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Radio-Seminar (Radio Horeb) Das Glaubensbekenntnis eine Hinführung Erste Einheit Allgemeine Einführung in das Glaubensbekenntnis Seit ältester Zeit bildet das gesungene CREDO einen Höhepunkt bei der Feier der Hl. Messe. Es klingt fast triumphal! Mit diesem Credo auf den Lippen sind Tausende in den Tod gegangen. Was soll das – eine Aneinanderreihung von Glaubenssätzen – als Hymnus?? Bsp. Können Sie sich vorstellen, dass auf einem Parteikongress der "Linken" das "kommunistische Manifest" von Karl Marx als Hymnus gesungen wird? Für uns katholische Christen ist das CREDO ein Ausdruck der Freude, der Gottesverehrung, des Lobpreises und der ekstatischen Hingabe! ( André Frossard "Ich glaube an Gott – mein Lobpreis des Credo" S.99: Credo = "Deo gratias" bzw. "Amen"!). Bsp. Kardinal Meisner schildert, wie er den Menschen aus dem kommunistischen Ostblock eine als Ersatz für ein Glaubens-Buch als Zusammenfassung des christlichen Glaubens den Rosenkranz empfohlen hat: Das Glaubensbekenntnis enthält die ganze die Dogmatik. Die drei "Ave" mit den Bitten um Glaube, Hoffnung und Liebe umfassen die gesamte Moraltheologie. Die freudenreichen, schmerzhaften und glorreichen Geheimnisse enthalten das gesamte Neue Testament. In seinem Buch "Gott existiert" schildert André Frossard, wie bei ihm das Credo entsteht: in einem Moment, - so dicht, dass ein ganzes Leben nicht ausreicht, es in Worte zu fassen. So entstand auch das CREDO in der Kirche: ganz dicht und allumfassend – in Christus ("Ich bin die Wahrheit" ~ Joh.14,6) und durch das Pfingstereignis. Das bedeutet: in Christus ist die Wahrheit vollständig, ein für alle Mal offenbart!!

Das Glaubensbekenntnis - Haus St. Ulrich Glaubensbekenntnis-Credo.pdf · das die östliche und die westliche, die römisch-katholische und die reformatorische Christenheit durch alle

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  • Radio-Seminar (Radio Horeb)

    Das Glaubensbekenntnis eine Hinführung

    Erste Einheit

    Allgemeine Einführung in das Glaubensbekenntnis

    Seit ältester Zeit bildet das gesungene CREDO einen Höhepunkt bei der Feier der Hl. Messe.

    Es klingt fast triumphal!

    Mit diesem Credo auf den Lippen sind Tausende in den Tod gegangen.

    Was soll das – eine Aneinanderreihung von Glaubenssätzen – als Hymnus??

    Bsp. Können Sie sich vorstellen, dass auf einem Parteikongress der "Linken" das

    "kommunistische Manifest" von Karl Marx als Hymnus gesungen wird?

    Für uns katholische Christen ist das CREDO ein Ausdruck der Freude, der Gottesverehrung,

    des Lobpreises und der ekstatischen Hingabe!

    ( André Frossard "Ich glaube an Gott – mein Lobpreis des Credo" S.99: Credo = "Deo

    gratias" bzw. "Amen"!).

    Bsp. Kardinal Meisner schildert, wie er den Menschen aus dem kommunistischen Ostblock

    eine als Ersatz für ein Glaubens-Buch als Zusammenfassung des christlichen Glaubens den

    Rosenkranz empfohlen hat:

    Das Glaubensbekenntnis enthält die ganze die Dogmatik.

    Die drei "Ave" mit den Bitten um Glaube, Hoffnung und Liebe umfassen die gesamte

    Moraltheologie.

    Die freudenreichen, schmerzhaften und glorreichen Geheimnisse enthalten das gesamte Neue

    Testament.

    In seinem Buch "Gott existiert" schildert André Frossard, wie bei ihm das Credo entsteht: in

    einem Moment, - so dicht, dass ein ganzes Leben nicht ausreicht, es in Worte zu fassen.

    So entstand auch das CREDO in der Kirche: ganz dicht und allumfassend – in Christus ("Ich

    bin die Wahrheit" ~ Joh.14,6) und durch das Pfingstereignis.

    Das bedeutet: in Christus ist die Wahrheit vollständig, ein für alle Mal offenbart!!

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    Drei Dinge sind hier wichtig:

    1. Die Wahrheit trägt personhafte Züge (ist also keine Ideologie oder Philosophie!)

    Bsp. Edith Stein liest in der Stunde ihrer Bekehrung die Autobiographie von Teresa von

    Avila und kommt zu der Erkenntnis: "Das ist die Wahrheit"!!

    Das CREDO beginnt mit einer grammattisch merkwürdigen Formulierung: "Credo in

    unum Deum".

    Das klassische Latein – darauf verweist der Kirchenvater Augustinus – kennt dagegen nur die

    beiden Formen "credere Deum" (ich glaube, dass es einen Gott gibt) und "credere Deo" (ich

    glaube und vertraue Gott).

    "Credere in unum Deum" heißt – wörtlich übersetzt – "ich glaube mich hinein in den einen

    Gott".

    Glaube wird hier als ein Weg, als Prozess beschrieben! Genau das entspricht den beiden

    personhaften Wesen, nämlich dem Glaubenden (Subjekt des Glaubens) und dem Geglaubten

    (Objekt des Glaubens)!!

    Genauer betrachtet, wird hier der Glaube als eine Form der Liebe beschrieben, - sich

    mehr und mehr dem Geliebten anvertrauen, - genau in dem Maße, wie mir auf dem Weg des

    Vertrauens das liebevolle Wesen Gottes bewusst wird.

    Darum kann man ihm Hymnen singen!

    Darum kann man für den Glauben (nicht für eine Ideologie!!) sterben!

    Darum ist das Bekenntnis der Glaubens-Wahrheiten eine Form der Gottesverehrung

    (deren Leugnung = Gotteslästerung!)!

    Darum besingt jeder Satz des CREDO die Liebe Gottes!

    2. Die Wahrheit ist nur im Heiligen Geist erkennbar!

    Das ist der tiefere Grund, warum das Christentum keine Buchreligion ist! Jesus hat nie

    einen Buchstaben geschrieben, geschweige denn ein Buch. ER wusste um die "Zufälligkeit

    der menschlichen Sprache" (Hilarius von Poitiers) und deren Zer-Deutbarkeit!

    Deshalb wählte Jesus einen ganz anderen Weg, um uns seine Wahrheit in Klarheit(!)

    mitzuteilen: Er gab der Kirche kein Buch, sondern gleich das Ganze, - den Heiligen Geist!

    "Wenn aber jener kommt, der Geist der Wahrheit, wird er euch in die ganze Wahrheit

    führen." (Joh.16,13).

    Es ist der Geist, den Jesus in Fülle hatte! Diese Fülle – die "ganze Wahrheit" – teilt Er der

    Kirche mit!

    ( Frossard "Ich glaube an Gott – mein Lobpreis des Credo" S. 119ff).

    "Der Geist ergründet nämlich alles, auch die Tiefen Gottes. (1Kor.2,10).

    Aus der Geist-erfüllten Kirche erwuchs das gesprochene (verkündete) und das

    geschriebene Wort (die Hl. Schrift!)!

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    Das erste CREDO der geisterfüllten Kirche war die Predigt des hl. Petrus am Pfingstfest!

    (Apg.2).

    Derselbe Petrus schreibt später: Bedenkt dabei vor allem dies: "Keine Weissagung der

    Schrift darf eigenmächtig ausgelegt werden; denn niemals wurde eine Weissagung

    ausgesprochen, weil ein Mensch es wollte, sondern vom Heiligen Geist getrieben haben

    Menschen im Auftrag Gottes geredet." (2Petr.1,20,f).

    Worte und Buchstaben sind lediglich Symbole, das ganze Glaubensbekenntnis nennt man

    auch "Symbolum": das heißt zweierlei:

    das sinnenhafte Wort steht für einen geistigen Inhalt;

    das Credo ist eine Zusammenstellung (griech. = "Zusammen-Werfen")

    von Glaubenssätzen!

    So wie das gesprochene oder geschriebene Wort verschiedenen Deutungen ausgeliefert ist,

    so auch die menschgewordene Person Gottes: Jesus!

    Daher fragt Jesus die Jünger: "Für wen halten mich die Menschen? Ihr aber, für wen haltet

    ihr mich?" Die Antwort kann nur im Heiligen Geist geschehen, wie Jesus dem Fischer Simon

    bestätigt: "…nicht Fleisch und Blut haben dir das offenbart, sondern mein Vater im Himmel."

    (Mt.16,17).

    Darum sagt Paulus: "Keiner kann sagen 'Jesus ist der Herr', wenn er nicht aus dem Heiligen

    Geist redet." (1Kor.12,3).

    3. Die Kirche ist ein lebendiger Organismus.

    Deshalb gibt es in ihr Wachstum und Entfaltung!

    Die Kirche ist kein starrer Monolith mit einer starren Lehre!

    Es gibt daher in der Kirche ein beständiges Eindringen und Entfalten der einen, unteilbaren

    Wahrheit!

    Heute, wie damals gilt das Wort Jesu: "Der Beistand aber, der Heilige Geist, den der Vater

    in meinem Namen senden wird, der wird euch alles lehren und euch an alles erinnern, was

    ich euch gesagt habe." (Joh.14,26).

    In der Heiligen Schrift und der frühen Verkündigung der Kirche ist längst nicht alles

    gesagt, was Menschenherzen bewegt! Außerdem ist die Hl. Schrift kein systematisches

    Lehrbuch, sondern eine Sammlung von Gelegenheitsschriften!

    Die Fragen des modernen Menschen bzgl. Präimplantationsdiagnose oder pränataler

    Diagnostik, Empfängnisverhütung, assistiertem Suizid, oder der Grenzen der Forschung, der

    Nutzung der Atomkraft und der Umweltzerstörung…etc. muss die Kirche vom Hl. Geist

    immer neu erfragen und der Welt beantworten.

    Darum ist die Kirche insgesamt unfehlbar. Daher braucht es das sog. Lehramt!

    Das Petrusamt (Papst) ist und bleibt der Garant der Unfehlbarkeit!

    Die Kirche ist auch heute noch in demselben Geist, aus dem sie entstanden ist!!!!

    Bis zum Ende der Zeit wird die Kirche nicht damit fertig sein, die Glaubensgeheimnisse zu

    durchdringen. Die Kirche bleibt daher ein dauerndes Pfingstereignis!

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    Thomas von Aquin der brillanteste Denker des Mittelalters hat seine höchsten

    theologischen Spekulationen am Ende daraufhin geprüft, ob die "vetula", das alte Mütterchen,

    diesen Überlegungen folgen könne - und wenn das nicht zutraf, hat er diese Überlegungen

    verworfen.

    Das bedeutet: Da der Heilige Geist allein in allen Menschen – auch in den einfachsten! – den

    Glauben bewirkt, muss sich dieser in einfachste Sätze zusammenfassen können!

    Zunächst in der Verkündigung: Christus als Gottes Sohn, sein Leben, Leiden, Sterben

    und Auferstehen!

    Dann in der Liturgie: bei der Taufe das dreifache Glaubensbekenntnis "Ich glaube"

    ("Credo" bedeutet die Einzahl: "Ich…").

    In den Verfolgungen und in der Konfrontation mit Irrlehren!.... wurde der Glaube der

    Christen immer mehr präzisiert

    Durch drei große Konzilien bekam des CREDO seine Gestalt:

    Das Konzil von Nizäa 325: definiert die wahre Gottheit und Menschheit Christi. Daher

    der Name "Nizänisches Glaubensbekenntnis!

    Das Konzil von Konstantinopel 381: definiert den Heilige Geist wird als substantieller

    Bestandteil der Heiligen Dreifaltigkeit. Daher der Name "nizänisch-

    konstantinopolitanisches Glaubensbekenntnis", das als "großes Glaubensbekenntnis" in der

    Liturgie gebetet wird.

    Das Konzil von Ephesus 431: gibt Maria den Titel "Gottesgebärerin", - und bestätigt

    damit die volle menschliche und göttliche Natur Jesu.

    In einer gemeinsamen Erklärung zum Pfingstfest 1981 bekennen die Vertreter der

    katholischen Kirche, der Protestanten, Orthodoxen und Freikirchen:

    "Dieses Bekenntnis zum dreieinigen Gott ist das einzige ökumenische Glaubensbekenntnis,

    das die östliche und die westliche, die römisch-katholische und die reformatorische

    Christenheit durch alle Trennungen hindurch verbindet… Diese gemeinsam bezeugte

    Wahrheit des Evangeliums zeigt, dass die Trennung unserer Kirche nicht bis in die Wurzel

    gegangen ist. Die Gemeinschaft im Bekenntnis zum dreieinigen Gott ist unaufgebbare

    Bedingung für die Einheit der einen, heiligen, katholischen und apostolischen Kirche."

