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Markus Schroer Das gefährdete, das gefährliche und das Risiko-Individuum Drei Argumentationslinien in der Individualisierungstherorie Der Beitrag zeigt auf, dass Individualisierung kein Phänomen ist, dass erst die gegenwärtige Soziologen- generation thematisiert. Vielmehr lässt sich die Beschäftigung mit der Individualisierung bis zu den Klas- sikern um die Jahrhundertwende zurückverfolgen. Dabei lassen sich drei Argumentationsstränge unter- scheiden, die sich ausgehend von den Klassikern bis in die Gegenwart verfolgen lassen. Der erste Argu- mentationsstrang reicht von Max Weber über die Kritische Theorie bis Michel Foucault. Diese Richtung fasse ich unter dem Namen negative Individualisierung zusammen; das hier im Mittelpunkt stehende Indi- viduum bezeichne ich als gefährdetes Individuum. Einer dieser Argumentationslinie entgegengesetzte zweite Richtung bringe ich mit Emile Durkheim, Talcott Parsons und Niklas Luhrnann in Verbindung. Diese zweite Richtung firmiert in meinem Beitrag als positive Individualisierung, das von ihr behandelte Individuum bezeichne ich als gefährliches Individuum. Zwischen diesen beiden Richtungen vermittelt gleichsam eine dritte Argumentationslinie, die sowohl Gefährdungen für das Individuum ausmacht und auf Belastungen verweist als auch Chancen und Möglichkeiten für die Individuen betont. Simmel, Elias und Beck stehen in meiner Argumentation für diese Richtung. Diese Linie wird unter dem Namen ambiva- lente Individualisierung vorgestellt; das dort behandelte Individuum als Risiko - Individuum bezeichnet. Der Beitrag schließt mit einigen Überlegungen zur zukünftigen Erforschung von Individualisierungspro- zessen. I. Einleitung Individualisierung — das ist nun schon seit mehr als fünfzehn Jahren ein Begriff, der in- nerhalb wie außerhalb der Wissenschaft zu zahlreichen Debatten Anlass gegeben hat und immer neue Debatten zu entzünden ver- mag. Angestoßen insbesondere durch die Arbeiten von Ulrich Beck (1983, 1986) und Elisabeth Beck-Gernsheim (1983) hat die Diskussion um die Individualisierung in na- hezu allen Bereichen der Soziologie Eingang gefunden. Ob in der soziologischen Theorie, der Gesellschaftstheorie, den Theorien der Moderne und Postmoderne oder in den zahl- reichen speziellen Soziologien, der Familien- soziologie, der Jugendsoziologie, der Indus- trie- und Betriebssoziologie, der Lebenslauf- und Biographieforschung, der Soziologie so- zialer Ungleichheit, der Soziologie der Kindheit, der Stadtsoziologie, der Soziologie der Geschlechter usw.: In all diesen Berei- chen wird über die theoretische Konsistenz der Individualisierungsthese ebenso gestrit- ten wie um ihre empirische Validität. Beglei- tet worden ist diese breite Anschlussfähigkeit des Individualisierungstheorems innerhalb der Wissenschaft von Anfang an durch eine lebhafte öffentliche Aufmerksamkeit, die ebenfalls nicht abzureißen scheint. Außerhalb wie innerhalb der Wissenschaft lassen sich dabei verschiedene Lesarten des Problems unterscheiden. Gilt Individualisie- rung den einen als Errungenschaft, die die Einzelnen aus dem Joch der Traditionen, der engen Umklammerung der Gemeinschaften und ihrer sozialen Kontrolle befreit, um ih- nen ein selbstbestimmteres und eigenständi- geres Leben zu ermöglichen, wird von ande- 319

Das gefährdete, das gefährliche und das Risiko-Individuum Schroer

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Markus Schroer

D as gefährdete, da s gefährliche und das

Risiko-Individuum

Drei Argum entationslinien in derIndividualisierungstherorie

Der Beitrag zeigt auf, dass Individualisierung kein Phänomen ist, dass erst die gegenwärtige Soziologen-

generation them atisiert. Vielmehr lässt sich die Besch äftigung mit der Individualisierung bis zu den Klas-sikern um die Jahrhundertwende zurückverfolgen. Dabei lassen sich drei Argumentationsstränge unter-scheiden, die sich ausgehend von den Klassikern bis in die Gegenwart verfolgen lassen. Der erste Argu-mentationsstrang reicht von Max Weber über die Kritische Theorie bis Michel Foucault. Diese Richtungfasse ich unter dem Namen negative Individualisierung zusammen; das hier im Mittelpunkt stehende Indi-viduum bezeichne ich als gefährdetes Individuum. Einer dieser Argumentationslinie entgegengesetztezweite Richtung bringe ich mit Emile Durkheim, Talcott Parsons und Niklas Luhrnann in Verbindung.Diese zweite Richtung firmiert in meinem Beitrag als positive Individualisierung, das von ihr behandelteIndividuum bezeichne ich als gefährliches Individuum. Zwischen diesen beiden Richtungen vermitteltgleichsam eine dritte Argumentationslinie, die sowohl Gefährdungen für das Individuum ausmacht undauf Belastungen verweist als auch Chancen und Möglichkeiten für die Individuen betont. Simmel, Eliasund Beck stehen in meiner Argum entation für diese Richtung. Diese Linie wird unter dem Nam en ambiva-

lente Individualisierung vorgestellt; das dort behandelte Individuum als Risiko-Individuum bezeichnet.

Der Beitrag schließt mit einigen Überlegungen zur zukünftigen Erforschung von Individualisierungspro-zessen.

I. Einleitung

Individualisierung — das ist nun schon seitmehr als fünfzehn Jahren ein Begriff, der in-nerhalb wie außerhalb der Wissenschaft zuzahlreichen Debatten Anlass gegeben hat

und immer neue Debatten zu entzünden ver-mag. Angestoßen insbesondere durch dieArbeiten von Ulrich Beck (1983, 1986) undElisabeth Beck-Gernsheim (1983) hat dieDiskussion um die Individualisierung in na-hezu allen Bereichen der Soz iologie Einganggefunden. Ob in der soziologischen Theorie,der Gesellschaftstheorie, den Theorien derModerne und Postmoderne oder in den zahl-reichen speziellen Soziologien, der Familien-soziologie, der Jugendsoziologie, der Indus-trie- und Betriebssoziologie, der Lebenslauf-

und Biograph ieforschung, der Soziologie so-

zialer Ungleichheit, der Soziologie derKindheit, der Stadtsoziologie, der So ziologieder Geschlechter usw.: In all diesen Berei-chen wird über die theoretische Konsistenzder Individualisierungsthese ebenso gestrit-ten wie um ihre empirische Validität. Beglei-tet worden ist diese breite Anschlussfähigkeit

des Individualisierungstheorems innerhalbder Wissenschaft von Anfang an durch einelebhafte öffentliche Aufmerksamkeit, dieebenfalls nicht abzureißen scheint.

Außerhalb w ie innerhalb der Wissenschaftlassen sich dabei verschiedene Lesarten desProblems unterscheiden. Gilt Individualisie-rung den einen als Errungenschaft, die dieEinzelnen aus dem Joch der Traditionen, derengen Umklammerung der Gemeinschaftenund ihrer sozialen Kontrolle befreit, um ih-nen ein selbstbestimmteres und eigenständi-

geres Leben zu ermöglichen, wird von ande- 319

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M. Schroer: Das g efährdete, das gefährliche und das Risiko-Individuum

ren das gleiche Phänomen als besorgniserre-gende Entwicklung gelesen, da der Einzelneauf die Ordnung gewährende Macht derTraditionen, der Orientierung innerhalb Ober-

schaubarer Gemeinschaften angewiesen ist.Wird er aus diesen herausgelöst, trudelt derEinzelne orientierungslos durch den sozialenRaum, lässt sich mal hier und mal dorthintreiben, stellt allein seine egoistischenNutzenkalküle in den Vordergrund und ge-fdhrdet somit auf Dauer den gesellschaftli-chen Zusamm enhalt.

Diese Annahme eines einerseits begrüß-ten, andererseits beklagten Zuwach ses an in-dividuellen Handlungsspielräumen aber wi-derspricht einer dritten Perspektive, in der

das Individuum zwar ebenfalls aus ehemali-gen sozialen Zusammenhängen herausgelöstwird, dies aber letztlich nur, um es fortannoch enger an die Kette zu legen. Von dieserSeite wird geltend gemacht, dass es oftmalsnur so scheint, als würden die Individuen im-mer selbständiger in ihren Entscheidungenund Handlungen, in Wahrheit aber sei dasIndividuum durch übermächtige Systemeund bürokratische Strukturen nahezu voll-ständig determiniert. Statt autonome Ent-scheidungen zu treffen, reagiere es nur mehrauf die vorgestanzten Muster einer allmäch-tig gewordenen Kulturindustrie. Nicht vonsteigender Individualität, sondern vom „Endedes Individuums" ist hier die Rede. Doch w ieauch immer der Prozess der Individualisie-rung im einzelnen belegt und bewertet wird,einig scheint man sich doch immerhin übereinen tiefgreifenden sozialen Wandel, derden Einzelnen aus traditionalen Sozialbezie-hungen entlässt.

Ich möchte im Folgenden ze igen, dass die-

se hier etwas plakativ vorgestellten Motive dergegenwärtigen Individualisierungsdebatte kei-ne aktuellen Erfindungen sind. Sie lassen sichim Gegenteil bis hin zu den Klassikern derSoziologie zurückverfolgen. Meine im vorlie-genden Aufsatz entfaltete These ist, dass sichdrei Hauptstränge in der Diskussion umIndividualisierung unterscheiden lassen, diesich — an gefangen bei der Soziologie um dieJahrhundertwende — bis in die G egenwart hin-ein fortspinnen lassen.

