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Das Marburger Konzentrationstraining (MKT) Holger Domseh, Antje Graf Träumerich und Chaos- prinzessin Etwa 5 - 8 % aller Kinder lei- den an einer Konzentrations- störung (BARKLEY, 1998). Sie werden in der Literatur häufig als Träumerich, Chaosprinzes- sin oder Zappelphi lipp be- schrieben. Welche dieser Be- zeichnungen auf das Verhalten des Kindes am besten passt, hängt mit den verschiedenen Arten von AD(H)S zusammen (DÖPFNER, FRÖLlCH & LEHMKUHL, 200 1). Besonders die vom stil- len ADS-Typ betroffenen Kin- der sind bekannt für ihren un- organisierten Arbeitsstil, Flüch- tigkeitsfehler und die Träume- reien. Ihre Mütter beklagen oft, dass sie ihr Kind bei den Haus- aufgaben ständig antreiben und "beaufsichtigen" müssen. & KRowATsCHEK, 2004a), vorge- stellt werden. Es hat mittlerweile in Deutschland eine große Ver- breitung erfahren. In sechs Trai- ningssitzungen und fünf beglei- tenden Elternabenden fördert es die Konzentration. Auch wenn sich das MKT ebenfalls in der Einzeltherapie anwenden lässt, ist es ursprünglich als Gruppentraining konzipiert. Es richtet sich an Kinder der ers- ten bis zur sechsten Klassen- stufe. Im Vordergrund des Trainings steht dabei, den Arbeitsstil der Kinder grundlegend zu ändern. Schließlich gerät die Mehrzahl konzentrationsschwacher Kin- der aufgrund ihres problemati- schen Arbeitsstils in einen Teu- felskreis. Ein solcher möglicher Teufelskreis (Abb. 1) soll zur besseren Illustration im Folgen- den an Hand eines Fallbeispiels beschrieben werden. Konzentrationsschwache Kin- der zeigen häufig ein geringes Durchhaltevermögen bei schu- lischen Aufgaben. Charakteris- tisch ist, dass diese Probleme in einer Gruppensituation, wie Das Innere Sprechen wird an Papier- und Bleistift- vorlagen unterschiedlicher Schwierigkeit eingeübt. Alle Fotos: Dieter Krowatschek sie beispielsweise in der Schule existiert, besonders zu Tage treten. Dies mag daran liegen, dass Gruppensi- tuationen mehr Ablenkungsmöglichkeiten bieten. Zudem kommt jedem einzelnen Kind weniger Aufmerksamkeit durch den Erwachsenen zu und es müssen mehr Re- geln beachtet werden (z. B. "Ich melde mich, wenn ich etwas sagen möchte. " oder "Ich warte ab, bis ich dran bin. "). Viele dieser Kinder werden heute in ergotherapeutischen Praxen vorstellig. Dabei stellt sich die Frage, welche erprobten Programme existieren, die auch (oder gera- de) von Ergotherapeuten durchgeführt und gegebenen- falls in ihre sonstigen Therapiekonzepte integriert wer- den können, um diesen Kindern fachgerechte Hilfe zu bieten. Im folgenden Beitrag soll ein solches Training, das Marburger Konzentrationstraining (MKT) des Schul- psychologen Dieter KRowATscHEK (KRowATscHEK, ALBRECHT ( Feh _ ,er l�1 problematisches lern- und Arbeitsverhallen / viel Kritik wenig lob Vermeidung ;. selbständigen Arbeitens Einforderung von Hilfe hohe Frustration zunehmende Misserfolgs- erwartung Abb. 1: Teufelskreis eines unkonzentrierten Kindes (modifziert nach KROWATSCHEK u.a., 2003) praxis ergotherapie Jg. 20 (5) Oktober 2007 257

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Das Marburger Konzentrationstraining (MKT)

Holger Domseh, Antje Graf

Träumerich und Chaos­prinzessin

Etwa 5 - 8 % aller Kinder lei­den an einer Konzentrations­störung (BARKLEY, 1998). Sie werden in der Literatur häufig als Träumerich, Chaosprinzes­sin oder Zappelphilipp be­schrieben. Welche dieser Be­zeichnungen auf das Verhalten des Kindes am besten passt, hängt mit den verschiedenen Arten von AD(H)S zusammen (DÖPFNER, FRÖLlCH & LEHMKUHL, 2001). Besonders die vom stil­len ADS-Typ betroffenen Kin­der sind bekannt für ihren un­organisierten Arbeitsstil, Flüch­tigkeitsfehler und die Träume­reien. Ihre Mütter beklagen oft, dass sie ihr Kind bei den Haus­aufgaben ständig antreiben und "beaufsichtigen" müssen.

