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8/10/2019 Ritter, Joachim - Hegel Und Die Franzoesische Revolution
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ARBEITSGEMEINSCHAFT FR FORSCHUNG
DES LANDES NORDRHEIN-WESTFALEN
GEISTESWISSENSCHAFTEN
63. Sitzung
am 20. Juni 1956
in Dsseldorf
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ARBEITSGEMEINSCHAFT FR FORSCHUNG
DES LANDES NORDRHEIN-WESTFALEN
GEISTESWISSENSCHAFTEN
HEFT 63
Joachim Ritter
Hegel und die franzsische Revolution
WESTDEUTSCHER VERLAG KLN UND OPLADEN
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1957 W e s t d e u t s c h e r Ver lag, K ln und Op laden
Gesamt H e r s t e l l u n g : W e s t d e u t s c h e r Verlag
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Heinz Heimsoeth
zum 70. Geburtstag
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I N H A L T
Hegel und die franzsische Revolution ..................................... 9
Anmerkungen.......................................................................... 47
Diskussion............................................................................... 67
Anhang: Bibliographie zur politischen TheorieHegels
(zusammengestellt und bearbeitet vonDr. Karlfried Grnder) 81
Register ........................................................................................ 113
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Hegel und die franzsische RevolutionProfessor Dr. phil.Joachim Ritter, Mnster/Westf.
1. Die kritische Auseinandersetzung mit Hegels politischer Philosophie
seit dem Erscheinen der ''Rechtsphilosophie" (1821)x wurde durch
RudolfHayms ''Vorlesungen ber Hegel und seine Zeit" (Berlin 1857) ab-
geschlossen. Hegel wird schuldig befunden, als ''philosophischer Dictatorber Deutschland" (357) die Philosophie zur ''wissenschaftlichen Behausung
des Geistes preuischer Restauration" gemacht (359), dem ''politischen
Conservativismus, Quietismus und Optimismus" die ''absolute Formel"
(365) gegeben und sich dadurch in den Dienst der ''wissenschaftlich formu-
lierten Rechtfertigung des Karlsbader Polizeisystems und der Demagogen-
verfolgung" gestellt zu haben (364)2.
Beweis hierfr ist neben der Tatsache, da Hegel berhaupt den Ruf nach
Berlin angenommen hat3
, und neben seiner als politische Denunziation ge-deuteten Kritik an Fries als ''Heerfhrer dieser Seichtigkeit, die sich
Philosophieren nennt" (R. Ph. S. 8), an erster Stelle seine Philosophie selbst.
Sie hat die Theorie des Staates und der Gesellschaft unter den Satz gestellt,
da das Vernnftige wirklich und das Wirkliche vernnftig ist, und damit
fr Haym politisch die Aufgabe bernommen, die Wirklichkeit zu recht-
fertigen, ''wie sie 1821 in Preuen besteht" (Haym a. a. O. S. 366). Sie hat
ferner den Staat mit den Prdikaten des Gttlichen, des Absoluten, der
Ver-nunft und der sittlichen Substanz verbunden, um seine Macht zu vergotten
und gegen die Freiheit der Individuen zu setzen. Durch die Vergottung des
Staates und durch die Rechtfertigung der Wirklichkeit als vernnftig wird
fr Haym die reaktionre Absicht und Funktion der Hegeischen Philosophie
unter Beweis gestellt.
Seine Vorlesungen stellen sich daher die Aufgabe, Hegels System aus der
Gegenwart zu verbannen und dem ''erstorbenen oder halberstorbenen Leben
zurckzugeben, in welchem es seinen Grund hatte", um es so in dem
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''groen Bau der ewigen Geschichte" wie in einem ''Grabmal" bei-zusetzen (8).
Die Kritik Hayms war erfolgreich. Hegels Philosophie blieb fr Jahr-zehnte ohne Einflu; der Ruf des Etatismus und der reaktionren Verab-solutierung der Staatsmacht hlt sich bis heute. Man kann noch immer nichtvon Hegels politischer Philosophie reden, ohne mit der Vorstellung vom
preuischen Reaktionr Hegel rechnen zu mssen4.Die Stze, mit denen Haym die Anklage der Staatsvergottung begrndet,
finden sich vor allem in der ''Rechtsphilosophie". Hegel nennt hier denStaat ''Wirklichkeit der sittlichen Idee" ( 257) und das ''an und fr sichVernnftige" ( 258). Er sei ''Geist, der sich im Prozesse der Weltgeschichte
seine Wirklichkeit gibt" ( 259) und im ''Gang Gottes in der Welt" die''Gewalt der sich . . . verwirklichenden Vernunft" ( 258 Zusatz, VII, 336).Weil der Staat die Welt sei, ''die der Geist sich gemacht hat", solle man ihn''wie ein Irdisch-Gttliches verehren" (272 Zusatz, VII, 369 f.).
Alle diese Aussagen sind fr Hegel selber metaphysische Aussagen; die''Rechtsphilosophie" wird von ihm methodisch auf die ''Logik" bezogen5;sie unterscheide sich durch ihren ''logischen Geist" und ihre ''spekulativeErkenntnisweise" von einem ''gewhnlichen Kompendium" (R. Ph. S. 4).
Die Metaphysik wird dabei von Hegel im Sinn ihrer berlieferten Be-stimmung als theoretische Wissenschaft vom Sein des Seienden verstanden;
sie hat ''das, was ist" (16) als Gegenwart der ''Substanz, die immanent", unddes ''Ewigen, das gegenwrtig ist" (15), zu begreifen. Die von Haym be-anstandeten Stze bedeuten so, da Hegel Staat und Gesellschaft in die
metaphysische Theorie einbezieht und sie als Verwirklichung (actualitas)des Seins im geschichtlichen Dasein versteht, wobei Sein fr ihn zugleichmit der Vernunft und dem Gttlichen der philosophischen Tradition iden-tisch bleibt. Im gleichen Sinn haben Aristoteles und Thomas das ''philo-sophische Leben" und seine Theorie ''gttlich" genannt, um sie von der
praktischen Erkenntnis zu unterscheiden. Die Philosophie grndet im
Gttlichen und nicht in der Notwendigkeit des praktischen Lebens; sie istdaher selber gttlich, weil sie sich um das Gttliche sammelt (divina quia dedivinis) 6. Im Zusammenhang dieser Tradition Hegel setzt sie voraus und
hat seine Philosophie immer als Vergegenwrtigung der Einen, zu allenZeiten gleichen Philosophie verstanden7 bedeuten die fr Haym politischanstigen Stze der ''Rechtsphilosophie" bei Hegel selbst, da der Staat
den Menschen in seinem Verhltnis zum Gttlichen und nicht nur, wie inden Naturtheorien der Gesellschaft, in seiner Bedrfnisnatur zum Inhalt hat.
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Seine Aufgabe ist es daher, die innerweltliche Verwirklichung der dasmenschliche Dasein tragenden geistigen, religisen und sittlichen Ord-
nungen zu ermglichen.Den gleichen metaphysischen Sinn hat der andere von Haym als reak-tionr verurteilte Satz von der Identitt der Wirklichkeit mit der Vernunft:''Was vernnftig ist, das ist wirklich; und was wirklich ist, das ist vernnf-tig" (14). Er spricht den Kerngedanken aller Philosophie aus, da dieSeinsvernunft die grndende Substanz der Wirklichkeit und ihre Wahrheit
sei, und ruft so fr Hegel die Idee in die Gegenwart zurck, in der sich diePhilosophie immer begriffen hat, seit Parmenides die Identitt von Denkenund Sein lehrte und Anaxagoras die Vernunft zum Prinzip der Welt erhob8.
Damit aber wird die Kritik Hayms an Hegel philosophisch wichtig. Wasihn dazu bringt, in diesen metaphysischen Aussagen die politisch gemeinte,reaktionre Rechtfertigung der gegebenen politischen Verhltnisse zusehen, ist nicht die Meinung, da Philosophie die politische Wirklichkeitidealisiere und berfordere; das Anstige liegt fr Haym vielmehr darin, da
Hegel die metaphysische Theorie auf die gegenwrtige Gesellschaft und ihren Staat
anwendet. Diese gegenwrtige Gesellschaft ist die moderne, auf Technik undWissenschaft gegrndete brgerliche Gesellschaft; mit ihr aber ist fr
Haym ein neues Prinzip und eine neue Zeit heraufgekommen, ''in welcher,Dank der groen technischen Erfindungen des Jahrhunderts, die Materielebendig geworden zu sein scheint" und ''die untersten Grundlagenunseres physischen wie unseres geistigen Lebens . . . durch diese Triumpheder Technik umgerissen und neugestaltet" werden (a. a. O. S. 5). Zu dieser
Neugestaltung gehrt, da Theologie und Metaphysik rckstndig ge-worden sind und ihre Wahrheit verloren haben: Die ''Sterne des Glaubens
(sind) auf die Erde" gefallen (9), die spekulative Philosophie ist ''durch denFortschritt der Welt und durch die lebendige Geschichte beseitigt worden"(6). Was bisher als ein ''objektives Ideelles" und als ein ''Ewiges und Fixes"
gegolten hat, ist ''zu einem rein Historischen" herabgeholt und ''pragmati-siert" worden (9). Mit dem Aufkommen der modernen Gesellschafthaben daher fr Haym die Hegelschen Begriffe des Seins, des Gttlichen,des Absoluten jeden positiven Inhalt und jede gegenwrtige Wahrheit ver-loren, so da ihre jetzige Anwendung nur noch als ''Reaktion" verstandenwerden kann; sie hat allein den Sinn, die neue, vom ''Himmel" befreite Ge-
sellschaft in Frage zu stellen; das ''Aufwrmen" der an sich widerlegten
metaphysischen Theorie wird fr Haym zum ideologischen Trick, derdie Krfte der Rckstndigkeit und des Widerstandes gegen den
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Fortschritt im Glanz einer an sich wesenlos gewordenen Gttlichkeit
verklren soll. Hegels Philosophie ist als Philosophie grundstzlich zur
Vergangenheit geworden, weil die gegenwrtige Zeit sich von der Metaphy-sik und Theologie befreit hat. Daher gilt es, ihr Ende herbeizufhren; sie
mu notwendig ''falliren", ''weil dieser ganze Geschftszweig danieder-
liegt" (5); sie hat auf dem Boden der brgerlichen Gesellschaft keine gegen-
wrtige Bedeutung mehr; sie ist reaktionr geworden.
2. Viele, die gern im Gefolge Hayms von der Vergottung des Staates
durch Hegel sprechen, werden sich weniger gern mit dem Argument
identifizieren, das fr Haym diese Staatsvergottung beweist. Aber da
Haym von der Emanzipation der modernen Gesellschaft ausgeht und mit
ihr die Kritik an Hegels Metaphysik des Staates begrndet, gibt ihr allein
noch gegenwrtige philosophische Bedeutung. Bereits fr Jakob Burck-
hardt und Nietzsche hat die spekulative Philosophie jede Aktualitt ver-
loren; sie ist fr sie nur nochKonstruieren und Meinen,, ''gothische Himmels-
strmerei" (Nietzsche, Musarion-Ausg. XVI, 82). Demgegenber hat die
Kritik Hayms und der liberalen Linken an Hegel die groe positive Be-
deutung, da sie noch um die politische Aktualitt seiner Philosophie wei
und sie voraussetzt. Haym begreift, da in Hegels Philosophie nicht
weniger grundstzlich und leidenschaftlich als bei seinen Gegnern dasProblem der gegenwrtigen Zeit und der Gesellschaft ausgetragen wird, die
politisch mit der Revolution in Frankreich und ebenso umwlzend mit
der Ausbildung der Industrie in England aufkommt und im Begriffe steht,
die jetzige Wirklichkeit zu werden. Damit wird Hegel zum Gegenspieler
schlechthin; er begreift die gleiche Gesellschaft, die fr Haym die Befreiung vom
Himmel der Theologie und Metaphysik herbeifhrt, als Gegenwart und Erscheinung
der vernnftigen Substanz, die von je fr die Philosophie die Wahrheit der Wirklich-
keit und der Geschichte gewesen ist9
.Damit wird in der Tat die politische Philosophie Hegels in ihrem eigenen
Problem und in ihrem eigenen Anliegen getroffen. Die ''Rechtsphilosophie"
macht Staat und Gesellschaft, zusammengefat im Begriff des Rechts, zum
Inhalt der Spekulation; dem entspricht, da die Vorrede zunchst die
traditionelle Definition der cognitio speculativa entis qua entis aufnimmt
und von ihr als Erkenntnis der (Seins-)Vernunft ausgeht: ''Das was ist zu
begreifen, ist die Aufgabe der Philosophie, denn das, was ist, ist die Ver-
nunft" (16). Aber nun folgt etwas, das in dieser Form berhaupt zumersten Mal in der Geschichte der Philosophie begegnet: Hegel setzt die
traditionelle metaphysische Theorie unmittelbar und als diese mit der Erkenntnis der
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Zeit und der Gegenwart gleich. Die Philosophie als Erkenntnis des Seins istzugleich ''ihre Zeit in Gedanken erfat" (16).