    Die ökumenische Bedeutung des großen Glaubensbekenntnisses besteht in dem Bekenntnis:

    "Ich glaube an den einen Gott…, den einen Herrn Jesus X…, die eine heilige, katholische

    und apostolische Kirche…, die eine Taufe zur Vergebung der Sünden."

    Johannes Paul II. (zur 1600-Jahr-Feier des Konzils von Konstantinopel) am 25.3.1981:

    "…Was könnte denn auch eher den Weg zu dieser Einheit beschleunigen, als die Erinnerung

    und damit auch die Verlebendigung dessen, was durch so viele Jahrhunderte der Inhalt des

    gemeinsam bekannten Glaubens gewesen ist."

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    Hier wird das oben genannte Dilemma deutlich: wir gebrauchen dieselben Worte und

    Formeln – und meinen doch etwas ganz Verschiedenes! Der wahre Inhalt, der Heilige Geist

    der Wahrheit, kann allerdings nur im Gehorsam empfangen werden!

    Durch den Heiligen Geist

    wird Glaube Leben, - bleibt also nicht nur ein Denkvorgang!

    wird das CREDO zur Anbetung, - bleibt also keine bloße Erklärung!

    wird die "confessio" Bekenntnis und Lobpreis zugleich!

    wird die "pro-testatio" zum gelebten Zeugnis für Gott!

    ( Frossard "Ich glaube an Gott – mein Lobpreis des Credo" S 58f und S. 132ff).

    Zweite Einheit:

    Gott, der Drei-Eine – Mysterium von Einheit und Gemeinschaft

    Die Verherrlichung der Dreifaltigkeit war das Ziel der Feierlichkeiten des großen Jubi-

    läums 2000. Das Heilige Jahr bildete damit den Abschluss und Höhepunkt der großen

    Trilogie der Vorbereitungsjahre 1997 (Jesus Christus), 1998 (der Heilige Geist), 1999 (Gott

    Vater).

    Die Verherrlichung des dreifaltigen Gottes ist zugleich zukunftsweisend für das 3. Jahrtau-

    send!!

    Patrick (+461)- Apostel Irlands

    Die Präambel der irischen Verfassung (1937): "In the Name of the most Holy Trinity...":

    "Im Namen der allerheiligsten Dreifaltigkeit, von der alle Autorität stammt und zu der als

    unserem letzten Ziel alle Handlungen der Menschen und der Staaten hingelenkt werden müs-

    sen..." Die Verfassung endet mit einem gälischen Lobspruch auf Gott: "Zur Verherrlichung

    Gottes und zur Ehre Irlands".

    Patrick, 385 als römischer Bürger der Provinz Britannien geboren, war Sohn eines Offiziers.

    Als 16-jähriger von Piraten nach Irland verschleppt und als Sklave verkauft. Dort erlebte er,

    während er Schafe hütete, seine Bekehrung (er war zuvor schon Christ!). Er studierte auf dem

    Festland, pilgerte nach Italien und lernte die Mönchskolonien auf den Inseln des Tyrrheni-

    schen Meeres kennen. Dann kehrte er nach Irland zurück und missionierte vor allem Nord-

    und Westirland, wo noch niemand Gottes Wort gehört hatte. Er passte sehr geschickt die

    kirchliche Organisation den irischen Verhältnissen an: Gründung von monastischen Gemein-

    schaften als geistliche Kapitel an Bischofssitzen.

    Patrick wird mit einem Kleeblatt dargestellt: so erklärte er den Iren die Dreifaltigkeit. In sei-

    ner berühmten "Confessio" verteidigt er seinen Glauben gegen alle Anfeindungen: "...Es ist

    kein anderer Gott – von Ewigkeit zu Ewigkeit – als Gott der Vater, ungezeugt, ohne Anfang,

    von dem aller Anfang (~Zeit) kommt, und sein Sohn Jesus Christus, der, wie wir bezeugen,

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    immer beim Vater gewesen ist und vom Vater vor dem Anfang der Welt, vor allem Anfang

    (~Zeit), auf uns unerklärliche Weise geistig gezeugt worden ist...Er hat den Heiligen Geist in

    überreichem Maß über uns ausgegossen, Gabe und Unterpfand der Unsterblichkeit, der alle,

    die glauben und gehorchen, zu Kindern Gottes und zu Miterben Christi macht....Als ich nach

    Irland gekommen war – ich hatte täglich die Schafe zu weiden und betete dabei oft – da

    mehrte sich in mir die Liebe zu Gott und mein Glaube wuchs....Vor Morgengrauen erhob ich

    mich zum Gebet, ob es schneite, fror oder regnete; ich verspürte keine Beschwerden, und es

    war keine Trägheit mehr in mir..."

    Alle christologischen Streitigkeiten in Altertum und Mittelalter... kreisen um das Geheimnis

    der Dreifaltigkeit. Der nach Kleinasien verbannte Bischof Hilarius von Poitiers (+367) schrieb

    damals in seinem Vorwort zu einem Buch gegen die Arianer, die die Gottheit Christi

    leugneten:

    "Ich sah mich gezwungen, meine ungeschickten Worte zu benutzen, um die unsagbaren My-

    sterien zu erklären und den Zufälligkeiten einer menschlichen Sprache diese Geheimnisse zu

    überantworten, die eigentlich im Glauben und in der Verehrung unserer Seelen verwahrt

    bleiben müssten."

    Bsp.: Der hl. Augustinus am Meeresstrand... Das Kind: "Ebensowenig kann dein kleiner

    Menschenverstand das unergründliche Geheimnis des dreifaltigen Gottes fassen."

    J.W. v. Goethe zu Eckermann: "Ich glaubte an Gott und die Natur und an den Sieg des Ed-

    len über das Schlechte; aber das war den frommen Seelen nicht genug, ich sollte auch glau-

    ben, dass drei eins sei und eins drei; das aber widerstrebte dem Wahrheitsgefühl meiner

    Seele; auch sah ich nicht ein, dass mir damit auch im mindesten wäre geholfen gewesen."

    Daraus leiten sich zwei Kritikpunkte ab:

    1. Widersprüchlichkeit, Unlogik und Unbegreiflichkeit des dreifaltigen Geheimnisses; 2. Lebensfremdheit, Irrelevanz und Folgenlosigkeit: was interessiert es, ob Gott ein- drei-

    oder hundertfältig ist???

    Immanuel Kant sagt 1798: "Aus der Dreifaltigkeitslehre lässt sich schlechterdings nichts

    fürs Praktische machen."

    Schüler sagen heute: "Dreifaltigkeit ist ein theologisches Kreuzworträtsel, ohne Bedeutung

    für das Leben."

    Karl Rahner: "Wenn heute die Kirche die Lehre von der Dreifaltigkeit als falsch ausmerzen

    würde, könnte ein Großteil der religiösen Literatur unverändert bleiben."

    Andere: "Man kann den Namen 'Gott' getrost durch 'Allah' ersetzen."

    Der sel. Raimund Lull (1316) – der Patron von Mallorca

    ist ein besonders bemerkenswerter Heiliger: Gelehrter, Seelsorger, Schriftsteller, Organisator,

    ständig auf Reisen, Missionar.

    In einem Gesang bekennt er über sich: "Gott Vater, Sohn und Geist zu Ehr, / wie er dreieinig,

    heilig wär', / dies darzutun mich mühte sehr."

    Mit 30 Jahren hatte er eine Bekehrung, verließ 1263 seine Frau und die beiden Kinder, um die

    Mohammedaner zu bekehren. Er lernte Arabisch, bereiste Sizilien, Mallorca, Zypern und Ne-

    apel, um Araber und Juden zu bekehren; schrieb viele Bücher. Er betont die wichtige Rolle

    der Vernunft, weist ihr aber auch klare Grenzen zu:

  • 7

    "Nochmals betone ich: wenn ich die ganze Dreieinigkeit verstehen und begreifen will, sündige

    ich schwer, weil das Endliche das Unendliche nicht begreifen kann."

    Dieser interessante Laientheologe wurde der größte Mohammedaner-Missionar des Mittelal-

    ters (Altaner)!

    Im Eifer für den dreifaltigen Gott ist Raimund Lull dreimal zu den Sarazenen in Tunis und in

    Numidien gereist, um sie mit Verstandesschärfe zu überzeugen. Sein Argument – sinngemäß:

    Gott könne von Ewigkeit nicht gut sein, wenn er seine Güte nicht mitteilen könne. Es könne

    demzufolge keinen "ein-persönlichen" Gott geben. Raimund Lull wurde eingekerkert,

    ausgewiesen... und schließlich gesteinigt. Halbtot gelangte er noch nach Mallorca, wo er 1316

    starb.

    Hierbei geht es nicht um die Frage: nützt mir der Glaube an den dreifaltigen Gott, kann ich

    damit etwas anfangen?? Sondern: es geht zunächst um die vorgegebene Wahrheit, die immer

    schon da ist, bevor ich denken kann!!! Nicht ich befinde über die Wahrheit (ob sie

    einleuchtet), sondern sie befindet über mich und erleuchtet meinen Geist!

    Also: Wahrheit kann nur durch Offenbarung Gottes empfangen und erkannt werden!

    Wenn also die Hl. Schrift sagt, der Mensch sei nach Gottes Bild geschaffen, dann hat das ge-

    waltige Konsequenzen für uns:

    Es ergeben sich zwei alternative Fragen:

    Spiegeln wir den wieder, der ein einziger, einsamer und ein-persönlicher Gott ist? – Oder spiegeln wir Gott wieder, der Gemeinschaft und Liebe ist??

    Letzteres entspricht der Wirklichkeit. Nur von Gottes Drei-Person-Sein können wir unser

    Dasein begreifen und deuten!

    Ein Moslem könnte nie sagen: "Gott ist die Liebe"!! Denn eine einzige und ewige

    "Person" kann nicht lieben, weil sie kein Gegenüber (= geliebtes Du) hat, - somit auch keine

    "Person" sein kann!!!

    Das Christentum ist die einzige Weltreligion, die – aufgrund ihres Gottesbildes - die Liebe

    zum gesellschaftlichen Programm hat – mit allen Konsequenzen (Mutter Teresa, Caritas,

    Seelsorge....etc.).

    Gregor von Nazianz (4.Jh.) an die Taufbewerber:

    "Bewahrt mir vor allem dieses gute Vermächtnis, für das ich lebe und kämpfe, mit dem ich

    sterben will und das mich alle Übel ertragen und alle Vergnügungen geringschätzen lässt:

    nämlich das Bekenntnis des Glaubens an den Vater und den Sohn und den Heiligen Geist. Ich

    vertraue es euch heute an...Gott als ganzer, jeder in sich selbst betrachtet...Gott als Drei,

    zusammen betrachtet...Kaum habe ich begonnen, an die Einheit zu denken, und schon taucht

    die Dreifaltigkeit mich in ihren Glanz. Kaum habe ich begonnen, an die Dreifaltigkeit zu

    denken, und schon überwältigt mich wieder die Einheit."

    Wir sagten schon: wenn Gott nicht aus seiner Verborgenheit heraustritt (=sich offenbart),

    findet unser Erkennen keinen Zugang zu IHM.

  • 8

    Gott bricht sein Schweigen (hat er je ganz geschwiegen? – Bedeutet nicht Offenbarung, dass

    er uns die Augen öffnet, damit wir "richtig" sehen können???) - auf zweierlei Art:

    durch die Schöpfung durch die Menschwerdung (genau betrachtet gehören beide zusammen!! Früher sprach

    man von den beiden Büchern der Offenbarung: Schöpfung und Hl. Schrift!).

    Zunächst müssen wir unseren Blick "justieren": es geht dabei um die rechte Blickrichtung

    (Ausgangspunkt ist Gott und nicht der Mensch!!):

    Bsp.: Hildegard von Bingen: "Ich sah ein strahlendes Licht und darin die saphirblaue Gestalt

    eines Menschen, die durch und durch im sanften Rot einer flutenden Lohe funkelte. Das helle

    Licht durchflutete die funkelnde Lohe ganz und gar wie auch die funkelnde Lohe das helle

    Licht. Beide durchfluteten wiederum die Menschengestalt durch und durch, so dass alle drei

    als eine einzige Lichtfülle westen in einer Kraft und Macht..."

    Die erste Reaktion: "sieht ja aus wie ein Mensch!" Die richtige Folgerung wäre: "Der Mensch sieht ja aus wie Gott!"

    Darum sagt der Weltkatechismus (261):

    "Das Mysterium der heiligsten Dreifaltigkeit ist das zentrale Geheimnis des christlichen

    Glaubens und Lebens. Einzig Gott kann uns von ihm Kenntnis geben, indem er sich als Vater,

    Sohn und Heiliger Geist offenbart."

    Noch einmal: Der dreifaltige Gott ist ursprünglich kein Glaubenssatz (Ideologie, Doktrin),

    sondern ein Ereignis = die neutestamentliche Grunderfahrung!

    So erfahren wir uns:

    vom Vater, dem Urgrund des Seins, geschaffen und getragen,

    vom Sohn geheilt, geführt und begleitet, angesprochen, belehrt...

    vom Geist belebt (bewohnt), entflammt, gestärkt...