& KRowATsCHEK, 2004a), vorge­stellt werden. Es hat mittlerweile in Deutschland eine große Ver­breitung erfahren. In sechs Trai­ningssitzungen und fünf beglei­tenden Elternabenden fördert es die Konzentration. Auch wenn sich das MKT ebenfalls in der Einzeltherapie anwenden lässt, ist es ursprünglich als Gruppentraining konzipiert. Es richtet sich an Kinder der ers­ten bis zur sechsten Klassen­stufe.

Im Vordergrund des Trainings steht dabei, den Arbeitsstil der Kinder grundlegend zu ändern. Schließlich gerät die Mehrzahl konzentrationsschwacher Kin­der aufgrund ihres problemati­schen Arbeitsstils in einen Teu­felskreis. Ein solcher möglicher Teufelskreis (Abb. 1) soll zur besseren Illustration im Folgen­den an Hand eines Fallbeispiels beschrieben werden.

Konzentrationsschwache Kin­der zeigen häufig ein geringes Durchhaltevermögen bei schu­lischen Aufgaben. Charakteris­tisch ist, dass diese Probleme in einer Gruppensituation, wie

Das Innere Sprechen wird an Papier- und Bleistift­vorlagen unterschiedlicher Schwierigkeit eingeübt. Alle Fotos: Dieter Krowatschek

sie beispielsweise in der Schule existiert, besonders zu Tage treten. Dies mag daran liegen, dass Gruppensi­tuationen mehr Ablenkungsmöglichkeiten bieten. Zudem kommt jedem einzelnen Kind weniger Aufmerksamkeit durch den Erwachsenen zu und es müssen mehr Re­geln beachtet werden (z. B. "Ich melde mich, wenn ich etwas sagen möchte." oder "Ich warte ab, bis ich dran bin. ").

Viele dieser Kinder werden heute in ergotherapeutischen Praxen vorstellig. Dabei stellt sich die Frage, welche erprobten Programme existieren, die auch (oder gera­de) von Ergotherapeuten durchgeführt und gegebenen­falls in ihre sonstigen Therapiekonzepte integriert wer­den können, um diesen Kindern fachgerechte Hilfe zu bieten. Im folgenden Beitrag soll ein solches Training, das Marburger Konzentrationstraining (MKT) des Schul­psychologen Dieter KRowATscHEK (KRowATscHEK, ALBRECHT

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/ viel Kritik

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hohe Frustration

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Abb. 1: Teufelskreis eines unkonzentrierten Kindes (modifziert nach KROWATSCHEK u.a., 2003)

praxis ergotherapie Jg. 20 (5) Oktober 2007 257

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Die Förderung aller Sinnesorgane gehört mit zu allen Marburger Konzell­trationstrainings

Teufelskreis: unkonzentriert

Jannik (10 Jahre) zeichnet sich durch starke Konzentrationsprobleme aus. Immer wieder lässt er sich ablenken, trödelt und träumt. AufgabensteIlun­gen werden von ihm nur flüchtig über­flogen und so nicht richtig beachtet. Genauso unorganisiert geht er bei der Bearbeitung der Aufgaben vor. Dem­entsprechend häufen sich die Flüch­tigkeitsfehler. Statt Lob und Erfolgs­erlebnisse erntet Jannik Kritik und Frustration. Immer mehr tritt seine ei­gene Misserfolgserwartung in den Vordergrund. Er erwartet regelrecht, dass er Aufgaben nur unbefriedigend bearbeiten kann. Dementsprechend sinken natürlicherweise Selbstvertrau­en und Motivation. Er lehnt Aufgaben mehr und mehr schon im Vorhinein ab. Kommt er an einer Stelle nicht gleich weiter, wirft er den Stift frustriert in die Ecke: "Das kann ich eh nicht!". Immer mehr fordert er Hilfe von sei­ner Mutter ein. Janniks Unselbststän­digkeit wächst, an ein eigenständiges Erledigen der Hausaufgaben ist nicht mehr zu denken. Dabei nehmen die Mutter-Kind-Konflikte und Janniks Flüchtigkeitsfehler zu. Der Teufels­kreis hat sich geschlossen.

