, die

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15 -

1-11 der Erlaubnis der Departementkommission für handelsbezogenen Städte-

bau (commission departementale d'urbanisme commercial) bedürfen.

Sind die Bauunterlagen unvollständig, so fordert der Preekt den Antrag-

steller innerhalb von zwei Wochen nach Eingang seines Antrags auf, die

fehlenden Stücke zu ergänzen. Der gerade geschilderte Verfahrensablauf

mit seinen Prüfungsfristen nimmt dann erst seinen Anfang, wenn die feh-

lenden Unterlagen eingegangen sind.

Für die Prüfung der Baugenehmigungsunterlagen ist der Departement-

Baudirektor zuständig. Er beteiligt die anderen Verwaltungen, die

durch das Bauvorhaben in ihren Interessen berührt werden, holt die

erforderlichen Stellungnahmen und Zustimmungen anderer Behörden und

Stellen ein, prüft auch die Erforderlichkeit von kleineren Anp--assungen

an bestehende Pläne und Regelungen und schlägt die Auflagen und Bedin-

gungen vor, unter denen die Baugenehmigung erteilt werden kann. Dem

Präfekten ist es vorbehalten, das Bauvorhaben der Ständigen Baugeneh-

migungs-Konferenz vorzulegen, die für das Departement gebildet ist und

aus Vertretern der Ministerien besteht, deren Interessen durch das Bau-

vorhaben berührt werden (Näheres in Art. R. 612-1 bis R. 612-3 des

Städtebaugesetzbuchs).

Der Departement-Baudirektor schließt seine Prüfung (instruction de la

demande) damit ab, daß er eine Stellungnahme zu dem Bauvorhaben abgibt

und sie der für die Entscheidung zuständigen Stelle zuleitet. Dabei kann

es sich um eine zustimmende Stellungnahme (avis favorable) mit oder ohne

Einschränkungen (prescr5tions), um eine zu begründende ablehnende Stellung-

nahme (avis defavorable) oder um den ebenfalls zu begründenen Vorschlag

handeln, die Entscheidung auszusetzen (sursis A statuer).

Ein anderer Verfahrensablauf ist für Städte mit mehr als 50.000 Einwohnern

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1-12 und einer ausreichenden technischen Organisation geregelt, denen der

Präfekt auf ihren Antrag hin die gesamte Prüfungszuständigkeit für

Baugenehmigunosanträoe (mit einigen näher bestimmten Ausnahmen) über-

tragen hat; an die Stelle des Departement-Baudirektors und des Präfekten

tritt dann im wesentlichen der Bürgermeister (Näheres in den Art. R. 421-77

bis 421-31 des Städtebaugesetzbuchs).

S. dazu eingehend Ghislaine Garin, La deconcentration du permis

de construire, Urbanisme Nr. 176 (1980) S. 65 f.

Die Entscheidung über den Baugenehmigungsantrag hat im allgemeinen der

Bürgermeister zu treffen, in den ausdrücklich genannten Fällen der

Präfekt (beispielsweise bei Industrie-, Handels- und Bürobauten mit

einer Brutto-Fußbodenfläche von 1000 und mehr- Quadratmetern, bei Hoch-

häusern und wenn mit der Errichtung von Gebäuden eine Grundstücksteilung

einhergehen soll) und ausnahmsweise sogar der für den Städtebau zustän-

dige Minister (Art. R. 421-32 des Städtebaugesetzbuchs). Er hat sogar

das Recht, von Amts wegen oder auf Antrag eineaFinderen Ministers den

ganzen Vorgang an sich zu ziehen und die erforderlichen Entscheidungen

zu treffen; dieses Evokationsrecht kann er auf den Präfekten delegieren

(Art. R. 421-33 des Städtebaugesetzes).

Die Rechtsform der Entscheidungist die eines H arrete" (als Einzelent-

scheidung und damit als Verwaltungsakt). Er ist ein grundstücksbezogenax.!

Hoheitsakt,und die Befugnisse, die sich aus ihm ergeben, gehen mit dem

Erwerb des Grundstück durch einen anderen auf. diesen über.

S. dazu Liet-Veaux, Le droit de la constrUction, S. 87,

mit Nachweisen aus der Rechtsprechung.

Die Rechtswirkungen der Baugenehmigung erlöschen grundsätzlich nach Ablauf

eines Jahres, doch ist die Möglichkeit der Verlängerung dieser Frist ge-

geben (Art. R. 421-38 des Städtebaugesetzbuchs).

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1-13 3. Öffentlichkeit des Baugenehmigungsverfahrens und des Bauvorgangs

Der für den Städtebau zuständige Minister hat in einem Erlaß vom 31. De-.

zember 1976 zur Öffentlichkeit der Baugenehmigungsanträge

Circulaire relative ä la publicite des demandes de permis de

construire (Journal Official vom 11. Januar 1977).

die Leiter der regionalen Baudienststellen, die Departement-Baudirektoren

und über sie die Bürgermeister angewiesen, den Bürgern die Möglichkeit

zu eröffnen, von den anhängigen Baugenehmigungsverfahren Kenntnis zu

erlangen. Zur Begründung hat er im wesentlichen auf folgendes hinge-

wiesen:

Die Bürger verfolgen immer ausmerksamer die Entwicklung ihres Lebens-

raums und sie müssen deshalb rechtzeitig auf in Vorbereitung befindliche

Planungen und Entscheidungen hingewiesen werden, die unmittelbar die

Umwelt ihres täglichen Lebens berühren. Dies gilt selbstverständlich

auch für Baugenehmigungen. Die reglementäreo Bestimmlyo sehen zwar

schon Maßnahmen bezüglich der Öffentlichkeit von Entscheidungen dieser

Art vor (dazu Näheres im Anschluß an die Darlegungen über die Öffent-

lichkeit der Baugenehmigungsanträge)0 Sie sind jedoch dadurch zu ver-

vollständigen, daß praktische Maßnahmen zur Herstellung der Öffentlich-

keit der Baugenehmigungsanträge ergriffen werden.

Die Öffentlichkeit der Baugenehmigungsanträge wird es den Bürgern er-

möglichen, sich über die Bauvorhaben zu informieren, die-in der Nach-

barschaft ihrer Wohnstätten wie auch an si.e sonst interessierenden

Stellen geplant sind. Durch diese Information sind sie dazu, in der Lage,

während des Verfahrens zur Prüfung der Baugenehmigungsanträge die Auf

merksamkeit der örtlichen Behörden auf diesen oder jenen wichtigen Punkt

zu lenken. Auf diesem Wege können die Bürger zu einem Vorhaben Stellung

nehmen, bevor die Verwaltungsentscheidung getroffen ist; dadurch können

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1-14 auch spätere Rechtsstreitigkeiten vermieden werden.

Zur Diskussion über die Bürgerbeteiligung an der städtebaulichen

Entwicklung in Frankreich s. etwa Marie-Line Meaux-Martinaud,

Pour une participation, Urbanisme Nr. 176 (1980) S. 98 f.

Aus diesen Gründen hat der Minister die Bürgermeister anweisen lassen,

ein Register der Baugenehmigungsanträge zu eröffnen, in dasinteressierte

Bürger Einsicht nehmen können; im gebotenen Umfang ist ihnen auf ihren

Wunsch hin nähere Auskunft über ein Bauvorhaben zu geben. Das Register

muß folgende Angaben enthalten:

- Eingangsdatum des Baugenehmigungsantrags,

- Name des Antragstellers,

- Anschrift. des Antragstellers,

- Datum des Baugenehmigungsantrags,

- Lau des Baugrundstücks,

- Flächengröße des Baugrundstücks,

- Art der beabsichtigten Bebauung,

- Bruttoflächengröße der geplanten Bauten.

Der Bürgermeister soll zur Öffentlichkeit der.Baugenehmigungsanträge

weiter dadurch beitragen, daß er die Eintragungen in das Register durch

öffentlichen Aushang oder Veröffentlichung im gemeindlichen Amtsblatt

bekanntmacht.

Vergleichbare Bekanntmachungs- und Informationspflichten-sind den Bau-

dienststellen auf den Ebenen der Departements und der Regionen aufer-

legt worden.

Sobald die Baugenehmigung erteilt ist, muß nach dem Städtebaugesetzbuch

(Art. R. 421-42) auf dem Baugrundstück ein entsprechender Anschlag ange-

bracht werden, der dort während der gesamten Dauer der Bauarbeiten zu

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1-15 belassen ist. Wenn mit einer stillschweigenden Baugenehmigung gebaut wird,

gilt Entsprechendes bezüglich des bereits erwähnten Schreibens des Prä-

fekten (bzw. des Bürgermeisters). Weiterhin wird ein Aushang des wesent-

lichen Inhalts der Baugenehmigung am Bürgermeisteramt vorgenommen. Ein

Verstoß gegen die Pflicht, auf dem Saugrundstück den vorgeschriebenen

Anschlag anzubringen und ihn dort zu belassen, wird mit einer Geldstrafe

von 600 bis 2000 Franken geahndet.

D. Der sachliche Umfang der Prüfung im Baugenehmigungsverfahren

1. Der gesetzliche Grundsatz

Das französische Städtebaugesetzbuch bestimmt in Abs. 1 des Art. 421-3

Die Baugenehmigung darf nur erteilt werden,

- wenn das Bauvorhaben im Einklang steht mit den Anforderungen, die s:W1Pn

aus den Gesetzes- und Verordnungsbestimmung"in bezug auf seine EinfO-

gung in die Umgebung (implantation), seine Zweckbestimmung, seine

Art, seine architektonische Gestaltung, seine Ausmaße und die Beschar-

fenheit seiner Zugänge ergeben, und

- wenn der Antragsteller sich verpflichtet,.die in Art. L 111-3 des

Städtebaugesetzbuchs vorgesehenen allgemeinen Regeln für Bauten

(regles Onerales des constructions) einzuhalten.

Daraus folgt als wichtigster Unterschied zum Baugenehmigungsverfahren

nach den Bauordnungen der Länder in der Bundesrepublik Deutschland, da0

in Frankreich die bautechnischen Einzelheiten von den Baubehörden grund-

sätzlich nicht überprüft werden. Kontrolliert wird im allgemeinen eigent-

lich nur, ob das geplante Bauwerk sich in Übereinstimmung nit den gelten-

den städtebaulichen Vorschriften und Plänen in seine Umgebung einpaßt und

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1-16 ob die Erschließung (Verbindung zu öffentlichen Verkehrswegen, Wasserver-

sorgung, Abwasserbeseitigung und Elektrizitätsversorgung) gewährleistet

ist. Der gesetzliche Grundsatz wird allerdings durch mehrere zusätzliche

Einzelregelungen auf Gesetzes- und Verordnungsebene ergänzt und zum Teil

auch modifiziert.

2. Zusätziche Anforderungen aufgrund von Sonderregelungen

Für Hochhäuser und für Baulichkeiten, die der iffentlichkeit zugänglich

sind, darf die Baugenehmigung nur erteilt werden, wenn die geplanten

Konstruktionen und Bauarbeiten den Sicherheitsregeln entsprechen, die

für diese Arten von Bauwerken oder Einrichtungen gelten, und zwar ohne

Rücksicht darauf, ob die Räume Wohnzwecken dienen sollen oder nicht

(Abs. 2 des Art.L.421-3 des Städtebaugesetzbuchs). Es ist bereits aus-

geführt worden, daß bei Hochhäusern die Baugenehmigung nur im Einver-

nehmen mit der Behörde erteilt werden darf, die für die Sinherheits-

polizei zuständig ist (s. oben 8.1.).

Wenn der Antragsteller nicht die Anforderungen erfüllen kann, die ein

rechtsverbindlicher Bodennutzungsplan in bezug auf die Bereitstellung

von Kraftfahrzeug-Parkmöglichkeiten stellt, kann er von seinen Ver-

pflichtungen entbunden werden, sofern er entweder eine langfristige

Berechtigung an einer öffentlichen Parkeinrichtung nachweist, die bereits

besteht oder die im Bau begriffen ist, oder gemäß den gemeindlichen Be-

stimmunoen einen Beitrag zur Herstellung öffentlicher Parkeinrichtungen

leistet, deren Bau bevorsteht; dieser Beitrag darf 15000 Fi:anken je

Stellplatz nicht überschreiten, vorbehaltlich einer Erhöhung dieser

Zahl durch Verordnung aufgrund der Kostenentwicklung (Abs. 3 bis 5

des Art. L 421-3 des Städtebaugesetzbuchs).

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Erfordert die Zweckbestimmung des geplanten Bauwerks, daß es an die

öffentlichen Netze der Wasserversorgung, der Abwasserbeseitigung oder

der Versorgung Mit Elektrizität angeschlossen wird, so darf die Bauge-

nehmigung nicht erteilt werden, wenn die zuständige Behörde nicht ange-

ben kann, innerhalb welcher Frist und durch welche öffentliche Körper-

schaft oder durch welchen Konzessionsinhaber einer öffentlichen Ein-

richtung die erforderlichen Arbeiten ausgeführt werden können (Art.

L. 421-5 des Städtebaugesetzbuchs).

Besondere Rücksichtnahme ist im Verhältnis zu Denkmälern vorgeschrieben

(Art. L. 421-6): In Übereinstimmung mit Art. 13 bis des Denkmalschutz-

gesetzes vom 31. Dezember 1913 wird bestimmt, daß ein Gebäude, das im

Sichtbereich eines klassifizierten oder in die Denkmalliste eingetragenen

Gebäudes (edifice classe ou inscrit) polegerlist, ohne vorausgehende beson-

dere Erlaubnis weder durch eine Privatperson noch durch eine öffentliche

Körperschaft oder Einrichtung zum Gegenstand eines Neubaus, eines Abbruchs,

einer Beseitigung von Bäumen, einer Umwandlung oder einer Änderung gemacht

werden darf, durch die sein äußeres Erscheinungsbild beeinträchtigt wird.

Die Baugenehmigung ersetzt diese besondere Erlaubnis, wenn sie den zu.-;

stimmenden Sicht.-vermerk (visa) des Architekten der Gebäude Frankreichs

(des Batiments de France) erhalten hat.