Die Geisteswissenschaften pflegen die geistige Bildung, Kunst, Dichtungund Wissenschaft als Ausdruck ihrer Zeit, als Objektivation und Gestalt ge-schichtlichen Lebens zu verstehen. Aber in diesem allgemeinen geistes-geschichtlichen Sinn darf der Hegelsche Gedanke der Philosophie als ''ihreZeit" nicht verstanden werden; er wrde damit entschrft und neutralisiert;ihm wrde die entscheidende Aktualitt genommen; denn Hegel reflektiertnicht allgemein auf die Geschichtlichkeit der Philosophie und des Geistesberhaupt, er will den gegenwrtigen Vollzug der Metaphysik bestimmen.Sie kann fr ihn dann und nur dann Erkenntnis des Seins bleiben, wenn sie
zugleich Erkenntnis der eigenen Zeit ist.Was soll diese Ineinssetzung von Philosophie und Deutung der Gegen-
wart besagen? Gegenwart meint metaphysisch zunchst die Gegenwart desSeins (der Substanz); es ist im Entstehen und im Vergehen gegenwrtig underscheint im Jetzt und Hier in seiner bleibenden Gegenwart. So nennt Aristo-teles den Gegenstand der Philosophie das ''jetzt und von alters und immerGesuchte" (Met. VII, 1), und Hegel selbst benutzt den Begriff der Gegen-wart zunchst, um mit ihm den spekulativen Gegenstand als solchen zu be-
zeichnen; er ist die ''Vernunft als vorhandene Wirklichkeit" (16), die ''Sub-stanz, die immanent, und das Ewige, das gegenwrtig ist" (15). Gegenwartist metaphysisch fr Hegel zunchst die Gegenwart dessen, was immer war,immer ist und immer sein wird.
Aber ber diesen metaphysischen Begriff der Gegenwart geht Hegel in derGleichsetzung des philosophischen Gedankens mit dem Gedanken der Zeitzugleich hinaus; er stellt die Frage, wie die Seinsgegenwart in dem gegen-wrtigen Zeitalter gefunden und als seine Wahrheit begriffen werden kann,weil sie jetzt fragwrdig und zum Problem geworden ist. Mit der Neuzeit isteine neue Wirklichkeit in die Geschichte getreten, die zum ersten Mal inder abendlndischen berlieferung die Philosophie und ihre Wahrheitgrundstzlich ''auer sich" gesetzt hat; die gegenwrtige Zeit hatbegonnen,auf sie als auf ein fr sie Vergangenes und Totes zurckzusehen; sie hat die''Menge der philosophischen Systeme" ''hinter sich liegen", so da sie nurnoch die ''brige Kollektion von Mumien und den allgemeinen Haufen derZuflligkeiten" vergrert (Differenz des Fichteschen und SchellingschenSystems, 1,39 f). Dies also ist fr Hegel geschehen; die Zeit, welche die Phi-
losophie in Gedanken zu fassen hat, ist die eigene Epoche, weil diese fr sichselbst nichts mehr mit der Einen Philosophie und mit dem gemein zu haben
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scheint, was diese in der Geschichte bisher bewahrte. Die Gegenwart hatsich aus der philosophischen Tradition emanzipiert; die Frage nach dem
Wesen der geschichtlich-politischen Gegenwart und ihrer Wahrheit wird inder Zeit und Stunde zur Frage der Metaphysik, in der die Kontinuitt ihrerGeschichte und berlieferung unterbrochen und fragwrdig geworden ist.So nimmt Hegel in der Gleichsetzung der Philosophie mit der Theorie ihrerZeit das Problem der Emanzipation aus der geschichtlichen Herkunft auf.Aber die Radikalitt ihrer Infragestellung kommt fr ihn nicht nur in dergeschichtlichen und gesellschaftlichen Emanzipation als solcher zur Er-scheinung; die Gre der mit ihr verbundenen Gefahr zeigt sich erst darin,da auch die ''Subjektivitt", die sich religis und philosophisch das Gtt-
liche dadurch zu bewahren sucht, da sie es aus der gottlos gewordenen Ge-genwart in das Innere und in die Natur rettet, mit diesem Retten ihrerseitsdie Wahrheit des Gttlichen preisgibt und im Rckzug aus der gegenwr-tigen Welt die Emanzipation anerkennt, so da auch die subjektive Be-wahrung fr Hegel zu ihrer Erscheinung wird; als romantische Flucht ausder Wirklichkeit setzt sie ihrerseits voraus, da das Gttliche die Machtber die objektive Realitt verloren hat. Zwar ist es immer mglich gewesen,die Gegenwart des Seins gleichsam unbekmmert um die geschichtlich-
politische Gegenwart unmittelbar in der Natur zu suchen und diese als seineErscheinung zu ehren. Die Philosophie hat von jeher die Vernunftauch als die ''ewige Harmonie" der Natur und als ihr ''immanentes Gesetzund Wesen" begriffen (R. Ph. S. 7). Aber wenn dies heute geschieht, dannsteht dahinter zugleich das ungelste Problem der Zeit und ihrer geschicht-lichen Emanzipation. Wie auf dem Rckzug sucht man jetzt, die gegen-wrtige Vernunft in die Natur zu retten, um sie wie den ''Stein der Weisen"nur irgendwo noch suchen zu knnen, weil Staat und Gesellschaft als diesittliche Welt nicht mehr ''des Glcks genieen" sollen, ''da es die Ver-nunft ist, welche ... in diesem Elemente sich zur Kraft und Gewalt ge-bracht habe, darin behaupte und inwohne" (7). So wird das Gttliche auf dieNatur eingeschrnkt, weil die politische Wirklichkeit aus seinem Zusammen-hang herausgetreten ist, weil Staat und Gesellschaft ''dem Zufall und derWillkr preisgegeben" und ''gottverlassen" sein sollen und so die immerseiende Wahrheit ''auer (sich)" haben (7). Diese Bereitschaft, die Lsungaus der geschichtlichen Herkunft anzuerkennen, wird so fr Hegel dasZeichen, in dem die Gefahr der Emanzipation in ihrer ganzen Gre er-
scheint. Man beginnt, Gott in der Natur zu suchen; man will das Gttlichein die Natur retten, das die geschichtlich-politische Gegenwart von sich aus-
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schliet. Die politische Umwlzung der Zeit hat den Sinn der metaphy-
sischen Tradition und ihre Wahrheit in Frage gestellt; sie schickt sich an,
sie zu vernichten. Aber das heit fr Hegel auch, da die Philosophie vordie Frage gestellt ist, wie es sich hiermit verhalte. Geht in der Gegenwart mit
dem Aufkommen der modernen Gesellschaft die alte Welt des Geistes und
der geschichtlichen Herkunft zu Ende? Ist die Zeit dabei, ihre religise,
sittliche, geistige Substanz aufzulsen und ber sie wie ber ein Vergan-
genes und historisch Gewordenes hinwegzugehen? Diesen Fragen kann die
Philosophie nicht mehr ausweichen; es gibt keine Rettung durch Flucht in
die Natur oder in die Innerlichkeit. ''Einfache Hausmittel" helfen da nicht
mehr, wo die ''mehrtausendjhrige Arbeit der Vernunft und ihres Verstan-
des" fragwrdig wird (9). Das Ausweichen vor dem gestellten Problem ist
schon die Preisgabe. Daher bleibt allein der Weg offen, das Problem der
Emanzipation in seiner ganzen Radikalitt aufzunehmen; Hegel schlgt ihn
ein, indem er die Hilfe der Einen Philosophie herbeiruft und ihre Theorie
zur Theorie der Zeit und der sich in ihr vollziehenden Umwlzung macht.
II
3. Das Ereignis, um das sich bei Hegel alle Bestimmungen der Philoso-phie im Verhltnis zur Zeit, in Abwehr und Zugriff das Problem vorzeich-nend, sammeln, ist die franzsische Revolution, und es gibt keine zweite
Philosophie, die so sehr und bis in ihre innersten Antriebe hinein Philosophie der
Revolution ist wie die Hegels.
Hegel ist 1770 geboren und 1831 gestorben. Er hat niemals auf die Revo-
lution wie auf ein abgeschlossenes Geschehen vom Ufer einer gesichertenWelt zurcksehen knnen. Alles, was die Zeit von 1789 bis 1830 erfllt,
wird in Hoffnung und Furcht auch das eigene Geschick, in dem es zustehen und zu bestehen gilt: die Umwlzung in Frankreich selbst, ihre Aus-strahlung auf Europa und Deutschland, die Kriege Napoleons (die frHegel immer Revolutionskriege waren), sein Zusammenbruch, die Versuche,den forttreibenden revolutionren Krften die Wiederherstellung der altenWelt entgegenzusetzen, die Grung der Zeit, in der nichts entschieden istund alles offen, ungelst, unausgetragen bleibt, bis hin zu dem neuen, von
Hegel vorausgesehenen Umsturz von 1830. ''Ich bin", so schreibt er am30. 10. 1819 an Creuzer, ''gleich 50 Jahre alt, habe 30 davon in diesenewig unruhvollen Zeiten des Frchtens und Hoffens zugebracht und
hoffte, es sei einmal mit dem Frchten und Hoffen aus. Nun mu ich sehen,
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da es immer fortwhrt, ja, meint man in trben Stunden, immer rger wird"
(Br. 359).
In diesem Hoffen und Frchten lebt seine Philosophie von Anbeginn biszum Ende. Die Schrift ''ber die englische Reformbill", die letzte Schriftvon Hegels Hand berhaupt, schliet mit dem Hinweis darauf, da Krfteim Spiel sind, die dahin drngen knnten, ''statt einer Reform eine Revolu-tion herbeizufhren" (Berliner Schriften S. 506). Wo die Revolution in die
Welt eintritt, so heit es drei Jahrzehnte frher, da ist die Zeit aus der''ruhigen Gengsamkeit an dem Wirklichen" und der ''geduldigen Erge-
bung" herausgerissen. Die Revolution ist das ''Wanken der Dinge" (Sehr,
z. Pol. S. 150, 152). Im Verhltnis zu ihr mu die Philosophie, die an sich
''etwas Einsames" ist, ''auf die Geschichte des Tages" aufmerksam werden(an Zellmann, Br. 85 vom 23. 1. 1807)10.
Was bedeutet das? Warum fordern die Revolution und die Ereignisse,die ihr folgen, die philosophische Theorie, die schweren Begriffe des Seins,des Absoluten, des Gttlichen, der sittlichen Substanz? Warum fhrt die
Auseinandersetzung mit ihr schlielich zur metaphysischen Theorie desStaates, die Hegel dann den Verruf des Reaktionrs, des rckstndig undberstndig Gewordenen einbringt? Die Antwort auf diese Fragen macht es
notwendig, erstens das Verhltnis zu bestimmen, in dem Hegel zur Revo-lution steht, um dann zweitens das Problem zu fassen, um dessen Austrages in seiner Philosophie der Revolution zuletzt und eigentlich geht.