Den Teufelskreis durch­brechen

Das MKT setzt gleich an verschie­denen Stellen eines solchen Teufels­kreises an. Grundlegend dürfte da­bei eine Änderung des Arbeitsstils sein. Aber auch der Umgang mit Fehlern wird trainiert ("Ein Fehler ist keine Katastrophe!"). Die Selbststän­digkeit wird gefördert und das Zutrau­en in die eigenen Fähigkeiten auf­gebaut.

Wie in vielen anderen Trainings auch, wird an hand der Methode der ver­balen Selbstinstruktion nach MElcHEN­BAUM und GOODMAN (1971) ein refle­xiverer Arbeitsstil eintrainiert. MEICHEN­BAUM und GOODMAN konnten bereits in den 70er Jahren beobachten, dass problematische Situationen oder schwierige Aufgaben besser gemeis­tert werden, wenn man sich selbst Instruktionen gibt, wie bei der Auf­gabe oder in der Situation vorzuge­hen ist. Tatsächlich zeigen auch Er­wachsene immer wieder Formen der Selbstinstruktion .

Man denke nur an einen Besuch im Supermarkt, bei dem man vor den Regalen steht und leise murmelnd überlegt, was noch alles einzukau­fen ist. Dieses Prinzip macht sich das Training zu Nutze. Durch eine schritt­weise Heranführung werden die Kin­der durch die Verinnerlichung der Selbstgespräche in die Lage versetzt, ihr eigenes Handeln besser zu len­ken und bei Aufgaben überlegter vor-

Setze das Muster fort.

zugehen. Dabei wird trainiert, zu­nächst die AufgabensteIlung ausrei­chend zu erfassen ("Was soll ich tun?" und "Habe ich die Aufgaben­steIlung richtig verstanden?").

Im Anschluss daran geht es um ein überlegtes und strukturiertes Bear­beiten der AufgabensteIlung. Mithil­fe altersangemessener Übungszettel wird die Methode in fünf Schritten ein­trainiert:

1. Anfangs fungiert der Trainer als Modell für die Trainingsteilnehmer. Alle Kinder können zunächst zu­schauen, wie der Erwachsene eine Aufgabe (beispielhaft siehe Abb. 2) löst. Während er die Aufgabe bearbeitet, begleitet er seine ein­zelnen Schritte mit lauten Selbst­instruktionen ("Zunächst lese ich die AufgabensteIlung durch. Dann setzte ich den Stift am ersten Punkt an. Nun gehe ich fünf Kästchen nach unten").

2. Im zweiten Schritt führt der Trai­ner die Aufgabe erneut durch und spricht die einzelnen Arbeitsschrit­te wieder laut aus (verbale Selbst­instruktion). Dieses Mal machen alle Trainingskinder mit, indem sie jeder Anweisung des Erwachse­nen folgen.

3. Nun kommt das eigentliche Trai­ning. Ein Kind instruiert die ande­ren Gruppenmitglieder, wie sie bei der Aufgabe vorzugehen haben. Es übernimmt dementsprechend die Rolle, die zuvor der Trainer (im

Du hast es

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Abb. 2: Übullgsblatt zur verbalen Selbstinstruktion (nach KROWATSCHEK ET AL., 2004a)

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Das Ertasten der Strukturen von Stei­nen ist ebenfalls eine wichtige Übung

2. Schritt) inne hatte. Das Kind führt die Aufgabe durch und spricht dabei laut mit, wie es die Aufga­be bearbeitet. Während Schritt eins und zwei lediglich einmal durchgeführt werden (in der ersten Sitzung), wird Schritt drei über fast alle Trainingsstunden eingeübt.

4. und 5. In Schritt vier instruiert je­des Kind sich selbst flüsternd. Im letzten Schritt instruieren sich die Kinder nun selbstständig im Kopf, ohne zu sprechen. Das laute Spre­chen wurde so in den letzten Trai­ningsstunden in ein inneres Spre­chen überführt.

Hierbei werden neben der Förderung eines reflexiveren Arbeitsstils auch andere wichtige Fähigkeiten trainiert. So muss das Kind abwarten, zuhö­ren sowie eine vorgegebene Struk­tur einhalten können.

"Bei euch lohnt es sich zu schuften!"

Das MKT darf sich als ein "positiv ausgerichtetes" Training verstehen. Das Augenmerk liegt weniger auf dem, was die Kinder falsch machen, als vielmehr auf dem, was bereits gut

erlebnisse geschaffen und das Selbstvertrauen allmählich gestärkt. Dem­entsprechend kommt dem Lob als einer geziel­ten Form der Verhaltens­modifikation ein hoher Stellenwert zu.