    Fazit: der Gott der Christen ist kein einsamer Gott (Monade), kein monarchischer Übervater

    "überm Sternenzelt" (Schiller), sondern unser IMMANUEL – Gott-mit-uns!

    Gregor von Nazianz: "Aus dem Licht des Vaters erfassen wir den Sohn als Licht vom Licht,

    das der Hl. Geist ist. Das ist eine kurze und schlichte Theologie der Dreifaltigkeit."

    Der Vater ~ Gott über uns.

    Der Sohn ~ Gott neben und mit uns.

    Der Geist ~ Gott in uns.

    Gregor von Nazianz spricht vom "Pulsieren" in Gott: "so wird aus Einheit Dreiheit und aus

    Dreiheit wieder Einheit."

    Sog. "Perichorese" (~ griech. "peri" = herum; ~ "choros" Reigentanz, Tanzplatz,

    Tänzerschar, Chor) = wörtlich: "Umtanzen" – drei Stimmen vereinen sich miteinander und

    bilden einen Chor!!

    ~ Kontrapunkt: drei selbständige Melodien verweben sich zu einer Einheit (J.S.Bach).

    Man vergleiche: Tanz früher (gemeinsam) und heute (einsam).

    Perichorese: was dem einen gehört, gehört auch dem anderen, - was der eine tut, vollzieht er

    für und mit anderen.

  • 9

    Bsp.: Der Himmel ist der Ursprung der Ästhetik! Alles Schöne in der Kunst (Musik, Male-

    rei, Dichtung....) leitet sich vom dreifaltigen Gott ab, dessen besonderes Attribut die "Schön-

    heit" ist. Schönheit aber ist ohne Gegensätze (in der Musik: Kontrapunkt) und Vielfalt nicht

    denkbar! Wie in einer Symphonie wirken in Gott (und in der Kirche als Abbild der Dreifaltig-

    keit) die Verschiedenheiten zu einer wunderbaren Einheit und Harmonie zusammen.

    Bsp.: Urchristengemeinde in Jerusalem: "seht, wie sie einander lieben!" und: "sie hatten alles

    gemeinsam" (Apg.2,44).

    Der Neuplatonismus (der Mensch muss nach dieser Lehre von der Vielheit zur Einheit zu-

    rückkehren): Die wahre Wirklichkeit ist die Einheit. Darum stört das Leben in Beziehungen

    (Gemeinschaft) den Weg zur Einheit; denn auch Beziehungen bedeuten Vielfalt. Wirkliches

    Sein schließt Beziehungen aus; wirkliches Sein ist "In-Sich-Sein" und "Für-Sich-Sein".

    Jedoch: Gott ist in Christus eingetreten in die Zeitlichkeit, Veränderlichkeit und Vielfalt:

    sie ist ja Ausfluss seines (dreifaltigen) Wesens!!

    Christus lebte in Beziehungen: Familie, Synagoge, Jünger, Zöllner....

    Das Christentum hat das Denken der heidnischen Antike revolutioniert: Sein bedeutet "Mit-

    Sein", "Miteinander-Sein"!

    Der tiefe Grund dafür: das höchste, göttliche Sein ist eine Gemeinschaft von drei Personen!

    Gott ist also nicht eine Projektion des Menschen, sondern umgekehrt: der Mensch ist

    ein "Projekt" (= Entwurf) des dreifaltigen Gottes als Individuum (Einheit) und Gemein-

    schaftswesen (Vielheit).

    Gott ist also Urbild für jede Gemeinschaft, Familie und Kirche!

    Eine Gemeinschaft ist keine Addition von Individuen, denn sie hat eine gemeinsame Seele

    (man spricht ja immer noch von "Körperschaft"!).

    Bsp.: Viele Zweige ergeben keinen Baum!

    Auch eine Ordensgemeinschaft ist keine Ansammlung von Individuen, sondern eine organi-

    sche Einheit aus vielen. Die Seele ist der Hl. Geist, der "das Band ist, das alles vollkommen

    macht" (vgl. Kol.3,14).

    Kirche aus heiligem Ursprung (Eph.3,14-21)

    Die Kirche ist weder eine Summe von glaubenden Individuen noch ein seelenloses Kollektiv

    gleichgeschalteter Jesus-Anhänger, - weder eine Demokratie Gleichberechtigter noch eine

    Monarchie unter einem Papst, -

    sondern: das geheimnisvolle Abbild des dreifaltigen Gottes ~ ein Leib, dessen Glieder ver-

    schieden sind, die zusammen eine Einheit bilden, weil ein Geist sie alle verbindet und belebt:

    Hierarchie: = (griech. "hieros" = heilig, "archä" = Ursprung, Herrschaft) heilige Ordnung!

    Wäre die Kirche eine demokratische Gemeinschaft, dann wäre sie "von unten". Als Hierar-

    chie ist sie aber Kirche "von oben": Offb.21,2: "Ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem,

    von Gott her aus dem Himmel herab- kommen. Sie war bereit wie eine Braut, die sich für ih-

    ren Mann geschmückt hat."

  • 10

    Jesus hat ein anderes "Modell" für Einheit erbeten: Joh.17,21: "Alle sollen eins sein: Wie

    du, Vater, in mir bist und ich in dir bin, sollen auch sie in uns sein, damit die Welt glaubt,

    dass du mich gesandt hast."

    Einheit geht also nur im dreifaltigen Geheimnis durch den Hl. Geist!

    Einheit braucht Gegensätze!!

    Die Kirche ist ein Sakrament; das heißt:

    Zeichen und Bild des dreifaltigen Gottes (Tertullian: "Die Kirche ist der Leib der Dreifal-tigkeit"); - und

    Werkzeug für die Communio aller Menschen! Das 2. Vaticanum (Ökumenismusdekret) sagt: "Die Kirche ist die Ikone der Trinität".

    "Ikone" bedeutet nicht nur "Bild" sondern auch "Vergegenwärtigung"!!

    Die irdische Kirche ist immer auch "Zerrbild" (Augustinus: "corpus permixtum" ~ gemischte

    Gesellschaft)! –Daher braucht sie zur Orientierung (~ Modell) die Dreifaltigkeit!:

    Der Vater macht die Menschen zu "Söhnen" (= Einverleibung in den Sohn!). Der Sohn gibt der Kirche Fundament (~ Petrus) und Gestalt; die Kirche ist "creatura

    Verbi" (Luther): d.h. aus dem "Logos"! (aber nicht "Creatura Scripturae")

    Der Hl. Geist bewirkt das Leben der Kirche: "Christus in uns"!

    So ist die Kirche die Fortsetzung der Sendung Christi durch den Hl. Geist: Christi unge-

    schmälerte Gegenwart in der Welt,

    Vor der Verschiebung des trinitarischen Gleichgewichts muss man eindringlich warnen!:

    Kirche ohne Vater: lässt die gemeinsame Würde der Sohnschaft vergessen. Kirche ohne Sohn: lässt die Communio auseinanderbrechen (~ Glieder am Leib), und

    jeder beruft sich auf seinen Geist.

    Kirche ohne Geist: ist nicht mehr Tempel des Hl. Geistes: eine erstarrte Hierokratie (Priesterherrschaft).

    "O welch geheimnisvolles Wunder! Einer ist der Vater aller Dinge, einer auch der Logos al-

    ler Dinge, und der Heilige Geist ein und derselbe überall, und es gibt auch nur eine einzige

    jungfräuliche Mutter; ich liebe es, sie Kirche zu nennen." (Klemens von Alexandrien)

    Dritte Einheit

    Gott – Ursprung aller Vaterschaft

    "Vater" bedeutet im Tiefsten: Vorhersein, Ursprung, - aber vor allem Liebe!

    Wenn wir etwas vom Vater erspüren wollen, müssen wir den Sohn als Weg wählen.

    Das Wort "Sohn" beinhaltet das Wort "Vater".

    Jesus sagt: "Wer mich sieht, sieht den Vater…" (Jo,14,9). Das kann Jesus sagen, weil er ganz

    durchlässig ist.

    "Niemand hat den Vater gesehen außer der Sohn" (Joh.6,46).

  • 11

    Das Urwort, das im Tiefsten in uns anklingt, ist das Wort "Vater".

    Durch die Menschwerdung in Christus und durch die Erlösung wird das Wesen des Vaters,

    seine Liebe, sichtbar.

    Das Fehlen des Vaters heute: ein Symptom und ein Syndrom unserer Zeit!

    Die Generation des 2. Weltkrieges war auch eine Generation ohne Väter, dennoch anders:

    auch wenn die Väter lange in Gefangenschaft waren oder im Kampf fielen: sie waren doch

    immer "anwesend": sie waren erwartet, ihre Feldpostbriefe wurden mit großer Anteilnahme

    gelesen, sie waren geliebt, idealisiert …und betrauert....: sie wurden positiv erlebt!

    Heute sind viele anwesende Väter "abwesend", - auch innerhalb der Familie!! Bei

    Trennung und Scheidung erleben die Kinder Traumata. Es bleiben böse Erinnerungen und

    Wunden zurück.

    Kardinal Wetter in einer Silvesterpredigt: Der Sprachschatz der vaterlosen Kinder unserer

    Gesellschaft ist von Verrohung bedroht...: "Da wächst eine Generation heran, die keine

    Liebesbriefe mehr schreiben kann und nichts mehr von Zärtlichkeit weiß..."

    Bsp.: das strenge Vaterbild hat z.B. Martin Luther geprägt, der seinen anwesenden Vater

    als streng und jähzornig erfahren hat.

    Wenn heute der Vater vielfach als abwesend erlebt wird, - ist es kein Wunder, dass Gott

    ein abwesender Gott geworden ist, ein vergessener Vater.

    Johannes Paul II. (Enzyklika DIVES IN MISERICORDIA 1980): "Mich drängt es in dieser

    ernsten und keineswegs leichten Zeit, mich noch einmal in das Geheimnis Christi zu

    versenken, um in IHM das Antlitz des Vaters zu entdecken, der der Vater des Erbarmens und

    der Gott allen Trostes (2Kor.1,3) ist."

    Die Methode: "sich versenken"! Also meditative Erschließung! Denn die Wahrheit (=Gott)

    ist in sich nicht fassbar, nur am Phänomen zu erspüren.

    Das Wort "Vater" für Gott klingt im Neuen Testament revolutionär!

    Bis dahin war es verboten, den Namen Gottes zu nennen. Der Name "Jahwe" musste bei der

    Verlesung der Thora durch "Adonai" ersetzt.

    Jesus lehrt uns "Abba" sagen = Väterchen, "Papa"….

    Das Phänomen: Christus = Gegenstand der Betrachtung!

    In Christi Lehre steht wie eine Rad-Achse, um die sich seine Verkündigung dreht: das

    Gleichnis vom verlorenen Sohn bzw. vom barmherzigen Vater (Lk.15):

    der Sohn hat sich selbst verloren – schuldhaft -, wo er meinte, eigenmächtig das Leben zu gewinnen;

    der Vater hat den Sohn verloren, indem er ihn in die Ferne ziehen lässt. Dieser verzichthafte Verlust bereitet schon den Umkehrweg vor (Leiden des Vaters und

    bleibende Einladung für den Sohn);

    der Sohn hat den Vater verloren, - und damit das Wertvollste: seine Sohnschaft.

    Das ist die heilsgeschichtliche Situation, in die hinein Christus kommt, die Kirche wirkt und

    Papst Johannes Paul II. (DIVES IN MISERICORDIA) verkündet.

  • 12

    Die Hintergründigkeit der Person Christi leuchtet in allen seinen Worten und Taten auf:

    Weg zum Vater!!:

    Christus ist nicht nur Mensch, Vorbild, Schrittmacher, Therapeut.... Christi Worte sind nicht bloße Philosophie... Christi Taten sind nicht nur humanitär oder sozial-politische Provokation...oder einfach

    ein Beispiel...

    Sondern: Christus ist nur zu verstehen, weil es den Vater gibt!!: ER ist der Sohn!

    "Vater" ist nicht ein bloßer Name, sondern eine Beziehung!!

    Christus ist nur vollmächtig, weil der Vater in IHM und durch IHN wirkt!!

    Bsp. Taufe im Jordan: Der Vater bekennt sich zu den Menschen – den sündigen

    Menschen(!!) -, indem sich Jesus zu den sündigen Menschen bekennt. – Die Bestätigung

    dafür: die Stimme vom Himmel: "Dieser ist mein geliebter Sohn...!"

    Zu allen Zeiten versuchte man, Christus abzukoppeln von der Einheit mit dem Vater.

    Schon zu Lebzeiten Jesu: der Versucher in der Wüste will die Sendung Jesu reduzieren auf eine rein irdische Mission: Brot und Macht, Besitz und Geltung! Jesus hätte das alles

    auf vorbildliche Weise verwirklichen können, - aber ohne den Vater???

    In der Geschichte der Kirche: Gnosis, Arianismus moderne christliche Humanismen! Jesus als bloßer Mensch: interpretierbar und austauschbar!!