Zusätzliche Regelungen, die sich auf den Schutz _von Denkffvälern, schutz-

würdi en Gesamtanlagen (sites) und der Umwelt beziehen, finden sich in

den Verordnungsbestimmungen (Art. R.421-38-2 bis 421-38-10). Sie ergänzen

die gerade angeführten gesetzlichen Reoelungen und befassen sich noch mit

folgenden Fällen:

- Die Baugenehmigung betrifft ein Gebäude, das in die Zusatzliste

(inventaire supplemantaire) der Baudenkmäler eingetragen ist,

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1-18 - Die Baugenehmigung hat ein Gebäude zum Gegenstand, das an ein klassi-

fiziertes Gebäude angebaut ist.

- Das Bauvorhaben soll in einem Bereich geschützter Gesamtaniagen

ausgeführt werden.

- Das Bauvorhaben soll in einem F:us Gründen der städtebaulichen Erneuerung

geschützten Bereich (secteur sauvegarde,im Sinne der Art. L. 313-1 bis

313-3 des Städtebaugesetzbuchs) verwirklicht werden.

- Das Bauvorhaben soll in einem geschützten oder schutzwürdigen Natur-

oder Landschaftsbereich ausgeführt werden.

- Das Bauvorhaben soll innerhalb oder in der Nähe eines Waldes oder

Forstes realisiert werden.

Sonderregelungen gelten schließlich such für den Schutz von militärische

Anlagen und solchen, die der Seeschiffahrt und dem Luftverkehr dienen,

für das Bauen in Überschwemmungsgebieten, für die Anderung von Sport-,

anlegen und für das Bauen in der Nachbarschaft von FriedhUen (Art,

R. 421-38-14 bis 421-38-19 des Städtebaugesetzbuchs).

3. Das städtebauliche Zeugnis

Aus dem Vorstehenden kann geschlossen werden, daß sich trotz allen

Sonderregelungen die Prüfung im Baugenehmigungsverfahren auf Anfor-

derungen beschränkt, die sich aus städtebaulichen Belangen (im weitesten

Sinne verstanden) ergeben., Da derartige städtebauliche Anforderungen

auch bei der Zulassung von Vorhaben zu beachten sein,kännen, deren

Zulassung sich nach anderen Vorschriften richtet, hat sich vor allem

im Grundstücksverkehr die Notwendigkeit gezeigt, vor dem Verkauf und

Kauf von Baugrundstücken geklärt zu haben, ob ein bedimmtes Grundstück

für ein bestimmtes Vorhaben genutzt werden kann. Eine dahingehende

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notarielle Anfragepraxis bei den zuständigen Eehörden hat ihre Bestätigung

zunächst durch einen minkteriellen Erlaß erfahren und sie ist schließlich

durch Gesetz und Rechtsverordnung abgesichert worden.

S. zur Entwicklung Näheres bei Liet-Veaux, Le droit de la construction

S. 83 f.

In Art. L. 410-1 des Städtebaugesetzbuchs ist nunmehr im wesentlichen

folgendes bestimmt: Das städtebauliche Zeugnis (certificat d'urbanisme)

wird auf Antrag ausgestellt und macht unter Bezugnahme auf die Begründung

dieses Antrags Aussagen darüber, ob ein Grundstück

- unter Berücksichtigung der städtebaulichen Bestimmungen und der

öffentlichin echtlichen EigentumSbeschränkungen,

- im Hinblick auf den Zustand der bestehenden und vorgesehenen öffent-

lichen Erschließungsanlagen, sowie

- HOmr dem Vorbehalt der mdglicherweise anwendbaren Gesetzes- und Ver-

ordnungsregelungen in bezug auf Bereiche konzertierter Bodenordnung

und Erschließung

a) bebaut werden kann,

b) für die Verwirklichung eines bestimmten Vorhabens geeignet ist, ins-

besondere eines Bauprogramms, das durch die Zweckbestimmung. der

geplanten baulichen Anlagen und ihre Bruttobaufläche näher bestimmt

ist.

Sofern die Bebaubarkeit eines Grundstücks oder die Mdglichkeit, auf ihm

ein bestimmtes Vorhaben zu verwirklichen, von der Stellungnahme oder der

Zustimmung von Dienststellen, Behörden oder Kommissionen abhängt, die zum

Zuständigkeitsbereich des Ministers gehören, der für den Schutz von

Denkmälern und schutzwürdigen Bereichen zuständig ist, muß in das städte-

bauliche Zeugnis ausdrücklich ein dahingehender Vorbehalt aufgenommen

werden.

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1-20 Ist das städtebauliche Zeugnis erteilt, so geht von ihm eine Bindungs-

wirkung mit der Folge aus, daß sein städtebaulicher Inhalt Inhaltnicht mehr

in Frage gestellt werden kann, sofern für das Vorhaben, das im Antrag

auf Erteilung des städtebaulichen Zeugnisses beschrieben worden ist,

der GenehmiguLigeantrag (etwa ein Baugenehmigun g santrag) innerhalb von

sechs Monaten eingereicht wird, der die städtebaulichen Forderun gen des

Zeugnisses beachtet.

Die näheren sach- und verfahrensrechtlichen Einzelheiten sind durch

Verordnung geregelt (Art. R. 410-1 bis R. 410-17 des Städtebaugesetz-

buchs). Aus ihnen ergibt sich, daß bezüglich der Einreichung und Prüfung

des Antrags auf Erteilung eines städtebaulichen Zeu gnisses: pin ähnliches

Verfahren wie beim Baugenehmigungsantrag gilt. Erteilt wird das städte-

bauliche Zeugnis im allgemeinen vom Präfekten, in Städten mit mehr als

50 000 Einwohneribei entsprechender Zuständigkeitsübertragung vom Bürger-

meister.

Die wichtigsten Grundlagen für die städtebauliche BeurteilunD von Vor

haben sind die Bodennutzungspläne (plans d'occupation des suls), die

gegebenenfalls ausgehend von städtebaulichen Leitprogrammen (schemes

directeurs) - van staatlichen Dienststellen gemeinsam mit den Gemeinden

aufgestellt werden (Art. L. 123-1 bis L 123-12 des Städtebaugesetzbuchs),

Sie legen die Bodennutzung verbindlich fest und treffen dafär im wesent-

lichen die folgenden Bestimmungen:

- Sie legen die Gebiete für die städtebauliche Nutzung fest und nehmen

dabei vor allem Rücksicht auf den Wert der Grundflächen für die Land-

wirtschaft, auf die Agrarstruktur und auf Bereiche, in denen Lebens

mittel von hoher Qualität erzeugt werden oder in denen wichtige

Spezialeinrichtungen vorhanden sind.

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1-21 - Sie bestimmen die GeblEte, in denen eine bestimmte Bodennutzung zulässig

sein soll, nach ihrem Hauptnutzungszweck und nach der Art der vorherr-

schenden Aktivitäten, die in ihnen entfaltet werden können.

- Für jedes Gebiet oder Teile eines Gebiets legen sie insbesondere

unter Berücksichtigung der bestehenden und im Bau befindlichen

gemeindlichen Erschließungsanlagen die Art der zulässigen Bauvorhaben

sowie einen oder zwei Bodennutzungsfaktoren fest, aus denen sich gege-

benenfalls für jede Art der Bebauung die zulässige Baudichte ergibt.

- Sie grenzen die Gebiete oder Gebietsteile ab, in denen die Wieder-

instandsetzung und die Modernisierung von bestehenden Gebäuden aus

städtebaulichen oder architektonischen Gründen mit einer größeren

Baudichte als die zunächst vorhandene vorgeschrieben oder zugelassen

werden kann.

- Sie bestimmen die Linienführung und die Beschaffenheit der Verkehrs-

wege, die zu erhalten, zu ändern oder neu zu schaffen einschLEt

lich der Fußgängerwege und der Radwege.

- Sie legen die Quartiere, Straßen, Denkmäler, Gesamtanlagen und Bereiche

fest, die aus künstlerischen, geschichtlichen oder ökologischen Gründen

zu schützen oder zur Geltung zu bringen sind

- Sie grenzen die Bereiche ab, in denen die Erteilung der Baugenehmigunn

davon abhängig gemacht werden kann, daß auf dem Baugrundstück vorhandene

Gebäude ganz oder zum Teil beseitigt werden.

- Sie legen die Flächen fest, die öffentlichen Verkehrswegen und Bauwerker,

Gemeinbedarfsanlagen und Grünflächen vorbehalten sind.

- Innerhalb der der städtebaulichen Entwicklung vorbehaltenen Gebiete

legen sie die bepflanzten Grundstücke fest, die zu schützen und als

unbebaubar zu erhalten sind, sowie die Einrichtungen, die sie erschlie-

Ben sollen.

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1-22 - Sie bestimmen die näheren Einzelheiten bezüglich der Einfügung von

Bauwerken in ihre Umgebung, ihrer Zweckbestimmung, ihrer , Art, ihres

äußeren Erscheinungsbilds, ihrer Ausmaße und der Beschaffenheit ihrer

Zugänge.

Das Gesetz hebt ausdrücklich hervor, daß von den Regelungen und Gemein-

schaftsbindungen (servitudes), die in einem Bodennutzundsplan festgelegt

sind, keinerlei Befreiungen zugelassen werden dürfen; ausgenommen sind

kleinere Anpassungen (adaptions mineures), deren Notwendigkeit sich aus

der Beschaffenheit des Grundstücks, aus seinem Zuschnitt oder aus der

Beschaffenheit der Nachbargrundstücke ergibt.

Eine wichtige Bedeutung im Rahmen der städtebaulichen Beurteilung kommt

auch der erst 1975 eingeführten gesetzlichen Obergrenze der baulichen

Nutzungsdichte (plafond legal de densite) zu (Art. L. 112-1 bis L. 112-7

des Städtebaugesetzbuchs). Einewichtige Rolle spielt dabei der Begriff

der Baufläche (plancher dune construction). Nach der durch Verordnung

vorgenommenen Degriffsbestimmung -(Art. R. 112-2 des Städtebaugesetzbuchs)

entspricht die Bruttobaufläche eines Bauwerks der Summe der.Bodenflächen

aller Stockwerke.

Und damit im wesentlichen unserer Geschoßfläche, s, dazu § 20 Abso

der Baunutzungsverordnung: Die Geschoßfläche ist nach den AußenmsBn

der Gebäude in allen Vollgeschossen zu ermitteln. Die Flächen von

Aufenthaltsräumen in anderen Geschossen einschließlich der zu ihnen

gehörenden Treppenräume und einschließlich ihrer Umfassungswände

sind mitzurechnen.

Für die Berechnung der Netthbaufläche sind die im Verordnungsrecht im

einzelnen festgelegten Abzüge vorzunehmen.

Die bauliche Nutzungsdichte wird gesetzlich definiert als das Verhältnis

zwischen der Baufläche (im vorstehenden Sinne)und der Gesamtfläche des

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30

1-23 Grundstücks, auf dem sich ein Bauwerk befindet oder errichtt werden

soll. Die zulässige bauliche Nutzungsdichte beträgt für die Stadt Paris

1,5 und für das übrige Frankreich 1,0. Wer diese Nutzungsdichte über-

schreiten will, muß eine Abgabe entrichten, die dem Wert der Grundfläche

entspricht, die er seinem Baugrundstück hinzufügen müßte, um innerhalb

der Zulässigkeitsgrenze die beabsichtigte Nutzungsdichte erreichen zu

können. Diese Abgabe wird mit der ausdrücklichen oder stillschweigenden

Erteilung der Baugenehmigung fällig.

Bemerkenswert ist die Begründung, die der Gesetzgeber den Regelungen

über die Obergrenze der baulichen Nutzungsdichte und die Entstehung

einer Abgebenpflicht bei ihrer Überschreitung vorangestellt hat:

Das Recht zum Bauen ergibt sich aus dem Eigentum am Grund und Boden.

Ausgeübt wird es unter Beachtung der Gesetzes und Verordnungsbestim-

mungen über die Bodennutzung. Teil dieser Rechtsvorschriften ist seit

1975 die Regelung über die gesetzliche Obergrenze der baulichen NutzonuF

dichte. Es liegt bei den Gemeinden, ob und in welchem Umfang sie im

Rahmen der vom Städtebaurecht zugelassenen Möglichkeiten eins Überschrei

tung dieser Obergrenze zulassen.

Schließlich richtet sich die städtebauliche Beurteilung eines Vorhabens

auch nach den Allgemeinen Regeln des Städtebaus (Regles generales de

l'urbanisme), die allerdings grundsätzlich nur in den Fällen anwendbar

sind, in denen kein rechtsverbindlicher _Bodennutzungsplan 71.1 beachten

ist (Art. L. 111-1 und R. 111-1 des Städtebaugesetzbuchs). In den gesetz-

lichen Bestimmungen ist vorgesehen, daß sich diese Allgemeinen Regeln

mit der Stellung der Gebäude auf den GrOndstücken, ihrem Anschluß an die

Verkehrs-, Ver- und Entsorgungsanlagen, ihrer Einfügung in die Umgebung

und ihrer architektonischen Gestaltung befassen kann, weiterhin mit den

Grundstückseinfriedungen und mit der ordnungsgemäßen Instandhaltung und

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1-24 Pflege (la tenue decente) von Grundstücken und Gebäuden.

Demgemäß sind im Verordnungswege im wesentlichen folgende Allgemeine

Regeln festgelegt worden (Art. R. 111-2 bis 111-26):

- Ein Bauvorhaben darf nicht oder nur unter Bedingungen oder Auflagen

genehmigt werden, wenn es nach seiner Lage oder nach seinen Ausmaßen

geeignet ist, die Gesundheit oder die öffentliche Sicherheit zu be-

einträchtigen.

- Ist das Bauen auf bestimmten Grundstücken mit besonderen:Gefahren ver-Bcden

bunden, wie etwa mit der Gefahr der Überschwemmung, der/abschwemmung,

der_Bodenebsenkung. des Bergrutsches oder von Lawinen, so kann es,

wenn es überhaupt genehmigt wird, besonderen Beingungen-und Auflagen

unterworfen werden; die gefährdeten Gebiete werden durch Präfektur

anordnung festgiegto

- Ein Bauvorhaben darf nichtoder,our unter Bedingungen nu Auflagen

genehmigt werden, wenn anzunehmen ist, daß es aufgrund seiner Lage

erheblichen schädlichen Umwelteinwirkungen, die insbesondere durch

Lärm hervorgerufen werden, ausgesetzt würde.