Die Kinder fühlen sich da­durch in ihren Bemühun­gen gewürdigt und in ih­rer Person angenommen. In vielen wissenschaftli­chen Studien konnte mitt­lerweile gezeigt werden, wie effektiv das Lob zur Förderung von unkonzen­trierten und auch überak­tiven Kindern ist (s. h. beispielhaft BARBER, MI-lICH & WELSH, 1996).

Als weiteres wichtiges Mittel zur För­derung der Motivation erhält jedes Kind einen Punkteplan. Nach beson­ders schwierigen Aufgaben können sich die Kinder einige Punkte auf ih­rem Punkteplan eintragen. Am Ende des Trainings lassen sich die Punk­te gegen einen Preis eintauschen. Neben der Motivationsförderung schafft dieses Vorgehen auch immer wieder kleinere Erfolgserlebnisse. Nach unseren Erfahrungen merkt das

Kind in seinem Alltag außerhalb des Trainings schnell, dass sein trainier­tes Verhalten auch ohne Punkte viele Vorteile bringt. Meist erhält es gegen seine Erwartung Lob von Lehrern und Eltern. Auch die Anerkennung durch Gleichaltrige nimmt zu, wenn das Kind z. B. gelernt hat, abzuwarten, bis es an der Reihe ist.

Das erste Mal lernten wir das Trai­ning bei einer Gruppe von etwa sieben Sechsjährigen, besonders unkonzentrierten und teilweise überaktiven Jungen kennen. Zu­nächst standen wir unserem Vor­haben (diese besondere Gruppe von Kindern alle auf einmal zu trai­nieren) mit großen Zweifeln gegen­über. Nach der Begrüßung erklär­ten wir den teilnehmenden Kindern unser Punktesystem. Dazu gehör­te auch, dass die Kinder bereits einen ersten Blick auf die Preise werfen durften: eine Dose mit Schleim, eine kleines Taschenra­dio, eine Plastikspinne, . . . lauter kleine Dinge, die das Kinderherz erfreuen. Ein besonders lebhafter Junge stand vor diesen Spielsa­chen und rief in die Gruppe hin­ein: "Bei euch lohnt es sich zu schuften!" Danach wussten wir: Das Training kann beginnen!

klappt. So werden vor allem Erfolgs- Auch Gesellschaftsspiele können mit zu einem Training gehören

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Aufbau des Trainings

Wie eingangs erwähnt, ist das Mar­burger Konzentrationstraining als Gruppentraining konzipiert. Die Grup­pengröße variiert zwischen drei und acht Kindern. Dabei gilt als Faustre­gel: Pro Trainerln sollten maximal vier Kinder teilnehmen. Alle Kinder einer Gruppe sollten möglichst alterhomo­gen sein. Das Training lässt sich ebenfalls als Einzeltraining einsetzen. Dennoch sollte bedacht werden, dass gerade in der Gruppensituation die Verhaltens- und Leistungsprobleme der Kinder am stärksten zu Tage tre­ten. Dementsprechend ist eine sol­che Situation für das Training am besten geeignet und bietet den bes­ten Transfer in den Schulalltag.

Für die Kinder sind sechs bis acht Sitzungen (a 60 bis 75 Minuten) vor­gesehen. Dazu finden fünf begleiten­de Elternabende statt. Dennoch kön­nen diese Vorgaben lediglich als

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Die tanzenden Derwische

Orientierung verstanden werden und müssen an die jeweiligen Situationen und Praxisgegebenheiten angepasst werden. So integrieren beispielsweise einige Praxen das MKT in ein brei­teres ergotherapeutisches Behand­lungskonzept, kürzen die Sitzungen auf 45 Minuten und erhöhen dafür die Anzahl der Trainingsstunden oder weichen von der Anzahl der vorge­sehenen Elternabende ab.

Das Training für die Kinder

Das Training für die Kinder folgt in jeder Stunde einer gleichbleibenden Struktur (Abb. 3). Zunächst findet eine dynamische Übung statt. Sie baut die angestaute Energie des Tages ab und leitet das Training ein. Gleich­zeitig schafft sie eine gute Basis für die anschließende Entspannungs­übung. Dann nämlich heißt es, sei­ne Fantasie auf eine Reise mit dem Zauberteppich oder einem kleinen Roboter zu schicken (KROWATSCHEK & HENGST, 2007). Die Entspannungs­übungen werden als interessante Fortsetzungsgeschichten durchge­führt und enthalten autosuggestive Formeln. So lernen die Trainingskin­der, bewusst zur Ruhe zu kommen, sich zu entspannen und die Gedan­ken eine Zeitlang baumeln zu lassen. Weiter geht es mit einer Arbeitspha­se zur Übung der verbalen Se/bstin­struktion.