Die Begegnung mit der Revolution und der Enthusiasmus fr sie in derTbinger Zeit (17881793) stehen am Anfang des geistigen Weges Hegels.Von diesem Enthusiasmus ist alles ausgegangen; er stiftet die Freundschaft
mit Hlderlin und mit Schelling. Wie ''alle edlen Deutschen" wenden sichdie Freunde damals dem ''acht philosophischen Schauspiel" zu (Rosenkranza. a. O. S. 32). Noch in der Berner Zeit ist Hegel von dem Gedanken an die
''Revolution in Deutschland" erfllt; ihr habe auch die Philosophie zudienen. Als ''Zeichen der Zeit" solle sie der ''Beweis" werden, da ''der
Nimbus um die Hupter der Unterdrcker und Gtter der Erde ver-schwindet". Es gelte jetzt fr die Philosophie, den Vlkern ihre ''Wrde"zu zeigen, damit sie ''ihre in den Staub erniedrigten Rechte nicht fordern,sondern selbst wieder annehmen, sich aneignen" (an Schelling, Br. 11
vom 16. 4. 1795)11.Diese Leidenschaft der unmittelbaren Teilnahme und Fortfhrung be-
ginnt etwa von 1795 an zurckzutreten. Die Erfahrungen des Terrors ge-hren fortan zum Bilde der Revolution. Schon die ''Phnomenologie"
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(1807) behandelt sie unter dem Titel: ''Die absolute Freiheit und der
Schrecken" (V, 414). Sie ist die ''Furie des Verschwindens" (418), zu ihr
gehren der ''platteste Tod", ''der keinen inneren Umfang und Erfllunghat, . . . ohne mehr Bedeutung als das Durchhauen eines Kohlhaupts oderein Schluck Wassers" (418 f), ''ihre sich selbst zerstrende Wirklichkeit"(422), ''der reine Schrecken des Negativen" (421). Das bleibt fortan gltigund kehrt immer wieder.
Diese Negativitt der Revolution hat fr Hegel unmittelbar die Folge, dasie keine dauerhaften politischen Lsungen gefunden und herbeigefhrthat. Es hat sich gezeigt, so urteilt Hegel im letzten Jahr seines Lebens (Phi-
los. d. Gesch. XI, 563), da mit ihr ''nichts Festes von Organisation" auf-
kommt. Die Verfassungen werden immer wieder gendert und lsen ein-ander ab; noch jetzt, ''nach vierzig Jahren von Kriegen und unermelicherVerwirrung", wo ''ein altes Herz sich freuen (knnte), ein Ende derselbenund eine Befriedigung eintreten zu sehen", ist ''wieder ein Bruch geschehen,und die Regierung ist gestrzt worden" (562 f.). Wie die in die gleiche Zeit
gehrige Schrift zur ''Reformbill" mit dem Ausblick auf die mgliche Fort-dauer der Revolution schliet, so steht am Ende der ''Philosophie der Ge-schichte" die Ungelstheit aller durch die Revolution aufgeworfenen poli-
tischen Probleme: ''So geht die Bewegung und Unruhe fort". Das Problemder politischen Stabilisierung bleibt der ''Knoten, . . . an dem die Ge-schichte steht, und den sie in knftigen Zeiten zu lsen hat" (563). Es isteine der wenigen Stellen, an denen Hegel berhaupt von der Zukunft spricht.Er tut es hier im Hinblick auf die ungelsten Probleme der durch die Re-volution konstituierten Gesellschaft und ihrer politischen Ordnung.
Aber weder die Erfahrung des Terrors noch die kritische Einsicht in dieUnfhigkeit der Revolution, zu positiven und stabilen politischen Lsungenzu kommen, haben Hegel zu ihrem Gegner machen knnen. Die positive
Meisterung der politischen Probleme, die mit ihr in die Geschichte getretensind, bleibt fr ihn die Aufgabe, vor die die Zeit unabdingbar gestellt ist.Hegel hat immer die franzsische Revolution bejaht; es gibt nichts Ein-deutigeres als diese Bejahung, und doch wird das bersehen, weil das Pro-
blem, das er in der Auseinandersetzung mit ihr austrgt, spter aus dem Ge-sichtskreis der Zeit verschwindet; damit werden dann auch die Zusammen-
hnge bedeutungslos und gleichsam unsichtbar, in denen es sich entfaltet.In demselben Abschnitt der ''Phnomenologie", der die Revolution
unter den Begriff des Terrors stellt, hlt Hegel zugleich ihre Notwendigkeitund das geschichtliche Recht fest, das sie unwiderstehlich machte: ''Die
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''ungetheilte Substanz der absoluten Freiheit erhebt sich auf den Thron derWelt, ohne da irgend eine Macht ihr Widerstand zu leisten vermchte"
(V, 415). Diese Notwendigkeit ist ihr geschichtliches Recht, das bleibt frHegel bestimmend. Noch in der ''Geschichte der Philosophie" (zuerst1805/6 in Jena, dann zweimal in Heidelberg und sechsmal in Berlin, zuletzt1829/30 vorgetragen) werden die Grnde, die die Revolution ausgelsthaben, mit einer Leidenschaft der Parteinahme geschildert, die in nichtshinter der Emprung der Jugendzeit zurcksteht. Ihre Notwendigkeit istder Widerspruch des entwickelten Gefhls der Freiheit zu den herrschenden''alten Institutionen". In diesem Widerspruch sind sie substanzlos geworden;die Emprung mute sich gegen sie erheben. Damit verhalten sich die Re-
volution und die sie vorbereitende Philosophie zwar ''zerstrend", aber wassie vernichten, war schon ein in sich Zerstrtes, der horrible Zustand derGesellschaft, Elend, Niedertracht, ins Unglaubliche gehende Schamlosig-keit und Unrechtlichkeit, die Rechtlosigkeit der Individuen in Ansehungdes Rechtlichen und des Politischen, des Gewissens, des Gedankens.Gegen dies ist der Sturm losgebrochen, notwendig und mit dem Recht derVernunft, so da Hegel die Mnner, die ihn ''mit ihrem groen Genie,Wrme, Feuer, Geist, Muth" vorbereiteten und entfachten, ''heldenmthig"
nennt (vgl. G. Ph. XIX, 517). 1817 weist die Vorrede der ''Enzyklopdie"auf die ''jugendliche Lust der neuen Epoche" hin, ''welche im Reicheder Wissenschaft wie in dem politischen aufgegangen ist"; sie wirdals ''Morgenrthe" mit ''Taumel" begrt (VI, 8). Im gleichen empha-tischen Ton nennt die ''Philosophie der Geschichte" die Revolution einen''herrlichen Sonnenaufgang": ''Alle denkenden Wesen haben diese Epochemitgefeiert. Eine erhabene Rhrung hat in jener Zeit geherrscht, ein Enthu-siasmus des Geistes hat die Welt durchschauert" (XI, 557 f.). So kehrenvon der Jugend an bis in die letzten Jahre eindeutig und eindringlich dieuerungen des unbeirrten Festhaltens und Bejahens wieder. Hegel hat alleJahre des Bastillesturms gedacht und seinen Tag feiernd geehrt, whrendzugleich nicht weniger eindringlich die Erfahrung fr ihn bestehenbleibt, welche ''die Gefahren und Frchterlichkeiten" vor Augen hat(VI, 354).
So gehrt in Hegels Verhltnis zur Revolution der Enthusiasmus fr das,was mit ihr in die Geschichte getreten ist, mit dem Wissen um die Ungelst-heit ihrer Probleme und um die Notwendigkeit ihres Zusammenbruchs als
''Tyrannei" zusammen. Die Revolution hat das Problem gestellt, das dieEpoche auszutragen hat. In seiner Ungelstheit treibt es die Frage hervor,
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Hegel und die franzsische Revolution
warum es weder der Revolution selbst noch den revolutionren und restau-rativen Versuchen der ihr folgenden Jahrzehnte gelingen konnte, zur poli-
tischen Stabilitt zu kommen.4. Dies durch die Revolution gestellte und zugleich nicht gelste Problem ist diepolitische Verwirklichung der Freiheit. Die Revolution hat sie zum ''Gedan-
kenprinzip des Staates" erhoben und in den ''droits de l'homme et ducitoyen" als ''natrliches Recht" gesetzt. Deswegen vermochte das ''alte Ge-rste des Unrechts" ihr gegenber keinen Widerstand zu leisten; in dem
Prinzip der Freiheit als Recht liegt das Einmalige, das ''Unerhrte" derRevolution: ''Im Gedanken des Rechts ist... jetzt eine Verfassung errichtetworden, und auf diesem Grunde sollte nunmehr Alles basirt seyn. So lange
die Sonne am Firmamente steht und die Planeten um sie herum kreisen,war das nicht gesehen worden" (Ph. G. XI, 557).
So nimmt Hegel die Idee der Freiheit auf, wie das Volk sie zu seinem
Panier erhoben hatte, und macht sie zum ''Grundelemente" und zum''einzigen Stoffe" seiner Philosophie (E. Gans i. Vorw. z. R. Ph. VII, 7) 12.Aber das bedeutet auch, da Hegel die Philosophie auf diese Weise zur
Theorie der Zeit macht; sie erhlt die Aufgabe, die politische Freiheit der Re-volution in ihrem Wesen zu begreifen; der Grund soll philosophisch be-
stimmt werden, auf dem durch die Revolution ''Alles basirt" wird. a) Freiheit ist fr Hegel philosophisch der Stand des Menschen, in demer sein Menschsein verwirklichen und so er selbst sein und ein menschlichesLeben fhren kann. Sie wird damit von dem Stand des Menschen unter-
schieden, in dem es dem Menschen nicht freigestellt ist, er selbst zu sein,und in dem er so nicht in sich, sondern in einem anderen (wie der Sklave inseinem Herrn) sein Sein hat, das nicht das seine ist. Daher versteht Hegel
Freiheit als das ''Beisichselbstsein des Menschen": ''Das Bei-sich-selbst-seyn. . . ist die Freiheit, denn wenn ich abhngig bin, so beziehe ich michauf ein Anderes, das ich nicht bin; . . . frei bin ich, wenn ich bei mir selbst
bin" (Ph. G. XI, 44). Zur Freiheit als Beisichselbstsein gehrt darum auch,da der Mensch in der Welt ''zu Hause" sein kann, da sie nicht diefremde, sondern die seine ist (vgl. R. Ph. 4 Zusatz, VII, 51). Sie gibt ihmFreiheit, wenn sie ihm frei gibt, das zu sein, was er als er selbst sein kann. b) Mit diesen elementaren Bestimmungen nimmt Hegel den Begriff derFreiheit aus allen Zusammenhngen heraus, die ihn im Laufe der Jahrhun-
derte berlagert und berformt haben, und greift auf ihre klassische Defini-
tion zurck, die Aristoteles in der ''Metaphysik" gegeben hat: ''Frei ist derMensch, der um seiner selbst willen, nicht um eines anderen willen ist"13.
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Freiheit ist danach fr Aristoteles das Selbstseinknnen des Menschen, undHegel nimmt diesen Begriff auf. Das wird dann auch fr seine Theorie der
politischen Freiheit wichtig. Sie ist bei Aristoteles zunchst die fr die Polis,die griechische Brgerstadt konstitutive Rechtsform, durch welche dieTeilnahme des Brgers an den politischen Entscheidungen
der Stadt, an Verwaltung, Gesetzgebung und Rechtsprechung geregelt undgesichert wird. Aber diese Rechtsform ist nicht selbst wieder politisch be-grndet; sie hat vielmehr ihren Grund in der Freiheit des Menschseins
selbst, weil dem, der frei und so Mensch ist, notwendig auch die Teilnahmeam politischen Leben zukommt. Mit der Polis ist so fr Aristoteles eine poli-tische Ordnung in die Geschichte gekommen, welche das Selbstseinknnen
des Menschen voraussetzt und seine substanziale Freiheit und damit denMenschen als Menschen zu ihrem Subjekt hat. Daher schliet fr ihn dieFreiheit als politische Rechtsform auch die Zweckbestimmung der politischen
Ordnung ein; sie hat dem Einzelnen die Freiheit des Selbstseins zu ermg-lichen; er soll in der Stadt als er selbst leben und zu seiner menschlichenBestimmung, zur kommen knnen14.
c) Beides, die Begrndung der politischen Freiheit als Recht in der sub-stanzialen Freiheit des Selbstseins und die hiermit gesetzte inhaltliche Be-
stimmung politischer Ordnungen durch den Zweck, die Verwirklichungdes Menschseins und seiner Freiheit zu ermglichen, bernimmt Hegelund macht sie fr seine Auseinandersetzung mit der Freiheitsidee der fran-zsischen Revolution fruchtbar. Wenn man den Formalismus" der politi-
schen Auseinandersetzungen und Kmpfe durchbricht und nach dem Ge-halt" der Revolution fragt15, um inhaltlich zur Bestimmung zu bringen,worum es in allen Fragen der Verfassung, der staatlichen und rechtlichen
Formgebung zuletzt geht, dann macht die philosophische Freiheitslehredie Antwort mglich: Das Problem, das die Forderung politischer Freiheit
durch die Revolution aufgeworfen hat, liegt darin, die Rechtsform der Freiheit zu
finden und d. h. eine Rechtsordnung auszubilden, die der Freiheit des Selbstseins an-
gemessen ist und ihr gerecht wird und es dem Einzelnen ermglicht, er selbst zu sein
und zu seiner menschlichen Bestimmu kommen.