.- Ein Bauvorhaben darf nicht oder nur unter Bedingungen oder Auflagen

genehmigt werden, wenn es durch seine Lage den Schutz oder die Beden-

tung eines bemerkenswerten Denkmal- oder Naturbereichs oder:vorgesch:!! !f-

ilcher Überreste ,beeinträchtigen würde.

- Ein Bauvorhaben darf ni ght errinhtet werden, wenn das Grundstück

in einer Art und Weise durch öffentliche oder private Verkehrsflächen

erschlossen wird, die der Größe und Zweckbestimmung des geplanten Ge-

bäudes oder der geplanten Gebäudegruppe entsprechen, insbesondere wenn

nach der Beschaffenheit dieser Flächen das Befahren mit Feuerlösch-

geräten erschwert ist. Gleiches gilt, wenn der Zugang eine Sicherheits-

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I-25 gefahr für die Benutzer der öffentlichen Verkehrsflächen oder des

Grundstückszugangs darstellt.

- Die Genehmigung von Bauvorhaben kann davon abhängig gemacht werden,

daß

a) Kraftfahrzeug-Parkmöglichkeiten außerhalb der öffentlichen Verkehrs-

flächen geschaffen werden, die dem Bedarf des geplanten Bauwerks ent-

sprechen,

b) private Zugänge oder sonstige Anlagen geschaffen werden, die den

Sicherheitsanforderungen entsprechen.

Die Anzahl der Zugänge zu öffentlichen \ferkehrsflächen kann-aus Sicher-

heitsgründen beschzänkt werden.

- Wohngebäude müssen folgende Mindestabstände einhalten:

a) 50 Meter beiderseits der Fahrbahnen der, Autobahnen,

b) 35 Meter beiderseits der Fahrbahnen von Hauptverkehrsstraßen.

Dies gilt nicht innerhalb der im Zusammenhang bebauten LiiHteile,

der Städte und der Dörfer. Ausnahmen von den Mindestabstnnsbestimmnngen

können unter gewissen Voraussetzungen zugelassen werdenL Hei Bauwerken,

die nicht Wohnzwecken dienen, verpingern sich die Mindestabstände auf

40 und 25 Meter.

- Die Genehmigung kann für ein Bauwerk davornabhängig gemacht werden,

daß entsprechend. der Größe des geplanten Gebäudes-Grünflächen erhalten

oder geschaffen werden. Sollen Wohnungen gebaut werden, so-kann gefop

dert werden, daß vor allem. für Kinder, 'aber_ auch für Erwar;hsene ein

Spiel- und Freizeitdestaltungsplatz geschaffen wird, der in der Nähe

der Wohnungen liegt und ihrer Zahl entspricht.

- Für jedes Wohngebäude und für jede Arbeits-, Erholungs- und Vergnügunge-

stätte müssen die Wasserversorgung und die Abwasserbeseitigung -r

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E-26 in Übereinstimmung mit den geltenden Vorschriften stheroestellt sein;

gleiches gilt für die Industrieabwässer bezüglich ihrer Ableitung,

Reinigung und Wiedereinbringung in Gewässer.

- Wohnbaugebiete und Wohngebäudegruppen müssen an eine Druckwasserleitung

angeschlossen sein, ebenso an ein Kanalnetz, das das Abwasser unmittel

bar und ohne Hindernisse ableitet. Die Leitungs-netze müssen an die

öffentlichen Netze angeschlossen sein.

- Fehlt es an solchen öffentlichen Leitungsnetzen, so kann , es vorbehalt-

lich der Erfordernisse der öffentlichen Gesundheitspflege zugelassen

werden, daß die Wasserversorgung von einem Punkt aus, allenfalls von

einer geringstmöglichen Zahl von Punkten aus eingespeist wird; das

Abwasserbeseitigungsnetz.muß in einer einzigen Kläranlage, allenfalls

in einer kleinstmöglichen Zahl solcher Anlagen endeno Diese Gemein-

•schaftsanlagen .sind so einzurichten, daß sie.später an.die-öffentlinhen

- Netze angeschlossen.:weraem-Unnen_Ausnahmenvon W 7Vorschriften

können bei:weiträumiger.Bebauung unter bestimmten kiftrussetzungen,

-insbesondere unter Berücksichtigung der Gefahr von Grundwasserver-

schmutzungen, zugelassen werden.

• Verschmutzte Industrieabwässer und andere verschmutzte Abwässer jedev

:Art, die gereinigt werdenfmüssendürfen nicht mit Regenwasser oder

mit Industrieabwässern vermischt werden, die ungereinlgt in die Ge-

, wässer eingeleitet werden können. Zulässig ist dies jedoch, wenn die

sich ergebende Verdünnung (dilution) die Abwasserreinigung nicht er-

schwert- Erforderlichenfalls kann.die Einleitung verschmutzter Indu-

strieabwässer, soweit sie zulässig ist, von einer Vorbehandlung ab-,

•hängig .gemacht werden.

- Bauvorhaben dürfen nicht oder nur unter Bedingungen oder-Auflagen zu-

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1-27 gelassen werden, wenn es wegen ihrer Lage oder Größe erforderlich ist,

daß die Gemeinde öffentliche Einrichtungen schafft, die außer Verhält-

nis zu ihren finanziellen Möglichkeiten stehen.

- Im Falle der Errichtung von Wohngebäuden sowie von industriellen Bauten

oder Einrichtungen kann gefordert werden, daß

a) der Bauträger das Verkehrsnetz, die Wasserversorgung, die Abwasser-

beseitigung, die Straßenbeleuchtung sowie Kraftfahrzeug-Parkeinrich-

tungen, Freiflächen und Anpflanzungen herstellt,

b) der Bauträger zu den Kosten der Herstellung von öffentlichen Ein-

richtungen beiträgt, die dem Bedarf der Neubauten entsprechen und

durch ihre Errichtung erforderlich werden, und zwar entweder durch

die Vornahme der notwendigen Arbeiten, die Bereitstellung von Grund-

flächen oder einen finanziellen Beitrag,

c) entsprechend den Bedürfnissen der . Bewohner der geplanten Gebäude

Räumlichkeiten für Handel und Handwerk geschaffen werden,

d) eine öffentlich-rechtliche Vereinigung geschaffen wird, der der

Betrieb und die Unterhaltung der dem Gemeinschaftsinteresse dienen-

den Einrictingen und Anlagen übertragen wird.

- Ein Bauvorhaben darf nicht oder nur unter Bedingun-gen oder Auflagen

zugelassen werden, wenn es durch seine Lage, seine Art oder seine

Zweckbestimmung

a) eine Zersiedlung begünstigen würde, die mit der Zweckbestimmung der

umgebenden Landschaft unvereinbar ist,

b) forstwirtschaftliche Ordnungsmaßnahmen in Frage stellen würde,

c) land- oder forstwirtschaftliche • Nutzungen beeinträchtigen würde,

vor allem im Hinblick auf den landwirtschaftlichen Wert der Böden,

die Agrarstruktur oder das Vorhandensein von Flächen, auf denen

hochwertige Lebensmittel erzeugt werden und die mit besonderen Ein-

richtungen ausgestattet sind,

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1-28 d) die Förderung von Bodenschätzen beeinträchtigen würde.

- Bei der Entscheidung über die Genehmidung von Bauvorhaben sind die

Eigenschaften der natürlichen Umwelt zu berücksichtigen, wie sie in

Art. 1 des Naturschutzgesetzes vom 10. Juli 1976 (loi n. 76-628

relative ä la protection de la nature) bezeichnet sind; erforderlichen-

falls können Bedingungen und Auflagen ausgesprochen werden.

- Eine Reihe von Regeln befaßt sich mit den Abständen, die gegenüber

Nachbargrundstücken und dffentlichen Flächen einzuhalten sind, sowie

mit der ausreichendeiBelichtung von Wohngebäuden und Wohnungen.

- Schließlich enthalten die Allgemeinen Regeln des Städtebaus auch noch

Bestimmungen über das äußere Erscheinungsbild (aspect) von Bauwerken;

sie sprechen dazu den Grundsatz aus, daß ein Bauvorhaben nicht oder

nur unter Bedingungen oder Auflagen genehmigt werden darf, wenn es

durch seine Lage, seine architektonische Gestaltung, seine Ausmaße

oder die äußere Erscheinungsform-der zu errichtenden Bauten oder AH

lagen die Beschaffenheit und die Eigenart der in der Umgebung vorhan-

denen Plätze, schützenswerten Denkmal oder Naturbereiche, Natur- brim,'

Stadtlandschaften oder die Sibht auf Denkmäler beeinträchtigen würde,.

Zieht man dies alles in Betracht, so gewinnt man eine Vorstellung davon,

welchen umfassenden Inhalt die Bodennutzungspläne haben können, die im

Falle ihrer Rechtsverbindlichkeit grundsätzlich an die Stelle der Allge

meinen Regeln des Städtebaus treten. Zugleich wird auch verständlich,

rum man in der französischen Baurechtswissenschaft den Umfang der

sachlichen Überprüfung der Baugenehmigungsunterlagen durch die zustän-

digen Behörden als einen "wohlwollenden Despotismus" ansieht.

S. dazu Liet-Veaux, Le droit de la Construction, S. 94, mit der

Verweisung auf den Aufsatz von Toulemon und Moore, La loi et is

despotisme bienviellant, in: Gazette du Palais vom 6.-8. Dezem-

ber 1967.

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1-29 E. Kontrolle der Einhaltung des Genehmigungsinhalts, Übereinstimmungs-

zeugnis

Unter der Überschrift "Kontrolle" (contrCle) regelt das Städtebaugesetzbuch

(Art. L. 460-1 und 460-2) die Bauüberwachung und das Erfordernis der Ein-

holung eines Zeugnisses, das die Übereinetimmung der ausgeführten Bauer-

beiten mit dem Inhalt der Baugenehmigung bestätigt (certificat de con-

formite). Dazu trifft das Gesetz selbst folgende grundsätzliche Regelung:

Der Präfekt, der Bürgermeister und die von ihm Beauftragten sowie die

Beamten (fonctionnaires), die von dem für den Städtebau zuständigen

Minister damit beauftragt sind, können jederzeit die im Entstehen befind-

lichen Bauwerke besichtigen, die ihnen erforderlich erscheinenden Prüfun-

gen vornehmen und alle technischen Unterlagen einsehen, die sich auf die

Bauausführung beziehen. Diese Befugnisse stehen ihnen auch nach Fertig-

stellung des Bauwerks noch zwei Jahre lang zu. Die Behörde, die für die

öffentlichen Flächen zuständig ist, an denen das Bauwerk errichtet wird,

können unter den gleichen Bedingungen die Einhaltung der Baulinie und.

der Anbauhöhe überprüfen.

Nach dem Abschluß der Bauarbeiten ist ihre Übereinstimmung mit der Bau-

genehmigung in dem bereits genannten Übereinstimmungszeugnis zu bestäti-

gen. Die näheren sachlichen und verf‚uhrensmäßigen Voraussetzungen, unter

denen dieses Zeugnis erteilt wird, haben ihre Regelung im Verordnungsweg

erfahren (Art. R 460-1 bis 460-7 des Städtebaugesetzbuchs). Danach hat

der Bauträger (constructeur) innerhalb einer Frist von 30 Tagen nach

der Fertigstellung der Bauarbeiten eine entsprechende Erklärung abzu-

geben. Wenn die der Baugenehmigung unterliegenden Arbeiten von einem

Architekten geleitet worden sind, hat er zu erklären, daß die Bauarbeiten

in Übereinstimmung mit der Baugenehmigung ausgeführt worden sind. Die

Fertigstellungserklärung ist bei dem Bürgermeister und dem Departement-

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I-30 Baudirektor einzureichen. Der Departement-Baudirektor überprüft, erfor-

derlichenfalls durch eine Kontrolle der vorgenommenen Bauarbeiten, die

Einfügung der Bauwerke in ihre Umgebung, ihre Zweckbestimmung, ihre Art,

ihr äußeres Erscheinungsbild, ihre Ausmaße und die Beschaffenheit der

Zugänge und stellt dabei fest, ob sie in Übereinstimmung mit der Bau-

genehmioung ausgeführt worden sind. Stellt er dabei fest, daß keine

Beanstandungen zu erheben sind, so erteilt er innerhalb von drei Monaten

das Übereinstimmungszeugnis. Gelangt er zum gegenteiligen Ergebnis, so

wird der Bauträger innerhalb der gleichen Frist darüber unterrichtet,

aus welchen Gründen das Zeugnis nicht erteilt werden kann. Zugleich

wird auf die in diesem Falle verwirkten Sanktionen hingewiesen (s. dazu

Näheres unter H.). Bei Hochhäusern kann der Bürgermeister Räumlichkeiten,

die der Allgemeinheit zugänglich gemacht werden sollen, vorläufig schlie-

Ben, wenn ihre Beschaffenheit nicht mit der Baugenehmigung übereinstimmt;

gleiches gilt für solche. Räumlichkeiten, bei denen sich der Eigentümer

geweigert hat, die ihm auferlegten Verbesserungsmaßnahmen durchzuführen,

Weiterhin kann der BOrgermetter, wenn die Sicherheitsbestimmungen nicht

eingehalten sind, in dringenden Fällen anordnen, daß das Gebäude ganz

. oder zum Teil geräumt wird.

F. Die Abbruchgenehmigung

Neben der Baugenehmigung gibt es in Frankreich eine eigene Abbruch-

genehmigung (permia de drmolir). Sie- ist im wesentlichen aus-zwei Gründen

eingeführt worden: Einerseits soll in den Gemeinden, in denen ein Mangel

an Wohnungen besteht, ein Höchstmaß an bestehenden Gebäuden erhalten

werden; auf der anderen Seite besteht auch Interesse an der Erhaltung

alter und malerischer Gebäude, die nicht ausdrücklich unter Denkmalschutz

gestellt sind.