    So wie Christus ohne den Vater nicht begriffen werden kann, so auch der Mensch nicht

    ohne Gott! Der Mensch ist ein Beziehungs-Wesen: "komplementär": nicht nur irdisch Mann-

    Frau, sondern irdisch-himmlisch: Mensch-Gott!

    Abraham a Sancta Clara: "Was ist der Mensch ohne Gott? Wie ein Leib ohne Seele, wie ein

    Brunnen ohne Wasser, wie ein Fass ohne Wein, wie eine Uhr ohne Zeiger, wie ein Schiff

    ohne Kompass..."

    Der diabolische Versuch, den Menschen von Gott zu emanzipieren, ist ein Widersinn!

    "Emanzipation" heißt: aus der Hand eines Sklavenhalters in die Freiheit entlassen werden!

    Ist Gott ein Sklavenhalter?

    Der Widersinn der Emanzipation von Gott wird im Gleichnis vom verlorenen Sohn auf

    den Punkt gebracht: der Sohn meint sich zu emanzipieren, indem er sich vom Vater abwendet

    Kult der Materie und der Triebe (Bild: Schweine). Die Folge: er wird zu einem rechtlosen

    Sklaven, fällt in die bitterste Not.

    Nein, es gilt umgekehrt: der Mensch kann sich nur in Gott hinein emanzipieren!!

    Der tiefe Sinn der Heilsgeschichte ist die Emanzipation der verlorenen Welt in Gott

    hinein!!:

    Exemplarisch dafür: der Exodus!!: Ägypten Land der Verheißung!!

    Jesus hat uns ein Gebet der Emanzipation empfohlen: "Vaterunser" = Emanzipation in Gott

    hinein: "Dein Name....Dein Reich....Dein Wille"!!

    Wenn der Papst in seiner Enzyklika von "ernsten Zeiten spricht, dann will er sagen:

    dass wir heute wie selten zuvor besonders des Erbarmens und des Trostes bedürftig sind. "Misericordia" = eine christliche Neuschöpfung. Barmherzigkeit ist heute am

    Aussterben. Passt nicht in die Ideologie des Machers, - ist aber notwendigere denn je!

  • 13

    dass der Mensch nur in seiner Beziehung zu Gott begriffen werden kann ~ Jesus in seiner Beziehung zum Vater!

    dass das Schicksal des Menschen (= seine Berufung) der Weg zum Vater ist.

    Jesus hat uns den "Vater"-Namen offenbart. Sogar "Abba" dürfen wir sagen!

    Die liebende Zuwendung Gottes zum Menschen wird griech. "philanthropia" (Tit.3,4)

    genannt.

    Die "Menschenfreundlichkeit" Gottes ist nicht nur die Geburt in Bethlehem, sondern:

    Bethlehem gibt es wegen der Menschenfreundlichkeit Gottes; d.h.: das ganze Leben Jesu

    offenbart die "philanthropia" Gottes!!: "Gott und der Sünder, die sollen zu Freunden nun

    werden" (Tersteegen).

    Erbarmen wird heute weder erwartet noch gewährt (doch im Innersten ersehnt!!!).

    Erbarmungslosigkeit bringt den schuldig-gewordenen Menschen (auch wenn er bereut!!) zur

    Strecke!!

    Bsp.: Die Hatz des Limburger Bischofs durch das Domkapitel. Jesus: "Wer von euch ohne

    Sünde ist, der werfe den ersten Stein!" (Joh.8,7).

    "Vater" = Synonym für Barmherzigkeit!

    Wie oft höre ich, dass man sich vorsehen müsse, vor Kindern vom guten Vater zu sprechen,

    weil oft große Verletzungen bei den Kindern vorliegen, die gegenteilige Erfahrungen gemacht

    haben.

    Da kann man nur darauf vertrauen, dass Gott es umgekehrt macht wie beim hl. Paulus

    (Gal.1,15f): "Gott hat mir seinen Sohn geoffenbart". So kann der Sohn einem Kind auch den

    Vater offenbaren. Vgl. Mt.11,27: "Niemand kennt den Sohn, nur der Vater, und niemand

    kennt den Vater, nur der Sohn und der, dem es der Sohn offenbaren will."

    Vierte Einheit

    Jesus Christus –brauchen wir einen Erlöser?

    Kürzlich las ich von einem schweren Grubenunglück in China. 69 Bergleute wurden nach einem Wassereinbruch vermisst. Die Rettungsbemühungen gestalteten sich schwie-

    rig, zumal die Bergleute in einem Stollen 2000 m unter der Erde eingeschlossen waren.

    In der größten Erdhöhle Europas, dem in der Zentralschweiz gelegenen Hölloch, ge-riet vor einigen Jahren eine Schulklasse in eine tückische Falle. Bei plötzlichem Regen-

    fall hatte sich ein Siphon mit Wasser gefüllt. Den Kindern war der Rückweg versperrt,

    sie mussten von Tauchern gerettet werden.

    Im Jahre 2008 gerieten mehrere Bergsteigergruppen am Mount Everest in Bergnot. Am Seil zwischen Himmel und Erde hängend, konnten sie weder weiter aufsteigen noch

    den Rückweg antreten. Ihre Rettung verdanken sie allein den mutigen Hubschrauberpi-

    loten, die für sie ihr Leben einsetzen.

  • 14

    Wenn ich derartige Nachrichten lese, - und die Zeitungen sind täglich voll davon -, steigt in

    mir die Frage auf: Sitzt nicht die ganze Menschheit wie in einem finsteren Stollen fest und ist

    auf Hilfe von außen angewiesen, um gerettet zu werden? Sitzen nicht alle Menschen in einer

    fatalen Falle und warten auf Erlösung?

    Die meisten Zeitgenossen werden diesen Gedanken weit von sich weisen: Wir leben doch in

    einer Welt voller faszinierender Möglichkeiten, wir können unser Leben in Freiheit selbst

    gestalten und lassen uns nicht einreden, dass wir Gefangene sind und einen Erlöser brauchen.

    Es ist immerhin eine unabweisliche Tatsache, dass die Idee vom Glück der Menschen in allen

    Kulturen an das Bild von der Rettung geknüpft ist. Die Mythen und Märchen sind voll von

    den Themen "Erlösung", "Befreiung" und "Verwandlung".

    Das Schlüsselerlebnis des Volkes Israel – bis heute: der Exodus!

    Das Wort "Rettung" oder "Erlösung" kommt in der Heiligen Schrift mehr als 500-mal

    vor.

    Die Psalmen, die wir heute noch beten und die eine Glaubenserfahrung von dreitausend Jah-

    ren widerspiegeln, sind oft nichts anderes als ein Schrei nach Rettung und Befreiung:

    "Herr, ich suche Zuflucht bei dir. Lass mich doch niemals scheitern; rette mich in deiner Ge-

    rechtigkeit! Wende dein Ohr mir zu, erlöse mich bald! Sei mir ein schützender Fels, eine feste

    Burg, die mich rettet." (Ps.31,2).

    Und in einem anderen Psalm: "Herr, entreiß mich den Feinden! Zu dir nehme ich meine

    Zuflucht… Um deines Namens willen, Herr, erhalt mich am Leben, führe mich heraus aus der

    Not in deiner Gerechtigkeit!" (Ps.143). So geht es endlos weiter…

    Kein Wunder also, dass ich mir die Frage stelle: Entspricht diese hier artikulierte Not noch

    unserem heutigen Lebensgefühl? Erfährt sich der heutige Mensch wie einer, der in eine Glet-

    scherspalte gefallen ist, erfüllt vom Bewusstsein der Ohnmacht? Gibt es da ein Dunkel, von

    dem alle Menschen umfangen sind? Ist die Depression, die den Menschen nicht selten wie

    eine finstere Wolke befällt, nur eine subjektive Wahrnehmung oder Ausdruck einer realen

    Verfinsterung seiner Seele?...

    Wie reagiere ich, wenn mich ein eifernder Straßen-Apostel anspricht und fragt, ob ich geret-

    tet werden möchte?

    Zur Zeit Jesu trieb diese Frage die Menschen um. Sie suchten nicht nur politische Befreiung,

    sondern auch Erlösung für ihre Seelen.

    Bei Lukas lesen wir im Kapitel 13 (Lk.13,22-30):

    In jener Zeit zog Jesus auf seinem Weg nach Jerusalem von Stadt zu Stadt und von Dorf zu

    Dorf und lehrte. Da fragte ihn einer: Herr, sind es nur wenige, die gerettet werden? Er sagte

    zu ihnen: Bemüht euch mit allen Kräften, durch die enge Tür zu gelangen; denn viele, sage

    ich euch, werden versuchen hineinzukommen, aber es wird ihnen nicht gelingen. Wenn der

    Herr des Hauses aufsteht und die Tür verschließt, dann steht ihr draußen, klopft an die Tür

    und ruft: Herr, mach uns auf! Er aber wird euch antworten: Ich weiß nicht, woher ihr seid.

    Vielleicht müsste man von zweierlei Rettung sprechen: von der Befreiung aus der Macht

    des Bösen und von der Befreiung aus der Macht des Todes. Schuld und Tod sind Formen von

    Gefangensein, aus denen sich der Mensch aus eigener Kraft nicht befreien kann. Kein Arzt

    kann zu seinem Patienten sagen "Deine Schuld ist getilgt, Deine Sünde vergeben" oder gar:

    "Ich verschreibe dir ein Rezept für unvergängliches Leben".

  • 15

    Unter den Zuhörern Jesu gab es allerdings viele, die von dem Wahn besessen waren, aus

    eigener Leistung und Selbstgerechtigkeit die Mauer ihres Schuldgefängnisses überwinden zu

    können. Sie brauchten dazu keinen Befreier und Retter. Denn sie hatten sich selbst ein System

    für Schuldentsorgung geschaffen, - sie hatten das religiös-gesellschaftliche Areal mit einem

    Wald von Vorschriften und Regeln bepflanzt, an die man sich peinlich genau zu halten hatte,

    um gerecht zu sein.

    Das Ergebnis ist bekannt: der Gesetzesfanatiker verirrt sich so hoffnungslos im Dschungel

    seiner Satzungen und Gebote, dass er sich dabei in noch schlimmere Schuld verstrickt, die mit

    fataler Blindheit einhergeht: das ist die Selbstgerechtigkeit. –

    Bleibt allerdings immer noch die Frage: ist "Befreiung aus Schuld" noch ein Thema für den

    modernen Menschen? Würde heute noch jemand an Jesus die Frage richten: Wie kann ich

    gerettet werden?

    April 2008: Gesundheitskongress in Kassel. Prof Zulehner: "Was den Menschen krank

    macht, ist die Vertröstung auf das Diesseits….

    Mir scheint, der moderne Mensch hat sich längst mit der Endlichkeit und Begrenztheit seines

    irdischen Lebens abgefunden, - vielleicht weniger bewusst, aber faktisch hat er sich damit so

    arrangiert, dass er von den materiellen Dingen sein ganzes Glück erwartet. Und wer dann

    noch von Schuld und Sünde oder gar vom ewigen Leben redet, wird schnell als Moralist oder

    Spielverderber verspottet.

    Bsp. Ein Jugendlicher fragt: Warum ist die Kirche gegen empfängnisverhütende Pille und

    gegen Einnahme von Drogen?

    Gegenfrage: Nicht die Kirche fragen sondern Deinen Körper und Deine Seele: Was sagt Dein

    Körper dazu? Was sagt Deine Seele??

    Man muss sich also zunächst einmal darüber klar sein, dass jede Form von Schuld ge-

    gen die Natur des Menschen gerichtet ist, - also Wunden hinterlässt und krank macht, -

    nicht erst in der Ewigkeit. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass die Zunahme an seelischen

    oder psychosomatischen Krankheiten mit der Entchristlichung unserer Gesellschaft Hand in

    Hand geht, und auch bekennende Christen nicht mehr das Angebot von Sündenbekenntnis

    und Vergebung kennen oder in Anspruch nehmen.

    Die Frage nach der "Rettung" steht zwar heute noch im Raum. Allerdings machen die

    Menschen sehr oft den Fehler, die Hilfe in der Erweiterung des vorhandenen Raums zu su-

    chen. Beim Thema Ethik heißt das etwa: neue Freiräume schaffen oder bisherige Freiräume

    ausdehnen, Zwänge abbauen, Tabus brechen, Grenzen überschreiten und bestehende Ordnun-

    gen umwerfen, sofern sie das Leben einengen: - das macht frei!

    Im Blick auf die ebenso dringliche Frage "wer rettet mich aus dem Tod?" sucht der

    Mensch ebenso die Antwort in der Ausdehnung der vorhandenen Lebenszeit, also in der Ver-

    längerung des physischen Lebens. Die fortschrittliche Medizin – bis hin zur Intensivmedizin –

    bietet dazu erstaunliche, wenn auch kostenaufwändige, Möglichkeiten. Der Traum von der

    Überlistung des Todes spukt noch in vielen Köpfen.