So wird die Philosophie fr Hegel der Schlssel, der ihm den Zugang zuder durch den faktischen Verlauf der Revolution und die aus ihr hervor-gehende allgemeine Grung der Zeit verschtteten und in Frage gestelltenpositiven Bedeutung der sich mit ihr vollziehenden Zeitwende aufschliet.
Whrend die Revolution selbst und ihre Theorie sich in der Emanzipationaus allen vorgegebenen geschichtlichen Ordnungen konstituieren und sich
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so auch in der Entgegensetzung zur philosophischen Tradition bestimmen,wird fr Hegel ihre Positivitt gerade dadurch fabar, da er die substan-
ziale Freiheit der Philosophie als den Grund begreift, auf dem durch sie''alles basirt wird". Die Einheit von Freiheit und Menschsein ist fr Hegel auch das Prinzipder Weltgeschichte; das hat den sehr genauen Sinn, da Geschichte dann
zur Weltgeschichte wird, wenn sie den Menschen im Sinn seines Mensch-seins zu ihrem Subjekt hat. Wo es den Menschen als Menschen nicht gibt,da gehrt auch die Geschichte, so viel sie sonst bedeuten mag, nicht zurWeltgeschichte. Ihr Subjekt ist der Mensch als Mensch und damit dieMenschheit. Weil aber das Menschsein des Menschen notwendigerweise die
Freiheit einschliet, versteht Hegel die Weltgeschichte auch als die Ge-schichte, deren Prinzip die Freiheit ist, und deren Verlauf ihre Entwicklungund Entfaltung zum Inhalt hat. Die Philosophie hat es so ''mit dem Glnzeder Idee zu thun, die sich in der Weltgeschichte spiegelt. . . ihr Interesse
ist, den Entwicklungsgang der sich verwirklichenden Idee zu erkennen, undzwar der Idee der Freiheit" (Ph. G. XI, 568 f.).
Als Geschichte des Menschen und der Freiheit beginnt fr Hegel daherdie Weltgeschichte mit der griechischen Polis, weil in ihr ''erst das Bewut-
seyn der Freiheit aufgegangen" ist. Aber zugleich gilt, da die Griechen(und ebenso die Rmer) nur wuten, da ''Einige frei sind, nicht der Mensch,
als solcher"; sie hatten Sklaven, damit war ihre ''schne Freiheit" nur eine''zufllige, vergngliche und beschrnkte Blume". Zu ihr gehrte noch die''harte Knechtschaft des Menschlichen, des Humanen" (45). Erst das
Christentum hat dann das Bewutsein gebracht, da der Mensch als Menschfrei ist, und da so alle als frei zu gelten haben, und da Freiheit des Men-schen ''eigenste Natur" ist. Durch das Christentum wird daher die Freiheituneingeschrnkt mit dem Menschsein identifiziert und die Geschichte dereuropischen Vlker wird actu zur Weltgeschichte, sofern sich ihre parti-kulare Geschichte mit dem Christentum zur Geschichte des Menschen und
seiner Freiheit erweitert.Es gibt kaum einen Zusammenhang in der Philosophie Hegels, der so sehr
wie die Theorie der Weltgeschichte miverstanden und als bloe Spekulation
abgetan worden ist, seitdem fr die historische Wissenschaft der Begriff derWeltgeschichte jeden inhaltlichen Sinn verloren hat und zum bloen Sam-melbegriff fr alle bekanntgewordenen Kulturen und Vlkergeschichten
geworden ist. Fr Hegel selbst aber ist er in einem sehr unmittelbaren undgrundstzlichen Sinn mit der Theorie der eigenen Zeit und der Revolution
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verbunden16. Das Weltgeschichtliche der europischen Geschichte ist die
Freiheit des Menschseins, das bedeutet aber, da die Revolution selber, indem
sie die Freiheit zu dem Grund macht, auf dem alle Rechtssatzung basiertwird, positiv als Epoche der europischen Weltgeschichte und ihrer Freiheit desMenschseins gelten mu. Hegel nennt sie daher ihrem ''Gehalte nach . . .
welthistorisch" (563) und spricht von ihr als ''welthistorischer Wende", als''Weltzustand" und als ''Epoche der Weltgeschichte" (vgl. z.B.: G. Ph.XIX, 511). Das hat den genauen Sinn, da die Revolution, und zwar im
Widerspruch zu ihrer emanzipativen und den Zusammenhang mit der Ge-schichte der Herkunft ausschlieenden Selbstbestimmung geschichtlich alsdas Ereignis gelten mu, durch das die ''schwere lange Arbeit" der Welt-
geschichte, den weltlichen Zustand mit der Freiheit des Menschseinszu durchdringen (vgl. Ph. G. XI, 45), nicht nur fortgesetzt, sondern im
politischen Sinn zum Abschlu gebracht wird. Whrend am Anfang der
Weltgeschichte der Brger der antiken brgerlichen Gesellschaft politischund rechtlich den Sklaven und Unfreien neben sich hat, wird in der franz-
sischenRevolution um ersten Male die politische Freiheit als Recht und damit das
Selbstseinknnen des Menschen universal und im Verhltnis u allen Menschen zum
Prinzip und um Zweck der Gesellschaft und des Staates erhoben. Erst durch sie
wird so der Mensch uneingeschrnkt zum Subjekt der politischen Ordnung,sofern und ''weil er Mensch ist, nicht weil er Jude, Katholik, Protestant,Deutscher, Italiener u. s. f. ist" (R. Ph. 209, vgl. u. S. 43).
5. Im unmittelbaren Verhltnis zu diesem positiven welthistorischen Ge-
halt der Revolution wird dann fr Hegel die Auseinandersetzung mit ihreremanzipativen Selbstbestimmung notwendig. Aber zunchst folgt aus derEinsicht in ihren welthistorischen Sinn, da es politisch keine Mglichkeit
mehr gibt, hinter die Revolution und das von ihr Erreichte zurckzugehen.Jede gegenwrtige und knftige Rechts- und Staatsordnung mu von dem universalen
Freiheitsprinzip der Revolution ausgehen und es voraussetzen. Demgegenber ver-
lieren alle Vorbehalte gegen ihren Formalismus und ihre Abstraktheit anGewicht. Nachdem in der alten Welt die Polis und mit ihr das Menschseinals Rechtsprinzip (wenn auch in der Beschrnkung auf den Brger und in
der Ausschaltung des Sklaven) in die Geschichte getreten waren, mutenalle Staats- und Rechtsformen, die ihm nicht entsprachen, fr die politischeTheorie unwesentlich werden. Piaton und Aristoteles grnden daher die
politische Philosophie allein auf die Polis. Wo Recht zum Recht des Men-
schen geworden ist, da kann Recht, das nicht Recht des Menschen ist, nurnoch in homonymen Sinn ''Recht" genannt werden. Dasselbe gilt fr die
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franzsische Revolution. Nachdem sie die Freiheit fr alle als Menschenzum Rechtsprinzip erhoben hat, verlieren fr Hegel geschichtlich wie sach-
lich alle Institutionen und positiven Rechte, die ihm widersprechen, mitgeschichtlicher Notwendigkeit jeden legitimen Anspruch auf Geltung. Diefr die europische Weltgeschichte konstitutive Freiheit ist durch die Revo-lution zum Prinzip aller staatlichen und rechtlichen Ordnung erhoben wor-den. Es ist nicht mehr mglich, hinter dieses Prinzip zurckzugehen.Recht jetzt prinzipiell Menschenrecht hat die Allgemeinheit der Gat-tung erreicht; das kann nicht wieder eingeschrnkt werden, ohne da dieszum Widerspruch gegen das Menschsein des Menschen und damit gegendas nunmehr gewonnene universale Prinzip aller Rechtssatzung fhrt.
In den politischen Abhandlungen (ber die neuesten inneren Verhlt-nisse Wrttembergs, besonders ber die Gebrechen der Magistratsver-fassung 1798, Verfassung Deutschlands von 1800/3, die 1817 in den Heidel-berger Jahrbchern verffentlichte kritische Auseinandersetzung mit denVerhandlungen der Landstnde des Knigreichs Wrttemberg imJahre 1815 und 1816, schlielich die Schrift zur englischen Reformbillvon 1830), in seinen Briefen und auch sonst hat sich Hegel in der Errte-rung konkreter politischer Verhltnisse und Ereignisse darum auch immer
wieder, bisweilen leidenschaftlich, mit der politischen Restauration ausein-andergesetzt. Bei der Vernderung, die eingetreten ist, ist die eigentlicheGefahr, zumal in Deutschland, die Passivitt, beim ''Gefhle eines Wankensder Dinge sonst nichts tun, als getrost und blind den Zusammensturz desalten, berall angebrochenen, in seinen Wurzeln angegriffnen Gebudes zuerwarten und sich von dem einstrzenden Geblke zerschmettern zu lassen".(Sehr. z. Pol. S. 152). Whrend sich aber in der ffentlichkeit dies ''farb-und geschmacklose Mittelwesen" hlt, welches ''nichts so arg und nichtsso gut werden lt" (an Niethammer, Br. 255 vom 23. 11. 1815) Aus-druck der ''Nullitt und Unwirklichkeit des ffentlichen Lebens" (Stnde-schrift, VI, 356) und der ''politischen Erstorbenheit" (ibid.) 17, geht uner-kannt der Weltgeist seinen Gang fort und hat ''der Zeit das Kommando-wort zu avancieren gegeben" (an Niethammer, Br. 271 vom 5. 7. 1816,vgl. G. Ph. XIX, 266). Dazu gehrt, da alle alten geschichtlichen, durchberlieferung und Gewohnheit geheiligten Einrichtungen in Flu geraten.''Wir stehen", so heit es am Schlu der 1806 in Jena gehaltenen Vorlesungzur spekulativen Philosophie (Dok. 352), ''in einer wichtigen Zeitepoche,
einer Grung, wo der Geist einen Ruck getan, ber seine vorige Gestalthinausgekommen ist und eine neue gewinnt". Wo dies geschieht, da lst
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die Philosophie die Einsichten zu vermitteln, die eine Entscheidung darbermglich machen knnen, was haltbar und was unhaltbar ist; die rechte
Unterscheidung zwischem dem, was rechtens vergangen ist, und dem, wasbewahrt werden kann, mu als die einzige Gerechtigkeit und Macht gelten,''die das Wankende mit Ehre und Ruhe vollends wegschaffen und einengesicherten Zustand hervorbringen kann" (Magistratsverfassung, Sehr. z.Pol. S. 151).