Da gibt es zunächst die Traditionslinie,

die sich von Weber über Adorno bis zu Fou-

cault verfolgen lässt. In dieser Perspektivewird — bei allen Differenzen im einzelnen —argumentiert, dass das Individuum bedrohtund seine (Bewegungs-)Freiheit in Gefahr

ist. Es erscheint als manipulierbares Rädchenim Getriebe, es ist kaum zu eigenständigenHandlungen und Entscheidungen in der La-ge, weil es unter die Räder der Bürokratiegerät, von der „verwalteten Welt" auf eineNum mer reduziert oder durch imm er präzise-re Disziplinierungs- und Überwachungsme-thoden zu einem Disziplinarindividuum ge-formt wird. Auffällig ist, dass in allen dreiVersionen einer solchen rabenschwarzenZeitdiagnose nach Auswegen und zum Teilutopisch überhöhten Ausbruchsversuchen

gefahndet wird. Ich mache den Vorschlag,diese Argumentation unter dem Namen ne-gative Individualisierung zu führen. ImMittelpunkt steht das gefährdete Individuum(II.).

Eine sich hiervon diametral unterschei-dende zweite Linie ist mit den Theorien vonEmile Durkheim, Talcott Parsons und NiklasLuhmann verbunden. In ihrer differenzie-rungstheoretischen Argumentation wird einehemals stark an gesellschaftliche Vorgabengebundenes Individuum im Laufe des Mo-dernisierungsprozesses aus traditionalen Bin-dungen befreit und auf sich selbst gestellt.Die funktional differenzierte Gesellschaft er-möglicht ihrer Auffassung nach sowohl per-sönliche und intime als auch unpersönlicheSozialbeziehungen in einem vorher nicht be-kanntem Ausmaß. In ihrer Perspektive wirddas Individuum keineswegs immer enger angesellschaftliche Institutionen gebunden, diees förmlich zu erdrücken drohen. Ganz imGege nsatz lautet hier die These, dass die Bin-

dung der Individuen an soziale Systeme zu-nehmend lockerer wird. Die Gesellschaftmuss deshalb immer stärkere Anstrengungenunternehmen, um die Individuen überhauptnoch zu erreichen und zu bestimmtem Ver-halten zu motivieren. Insofern ist in dieserPerspektive entschieden von einer positiven

Individualisierung die Rede. Gleichzeitigfindet man jedoch auch die Thematisierungder Gefahr einer Hyperindividualisierung,

die Gefahr einer überzogenen Freisetzungder Individuen, die zu anomischen Krisenzu-

ständen führt und eine Bedrohung der sozia-20

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len Ordnun g darstellt. Deshalb spreche ich indieser Linie vom gefährlichen Individuum.Vom gefährdeten Individuum erfährt man indieser Variante der Individualisierungstheo-

rie kaum etwas. Im Vordergrund steht hiervielmehr die Gefährdung des gesellschaftli-chen Ganzen bzw. der sozialen Ordnungdurch eine aus dem Ruder laufende Indivi-dualisierung. Die Tendenz zu einer übertrie-benen Individualisierung, in der das Indivi-duum zur G efahr statt zum G aranten sozialerOrdnung wird, nimmt zwar von Durkheimüber Parsons bis Luhmann ab, ist aber in al-len drei Theorien anzutreffen (III.).I

Eine dritte Argumentationslinie, die ichmit den Namen G eorg Simmel, Norbert Elias

und Ulrich Beck verbinde, stellt Individuali-sierung als einen in sich ambivalenten undwidersprüchlichen Prozess vor. Das heißtkonkret, dass nicht nur die Folgen der Indivi-dualisierung ambivalent sind, sondern derIndividual isierungsprozess selbst. Simmel,Elias und Beck stimmen darin überein, dassIndividualisierung weder nur als bloße Pseu-

doindividualisierung zu verstehen ist, wie esdie Diagnosen von Weber, Adorno/ Hork-heimer und (zunächst) Foucault nahelegen,noch allein als funktionale Notwendigkeitund bloße Begleiterscheinung des Differen-zierungsprozesses, die sich zur besorgniser-regenden Hyperindividualisierung steigernkann, gelesen werden mu ss, wie es bei Durk-heim, Parsons und Luhmann geschieht. IhrePerspektive ist weder die eines in seiner Be-wegungsfreiheit und Entscheidungsautono-

mie durch Bürokratisierung, Ökonomisie-rung und Disziplinierung gefährdeten Indivi-duums noch die eines gefährlichen Individu-ums, das, wenn es nicht frühzeitig und be-

ständig domestiziert und in seinen Ansprü-chen beschnitten wird, eine Gefahr für diesoziale Ordnung darstellt. Ihre Argumenta-tion ist vielmehr die eines W eder-noch bzw.eines Sowohl-als-auch. Weder lässt sichIndividualisierung rundweg bestreiten undals bloße Pseudoindividualisierung denun-zieren, noch bedeutet Individualisierung perse eine Gefahr für die Gesellschaft, der mannur mit einer stärkeren Kontrolle der Indivi-duen Herr zu werden vermöchte. Freilichkann Individualisierung sowohl Gefährdun-

gen des Individuums mit sich bringen — etwadurch Disziplinierungs-, Uniformierungs-und Standardisierungsprozesse —, als auch

zur Gefährdung des sozialen Zusammenhalts—etwa durch Atomisierungsprozesse, So-lidaritätsschwund und Orientierungslosigkeit—führen. Allerdings verdichten sich diesevon Simmel, Elias und Beck durchaus the-matisierten Phänom ene bei ihnen nicht zu ei-ner Diagnose, die sich nur für jeweils einedieser Tendenzen sensibel zeigt. Sie verste-hen Individualisierung vielmehr als einenProzess, der zu komplex, vieldeutig und am-bivalent ist, um ihn ausschließlich als Ato-misierungs- oder Disziplinierungsvorgang zuinterpretieren. Aus diesen Gründen wird dievon Simmel Ober Elias bis Beck reichendeArgum entationslinie in meinem Mo dell unterdem Namen ambivalente Individualisierung

Tabelle 1: Modell aus der D ifferenzierung der drei Argumentationslinien

SynchroneAchse 1:

SynchroneAchse 2:

SynchroneAchse 3:

Das selbstbezogeneIndividuum

Negative

Indivi-

dualisierung

Positive

Individualisierung

Ambivalente

Individualisierung

WEBERDas heroischeIndividuum

DURKHEIMDas anomischeIndividuum

SIMMEL

Das hybrideIndividuum

HORKHEIMER/ADORNODas liquidierteIndividuum

PARSONSDas integrierteIndividuum

ELIAS

Das zivilisierteIndividuum

FOUCAULTDas disziplinierteIndividuum

LUHMANNDas funktionaleIndividuum

BECK

Das flexibleIndividuum

DiachroneAchse 1:Das gefährdete

Individuum

DiachroneAchse 2:Das gefährliche

Individuum

Diachrone

Achse 3:Das Risiko-

Individuum

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M. Schroer: Das gefährdete, das gefährliche und das Risiko-Individuum

geführt. Das von ihnen thematisierte Indivi-duum w ird als Risiko-Individuum bezeichnet,da dem Individuum einerseits Chancen zu rselbstbestimmten Lebensführung und indivi-

duellen Besonderung zugesprochen, anderer-seits aber auch Gefahren der Zerstörung indi-vidueller Freiräume durch Standardisie-rungsprozesse them atisiert werden.

Systematisiert man diese drei Argum enta-tionslinien entlang der Zeitachse, dann zeigtsich, dass jede der behandelten Theorienzweimal vorkommt: einmal in einem (dia-chronen) Längsschnitt und ein anderes Malin einem (synchronen) Querschnitt (vgl.Tabelle 1). Damit wird jeder Theoretiker ei-nerseits im Vergleich zu mehr oder weniger

zeitgleich entstandenen Theorien und ande-rerseits als Vorläufer bzw. Nachfolger einerbestimmten Argumentationslinie vorgestellt(vgl. Schroer 2001a).

Für die jeweils aktuellen Positionen derdrei Argumentationsstränge ergibt sichschließlich die B esonderheit, dass (der spä te)Foucault, Luhmann und Beck in ihrem Indi-vidualisierungsverständnis überraschendeParallelen aufweisen. Wäh rend bei den ande-ren in etwa zeitgleich entstandenen Theorien(bei Weber, Durkheim, Simmel und beiAdorno/Horkheimer, Parsons und Elias) ein-deutig die Unterschiede überwiegen — wes-halb das von ihnen thematisierte Individuumin meiner Tabelle nicht auf einen gemeinsa-men Begriff reduziert werden kann —, erge-ben sich bei Foucault, Luhmann und Beckzahlreiche Ähnlichkeiten. Obwohl sie ausvöllig unterschiedlichen Traditionen herausstarten, steht in ihrer Argumentation einselbstbezogenes Individuum im Vorder-grund, das sich nicht mehr in erster Linie

über die Zugehörigkeit zu sozialen Kreisen,zu anderen Individuen oder sozialen Grup-pen definiert, sondern über die Bezüge zusich selbst (IV.). Mit diesem Individualisie-rungsverständnis lässt sich zeigen, dass dieModelle der negativen oder positiven Indivi-dualisierung — in Reinform vertreten durchWeber und die kritische Theorie auf der ei-nen und durch D urkheim und Parsons auf deranderen Seite — zu einseitig angelegt sind,um die widersprüchliche Lage, in der sichdas Individuum in unserer postmodernen

Gesellschaft befindet, angemessen beschrei-

ben zu können. Die Untergangsvisionen überein von der Bildfläche verschw indendes sou-veränes Individuum einerseits und das Bildeines für die funktional differenzierte G esell-

schaft passgerechten Individuums anderer-seits vermögen ebenso wenig zu überzeugenwie die Warnungen vor einer zur Hyper-individualisierung gesteigerten Individuali-sierung. Neigen die einen dazu, die Diszip-linierungs- und Kontrollfunktion der Ge-sellschaft zu überschätzen, das diesen Kräf-ten ausgesetzte Individuum aber zu unter-schätzen, so verhält es sich bei den Vertre-tern der zweiten Gruppe genau umgekehrt:Obwohl sie im Grunde vom Vertrauen in einsich immer wieder einspielendes Gleich-

gewicht zwischen individuellem Autonomie-streben und sozialer Ordnung ausgehen, nei-gen sie dazu, das Individuum als permanenteStörquelle der sozialen Ordnung zu über-schätzen, die D isziplinierungs- und Kontroll-funktionen der Gesellschaft aber zu unter-schätzen, die dieses wieder zur Räson brin-gen sollen. Ich werde im F olgenden zunächstdie drei diachronen Achsen mit ihren jeweili-gen Vertretern vorstellen, bevor ich mit Blickauf die dritte synchrone Achse zeige, wie diepositive, die negative und die ambivalenteArgumentationslinie sich in den Arbeitenvon Luhmann, Foucault und Beck aufeinan-der zu bewegen (V.). Ich schließe mit einemAusblick auf die Zukunft der Individuali-sierung unter Globalisierungsbedingungen(VI.).