S. dazu Näheres bei Liet-Veaux, Le droit de la-construction, S. 152 ff.

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1-31 Dementsprechend bestimmt das Städtebaugesetzbuch (Art. L.430-I und 430-2),

daß

- in den durch Rechtsvorschrift bestimmten Gemeinden,

- in geschützten Bereichen (secteurs sauvegardes) und in Wiederinstand-

setzungsbereichen (perimetres de restauration immobiliere) im Sinne

der Art. L. 313-1 bis L. 313 -15 des Städtebaugesetzbuchs,

- in Bereichen, in denen die Denkmalschutzbestimmungen (Gesetz vom

31. Dezember 1913 und Gesetz vom 2. Mai 1931) Anwendung finden,

- in Gebieten, die durch einen Bodennutzungsplan festgesetzt sind,

- in Gebieten, die innerhalb empfindlicher Bereiche (perimetres

sensibles) und geschützter Umweltbereiche (zones d'environnement

proteges) im Sinne der Art. L. 142-3 und L. 143-1 des Städtebaugesetz-

_buchs liegen,

- hpi Rphnden r ind Gebäudeteilen, die in die Zusatzliste der histori-

schen Baudenkmäler eingetragen sind,

eine Abbruchgenehmigung erforderlich ist, wenn ein Bauwerk, gleich

welchem Zweck es dient, ganz oder zum Teil abgebrochen warden soli.

Dies ilt nicht nur für private Eigentümer, sondern auch für öffentliche

hörperschafteq,, öffentliche Einrichigen und Konzessiona7ce der öffentlichen

Betriebe des Staats, der Departements und der Gemeinden Ausgenommen sind

Abbruchmaßnahmen, die durch Rechtsvorschriften, rechtskräftigen Gerichts-

spruch oder Verwaltungsanordnungen geboten sind oder die städtebaulichen

Plänen oder Maßnahmen entsprechen.

Die näheren Verfahrensbestimmungen sind im Verordnungswege getroffen

worden (Art. L. 430-4 in Verbindung mit Art. R. 430-1 bis R. 430-27).

Wer ohne die erforderliche Abbruchgenehmigung oder unter Abweichung

von dem Inhalt einer Abbruchgenehmigung Abbruchmaßnahmen ausführt, hat

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1-32 eine Geldstrafe von 2000 bis 500000 Franken zu erwarten; außerdem muß

das Bauwerk innerhalb von sechs Monaten wieder aufgebaut werden, auch

muß es wieder seiner früheren Zweckbestimmung zugeführt werden (Art.

L. 430-9 des Städtebaugesetzbuchs).

G. Die allgemeinen Bauvorschriften all' Wohngebäude

Im Rahmen der Darlegungen über den sachlichen Umfang der Prüfung im

Baugenehmigungsverfahren wurde ausgeführt (s. oben D.1.), daß der

Antragsteller sich im Baugenehmigungsantrag ausdrücklich verpflichten

muß, die in-Art. L. 111-3 des Städtebaugesetzbuchs vorgesehenen alloe-

meinen Bauvorschriften für Wohngebäude (reglesgenerales de-construction

applicables aux bkiments d'haditation) zu beachten. Er muß, wie sich

aus dem amtlichen Formular ergibt. -(Art. A. 4211 des Städtebaugesetz-

buchs), am Schluß seines Baugenehmigungsantrags-,_ in dem er. nähere Angaben

über den Bauträger (constructeur):-,edas Baugr:RinAFtück eiu Bauarbeiten

(Art der Bauarbeiten, Verfasser des Architekturprojekts) ,.die Baudichte

und gegebenenfalls über die für die Erhebung-eines gemeindlichen Er-

schließungsbeitrags erheblichen Tatsachen machen muß, unter der Über-

schrift "Verpflichtung des Bauträgers" (engagement du constructeur)

folgendes erklären:

"Ich, der Unterzeichnete, Verfasser des vorliegenden Antrags,

bestätige die Richtigkeit der vorstehenden Angaben_ und verpflichte

mich für den Fall der Errichtung von Wohngebäuden„ d-ie allgemeinen

Bauvorschriften einzuhalten; die in Anwendung des Art. 92 des

.Städtebau- und Wohnungsgesetzbuchs (Code:de l'urbanisme at de

l'habitation, jetzt Art. L. 111-3 des Städtebaugesetzbuchs) er-

lassen worden sind. Ich erkläre weiterhin; daß mir die Art.

L. 4a0-1 bis L. 480-5 des Städtebaugesetzbuchs bekannt sind, die

sich mit den strafrechtlichen Folgen eines Verstoßes gegen die

vorgenannten allgemeinen Bauvorschriften befassen."

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1-33 Die in dieser Erklärung angesprochenen strafrechtlichen Folgen eines

Verstoßes gegen die allgemeinen Bauvorschriften werden im nächsten

Abschnitt (s. unten H.) behandelt, der die möglichen Sanktionen, die

durch die Verletzung von baurechtlichen Vorschriften ausgelöst werden

können, im Zusammenhang behandelt.

Was die allgemeinen Bauvorschriften für Wohngebäude als solche angeht,

so waren sie lange Zeit in zahlreichen Gesetzes- und Verordnungsbestim-

mungen (ergänzt durch nicht weniger zahlreiche Erlasse) verstreut. Sie

sind im Jahre 1978 durch hodifikation zum Bau- und Wohnungsgesetzbuch

(Code de la construction at de l'habitation) zusammengefaßt warden.

Decret n. 78-621 portant codification des textes concernant la

construction at l'habitation (premiere partie: Legislative)

(Journal Officiel vom 8.6.1978), Decret n. 78-622 portant codi-

fication des textes concernant la construction et l'habitation

(deuxieme partie: Reglementaire) (Journal Offihiel vom 8,6.1978);

s. zur Entstehungsgeschichte und zum Inhalt der hodifikation

Näheres im Juris-Classeur Construction, Fasc. 11-A-2, Reglement

general de construction, von Jean Hugo und Andre Rossignul.

Die allgemeinen Bauvorschriften für Wohngebäude bilden aber nur das

erste Buch dieser hodifikation. Das zweite Buch hat die Rechtsordnung

der am Bauen Beteiligten (statut des constructeurs) zum Inhalt Das

dritte Buch regelt die verschiedenen öffentlichen Förderungsmöglich-

keiten für den Wohnungsbau und die Verbesserung der Wohnumwelt, Das

vierte Such ist dem sozialen Wohnungsbau (habitations e lover modere)

gewidmet. Das fünfte Buch befaßt sich mit den baufälli gen und gesund-

heitsgefährdenden Gebäuden. Im sechsten Buch sind die MaßnahMeh geregelt,

mit denen den besonderen Schwierigkeiten der Wohnungsversorgung entgegen

gewirkt werden soll.

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1-34 Die Bauvorschriften im eigentlichen Sinne, die im ersten Buch zusammen-

gefaßt sind, werden mit dem ersten Titel Ober die Errichtung von Gebäuden

eingeleitet. Er enthält insbesondere Vorschriften, die bei allen Bauwerken

einzuhalten sind, und allgemeine Vorschriften, die für Wohngebäude gelten,

weiterhin Regelungen über die Berücksichtigung der Belange von Behinderten,

die thermischen Eigenschaften von Gebäuden, die Schallisolation, die Ver-

antwortlichkeit der an der Errichtung der Bauwerke Beteiligten, die tech-er

nische Kontrolle aller Bauwerke und die Versich'ungspflichten. Es folgen

im zweiten Titel Bestimmungen Ober die Sicherheit und den Brandschutz,

im dritten Titel Regelungen Ober die Heizung und das Verputzen der Gebäude,

im vierten TilpJ. Vorschriften für die Bauindustrie und im fünften Titel

Bestimmungen über die Kontrolle und die strafrechtlichen Folgen von Ver-

stößen gegen die Bauvorschriften.

Einerseits beruht die geltende Regelung, nach der sich die Baugenehmigung

auf die städtebaulichen Gesichtspunkte beschränkt und vor ihrer Erteilung

nicht geprüft wird, ob die beabsichtigten Bauvorhaben mit den allgemeinen

Bauvorschriften für Wohngebäude übereinstimmen, auf dem Vertrauen, daß

die an der Planung und Errichtun g der Bauwerke beteiligten Personen

entsprechend der ihnen obliegenden Verantwortung diese Bauvorschriften

beachten; doch bedeutet dies nur einen Verzicht auf die vorherige Prüfung.

Denn auf der anderen Seite haben die zuständigen Behörden, wie bereits

dargelegt wurde, die Befugnis, das im Bau befindliche Vorhaben unter allen

Gesichtspunkten zu überprüfen; und außerdem wird die Einhaltung durch

Regelungen im Bau- und Wohnungsgesetzbuch noch besonders sichergestellt°

So enthält das Bau- und Wohnungsgesetzbuch Vorschriften über die technische

Kontrolle aller Bauwerke (contrCle technique de tous bätiments, Art. L.

111-23 bis L. 111-26). Die Aufgabe des technischen Kontrolleurs besteht

darin, zur Verhinderung der verschiedenen technischen Gefährdungen beizu

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1-35 tragen, die bei der Bauausführung entstehen können. Der technische Kon-

trolleur wird im Auftrage des Bauleiters (maitre de l'ouvrage) tätig,

gegenüber dem er seine Stellungnahme zu den Problemen technischer Art

abgibt. Diese Stellungnahme bezieht sich vor allem auf die Probleme der

Standsicherheit (solidite) des Gebäudes bzw. Bauwerks und die Sicherheit

von Personen. Der technische Kontrolleur unterliegt der sich aus dem

Zivilgesetzbuch (Art. 1792, 1792-1 und 1792-2 des Code civil) ergebenden

Verantwortlichkeit und Haftung (s. auch Art. L. 111-13 bis L. 111-15 des

Bau- und Wohnungsgesetzbuchs), die durch vertz.--agliche Regelungen unab-

änderlich auf zehn Jahre bemessen ist.(vgl. auch Art. L. 111-20 des Bau-

und Wohnungsgesetzbuchs). Die Tätigkeit als technischer Kontroleur ist

unvereinbar mit jeglicher Tätigkeit der Planung, der Ausführung und der

Begutachtung eines Bauwerks. Die Zulassung zur technischen Prüfung ist

durch Verordnung geregelt (Art. R. 111-29 bis R. 111-37 des Bau- und

Wohnungsgesetzbuchs).

Im Gesetz ist vorgesehen, daß im Verordnungwege für bestimmte Bauwerke

im Hinblick auf ihre Art und Größe, die besondere Gefahren für die

Sicherheit von Personen in sich bergen, die technische Kontrolle zwin-

gend vorgeschrieben werden kann. Dementsprechend ist die technische

Kontrolle bei folgenden Bauvorhaben obligatorisch (Art. R.111-38 bis R.

111-42 des Bau- und Wohnungsgesetzbuchs):

- Bauwerke, die der Allgemeinheit offenstehen, unter den näher geregelten

Voraussetzungen (Art. R. 123-2 und R. 123-19 des Bau- und Wohnungsgesetz-

buchs),

- Gebäude, deren Fußboden im obersten Geschoß 28 Meter über der höchsten

Geländeoberfläche liegt, die von Fahrzeugen des öffentlichen Rettungs-

dienstes und der Feuerwehr noch benutzt werden kann,

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I-36 - Bauwerke für andere als industriile Zwecke, die entweder freitragende

Elemente von mehr als 20 Metern Länge oder Balken oder Gewölbe mit

einer Tragweite von mehr als 40 Metern aufweisen, oder die im Verhältnis

zur natürlichen Geländeoberfläche eine Bautiefe von mehr als 15 Metern

oder Gründungen von mehr als 30 Metern Tiefe aufweisen oder bei denen

es erforderlich ist, benachbarte Bauwerke auf mehr als fünf Metern

Höhe zu unterfangen.

In diesen Fällen ist der technische Kontrolleur schon bei der Planung

der Bauwerke hinzuzuziehen. Es ist auch zulässig, mehrere technische

Kontrolleure einzuschalten, deren Aufgabengebiete dann allerdings gegen-

einander abgegrenzt werden müssen. Wer als Bauleiter oder Bauherr Bau-

arbeiten beginnt oder weiterführt, ohne daß die vorgeschriebene technische

Kontrolle sichergestellt ist, wird mit einer Geldstrafe von 600 bis 1000

Franken und mit einer Gefängnisstrafe von 14 Tagen oder mit einer dieser

Strafen belegt; im Wiederholungsfall können die Strafen mit 2000 Franken

und einem Monat Gefängnis bemessen werden.

Nicht unerwähnt bleiben darf auch die umfassende Versicherungspflicht,

die das Bau- und Wohnungsgesetzbuch (Art. L. 111-27 bis L. 111-39) den

an der Errichtung von Bauwerken Beteiligten auferlegt.

Schließlich räumen die Vorschriften über die Kontrolle und die straf-

rechtlichen Sanktionen (Art. L. 151-1 bis L. 152-11 des Bau- und Wohnunqs-

gesetzbuchs) zunächst einmal wie in bezug auf die Baugenehmigung so auch

hinsichtlich der Einhaltung der Bauvorschriften den staatlichen und kommu-

nalen Stellen, die für das Bauwesen zuständig sind, umfangreiche O ber-.

wachungsbefugnisse ein. Die strafrechtlichen Sanktionen reichen von der

Einstellung der Bauarbeiten über die Anordnung, das Bauwerk in Einklang

mit den Bauvorschriften zu bringen, die Abbruchanordnung verbunden mit cfem

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Gebot, das Grundstück wieder in seinem vorigen Stand zu versetzen, und

die Möglichkeit der Ersatzvornahme in derartigen Fällen bis zu Geld- und

Gefängnisstrafen.

H. Folgen von Verstößen gegen das Städtebaurecht

Das vierte Buch des Städtebaugesetzbuchs, das die Bestimmungen über die

Errichtung von Bauwerken und die verschiedenen Arten der Bodennutzung

enthält, schließt mit dem Titel VIII, der die Folgen von RechtsverstöBen

(infractions) zum Gegenstand hat (Art. L. 480-1 bis L. 480-13).

Zunächst ist geregelt, welche Behörden Rechtsverstöße zur Anzeige bringen

können. In diesem Zusammelang wird auch eine Art Verbandsklage zugelassen.