Was diese zuerst in der Magistratsschrift (1798) formulierte Unterschei-dung des Haltbaren von dem, was unhaltbar geworden ist, fernerhin fr
Hegels Auseinandersetzung mit der Restauration bedeutet, zeigt sich dannmit besonderer Eindringlichkeit in der ''Stndeschrift" von 181719. In
Wrttemberg hatten die Stnde das Angebot einer Verfassung durch denKnig abgelehnt; mit dieser Ablehnung setzt sich Hegel in dieser Schriftauseinander und nimmt in ihr fr den Knig gegen die Stnde Partei; selbstein so naher Freund wie Niethammer hat darin eine schwer begreiflichereaktionre Stellungnahme Hegels gesehen20. Aber die wahre Sachlage istanders. Die Stndeversammlung htte die vom Knig angebotene Ver-fassung durchaus mit der Begrndung als ungengend kritisieren oder ab-
lehnen knnen, da ''sie dem Rechte, welches Untertanen aus dem ewigen
Rechte der Vernunft fr sich in der Staatsverfassung fordern knnen, ent-gegen sei" (VI, 385). Sie htten sich dann auf den Boden des ''modernen"
Prinzips gestellt und mit dem Knig um die Frage seiner politischen undverfassungsrechtlichen Verwirklichung verhandelt. Aber das ist nicht ge-schehen, sondern die Stnde haben die knigliche Verfassung verworfen,''weil sie nicht die altwrtembergische Verfassung" und so ''nicht das bloeWiederherstellen und Wiederaufleben des Alten" war (385). Hierin liegtder ''Grundirrthum" der Stnde (394); es hat sich gezeigt, da sie als bloe
''Altrechtler" verhandeln; nicht sie, sondern der Knig vertritt daher dasmoderne Prinzip; darin liegt das ''verkehrte Schauspiel", das diese Ver-handlungen in Wrttemberg fr Hegel bieten. Whrend der Knig ''seine
Verfassung in das Gebiet des vernnftigen Staatsrechts" stellt und so vondem modernen Prinzip ausgeht, ''(werfen sich) die Landstnde... dagegen zuVertheidigern des Positiven und der Privilegien auf" (396). Diese Stellung-nahme der Wrttembergischen Landstnde ist beispielhaft fr das, was
Restauration politisch fr Hegel bedeutet und ist: das ''Extrem des steifen Be-
harrens auf dem positiven Staatsrechte eines verschwundenen Zustandes" (395) und
damit das bloe ''Widerspiel von dem, was vor fnfundt^wan^ig Jahren in einem be-nachbarten Reiche begann, und was damals in allen Geistern wiedergeklungen hat,
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da nmlich in einer Staatsperfassung nichts als gltig anerkannt werden solle, als
was nach dem Recht der Vernunft anzuerkennen sey" (395). Politische Restau-
ration ist so fr Hegel die bloe Antithese zur Revolution; sie spielt ohneBeziehung zum geschichtlichen Prinzip der Gegenwart gegen sie das Ver-gangene aus und macht dies damit selbst zu einer leeren Form, die ge-schichtlich keinerlei realen Inhalt mehr hat. Hegel hat deshalb gegen diewrttembergischen Stnde die schrfsten Worte verwandt: sie ''dreschenleeres Stroh" (397); sie handeln wie ein Kaufmann, ''der auf ein Schiff hin,das sein Vermgen enthielt, das aber durch den Sturm zu Grunde gegangenist, noch dieselbe Lebensart fortsetzen und denselben Kredit von Anderendarauf fordern wollte" (394). Sie haben ''nichts vergessen und nichts ge-
lernt"; die groe Erfahrung der Zeit ist fr sie umsonst gewesen; siehaben die letzten 25 Jahre ''verschlafen", ''die reichsten wohl, welche dieWeltgeschichte gehabt hat, und die fr uns lehrreichsten, weil ihnen unsereWelt und unsere Vorstellungen angehren" (396). Damit zeigt sich inHegels Auseinandersetzung mit dem falschen Wiederherstellen, was seineweltgeschichtliche Deutung der Revolution positiv bedeutet; mit der Er-hebung der Freiheit zum universalen Prinzip des Rechts hat sie die Zeit vordie Aufgabe gestellt, die Idee politisch zum Inhalt des Rechts und des
Staates zu machen, die von Anbeginn Prinzip und Sinn der europischenWeltgeschichte ist.Nicht die Restauration, sondern die Revolution vertritt daherdas Prinzip der europischen Geschichte. Darum leidet die politische Restauration
an einem inneren Widerspruch ; ihre Verkehrtheit besteht darin, da sie sich anti-
thetisch dem gegenwrtigen Prinzip entgegenstellt und so die geschichtliche Substanz
selbst verneint, die sie doch bewahren und wiederherstellen will. Das verstrickt siemit Notwendigkeit in einen leeren Formalismus und verurteilt sie zuletztauch zu politischer Ohnmacht gegenber den wirklichen Problemen derZeit, die damit ungelst bleiben.
Die restaurative falsche Bewahrung ist daher fr Hegel die eigentlicheGefahr der Zeit; die Auseinandersetzung mit ihr hat ihn Zeit seines Lebensnicht losgelassen, und so nimmt er sie 1830 in seiner letzten Schrift, nunin der Errterung der englischen Verhltnisse und der Versuche, durcheine Reform des Parlaments zu einer stabileren Ordnung zu kommen, nocheinmal auf (''ber die englische ReformbilF')21. Die Englnder besitzeneine von vielen bewunderte moderne politische Verfassung, sie mhen sichum die Reform und Besserung ihres Parlamentssystems. Aber zugleich
ignorieren auch sie die gewandelten gesellschaftlichen Verhltnisse undhalten an berholten feudalen Vorrechten, Privilegien und positiven Rech-
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ten fest und nehmen dabei die aus den Widersprchen zur Realitt resultie-renden Erscheinungen der Korruption in Kauf. Wo dies geschieht, sind
aber notwendig alle politischen Formnderungen zur Wirkungslosigkeitverurteilt, wenn nicht zuvor die Tendenz berwunden wird, ''den altenGlauben an die Gte einer Institution noch immer festzuhalten, wenn auchder davon abhngende Zustand ganz verdorben ist" (Berl. Sehr. S. 466). Der''grelle Widerstreit" zwischen den herrschenden positiven Rechten unddem, wie sich die wirklichen gesellschaftlichen Verhltnisse der Bevlke-rung, des Reichtums, der Interessen in neueren Zeiten gestellt haben (467),ist der ''Krebsschaden" (479), an dem England politisch leidet; er hat dazugefhrt, da es in den ''Institutionen wahrhaften Rechts hinter den andern
zivilisierten Staaten Europas" auffallend zurckgeblieben ist (469). DieserWiderspruch zwischen der Formalitt des positiven Rechts und der mitihr nicht identischen Realitt ist so wie berall auch hier das Problem, umdessen Lsung es in der ''Anwendung und Einfhrung der vernnftigenGrundstze in das wirkliche Leben" gehen mte (vgl. 500), wenn nichtstatt tragfhiger Reformen die Fortdauer der Revolutionen das Ende seinsoll.
So geht es Hegel philosophisch wie politisch bis zuletzt darum, das
revolutionre Prinzip der Freiheit als Recht aus dem politischen Kampfherauszuholen und vor der berflutung durch den Strom der Ereignissein der Grung der Zeit sicherzustellen. Die Staatslehre von 1821 nimmt esauf und setzt es als den Gedanken und die Vernunft der Gegenwart voraus.Wo Freiheit zum Rechtsgrund wird, da mu der Staat als ''die Wirklichkeitder konkreten Freiheit" (R. Ph. 260) begriffen werden. Er wird Rechts-staat und existiert als dieser, wenn die Individuen als Menschen sie selbstsein knnen und ''die persnliche Einzelnheit" mit ihren besonderen In-teressen in Familie und Gesellschaft ''die Anerkennung ihres Rechts frsich" hat ( 260). Die ''substanziale Freiheit" wird so zum einzigen Grundund Zweck der Staatsmacht gesetzt. Damit werden fr Hegel auch allebisherigen Begrndungen des Staates aufgehoben und korrigiert. Es istnicht mehr mglich, ihn auf einen ''Socialittstrieb", auf das ''Bedrfnider Sicherheit des Eigenthums. . . der Frmmigkeit" oder auf eine ''gtt-liche Einsetzung der Obrigkeit" zurckzufhren (XI, 556). ber alle dieseBegrndungsmglichkeiten hat das Gedankenprinzip der Revolution hin-ausgefhrt; sie sind in ihrer Idee der Freiheit als Recht aufgehoben worden.
So dringt die Philosophie durch die Schale der Erscheinungen zu demKern vor, dessen Schale sie sind; sie bringt aus der Zeit selber das Prinzip
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hervor, das im Grunde des Tageskampfes, des Widerstreits der Meinungen
und im Gegensatz von Revolution und Restauration treibt und geschicht-
lich Gestalt werden will.
III
6. Hegels Auseinandersetzung mit der franzsischen Revolution kommtin der ''Rechtsphilosophie" zum Abschlu, und dieser Abschlu bestehtdarin, da ihre Staatslehre das Freiheitsprinzip der Revolution aufnimmtund es als die Voraussetzung aller knftigen rechtlichen und politischenOrdnungen versteht. Der jugendliche Enthusiasmus fr die Revolution,
der bei Hegel am Anfang des philosophischen Weges steht, geht inseine Philosophie selbst ein und wirkt in ihrer ausgereiften Gestalt le-
bendig fort. Seine Philosophie bleibt in dem genauen Sinn Philosophie
der Revolution, da sie von ihr ausgeht und bis zuletzt aus ihr lebt. Esgibt nichts in Hegels geistiger Entwicklung, was sie mehr kennzeichnetals dieses positive Verhltnis zur Revolution; es bestimmt ihr Ende wieihren Anfang.
Aber zu ihm gehrt nicht nur die Abwehr aller restaurativen Tendenzen,
sondern ebenso und nicht weniger eindeutig die Kritik an der Revolutionselbst, die grundstzliche Einsicht in ihre Unfhigkeit, zu tragfhigen Ver-fassungen zu kommen und bestndige, standfeste politische und rechtlicheOrdnungen herbeizufhren, so da es aussehen kann, als geriete Hegel auf
seinem Wege gleichsam zwischen die Fronten, die sich in Frankreich, inDeutschland und sonst in Europa als unmittelbare Folge der revolutio-nren Bewegung formieren. Aber in diesem ueren Zwischen kommt das
innere Anliegen der Hegeischen Philosophie in ihrem Verhltnis zur Re-volution zur Erscheinung. Das perennierende Forttreiben der Revolutionund die sich ihr entgegensetzende Wiederherstellung des Alten gehren frHegel zusammen. In ihrer Entgegensetzung erscheint die Abstraktheit derRevolution. Nicht zwei Prinzipien, zwei selbstndige geschichtliche Weltentreten nach der Revolution erneut gegeneinander, sondern die Restauration
ist selber das wesentlich nachrevolutionre Erzeugnis der Revolu-tion. Die Restauration ist darin begrndet, da die Revolution in derSetzung der universalen, auf den Menschen als Menschen bezogenen Frei-
heit zugleich den Widerspruch in sich trgt, da sie die geschichtlichen
Substanzen des menschlichen Daseins von sich ausschliet und ihre Ver-neinung ist.22
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In der gleichen Zeit, in der Hegel in Bern und in Frankfurt in einerihn selbst von den Freunden isolierenden Sammlung seine philosophische
Position vom Enthusiasmus zur Theorie der Revolution fortschreitend aus-bildet, bringtNovalis die (bis heute in der romantischen Opposition gegen diemoderne Welt fortwirkende) Abhandlung ''Die Christenheit oder Europa"(1799) zum Abschlu. Sie hat die Form einer historischen Studie, die sichsuchend dem Mittelalter als der vormodernen Welt zuwendet. Indem sie esaber als die ''schnen, glnzenden Zeiten" feiert, ''wo Europa ein christ-liches Land war" (WW Wasmuth 1,279), wird in der Entgegensetzung zu ihmdie Gegenwart als Verlust des schnen Lebens bestimmt. Es geht mit derneuen Zeit zu Ende. Das Heilige wird entfernt, die Musik des Weltalls ver-
stummt, die Religion verliert ihren politischen, friedestiftenden Einflu; dieRevolution zerreit endgltig das Band, das einst das ''Eine Oberhaupt",die ''zahlreiche Zunft", die ''schnen Versammlungen in den geheimnis-vollen Kirchen" miteinander verknpfte (279). Mit der neuen Zeit undin ihrer Revolution ist das Ende der Christenheit politische Realitt unddas Schicksal der Zeit geworden. Ihr ''neuer Glaube" ist ''rastlos beschf-tigt, die Natur, den Erdboden, die menschlichen Seelen und die Wissen-schaften von der Poesie zu subern, jede Spur des Heiligen zu ver-
tilgen" (291)23
.Als Hegel drei Jahrzehnte spter die ''Philosophie der Geschichte" undin ihrem Zusammenhang die Deutung der Revolution als Epoche im welt-geschichtlichen Gang der Idee zum letzten Mal vortrug, beginnt in Frank-reich Comtes ''Positive Philosophie" zu erscheinen (1830). Das ''Dreista-diengesetz" wird als das groe Axiom des Fortschritts formuliert. Mit dermodernen Gesellschaft und Wissenschaft werden Theologie und Meta-physik und die durch sie getragenen ''Stadien" der Menschheitsentwicklungzur historischen Vergangenheit. Der zu sich selber gekommene und vonihrer Herrschaft befreite Mensch schreitet zur Vollendung der Menschheitdurch die moderne Wissenschaft und Gesellschaft fort und lt die bis-herige Geschichte und ihre Tradition als tote, historisch gewordene Ver-gangenheit hinter sich zurck24.