    Ich erinnere mich an die Zeit, als ich noch Gefängnisseelsorger war. Damals versuchte ich

    zu vermitteln: Freiheit wird nicht gefunden in der Horizontalen sondern allein in der Verti-

    kalen…:

  • 16

    Richtet doch einmal beim Hofspaziergang euren Blick in die Höhe. Dort habt ihr die unendli-

    che Weite des Himmels. Dort ist eure wahre Freiheit zu finden.

    (Etty Hillesum) Diese Worte, die manchem Zuhörer wie Zynismus klingen mochten, fand ich

    bestätigt in den Tagebuchaufzeichnungen der jüdischen Studentin Etty Hillesum, die 1943 im

    Konzentrationslager Auschwitz ermordet wurde. Während des Zweiten Weltkrieges erlebte

    sie in Amsterdam, wie der Lebensraum der Juden von Tag zu Tag auf unmenschliche Weise

    eingeschränkt wurde: Juden durften nicht in "arischen" Geschäften einkaufen, durften sich auf

    keine Parkbank setzen, durften keine öffentlichen Verkehrsmittel benutzen, - sie durften

    schließlich nur noch auf besonders markierten Wege gehen. Während die jüdische

    Bevölkerung angesichts der herannahenden Vernichtung mehr und mehr in Angst und Panik

    gerät, vermerkt Etty Hillesum in ihrem Tagebuch: "Auch wenn uns nur eine enge Straße

    bleibt, auf der wir gehen dürfen, steht über dieser Straße doch der ganze Himmel." (116) Und

    an anderer Stelle: "Ein kleines Stück Himmel wird wohl immer zu sehen sein, und so viel Platz

    wird immer um mich sein, dass meine Hände sich zum Gebet falten können." (152)

    Etty Hillesum hatte die dritte Dimension entdeckt: den Himmel. Allein von hier – wenn

    man es topographisch sagen will: aus der Vertikalen – kommt die wahre Freiheit, die Rettung

    aus jeder Enge, - auch die Rettung aus Sünde und Tod.

    Wenn ich solche erstaunlichen Worte lese, wie sie das Tagebuch der Etty Hillesum enthält,

    dann kommt mir der Verdacht, dass Jesus die Antwort auf die Frage "Herr, sind es nur we-

    nige, die gerettet werden?" mit einiger Ironie gewürzt hat, - so dass sie etwa mit einer kleinen

    Akzentverschiebung folgendermaßen gelesen werden müsste: "Bemüht euch nur mit allen

    Kräften, durch die enge Tür zu gelangen; ihr werdet doch nichts erreichen. Denn viele, sage

    ich euch, werden versuchen hineinzukommen, aber es wird ihnen nicht gelingen. Wenn der

    Herr des Hauses aufsteht und die Tür verschließt, dann steht ihr draußen und klopft verge-

    bens…"

    Nicht nur die Zeitgenossen Jesu, - auch unsere Zeitgenossen heute suchen – wie der Ge-

    fängnis-Ausbrecher – oft in der falschen Dimension, nämlich in der horizontalen Richtung,

    um Befreiung aus Schuld und Tod zu finden. Das bedarf einer riesigen Investition von kör-

    perlicher und seelischer Kraft, von Geld, von Zeit und Hoffnung. Doch diese Hoffnung wird

    notwendig enttäuscht, denn der Mensch stößt immer wieder an seine Grenzen, spätestens an

    die Grenze des Todes, und ist am Ende der Verzweiflung preisgegeben.

    Also bleiben zwei Möglichkeiten:

    Entweder ich verdränge meine Sehnsucht nach Rettung und Befreiung, erkläre die Wüste zum Paradies, lebe in den Tag hinein, genieße das Leben und frage nicht nach dem Ende,

    oder ich halte Ausschau nach der Hand, die mich der horizontalen, also sterblichen, Welt entreißen kann, um mir ein Leben in Fülle zu geben, das mir kein materieller Wohlstand

    bieten kann.

    Für diese zweite Variante ist Jesus Christus angetreten. Er verspricht kein irdisches Para-

    dies, verbreitet keine großen Parolen, sondern schenkt der gedemütigten Menschheit, - den

    geistig Armen –, seine wunderbaren Verheißungen: Den Armen verkündet er die Botschaft

    vom Heil, den Gefangenen Freiheit, den Trauernden Freude.

    Jesus war der erste und einzige, der mit Vollmacht sagen konnte "Deine Sünden sind dir

    vergeben!" (Der gelähmte in Kafarnaum, die Sünderin, der Schächer am Kreuz…)

  • 17

    Die Lehre Christi begründet eine Religion für die Armen, für alle die zu schwach sind, die

    Gebote zu halten, die aber die Hoffnung auf Erlösung noch nicht verloren haben. Darum darf

    man getrost seine aufgeklärte Gescheitheit, seine durchtriebene Schlauheit und sein aufge-

    blähtes Wissen - ich meine den menschlichen Stolz – beiseite tun, sich der glanzlosen Herde

    der Christen anschließen und die Hand ergreifen, die sich jedem Menschen zur Rettung aus

    dem dunklen Stollen von Schuld und Verlorenheit bietet.

    Ich möchte diese Betrachtung mit einem Gebet von Karl Bernhard Ritter beschließen:

    Herr, Du willst zu uns kommen und uns heimsuchen mit deiner Wahrheit und Freude.

    Wir aber haben Dein Kommen vergessen.

    Wir haben Deiner nicht geachtet und uns verloren an die vergänglichen Dinge.

    Wir haben unsere Tage vertan wie ein Geschwätz.

    Wir haben Dein Rufen überhört und uns nicht für Dein Kommen bereitet.

    Führe uns, Herr, aus diesem Elend in die Heimat,

    aus der Nacht dieser Zeit in Deinen ewigen Tag. Amen.

    Fünfte Einheit

    "Jesus" oder "Christus"

    Von vornherein sei daran erinnert: über die Gottheit Jesus gibt es keine wissenschaftliche

    Aussage, auch keine Forschungsmethode...!! Nur der Glaube kann Auskunft geben! Vgl.

    1Kor.12,3: "Keiner kann sagen 'Jesus ist der Herr', außer im Heiligen Geist"!

    Wir erinnern uns an das Bekenntnis des Petrus Mt.16,16: "Du bist der Christus, der Sohn

    des lebendigen Gottes!" - Jesus bestätigt: "Selig bist du, Simon Barjona; denn nicht Fleisch

    und Blut haben dir das offenbart, sondern mein Vater im Himmel."

    Das Wort des Petrus ist endgültig und vorläufig zugleich:

    Endgültig: weil es keiner Ergänzung bedarf. Es ist sogar zeitlos gültig!: objektiv! = hängt

    nicht von meinem Glauben ab!!

    Vorläufig: weil wir uns – wie Petrus! – in den tiefen Sinn des Wortes erst hineinglauben

    müssen!: subjektiv!

    Wer ist der "Christus"?: Er ist der Gott und Mensch zugleich (in der Wüste versucht - auf

    den Berg verklärt), der Messias, der von sich sagen kann: "Ehe Abraham war, bin ich!"

    Joh.8,58 und "Mir ist alle Macht gegeben im Himmel und auf Erden..." Mt.28,18.

    Wenn das wirklich stimmt: dann hat das gewaltige Konsequenzen!!

    Ganz abgesehen davon, dass Christus die Mitte des Kosmos und der Geschichte wäre:

    ER wäre auch unser einziger Bezugspunkt! Unser Leben hat nur Sinn, weil es IHN gibt! Seinen Willen zu tun, wäre unsere einzige Lebensaufgabe!

    Bsp.: das Meditationsbild von Bruder Klaus!: der Interpretationsschlüssel ist das Gesicht

    in der Mitte!: der unsichtbare Gott!:

    Schöpfung = Sakrament (nicht bloße Materie) Verkündigung und Geburt = Wirken des Hl. Geistes: "Jungfrau" (nicht Mythologie!)

  • 18

    Gefangennahme und Tod = Erlösung (nicht nur ein Vorbild) Eucharistie = lebendige Gegenwart Christi (nicht nur Mahl).

    Kein Wunder, dass gerade der Glaube an den "Christus" immer wieder heiß umstritten

    war!

    1Joh.2,18-25:

    "Meine Kinder, es ist die letzte Stunde. Ihr habt gehört, dass der Antichrist kommt, und jetzt

    sind viele Antichriste gekommen. Daran erkennen wir, dass es die letzte Stunde ist. Sie sind

    aus unserer Mitte gekommen, aber sie gehörten nicht zu uns... Wer ist der Lügner - wenn

    nicht der, der leugnet, dass Jesus der Christus ist? Das ist der Antichrist: wer den Vater und

    den Sohn leugnet. Wer leugnet, dass Jesus der Sohn ist, hat auch den Vater nicht; wer

    bekennt, dass er der Sohn ist, hat auch den Vater. Für euch gilt: Was ihr von Anfang an

    gehört habt, soll in euch bleiben; wenn das, was ihr von Anfang an gehört habt, in euch

    bleibt, dann bleibt ihr im Sohn und im Vater. Und seine Verheißung an uns ist das ewige

    Leben."

    1Joh.5,1-6:

    "Jeder, der glaubt, dass Jesus der Christus ist, stammt von Gott, und jeder, der den Vater

    liebt, liebt auch den, der von ihm stammt... Wer sonst besiegt die Welt, außer dem, der glaubt,

    dass Jesus der Sohn Gottes ist?"

    Christologische Irrlehren: bzgl. Doppelnatur Jesu:

    …finden sich schon in der hl. Schrift: Gal.3,1-3: "Ihr unvernünftigen Galater, wer hat euch verblendet? Ist euch Jesus Christus

    nicht deutlich als der Gekreuzigte vor Augen gestellt worden? Dies eine möchte ich von euch

    erfahren: Habt ihr den Geist durch die Werke des Gesetzes oder durch die Botschaft des

    Glaubens empfangen? Seid ihr so unvernünftig? Am Anfang habt ihr auf den Geist vertraut,

    und jetzt erwartet ihr vom Fleisch die Vollendung."

    Dualismus: Gnostizismus (geht auf Platon zurück) Manichäismus (3. Jh.) ist die Ursache

    der frühchristlichen Irrlehren! Die beiden Lösungsversuche:

    Christus nur Mensch: Arianismus, Pelagianismus (Moralismus!)...: dann ist er nur Vorbild und Weisheitslehrer, - aber kein Erlöser: weil er nur menschliche Taten

    vollbringen konnte!

    Christus nur Gott: Doketismus...: also war die Menschwerdung incl. Passion ein frommes Theater, nicht aber die liebende Hingabe des sich entäußernden Gottes (Phil.2)!

    Diese Strömungen waren meist keine Gruppen ~ Sekten ~ Konfessionen, sondern bildeten

    und bilden gefährliche Modetrends innerhalb der Kirche – auch heute!

    Heutige Spielarten:

    Christus bloßes Vorbild, religiöses Genie! Sundar Singh: "Christus will uns nicht nur belehren, nicht nur ein Vorbild sein, er will in uns leben, will für uns die Quelle eines

    neuen Lebens sein."

    Politisches oder soziologisches Christentum: Änderung der gesellschaftlichen oder strukturellen Verhältnisse! Sundar Singh: "Ohne die Gottheit Christi hat das Christentum

    keine Botschaft mehr; es ist dann nicht mehr als eine Sittenlehre wie der Buddhismus."

    Christus als Therapeut und Schamane!...neben anderen! Sundar Singh: "Wenn wir das innerste Wesen Christi, seine Gottheit, verwerfen, so ist diese Art Christentum nicht besser

  • 19

    als der Hinduismus. Ihr mögt das heißen, wie ihr wollt: Rationalismus, neue Theologie

    oder neue Religion - es hat keinen Wert, es ist schlimmer als das Heidentum."

    Lehre vom Karma und der Reinkarnation! Dann braucht es keinen Erlöser!!!

    Psychologismus: bloße pädagogische Anwendung der hl. Schrift! Sundar Singh: "Wir können verstehen, was man von Christus sagt, wenn wir Bücher lesen, aber ihn selbst

    können wir nur durch Gebet kennenlernen." ~ Jesus: "Für wen halten die Leute den

    Menschensohn?

    ...Für wen haltet ihr mich?"!!

    Religion = Psychose, Sünde = Abartigkeit (z.B. Angst: Drewermann)!

    ...also bleibt: der bloß historische Jesus!???

    Dagegen:

    Tersteegen: "Sehet dies Wunder, wie tief sich der Höchste hier beuget; sehet die Liebe, die

    endlich als Liebe sich zeiget: Gott wird ein Kind, träget und hebet die Sünd. Alles anbetet und

    schweiget."