II. Negative Individualisierung: Dasgefdhrdete Individuum bei Weber,Horkheimer/Adomo und Foucault

Obw ohl sich Max W eber an keiner Stelle sei-nes Werkes explizit mit dem Thema Indivi-dualisierung auseinander gesetzt hat, lassensich seinen Arbeiten dennoch grundsätzlicheAussagen zum Thema Individualisierungentnehmen. Für den Übergang in die Moder-ne ist für Weber konstitutiv, dass das Indivi-duum aus rituellen und gewohnheitsgepräg-ten Lebenswelten herausgelöst und zuneh-mend gezwungen wird, Sinn- und Existenz-

fragen selbst zu beantworten. Der Rationali-22

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sierung religiöser We ltbilder komm t insoferneine entscheidende Schrittmacherfunktionfür die Individualisierung des Einzelnen zu.Während in den frühen, religiös geprägten

Stadien alle Bereiche des Lebens gleichsamkonzentrisch um G ott geordnet waren, brichtmit dem Anbruch der Moderne diese sinn-stiftende Mitte zunächst ersatzlos weg. Nun-mehr muss jeder Einzelne far sich selbst sei-nem Leben einen Sinn geben, da er ihm vonkeiner übergeordneten Instanz mehr vorge-geben wird. Weber bewertet diesen Vorgangdurchaus am bivalent. Auf der einen Seite be-klagt er den drohenden Sinn- und Orien-tierungsverlust, der sich für die Individuenaus der abnehmenden Bedeutung der

Religion ergibt. Auf der anderen S eite befür-wortet er den M achtverlust der Religion auchals Befreiung aus einem den Einzelnen in allePoren seines Daseins reglementierendenZwang. Da diese Befreiung jedoch nur vonkurzer Dauer ist — kaum hat die Religion die-sen Platz im Leben des Einzelnen geräumt,droht die kapitalistische Wirtschaftsordnungan ihre Stelle zu treten — w ird der Sinnverlustkeineswegs mit einem Freiheitszuwachskompensiert. Vielmehr zeigt sich neben demSinnverlust ein Freiheitsverlust, der die aus-

weglose Lage, in die das moderne Individu-um nach Weber mehr und mehr zu geratenscheint, verstärkt. Die von der kapitalisti-schen Wirtschaftsordnung beförderten Pro-zesse der Rationalisierung und Bürokratisie-rung aller Lebensbereiche drohen den geradeerreichten Zuwachs an individueller Freiheitwieder zunichte zu machen. Der Kapitalis-mus schafft sich kleine willenlose Rädchenim G etriebe, die zu keiner aktiven und selbst-bestimmten Lebensgestaltung in der Lagesind, sondern sich den vorherrschendenBedingungen passiv und still ergeben. Dermit Hilfe der Religion, insbesondere natür-lich des Protestantismus, zur Macht gelangteKapitalismus verdrängt schließlich nach undnach gänzlich die Einflusssphäre der Reli-gion und nimmt damit dem Einzelnen eineInstanz, die ihm d abei behilflich sein kö nnte,die in seinen Alltag eindringenden „kaltenSkeletthände rationaler Ordnungen" (Weber1988a: 56 1) auf Distanz zu halten. Ohne sei-ne religiöse Grundlage droht der einstmals

gezähmte, jetzt derart entfesselte Kapitalis-

mus zu einem „stahlharten Gehäuse" (ebd.:203) zu mutieren, das eine „unentrinnbareMacht über den Menschen, wie jemals zuvorin der Geschichte" zu erringen vermag.

Webers Untersuchungen werden von derFrage m otiviert, was w ir „dieser Maschinerieentgegenzusetzen (haben), um einen Rest desMenschentums freizuhalten von dieser Par-zellierung der Seele, von dieser Alleinherr-schaft bürokratischer Lebensideale?" (WeberI 988b: 414). Doch so dringlich es Weber er-scheint, der zur Alleinherrschaft gelangtenBürokratie etwas entgegenzuhalten, so skep-tisch zeigt er sich im Hinblick auf die Fähig-keiten des gewöhnlichen Einzelnen, dieserAufgabe gerecht werden zu können. Abgese-

hen von seiner elitären Haltung dem norma-len Individuum g egenüber, die in seine Ober-legungen zweifellos Eingang gefunden hat,stellt Weber sich die Frage, aus welchenRessourcen sich das Individuum bedienensoll, um der in alle Poren seines Alltags ein-dringenden bürokratischen Ordnung Parolibieten zu können. Die R eligion hat zu sehr anEinfluss verloren, um für d iese Aufgabe nochzu taugen. Es ist diese Frage, die WebersInteresse an den verschiedensten Lebensfah-rungsmodellen motiviert, mit denen er sich

im Einzelnen auseinandersetzt. Entscheidendscheint mir für Webers Einschätzung derIndividualisierungsmöglichkeiten zu seinerZeit zu sein, dass er zwar immer wieder fragt,was wir der Rationalisierung und Bürokrati-sierung, die unser Leben zu beherrschendroht und unsere Bewegungsfreiheit immerstarker einschränkt, entgegenzusetzen hab en,sich andererseits aber von der Unabwend-barkeit des sich entfaltenden „stahlhartenGehäuses" überzeugt zeigt. Die Verwand-lung der verzauberten in eine entzauberteWelt, das Heraufziehen der modernen Ge-sellschaft, die eine Pluralität unterschiedli-cher Wertsphären etabliert, zwischen denensich die Individuen souverän bewegen kön-nen sollen, statt sich einer mit Haut undHaaren zu verschreiben, ist nach W eber nichtaufzuhalten, sondern gilt es auszuhalten.

Bis in die Wortwahl hinein nimmt Webermit dieser rabenschw arzen Diagnose, der dasMotto aus Dantes Divina Com edia „Laßt alleHoffnungen fahren" eingeschrieben zu sein

scheint (Peukert 1989: 28), zentrale Motive 323

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M. Schroer: D as gefährdete, das gefährliche und das Risiko-Individuum

der Kritischen Theorie der FrankfurterSchule vorweg. Auch bei Horkheimer undAdorno werden dem Individuum, das diesenNamen verdient, wenig Überlebenschancen

eingeräumt. Ja, mehr noch: Was sich bei We-ber — als allerdings unaufhaltbares Schicksal— erst noch anzukündigen schien, ist nunlängst eingetreten. Auch bei ihnen ist es derMonopolkapitalismus, der die Liquidationdes Individuums besorgt hat. Horkheimersund Adornos These vom Ende und Nieder-gang des Individuums knüpft offensichtlichdirekt an die von Weber beschriebenen undantizipierten Gefahren einer drohenden Eli-minierung des Individuums in der modernenGesellschaft an. Auch sie gehen davon aus,

dass die Ressourcen für die Ausbildung einerinnengeleiteten Persönlichkeit durch die so-zialen Kontrollen, die Bürokratisierung undzunehmende Macht der monopolistischenOrganisationen aufgezehrt werden. Statt ei-nes innerlich gefestigten Ichs bildet der mo-derne Spätkapitalismus nur mehr sich kon-form verhaltende Sozialcharaktere aus, diesich reflexhaft den jeweils gelten Anforde-rungen anpassen. Und das geschieht gleich-sam ohne Gegenwehr, da die Individuennicht mit Terror, Gewalt und Zwan g dazu ge-bracht werden, so zu funktionieren, wie „dasSystem" es von ihnen erwartet, sondern aufeine beinahe unmerkliche, subtile und gera-dezu angenehme Weise. Es ist die Kulturin-dustrie, die mit vergleichsweise weichen M e-thoden herstellt, was sonst nur durch rigideZwangsmaßnahmen zu erreichen gewesenscheint: eine manipulierbare Masse, die nichtnur zu keinerlei Widerspruch und Wider-stand mehr in der Lage ist, sondern auch garnicht die Motivation hat, weil sie mit dem,

was ist, einverstanden ist. Industriell herge-stellt und massenhaft verbreitet, lullt sie dieIndividuen ein, indem sie diese mit Erzeug-nissen versorgt, die nicht über bestehende ge-sellschaftliche Widersprüche wie etwa denKlassenantagonismus oder generell über so-ziale Probleme informieren und aufklären,sondern über sie hinwegtäuschen und von ih-nen ablenken. Sie verdamm en die Individuenzur absoluten Passivität, konditionieren siezu willenlosen Rezipienten, leiten zur Einfü-gung und Anpassung in das Bestehende ein,

zerstören Kreativität und Phantasie und un-

terhöhlen damit jegliche Form von Autono-mie und Individualität, die damit zur „Pseu-doindividualität" (Horkheimer/Adorno 1971:139) verkommt. Bezieht sich Weber mit sei-

ner Annahme der gestiegenen Wahlmög-lichkeit und des erhöhten Wahlzwanges desEinzelnen noch auf einen fundamentalenTopos der Individualisierungstheorie, soleugnen Horkheimer und Adorno eine solcheWahlmöglichkeit generell. Die Situationen,in denen das Individuum tatsächlich zwi-schen Handlungen selber wählen kann, sindderart vorherbestimmt, die Differenz zwi-schen zwei Alternativen so gering, dass voneiner Wah l eigentlich gar n icht die Rede seinkann (vgl. Adorno 1979: 52). Kurz: Die

„Freiheit in der Wahl" ist eine „Freiheit zumImmergleichen" (Horkheimer/Adorno 1971:150).