Hegel hat weder Comtes These noch die romantische Poetisierung desMittelalters durch Novalis gekannt, aber die Tendenz, die bei beidenphilosophisch Gestalt gewinnt, die romantische Wiederherstellung desAlten und seine berwindung im Fortschritt, ist typisch fr das Verhlt-
nis, in das die Welt der geschichtlichen Herkunft und die neue Zeit mitihrer Zukunft des Fortschritts zueinander geraten. Sie treten auseinander;
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die geschichtliche Kontinuitt zerreit; die neue Zeit wird zum Ende derbisherigen Geschichte; Novalis versteht sie als Untergang der geschicht-
lichen Substanz, Comte als Befreiung des Menschen aus ihr.Erst damit wird verstndlich, was es bedeutet, da Hegel die Freiheitder Revolution als die gegenwrtige, universal gewordene Form der ur-sprnglichen metaphysischen Freiheit des Selbstseins versteht und so dieRevolution selbst als welthistorischen Stand und als Epoche der EinenWeltgeschichte begreift, deren Prinzip in der Tradition der Einen Philo-
sophie gewut und geistig bewahrt wird. Die philosophische Theorie, dieuerlich als das Fortspinnen und Ausspinnen der Spekulation, als dieinnere Entfaltung des philosophischen Gedankens zum System erscheinen
kann, erweist sich als der Austrag des durch die Revolution gestellten Problems,
da die Kontinuitt der Weltgeschichte fr sie selber wie fr ihren restaurativen
Gegner nicht mehr besteht und zerbrochen ist. Was mit der neuen Zeit und mit der
Revolution heraufkommt, ist fr beide das Ende der bisherigen Geschichte; die
Zukunft ist ohne Begehung zur Herkunft. Das Problem dieser geschichtlichen
Diskontinuitt nimmt Hegels Theorie auf; sie stellt die Frage, was die fr
die Revolution selbst wie fr ihre Gegner in gleicher Weise entscheidendeDeutung der Gegenwart als Ende der Geschichte bedeutet, und was ihr
zugrunde liegt und sie hervortreibt. Aber Hegel schlgt sich nicht auf dieeine oder die andere Seite, sondern fat das Problem dieser weltgeschicht-lichen Diskontinuitt in seiner ganzen Radikalitt. Die romantisch restau-rative Verneinung der neuen Zeit und ihrer Revolution und die revolutio-nre Emanzipation aus der Herkunftsgeschichte gehren zusammen; siehaben den gleichen Grund. Beiden ist der ''Atheismus der sittlichen Welt"(R. Ph. S. 7) gemeinsam; whrend fr die revolutionre Theorie und ihre
Nachfolger die Gegenwart das Ende der alten Welt und die Befreiung derMenschen von den ''irreal" gewordenen Mchten der Religion und derMetaphysik bedeutet, erscheint auf der anderen Seite dies gleicherweise
anerkannte Ende der Herkunftsgeschichte als Entgtterung der Welt, alsVerlust des Wahren, Heiligen und Schnen, als Untergang des Menschseinsdes Menschen selbst. Die revolutionre Verneinung der Vergangenheit und die
restaurative Verneinung der Gegenwart sind daher in der Voraussetzung der ge-
schichtlichen Diskontinuitt von Herkunft und Zukunft identisch, und diese Dis-
kontinuitt wird so fr Hegel zu dem entscheidenden Problem der Zeit; es treibt
ungelst in allen ihren Spannungen und Gegenstzen. Er nimmt es auf und trgt
es philosophisch aus, indem er damit seine Philosophie selbst fast mitNotwendigkeit der doppelten Mideutung als Reduktion der religisen
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Substanz auf das Politisch-Geschichtliche und als reaktionre idealistischeVerhllung der revolutionren Befreiung des Menschen vom theologischen
und metaphysischen Himmel aussetzt.7. Was geschieht? Was gewinnt Hegel, indem er die Revolution auf dieantik-christliche Freiheit und ihre Weltgeschichte bezieht, um sie so alsEpoche ihrer universalen politischen Verwirklichung zu begreifen, und
damit sowohl der Verneinung der Herkunft durch die Revolution wie derVerneinung der Gegenwart durch Restauration und romantische Philo-sophie und so der von beiden vorausgesetzten Entzweiung von Herkunftund Zukunft die Kontinuitt der Weltgeschichte entgegenhlt ?
Hegel hat weder diese Entzweiung und ihre reale Macht ber die Men-
schen und ihr Bewutsein noch den Schmerz wegzuinterpretieren versucht,der das in sie verstrickte Dasein erfllt. Sie ist fr ihn die Grundverfassungder neuen Zeit.
Von dem Leiden an ihr geht seine Philosophie aus; in der Entzweiung
entspringt ihr Bedrfnis: ''Wenn die Macht der Vereinigung aus demLeben der Menschen verschwindet, und die Gegenstze ihre lebendigeBeziehung und Wechselwirkung verloren haben . . ., entsteht das Be-drfni der Philosophie" (Difr., I, 46); sein ''Quell" ist die ''Entzweiung"
(44); in ihrer ''Zerrissenheit" liegt die ''Zerrttung des Zeitalters" (150).Wie Schiller und Hlderlin blickt Hegel am Anfang seines Weges auf die
griechische Welt zurck, die die jetzt in der Entzweiung verlorene ''be-seelte Einheit" noch besa: ''Ach, aus den fernen Tagen der Vergangen-heit strahlt der Seele . . . ein Bild entgegen das Bild eines Genius der
Vlker eines Sohns des Glcks. . . . Wir kennen diesen Genius nur vomHrensagen, nur einige Zge von ihm, in hinterlassenen Kopien seinerGestalt ist uns vergnnt, mit Liebe und Bewunderung zu betrachten, dienur ein schmerzliches Sehnen nach dem Original erwecken" (Volksreligion,
Nohl S. 28f.). Die Gegenwart lebt in der Entzweiung; die Sehnsuchtsucht die verlorene Einheit. Dem entspricht die geschichtliche Begrndung
der Entzweiung. Wie bei den Dichtern erscheint sie zunchst als das Werkder neuen Zeit und ihres ''aufklrenden Verstandes"; sie ist die Fruchtseines Sieges. Durch ihn und seine Wissenschaft wird das gttliche All in
die tote mechanische Natur verwandelt. Das Gttliche der Herkunft wirdder Realitt entfremdet; es geht fr den Verstand ''in den Begriff entwederdes Aberglaubens oder eines unterhaltenden Spiels" ber (Diff., I, 47).
Damit wird das Schne zum Ding, der Hain zu Holz, der Tempel zu ''Klt-zen und Steinen"; von der durch ihn verdinglichten objektiven Realitt
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schliet der Verstand das Gttliche aus. Das Ding ist nur noch Ding und
hat den Zusammenhang mit dem bergreifenden ursprnglichen Sinn des
Daseins verloren. Aber schon in den Schriften der Jenaer Zeit kndigtsich die Einsicht an, die es Hegel dann ermglicht, den Grund der Diskon-tinuitt und das in den Vorstellungen vom Ende der Weltgeschichte trei-
bende Problem zu positiver Bestimmung zu bringen. Whrend Aufklrungund Verstand die objektive dingliche Realitt verselbstndigen und absolut
setzen und so ''das Ewige . . . nur jenseits haben" knnen (Glauben undWissen, 1,281), gehrt fr Hegel zu diesem ''negativen Verfahren der Auf-klrung" (280) und ihrer Verdinglichung der Welt in geschichtlicher
Gleichzeitigkeit die Subjektivitt. Hegel nennt sie im Verhltnis zur ''west-
lichen Lokalitt" der Aufklrungsbildung (Diff., I, 148) das ''Princip desNordens, und, es religis angesehen, des Protestantismus"; sie tritt als dieandere ''groe Form des Weltgeistes" zur Aufklrung hinzu (G. u. W., I,281). Durch diese Subjektivitt wird auf dem Boden des geschichtlichenDaseins selbst das aufgenommen, was der Verstand von seiner objektiven
dinglichen Realitt ausgeschlossen hat; sie bewahrt in ''Gefhlen und Ge-sinnungen" die Schnheit und Wahrheit, die der Verstand preisgibt: ''DieReligion baut im Herzen des Individuums ihre Tempel und Altre, und
Seufzer und Gebete suchen den Gott, dessen Anschauung es sich versagt,weil die Gefahr des Verstandes vorhanden ist, welcher das Angeschauteals Ding, den Hain als Hlzer erkennen wrde" (281 f.). Was in der altenWelt Eins war, tritt mit der neuen Zeit auseinander; das Gttliche undWeltliche, das Sein und das Seiende werden gegeneinander selbstndig;was der Verstand nicht hlt, indem er das ''Objektive . . . genau von dem
Subjektiven" als demjenigen ''scheidet", ''was keinen Werth hat und Nichtsist", sucht der ''Kampf der subjektiven Schnheit. . . gegen die Nothwen-digkeit gehrig zu verwahren" (282).
So wird von Hegel die Entzweiung als die Form der modernen Welt undihres Bewutseins verstanden. Whrend aber sowohl fr die Subjektivittwie fr den Verstand und seinen Begriff der objektiven Realitt das sub-
jektiv festgehaltene Schne und Wahre und die dingliche Endlichkeitabsolut entgegengesetzt und ohne Beziehung einander entfremdet sind,
begreift Hegel ihre Entzweiung positiv als die Form, in der sich unter der Bedingung
der tnodernen Welt ihre ursprngliche Einheit geschichtlich erhlt. Die objektive
Realitt der Aufklrung und die bewahrende Subjektivitt sind komplementr auf-
einander belogen; die Subjektivitt baut ihre Altre im Herzen, weil die ob-jektive Welt des Verstandes vorhanden ist. Was als Subjektivitt und
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wird auf die Analyse der konkreten geschichtlichen Bewegung verwiesenund damit ber die Bildungsform des Gegensatzes der romantischen Sub-
jektivitt und der Aufklrung hinaus zu den Problemen gefhrt, die ihn imgeschichtlichen Proze selber bedingen und tragen. Das beginnt in Bern,und damit kommt es zu der entscheidenden Wende, die Hegel dann auchvon seinen Freunden und von dem Ideal der Jugendzeit fortfhrt. In dengleichen Jahren, in denen sich seine Theorie der Entzweiung bildet, hatteHegel hier begonnen, sich auf das grndlichste im unmittelbaren Zusam-menhang mit den allgemeinen Problemen der Revolution in die Fragen derkonkreten politischen, wirtschaftlichen, rechtlichen und sozialen Verhlt-nisse der Zeit zu vertiefen. Diese Studien spiegeln sich unmittelbar in den
Anmerkungen wider, die er seiner 1798 anonym in Frankfurt erschei-nenden bersetzung der ''Vertraulichen Briefe ber das vormaligestaatsrechtliche Verhltnis des Wadtlandes (Pays de Vaud)" des WadterAnwalts Cart beigibt, die die Unterdrckung durch die Berner Aristokratieseit 1791 zum Gegenstand haben26. Die Absicht ist zunchst, ihr ''Discitejusticiam moniti" auch in Deutschland zu Wort zu bringen. Aber zugleichfgt Hegel die fr sein Verhltnis zur politischen Realitt kennzeichnendeBemerkung hinzu, da der Appell an die Empfindung ''gegen die Glaub-
wrdigkeit der Sache selbst eher mitrauisch" machen knnte, und da ihrso fr manche vielleicht besser mit der ''trockenen Angabe der Tat-Er-zhlung" und dem Erweis ''aus Urkunden" gedient sei (Vorbemerkung,Dok. 248).