Anerkannte Personenvereinigungen, die nach ihren Satzungen den Zweck ver-

folgen, für den Schutz und die Verbesserung des Lebensraums und der Umwelt

einzutreten, können eine Ahndung von Rechtsverstößen veranlassen, die

unmittelbar oder mittelbar die Gemeinschaftsinteressen schädigen, deren

Verteidigung sie sich als Aufgabe gesetzt haben.

Die Einstellung der rechtswidrigen Bauarbeiten kann vom Strafgericht oder

vom Bürgermäster angeordnet werden. Der Bürgemeister hat auch im Falle

der gerichtlichen Anordnung die erforderlichen Vollzugsmaßnahmen zu er,

greifen, gegebenenfalls die Baumaterialien zu beschlagnahmen und die

Baustelle zu versiegeln. Entsprechende Maßnahmen kann erforderlichenfsil

der Präfekt ausführen.

Werden die Bauarbeiten entgegen dem Richterspruch oder der Verwaltungs-

anordnung fortgesetzt, so spricht das Gericht gegen die verantwortlichen

Personen eine Geldstrafe von 2000 bis zu 500000 Franken und eine Gefängnis-

strafe von 14 Tagen bis zu drei Monaten oder eine dieser Strafen aus.

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1-38 Verantwortlich sind außer denjenigen, denen die Bauarbeiten zugute kommen,

die Architekten, die Bauunternehmer und enders Personen, die verantwort-

lich an der Ausführung der Bauarbeiten beteiligt sind.

Durch Richterspruch kann auch angeordnet werden, daß die Örtlichkeiten

oder die Bauwerke mit den Rechtsvorschriften, den Verwaltungsanweisungen

oder der Bau genehmigung in Einklang gebracht werden, gegebenenfalls im

Wege des Abbruchs von Bauwerken oder der Wiederherstellung des früheren

Zustands der betroffenen Grundflächen. Der Tod des Beschuldigten oder

eine Anmestie schließen derartige (grundstücksbezogene) Anordnungen nicht

aus.

dieDas Gericht kann demjenigen, für den/rechtswidrigeiBauarbeiten oder

Bodennutzungen ausgeführt worden sind, für die Vornahme des Abbruchs

oder die Wiederherstellung des früheren Zustands eine Frist setzen und

zugleich für jeden Tag ihrer Überschreitung eine Geldbuße von 50 bis

zu 500 Franken androhen. Die Geldbußen werden zugunsten der Gemeinden

fällig, in deren Gebiet der Rechtsverstoß begangen worden ist; wenn

allerdings der Bürgermeister nicht das Erforderliche veranlaßt, werden

die Geldbußen zugunsten des Staats eingezogen.

Wird die vom Gericht festgesetzte Frist nicht eingehalten, so können

von Amts wegen alle Arbeiten vorgenommen werden, die erforderlich sind,

um die gerichtliche Entscheidung bezüglich des Abbruchs, der Herstellung

des rechtmäßigen Zustands oder der Wiederherstellung des früheren Zustands

auf Kosten und Gefahr des durch die rechtswidrigen Arbeiten Begünstigten

auszuführen.

Wer die Ausübung der in Art. L. 460-1 des Städtebaugesetzbuchs ausge-

sprochenen Prüfungsbefugnisse durch die zuständigen Personen behindert,

kann vorbehaltlich schwererer Strafen nach den Art. 209 bis 233 des

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1-39 Strafgesetzbuchs (Code penal) eine Geldstrafe von 2000 bis zu 6000 Franken

erhalten. Daneben kann eine Gefängnisstrafe von elf Tagen bis zu einem

Monat verhängt werden.

Hat allerdings jemand ein Bauwerk in Übereinstimmung mit einer Bauge-

nehmigung errichtet, so kann der Eigentümer nicht wegen der Mißachtung

der Regeln des Städtebaus oder öffentlicher Grundstücksbelastungen belangt

werden, es sei denn, daß vor der Errichtung des Bauwerks die Baugenehmiguno

wegen Ermessensüberschreitung für nichtig erklärt oder ihre Rechtswidrig-

keit vom Verwaltungsgericht festgestellt worden ist.

Ergänzende Strafandrohungen finden sich in den Verordnungsbestimmungen

(Art. R. 480-1 bis R. 480-5), unter anderem hinsichtlich von VerstöBen

gegen die Bestimmungen über Hochhäuser (Art. R. 421-49 und R. 421-51

des Städtebaugesetzbuchs).

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Teil II: Das französische Architekturrecht

A. Architekturrecht - nicht Architektenrecht

1. Das Architekturgesetz von 1977

Das französische Baugenehmigungsrecht, wie es im Teil I im wesentlichen

auf der Grundlage des Städtebaugesetzes (Code de l'urbanisme) und der

ergänzenden Rechtsvorschriften dargestellt worden ist, wird in wichtigen

Punkten durch das Architekturgesetz von 1977

Loi n. 77-2 sur l'architecture, vom 3.1.1977 (Journal Official

vorn 4.1.1977, berichtigt am 5. und 21.1.1977), Art. E geändert

durch Loi n. 79-16, vom 3.1.1979 (Journal Official vorn 4.1.1979)0

ergänzt. Wie schon die Bezeichnung zum Ausdruck bringt, befaßt sich

dieses Gesetz nicht nur mit der Führung der Berufsbezeichnung Architekt,

der Ausübung des Architektenberufs und der Berufsorganisation,

So die Architektengesetze der Länder der Bundesrepublik Deutsch-

land; s. etwa zuletzt das schleswig-holsteinische Gesetz über die

Führung der ßerufsbezeichungen Architekt und Beratender Ingenieulv

sowie über die Errichtung einer Architekten- und Ingenieurkammer

(Architekten- und Ingenieurkammergesetz), vom 1012.1960 (GVal.

Schl.-H. S. 342).

sondern auch - und nach dem Gesetzesaufbau zuerst - mit der Bedeutung

der Architektur, der (grundsätzlich gebotenen) Heranziehung von Archi-

tekten bei der Planung und Ausführung von Bauvorhaben und den Kommissio-

nen für Architektur, Städtebau und Umweltgestaltungo

Zur Entstehungsgeschichte des Architekten- und Architekturrechts

in Frankreich s. etwa Liet-Veaux, Le droit de la construction,

S. 193 ff., sowie Mulphin, Draft immobilier at de la construction,

S. 97 ff. und 171 ff.

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14a -

11-2 2. Die Bedeutung der Architektur und die gesetzlichen Folgerungen

Am Anfang des Architekturgesetz3CArt. 1 Abs. 1) steht ein gewichtiger

Satz, der sich sowohl an die Architekten wie auch an die Allgemeinheit

wendet: Die Architektur ist ein Ausdruck der Kultur. Welche Bedeutung

der Gesetzgeber damit der Architektur beimißt, erläutert er noch näher:

Mn der architektonischen Schöpfung, der Qualität der Bauwerke, ihrer

harmonischen Einfügung in die Umgedung und an der Rücksichtnahme auf

die Natur- und Stadtlandschaften wie auf die Denkmäler besteht ein

öffentliches Interesse. Die Behörden, die fill' die Erteilung der Geneh-

migungen für die Parzellierung von Bauland und der Baugenehmigungen

zuständig sind, haben bei der Überprüfung der Genehmigungsanträge

sicherzustellen, daß diesem öffentlichen Interesse Rechnung getragen

wird.

Daraus leitet das Gesetz wichtige Folgerungen ab: Erstens müssen die

Bauherren bei der Planung und Ausführung von Bauvorhaben grundsätzlich

Architekten hinzuziehen (s. Näheres unter 8). Zweitens werden Kommissionen

für Architektur, Städtebau und Umweltgestaltung gebildet, die jedermann

in Bauangelegenheiten beraten und unterrichten (Näheres unter C). Und

drittens werden die Ausübung des Architektenberufs und die Berufsorgani-

sation gesetzlichen Regelungen unterworfen (Näheres unter D).

In diesem Zusammenhang wird dann noch klargestellt_(Art. 2), daß als

Architekt im Sinne des Architekturgesetzes nur anzusehen sind:

- natürliche Personen, die die Bezeichnung Architekt führen dürfen,

- juristische Personen, denen die Bezeichnung Architekturgesellschaft

zusteht, und

- natürliche Personen, die zur Architektur zugelassen sind

(s. auch dazu Näheres unter D).

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11-3 B. Die Hinzuziehung von Architekten in Bauangelegenheiten

1. Das Architekten-Monnchl

Der erste Titel des französischen Architekturgesetzes (Art. 3 bis 5)

befaßt sich mit dem Erfordernis der Hinzuziehung von Architekten bei

der Planung und Ausführung von Bauvorhaben. Das Gesetz selbst verwendet

den Begriff "Monopol" nicht.

So aber Liet-Veaux, Le droit de la construction, S. 218, verbun-

den mit dem Hinweis, daß bereits ein Gesetz vom 31.12.1940 das

Monopol der Führung der Berufsbezeichnung und der Ausübung des

Berufs eines Architekten proklamiert gehabt habe, jedoch im

letzten Punkt von den Gerichten nicht bestätigt worden sei.

Doch kann man sicher von einem Monopol sprechen, wenn das Gesetz den

folgenden Grundsatz aufstellt: Wer Arbeiten unternehmen will, die einer

Bauerlaubnis bedürfen, muß einen Architekten damit beauftragen, das

Architekturprojekt (projet architecbral) zu erarbeiten, das Bestandteil

des Baugenehmigungsantrags wird, vorbehaltlich der Hinzuziehung weitereP

Personen, die entweder allein oder gemeinsam an der Planung teilnehmen°

Diese Verpflichtung schließt nicht aus, einem Architekten noch weiter

reichende Aufgaben zu übertragen.

Der degriff des Architekturprojekts wird gesetzlich definiert: Durch

Pläne und schriftliche Darstellungen beschreibt es die Stellung der

baulichen Anlagen, ihre homposition, ihre funktionale Organisation,

die Ausmaße und Formen des Baukörpers sowie die Wahl der Materialien

und Farben.

Noch näher erläutert wird der Begriff des Architekturprojekts

in Art. 16 des Pflichtenkodex der Architekten - Decret n. 80-217

portent Code des devoirs des architectes, vom 7.3.1980 (Journal

Official vom 25.3.1980, berichtigt am 21.6.1980) -. Er entspricht

im wesentlichen dem Begriff der Eauvorlagen bzw. Bauunterlagen

im Sinne unseres Bauordnungsrechts.

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11-4 Wird dem Architekten, der das Architekturprojekt erarbeitet, nicht die

Leitung der Bauausführung übertragen, so muß der Bauherr nach näherer

vertraglicher Regelung sicherstellen, daß die Ausführungspläne und Aus-

führungsarbeiten dem Architekturprojekt entsprechen. Stellt der Archi-

tekt fest, daß dies nicht der Fall ist, so hat er den Bauherrn zu

unterrichten.

Zu den Urheberrechten des Architekten nach franzüsichem Rechts

s. Liet-Ueaux, Le droit de la construction, S. 216 f.

2. Ausnahmen vom Architekten-Monopol

Das Architekten-Monopol hat keine absolute Natur. Personen, die erklären,

daß sie selbst ein Gebäude von geringer Bedeutung errichten oder ändern

wollen, brauchen sich keines Architekten zu bedienen. Nach den ergän-

zenden Rechtsvorschriften

Decret n. 77-190 relatif aux dispenses de recours ä un architecte,

vom 3.1.1977 (Journal Official vom 4.3.1977), geändert durch

Decret n. 79-898 vom 15.10.1979 (Journal Official vom 20.10.1979)

handelt es sich dabei um folgende Bauvorhaben:

- Bauwerke für nichtlandwirtschaftliche Zwecke, deren Netto-Fußboden-

fläche 170 Quadratmeter nicht überschreitet,

- Bauwerke für landwirtschaftliche Zwecke, die keine größere Brutto-

Fußbodenfläche als 800 Quadratmeter haben,

- Produktionshallen, deren Wandpfeiler weniger als 4 Meter hoch sind

und deren Brutto-Fußbodenfläche 2000 Quadratmeter nicht übersteigt.

Doch müssen sich Bauherren, die von dieser Freistellung Gebrauch machen

wollen, bevor sie den Baugenehmigungsantrag einreichen, an die zuständige

Kommission für Architektur, Städtebau und Umweltgestaltung wenden und

deren gutachtliche Stellungnahme den Baugenehmigungsunterlagen beifügen.

Die Hinzuziehung eines Architekten ist außerdem bei solchen genehmigungs-

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11-5 und erlaubnisbedürftiden Bauarbeiten entbehrlich, die ausschließlich

der Anordnung und Ausstattung von Innenräumen in Gebäuden sowie von

Verkaufsvitrinen dienen oder auf Wiederinstandsetzungsarbeiten be-

schränkt sind, mit denen keine äußerlich sichtbaren Veränderungen ein-

hergehen.

3. Einbeziehung von Ferti ghäusern in das Architekten-flonopol

Eine bedeutsame Klarstellung enthält das Gesetz (Art. 5) in bezug auf

Fertighaus-Typen (modeles-types de construction) und ihre Varianten,

mögen sie für die industrielle Herstellung bestimmt sein oder nicht,

sofern sie jedenfalls für eine wiederholte Verwendung geeignet sind.

Ohne Rücksicht darauf, welcher Bauherr sie verwenden will, müssen

derartige Fertighaus-Typen und ihre Varianten von Architekten geplant

sein. Ist der Bauherr eine natürliche Person, die unter Verwendung

eines Fertighaus-Typs ein Bauwerk von geringerer Bedeutung errichten

will, so muß die harmonische Einordnung der aus Fertigteilen bestehen

den baulichen Anlage in die Umgebung der zuständigen Kommission für

Architektur, Städtebau und Umweltgestaltung zur Begutachtung vorgelegt

werden, bevor der Baugenehmigungsantrag eingereicht wird.

Dazu gibt es ergänzende Rechtsvorschriften:

Decret n. 78-171 relatif aux modeles-types de construction, vom

26.1.1978 (Journal Officiel vom 17.2.1978).

