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Das Mitteldeutsche Seenland Vom Wandel einer Landschaft Der Süden

Das Mitteldeutsche Seenland Vom Wandel einer Landschaft · 4 Die weite Welt, so ausgedehnt sie auch sei, ist immer nur ein erweitertes Vaterland und wird, genau besehen, uns nicht

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Das Mitteldeutsche SeenlandVom Wandel einer Landschaft

Der Süden

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LOTHAR EISSMANN • FRANK W. JUNGE

Sax Verlag

Das Mitteldeutsche Seenland Vom Wandel einer Landschaft

Der Süden

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Die weite Welt, so ausgedehnt sie auch sei, ist immer nur ein erweitertes Vaterland und wird, genau besehen, uns nicht mehr geben, als was der einheimische Boden auch verlieh.

Johann Wolfgang von Goethe

Abbildungen Einband und Seiten 1 bis 4:Einband: Titelseite Witznitzer Seen, 2011, Rückseite Göhrener Insel im Störmthaler See, 2011S. 1: Cospudener See, Blick von der Bistumshöhe in Richtung Leipzig, 2012.S. 2/3: Schlucht des Markkleeberger Sees 1991 und Hafenbereich 2012.S. 4 von links nach rechts: Tagebau Witznitz 1996, Tagebau Zwenkau 2001, 2002 und 2012, Hafen am Cospudener See 2011.

1. Auflage 2013Alle Rechte vorbehalten© Sax-Verlag, Beucha • Markkleeberg 2013Kartographie: Kartographisches Büro Borleis & Weis, LeipzigDruck und Verarbeitung: Offizin Andersen Nexö GmbH, Leipzig Layout / Einbandgestaltung: Birgit RöhlingPrinted in Germanywww.sax-verlag.de

ISBN 978-3-86729-100-2 (Print)ISBN 978-3-86729-509-3 (EPUB)ISBN 978-3-86729-510-9 (PDF)

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inhalt

Einleitung 6

Auf dem Weg zur vierten SeengenerAtion 8Eiszeitseen, Braunkohlentagebaue, verlorene Orte und Tagebauseen 8

Werden und Vergehen in Jahrmillionen 9Die vierte Seengeneration in zeitlicher und geografischer Folge 13Braunkohlentagebau 15Tabula rasa oder die Verlorenen Orte 17Tagebauseen 20Geologische Gesamtschnitte durch das südliche Mitteldeutsche Seenland 24

dAS mitteldeutSche SeenlAnd. der Süden 26

Die stadtnahen Seen – Leipziger Neuseenland 27Kulkwitzer See 27Zwillingspaar Wallendorfer See und Raßnitzer See 34Cospudener See 43Markkleeberger See und Störmthaler See 59 Braunkohlentagebau Espenhain 59 Markkleeberger See 72 Störmthaler See 81Zwenkauer See 91Gewässerverbund Leipziger Neuseenland 106

Die Seen um Borna 111

Witznitzer Seen – Kahnsdorfer See und Hainer See mit Haubitzer Bucht 113Bockwitzer Seenkette 121Wasserspeicher, Rückhaltebecken und Kleinseen um Borna 131 Stausee Rötha und Rückhaltebecken Stöhna 131 Speicherbecken Witznitz und Lobstädt 133 Speicherbecken Borna – die »Adria« 135 Altbergbau-Kleinseen um Borna 137

Die Seen um Lucka 141Haselbacher See 143Großstolpener See 149Luckaer See 152

Die Seen um Altenburg und Meuselwitz 159Pahnaer See oder vom Paradies zum gezähmten Erholungspark 159Der Bergbau und die Kleinseen um Meuselwitz 161Naturschutzgebiet Restloch Zechau 175

Zeitz-Profener Seenland 179Werbener See 181Mondsee – Freizeitpark Pirkau 185Altbergbauseen um Hohenmölsen –Theißen 189

