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Das Grand Hotel am Monte Z Wenn man von der Autostrada kam – gleich rechts ab und an der alten Pinie links hinauf –, sofort sah man es, das schöne Grand Hotel am steilen Hang des Monte Z. Es war ein pompöser Bau, hochmodern bis zum Flachdach. Alle Zimmer hatten einen herrlichen Blick auf die Berge – einfach fantastisch! Nur: Im Innern war dieses Hotel etwas merkwürdig eingeteilt, irgendwie seltsam … Als wir einmal im tiefen Winter dort vorbeikamen und nach einem Doppelzimmer fragten, sagte der Hotelier: „Wissen Sie, eigentlich sollten wir wegen der Heizkosten geschlossen halten. Aber die unteren Etagen sind sowieso beheizt. Sie bekommen mit der verehrten, gnädigen Frau das 1s-Zimmer (1 ).“ Spät in der Nacht kam ein dritter Gast, ein Alleinstehender. Man gab ihm das 2s- Zimmer ganz für sich, obwohl auch dies ein Doppelzimmer war. „Bitte, nur unter Vorbehalt“, sagte ihm der Hotelwirt, „wenn noch jemand kommen sollte, müssten Sie das 2s-Zimmer mit ihm teilen. Es geht nicht anders (2).“ Das alles war irgendwie ungewohnt. Und merkwürdig war auch die Nummerierung der Hotelzimmer: 1s 2s 2p x 2p y 2p z usw. usf. „Tja“, meinte der Barkeeper, „der Architekt hat das so gewollt. Der hatte früher einmal versucht, Chemie zu studieren – oder etwas derartiges.“ Aber es waren nicht nur diese komischen Zimmernummern, sondern auch diese einzigartige Hausordnung und dieser Zimmertarif, welche den Gästen Rätsel aufgaben. Erster Grundsatz: Einzelreisende konnten ein Doppelzimmer zum einfachen Übernachtungspreis haben, wenn es auf der gleichen Etage entsprechend leere Zimmer gab (3). Zweiter Grundsatz: Höher gelegene Hotelzimmer kosteten stets erheblich mehr als die Zimmer in den unteren Etagen (4). Dort wurden oft strenge Unterschiede gemacht. Man hätte z. B. niemals ein Bett im Zimmer 2s erhalten können, solange nicht zuvor das Doppelzimmer 1s voll belegt war, und keiner durfte in eines der drei 2p -Zimmer ziehen, wenn nicht zuvor die beiden Doppelzimmer 1s sowie 2s belegt waren (5). Ein solcher Fall ist einmal eingetreten, als im Frühjahr – völlig unangemeldet – eine siebenköpfige Familie eintrudelte. Die Eltern bezogen das 2s-Zimmer und überließen der Oma und dem Opa das 1s-Zimmer im Erdgeschoss. Ja, dann waren da noch die drei Herren Söhne bzw. Enkelchen im Alter von elf, acht und fünf Jahren. Die hatten sofort den Tarif erkannt: Man zahlt im 2p -Zimmer als Einzelreisender keinen Pfennig rsp. Cent mehr als zu zweit. Es käme also auf den gleichen Übernachtungspreis hinaus, wenn Hans sowie Herrmann zusammen nach 2p x ziehen und der kleine Didi mutterseelenallein nach 2p y geht oder wenn jedes Söhnchen großartig ein Doppelzimmer für sich allein beansprucht. So rekelten sich die drei jungen Herren – jeder für sich – in je einem der beiden Betten von 2p x , 2p y sowie 2p z . „Ein herrlicher Zustand!“, sagten sie. „Ein ganz

Das Grand Hotel am Monte Z (Orbitalmodell)

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Das Grand Hotel am Monte Z – das Orbitalmodell (Atommodell) veranschau(lich)ender Text mit 15 (Verständnis-)Fragen zur chemischen Bedeutung

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Page 1: Das Grand Hotel am Monte Z (Orbitalmodell)