Das Vorgehen wurde bereits weiter oben näher beschrieben. Hieran schließt sich eine Übung zur Förde­rung der Wahrnehmung an. Dabei werden über die verschiedenen Sit­zungen hinweg alle Sinne angespro­chen und trainiert. Die Übungen wer­den so gestaltet, dass zusätzlich ein Training des Kurzzeitgedächtnisses stattfindet, da hier viele Kinder Defi­zite aufweisen. In der anschließen­den zweiten Arbeitsphase wird erneut eine Übung zur verbalen Selbstin­struktion und zum Arbeitsverhalten durchgeführt. Diesmal müssen neun Bildkarten, die sich lediglich in drei Merkmalen unterscheiden, auf eine Vorlage aufgelegt werden. Karte und Vorlage sollen dabei übereinstimmen. In den letzten fünf Minuten des Trai-

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nings findet schließlich eine freie Spie/phase statt, in der sich jedes Kind ein attraktives konzentrations­förderndes Spiel aussuchen kann.

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[ Abb. 3: Abtau/schema einer Trainings­stunde

Elternarbeit: Das Training tür die "Großen" Auf den Elternabenden werden In­halte des Trainings an die Eltern vermittelt. Dabei sollen sie lernen, wie sie ihre Kinder besser verstehen und vor allem unterstützen können. Was

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wird überhaupt in einer Trainings­stunde gemacht? Was können die Eltern zu Hause beitragen? Welche fördernden und hemmenden Fak­toren von Konzen­tration lassen sich im Alltag des Kin­des finden? WeI­che Tricks und Tipps gibt es zum Lob und zur Förde­rung der Motivati­on? Wie lassen sich Hausaufga­benkämpfe besser überstehen und welche weiteren Fördermaterialien haben sich beim Einsatz zu Hause als praktikabel erwiesen?

Die Eltern sollen auf den Abenden nicht mit Informationen überflutet und somit möglicherweise demotiviert werden. Statt dessen beschäftigen sie sich pro Abend mit einem eng umgrenzten Thema. Zudem bietet ein Zusammentreffen mit anderen Eltern auch immer die Gelegenheit, sich auszutauschen. Oft bietet bereits die Erkenntnis, dass es viele andere Familien mit ähnlichen Problemen gibt, Erleichterung. Es hat sich als praktikabel erwiesen, die Elternaben­de von mehreren parallelen Trai­ningsgruppen zusammenzulegen.

Trainings für das Kindergar­ten- und Jugendalter

Mittlerweile wurde die Altersspanne des Trainings durch zwei neue Trai­ningsmappen erweitert. Das MKT für Jugendliche (KROWATSCHEK, KROWAT­SCHEK & WINGERT, in Vorbereitung) befindet sich zur Zeit noch in der Erprobung und wird voraussichtlich Ende 2007 herausgegeben werden. Dies ist besonders erfreulich, da trotz des hohen Bedarfs in diesem Alters­bereich bisher großer Mangel an angemessenen Trainingsprogram­men besteht. Für den unteren Alters­

Spiele wie "Safari" und "Rush Hour" fördern in besonderer Weise die Wahr­nehmung

das MKT für Kindergarten- und Vor­schulkinder (KROWATSCHEK, ALB RECHT

& KROWATSCHEK, 2004b). Hierbei ist beispielsweise die schriftliche Aufga­benanleitung durch einen Comic er­setzt worden. Zudem verfolgt das Training auch ein umfassenderes Anliegen, abgestimmt auf die Bedürf­nisse der Altersgruppe. Es stellt ei-

nen ganzheitlichen Ansatz dar, der nicht allein auf die Förderung der Konzentration abzielt. Statt dessen werden auch Übungen aus anderen Bereichen, beispielsweise der Gra­phomotorik oder Mengenerfassung, mit eingebunden. Gleichzeitig werden auch Kompetenzen trainiert, die den für einige Kinder schwierigen Schu­leinstieg erleichtern sollen. So üben die Kinder, sich selbst eine Arbeits­mappe anzulegen und trainieren so ihr Ordnungsverhalten. Einige Ein­richtungen nutzen daher das Training inzwischen auch als Schulvorbeitung.