Altbergbau entlang der Mulde 199

Teichgebiete und Fluss-Stauseen 201

Verwandlung 229

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Übersicht Geologie 230

Tabelle: Seen des Braunkohleabbaus im Gebiet südlich der Weißen Elster und östlich der Saale 231

Tabelle: Fischbestand der Seen des Braunkohleabbaus im Gebiet südlich der Weißen Elster und östlich der Saale 233

Literaturauswahl 236Register 238Dank 240Bildnachweis 240

Michael Steppes
Text Box
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einleitung Welcher beispiellose Landschaftswandel sich in Mitteldeutsch-land zwischen Harz und Erzgebirgsvorland im letzten Viertel-

jahrhundert ereignet hat und unter aller Augen weiterhin vollzieht, von der Endzeit exzessiven Braunkohlentagebaues zu den aufgehenden Seen unserer Tage, zu einer den mecklenburgischen Naturseen vergleichbaren neuen mitteldeutschen Seenplatte – das und nicht weniger ist Thema eines zweiteiligen Buchprojektes, dessen erster Band, »Der Süden«, hier vorliegt. Mit Leipzig, Merseburg, Zeitz, Altenburg, Grimma und Wur-zen etwa ist der Raum umschrieben, in dem alle Bergbaufolgeseen, aber auch die weit verstreuten Teiche, Kaolingruben, Steinbruch- und Kies-seen der Region, erfasst werden.

Es ist eine Niederschrift über die Gesamtheit der westelbischen, vor allem durch Braunkohlen- und Kiesabbau erzeugten Seen der Braun-kohlenmeile des Saale-Elbe-Raumes. Diese neue Landschaft ist binnen weniger Jahrzehnte entstanden, namentlich seit dem Jahrtausendende, und inzwischen überreich an Wasserflächen. Es handelt sich bei diesem Buch um einen Überblick über die den Verfassern wichtig erscheinenden stehenden Gewässer, die zumeist menschlichen, bergbaulichen Eingrif-fen ihre Entstehung verdanken. Sie gehören – aus einer etwas größeren Sicht – zum künftigen neuen Mitteldeutschen Seenland, das vom Berg-witzsee bei Gräfenhainichen im Norden bis zum Haselbacher See nahe Altenburg im Süden reicht, im Westen bis zu den Seen des Geiseltals und im Osten bis über die Mulde. Den Schwerpunkt des nördlichen Teils des Mitteldeutschen Seenlandes, dem ein weiteres, derzeit in Arbeit befindliches Buch gewidmet ist, »Der Norden und Westen«, bilden das künftige Bitterfeld-Gräfenhainichener und das Geiseltal-Seengebiet.

Mit dem vorliegenden Band ist ein Gesamtüberblick über den Süd-teil des Mitteldeutschen Seenlands entstanden, dessen nähere geografi-sche Umgrenzung mit Leipzig und dem einsetzenden Ost-West-Verlauf der Weißen Elster im Norden sowie Merseburg und dem Nord-Süd-Verlauf der Saale im Westen gegeben ist. Es reicht im Süden bis in die Höhe der Städte Altenburg und Zeitz und im Osten findet es seine Ausläufer östlich der Mulde. Als größere Tagebauseen bilden das Zwil-lingspaar des Wallendorfer und Raßnitzer Sees bei Merseburg im Nord-westen und die aus mehreren Teilseen bestehende Bockwitzer Seenkette bei Borna im Südosten seinen äußeren Saum. Die nördlichsten »Augen« sind der Kulkwitzer See, die noch zu Hochzeiten der Kohlegewinnung entstandene prachtvolle Erstgeburt des Leipziger Seenlandes, der Cos-pudener See, der Markkleeberger und Störmthaler See. Stadtrandnah hat sich heute der Markkleeberger See zu touristischer Anziehungskraft entwickelt, im Störmthaler See wie in den Seen zwischen Rötha und Borna, der Witznitzer Seengruppe mit Kahnsdorfer und Hainer See mit Haubitzer Bucht, hat der Wasserstand sein Endziel erreicht, und die für die einzelnen Seen unterschiedlichen Nutzungen nehmen Gestalt an. Das größte stehende Gewässer der Region, der Zwenkauer See, wird geflutet, und an seinem Rande ist der neue Hafen »Kap Zwenkau« in der Vollendung. Indes weiter im Süden bei Lucka, Meuselwitz, Alten-