    Bsp.: Sundar Singh (gibt wie Tersteegen Antwort auf die Frage: kann sich Gott mit dieser

    sündigen Menschheit in Berührung bringen?): "Ein heidnischer König hatte einen tüchtigen

    Minister, der Christ wurde. Dem König war das unverständlich, dass Gott als Mensch gelebt

    haben und eines ehrlosen Todes gestorben sein sollte; er sagte: 'Wenn ich will, dass etwas

    geschieht, dann gebe ich einem Diener den Befehl, und das genügt! Warum sollte also der

    König der Könige selbst in die Welt kommen?' Der Minister: 'Gebt mir 24 Stunden Zeit, dann

    will ich Euch Antwort geben!' Er ließ eine Puppe anfertigen, die aussah und gekleidet wurde

    wie das zweijährige Kind des Königs. Als am nächsten Tag der König mit dem Boot eine

    Ausfahrt machte, ließ der Minister die Puppe ins Wasser werfen. Der König sah sie

    hineinfallen und glaubte, sein Kind sei am Ertrinken. Sofort sprang er ins Wasser. Der

    Minister fragte sodann: 'Warum wolltet Ihr das Kind selber retten, wo doch ein Wort an einen

    Diener genügt hätte?' Der König: 'Es ist das Herz des Vaters, das so handeln musste.' So

    hatte sich der König selbst die Antwort gegeben."

    Das Bekenntnis des Petrus ist also kein belangloses Wort, sondern eine Lebensfrage für

    unsere Kirche!

    Es braucht ein christologisches Gleichgewicht: Christus wahrer Gott und wahrer Mensch!

    Wer Christus nicht als Gott bekennt, kann auch die Kirche nicht mehr verstehen! Es ist ein

    Unterschied:

    ob die Kirche ein Verein von Menschen ist, die das Ideal des Jesus zu ihrem machen (Organisation!), entsprechend interpretieren und der Zeit anpassen: dann können auch

    verschiedene Interpretationen nebeneinander stehen. Christentum wäre dann ein

    Lebensstil, ein Programm, ein Ideal, eine Moral....: "die Sache Jesu"!!

    …oder ob Jesus auferstanden ist, aber nicht auf der fernen "Wolke 7" lebt, sondern unter uns, - und zwar als der Weinstock, dessen Triebe wir sind! Das bedeutet Lebenseinheit

    mit IHM, dem Absoluten, zugleich ein relatives Sein der Glieder! Dann wäre die Kirche

    die Verbundenheit aller zu einem Organismus! Dann wäre ER heute noch der Wirkende

    und der Lehrende!

    Bsp.: Thomas Masaryk (†1937), der erste Gründer der tschechoslowakischen Republik (1918), konvertierte vom Katholizismus zur Union der böhmischen Brüder: für Masaryk war

    Christus nicht mehr der Sohn Gottes, sondern nur Prophet, der vollkommenste Mensch, - aber

    nur Mensch! Begründung: "Wenn er Gott ist, dann ist es nur logisch, dass der Bischof von

    Rom die Unfehlbarkeit besitzt." – Dann gäbe es keine Möglichkeit der Interpretation!

  • 20

    Wenn wir genau hinschauen:

    die Kirchenkrise heute ist eine "Christus"-Krise! Der Grund der "Christus"-Krise ist der Stolz: Autonomiestreben...!

    Sundar Singh: "Es gibt viele, die Christus nur aus der Theologie kennen oder unter einem

    geschichtlichen Gesichtspunkt. Sie haben keine Zeit, mit ihm umzugehen, und sie kennen ihn

    nicht. Deshalb wagen sie es, seine Gottheit zu leugnen. Es ist ihnen unmöglich, die Gottheit

    Christi in Jesus zu sehen. Aber frage die, welche mit ihm leben, wer Jesus Christus ist. Der

    lebendige Christus hat ihr Leben in einer so wunderbaren Weise verwandelt, dass sie auf

    Erden schon im Himmel weilen."

    Petrus dagegen: "Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes!"

    Paulus beschreibt die Kirche als fortlebenden Christus: ER das Haupt, die Kirche der Leib,

    wir die Glieder. Die Kirche muss vom Christus-Leben durchpulst sein!: Gebet!

    Kardinal Meisner: "Wenn die Kirche permanent ihr inneres Glaubenskonto überzieht und

    sich hineindehnt in Aufgaben, die von ihrem Christusglauben nicht mehr abgedeckt und

    getragen werden, muss sie degenerieren zu einem humanitären Verein."

    Bsp.: Die Säkularisation: weil der Kirche ihre materiellen Güter und Privilegien geraubt

    wurden, konnte eine eine neue geistliche Blüte entstehen! Denn das, was die Kirche zu geben

    hat, hat sie von Christus empfangen! Wenn sie aber nichts mehr von Christus hat, dann kann

    sie der Welt auch nichts geben!

    Für das persönliche Leben: die Bedeutung des lebendigen Christus! Sundar Singh dazu:

    "Wenn man mich fragt, was hat dich zum Christen gemacht, so muss ich sagen: nicht die

    Bibel, sondern Christus selbst: ich habe ihn erlebt und kenne ihn aus meiner persönlichen

    Erfahrung."

    "Selbst wenn die Bibel verschwände, könnte niemand mir meinen Frieden rauben, weil

    Christus immer noch da ist."

    "Viele Christen bleiben wie Maria Magdalena bei dem offenen Grab stehen, doch den

    lebendigen Christus kennen sie nicht." Jedoch: "Es ist der lebendige Christus, der das

    Christentum ausmacht. Ansonsten hätte das Christentum der Welt nichts zu geben!"

    Also: wenn Jesus nicht der Christus ist:

    dann ist die gesamte "sakramentale Ordnung" aufgehoben (Verbindung von Materie und

    Hl. Geist), die ihren Ursprung hat im Kreuzesblut Christi, das in die Erde eingedrungen ist!:

    dann ist die Kirche nur ein Verein... dann ist die Taufe nur ein Aufnahmeritus... dann ist die Eucharistie nur Erinnerung, Fronleichnam Folklore...Magie... dann ist der Priester nur ein Gemeindeleiter... dann ist die Beichte ein therapeutisches Gespräch... dann ist die Ehe nur eine rechtliche Einrichtung...

    Zum Schluss lassen wir Romano Guardini fragen:

    "Was für eine Gotteswirklichkeit ist es, die aus Jesus und seinem Schicksal hervortritt? Aus

    der Gestalt des Sokrates redet die Erhabenheit des Philosophisch-Höchsten; aus den

    griechischen Mythen die Göttlichkeit der Lichthöhe oder der Erdtiefe; aus der indischen

    Gestaltenwelt das hinter allem webende All-Eine... - Was spricht aus der Existenz Jesu? Was

  • 21

    für ein Gott wird in diesem Jesus deutlich, der so jammervollen Misserfolg hat? Der keine

    anderen Genossen findet, als diese Fischer? Der gegen diese Kaste von Politikern und

    Theologen unterliegt? Dem der Prozess gemacht, und der als Schwarmgeist und Aufwiegler

    erledigt wird? …Und wir machen uns doch klar, dass Gott nicht nur einem Menschen erfüllt,

    begeistert, erschüttert, sondern dass er selbst 'gekommen' ist (Joh.1,11)... in Person!?...Wie

    geht das mit dem wirklichen Gott-Sein zusammen?

    Du denkst falsch, erwidert das Christentum...Anders musst du denken, anders fragen.

    Folgendermaßen: Da Jesus ist, wie er ist,...wie ist dann der Gott, der sich darin

    offenbart?...der Gott und Vater Jesu Christi?"

    Sechste Einheit

    Jesus Christus: was sagt Jesus über sich selbst?

    Ernst Ginsberg (+1964, war jüdischer Schauspieler, konvertierte zum Katholizismus): "Ein

    Mensch, der Worte sagt wie 'Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden

    nicht vergehen', - Worte, denen sich viele entsprechende an die Seite stellen lassen, zugleich

    auch Worte, wie sie niemals einer der Propheten von sich zu sagen gewagt hat -, ein solcher

    Mensch wäre nur als größenwahnsinnig zu bezeichnen, wozu die ganze, zugleich gewaltige

    und demütige Erscheinung Christi in lebendigem Widerspruch steht. Es bleibt also sogar vom

    rein rationalen Standpunkt aus, vorausgesetzt, dass man vom Wesen Christi in Liebe ergriffen

    ist, keine andere Wahl, als ihm seinen Anspruch, Gottes Sohn zu sein, schlicht zu glauben."

    Wir müssen also ganz klar unterscheiden:

    objektive und subjektive Wahrheit!:

    Bsp.: a. eine Medizin muss objektive Heilkraft haben, -

    b. …dann muss der Kranke an ihre Wirkung glauben und

    c. sie selbst einnehmen.

    Der bloße subjektive Glaube nützt so wenig wie die bloße objektive Wahrheit!

    Jesu "Ich bin" – Aussagen sind von großer Bedeutsamkeit!

    Bsp.: Joh.8,58: " Noch ehe Abraham wurde, bin ich."

    Martin Buber ("Die Erzählungen der Chassidim S.326)

    Ein Schüler des großen Maggids hatte etliche Jahre dessen Unterweisung empfangen und

    gedachte heimzukehren. Unterwegs besann er sich, er wolle in Karlin Rabbi Ahron

    aufsuchen, der vordem im Lehrhaus des Maggids sein Gefährte gewesen war. Es ging auf

    Mitternacht, als er die Stadt betrat; aber sein Verlangen nach dem Anblick des Freundes war

    so groß, dass er sich sogleich zu dessen Haus wandte und an das erleuchtete Fenster klopfte.

    "Wer ruft?" hörte er die vertraute Stimme fragen und antwortete, da er gewiss war, dass auch

    die seine erkannt würde, nichts als: "Ich!" Aber das Fenster blieb verschlossen, und von

    innen kam kein Laut mehr, ob er auch wieder und wieder pochte. Endlich schrie er bestürzt:

    "Ahron, warum öffnest du mir nicht?" Da entgegnete ihm die Stimme seines Freundes, aber so

    ernst und groß, dass sie ihn fast fremd dünkte: "Wer ist es, der sich vermisst, sich ICH zu

  • 22

    nennen, wie es Gott allein zusteht?" Als der Schüler dies vernahm, sprach er in seinem

    Herzen: "Meine Lehrzeit ist noch nicht um", und kehrte unverweilt nach Mesritsch zurück.

    1. "Ich bin das Licht der Welt! (Joh.8,12-14)

    Bsp.: Höhlengleichnis von Plato (aus seinem Werk "Politeia"):

    Platon beschreibt eine unterirdische, höhlenartige Behausung, von der aus ein breiter Gang

    zur Erdoberfläche führt. In der Höhle leben Menschen, die dort ihr ganzes Leben als

    Gefangene verbracht haben. Sie sind sitzend an Schenkeln und Nacken so festgebunden, dass

    sie immer nur nach vorn auf die Höhlenwand blicken und ihre Köpfe nicht drehen können.

    Daher können sie den Ausgang, der sich hinter ihren Rücken befindet, nie erblicken und von

    seiner Existenz nichts wissen. Auch sich selbst und die anderen Gefangenen können sie nicht

    sehen; das Einzige, was sie je zu Gesicht bekommen, ist die Wand. Erhellt wird die Höhle von

    einem großen, fernen Feuer, das oben auf der Erde brennt und dessen Licht durch den Gang

    hineinscheint. Die Gefangenen sehen nur das Licht, das die Wand beleuchtet, nicht aber

    dessen Quelle. Auf der Wand sehen sie ihre Schatten.

    Auf der Erdoberfläche befindet sich zwischen dem Höhleneingang und dem Feuer eine kleine

    Mauer, die nicht so hoch ist, dass sie das Licht des Feuers abschirmt. Längs der Mauer tragen

    Menschen unterschiedliche Gegenstände hin und her, Nachbildungen menschlicher Gestalten

    und anderer Lebewesen aus Stein und aus Holz. Diese Gegenstände ragen über die Mauer

    hinaus, ihre Träger aber nicht. Manche Träger unterhalten sich miteinander, andere

    schweigen.

    Da die bewegten Gegenstände auf die Höhlenwand, der die Gefangenen zugewendet sind,

    Schatten werfen, können die Höhlenbewohner die bewegten Formen schattenhaft

    wahrnehmen. Von den Trägern ahnen sie aber nichts. Wenn jemand spricht, hallt das Echo

    von der Höhlenwand so zurück, als ob die Schatten sprächen. Daher meinen die Gefangenen,

    die Schatten könnten sprechen. Sie betrachten die Schatten als Lebewesen und deuten alles,

    was geschieht, als deren Handlungen. Das, was sich auf der Wand abspielt, ist für sie die

    gesamte Wirklichkeit und schlechthin wahr. Sie entwickeln eine Wissenschaft von den

    Schatten und versuchen in deren Auftreten und Bewegungen Gesetzmäßigkeiten festzustellen

    und daraus Prognosen abzuleiten. Lob und Ehre spenden sie dem, der die besten Voraussagen

    macht.

    Nun bittet der Philosoph sich vorzustellen, was geschähe, wenn einer der Gefangenen

    losgebunden und genötigt würde, aufzustehen, sich umzudrehen, zum Ausgang zu schauen

    und sich den Gegenständen selbst, deren Schatten er bisher beobachtet hat, zuzuwenden.