Dem entspricht Hegels eigener Beitrag. Er verzeichnet mglichst genaualle nheren Umstnde: Manahmen der Berner, Rechte der Pfarreien,finanzielle Verhltnisse, Zollstze, Verfahren der peinlichen Gerichtshfe,das System der Einquartierungen, die Technik der Unterdrckung ber-haupt. Und darin zeigt sich, was Hegel jetzt wichtig wird: die Aufmerksam-keit dafr, wie das Allgemeine ''wirklich" geschieht, wie Unterdrckung''wirklich" arbeitet, in welchen Rechtsformen und Handlungen sich poli-tischer Kampf ''wirklich" vollzieht. Aber wir wissen auch, da die Beschf-tigung mit den Schweizer Verhltnissen nicht isoliert geblieben ist; Hegelhat sich damals ebenso grndlich mit den sozialen und konomischen Pro-blemen Englands, mit seinem Parlament, mit der Geschichte der amerika-nischen Revolution, mit der Reform des preuischen Landrechts, mitFragen des Strafvollzuges u. a. m. beschftigt27. In dieser Zuwendung zum
konkret Geschichtlichen der Revolutionsepoche geht Hegel auf, da eskeine Mglichkeiten gibt, fr die Fragen des sich in der geschichtlichen
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Wirklichkeit vollziehenden und als diese vorhandenen Allgemeinen Lsun-gen aus philosophischen Prinzipien in Gedanken zu entwerfen und zu kon-
struieren. Die Probleme der Revolution, die Entzweiung des Daseins unddie in ihr begrndete Diskontinuitt der Geschichte fr die Bildung derZeit knnen nicht in der spekulativen Deduktion einer neuen, seinsollendenWelt berwunden werden. Die Geschichte selbst ist der Boden, auf dem dieIdee wirklich ist und wirkt; die Vernunft der Zeit ist in dem, was ist, vor-handen und die Theorie hat sie aus der Zeit selbst als ihren Begriff hervor-zubringen. Indem Hegel dies aufgeht und indem so die Philosophie selbstauf die Einsicht in das geschichtlich-konkret Vorhandene verwiesen wird,begegnet ihm das Entscheidende: Er wird mit der Gesellschaftstheorie der
englischen Politischen konomnie bekannt. Er hat damals in Bern Steuart's''Inquiry into the principles of political economy" (London 1767) gelesenund mit einem fortlaufenden, ausfhrlichen Kommentar versehen28. Indiesen Studien ist ihm, wie Rosenkranz sagt (a. a. O. S. 86; Dok. 280), dasWesen der brgerlichen Gesellschaft klar geworden; er lernte begreifen,was Bedrfnis und Arbeit, die Arbeitsteilung, das Vermgen der Stnde,Armenwesen, Verwaltung, Steuern bedeuten; es geht ihm auf, da dasGeschichtliche der Revolution und des ganzen Zeitalters und aller ihrer Probleme das
Aufkommen der modernen industriellen brgerlichen Arbeitsgesellschaft ist.Von diesen Studien und der mit ihnen verbundenen entscheidenden gei-
stigen Wende ist damals kaum ein Widerhall zu den Freunden gedrungen.Nur andeutend weist Hegel brieflich auf ''Arbeiten und Studien" hin unddarauf, da er von den ''untergeordnetem Bedrfnissen der Menschen"anfinge und sich der Frage zuwende, ''welche Rckkehr zum Eingreifen indas Leben der Menschen zu finden" sei (Br. 29 an Schelling aus Frankfurtvom 2. 11. 1800)29.
Was aber geschehen ist, tritt zwanzig Jahre spter in seiner ganzen Be-deutung fr die politische Philosophie Hegels hervor30. In der ''Rechts-philosophie" ist die brgerliche Gesellschaft endgltig zu ihrem Mittel-punkt geworden; alle politischen, rechtlichen und geistigen Probleme derZeit sind auf sie als auf die epochale, alles bestimmende Umwlzung be-zogen, in deren Theorie auch die Auseinandersetzung mit der politischenRevolution aufgehoben wird.
8. Die Darstellung der brgerlichen Gesellschaft in der Form, in der Hegelsie in der ''Rechtsphilosophie" entwickelt, enthlt gegenber der englischen
Politischen konomie zunchst keine wesentlich neuen Bestimmungen.Hegel begreift sie in ihrer Nachfolge als ''System der Bedrfnisse"; sie ist
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diejenige Gesellschaft, die in grundstzlicher Emanzipation aus allen Voraus-setzungen der geschichtlich berkommenen Lebensordnungen des Menschen allein
die Bedrfnisnatur des Menschen als des Einzelnen und ihre Befriedigung in der Formder abstrakten Arbeit und Arbeitsteilung %um Inhalt hat; sie enthlt ihremeigenen Prinzip nach nichts, was nicht durch die ''Vermittelung des Be-drfnisses und die Befriedigung des Einzelnen durch seine Arbeit und durchdie Arbeit und Befriedigung der Bedrfnisse aller brigen" ( 188) gesetztist. Das sind im wesentlichen die Grundbegriffe, die Adam Smith (AnInquiry into the Nature and the Causes of the Wealth of Nations, London,1776) entwickelt hatte, auf den sich die ''Rechtsphilosophie" auch ausdrck-lich neben Say und Ricardo beruft (R. Ph. 189). Whrend Hegel aber, wenn
er sich auf die politischen Theorien der Revolution, etwa auf Rousseau,bezieht, immer zugleich auch kritisch auf ihre Abstraktheit und ihre dergeschichtlichen Wirklichkeit grundstzlich inadaequate Einseitigkeit hin-weist, verfhrt er in der Anknpfung an die ''Staatskonomie" anders. Diepolitischen Theorien der Revolution haben als deduktive Setzung neuerpolitischer Formen aus Prinzipien zugleich die unmittelbare Bestimmung,die revolutionre Emanzipation aus den vorhandenen geschichtlichenInstitutionen und Rechtsformen zu ermglichen und diese in der Setzung
des Neuen zu destruieren; daher kommen sie prinzipiell nicht ber dieNegativitt hinaus, in deren Dienst sie stehen. Demgegenber hat Hegel dieenglische Politische konomie als die induktive (hermeneutische) Theorieder schon vorhandenen, geschichtlich bereits ausgebildeten gesellschaft-lichen Realitt verstanden, die ihr die Prinzipien abzugewinnen sucht, diesie als ihr inneres Gesetz bestimmen. Darin liegt fr Hegel die wegweisendeBedeutung und die ''Ehre" dieser neuen Wissenschaft; der Gedanke holt inihr die Prinzipien ''aus der unendlichen Menge von Einzelheiten, die zu-nchst vor ihm liegen", heraus und entwickelt sie so als die ''Prinzipien derSache" aus den Verhltnissen heraus, in denen sie wirksam sind und die sieregieren ( 189). Zu einer ''Masse von Zuflligkeiten" werden die Gesetzegefunden. Und dann fgt Hegel die bezeichnende Bemerkung hinzu, daman diese, von der Politischen konomie erarbeiteten Gesetze ''zunchstnicht glaubt, weil alles der Willkr der Einzelnen anheimgestellt scheint"( 189 Zusatz VII, 271 f.). Spter jedoch sieht man, da es sich mit der mo-dernen Gesellschaft hnlich wie mit dem Planetensystem verhlt, das auch''immer dem Auge nur unregelmige Bewegungen zeigt, aber dessen Ge-
setze doch erkannt werden knnen" (ibid.). Smith und die anderen Schpferder neuen konomischen Wissenschaft haben so fr die Theorie der brger-
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lichen Gesellschaft die gleiche Bedeutung, wie Kepler sie fr die Theorie derPlanetenbewegung hat. Sie haben die Gesetze gefunden, die ihr zugrunde
liegen und ihre Ausbildung bestimmen. So bernimmt Hegel die Theorieder Politischen konomie und bringt sie damitzuerst, nicht nur frDeutsch-land, in Zusammenhang mit der Philosophie. Indem diese ihre Zeit in Ge-danken zu fassen hat, findet sie in der brgerlichen Gesellschaft die Wirk-lichkeit, in welcher die Idee geschichtlich gegenwrtig vorhanden ist.
Das wird dann fr die philosophische Auseinandersetzung mit den Pro-blemen der politischen Revolution entscheidend, sofern auch sie auf diesich mit dem Aufkommen der brgerlichen Gesellschaft vollziehenden Ver-nderungen des geschichtlichen Lebens bezogen und in ihrem Zusammen-
hang verstanden werden mssen. Hegel erkennt, da die zuerst von derPolitischen konomie erarbeitete und fr das allgemeine Verstndnis derEpoche entscheidende Bestimmung in der Begrndung der Gesellschaftauf den Begriff der menschlichen Bedrfnisnatur liegt, sofern durch ihnihre prinzipielle Unabhngigkeit gegenber allen vorgegebenen geschicht-lichen Voraussetzungen und damit die Emanzipationsform ihrer Konsti-tuierung erwiesen wird. Dieser Naturbegriff bleibt daher auch fr ihn aus-schlaggebend; von ihm hngen alle weiteren Grundbegriffe der Gesell-
schaft mittelbar und unmittelbar ab, die er im Zusammenhang mit demNaturprinzip selbst von der englischen Theorie bernimmt. Subjekt derGesellschaft sind wie bei Smith die Einzelnen, aber nicht in der Ganzheitihres geschichtlichen, geistig-sittlichen Daseins, sondern dem Natur-prinzip entsprechend isoliert auf das, was sie als Trger von Produktionund Konsumtion sind. Dem entspricht, da sich auch die Gesellschaftselbst in der Unterscheidung von allen bisherigen und sonstigen Gesell-schafts- und Gemeinschaftsformen ausschlielich auf diejenigen Beziehun-gen beschrnkt, die die Einzelnen in der Bedrfnisbefriedigung durchArbeit miteinander verbinden. Sie ist fr Hegel daher als Gesellschaft mitdem ''System der Bedrfnisse" identisch und schliet so notwendig allesonstigen Beziehungen, sofern sie nicht zu ihm gehren, aus ihrem Zu-sammenhang aus, so da die Arbeitsteilung, wie bei Adam Smith, zumeinzigen Bildungsprinzip der Gesellschaft wird. Daraus folgen die weiterenBestimmungen. Die Gesellschaft wird durch die fr die Arbeitsteilungkonstitutive Trennung der Arbeitsmittel von den Arbeitenden in die dop-pelte Bewegung, einerseits der ''Anhufung der Reichtmer" und ihrer
Konzentration in wenigen Hnden, andererseits durch die ''Vereinzelungund Beschrnktheit der besonderen Arbeit" in der ''an diese Arbeit
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gebundenen Klasse" in ''Abhngigkeit und Not" hineingetrieben und so zurKlassengesellschaft ( 243). In dem ''Herabsinken einer groen Masse unter
das Ma einer gewissen Subsistenzweise "erzeugt sie'' den Pbel" (244),der ohne Vermittlung dem Stande der Besitzenden gegenbertritt31.Weil aber die Gesellschaft zugleich unter dem Gesetz der zunehmenden
Produktion steht, verschrft sich der innere Druck und zwingt sie zurExpansion ber die Erde: ''Wenn die brgerliche Gesellschaft sich in un-gehinderter Wirksamkeit befindet, so ist sie innerhalb ihrer selbst in fort-schreitender Bevlkerung und Industrie begriffen" ( 243); ihre eigene''Dialektik" treibt sie ber sich hinaus ( 246). Sie mu fr ihren ''berfluan Mitteln" (vgl 246) in anderen Vlkern Konsumenten suchen und so
den Weg der Kolonisation einschlagen ( 248). Die industrielle brgerlicheKlassengesellschaft ist daher fr Hegel schlielich durch ihr eigenes Ge-setz dazu bestimmt, zur Weltgesellschaft zu werden; die fr das Verhltnisder politischen Revolution zur Weltgeschichte entscheidende Beziehung der Freiheit
auf die Menschheit und den Menschen als Gattung ist in dieser potentiellen Univer-
salitt der brgerlichen Gesellschaft begrndet. In unmittelbarem Anschlu anAdam Smith heit es, da das Meer als ''grtes Medium der Verbindung"zu ihrem Element wird; in Handel und Verkehr beginnt sie, die fernsten
Vlker in ihren Zusammenhang einzubeziehen ( 247)3a
. Zu dieser Ein-beziehung gehrt fr Hegel, da an ihrem Ende auch die Auflsung desKolonialsystems stehen wird; die Befreiung der Kolonien wird einmal frden ''Mutterstaat" selber der ''grte Vortheil" werden, so wie schon jetztdie Freilassung der Sklaven dem unmittelbaren Vorteil ihrer Herren dient(248 Zusatz, VII, 322).