Ein Fertighaus-Typ ist eine Bauwerksplanung, die vor dem Beginn der

Herstellung zu Verkaufszwecken in Plänen und textlicher Beschreibung

festliegt, und deren Bauherr oder Bauherren ebenso wie die Grundstücke,

auf denen sie errichtet werden sollen, im Zeitpunkt der Planung nicht

bekannt sind. Eine Variante eines Fertighaus-Typs ist auf der Grundlage

dieser Begriffsbestimmung dadurch gekennzeichnet, daß charakteristische

Architekturelemente hinzugefügt, geändert oder weggelassen werden. Die

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Pläne und Baubeschreibungen für Fertighaus-Typen und ihre Varianten im

vorstehenden Sinn werden von einem Architekten erarbeitet. Sie legen

die Komposition des Bauwerks, seine funktionale Organisation, die Formen

und Ausmaße des Baukörpers und die Baumaterialien fest. Wer nach Fertig-

haus-Typen oder ihren Varianten eine Produktion zu Verkaufszwecken auf-

nehmen will, muß alle Unterlagen bezüglich des Typs und seiner Varianten

Abei der zuständigen Behörde einreichen. Jedes Vertrags- und Verwaltungs-

schriftstück, das einen Fertighaus-Typ und seine Varianten betrifft, muß

dessen Anmeldenummer und den Namen des Architekten tragen. Werbemaßnahmen

für Fertighaus-Typen und ihre Varianten sind mit den Architekten abzu-

stimmen.

C. Die Kommissionen für Architektur, Städtebau und UmweltoeLtaltunq

Eine beachtenswerte Neuerung hat der zweite Titel des Architektur-

gesetzes von 1977 (Art. 6 bis 8) gebracht, die freilich bis heute noch

keine Realität geworden ist: Für jedes Departement ist eine Kommission

für Architektur, Städtebau und Umweltplanung (conseil d'architecture,

d'urbanisme at be l'environnement) zu bilden. Die bereits erwähnte

obligatorische Begutachtung aller Bauvorhaben durch diese Kommionen

sollte zunächst nach einer Übergangszeit von zwei Jahren, gerechnet

vom Inkrafttreten des Gesetzes an, wirksam werden. Doch waren

offenbar die organisatorischen Voraussetzungen für die Verwirklichung

der gesetzgeberischen Vorstellungen nicht so schnell zu erfüllen. Jeden-

falls ist der Zeitpunkt für den Beginn der obligatorischen Beteiligung

der Kommissionen bis zum 1. Januar 1982 hinausgeschoben worden.

Loi n. 79-16 reportant la date be consultation obligatoire des

conseils d'architecture, d'urbanisme at de l'environnement,

vom 3.1.1979 (Journal Official vom 4.1.1979).

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11-7 Es steht auch noch die im Architekturgesetz vorgesehene ergänzende

Rechtsvorschrift (Decret) aus, die das Satzungsmuster für diese Kommis-

sionen enthalten soll. Das Gesetz selbst sagt, daß diese Satzungen die

Voraussetzungen festlegen, unter denen Vertreter des Staats, der kommu-

nalen Körperschaften, der beteiligten Berufe und qualifizierte Pers-onen,

die vor allem aufgrund ihrer Aktivitäten in lokalen Vereinigungen ausge.

wählt werden, in die Kommissionen zur Zusammenarbeit berufen werden. Da-

bei muß die Zahl der Vertreter aus dem kommunalen Bereich mindestens

ebenso groß sein wie die Zahl der staatlichen Vertreter. Zwingend vor-

geschrieben ist auch, daß der Vorsitzende der Kommission aus den Ver-

tretern der kommunalen Ebene zu wählen ist.

Es ist die Aufqabe der Kommissionen, auf den Gebieten der Architektur,

des Städtebaus und der Umweltgestaltung das Bewußtsein und die Mitwir-

kungsbereitschaft der Bevölkerung zu entwickeln. Sie haben mittelbar

oder unmittelbar zur Ausbildung Lind Weiterbildung der Bauherren, der

Angehörigen der beteiligten Berufe sowie der Bediensteten der staat-

lichen und kommunalen Verwaltungen beizutragen, die auf dem Gebiet des

Bauwesens tätig warden. Allen, die bauen wollen, stellen die Kommissionell

Hinweise und gutachtliche Stellungnahmen zur Verfügung, die geeignet sinc:„

die architektonische Qualität des Bauwerks und seine harmonische Einfü-

gung in die städtische und ländliche Umgebung sicherzustellen; jedoch

dürfen sie niemals selbst die Bauleitung übernehmen.

Die öffentlichen Körperschaften und Verwaltungen können sich mit jedem

Städtebau-, Architektur- und Umweltgestaltungsvorhaben an die Kommis sind

sionen wenden. Die Kommissionen/ihrerseits in den Städtebaukommissionen

der Departements und in den ständigen Baugenehmigungskonferenzen ver-

treten. Im Bereich der regionalen Naturparke können sie ihre Aufgaben

auf die dort tätigen Architekturberatungsstellen übertragen.

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Die Kommissionen für Architektur, Städtebau und Umweltgestaltung üben

ihre gutachtliche Beratungstätigkeit gebührenfrei aus. Im Haushalts-

und Finanzgesetz ist zu regeln, wie ihre Kosten und Ausgaben finanziert

werden.

D. Führun der Berufsbezeichnung Architekt und Berufsorganisation

Die Re g elungen des Architekturgesetzes von 1977 über die Führung der

Berufsbezeichnung Architekt und die Berufsorganisation der Architekten

wSrdendmfolgenden nur in den Grundzügen und vor allem unter dem Gesichts-

punkt dargestellt, inwieweit sie sich sach- und verfahrensmäßig auf die

Erlangung von Baugenehmigungen auswirken.

1. Die Führung der Berufsbezeichnun g und die Ausübung des Architektenberufs

Der dritte Titel des Gesetzes (Art. 9 bis 20) beginnt mit den Vorschriften

über die Führung der Bezeichnungen Architekt und Architekturgesellschaft.

Die Bezeichnung Architekt dürfen natürliche Personen führen, wenn sie in

Übereinstimmung mit den gesetzlichen Erfordernissen in die regionale

Architektenliste eingetragen sind. Die Bezeichnung 'Architekturgesell-

schaft steht juristischen Personen zu, die nach den ' gesetzlichen Vor-

aussetzungen in die regionale'Architektenliste einetragen sind. Dabei

verleiht die Eintragung in eine regionale Architektenliste die Befugnis,

den Architektenberuf überall in Frankreich auszuüben.

Natürliche Personen werden in die regionale Architektenliste eingetragen,

wenn sie entweder die französische Staatsangehbrigkeit haben oder Ange-

hörige eines Mitgliedsstaats der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft

und im Besitz der bürgerlichen Rechte sind, den Nachweis ihrer persön-

lichen Zuverlässigkeit führen können und eine der folgenden Vorausset-

zungen erfüllen:

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- Entweder müssen sie Inhaber eines staatlich anerkannten französischen

oder ausländischen Architekten-Diploms, -Zertifikats oder sonstigen

Zeugnisses sein, das entweder beim Abschluß eines Studiums oder am

Ende einer Berufsausbildung verliehen wird.

- Oder ihre Qualifikation muß vom Minister für Kultur nach Vorlage

von berufsbezogenen Empfehlungen und nach Anhörung einer staatlichen

Kommission und unter den Voraussetzungen anerkannt worden sein, die

noch in ergänzenden Rechtsvorschriften festzulegen sind.

Unter ähnlichen Voraussetzungen können auch An ehöride anderer Staaten

in eine regionale Architektenliste eingetragen werden. Durch Dekret

ist auch zu regeln, unter welchen Voraussetzungen ein ausländischer

Architekt, ohne in eine regionale Architektenliste eingetragen zu sein,

in Frankreich ein bestimmtes Bauvorhaben planen und ausführen darf.

Zu dem Zwecke, den Beruf gemeinsam auszuüben, können Architekten unter-

einander oder mit anderen natürlichen Personen Architekturgesellschaften

bilden. Das Gesetz bestimmt Näheres darüber, welche Arten von juristi-

schen Personen dafür in Frage kommen.

S. dazu auch Decret n. 77-1480 pris pour l'application la

profession d'architecte de la loi n. 66-879 du 29 novembre 1966

relatif aux societ ies civiles professionnelles (Journal Official

vom 1.1.1978).

Eine Haftungsbeschränkung kann durch die Bildung von Gesellschaften

nicht erreicht werden, weil das Gesetz ausdrücklich klarstellt, daß

ohne Rücksicht auf die Gesellschaftsform jeder beteiligte Architekt

mit seinem gesamten Vermögen für seine Tätigkeiten im Rahmen der Berufs

ausübung haftet, die er für Rechnung der Gesellschaft vornimmt. Auch

haftet die Gesellschaft gemeinsam mit ihm als Gesamtschuldnerin für

alle Schadensfolgen aus seinen besagten Handlungen. Jede Architektur-

gesellschaft muß in eine regionale Architektenliste eingetragen sein.

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II-10 Eesondere Anforderungen werden für den Fälle gestellt, in denen Architek-

turgesellschaften in der Rechtsform von Aktiengesellschaften oder Gesell-

schaften mit beschränkter Haftung gebildet werden.

Wichtig ist für eine Übergangszeit auch, daß unter bestimmten Voraus-

setzungen jede natürliche Person, die vor der Veröffentlichung des

Architekturgesetzes ausschließlich oder überwiegend und unter eigener

persönlicher Verantwortung Architekturplanungen auf dem Gebiet der

Errichtung von Gebäuden durchgeführt hat, in eine regionale Architekten-

liste als "zur Architektur Zugelassener" (agree d'architecture) einge-

tragen werden kann (Art. 37). Mit der Eintragung sind die gleichen Rechte

und Pflichten wie bei einem Architekten verbunden.

Was nun die Berufsausübung als solche angeht, so muß jedes Architektur-

projekt (das Bestandteil eines Baugenehmigungsantrags ist) die Unter-

schriften aller Architekten tragen, die an seiner Erarbeitung mitge-

wirkt haben. Jeder Architekt, der aufgrund seiner Berufsausübung oder

der Handlungen seiner Mitarbeiter (Erfüllungsgehilfen) für einen Schaden

verantwortlich gemacht werden kann, muß ausreichend versichert sein. Wird

der Architekt in seiner Eigenschaft als Gesellschafter tätig, so muß die

Versicherung auch die mögliche Schadenshaftung der Architekturgesell-

schaft umfassen. Bei angestellten Architekten ist die Versicherung von

der natürlichen oder juristischen Person abzuschließen, bei der sie be-

schäftigt sind und die für die von ihnen verursachten Schäden einzustehen

haben. Der Staat und die öffentlichen Körperschaften sind grundsätzlich

von der Versicherungspflicht befreit. Im übrigen sind in einem Kodex

der Berufspflichten die allgemeinen Grundsätze für die Berufsausübung

und die besonderen Grundsätze für jede Form der Berufsausübung festgelegt.

Decret n. S0-217 portant Code des devoirs des architectes, vom

20.3.1980 (Journal Officiel vom 21.6.1980).

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II-11 2. Die Berufsorganisation der Architekten

Nach den Vorschriften des vierten Titels des französischen Architektur-

oesetzes (Art. 21 bis 29) gehören alle Architekten der Architektenkammer

Eigentlich sollte man die französische Bezeichnung "ordre des

architectes" genauer mit "Architektenorden" übersetzen; doch

klänge dies für deutsche Ohren zu elitär und exklusiv. Auch die

Fachwörterbücher übersetzen z.B. "ordre des avocets" mit "Rechts-

anwaltskammer".

an, die eine juristische Person mit Finanzhoheit ist. Sie untersteht der

Aufsicht des Ministers für Kultur.

In jeder Region wird ein Regionalausschuß der Architektenkammer gebildet,

Der Minister für Kultur entsendet zu ihm einen Vertreter, der an den

Sitzungen teilnimmt. Der Regionalausschuß wird für vier Jahre von allen

in der regionalen Architektenliste eingetragenen Architekten aus ihrem

Kreis im Wege der Direktwahl gewählt. Er wird alle zwei Jahre je zur

Hälfte durch Wahl erneuert. Dem Regionalausschuß obliegt die Führung

der regionalen Architektenliste.

Weiterhin wird ein Nationalausschuß der Architektenkammer gebildet,

zu dessen Sitzungen der Minister für Kultur ebenfalls einen Vertreter

entsendet. Er wird auf die Dauer von vier Jahren aus den Mitgliedern

der Regionalausschüsse gewählt und alle zwei Jahre zur Hälfte durch

Wahl erneuert. Aufgabe des Nationalausschusses ist es, die Tätigkeit

der Regionalausschüsse zu koordinieren und zu ihrer Information beizu-

tragen ° Die zuständigen dffentlichen Instanzen haben seine Stellungnahme

zu allen Fragen einzuholen, die den Architektenberuf angehen, insbeson-

dare zur Ausgestaltung der Architektenausbildung.

Beide, Nationalausschu0 und Regionalausschüsse, vertreten die Interessen

des Architektenberufs bei den öffentlichen Instanzen. Sie haben die Be-

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11-12 fugnis, den Schutz der Bezeichnung Architekt sowie die Beachtung der

den Architekten durch das Architektengesetz eingeräumten Rechte und der

ihnen auferlegten Pflichten gerichtlich durchzusetzen. Ferner sollen sie

gemeinsam zur beruflichen Weiterbildung, zur sozialen Besserstellung

und zur Finanzierung der für den Architektenberuf bedeutsamen Einrich-

tungen beitragen.

In jeder Region wild eine regionale Architekten-Disziplinarkammer ge-

bildet, die aus einem Verwaltungsgerichtspräsidenten als Vorsitzendem,

einem Richter eines Verwaltungsgerichts, einem Richter des Berufungs-

gerichts und zwei Mitgliedern des Regionalausschusses der Architekten-

kammer besteht. Die Disziplinaranklage kann vom Regionalausschu8 der

Architektenkammer sowie vom Vertreter des Staats entweder von Amts wegen

oder auf Verlangen jeder interessierten Person erhoben werden. Als Strafen

kann die regionale Disziplinarkammer eine Verwarnung oder das Verbot der

Berufsausübung auf die Dauer von drei Monaten bis zu drei Jahren oder

die endgültige Streichung aus der Architektenliste aussprechen. Gegen

ihre Entscheidung kann die nationale Architekten-Disziplinarkammer ange-

rufen werden, die aus einem Mitglied des Staatsrats als Vorsitzendem,

einem Kammervorsitzenden des Appellationshofs von Paris, einem Mitglied

des Rechnungshofs und aus zwei Mitgliedern des Nationalausschusses der

Architektenkammer besteht.