Michel Foucaults Bilder für den Zustandder modernen Gesellschaft sind nicht weni-ger düster als Webers stahlhartes Gehäuse

und Adornos total verwaltete Welt: Diezunächst in einzelnen Institutionen erprobtenDisziplinierungs-, Kontroll- und Normalisie-rungssysteme haben sich derart über dieGesellschaft ausgebreitet, dass das Ge fängnisals Verwahrungsort und Besserungsanstalt

potenziell überflüssig wird (Foucault 1977:395). „Überwachen und Strafen" hat dieVeränderung der Strafpraxis vom 18. Jahr-hundert bis in die Gegenwart zum Gegen-stand. Diese reicht von der körperlichenZüchtigung bis zur Isolierung der Gefange-nen in Zellen: Foucault zeigt, wie die Strafein Form von physischen Zugriffen auf denKörper durch M arter, Folter und Hinrichtungnach und nach durch subtilere Formen wieEinsperrung, Disziplinierung und permanen-te

Überwachung ersetzt worden ist. DieKörper der Individuen werden auf dem Wegin die Moderne immer weniger gemartert,gefoltert und hingerichtet, dafür aber immerhäufiger eingesperrt, abgerichtet und zuge-richtet. Ein ganzes Netz von ausgeklügeltenDisziplinierungsprozeduren, Kontrollmecha-nismen, Normalisierungs- und Überwa-chungssystem en hilft dabei mit, ein ganz undgar zuverlässiges, berechenbares und effekti-ves Individuum hervorzubringen. Einzig undallein, um sie effektiver observieren und kon-

trollieren zu können, werden die Individuen24

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aus einer unübersichtlichen Masse heraus-gelöst, die sie bisher vor dem sezierendenZugriff der M acht auch schützte. Individuali-sierung heißt Mr Foucault entschieden Ver-

einzelung und Isolierung, meint die Pro-duktion sich selbst kontrollierender Einzel-ner.

Doch so finster die Diagnose über das Le-ben der Individuen in der modernen Weltauch aussieht, wenn es um die Frage geht,wie diese Verhältnisse zu verändern sind,dann setzen Horkheimer und Adorno ähnlichwie Weber doch wieder auf das Individuum.Auf der einen Seite hat die „funktionaleGesellschaft" (Adorno 1979: 18) derart überdie Individuen triumphiert, dass sie zu k einer

Gegenwehr mehr in der Lage sind. Auf deranderen Seite aber b richt sich hier und da einFunken Hoffnung Bahn durch ihre nichtmehr nur trüben, sondern tiefschwarzenBilder über ein Leben unter den Bedingun-gen einer totalitären Massengesellschaft(ebd.: 368). Alles zusammen genommenbleiben jedoch solche Hinweise eher margi-nal angesichts des überwältigenden Ausma-ße s an Beschreibungen, die den totalen Ver-blendungszusammenhang, die völlige Aus-weglosigkeit und den „mittlerweile eviden-

te(n) Verfall von Individualität" (Adorno1988: 344) konstatieren. Und damit sind sieebenso wie Weber von der Schicksalhaftig-keit des aufziehenden Zeitalters überzeugt,sie sehen das Leben eines autonom en Indivi-duums durch soziale Kontrollen, zunehmen-de Bürokratisierung und die Herrschaft derOrganisationen stark gefährdet. Statt einesinnerlich gefestigten, starken Ichs bringt diespätkapitalistische Gesellschaft nur noch sichabsolut konform verhaltende, außengeleitete

Individuen hervor, die sich reflexhaft den je-weils vorherrschenden Umständen bedin-gungslos anpassen. Sich anzupassen, sich derLogik der kapitalistischen Tauschgesell-schaft ohne Widerstand zu ergeben, das isteine von Horkheimer und Adorno wie auchvon W eber kritisierte Haltung.

Foucault hat sich später darum bemüht,dem „Negativismus" (Foucault 1976: 129),zu dem er sich in einem Gespräch aus demJahre 1975 noch bekennt, zu entkommen, daihm eine Haltung, „die sich darauf be-

schränkt, anzuklagen und zu kritisieren"

(Cooper/Foucault 1979 : 89) nicht mehr stich-haltig zu sein scheint. In seinen letztenArbeiten gibt es eine deutliche Hinwendungzu den Möglichkeiten des Einzelnen, sein

Leben zu gestalten, während ihn vorher sehrviel mehr die Zurichtungsprozeduren interes-sierten, denen das Individuum ausgesetztwurde. Mit diesem Perspektivenwechsel(vgl. Kneer 1996: 163ff.) rückt Foucault in-haltlich nahe an das heran, was Beck undLuhm ann unter Individualisierung verstehen,wie ich weiter unten noch zeigen werde.

Halten wir bis hierher fest: In allen dreiVersionen begegnet uns das Muster eineräußerst pessimistischen Zeitdiagnose undPrognose und der verzweifelte Versuch, aus

dieser Diagnose dennoch Fluchtmöglich-keiten zu eröffnen. Lebensführung, negativverhängte Utopie und Lebenskunst bezeich-nen jeweils deren theoretischen Ort (vgl.Schroer 1996a, 1996b).

III. Positive Individualisierung:Das gefdhrliche Individuum beiDurkheim, Parsons und Luhmann

Emile DurIcheim hat sich — anders als seinZeitgenosse Weber — wiederholt explizit mitdem Thema Individualisierung befasst.Schon in seiner 1893 erschienen Disserta-tionsschrift De la division de travail social

spielt es eine entscheidende Rolle. Durkheimbeschreibt darin bekanntlich den Übergangvon traditionalen bzw. einfachen Gesell-schaften, die durch eine mechanische Solida-rität integriert sind, zu modernen bzw. höhe-ren Gesellschaften, deren Integration auf derorganischen Solidarität

beruht. Einschnei-dende Konsequenzen hat dieser idealtypischkonzipierte Übergang für die Individuen. Ineinfachen Gesellschaften geht nach Durk-heim der Einzelne noch ganz in der Gruppeauf, das individuelle Bewusstsein wird nahe-zu vollständig vom Kollektivbewusstsein ab-sorbiert. Jedes Individuum ist direkt an dieGesellschaft gekoppelt und dadurch einer ho-hen sozialen Kontrolle ausgesetzt. DieIndividualität der einzelnen Gruppenmitglie-der in diesem Gesellschaftstypus ist „gleich

Null" (Durkheim 1988: 182). 325

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M. Schroer: Das gefährdete, das gefährliche und das R isiko-Individuum

Dies ändert sich entscheidend beim Ober-gang zu höheren Gesellschaftsformen. ImZuge dieser Entwicklung w ir das Individuumzunehm end aus der Enge der gemeinschaftli-

chen Bindungen befreit und erhält größereHandlungsspielräume. Nun ist Durkheimweit davon entfernt, dieses Recht der Indivi-duen auf freie Entfaltung als evolutionäreErrungenschaft zu feiern. Allzu sehr ist ihmbewusst, dass eine zunehmende Individuali-sierung immer auch eine Gefahr far die so-ziale Ordnung darstellen kann. Diese Ein-sicht aber verleitet ihn keineswegs dazu,dafür zu plädieren, die Rechte des Individu-ums w ieder einzuschränken, um die alte Ord-nung wiederherzustellen. Vielmehr will er

den fir ihn irreversiblen Prozess der Indivi-dualisierung (ebd.: 227) fir die Etablierungeiner neuen Moral nutzen. Seine Verteidi-gung des Individualismus in der berühmtenDreyfus-Affäre speist sich nicht aus einemromantischen Ideal einer allseits ausgebilde-ten Persönlichkeit. Ebenso wenig resultiert esaus einem politischen Votum für die indivi-duellen Rechte des Individuums. Schon garnicht ist es das Ergebnis einer Wertentschei-dung, die dem Individuum gegenüber derGesellschaft die größeren Rechte einräumt.

Durkheims E intreten far den Individualismusverdankt sich vielmehr allein der These, dassfir eine arbeitsteilige Gesellschaft ein gewis-ses Maß an Individualisierung funktionalnotwendig ist. Arbeitsteilung und Individua-lisierung gehören für Durkheim unauflöslichzusamm en, das eine ist ohne das andere nichtzu haben (ebd.: 475). Die heraufziehendeneue Ordnung arbeitsteiliger Gesellschaftengeht für ihn weder zu Lasten des Individu-ums noch ist die zunehmende individuelle

Freiheit flit. die Bindungskraft der modernenGesellschaft per se eine Gefahr. Durkheimsals Steigerungshypothese bekannte Idee istvielmehr, dass das Individuum gleichzeitigautonomer und abhängiger von der Gesell-schaft wird (ebd.: 82), dass wachsende Auto-nomie der Individuen und ein moralischerZusammenhalt zwischen den Gesellschafts-mitgliedern sich nicht nur nicht ausschließen,sondern geradezu gegenseitig bedingen. DieFrage lautet far ihn nicht, ob diese Entwick-lung wünschbar ist oder nicht. Die eigentlich

entscheidende Frage ist vielmehr, wie sich

der nicht aufzuhaltende Individualismus imrichtigen, gesunden Maß entwickeln lässt.Denn alle anomischen Erscheinungen, denensich Durkheim gewidmet hat, wie etwa den

hohen Selbstmordraten, ergeben sich aus ei-nem Merkmal, das nicht an sich schon ver-werflich oder gefdhrdend ist, sondern nur inseiner übersteigerten Form: So geh t der egoi-stische Selbstmord aus einer „übermäßigen"(Durkheim 1990: 232) bzw. „übertriebenenIndividuation" (ebd.: 419) hervor; der „ex-zessive Individualismus" (ebd.: 233) ist eineunmittelbare Ursache des Selbstmords,während dagegen der „gemäßigte Individua-lismus" (ebd.: 253) in den Grundzügen desChristentums ein „Hindernis auf dem Weg

zum Selbstmord" (ebd.) darstellt. Durkheimsgesamte theoretische Anstrengung ist letzt-lich darauf ausgerichtet, nachzuweisen, dassalles so lange nicht schädlich ist, wie es inMaßen stattfindet (ebd.: 242). Der Herstel-lung eines solch maßvollen moralischen In-dividualismus geht Durkheim in seinen Vor-lesungen über Erziehung und Moral nach(vgl. Müller 1986). Das Individuum bedarfbei Durkheim der Kontrolle und Zwänge derG esellschaft, um nicht das Opfer seiner maß-losen inneren Triebe und Bedürfnisse zuwerden. Gelingt der Erziehungsprozess, istdas Individuum für die Disziplinierungenund Kontrollen regelrecht dankbar, denn nurdurch sie kann es ihm gelingen, die es erfül-lende Aufgabe zu finden, statt orientierungs-los mal diesem und mal jenem Impuls nach-zugehen.