9. So ist mit der ''Rechtsphilosophie" die brgerliche Gesellschaft frHegel in der Nachfolge der klassischen Politischen konomie als die sichber die Erde ausbreitende und potenziell universale Arbeitsgesellschaftendgltig in die Mitte der Philosophie und ihrer politischen Theorie ge-treten. Whrend Schelling mehr und mehr jeden Zusammenhang mit denpolitischen und sozialen Problemen der Revolution verliert, auf dem seineJugendfreundschaft mit Hegel hauptschlich beruhte, und whrend Fichtein die Enge der deutschen Verhltnisse verstrickt und selber durch unddurch provinziell aus seinem Kopf als ''absolutem Ich" Staats- undRechtssysteme a priori deduziert und postuliert, wird fr Hegel die modernebrgerliche Gesellschaft zu dem alles bestimmenden Problem, ber das der
philosophische Gedanke nicht hinweggehen kann, wenn er die vorhan-dene Vernunft und Substanz der Zeit in dem, was ist, begreifen und sich
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nicht im bloen Meinen und entwerfenden Vorstellen verlieren will. Daswird fr seine Auseinandersetzung mit der franzsischen Revolution
entscheidend. Denn nun wird Hegel in der Begegnung mit der Politischenkonomie klar, da die politische Revolution selber und damit auch ihre zentraleIdee der Freiheit geschichtlich zum Aufkommen der neuen Gesellschaft gehren ;
diese ist ihre Aktualitt und geschichtliche Notwendigkeit. Die Freiheit fr alleist ihre konstitutive Bedingung, sofern sie die Einzelnen in der Gleichheitihrer Bedrfnisnatur und so in der Herauslsung aus allen sie politisch oderrechtlich einschrnkenden Institutionen (Znfte, Unfreiheit, Ortsgebun-denheit, Privilegien etc.) zu ihrem Subjekt hat. Das Gleiche folgt aus dergesellschaftlichen Arbeit; sie setzt als Arbeit das Freisein der Einzel-
nen voraus, weil sie darauf beruht, da sie im eigenen Interesse und umihrer selbst willen und so als Freie in dem Proze der arbeitsteiligen Produk-tion stehen; Freiheit hat daher als ihr Prinzip zu gelten33. Diese Einsicht, dieschon fr die Politische konomie und ihre Theorie der Gesellschaftaxiomatische Bedeutung hatte, wird von Hegel in der ''Rechtsphilosophie"voll bernommen. Obwohl auch er sieht, da das Prinzip der Arbeit dieGesellschaft mit den Problemen der Klassenbildung und der Entstehungdes Proletariats belastet und ihre ganze Schwere und schicksalsvolle Be-
deutung begreift, hat er dennoch die Positivitt der modernen Arbeit indieser fr sie notwendigen Verbindung mit Freiheit gesehen, die sie beralle bisherigen geschichtlichen Formen gesellschaftlicher Praxis heraus-hebt: ''Subsistenz", die, ''ohne durch die Arbeit vermittelt zu sein", zu-fllt, und unfreie Arbeit sind gegen das ''Prinzip der brgerlichen Gesell-schaft und des Gefhls ihrer Individuen von ihrer Selbstndigkeit und Ehre"( 245). Mit der brgerlichen Gesellschaft wird ber die Arbeit dahernotwendigerweise die ''Privatperson, welche ihr eigenes Interesse zuihrem Zwecke hat" ( 187), zum Brger (citoyen) und Subjekt dermodernen Gesellschaft, und Hegel kann das freie Individuum ausdrcklichden ''Sohn der brgerlichen Gesellschaft" nennen ( 238).
So ist die revolutionre Idee der Freiheit aller in dem Aufkommen dermodernen Arbeitsgesellschaft begrndet; sie ist ihre notwendige Voraus-setzung und die Bedingung ihrer Mglichkeit, so da sich fr Hegel auchihre philosophische und politische Bestimmung an das zu halten hat, was siegesellschaftlich als brgerliche Freiheit im Zusammenhang der durch Arbeitund Arbeitsteilung gesetzten gesellschaftlichen Ordnung bedeutet und ist.
Das wird entscheidend. Die Ungelstheit der politischen Probleme derRevolution hing fr Hegel damit zusammen, da ihre Freiheit als ihr
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positiver, weltgeschichtlicher Gehalt mit dem Widerspruch der Entzweiungbelastet ist; ihre Setzung schliet fr sie selbst den Gegensatz gegen alle
geschichtlich vorgegebenen Ordnungen und die alte geschichtliche Weltein; ihre politische Verwirklichung soll das Ende der bisherigen Geschichteherbeifhren; wegen dieser Diskontinuitt zur Geschichte nennt Hegel dieFreiheit der Revolution eine ''negative", eine ''abstrakte" Freiheit; ihre
Negativitt macht sie zur ''Furie des Verschwindens"; sie treibt sie in dieSelbstzerstrung hinein und ruft zugleich als ihre Antithese die Mchte derWiederherstellung herbei, die gegen das mit der Revolution heraufkom-mende Ende der abendlndischen Geschichte die alte Welt zurckrufenund ihre Erneuerung betreiben, um die Revolution rckgngig zu machen
und so die geschichtliche Substanz des Menschen zu retten. Die politischeKonstituierung der Freiheit durch die Revolution steht so unter dem Gesetzder Entzweiung; diese ist die Grundverfassung der Zeit. Von ihr war Hegelin dem fr die Formierung seiner Philosophie entscheidenden Jahrfnft von1795 bis 1800 ausgegangen; gegen die verdinglichende Objektivitt desVerstandes und der Aufklrungsbildung sucht die Subjektivitt in Gesin-nungen und Gefhlen das von der Realitt des Verstandes ausgeschlosseneund freigesetzte Schne, Wahre und Heilige zu retten. Schon mit der Ein-
sicht in diese dialektische Einheit von Subjektivitt und Objektivitt hatteHegel eine Position gewonnen, die es ihm mglich machte, die Entzweiungund Diskontinuitt positiv als Form der geschichtlichen Kontinuitt undEinheit zu begreifen. Aber es blieb doch zugleich die Unbestimmtheitzurck, da die rationale Verdinglichung der Realitt als Unglck und alsEinbruch einer der substanzialen Einheit des geschichtlichen Lebensfeindlichen Macht erscheint, und da die Subjektivitt das von ihr Be-wahrte ihrerseits als ein der reinen Innerlichkeit zugehriges Subjektivesaus der objektiven Realitt herauslst und es damit ihrerseits zu einem Irre-alen macht, das jede Beziehung zur objektiven Welt verloren hat. Darin liegtdie innere Schranke der subjektiven Vershnung in allen ihren Formen, soda das Problem der Entzweiung selbst und ihres positiven geschichtlichenSinnes offen bleibt. ber diese Form der innerlichen Vershnung wird Hegeldurch die Theorie der brgerlichen Gesellschaft hinausgefhrt; sie bringt die entschei-dende Wende und ffnet ihm den Weg zur positiven Deutung auch der Entzweiungselbst und der sie hervortreibenden Objektivitt.
Der Naturbegriff der Politischen konomie hat im gleichen Sinn wie alle
Naturtheorien des Rechts oder des Staates im 17. und 18. Jahrhundert diemethodische Absicht, sie vor dem Mitgehen von Begriffen und Prinzipien
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zu sichern, die den geschichtlich vorgegebenen Ordnungen und ihrermetaphysischen und theologischen Theorie angehren, damit die moderne
Gesellschaft dann als die unmittelbare Erscheinung einer gegenber allengeschichtlichen Vernderungen konstanten, geschichtsunabhngigen Naturdes Menschen gelten knne. Demgegenber begreift Hegel, da diese frdiekonomische Theorie konstante und daher geschichtslose Natur das ge-schichtliche Kennzeichen der brgerlichen Gesellschaft ist und ihre Emanzi-pation aus den vorgegebenen geschichtlichen Ordnungen und damitihre Konstituierung durch Emanzipation zum Ausdruck bringt. In der''Rechtsphilosophie" wird daher das von der Politischen konomie ber-nommene Naturprinzip der Gesellschaft zugleich als das geschichtlichePrin-
zip ihrer emanzipativen Konstituierung verstanden. Sie tritt als die Machtder Unterscheidung, als ''Differenz", in die Geschichte und trennt die ge-schichtlichen Ordnungen der Familie und des Staates von dem gesellschaft-lichen Sein des Menschen ab. Sie tritt ''zwischen sie" und ''entzweit" sie,indem sie aus ihrem Zusammenhang heraustritt und so das Dasein des ein-zelnen gesellschaftlich aus der sittlichen und religisen Bestimmung heraus-lst, die es bisher in der Geschichte getragen hat (vgl. 182, 184 Zusatz,VII, 264). Dem entspricht, da dann auch alle brigen Naturbegriffe der
Gesellschaft, Bedrfnis und Bedrfnisbefriedigung, Arbeit und Arbeits-teilung, die Hegel bernimmt, fr ihn ''abstrakte" Begriffe bleiben; sieschlieen die Herauslsung der Gesellschaft und ihrer Praxis aus der Ge-schichte der Herkunft ein. Der Mensch bleibt so zwar auch fr Hegel imSinne der Politischen konomie als Subjekt der Gesellschaft der Produzentund Konsument, der in der Arbeit seiner Bedrfnisbefriedigung nachgeht,sich zu erhalten und seinen Wohlstand zu mehren sucht, aber das bedeutetfr ihn zugleich, da sich die Gesellschaft auf die Bedrfnisnatur des Men-schen einschrnkt und seine Praxis aus ihren geschichtlichen Zusammen-hngen herauslst. Erst wenn diese Herauslsung vorausgesetzt wird, kannder Mensch gesellschaftlich ohne Beziehung zu dem, was er auerdem ist,als Arbeiter, als Produzent oder Konsument verstanden werden. Mit dieserEinsicht wird von Hegel der entscheidende Schritt ber die Theorie der Poli- tischen konomie hinaus getan. Er begreift die Begrndung der Gesellschaftauf die Natur als die Form, in der sie sich gegenber der Geschichte der Herkunft
verselbstndigt, sich aus ihr emanzipiert. Die geschichtslose Natur der Gesellschaft
ist ihr geschichtliches Wesen; das hat Hegel als erster begriffen34und damit
die Mglichkeit geschaffen, das Problem der Emanzipation zu stellen undauszutragen, sofern sich ergibt, da die das Zeitalter bewegenden Probleme
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der Entzweiung, der geschichtlichen Diskontinuitt auf das Auf-kommen der Gesellschaft zurckgehen und durch ihre emanzipative Kon-
stituierung gesetzt sind. Man