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III-1 Teil III: Vergleich des französischen und des deutschen Baugenehmigungs-

und Architekturrechts

A. Kein Vergleich bezüglich der Gesetzgebungszuständigkeiten

Die französische Republik kennt als Einheitsstaat nur eine einheitliche

Rechtsetzunq für das gesamte Staatsgebiet durch das Parlament und die

Regierung. In der Bundesrepublik Deutschland besteht das öffentliche

Baurecht aus Bundes- und aus Landesrecht. Ein Vergleich beider Rechts-

ordnungen, soweit sie Regelungen über die Baugenehmigung und die Archi-

tektur (bzw. das Architektenwesen) enthalten, macht es erforderlich,

dem französischen Baurecht als einer Einheit auf der deutschen Seite

das Bundes und Landesbaurecht zusammengefaßt gegenüberzustellen.

Dies geschieht ohne Stellungnahme zu der in der letzten Zeit wieder

holt erhobenenFrage, ob die durch das Rechtsqutachten des Bundesver-

fassungsgerichts vom 16. Juni 1954 (- 1 PBvV 2/52 -, BVerfGE 4 S. 407)

veranlaßte Zweiteilung des öffentlichen Baurechts in das Städtebaurecht

(Bauplanungsrecht) einerseits und das Bauordnungsrecht (Bauzulassungs-

recht bzw. Bauwerksrecht) auf der anderen Seite vom Grundgesetz her

wirklich geboten war, ob sie in der Rechtsetzungspraxis des Bundes

und der Länder durchgehalten worden ist und ob sie letzlich überhaupt

als zweckmäßig und sinnvoll angesehen werden kann. Diese schwierige

Problematik kann nicht im Zusammenhang mit einem Vergleich des fran-

zösischen Baurechts mit dem deutschen Baurecht gewissermaßen nebenbei

mit abgehandelt werden. Sie bedarf einer eigenständigen Untersuchung.

S. dazu etwa die in den Vorbemerkungen angeführten Zeitschriften-

aufsätze, ferner den Bericht über die vom Institut für Städtebau

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- SO

111-2 und Wohnungswesen München der Deutschen Akademie für Städtebau

und Landesplanung am 16. und 17.3.1981 veranstaltete Fachtagung

"Baubeschleunigungsregelungen im Bauordnungsrecht der Länder im

Vergleich" mit Diskussion über die Weiterentwicklung des Bauge-

nehmigungsrechts, der demnächst von der Bundesarchitektenkammer,

Bonn, veröffentlicht werden wird (darin auch Stich, Die Entwick-

lung des Bauordnungsrechts vom Polizeirecht zu Anforderungen an

ein sozialgerechtes Bauen).

B. Vergleich der städtebaurechtlichen und bautechnischen Anforderungen

an Wohngebäude

In dem Abschnitt über den sachlichen Umfang der Prüfung im Baugenehmigungs-

verfahren (s. oben 1.0.) ist dargelegt worden, daß für die Beurteilung

unter städtebaulichen Gesichtspunkten, auf die sich diese Prüfung be-

schränkt, im wesentlichen folgende Maßstäbe zur Verfügung stehen:

- die Anforderungen, die das Städtebaugesetzbuch selbst nennt (Art. L.

421-3 bis L. 421-9, Art. R. 421-38-2 bis R. 421-38-19),

- die Festsetzungen eines Bodennutzungsplans,

- sofern es an einem Bodennutzungsplan fehlt (zum Teil auch neben ihm),

die Allgemeinen Regeln des Städtebaus, sowie

- die gesetzliche Obergrenze der baulichen Nutzungsdichte.

Die sich daraus ergebenden Anforderungen an Bauwerke entsprechen weithin

den Anforderungen, die nach Sundes- und Landesbaurecht in städtebaulicher

Hinsicht an die Zulassung baulicher Anlagen zu stellen sind. Nach "Bundes-

und Landesbaurecht" deshalb, weil sich dahingehende Anforderungen nicht

nur im Bundesbaugesetz in Verbindung mit der Baunutzungsverordnung, im

Städtebauförderungsgesetz, im Bundes-Immissionsschutzgesetz und im Bundes-

naturschutzgesetz (um nur die wichtigsten Bundesgesetze zu nennen) finden.

Sie ergeben sich zum Teil auch aus den Landesbauordnungen, die jeweils

einen Abschnitt über "Das Grundstück und seine Bebauung" (oder so ähnlich)

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111-3 enthalten, der auch Regelungen über die Sicherstellung der Wasserversor-

gung und der Abwasserbeseitigung und den Zugang von den öffentlichen

Verkehrsflächen zum Baugrundstück umfaßt. Weiterhin haben die Abstands-

vorschriften der Bauordnungen erhebliches städtebauliches Gewicht, wie

sich schon daraus ergibt, daß die für die Anwendung der Dauwichvorschriften

entscheidende Frage nach der Bauweise nicht aus dem Bauordnungsrecht der

Länder, sondern nach den Regeln der Baunutzungsverordnung (§ 22) zu be

antworten ist.

Wenn gerade gesagt wurde, daß sich die städtebaulichen Anforderungen an

Bauwerke und Baugrundstücke beiderseits der Grenzen "weithin" entsprechen,

so kann dies selbstverständlich nur im Grundsätz,lichen und nichtin den

letzten Einzelheiten gemeint sein. Die Übereinstimmung im Grundsätzlichen

ist sicher ein Ergebnis der Sachgesetzlichkeiten, die in städtebaulicher

Beziehung hier wie dort aus der Natur der Sache heraus kaum Unterschiede

aufweisen können, zumal auch die oesellschaftspolitische Bewußt

seinsbildung in beiden Ländern (nicht nur in ihnen, auch in den anderen

Ländern der westlichen Welt) durchweg ähnlich ist. Einen gewissen Unter-

schied kann man darin erblicken, daß die in städtebaulicher Hinsicht

erheblichen "öffentlichen Belange", die bei uns zwar auch schon beacht

liche Auflistungen erfahren haben (§ 1 Abs. 6, 34 Abs. 1, 35 Abs 3

BBauG), in den nach französischem Renht maßgeblichen allgemeinen und

speziellen Regeln noch wesentlich detaillierter aufgeführt sind.

Bezüglich der bautechnischen Anforderungen an Wohngebäude ist zunäbhst

von ihrem "Standort" her gegenüber unserem Bauordnungsrecht der erheb-

lich Unterschied zu verzeichnen, daß sie - nicht in einem Regelungs-

zusammenhang mit der Baugenehmigung im Städtebaugesetzbuch stehen. Sie

inhaltlich mit den bautechnischen Vorschriften in den Landesbauordnungen,

den sie ergänzenden Rechtsverordnungen und Verwaltungsvorschriften (samt

der Verweisung auf eine Vielzahl von technischen Normen), aber auch in

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111-4 bundesrechtlichen Regelungen (etwa des neuen Energieeinsparungsrechts

mit seinen Gesetzes- und VerordnungsbestimmnngPn) zu vergleichen, würde

eine eigene umfangreiche Untersuchung erfordern, die zudem einem bau-

technischen Fachmann mit Verwaltungs- und Rechtsanwendungserfahrung

eher anstehen würde als einem Rechtswissenschaftler. Das bautechni-

sche Normengeflecht ist im übrigen in Frankreich nicht weniger überfrachtet

als in der Bundesrepublik Deutschland; deshalb kann auch im EG-Bereich

nur im Wege der Politik der kleinen Schritte versucht werden, eine An-

gleichung bautechnischer Regelungen zu erreichen.

C. Vergleich der Verteilung der Verantwortlichkeiten für das ordnungs-

gemäße Bauen zwischen den Behörden und den am Bauen Beteiligten

Der einschneidendste Unterschied zwischen dem französischen und dem

deutschen Baugenehmigungsrecht ist nach den Ausführungen im zweiten

Teil der vorliegenden Untersuchur -ig darin zu erblicken, daß vor der

Erteilung der Baugenehmigung darauf verzichtet wird zu prüfen, ob das

geplante Bauvorhaben den allgemeinen Sauvorschriften für Wohngebäude

mit ihren bautechnischen Bestimmungen entspricht. Diese gesetzliche

Grundentscheidung hat folgerichtig das Architekten-Monopol für die

Planung aller Bauwerke gebracht, die nil-It nur von geringer Bedeutung

(de faible importance) sind, einschließlich der Planung von Fertighaus-

Typen. Sie hat auch den technischen Kontrolleur als einen bautechnischen

Sachverständigen hervorgebracht, dessen Kontrolltätigkeit mit allen an-

deren Tätigkeiten am Bau unvereinbar ist und der bei Bauten mit einem

größeren Gefährdungspotential schon bei der Planung hinzugezogen werden

muß, ansonsten jedem Bauträger als Berater zur Verfügung steht. Eine

weitere Konsequenz ist die Befugnis, nicht Pflicht der zuständigen

Behörden, während des Bauern und danach nicht nur die Übereinstimmung

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111-5 der Bauarbeiten mit der Baugenehmigung, sondern auch die Einhaltung der

bautechnischen Vorschriften zu überprüfen, eine Prüftätigkeit, die hin-

sichtlich des Inhalts der Baugenehmigung mit dem Übereinstimmungszeugnis

(oder dessen Verweigeruno) abschließt, das der Bauherr innerhalb eines

Monats nach dem Abschluß der Bauarbeiten zu beantragen hat. Verstöße

gegen städtebauliche und bautechnische Anforderungen haben Sanktionen

zur Folge, die von der Baueistellung über die Beschlagnahme der Bauma-

terialien, die Versiegelung der Baustelle, den Abbruch des rechtswidrig

errichteten Bauwerks oder seine Anpassung an die maßgebenden Rechtsvor-

schriften und die Wiederherstellung des früheren Grundstückszustands bis

zu Zwangsgeldern, Geldbußen, Geldstrafen und Gefängnisstrafen inricht

unbeachtlicher Höhe reichen.

Diesem Gesamtsystem, das von der Verantwortlichkeit der am Bauen Betei-

ligten für das ordnungsgemäße (und damit gefahrlose und bauschädenver-

hütende) Bauen ausgeht, muß die Folgerichtigkeit bestätigt werden. Dem

gegenüber geht das Bauordnungsrecht der Länder in der Bundesrepublik

Deutschland noch immer von dem Grundsatz aus, daß im Baugenehmigungs-

verfahren die Übereinstimmung der Bauunterlagen mit den oesamten städte-

baulichen und bautechnischen Anforderungen überprüft wird, daß aber

auf die Bauüberwachung in ihren zwei Stufen der Rohbauabnahme und der

Gebrauchsabnahme (=Schlußabnahme) verzichtet werden kann (so die Hessßaufl

in § 105 Abs. 5: "bleibt dem Ermessen der Bauaufsichtsbehörde anheimge-

stellt"). Regelungen dieser Art müssen sich Inkonsequenz vorhalten lassen;,

es ist zwar wichtig, daß die Bauunterlagen mit den bautechnischen Normen

in Einklang stehen; viel wichtiger ist aber, daß das fertige Bauwerk

nicht mit diesbezüglichen Mängeln behaftet ist.

Dabei zeichnete sich schon vor einem Jahrzehnt eine Neuorientierung in die

in Frankreich beschrittene Richtung ab, als das Bundesverfassungsgericht

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in seinem deschluß vom 27. Mai 1970 (- 2 BvR 117/65 -, DVB1. 1971 S. 313)

die Verfassungsmäßiokeit des in § 90 Abs. 5 der harien-hOrttamhprgiQrtc'n

Landesbauordnung ausgesprochenen "Planvorlagemonopols" für Architekten

bestätigte und dies vor allem mit folgenden Überlegungen begründete:

Bauten, die entgegen den Regeln der Baukunst, aufgrund falscher statischer

Berechnungen oder unter Mißachtung baupolizeilicher Vorschriften errichtet

werden, bilden eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung. Die

Baugenehmigungsbehörden sind zwar verpflichtet, mit solchen Fehlern behaf-

tete Bauvorlagen zurückzuweisen. Bei der großen Zahl der zu bearbeitenden

Bauanträge können aber die Baugenehmioungsbehörden, deren Personal nicht

beliebig vermehrt werden kann, nicht jeden Antrag bis aufs letzte Detail

selbst überprüfen. Sie sind vielmehr darauf angewiesen, daß schon die

erforderlichen Bauvorlagen von Fachleuten mit entsprechender Vorbildung

und Erfahrung angefertigt sind. Andernfalls besteht die Gefahr, daß Pla-

nungsfehler vorkommen, die bei der Prüfung nicht erkannt werden und die

zu Mängeln im Bauwerk führen, die nachher nicht mehr oder nur unter Auf-

wendung erheblicher Mehrkosten beseitigt werden können.

Da vor allem im Wohnungsbau mit öffentlichen Mitteln gebaut wird, besteht

ein erhebliches Interesse der Allgemeinheit daran, daß diese Mittel sinn-

voll und sparsam verwendet werden; dies hängt wiederum in erster Linie

von einer technisch einwandfreien und rationellen Planung ab. Geradegute

in diesem Punkt ist eine/Planung um so wichtiger, als die Wirtschaft-

lichkeit der geplanten Bauweise im Baugenehmigungsverfahren nicht geprüft

wird und deshalb der Planverfasser insoweit eine größere Verantwortung

trägt. Aber auch bei frei finanzierten Bauten besteht ein Gemeinschafts-

interesse daran, den Bauherrn (und mittelbar die Volkswirtschaft) vor

vermeidbaren finanziellen Verlusten zu schützen, die durch Fehlplanungen

und unrationelle Bauverfahren verursacht werden können.