In Talcott Parsons Ausführungen zu r Indi-vidualisierung ist der Einfluss Durkheimsüberdeutlich. In völliger Übereinstimmungmit Durkheim geht Parsons davon aus, dass

die Entwicklung der modernen Gesellschaft„eher eine Zunahme als eine Abnahme vonAutonomie" (Parsons 1968: 224) für das In-dividuum mit sich bringt. Blieb dem Einzel-nen in p rimitiven G esellschaften letztlich nur„eine Möglichkeit" (Parsons 1975: 70), seinLeben zu leben, so steht dem modernen Indi-viduum „ein häufig verwirrender Bereichvon Wahlmöglichkeiten" (Parsons 1980: 68)zur Verfügung. Wurde einstmals jedemIndividuum sein Platz in der G esellschaft zu-gewiesen, sind die Individuen in modernen

Gesellschaften zur „Selbstlokalisierung"26

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(ebd.: 71) aufgerufen. Allerdings machtParsons hinsichtlich dieser Entwicklung eindeutliches Missverhältnis zwischen den anden Einzelnen gestellten Anforderungen und

dessen Kompetenzen bei der Bewältigungdieser Anforderungen aus. Warden Fähigkei-ten und Erwartungen in gleichem Maßewachsen, ware das Leben weder schwerernoch einfacher als in früheren Gesellscha fts-formen. Doch Parsons geht davon aus (ähn-lich wie W eber, Simmel, Durkheim vor ihm),dass sich die beiden Bereiche keineswegskomplementär entfalten. Vielmehr gibt esdeutliche Anzeichen für eine Erhöhung derAnforderungen an die Individuen, mit denenihre Fähigkeiten nicht Schritt halten und so in

Überforderungen auszuarten drohen. Es sinddiese Überforderungen, die zu krisenhaftenPhänomenen führen können, die den einmalerreichten Stand an sozialer Ordnung tat-sächlich gefährden könnten. Gleichwohl aberist er überzeugt, dass dies vorübergehendeStörungen sind, die letztlich zu einem neuenstabilen G leichgewicht ü berleiten werden.

Halten wir fest: Für Parsons wie für Durk-heim ist die zunehmende Individualisierungan sich noch kein Krisenphänomen. Eskommt entscheidend darauf an, wie die Indi-viduen den neu entstehenden Autonomie-spielraum nutzen. Um erwünschte von kri-senhaften Phänomenen trennen zu können,führen beide die Unterscheidung einer er-wünschten, funktionalen Individualisierungauf der einen und eines gefürchteten, weilschädlichen Individualismus auf der anderenSeite ein. Durkheim unterscheidet nament-lich einen egoistischen bzw. utilitaristischenvon einem m oralischen Individualismus (vgl.Durkheim 1986). Parsons unterscheidet

ebenfalls zwischen einem utilitaristischenIndividualismus einerseits und einem „insti-tutionalisierten Individualismus" (Parsons1968: 248) andererseits. Während der einetatsächlich bedrohliche, anomische, den Zu-sammenhalt der Gesellschaft gefährdendeFolgen haben kann, ist der andere geradeGrundlage der G emeinschaft und B edingungsozialer Ordnung. Allerdings setzt die Errei-chung eines solchen Individualismus in bei-den Theorien Lernprozesse, Internalisie-rungsleistungen, Sozialisierung und Erzie-

hung des Individuums voraus, das von einem

ursprünglich asozialen Wesen zu einemfunktionierenden Gesellschaftsmitglied ge-formt werden muss.

Auch für Niklas Luhmann ist Individuali-

sierung zunächst eine B egleiterscheinung desDifferenzierungsprozesses. Per Übergangvon segmentärer über stratifikatorische biszur funktional differenzierten Gesellschafthat radikale Auswirkungen auf die jeweiligeLagerung d es Individuums. In segment&ferenzierten Gesellschaften erhält jedes Indi-viduum seinen festen Platz, der auch durchindividuelle Leistungen nicht entscheidendverändert werden kann. Das Individuumdurchläuft keine „Karriere" im heutigenSinne, sondern beendet sein Leben gew isser-

maßen an der gleichen Stelle, von der aus esauch gestartet war (Luhmann 1997: 636).Seine Entwicklung ist weitestgehend festge-legt. Nicht nur wer man ist, sondern auch,wer man werden kann, entzieht sich demWillen, den Wünschen und dem Bestrebendes Einzelnen. Für Individualisierung also,so scheint es, ist hier noch kein Platz. Daswird in den nachfolgenden D ifferenzierungs-formen kaum anders. Ein entscheidenderUmbruch ergibt sich erst durch den Ober-gang zu funktional differenzierten Gesell-

schaften (vgl. Luhmann 1993a: 30f., 72;1997: 744, 688, 680). Jetzt kann das Indivi-duum gerade nicht mehr — wie vormals üb-lich — nur einem T eilsystem angehören, son-dern muss sich in die unterschiedlichstenTeilsysteme ,einbringen` (vgl. Luhmann1993b: 158). Kein einzelnes System vermages mehr, gleichsam den ,ganzen Menschen'in sich zu beherbergen. In keinem derFunktionssysteme allein ist er noch zu Hau-se, weshalb er von nun an als „sozial ortlos"

(Luhmann 1982: 16) vorausgesetzt werdenmuss: „Man kann nicht Menschen den Funk-tionssystemen derart zuordnen, daß jeder vonihnen nur einem System angehört, also nuram Recht, aber nicht an der Wirtschaft, nuran der Politik, aber nicht am Erziehungs-system teilnimmt." (Luhmann 1997: 744)Daraus zieht Luhmann die sowohl theorie-technisch als auch zeitdiagnostisch entschei-dende Konsequenz, dass der Mensch nichtmehr als Bestandteil der Gesellschaft aufge-fasst werden kann, sondern in der Umwelt

des Ge sellschaftssystems angesiedelt werden 327

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muss (vgl. Luhmann 1997: 744). Dass dasIndividuum nicht mehr als gesellschaftlichesWesen, als Teil der Gesellschaft verstandenwerden kann, sondern sich durch die Ausla-

gerung in die Umwelt des Gesellschaftssys-tems auszeichnet, bedeutet zugleich, dass esnicht mehr durch soziale Inklusion, sonderndurch soziale Exklusion charakterisiert ist.Funktionale Differenzierung betreibt dieExklusion der Individuen aus der Gesell-schaft, um sie jedoch unter je spezifischenGesichtspunkten wieder in die sozialenSysteme zu inkludieren. Damit „sprengt"(Fuchs 1992: 213) sie gleichsam die Einheitder Person, weil diese nunmehr nur noch„mit jeweils funktionsrelevanten Ausschnit-

ten ihrer Lebensführung" (Luhmann 1981:26) in die Funktionssysteme einbezogen wer-den: Die Gesellschaft stellt von Inklusions-

individualität auf Exklusionsindividualität

um (vgl. Nassehi 1997, 2000).Erst in dem Moment, da Individuen nicht

mehr als Bestandteile der Gesellschaft in ei-nem Teilsystem fest verortet sind, sondern„von vornherein als extrasozietal gedachtwerden" (Luhmann 1993b: 160) müssen,kann die Gesellschaft in unterschiedlicherWeise auf die Individuen zugreifen, sie alsoetwa in ihrer Rolle als Wähler, Väter, Touris-ten, Organspender, Konsumenten usw.wahrnehmen. Für Individuen in modernenGesellschaften wird damit normal, was invormodernen noch als Abweichung, ja alsMonströsität gegolten hätte: das Leben einer„Mischindividualität" (ebd.: 16) bzw. einer„Mischexistenz" (Luhmann 1993a: 30) zuführen. Niemand mehr kann eine ausschließ-lich juristische, familiale oder religiöse Exis-tenz führen, sondern muss jederzeit Zugang

zu den verschiedenen Teilsystemen haben,ohne auch nur einem dieser Systeme jemalsanzugehören: „Eine ausgeprägt funktionaleDifferenzierung des Gesellschaftssystemsmuß es dem einzelnen überlassen, in wel-chem M oment und m it welchen Interessen eran den Funktionssystemen der Gesellschaftpartizipiert: wen er heiratet und ob und wie-viele Kinder er haben will; welchen Beruf erergreift und mit welchen Prioritäten erKonsumwünsche befriedigt; ob und in wel-cher Form er seinem Leben einen religiösen

Sinn gibt; für welche Wahrheiten er sich in-

teressiert; ob und wie er politisch wählt odersich parteipolitisch oder auf andere Weise inder Politik engagiert; welche Rechtspositio-nen er freiwillig aufbaut und ob er seine

Rechte im Falle der Verletzung verfolgt oderdie Sache auf sich beruhen läßt; ja in einemnicht unerheblichen Maße sogar: ob er sichfar krank und für behandlungsbedürftig hältoder nicht" (Luhmann 1995: 99f.). Das istexakt das von Ulrich Beck als Individualisie-rung beschriebene Programm. Doch dass alldies der „Entscheidung des einzelnen über-lassen wird" (ebd.), ist für Luhmann keinZeichen far eine Zunahme an Individualisie-rung, sondern vielmehr ein Zeichen für „dieNichtregulierbarkeit dieser Fragen", die in

„Form von Freiheitskonzessionen ausge-drückt werden" (ebd.: 100). Dies dürfte zu-gleich die entscheidende Differenz zu BecksIndividual isierungsthese ausmache n, die ausder von Luhmann beschriebenen Abnahmeverbindlicher gesellschaftlicher Regelungeneine Zunahme an individuellen Freiräumenund Chancen für eine selbstbestimmte Le-bensführun g des Individuums ableitet.

So bedingt Foucau lt in die Linie der nega-tiven Individualisierung mit ihrer Themati-sierung des gefährdeten Individuums gehört,so bedingt gehört auch Luhm ann in die Linieder positiven Individualisierung, die Indivi-dualisierung auf der einen Seite für funktio-nal hält, auf der anderen Seite aber die Indi-viduen für tendenziell gefährlich, da sie —wenn n icht frühzeitig und beständig dome sti-ziert — eine Quelle der Unberechenbarkeitdarstellen.