Das Grand Hotel am Monte Z

Wenn man von der Autostrada kam – gleich rechts ab und an der alten Pinie links hinauf –, sofort sah man es, das schöne Grand Hotel am steilen Hang des Monte Z. Es war ein pompöser Bau, hochmodern bis zum Flachdach. Alle Zimmer hatten einen herrlichen Blick auf die Berge – einfach fantastisch!Nur: Im Innern war dieses Hotel etwas merkwürdig eingeteilt, irgendwie seltsam … Als wir einmal im tiefen Winter dort vorbeikamen und nach einem Doppelzimmer fragten, sagte der Hotelier: „Wissen Sie, eigentlich sollten wir wegen der Heizkosten geschlossen halten. Aber die unteren Etagen sind sowieso beheizt. Sie bekommen mit der verehrten, gnädigen Frau das 1s-Zimmer (1).“Spät in der Nacht kam ein dritter Gast, ein Alleinstehender. Man gab ihm das 2s-Zimmer ganz für sich, obwohl auch dies ein Doppelzimmer war. „Bitte, nur unter Vorbehalt“, sagte ihm der Hotelwirt, „wenn noch jemand kommen sollte, müssten Sie das 2s-Zimmer mit ihm teilen. Es geht nicht anders (2).“Das alles war irgendwie ungewohnt. Und merkwürdig war auch die Nummerierung der Hotelzimmer: 1s – 2s – 2px – 2py – 2pz usw. usf. „Tja“, meinte der Barkeeper, „der Architekt hat das so gewollt. Der hatte früher einmal versucht, Chemie zu studieren – oder etwas derartiges.“Aber es waren nicht nur diese komischen Zimmernummern, sondern auch diese einzigartige Hausordnung und dieser Zimmertarif, welche den Gästen Rätsel aufgaben.Erster Grundsatz: Einzelreisende konnten ein Doppelzimmer zum einfachen Übernachtungspreis haben, wenn es auf der gleichen Etage entsprechend leere Zimmer gab (3).Zweiter Grundsatz: Höher gelegene Hotelzimmer kosteten stets erheblich mehr als die Zimmer in den unteren Etagen (4).Dort wurden oft strenge Unterschiede gemacht. Man hätte z. B. niemals ein Bett im Zimmer 2s erhalten können, solange nicht zuvor das Doppelzimmer 1s voll belegt war, und keiner durfte in eines der drei 2p-Zimmer ziehen, wenn nicht zuvor die beiden Doppelzimmer 1s sowie 2s belegt waren (5).Ein solcher Fall ist einmal eingetreten, als im Frühjahr – völlig unangemeldet – eine siebenköpfige Familie eintrudelte. Die Eltern bezogen das 2s-Zimmer und überließen der Oma und dem Opa das 1s-Zimmer im Erdgeschoss. Ja, dann waren da noch die drei Herren Söhne bzw. Enkelchen im Alter von elf, acht und fünf Jahren. Die hatten sofort den Tarif erkannt: Man zahlt im 2p-Zimmer als Einzelreisender keinen Pfennig rsp. Cent mehr als zu zweit. Es käme also auf den gleichen Übernachtungspreis hinaus, wenn Hans sowie Herrmann zusammen nach 2px ziehen und der kleine Didi mutterseelenallein nach 2py geht oder wenn jedes Söhnchen großartig ein Doppelzimmer für sich allein beansprucht. So rekelten sich die drei jungen Herren – jeder für sich – in je einem der beiden Betten von 2px, 2py sowie 2pz. „Ein herrlicher Zustand!“, sagten sie. „Ein ganz

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entarteter Zustand!“, schimpfte der Hotelier, denn er rechnete sich aus, dass er nach besagtem Tarif die Betriebskosten für sechs Betten hätte, aber nur drei Posten auf der Rechnung. „Ein wirklich entarteter Zustand (6)!“Als wenig später ein Ehepaar mit drei Kindern eintraf, die allein eine Nacht im Hotel verbringen sollten, während ihre Eltern noch einen Besuch machten, konnte die Hotelverwaltung mit einem Schlag den entarteten Zustand auflösen: Es wurden die insgesamt sechs Kinder in den drei 2p-Zimmern untergebracht. „Ich wünsche eine angenehme Ruhe“, sagte der Hotelwirt (7).Auch er selbst konnte endlich wieder ruhig schlafen. „Wir haben wieder eine magische Zahl an Gästen im Haus“, träumte er, „wie schön (8)!“Leider hielt dieser schöne Zustand nicht lange an. Am Morgen hielt ein Kleinbus mit elf Personen vor dem Hotel. Man verwies die ersten acht Gäste in die Zimmer 3s (9) sowie 3px, 3py und 3pz

(10).