burg und Zeitz gleichen viele der überwiegend auf den Kohleabbau aus der ersten Hälfte des zwanzigsten Jahrhunderts zurückreichenden Seen, wie der Hainbergsee, der Zipsendorfer See, der Pahnaer See oder der Mondsee, ewigen Orten natürlichen Idylls. Insgesamt haben sich über 60 größere und kleinere Bergbauseen der Kohlegewinnung, aber auch des Kies- und Erdenabbaus sowie der Steinbruchindustrie im Südteil des Mitteldeutschen Seenlandes entwickelt. Und auch die bereits älteren Teichlandschaften finden hier Berücksichtigung, so beispielsweise die Haselbacher, die Windischleubaer oder die Eschefelder Teiche.

Als Hinterlassenschaften des seit etwa 120 Jahren großflächig um- gehenden Braunkohleabbaus im Tagebau haben die neuen Seen schon heute, viele noch im Jugendstadium ihrer Entwicklung, zu einer nach-haltigen Wandlung des Landschaftsbildes der gesamten Region geführt. In dem am weitesten nach Süden reichenden Gebiet des Braunkohlen-bergbaues der südlichen Leipziger Tieflandsbucht sind es gegenwärtig 64 Seen mit einer Gesamtwasserfläche von rund 60 km², nach Flutung der bis 2050 noch aktiven Tagebaue etwa 90 km². Die einzelnen Was-serflächen schwanken zwischen 0,7 und 9,7 km², die Wasservolumina zwischen 5 Mio. und 171 Mio. m³ und die Tiefen zwischen 13 und 63 m. Das gesamte Wasservolumen der Seen liegt bei 1 700 Mio. m³, was der 2,5-fachen Wassermenge der Müritz, des größten natürlichen Sees der Mecklenburger Seenplatte, entspricht. Das Wasservolumen der thüringischen Bleilochtalsperre entspricht vergleichsweise einem Achtel des Volumens der Südraumseen.

In der Zukunft wird das Mitteldeutsche Seenland in seiner Gesamt-heit zwischen der Elbe bei Wittenberg im Norden und dem Eintritt der Weißen Elster in das Buntsandsteinland bei Zeitz im Süden seine Wir-kung auch bei den nachfolgenden Generationen nicht verfehlen. Ent-standen in einer ursprünglich von den gegebenen natürlichen Bedin-gungen seenarmen Region Deutschlands werden die Enkel an den Ufern der Seen stehen und, allein geleitet von den eigenen Landschaftseindrü- cken, keinen Unterschied mehr erkennen zwischen diesen neuen künst-lich geschaffenen Gewässern und beispielsweise der eiszeitgeprägten Mecklenburger Seenplatte. Sie werden die großen Gletscher Skandina-viens für das bewegte Relief aus Erhebungen der ehemaligen Hochhal-den und Kippen sowie aus den Restseen der vormaligen Tagebaue ver-antwortlich machen. Unter der Vegetation von neuem Wald und Flur bzw. unter der Wasseroberfläche der Seen sind die Spuren der mensch-gemachten Landschaftsgenese von der Natur verhüllt, und zwar bis zur nächsten Phase der Wandlung, sei es durch neuerliche Eingriffe des Menschen in Notzeiten oder auch durch den steten großen klimatischen Gang der Natur selbst. Aber bis zu dieser Zeit hat der Mensch die neue Landschaft für sein Leben angenommen.