    Diese Person wäre schmerzhaft vom Licht geblendet und verwirrt. Sie hielte die nun in ihr

    Blickfeld gekommenen Dinge für weniger real als die ihr vertrauten Schatten. Daher hätte sie

    das Bedürfnis, wieder ihre gewohnte Position einzunehmen, denn sie wäre überzeugt, nur an

    der Höhlenwand sei die Wirklichkeit zu finden. Gegenteiligen Belehrungen eines

    wohlgesinnten Befreiers würde sie keinen Glauben schenken.

    Wenn man den Befreiten nun mit Gewalt aus der Höhle schleppte und durch den unwegsamen

    und steilen Aufgang an die Oberfläche brächte, würde er sich dagegen sträuben und wäre

    noch verwirrter, denn er wäre vom Glanz des Sonnenlichts geblendet und könnte daher

    zunächst gar nichts sehen. Langsam müsste er sich an den Anblick des Neuen gewöhnen,

    wobei er erst Schatten, dann Spiegelbilder im Wasser und schließlich die Menschen und

    Dinge selbst erkennen könnte. Nach oben blickend würde er sich erst mit dem Nachthimmel

    vertraut machen wollen, später mit dem Tageslicht, und zuletzt würde er es wagen, die Sonne

    unmittelbar anzusehen und ihre Beschaffenheit wahrzunehmen. Dann könnte er auch

    begreifen, dass es die Sonne ist, deren Licht Schatten erzeugt. Nach diesen Erlebnissen und

    Einsichten hätte er keinerlei Bedürfnis mehr, in die Höhle zurückzukehren, sich mit der

  • 23

    dortigen Schattenwissenschaft zu befassen und dafür von den Gefangenen belobigt zu

    werden.

    Sollte er dennoch an seinen alten Platz zurückkehren, so müsste er sich erst wieder langsam

    an die Finsternis der Höhle gewöhnen. Daher würde er einige Zeit bei der dort üblichen

    Begutachtung der Schatten schlecht abschneiden. Daraus würden die Höhlenbewohner

    folgern, er habe sich oben die Augen verdorben. Sie würden ihn auslachen und meinen, es

    könne sich offenbar nicht lohnen, die Höhle auch nur versuchsweise zu verlassen. Wenn

    jemand versuchte, sie zu befreien und nach oben zu führen, würden sie ihn umbringen,

    wenn sie könnten.

    Ein frühes Gleichnis von Christus, dem verspotteten Licht-Bringer!!

    Was ist also die Wirklichkeit? Schatten oder Licht?

    Jes.9,1: "Das Volk, das im Finstern wandelte, sieht ein großes Licht..."

    Die Urfrage der Menschheit: Jes.21,11: "Wächter, wie lange noch dauert die Nacht?" Vgl.

    "Menschen auf dem Weg durch die dunkle Nacht..."

    Wenn Jesus sagt "Ich bin das Licht", dann erinnert er an die atl. Aussagen über Gott!: "Der

    Herr ist mein Licht und mein Heil" (Ps.27,1).

    Vgl. 1Joh.1,5: "Gott ist Licht, und keine Finsternis ist in ihm.": Christus sagt also von sich

    etwas Ungeheuerliches!

    Die Besonderheit des Lichts: es strahlt und leuchtet ohne Kommentar:

    Das Licht braucht keinen Kommentar, braucht sich nicht selbst anzupreisen: sein bloßes Dasein genügt!

    Das Licht braucht nicht einmal zu wissen, dass es leuchtet!!

    Joh.1,4-11: (andere Übersetzung): "Er kam in sein Eigentum, aber man lieferte sich ihm nicht

    aus."

    Joh.5,35: Jesus über Johannes d.T.: "Jener war eine Lampe, die brennt und leuchtet, und ihr

    wolltet euch eine Zeitlang an seinem Licht erfreuen..."

    Mt.5,13: Bergpredigt: "Ihr seid das Licht der Welt...So soll euer Licht vor den Menschen

    leuchten, damit sie eure guten Werke sehen und euren Vater im Himmel preisen."

    Also: selbst entzündet werden!: eigentliche und einzige Berufung: "Photizomenoi"

    ("Erleuchtete" – so nannte man in der frühen Kirche die Neu-Getauften!).

    Bsp.: jemand rennt bei Dunkelheit gegen eine Laterne: wenn sie leuchtete, wäre sie ein

    Wegweiser, weil sie dunkel ist, wird sie zum Hindernis!

    Eph.5,8f: "Einst wart ihr Finsternis, jetzt seid ihr durch den Herrn Licht geworden. Lebt als

    Kinder des Lichtes! Das Licht bringt hervor: Güte, Gerechtigkeit, Wahrheit."

    2. Joh.14,6: "Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben"

    Ginsberg: Entweder ist Jesus ein Verrückter, oder das Wort ist wahr!

    "Der Weg"

    "Weg" war im AT den Israeliten vertraut: besonders der Wüstenweg! Jeder Weg Ruhe!

    Vgl. Russisches Sprichwort: "Was ist ein Weg wert, wenn er nicht zu einer Kirche führt?"

    Vgl. Hebr.10,19f: " Wir haben also die Zuversicht, Brüder, durch das Blut Jesu in das

    Heiligtum einzutreten. Er hat uns den neuen und lebendigen Weg erschlossen durch den

    Vorhang hindurch, das heißt durch sein Fleisch."

  • 24

    Frage an Ratzinger: Wie viele Wege gibt es zu Gott? - Antwort: "So viele, wie es Menschen

    gibt!"

    Ratzinger meint "Weg" im Sinn von "Methode"!

    Also: Es gibt viele Methoden, aber nur einen Weg!

    Bsp.: Apostelgeschichte (z.B. 9,2;18,25; 24,22;19,23): Christentum = "der neue Weg"

    Weg bedeutet auch: es gibt noch viel zu gehen!:

    Elia: "Du hast noch einen weiten Weg vor dir!" (1 Kön.19,7) Paulus: "Nicht dass ich es schon erreicht hätte, aber ich strecke mich danach aus..."

    (Phil.3,12-14).

    "Die Wahrheit"

    Das hebr. 'aman' (Amen) leitet sich von 'emet' (=Wahrheit) ab!: 'fest, sicher,

    vertrauenswürdig, für immer'. SEIN Gesetz und SEIN Wort ist "Licht und Wahrheit": sie

    verbürgen immerwährenden Fortbestand.

    Vgl. Offb.3,14: (An die Gemeinde in Laodizea): "An den Engel der Gemeinde in Laodizea

    schreibe: So spricht Er, der «Amen» heißt, der treue und zuverlässige Zeuge, der Anfang der

    Schöpfung Gottes"

    Wiederum Wachstum in der Wahrheit!: Voranschreiten bis zur vollen Erkenntnis Christi!

    (Eph.4,13, Phil.3,8):

    Joh.17: Hohepriesterliches Gebet: "Sie sind nicht von der Welt, wie auch ich nicht von der

    Welt bin. Heilige sie in der Wahrheit. Dein Wort ("Logos") ist Wahrheit!"

    Es gibt also eine Wahrheit der Welt: sie ist sogar in sich schlüssig!

    Das wird deutlich bei Joh.18,37f: "Pilatus sagt zu ihm: Also bist du doch ein König? Jesus

    antwortet: Du sagst es, ich bin ein König. Ich bin dazu geboren und dazu in die Welt

    gekommen, dass ich für die Wahrheit Zeugnis ablege. Jeder, der aus der Wahrheit ist, hört

    auf meine Stimme. Pilatus sagte zu ihm: Was ist Wahrheit?"

    Pilatus hatte also einen pragmatischen Wahrheitsbegriff!

    "Das Leben"

    "Leben" ist etwas Heiliges: Atem Gottes im Menschen!: mehr als der biologische Odem!

    Gott ist der "Quell des lebendigen Wassers" (Jr.2,13;17,13). Vgl. Dtn.30,19: "Den Himmel

    und die Erde rufe ich heute als Zeugen gegen euch an. Leben und Tod lege ich dir vor, Segen

    und Fluch. Wähle also das Leben!"

    Auch hier wieder die Doppeldeutigkeit des Wortes "Leben": "Wer sein Leben gewinnen will,

    wird es verlieren, wer aber das Leben um meinetwillen verliert, wird es gewinnen" (Mt.10,39;

    16,25).

    Mt.16,26: "Was nützt es dem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber sein

    Leben verliert?"

    Joh.10,10: "Ich bin gekommen, damit sie das Leben haben, und es in Fülle haben!" (= der

    Gute Hirt).

    Dazu gehört die wichtige "Ich-bin-Aussage" Joh.11,25: "Ich bin die Auferstehung und

    das Leben!"

    Diese Worte spricht er vor dem Grab, in das drei Tage zuvor ein Leichnam gelegt wurde!: Die

    Auferweckung des Lazarus = Kommentar zu den Worten Jesu! Jesus = Prinzip des

    "Lebens durch den Tod hindurch"!

  • 25

    3. "Ich bin der Gute Hirte" (Joh.10,11-16) - AT-Vorbilder: Abel, David!

    Jesus wurde in Bethlehem geboren, wo David Hirte war, - daher auch die Hirten auf dem

    Feld: der Gute Hirte wird geboren!

    Die Könige des AT = "Hirten des Volkes"! Von schlechten Hirten ist schon bei Ez.34 die Rede! Wer ist der Gute Hirt??:.....der sein Leben hingibt für die Schafe! Älteste Christus-Darstellungen (Katakomben): Guter Hirt! Jesus geht in allem seiner Herde voran Tod! Das Wort "Priester" kommt in Bezug auf Jesus nicht vor, - weil einseitig (z.T. negativ)

    besetzt, - erst im Hebräerbrief!

    Jesus wollte im umfassenden Sinn Priester sein: zunächst nicht kultisch, sondern im tiefsten und eigentlichen Sinn: Hirte und Lamm!

    4. "Ich bin das Brot des Lebens" (Joh.6, 32-35, 48-51)

    Brotvermehrung als "Aufhänger".

    Anknüpfung an AT-Vorbilder: Manna!

    Anknüpfung an die Sehnsucht der Menschen!

    Name "Beth-Lechem" (Haus des Brotes).

    Das Mißverständnis bei der Hörern: "Herr, gib uns immer diese Brot!" Joh.6,34.

    Was sagt das über Christus?

    Bsp.: Albert von Polen (+1916 Der "Penner-Heilige" von Krakau): "Man muss gut sein wie

    Brot. Gut wie das Brot auf dem Tisch – in Reichweite unserer Hand. Wer will, schneide ein

    Stück davon ab – das Brot ist für die Hungrigen. Ich betrachte den Herrn in der Eucharistie.

    Hat Seine Liebe jemals etwas Schöneres erfunden? Ist Er Brot, so lasst auch uns Brot sein!

    Geizig ist, wer nicht wie Er handelt. Lassen wir uns aufessen (wie Jesus in der Eucharistie)."

    sich verzehren lassen (passiv)

    Liebe als totale Hingabe (aktiv). "eine größere Liebe hat niemand..." Verschmelzung mit dem Leben des Menschen bräutliches Geheimnis¨~ himmlisches Hochzeitsmahl!

    5. "Ich bin der wahre Weinstock" (Joh.15,1-8)

    Papst Benedikt XVI am 22.9.2011 im Olympiastadion in Berlin: "Im Gleichnis vom

    Weinstock sagt Jesus nicht: „Ihr seid der Weinstock“, sondern: „Ich bin der Weinstock – ihr

    seid die Reben“

    Erinnerung an das Paradies: Baum des Lebens! So wie Jesus Hirte und Lamm ist, so auch Weinstock und Wein (Wein = zwei Naturen: ~

    Priester!)

    Jesus will sagen: Ich bin der Absolute, ihr seid "relativ": "getrennt von mir könnt ihr nichts vollbringen!" Jo.15,5.

    Jesus betont den sozialen Charakter der Gläubigen: Kirche als Zusammenwirken verschiedener Berufungen (~ Methoden!)!

    Wir müssen Frucht bringen, wenn wir sinnvoll leben wollen! Wir können nur Frucht bringen in engster Anbindung an IHN!: Freundschaft mir Jesus!

    Brot: Nahrung und Grund des Lebens

    Hirte: Hingabe des Lebens

    Weinstock: Gemeinschaft des Lebens

  • 26

    Siebte Einheit

    Der Heilige Geist - der Testamentsvollstrecker Jesu

    Der Hl. Geist ist "un-definierbar"! "finis" = Grenze. Das Wesen des Hl. Geist ist es, eben

    der Grenzenlose zu sein!

    Wir können deshalb nur "Wirkungen des Geistes" erkennen.

    Bsp.: Joh.3,8: "Der Wind weht, wo er will; du hörst sein Brausen, weißt aber nicht, woher er

    kommt und wohin er geht. So ist es mit jedem, der aus dem Geist geboren ist." –

    Mt.7,16f: "An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen... Jeder gute Baum bringt gute Früchte

    hervor, ein schlechter Baum aber schlechte."