IV. Am bivalente Individualisierung:

Das Risiko-Individuum bei S immel,Elias und Beck

Simmel, Elias und Beck stehen gewisserma-ßen zw ischen den gerade vorgestellten Strän-gen, wenn sie übereinstimmend die Ambiva-lenz der Individualisierung betonen. Sie be-streiten den oft unterstellten Kausalzusam-menhang zwischen Individualisierung undAnomie, individuellen Freiheiten und Desin-tegration, „Ich"-Betonung und moralisch-

sittlichem Verfall ebenso entschieden, wie28

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ihnen Individualisierung nicht schlicht alsnotwendige Begleiterscheinung des Diffe-renzierungsprozesses gilt. Ebenso fremd je-doch stehen sie der umgek ehrten Auffassung

gegenüber, die das Individuum in der Moder-ne zu einem willenlosen Rädchen im Getrie-be erniedrigt sieht, das keinerlei eigene Ent-scheidung mehr zu treffen vermag, sondernferngesteuert von den Vo rgaben des kap itali-stischen Wirtschaftsbetriebs und der Kultur-industrie vor sich hin vegetiert. Selbst dort,wo die Gefährdungen individueller Freiheitvon Simmel, Elias und Beck thematisiertwerden, lassen sie sich nicht zu kulturkriti-schen Untergangsszenarien im Stile Webersoder Adornos hinreißen. An keiner Stelle se-

hen sie die Einflussmöglichkeiten und Ent-scheidungsfähigkeiten der Individuen auf einderart geringes Maß reduziert, dass bloße„Pseudoindividualisierung" konstatiert wer-den müsste. Simmel, Elias und Beck teilendie Geringschätzung gegenüber den Wahl-möglichkeiten der Individuen, wie in derTradition der kritischen Theorie üblich,nicht.

Insbesondere Elias hat in seiner wissens-soziologischen Perspektive immer wiederbetont, dass sich sowohl die Vorstellung ei-

nes völlig determinierten wie auch die Vor-stellung eines völlig freien Individuumsletztlich nichttheoriefähigen Urteilen ver-dankt, die ohne jegliche analytische Schärfendaherkommen. Auch in der Erzählung vomUntergang des Individuums sieht Elias(1991) einen Mythos am Werk, der dringendder soziologischen Entzauberun g bedarf.

Bei Simmel und Elias ist die Vorstellungeines ganz und gar isolierten Individuumszudem schon aus kategorialen Gründen aus-geschlossen. Individuum und Gesellschaftsind nach Simmel letztlich nur „methodische

Begriffe" (Simmel 1992: 860) und auch nachElias „nur rein sprachlich" (Elias 1991: 199)als zwei eigenständige Entitäten anzusehen.G esellschaft besteht nach ihrer gemeinsamenAuffassung qua definitionem aus Wechsel-

wirkungen und Figurationen von Individuen.Individuen sind prinzipiell in ein Geflechtvon sozialen Beziehungen eingewoben, dassich aus ihren Beiträgen ernährt und reprodu-ziert. Imm er schon findet sich jeder Einzelne

in zunächst nicht zur Wahl stehenden Bin-

dungen vor, die ihn vor einem Leben als So-litär oder als einsam seine Kreise ziehendeMonade bewahren. Allerdings ist in beidenBeschreibungen der modernen Gesellschaft

die Zerstörung tradierter Formen des Zusam -menlebens thematisch, die in einem bisherunbekannten Ausmaß Chancen zu selbstge-wählten Sozialbezügen eröffnen, ohne dassdamit bereits ausgemacht wäre, dass dieseChancen von den Einzelnen auch zum Neu-aufbau sozialer Beziehungen genutzt werden.Gerade hinsichtlich dieser Frage sind Eliasund Beck o ptimistischer als Simm el. Simm elscheint zunächst deutlich Skepsis gegenüberden Fähigkeiten der Individuen an den Tagzu legen, diese Bindungen herzustellen. Er

äußerst die Befürchtung, dass die Individuen„bei der Tatsache der Entwurzelung stehen"bleiben und „oft genug zu keinem neuenWurzelschlagen" (Simmel 1989b: 554) über-leiten. Freilich hat Simmel dabei nichtBindungslosigkeit überhaupt im Blick, son-dern es ist jene „innerliche Bindung, Ver-schmelzung, Hingabe" (ebd.) an bzw. mit ei-ner Sache oder Person, die in der temporei-chen Moderne nicht mehr anzutreffen ist.Das Geld, unter dessen Diktat die Befrei-ungsvorgänge sich vollziehen, sorgt mit sei-

ner Unbestimmtheit für flüchtigere Bezie-hungen im zwischenmenschlichen Bereichund führt zu oberflächlicheren und vergäng-licheren gegenüber dem Besitz von Dingen.Insofern hat auch Simmel — ebenso wie Beckund Elias — nicht etwa das endgültige Ab-sterben von Bindungen im B lick, sondern de-ren charakteristische Veränderungen. In ei-ner verblüffenden Parallele zu Beck fasstauch Simmel Individualisierung als einenProzess, der sich aus den drei Dimensionen

Freisetzung bzw. Herauslösung, Stabilitäts-verlust bzw. Entzauberung und Wiederein-bindung bzw. Reintegration zusammensetzt(vgl. Beck 1986: 206). So heißt es bei Sim-mel: „Wenn die vorgeschrittene Kultur densocialen Kreis, dem wir mit unserer ganzenPersönlichkeit angehören, me hr und mehr er-weitert, dafür aber das Individuum in höhe-rem Maße auf sich selbst stellt [Herauslö-

sungs- bzw. Freisetzungsdimension, M.S .1

und es mancher Stützen und Vorteile desenggeschlossenen Kreises beraubt [Stabili-

tätsverlust bzw. Entzauberungsdimens ion, 329

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M.S.], so liegt in jener Herstellung von K rei-sen und Genossenschaften, in denen sich be-liebig viele, far den gleichen Zweck interes-sierte Menschen zusammenfinden können

[Reintegrationsdimension, M.S.], eine Aus-gleichung jener Vereinsamung der Persön-lichkeit, die aus dem Bruch mit der engenUmschränktheit früherer Zustände hervor-geht" (Simmel 1989 a: 245, vgl. auch Simm el1992: 485). Bei Simmel, Beck und Elias(1991: 166ff) ist der Individualisierungspro-zess übereinstimmend als permanente Ablö-sung von Befreiung und Wiedereinbindunggedacht, was vom Individuum auf unter-schiedliche W eise erlebt werden kann, aufje-den Fall aber bedeutet, dass es bei der Be frei-ung von Zwängen nicht bleibt, weil sichschnell wieder neue Zwänge herausbilden,die an die Stelle der alten treten.

Dennoch steht für alle drei außer Zweifel,dass die Individuen mit dem Übergang in dieModerne vor mehr Wahlen gestellt werden,als ihnen dies in „einfachen" Gesellschaftenabverlangt wurde. Sowohl Simmel als auchElias und Beck sehen damit eine „stark indivi-dualisierte Gesellschaft" (Simmel 1989b:520), eine „hochindividualisierte (...) G esell-schaft" (Elias 1970: 131) bzw. eine „individu-alisierte Gesellschaft" (Becic/Beck-Gernsheim1994: 16) entstehen (vgl. Schroer 1997).Schon bei Simmel sind die einfachen Indivi-duen der „Qual der Wahl" (Simmel 1983:132) zwischen der „Vielheit der Stile" (Sim-mel 1989b: 641) ausgesetzt, müssen die Ein-zelnen selbst entscheiden, weil sie aus denOrientierung versprechenden Instanzen her-ausgelöst worden sind. Ebenso tritt bei Beckan die Stelle von Beziehungsvorgaben Be-ziehungswahl, an die Stelle von alternativloser

Einbindung in nicht selbstgewählte Her-kunftsbindungen die freiwillige Bindung anselbstgewählte Beziehungen. Auch fir Eliaswerden mehr und meh r Wir-Gruppen, wie et-wa die F amilie, für den Einzelnen verzichtbar(vgl. Elias 1991: 271). Viele Familienbezie-hungen haben für Elias heute eher denCharakter „einer freiwilligen Verbindung aufWiderruf", während sie „früher fir die mei-sten Menschen obligatorisch, lebenslänglichund fremdzwangartig waren" (ebd.: 272).Sogar Berufe werden häufiger gewechselt und

selbst „die Staatsangehörigkeit ist mittlerweile

in Grenzen auswechselbar" (ebd.). Kurz undgut: „Der einzelne Mensch ist bei Entschei-dungen über die Gestaltung von Beziehungen,über ihre Fortführung oder Beendigung, nun

weit mehr au f sich selbst angew iesen" (ebd.).Damit formuliert Elias gleichsam ein Grund-kodex aller Individualisierungstheorien. Inseiner Beschreibung der modernen Welt hatsich ein von Fremdzwang und Alternativ-losigkeit geprägtes Leben in ein Optionen-karussell verwandelt, das freilich an denEinzelnen nicht geringere, sondern höhere Er-wartungen — etwa eine ausgeprägtes Ver-mögen zur Selbstregulierung — stellt, mussdoch nun jeder selbst entscheiden, was für ihneinst entschieden wurde. In dieser Entwick-

lung sehen Sirnmel, Elias und Beck du rchausG efahren, die den einmal erreichten Stand anIndividualisierung wieder rückgän gig zu ma-chen drohen. Simmel sieht die Einzelnen an-gesichts der Qual der Wahl die Flucht inMod en antreten, die ihnen die Überforderungder permanenten individuellen Entscheidungabnehm en, indem sie sich einem allgemeinenMuster beugen — eine Art freiwillige Knecht-schaft, wenn man so will. Beck befürchtetähnlich, dass an die Stelle traditionaler Sozial-formen neue Instanzen und Institutionen tre-ten, die den Einzelnen „zum Spielball vonModen, Verhältnissen, Konjunkturen undMärkten machen" (Beck 1986: 211). Freilichbetont Beck — in einer fast an die KritischeTheorie Adornos erinnernden Weise —, dasssich der Einzelne keineswegs freiwillig dazuentscheidet, sondern ganz unfreiwillig zurfremdbestimmten Marionette zu werdendroht, ohne dass davon seine Selbstwahrneh-mung als frei entscheidendes Individuum auchnur im geringsten tangiert wird (vgl. ebd.). Für

Elias schließlich nehmen mit den wachsendenEntscheidungsmöglichkeiten auch die verpas-sten Gelegenheiten zu. Je mehr Op tionen sichdem Individuum auf seinem Lebensweg bie-ten, desto größer sind die Chancen , in diesemreich verästelten Labyrinth „steckenzublei-ben" (Elias 1991: 178).