Auf dem wissenschaftlichen Prüfstand

Seitdem das Training in den 90er Jahren entwickelt wurde, fanden im­mer wieder wissenschaftliche Über­prüfungen (vornehmlich durch Di­plomarbeiten) statt. Die Ergebnisse deuten auf positive Effekte des Trai­nings in unterschiedlichen Bereichen. So zeigten die Kinder nach Trainings­ende einen verbesserten Arbeitsstil, positive Veränderungen in ihrem Lernverhalten und eine Reduktion der emotional bedingten Verhaltenspro­bleme (KROWATSCHEK, 1996). Auch die Eltern-Kind-Interaktion wies nach dem Training eine deutliche Ver-

bereich existiert seit einigen Jahren Manchmal wird auch etwas mit verbundenen Augen ertastet

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besserung auf: So lobten die EI­tern ihre Kinder häufiger, unter­stützten sie angemessener bei den Hausaufgaben und förder­ten mehr die Selbstständigkeit (DRÖGE, 1995).

Auch nahmen die Kinder ihre Eltern positiver wahr und verhiel­ten sich ihren Müttern gegenüber freundlicher. In einer Dissertati­onsarbeit aus Göttingen erziel­te das MKT in einer Vergleichs­studie mit anderen Konzentrati­onstrainings die besten Resul­tate (DREISÖRNER, 2004). Insge­samt zeichnen die Evaluations­ergebnisse damit ein vielverspre­chendes und erfreuliches Bild und unterstreichen eine Eignung des Trainings für die Praxis.

Literatur

Barber, M., Milich, R. & Welsh, R. (1996). Effects of reinforcement sche­dule and task difficulty on the perfor­mance of attention deficit hyperacti­vity disordered and control boys. Jour­nal of Clinical Child Psychology, 25 (1),66-76.

Barkley, R. (1998). Attention deficit hyperactiv disorder - A handbook for diagnosis and treatment. New York: Guilford.

Döpfner, M., Frölich, J. & Lehmkuhl, G. (2000). Hyperkinetische Störung. Göttingen: Hogrefe.

Dreisörner, T. (2004). Zur Wirksam­keit von Trainings bei Kindern mit Auf­merksamkeitsstörungen. Unveröffent­lichte Dissertation an der Universität Göttingen.

Dröge, C. (1996). Evaluation des Mar­burger Verhaltenstrainings für überak­tive Kinder anhand einer systemati­schen Verhaltensbeobachtung. Unver­öffentlichte Diplomarbeit an der Uni· versität Marburg.

Krowatschek, D., Albrecht, S. & Krowatschek, G. (2004a). Das Marburger Konzentrationstraining (MKT) für Schulkinder. Dortmund: verlag modernes lernen.

Krowatschek, D., Albrecht, S. & Krowatschek, G. (2004b). Das Marburger Konzentrationstraining (MKT) für Kindergarten- und Vor­schulkinder. Dortmund: verlag mo­dernes lernen.

Krowatschek, D., Domseh, H., Hengst, U, Wingert, G. & Krowat­schek, G. (2003). ADS und ADHS, Diagnose und Training. Dortmund: verlag modernes lernen.

Krowatschek, D. & Hengst, U. (2006). Mit dem Zauberteppich un­terwegs. Dortmund: verlag moder­nes lernen.

Krowatschek, D., Krowatschek, G. & Wingert, G. (in Vorbereitung). Das Marburger Konzentrationstrai­ning (MKT) für Jugendliche. Dort­mund: verlag modernes lernen.

Krowatschek, G. (1996). Evalua­tion des Marburger Konzentrations­trainings und des Marburger Ver­haltenstrainings für überaktive Kin­der unter besonderer Berücksich­tigung der Elternarbeit. Unveröf­fentlichte Diplomarbeit an der Uni­versität Marburg.

Meichenbaum, D. & Goodman, J. (1971). Training impulsive children to talk to themselves: A means of developing self-control. Journal of Abnormal Psychology, 77 (2), 115-126.

Autor:

Dipl.-Psych. Holger Domsch Universität Bielefeld Entwicklungspsychopathologie Fortbildungen mit Zertifikat für Ergotherapeutinnen und Ergothe­rapeuten zum Marburger Kon­zentrationstraining (MKT) unter: www.krowatschek.de

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Nicht alle Übungen sind einfach

Regelspiele mit eindeutigen Regeln trainieren Auf­merksamkeit und Reaktionsvermögen