    Gal.5.22f: die "Früchte des Geistes": "Die Frucht des Geistes aber ist Liebe, Freude, Friede,

    Langmut, Freundlichkeit, Güte, Treue, Sanftmut und Selbstbeherrschung."

    Der Hl. Geist ist die "Gabe aller Gaben": Bsp.: Lk.11,9-13: "Darum sage ich euch: Bittet,

    dann wird euch gegeben...Oder ist unter euch ein Vater, der seinem Sohn eine Schlange gibt,

    wenn er um einen Fisch bittet, oder einen Skorpion, wenn er um ein Ei bittet? Wenn nun

    schon ihr, die ihr böse seid, euren Kindern gebt, was gut ist, wieviel mehr wird der Vater im

    Himmel den Heiligen Geist denen geben, die ihn bitten."

    Hier sind wir schon beim Thema: "Testamentsvolltsrecker"!

    Was ist ein "Testament"? – Wir sagen: eine letztwillige Verfügung, die nach dem Tod des

    Unterzeichnenden in Kraft tritt.

    Tatsächlich gibt es auch im Evangelium eine letztwillige Verfügung Christi (besonders in den

    Abschiedsreden): seine Hinterlassenschaft: Jo.14,26f:

    "Der Beistand aber, der Heilige Geist, den der Vater in meinem Namen senden wird, der wird

    euch alles lehren und euch an alles erinnern, was ich euch gesagt habe. Frieden hinterlasse

    ich euch, meinen Frieden gebe ich euch; nicht einen Frieden, wie die Welt ihn gibt, gebe ich

    euch."

    Ausgerechnet "Frieden"!? Das bedeutet: es wird zusammengeführt, was zusammengehört!

    Gott und Mensch, Mensch und Mensch! ~ Weinstock und Rebzweige und Rebzweige

    untereinander!

    Hier drängt sich das Wort "Bund" auf! = Verbindung ~ Verlobung ~ Vermählung (griech.:

    "diathäkä", lat. "testamentum").

    Das ist sein Testament: Christus erneuert die eidliche Zusage (= testamentum) Gottes an die

    Menschen (Jer.7,23: "Ich will euer Gott sein, und ihr sollt mein Volk sein.").

    Christus hat diese Verbindung in seiner Person wiederhergestellt (vgl. Eph.2,14: "Denn er ist

    unser Friede. Er vereinigte die beiden Teile - Juden und Heiden ~ Gott und Mensch - und riss

    durch sein Sterben die trennende Wand der Feindschaft nieder."): ER ist der Bund!

    Der Hl. Geist vollzieht dieser "Wiedervereinigung" in der Welt nach dem Heimgang Jesu.

    Bsp.: Pfingstfest: Völker aller Rassen werden zusammengeführt; die babylonische

    Sprachverwirrung hat ein Ende!

  • 27

    Etwas oberflächlich-plakativ könnte man sagen: das AT ist das Zeitalter das Vaters, am

    Ende des AT und am Anfang des NT steht der Sohn, seit dem Pfingstfest ist das Zeitalter

    des Geistes.

    Im Zusammenhang mit "Testament" ist vielleicht auch folgendes bedeutsam: das lat. Wort

    "testis" bedeutet sowohl "Zeuge" wie "Zeugungsorgan" (Hoden~testicula). Auch im

    Deutschen bedeutet "zeugen" "be-zeugen" und "Leben zeugen".

    Hier sind wir wieder bei dem Hl. Geist als "Herrn und Lebensspender" (DOMINUM ET

    VIVIVICANTEM).

    Vielleicht eine Erinnerung an den Menschen "im Urstand" (vor dem Sündenfall), der noch

    die volle Zeugungsfähigkeit besaß (für Leib, Seele und Geist)!!

    Was ist das Hauptwerk des Testamentsvollstreckers?

    Den Reichtum Christi der Menschheit mitteilen; nicht nur der Nachwelt! Bsp.: Die Legende

    vom Schädel Adams! D.h. der Hl. Geist ist das überzeitliche Wirkprinzip der Erlöserliebe

    Gottes zu allen Zeiten und an allen Orten: er ent-grenzt den Raum und die Zeit. Er macht uns

    also auch "gleichzeitig" mit Jesus!!

    Paulus spricht von einem "Schatz", den wir in zerbrechlichen Gefäßen tragen (2Kor.4,7);

    oder vom "Reichtum" (Kol.3,16): "Das Wort Christi wohne mit seinem ganzen Reichtum bei

    euch."

    So übersetzt der Hl. Geist beständig das Wort und entfaltet seine Fülle.

    So wirkt er auch in den Sakramenten! Bsp.: Epiklese bei der hl. Messe: Bitte um

    Herabkunft des Hl. Geist!

    Das besondere Vermächtnis Jesu: die Eucharistie (Jo.13,1): "Es war vor dem Paschafest.

    Jesus wusste, dass seine Stunde gekommen war, um aus dieser Welt zum Vater

    hinüberzugehen. Da er die Seinen, die in der Welt waren, liebte, erwies er ihnen seine Liebe

    bis zur Vollendung."

    Der Hl. Geist ist vor allem das Geheimnis der Kirche.

    Der Hl. Geist kann nicht getrennt vom dreifaltigen Geheimnis begriffen werden. Wenn Jesus

    sagt "getrennt von mir könnt ihr nichts tun" (Joh.15,5) = wirken, - dann spricht er von sich

    selbst - aus Erfahrung! Denn getrennt vom Vater und vom Geist kann er nicht wirken!

    Bsp.: Versuchung Jesu: Emanzipation vom Vater!

    Das Geheimnis des dreifaltigen Gottes (ein Wesen, drei Personen) ist der Hl. Geist!: "das

    Band, das alles zusammenhält und vollkommen macht" (Kol.3,14).

    Der Hl. Geist ist die Liebe in Person, - die Gabe! Diese Liebe wohnt der ganzen Schöpfung

    inne: alles ist Gabe und Geschenk, - d.h. belebt!!

    Diese Liebe macht den Menschen zum Menschen!

    Bsp.: Die Legende von Christophorus mit dem Hundekopf (Kynokephale), der in der Taufe

    seine volle menschliche Gestalt erhält.

    Mensch-Sein bedeutet also nicht bloße Funktionalität!! (Leistung, Können, berufliche

    Karriere, Tüchtigkeit, Wissen)

    Wie viele Eltern versündigen sich bei der Erziehung ihrer Kinder gegen dieses Prinzip!

    Von daher muss auch das Wort "Fortschritt" neu auf den Prüfstand gestellt werden. Was

    sind "fortschrittliche Kräfte" in der Kirche?

  • 28

    Fortschritt muss immer sein: Wachstum in der Liebe!

    Röm.5,5: "Die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, der

    uns gegeben ist."

    Der Hl. Geist ist der Geist des Vaters und des Sohnes: Gal.4,6: "Weil ihr aber Söhne seid,

    sandte Gott den Geist seines Sohnes in unser Herz, den Geist, der ruft: Abba, Vater."

    Das heißt: Wenn Christus fortgeht, um den Geist zu senden, dann ist der Geist nicht der neue

    "Aggregatzustand" Christi, sozusagen "flüssig" (~ der Zauberer, der sich in einen

    Flaschengeist verwandelt), - sondern: die ständige Gegenwart der Erlösung und die

    Durchdringung der Welt mit der Erlöserliebe Gottes!

    D.h. die gesamte Dreifaltigkeit hat Anteil an der Erlösung! "Der Vater ist die

    kreuzigende Liebe, der Sohn ist die gekreuzigte Liebe, der Geist ist das Kreuz der Liebe" (ein

    orthodoxer Metropolit).

    Daher wird Christus genannt: der "Gesalbte" ~ griech. "Christos"!

    Bsp.: Petrus vor Cornelius: "Ihr wisst, was im ganzen Land der Juden geschehen ist,

    angefangen in Galiläa, nach der Taufe, die Johannes verkündet hat: wie Gott Jesus von

    Nazaret gesalbt hat mit dem Heiligen Geist und mit Kraft" (Apg.10,37f).

    Bei seiner Antrittsrede in Nazareth bezieht sich Jesus auf Jes.61,1f: "Der Geist des Herrn

    ruht auf mir; denn der Herr hat mich gesalbt. Er hat mich gesandt, damit ich den Armen eine

    gute Nachricht bringe; damit ich den Gefangenen die Entlassung verkünde und den Blinden

    das Augenlicht; damit ich die Zerschlagenen in Freiheit setze und ein Gnadenjahr des Herrn

    ausrufe. Dann schloss er das Buch, gab es dem Synagogendiener und setzte sich. Die Augen

    aller in der Synagoge waren auf ihn gerichtet. Da begann er, ihnen darzulegen: Heute hat

    sich das Schriftwort, das ihr eben gehört habt, erfüllt." (Lk.4,18-21).

    Jesus wird zwar in Nazareth abgelehnt, jedoch von Johannes d.T. klar bezeugt: "Ich

    taufe euch nur mit Wasser (zum Zeichen) der Umkehr. Der aber, der nach mir kommt, ist

    stärker als ich... Er wird euch mit dem Heiligen Geist und mit Feuer taufen." (Mt.3,11).

    Die Taufe vor Jesus war ein öffentliches Bekenntnis und ein Hilferuf nach Erlösung!

    Die Taufe Jesu geschieht mit Vollmacht!

    Der Hl. Geist, der bei der Taufe im Jordan auf Jesus herabkommt, "salbt" Jesus für die neue

    Phase seiner Sendung!

    Auch dabei wird deutlich: die trinitarische Einheit: Jesus – Geist (Taube) – der Vater

    (Stimme vom Himmel).

    Man darf sagen: Jesus ist nur auf die Erde gekommen, um den Hl. Geist zu bringen. Dazu

    bedurfte es seines Leidens und Sterbens!

    Bsp.: das zerbrochene Alabastergefäß der Dirne: "Als Jesus in Betanien im Haus Simons

    des Aussätzigen bei Tisch war, kam eine Frau mit einem Alabastergefäß voll echtem,

    kostbarem Nardenöl, zerbrach es und goss das Öl über sein Haar." (Mk.14,3). Der Duft

    erfüllt das ganze Haus!

    Vgl. Lk.12,49f: "Ich bin gekommen, um Feuer auf die Erde zu werfen. Wie froh wäre ich, es

    würde schon brennen! Ich muss mit einer Taufe getauft werden, und ich bin sehr bedrückt,

    solange sie noch nicht vollzogen ist."

    Nachdem im Sterben Jesu das Gefäß zerbrochen war, kommt der Auferstandene und sagt:

    "Empfangt den Hl. Geist!" (Joh.20,22).

  • 29

    Pfarrer von Ars: "Es gibt Menschen, die die Religion langweilig finden. Das kommt daher,

    dass sie nicht den Hl. Geist haben."

    Seraphim von Sarow im Gespräch mit Niklolai Motowilow: "Der Sinn des menschlichen

    Lebens ist die Erlangung des Heiligen Geistes."

    Achte Einheit

    Der Heilige Geist – die merkwürdige Logik Gottes

    "Geteiltes Leid ist halbes Leid" – das ist logisch!

    "Geteilte Freude ist doppelte Freude" – das ist unlogisch!

    Eine Oase ist ein Ort des blühenden Lebens – das ist logisch!

    Die Wüste ist ein Ort der aufblühenden Freude an Gott – das ist unlogisch!

    Es gibt eine Logik des Verstandes und es gibt eine Logik des Herzens (Blaise Pascal)!

    Logik – was ist das? Lexikon: "Die Lehre vom richtigen Denken, Urteilen und

    Schlüsseziehen".

    Logik hat es mit der Mathematik zu tun. Die Mathematik ist eine Wissenschaft der

    Quantitäten, die dem geschlossenen System der materiellen Welt abgeschaut ist. – Die Welt

    ist aber kein geschlossenes System, sondern offen für Jenseitiges...Deshalb entdecken die

    Naturwissenschaftler immer mehr Unschlüssigkeiten....

    Einstein: "Die sichtbaren Dinge sind materielle Ausformungen eines geistigen (Hl. Geist?)

    Ursprungs".

    Hier sind wir am Kern des Problems: wir müssen die Worte hinterfragen!!:

    Was ist ein "normaler" Mensch? – ein Mensch nach der Norm Gottes! (Wer kennt diese

    Norm? Ist ein Behinderter nicht "normal"?).

    Was ist also logisches Denken? Ein denken, das dem "Logos" entspricht!: "Am Anfang war

    der "Logos" ...und der "Logos" war Gott"! (Joh.1,1).

    vgl. Eph.1,3: "Gepriesen (griech. "eulogetos") sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus

    Christus: Er hat uns mit allem Segen (griech. "eulogia") seines Geistes gesegnet (griech.

    "eulogäsas") durch unsere Gemeinschaft mit Christus im Himmel."

    Der "Logos" ist der "Eu-logos": Trost, Zuspruch, Ermunterung, Rat, Fürsprache, Hilfe,

    Heilung, gute Absicht....: hier sind wir wieder beim Parakleten (= Tröster, Beistand, Helfer),

    dem Hl. Geist!!

    Ein typisches Beispiel