Aber wie diese Wahlen im einzelnen auchaussehen mögen, sie führen weder bei Becknoch bei Elias oder Simmel zu einem sichvöllig selbst überlassenen Individuum. FürElias ist „Individualismus" weder „mit dem

Bilde rücksichtsloser und brutaler Indivi-30

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duen" noch mit dem B ild „großer, schöpferi-scher Persönlichkeiten" (Elias 199 1: 121) zu-treffend oder erschöpfend beschrieben.Ebenso weh rt Beck sich gegen die Versuche,

Individualisierung entweder mit dem Tanzum das goldene Selbst egoistischer Yuppiesgleichzusetzen oder aber als endgültigeEmanzipation des autonomen Individuumsaus allen Fesseln und Banden misszuverste-hen. Für Elias und Simmel ist das völlig un-abhängige Individuum, das sich allein derDurchsetzung seiner Interessen widmet,ebenso eine Illusion wie die Vorstellung ei-nes völlig determinierten und unfreien Indi-viduums. Beides sind fir sie falsche Vorstel-lungen über den wahren G ehalt des Sozialen,

der sich aus den zahlreichen Verknüpfungenund V erbindungen ergibt, in die jedes Indivi-duum verstrickt ist. Becks Individuen sinddagegen zun ächst tatsächlich unaufhebbar al-lein, auch wenn dies keinesw egs völlige Bin-dungslosigkeit bedeuten muss. Diese Auffas-sung verbindet ihn wiederum m it den Versio-nen von Luhmann und Foucault, wie sich imFolgenden zeigen lässt.

V. D as selbstbezogene Individuumbei Foucault, Luhmann und Beck —eine postmoderne Konstellation?

Obwohl Beck, Luhmann und Foucault völligverschiedene Traditionen repräsentieren, istbei Luhmann und Foucault eine Herauslö-sung aus diesen zu beobachten, die bei Luh-mann dadurch entsteht, dass er Individuali-sierung nicht mehr mit normativer Integra-tion zu heilen versucht und bei Foucault da-

durch, dass er Individualisierung nicht mehrnur im Sinne einer Vereinzelung zweck s um-fassenderer Kontrolle zu denken versucht,sondern auch im Sinne einer größeren Mög-lichkeiten des Einzelnen auf sich selbst ein-zuwirken und seine sozialen Beziehungenselbst zu gestalten. Hierdurch ergeben sichverblüffende Annäherungen an das aktuellvon Beck vertretene und von Simmel undElias vorbereitete Modell der ambivalentenIndividualisierung.

Einig sind sich Beck, Luhmann und

Foucault darin, dass Individualisierung kein

von den Individuen selbst in Gang gesetzterProzess ist. Luhmann zufolge wird der Ein-zelne „in die Autonomie entlassen wie dieBauern m it den preußischen Reform en: ob er

will oder nicht" (Luhmann 1995: 132). Ähn-lich formuliert Beck: „Individualisierung be-ruht nicht auf der freien Entscheidung derIndividuen. Um es mit Jean-Paul Sartre zusagen: Die M enschen sind zur Individualisie-rung verdammt" (Beck 1993: 1 52). Beide se-hen damit einen gesellschaftlich an denEinzelnen herangetragenen starken Zwang

zur Individualisierung, der den Einzelnen d a-zu nötigt, sich als Individuum zu verhalten:„Individuum-Sein wird zur Pflicht" (Luh-mann 1993b: 251). „Es muß dann auch in der

Lage sein, bei Nachforschungen, die es selbstbetreffen, helfen zu können. Es muß dieProbleme, die es mit sich selbst und deshalbmit anderen hat, exponieren, sie zumBeispiel in Gruppensitzungen auf Nachfrageoffenlegen können. Es braucht dann eine(notfalls fingierte, oder doch ergänzte) Bio-graphie, um in der G esellschaft leben zu kön-nen. Es muß eine eingeübte Selbstbeschrei-bung mit sich herumtragen, um bei Bedarfüber sich Auskunft geben zu können" (ebd.:252). Dies nimmt Luhmann als Indiz dafür,

dass „der Anspruc h, Individuum zu sein, hiergegen das Individuum gekehrt wird" (ebd.,Fn. 192). Damit zielt er genau in Richtungder Foucault'schen Perspektive auf dasSchicksal des Individuums in der Neuzeit. Inseinen Arbeiten steht das sich durch Bekennt-nisse und Geständnisse (vgl. Foucault 1991;Hahn 1982, 1991) erst konstituierende Indi-viduum im Vordergrund, das mit dem Gradder Selbstentblößung an Individualität zu ge-winnen scheint, sich dadurch aber beobacht-

bar und damit vergleich und typisierbarmacht, wodurch der Anspruch auf Einzigar-tigkeit empfindlich gestört wird. Gerade diestärkere Sichtbarkeit des Einzelnen, auf dieder Individualisierungsprozess abzielt, führtdazu, dass das Individuum immer besser er-kennbar, klassifizierbar und damit beherrsch-bar wird. Eine Herde von Individualisie-rungsagenten zerrt die Individuen gewisser-maßen an das Licht der Offentlichkeit, umsie dort besser unter Kontrolle halten zu kön-nen. Nicht einschließen, wegschließen und

vergessen, sondern hereinholen, vorzeigen 331

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und kontrollieren, ist die neue Variante einerbesseren Überwachung der Einzelnen. Aller-dings sind damit Foucaults Möglichkeiten,Individualisierung zu denken, noch nicht er-

schöpft. In seinen Texten aus den achtzigerJahren scheint er dem Individuum deutlichmehr Freiraum einzuräumen, als dies früherder Fall war. Deshalb fragt auch Foucaultganz im Sinne von Becks Individualisie-rungsthese: „Sollte man nicht eine feinereUnterscheidung einführen, die nicht mehrnach sozialen Klassen, Berufsgruppen oderKulturniveaus verfährt, sondern sich an einerBeziehungsform, d.h. an einer ,Lebensw eise`orientiert? Eine Lebensweise kann von Indi-viduen geteilt werden, die sich in Bezug auf

Alter, Status und soziale Tätigkeit unter-scheiden. Sie kann zu intensiven Beziehun-gen führen, die keiner institutionalisiertenBeziehung gleichen" (Foucault 1984: 89).Ähnlich wie Beck hat auch Foucault jenseitsder überkommenen Beziehungsmuster neuentstehende Beziehungsformen im Blick, dienun vom Individuum selbst aufgebaut und inGang gehalten werden müssen.

Wenngleich dem Einzelnen die Teilhabeam Prozess der Individualisierung durchausnicht zur Disposition steht, so sind sichFoucault, Luhmann und Beck doch darin ei-nig, dass die Individualisierung zur Folgehat, dass die Einzelnen starker an der Defin-ition und Gestaltung ihrer Lage beteiligtsind: „Vieles, was früher im Laufe des Le-bens sich mehr oder weniger von selbst er-gab, wird jetzt als Entscheidung verlangt —und dies vor einem größeren Hintergrundvon Auswahlmöglichkeiten und deshalb mithöheren Informationswerten" (Luhmann1991: 52). Das ist es exakt, was auch Beck

mit seiner Individualisierungsthese ausdrü-cken will. In die Terminologie Foucaultsübersetzt heißt das, dass im Vergleich zu vor-hergehenden Gesellschaftstypen der Einsatzder Spiele offen ist: „Man kann sich vorstel-len, dass es Gesellschaften gibt, in denen dieArt, in der man das Verhalten der anderenlenkt, im voraus so geregelt ist, dass alleSpiele, gewissermaßen schon gelaufen sind.Umgekehrt können in einer Gesellschaft wieder unseren (...) die Spiele außerordentlichzahlreich sein (...). Je freier die Leute in ihrer

Beziehung zueinander sind, desto größer ist

ihre Lust, das Verhalten der jeweils anderenzu bestimmen" (Foucault 1985: 27). Ganz of-fensichtlich also geht auch Foucault fir dieGegenwart von größeren Freiräumen in den

sozialen Beziehungen aus, die die Einzelnenfür strategische Spiele nutzen, während infrüheren Gesellschaftsformen diese Beweg-lichkeit stillgestellt war durch eine dieMachtspiele der Individuen verhinderndeHerrschaft. Damit weist Foucault zugleichauf eine von der IndividualisierungstheorieBecks eher vernachlässigte Dimension derIndividualisierung hin, die man mit Elias(1991: 83) wie folgt auf den Punkt bringenkann: „Die individuelle Aktivität der einenist die gesellschaftliche Bindung der anderen.Und es hängt einzig von der jeweiligenMachtausrüstung der interdependentenFunktionen, es hängt von der Stärke derwechselseitigen Abhängigkeiten ab, wer denanderen durch seine Aktivität stärker zu bin-den vermag."

Doch mit den neuen Entscheidungsspiel-räumen und Wahlmöglichkeiten sieht Fou-cault auch Unsicherheiten entstehen, dienach seiner Diagnose geradezu einen Bedarfnach ethisch-ästhetisch fundierten Lebens-führungsmodellen wecken, die freilich jederfür sich selbst entwickeln muss (vgl.Foucault 1984: 71 ). Zwar ist es möglich, dassdie von Wissenschaftlern, Philosophen undIntellektuellen bereitgestellten Hilfestellun-gen angenommen werden, aber letztlichmuss jeder selbst die Wahl treffen — darauflegt er wert (vgl. Foucault 1997: 118). DieStoßrichtung der von Foucault avisiertenEthik zielt in eine ähnlich auch von Beck ver-tretene Richtung: „Es geht um die Neuent-deckung der schlichten, alten Erkenntnis,

dass der Mensch sich selbst verändern kann,und zwar nicht nur in Kleinigkeiten seinerLebensführung oder Besonderheiten seinerPersönlichkeit, sondern in so großen Dingenwie seinem Selbst-, Welt- und W irklichkeits-verhältnis. (...) Unterirdisch, in den Sub-kulturen der Gesellschaft breitet sich eineErfahrung, eine Aktivitätsmöglichkeit imUm gang mit sich selbst und der Welt aus undgewinnt an Bedeutung" (Beck 1991: 59).Ähnlich wie Foucault ist Beck davon über-zeugt, dass „dieses Durchleben von Erfah-

rungen auch Ansätze einer neuen Ethik" ent-32

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Berl. J. Soziol., Heft 3 2001, S.319-336

hält, „die auf dem Prinzip der ‚Pflichten ge-genüber sich selbst' beruht" (ebd.: 60). Es istwohl nicht übertrieben zu sagen, dassFoucault mit seinem Konzept der So rge um

sich etwas ganz ähnliches im Blick hat.Ebenso wird auch bei Luhmann — allerdingsmit deutlichem A bstand zur Idee einer neuenEthik — die Individualität eines Individuums„nicht durch seine Beziehungen zu anderen,sondern durch seine Beziehung zu sichselbst" (Luhmann 1 995: 126) bestimmt.