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111-7 Schließlich fordert nicht nur die öffentliche Sicherheit eine technisch

einwandfreie Planung, sondern das Baurecht fordert d prflh pr hinaus euch,

daß bauliche Anlagen so zu gestalten sind, daß sie nach Form, Maßstab,

Werkstoff, Farbe und Verhältnis der Baumassen und Bauteile zueinander

nicht verunstaltet wirken. Sie müssen auch mit ihrer Umgebung so in Ein-

klang gebracht werden, daß sie das Straßen-, Orts- und Landschaftsbild

nicht verunstalten. Die Bauvorhaben von nicht entsprechend vorgebildeten

Planverfassern weisen häufig gerade in dieser Beziehun g erhebliche Mängel.

auf.

In einer Anmerkung zu dieser Entscheidung (DVB1. 1971 S. 314 ff.) wies

Ulrich Graf von Schack darauf hin, daß sie "an den Anfang einer Neuorien-

tierung der Bauaufsicht gestellt werden müsse", weil die zum Teil über

100 Jahre alten, auch durch die neuen Bauordnungen nicht grundsätzlich

abgeänderten Maßstäbe, nach denen die Bauaufsicht geführt werde, der

richtigen Betrachtungsweise des Bundesverfassungsgerichts nicht ent-

sprächen, so daß sie den geänderten Verhältnissen angepaßt werden müßten°

Die Änderung der Verhältnisse sah er zutreffend darin begründet, daß die

Abwehr der mit dem Bauen als technischem Vorgang verbundenen Gefahren zn-

nehmend hinter die Aufgabe zurückgetreten sei, die Bauleitplanung zu

vollziehen, die Bauherren über die ihnen ohne Beratung nicht mehr hin-

reichend durchsichtige städtebauliche Ordnung zu beraten und den mit feEft

jedem wichtigen Bauvorhaben aufbrechenden Interessenwiderstreit zwischen

den Bauherren und den durch ein Bauvorhaben Betroffenen zu schlichten°

Zudem werde die Verantwortung am Bau weitgehend von den am Bauen Betei-

ligten mitgetragen, weil die Bauaufsichtsbehörden weder quantitativ noch

qualitativ in der Lage seien, alle Bauvorhaben in einer die Eigenverant-

wortlichkeit der am Bauen Beteiligten wesentlich entlastender Weise zu

überwachen. Im Mittelpunkt der Neuorientierung des Bauaufsichtsrechts

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müsse die Betonung der Eigenverantwortlichkeit der am Bauen Beteiligten

für die Abwehr der mit dem Bauen als technischem Vorgang verbundenen

Gefahren und dementsprechend ein Abbau der hoheitlichen Mitwirkung in

diesem Bereich stehen.

eineEin/ , Ansätze, in diese Richtung zu gehen, zeigten sich im Bauordnungs-

recht der Länder in der Weise, daß etwa mit Einverständnis des Bauherrn

bei Einfamilienhäusern von der Prüfung der Standsicherheitsnachweise, des

Wärmeschutzes und des Schallschutzes abgesehen werden konnte. Auch mit

einigen Bauanzeigeverordnungen, die im Rahmen der Maßnahmen der Länder

zur Beschleunigung der Bauzulassungsverfahren erlassen wurden, geht eine

Stärkung der Verantwortlichkeit der am Bauen Beteiligten, vor allem der

Planverfasser (insbesondere der planvorlageberechtigten Architekten und

HochbauingenieurOl und ein Abbau der behördlichen Mitwirkung einher.

S. dazu die Übersicht des Bundesministeriums für Raumordnung, Bau

wesen und Städtebau über "Maßnahmen der Länder zur Vereinfachung

und Beschleunigung des Baugenehmigungsverfahrens" (Stand: 12.5.1980),

abgedruckt im Informationsdienst des Deutschen Volksheimstättenweks,

Köln, 1980 S. 263 ff.

Eine "Trendwende" ist aber auch aus der Fassung September 1980 der

Musterbauordnung, die in diesen Wochen an die interessierten Verbände

und Organisationen zur Stellungnahme versandt worden ist, nicht zu er-

kennen. Doch zeichnet sie sich in einigen Ländern ab: So ist in Baden

Württemberg die Landesbauordnung mit dem Anderungsgesetz von 12. Februp,

1980 (081. S. 116) um den § 103 a erweitert warden, der die interessan

Überschrift "Einschränkunq der Bauaufsicht"trägt und die oberste Bau-

rechtsbehörde ermächtigt, durch Rechtsverordnung zur Vereinfachung des

Verfahrens zu bestimmen, daß die Baurechtsbehörde bei der Erteilung der

Baugenehmigung, bei der Bauüberwachung und Bauabnahme die Einhaltung von

öffentlichrechtlichen Vorschriften über die technische Beschaffenheit,

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insbesondere über die Standsicherheit, den Brandschutz, den Wärmeschutz

und den Schallschutz, bei Wohngebäuden und anderen Gebäuden nichtgewerb-

licher Nutzung nicht prüft. Dabei kann der Wegfall der Prüfung davon ab-

hängig gemacht werden, daß der Planverfasser eine bestimmte Ausbildung,

Sachkunde oder Erfahrung besitzt sowie Versicherungsschutz nachweist

und der Bauherr schriftlich erklärt, daß er mit dem Wegfall der Prüfung

einverstanden ist.

Den entschiedensten Schritt in die neue Richtung beabsichtigt Bayern

zu tun. Auf der Grundlage der vom Ministerpräsidenten eingesetzten

"Kommission für den Abbau von Staatsaufgaben und für Verwaltungsverein-

fachung"

S. den Ersten Bericht der Bayerischen Staatsregierung zum Stand der

Verwaltungsvereinfachung und Entstaatlichung vom 31.12.1979, Land-

tags-Drucksache 9/4256 vom 29.2.1980; zum "Abbau von Staatsaufgaben

im Bauordnungsrecht"-S. 10 ff.

hat die Staatsregierung den Entwurf eines Vierten Gesetzes zur Änderung

der Bayerischen Bauordnung vorgelegt und zur Zielsetzung folgendes aus-

geführt:(Senats-Drucksache 180/80 vom 20.7.1980):

"Das Bauordnungsrecht wird gestrafft und vereinfacht. Entbehrliche

Vorschriften werden aufgehoben und gleichartige vereinheitlicht.

Erleichterungen im Verfahren bringen insbesondere eine erhebliche

Ausweitung der genehmigungsfreien Vorhaben vor allem für Moderni-

sierungsmaßnahmen, die Möglichkeit zum vollständigen oder teilweisen

Absehen von der bautechnischen Prüfung bei bestimmten Bauvorhaben wie

Ein- und Zweifamilianhäusern, der Wegfall der Rohbau- und Schlußab-

nahme und die Möglichkeit der Einführung von Vereinfachungen im Bau-

genehmigungsverfahren. Materielle Anforderungen werden in dem von den

Erfordernissen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung vorgegebenen

Rahmen soweit als möglich gelockert, insbesondere bei Ein- und Zwei-

familienhäusern und landwirtschaftlichen Betriebsgebäuden, beim Dach-

geschoBausbau und bei der Modernisierung und Nutzung von Baudenkmälern

Zur Entlastung der Bauaufsichtsbehörden wird die Verantwortung der

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III-10 am Bauen Beteiligten herausgestellt und die Möglichkeit erweitert,

Prüf- und Kontrollaufgaben auf Sachverständige zu übertragen."

In beiden Ländern kann sicher damit gerechnet werden, daß beim weiteren

Fortgang der Überlegungen zur Rechtsetzung die Folgerichtigkeit der zu

ergreifenden Maßnahmen durchdacht wird, wie sie der französtchen Regelung

insgesamt bestätigt werden konnte. Entwickeln sie ein in si gh schlüssiges

Neuordnungskonzept für das Bauzulassungsrecht, das sowohl an den Auf-

gaben dieses Rechtsgebiets wie auch an dem sinnvollen Tätigwerden der

Personen und Behörden ausgerichtet ist, die die Anforderungen dieses

Rechtsgebiets in die gebaute Wirklichkeit umzusetzen haben, so ist weiter-

hin anzunehmen, daß ihr Beispiel "Schule macht". Dies aber legt den Gedan-

ken nahe, daß alsbald statt der in ihrer Grundkonzeption schon bei ihrer

Neuvorlage überholte Musterbauordnung (Fassung September 198D) die eben-

falls angekündigte "Bauordnung der Zukunft" mit der Neuorientierung der

Bauaufsicht vorzulepenist, für die eben nicht in der Zukunft, sondern

bereits in der Gegenwart eine.dringende Notwendigkeit festzustellen isto

D. Vergleich sonstiger Verfahrensregelungen

Bei der Untersuchung des französischen Baugenehmigungsrechts wurden noch

zwei Regelungskomplexe aufgefunden, für die die Bauordnungen der deutschen

Bundesländer nichts Vergleichbares auszuweisen haben: die Üffentlichkeit

des Baugenehmigungsverfahrens und die Befristung der Prüfungszeiträume

mit der Folge der "stillschweigenden Baugenehmigung" im Falle des Ver-

schweigens.

Im Städtebaurecht hat der Gedanke der Öffentlichkeit des Planungsvorgangs

und damit der Beteiligung der Betroffenen und der Öffentlichkeit insge

samt seit der großen Baurechts-Novelle von 1976 die denkbar umfassendste

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Ausprägung gefunden. Am Bauzulassungsrecht ist er bisher im wesentlichen

spurlos vorübergegangen. Gewiß finden Ang rPnzer hPnPchri rttigungen nach

manchen Bauordnungen allgemein, nach anderen dann statt, wenn für ein

Bauvorhaben Ausnahmen gestattet oder Befreiungen gewährt werden sollen.

Eine Information nicht angrenzender Interessenten und mö glicher Betroffener

oder gar der Öffentlichkeit ist damit aber nicht verbunden. Die Folge

sind nicht selten Rechtsbehelfe, die von Dritten ohne eigentliche

Angrenzersituation ergriffen werden. Die "nachbarschützende" Wirkung

von baurechtlichen Vorschriften, vor allem von solchen des Städtebau-

rechts, ist im allgemeinen nicht auf die Grenznachbarn beschränkt,

sondern wirkt sich auf ein ganzes saugebiet, gegebenenfalls sogar in

dessen Umgebung aus (vgl. etwa den Wortlaut des § 15 der Baunutzungs-

verordnung in der seit 1976 geltenden Fassung). Nichts anderes gilt für

die ebenfalls den Nachbarschutzanspruch auslösende "nachhaltige Änderung

der Grundstückssituation" mit "schwerer und unzumutbarer Beeinträchtigung

von Eigentümerrechten" und für das "Gebot der Rücksichtnahme".

Schwierigkeiten und Verzögerungen, die sich für die Verwirklichung von

Bauvorhaben aus Einwendungen und Rechtsbehelfen Dritter allenthalben

ergeben, könnten dadurch vermindert werden, daß - wie nach dem franzö-

sischen Städtebaurecht - der Eingang der Bauzulassungsunterlagen (Bauge-

nehmigungsantrag oder Bauanzeige) in der zuständigen Gemeinde mit einer

Mindestinformation über Art und Umfang des Bauvorhabens öffentlich be-

kanntgemacht würde. Es könnte eine Einwendungsfrist mit Ausschlußwirkunq

eröffnet werden (in Frankreich vier Monate). Mit denen, die Einwendungen

vorbrächten, wäre ein Erörterungstermin abzuhalten. Schließlich wäre

nach der Bauzulassung zu fordern, daß an der Baustelle ein deutlich

sichtbares Schild angebracht und bis zur Beendigung der Bauarbeiten

dort belassen würde, aus dem sich ebenfalls Mindestinformationen über

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Art und Umfang des Bauvorhabens und die Stelle ersehen lassen, bei der

über den Bauzulassungsvorgang bei berechtigtem Interesse Auskunft ver-

langt werden kann.

Was schließlich die dem deutschen Bauordnungsrecht ebenfalls unbekannten

Entscheidungsfristen angeht, so erklären schon heute viele Bauaufsichts-

behörden, daß sie keine Einwendungen dagegen hätten, wenn die Frist zur

Entscheidung über Baugenehmigungsanträge etwa auf zweimal drei Monate

begrenzt würde und wenn im Falle der Nichtentscheidung die Genehmigungs-

fte-ktion einträte. Sind doch in einigen Ländern, die noch das Bauanzeige

verfahren kennen (und mit den sogenannten Beschleunigungsregelungen zum

Teil noch für erweitert anwendbar erklärt haben), die Bauaufsichtsbehörden

einer solchen Äußerungsfrist mit der Folge der Zulässigkeit des Bauvor-

habens im Falle des Schweigens sowieso schon unterworfen. Tatsächlich

sind es im allgemeinen auch nur die "neuralgischen" Bauvorhaben, deren

"Bearbeitung" zur "Verzögerung" wird, meist wegen des kommunalpolitischen

oder sonstigen Zündstoffs, der in ihnen steckt. Gerade bei ihnen wäre

es aber eineForderung rechtsstaatlichen Verwaltungshandelns, wenn eine

Klärung der Rechtslage innerhalb zumutbarer Frist herbeigeführt würde -

durch Ablehnung, Genehmigung oder Verschweigung.

Nachdem bundesrechtlich die wesentlich schwerer wiegende Regelung ge-

troffen war, daß über die Genehmigung von Bauleitplänen innerhalb von

höchstens zweimal drei Monaten entschieden sein muß (§ 6 Abs. 4 des

Bundesbaugesetzes), wäre an sich zu erwarten gewesen, daß die Länder fby

die Genehmigung von Bauvorhaben Entsprechendes bestimmten; dies wäre

such ein nicht unwesentlicher Beitrag zur "Beschleunigung von Verfahren"

gewesen. Offenbar will aber kein Land diesen Schritt zuerst tun. Aller

dings würde den Ländern die Einführung einer begrenzten Entscheidungsfrist

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sicher leichter fallen, wenn sie das Bauzulassungsrecht im Sinne einer

Stärkung der Verantwortlichkeit der am Bauen Beteiligten, vor allem der

Planverfasser und der Bauleiter, und einer gleichzeitigen Verminderung

und Umgestaltung der baubehördlichen Prüfungs- und Überwachungsaufgaben

neuordnen würden.