Dann gab man das 4s-Zimmer den beiden älteren Damen (11).Ja, und dann stand da noch der Herr Moritz Müller aus Mirrbach an der Murr. Man erwischte ihn noch gerade, als er sich in ein 4p-Zimmer schleichen wollte. „Geht auf keinen Fall! Wäre auch zu teuer für Sie, Herr Müller. Nein, wir haben etwas viel besseres! Und ferner brauchen Sie vom Lift aus nur die vier Stufen zum Zwischenstock zu steigen. Suchen Sie sich bitte eines der fünf 3d-Zimmer aus! Die Taxe jedes dieser prächtigen 3d-Zimmer ist gleich, denn sie liegen alle in/auf derselben Etage (12).“ Man hatte allerdings übersehen, dass auch noch der Fahrer der kleinen Reisegesellschaft unterkommen musste. Man wies auch ihn hinauf zu den 3d-Hotelzimmern, mit der Auflage, sich dort selbst eines der noch freien vier Zimmer auszusuchen. Nach Tarif: gleicher Preis auf gleicher Höhe (13).Mit der beginnenden Sommersaison wurden die noch leer stehenden Zimmer schnell belegt. Der Hotelwirt rieb sich vergnüglich die Hände und entwarf großartige Pläne zur Erweiterung seines Hotels: 4d- sowie 5d-Zimmer sollten aufgestockt werden, dann komme auch der Anbau eines weiteren Flügels mit Festsaal und hoch gelegenen 4f- sowie 5f-Zimmern mit einer atemberaubenden Aussicht in Frage. Während der Hotelier noch so vor sich hin träumte, kamen ihm aber doch Zweifel wegen seiner hoch fliegenden Pläne: Würden nicht besonders die oberen Stockwerke durch den sauren Regen angegriffen und leicht verfallen (14)?Und wie weit lasse sich der Tourismus in den nächsten Jahren noch ausbauen (15)?Übrigens ist das Grand Hotel am Monte Z – tut mir leid – in der Nacht zum 31. bis auf die Grundmauern niedergebrannt. Wenn Sie aber wollen: Man kann die Ruine noch besichtigen: Gleich von der Autostrada rechts ab und an der alten Pinie links hinauf. Sie wissen ja.

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Fragen zum Text

1) Welchem Element entspricht das doppelt besetzte 1s-Zimmer (1s2)?

2) Welches Element gleicht dem doppelt besetzten 1s-Zimmer mit einfach besetztem 2s-Zimmer (1s2 2s1)?

3) Welche Regel verbirgt sich hinter diesem Grundsatz?

4) Was entspricht den „Übernachtungskosten“?

5) Welche Regel steckt hinter diesem Grundsatz?

6) Welchem Element entspricht dieser Zustand (1s2 2s2 2p3)?

7) Welches Element besitzt diesen Zustand (1s2 2s2 2p6)?

8) a) Welche Zahl von Gästen ist „magisch“?

b) Nennen Sie vier (weitere) „magische Zahlen“!

c) Zu welchen Elementen gehören sie?

9) Welchem Element entspricht dieser Zustand (1s2 2s2 2p6 3s2)?

10) Welches Element weist diesen Zustand (1s2 2s2 2p6 3s2 3p6) auf?

11) Welches Element hat diesen Zustand (1s2 2s2 2p6 3s2 3p6 4s2)?

12) a) Warum darf Herr Müller nicht in das 4p-Zimmer ziehen?

b) Welchem Element entspricht dieser Zustand (1s2 2s2 2p6 3s2 3p6 4s2 3d1)?

13) a) Welche Regel verbirgt sich hinter diesem Grundsatz?

b) Welches Element weist diesen Zustand (1s2 2s2 2p6 3s2 3p6 4s2 3d2) auf?

14) a) Was ist mit „verfallen“ gemeint?

b) Von welchem Element an tritt der Zerfall auf?

15) Bis zu welcher Etage sollte der Hotelier – nach heutigen Kenntnissen – sein Hotel erweitern?

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Antworten

1) He – Helium

2) Li – Lithium

3) Pauli-Prinzip/-Verbot/p…/Paulisches/Pauli’sches Ausschlussprinzip

4) Energieniveau des Orbitals/der Orbitale

5) (Prinzip der) Besetzung der Orbitale nach steigendem Energieniveau/steigender

Hauptquantenzahl

6) N – Stickstoff

7) Ne – Neon

8) a) maximale Besetzung einer „Elektronenschale“/aller Orbitale gleicher/gleichen

Hauptquantenzahl/Energieniveaus

b) 2 (zwei, 1), 8 (acht, 2), 18 (3), 32 (4), 50 (5), 72 (6), 98 (7), …

c) He – Helium, Ne – Neon, Kr – Krypton, Xe – Xenon, Rn – Radon

9) Mg – Magnesium

10) Ar – Argon

11) Ca – Calcium

12) a) fünf (5) 3d-Zimmer

b) Sc – Scandium

13) a) Hund-Regel/Hund’sche Regel (Hundsche Regel)

b) Ti – Titan

14) a) radioaktiver Zerfall/Verfall

b) Tc – Technetium sowie Pm – Promethium und ab Po – Polonium

15) 7s-Etage (7s-Orbital)