Gemeinsamer Fluchtpunkt ihrer Analysenist das Selbst: Selbstbeziehungen, Selbster-findung, Selbstbeobachtung, Selbstreferenz,Selbstreflexion, Selbstkultur. Das Suffix„Selbst" hat Hochkonjunktur: Allenthalben

ist von Selbstorganisation, Selbstpolitik,Selbststeuerung, Selbstverantwortung, Selbst-sorge usw. die Rede. Worauf Becks, Luh-manns und Foucaults Diagnosen hinzielen,Ist die Behauptung eines verstärkten Selbst-bezugs der Einzelnen. Nicht mehr über dieZugehörigkeit zu sozialen Kreisen, sonderndurch die Beziehung des Selbst zu sich defi-niert sich das Individuum. Übereinstimmendkommen sie damit zu einer Diagnose, dieZygmunt Bauman (1993: 12) wie folgt aufden Punkt bringt: „,Wir', das ist ein lockeres

Gemisch von Männern und Frauen, denenaufgetragen ist, sich um sich selbst zu küm-

mern (Hervorh., M.S.), auf ihren Körper zuachten, ihre eigenen einzigartigen Persön-lichkeiten zu formen, ihrem ,wirklichen Po-tential' freien Lauf zu lassen, sich stets vondem abzuheben, was sie schon gewordensind — und die verzweifelt nach vertrauener-weckender Autorität suchen, die ihnen sagt,wie sie mit all diesen verwirrenden Pflichtenumgehen sollen, von denen sie sich alleinenicht lösen können. Potentiale sind heute ineinem Maße global wie niemals zuvor, aberihre Verwirklichung bleibt individuellerInitiative überlassen."

Die Frage, die sich angesichts dieser neu-en Form von Individualisierung stellt, ist, obder beobachtete Individualisierungstrend zuvöllig isolierten Existenzformen und zurSprengung des gesellschaftlichen Zusam-menh alts führt, oder ob es zur Herausbildungneu geordneter sozialer Beziehungen auf derBasis von Individualisierung kommt. Es

dürfte deutlich geworden sein, wie die Ant-

wort ausfällt, die Luhmann, Foucault undBeck auf diese Frage geben. Allen drei Ver-sionen zufolge besteht kein Anlass, den viel-schichtigen Prozess der Individualisierung

auf eine einzige Bedeutungsdimension fest-legen zu wollen. In Individualisierung mussweder allein eine perfide Machtstrategie zurbesseren Überwachung generell unzuverläs-siger Individuen gesehen werden, noch einBefreiungsakt des Individuums von allen ge-sellschaftlichen Erwartungen, Vorgaben undZwängen, den man wahlweise feiern oderfürchten kann. Ihr gemeinsamer Punkt istvielmehr, dass sie von einer stärkeren Betei-ligung des Einzelnen an Entscheidungspro-zessen ausgehen, ohne diese Entscheidungen

von vornherein auf Belanglosigkeiten einge-schränkt sehen zu wollen, wie dies in derTradition der kritischen Theorie üblich war.Ebenso wenig schließen sie von den neuenWahlmöglichkeiten der Individuen, die im-mer auch W ahlzwänge sind, auf eine massiveGefährdung gesellschaftlicher Bindekräfte.Die kommunitaristischen Beschwörungengemeinschaftlicher Zusammenhänge, in diedie vereinzelten Einzelnen zurückgeführtwerden sollen, ist den drei Theoretikernebenso fremd wie die im Stile der Kritischen

Theorie daherkommende Geringschätzungder kreativen Potenziale von Individuen.Vielmehr sind ihre Theorien offen genug an-gelegt, um solche, in einzelnen Bereichendurchaus nachweisbare Tendenzen erfassenzu können, ohne sie deshalb zu einer Ge-samttendenz zu totalisieren.

VI. Schluss

Als Ergebnis der vorangegangen Überlegun-gen kann festgehalten werden, dass die aktu-ellen Vertreter der drei von mir unterschiede-nen Argumentationsstränge übereinstim-mend von einem selbstbezogenen Individu-

um ausgehen, das sich bei der Bewältigungund Gestaltung des eigenen Lebens auf über-geordnete Sinnsysteme und traditionelleSozialbezüge nicht mehr verlassen kann. Ineiner „stark individualisierten" (Simmel1989b: 520), „hochindividualisierten" (Elias

1991) oder einfach nur „individualisierten 333

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M. Schroer: D as gefährdete, das gefdhrliche und das Risiko-Individuum

Gesellschaft" (Beck/Beck-Gernsheim 1994:16) wird Individuen als Entscheidung abver-langt, was in nicht individualisierten Gesell-schaften durch den Clan, die Familie, die

Klasse oder andere Kollektive geregelt wur-de und noch immer geregelt wird. In indivi-dualisierten Gesellschaften stehen die Ein-zelnen unter dem Druck, sich und ihr Lebenselbst zu gestalten — und zwar unabhängigvon ihrer sozialen Zugehörigkeit. AuchArme, Arbeitslose und Sozialhilfeempfängersind eben nicht einfach „so, w ie sie sind, weilsie nicht anders können" (Müller 1989: 57).Ganz im Gegenteil sind insbesondere Min-derheiten und Randgruppen darauf angewie-sen, ihre Situation auszudrücken und darzu-

stellen, ihr Leben zu inszenieren, um auf sichaufmerksam zu machen.

Anders als diejenigen, die Individua-lisierung für eine Erscheinung einiger weni-ger Länder oder Regionen, oder gar nur eini-ger Städte halten oder sie schlicht als Selbst-beschreibung des akademischen Milieus ab-tun wollen (vgl. Mayer 1991; Burkart 1993;Treibel 1996), gilt es Individualisierung alsgesamtgesellschaftlichen T rend zu b egreifen,der vor keinerlei Grenzen H alt macht. Er fin-det sich in den verschiedensten Regionenebenso wie auf den verschiedenen Ebenendes sozialen Raums. Aber er hängt ab vonden vor Ort anzutreffenden Bedingungen, erwird umg esetzt nach den jeweiligen kulturel-len Möglichkeiten, er wird zu bewältigenversucht nach Maßgabe der vorhandenenRessourcen und Kapitalsorten. Wie in wel-cher Kultur, in welcher Region, in welchemMilieu Individualisierung als gesellschaftli-cher Trend an komm t, wie er interpretiert, be-wältigt und umgesetzt wird — das zu erfor-

schen, wäre eine lohnende Aufgabe für eineSoziologie, die sich nicht auf die Suche nacheiner widerspruchsfreien Formel bzw. De-finition für Individualisierung macht, son-dern diesem Phänom en in all seinen Facettennachspüren will. Der Sozialstrukturanalysekommt dabei nach wie vor eine zentraleAufgabe zu, wenn sie die unterschiedlicheVerteilung von Ressourcen zur Bewältigungder Individualisierung untersucht. Sie darfsich nur nicht der Illusion hingeben, dass mitdem Nachweis einer ungleichen Verteilung

der Wahlmöglichkeiten und Entscheidungs-

zwänge auch schon der Beweis erbracht ist,dass es Individualisierung gar nicht gibt, umanschließend wieder zu traditionellen Klas-sen- und Schichtanalysen zurückzukehren

(vgl. Geißler 1996). Auch wenn sich in derUnübersichtlichkeit der Individualisierungwieder Milieus und Lebensstilgruppen aus-machen lassen, so sollte man nicht den Ein-druck erwecken, d ass dies alte Bestände sind,die den Sturm der Individualisierung schad-los überstanden haben; vielmehr sind dieseals Antwort auf eine bereits erfolgte Indivi-dualisierung zu verstehen, die deshalb kei-neswegs zum Stillstand kommt (vgl. Schroer2001b). Denn mit der Auflösung national-staatlicher Souveränität erhöhen sich die

Wahlmöglichkeiten, die immer Entschei-dungszwänge mit sich bringen, noch zusätz-lich. Es ist nun nicht mehr länger selbstver-ständlich, dass Individuen sich dort zu-gehörig Mien, wo sie geboren wurden, dasssie sich vor Ort in Projekte einbringen, dasssie nur die in unmittelbarer Reichweite lie-genden Angebote wahrnehmen. Die Mög-lichkeiten des Individuums, sich jenseits dernationalen Grenzen zu Kollektiven zusam-menzuschließen, an den Wissenschafts-,Sport-, Kultur- und Politikangeboten andererLänder zu partizipieren (vgl. Willke 2001:53) und sich aufgrund bestimmter Interessenund Vorlieben mit Gleichgesinnten zu ver-bünden, die räumlich weit entfernt sind, istdurch die global ausgebaute Telekommuni-kation ebenso möglich geworden wie durchdie zunehmende Nutzung des Internets. Inder Diskussion um die Folgen dieser neuenDimension der Individualisierung wird vorde m gefährlichen Individuum gewarnt, dasgefährdete Individuum beschworen und mit

dem Hinweis auf das Risiko-Individuum aufdie ambivalenten Folgen aufmerksam ge-macht werden. Dabei werden Argumenta-tionsfiguren wieder auftauchen, die wir be-reits von den Klassikern der Soziologie ken-nen.

Anmerkungen

I Die These einer gemeinschaftszersetzendenHyperindividualisierung hat sich derweil aus

der funktionalistischen Schule Parsons abge-34

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