Lothar Eißmann und Frank W. JungeJanuar 2013

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Übersichtskarte der beschriebenen Seen des Braunkohlebergbaus im südlichen Mitteldeutschen Seenland

Aktuelle Seen: Kulkwitzer See (1), Wal-lendorfer See (2), Raßnitzer See (3), Cospudener See (4), Markkleeberger See (5), Störmthaler See (6), Zwen-kauer See (7), Kahnsdorfer See (8), Hainer See (9), Haubitzer Bucht (10), Bockwitzer See (11), Restloch Südkippe (12), Restloch »Hauptwas-serhaltung« (13), Feuchtbiotop Nord (14), Harthsee (15), Bubendorfer Loch (16), Stausee Rötha (17), Rück-haltebecken Stöhna (18), Speicher Witznitz (19), Speicher Lobstädt (20), Speicher Borna »Adria« (21), Lache Großzössen (22), Rotes Meer (23), Breiter Teich Borna (24), Wil-helmschacht Gnandorf (25), Förster-loch Thräna (26), Tagebaurestloch Kraft  I (27), südlicher Kippensee Thräna (Kraft  II) (28), nördlicher Kippensee Thräna (29), Haselbacher See (30), Großstolpener See (31), Luckaer See (32), Pahnaer See (33), Rusendorfer See (34), Prößdor-fer See (35), Zipsendorf-Süd (36), Zipsendorf-West (»Paradies«) (37), »Ententeich« Meuselwitz (38), Heide- see Falkenhain (39), Angelteich west-lich Falkenhain (40), Fischereisee westlich Falkenhain (41), Restloch »Phönix-Nord« (42), Hainbergsee (43), Grasteich Meuselwitz (44), Penkwitzer See (45), Anglerteich im Auholz Meuselwitz (46), Schnau-derhainichener Tagebau im Auholz (47), Restloch  3 Zechau (48), Wer-bener See (49), Mondsee (50), Lan-ger See Hohenmölsen (51), Kies-teich Hohenmölsen (52), »Eisensee« (53), Restloch »397 Theißen« (54), Streckauer See (»Schädemulde«) (55), Neue Sorge Luckenau (56), Restloch Luckenau-Südost (57), Vollert-Süd (58), Vollert-Nord (59), Restloch »Kamerad« (60), Kretzschauer See (61), Auensee Granschütz (62), Tage-bausee Gostau (63), Thierbaum (64);

Zukünftige Seen: Pereser See (65), Groitzscher See (66), Schwerzauer See (67), Domsener See (68).

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eiSzeitSeen, BraunkohlentageBaue, verlorene orte unD tageBauSeen

auf DeM Weg zur vierten Seengeneration

Ein Teichrosen Claude-Monet-Idyll: Ertrunkene Lehm-Braunkohlen-Kuhle. Oberer Ziegengrund nahe Neunitz bei Grimma. 2012.

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Werden und Vergehen in Jahrmillionen

Verstehen kann man das Leben nur rückwärts.Leben muss man es vorwärts.

Sören Kierkegaard

I n Bezug auf die ältere Erdgeschichte könnte man die Region südlich der Großstadt Leipzig und damit das Seengebiet als »Raum der ver-

lorengegangenen Zeiten« apostrophieren. Zwar ist die Zeit ewig, ohne Anfang und Ende, wohl aber können die Zeugen einer bestimmten Zeitspanne zumindest regional vollständig ausgelöscht sein. Und das ist hier über Hunderte von Millionen Jahren der Fall.

Das geologische Fundament der Region aus Gesteinen der Erdfrüh-zeit und aus dem Erdaltertum, das schon mit 100 m tiefen Bohrungen zu erreichen ist und in den Jahrzehnten der geöffneten Erde am Grunde der Tagebaue in Gestalt von Kaolinbergen ans Licht trat, besteht aus einer 1 000 bis 2 000  m mächtigen Schichtenfolge aus Grauwacken, sandsteinartigen Gesteinen, und stark verfestigten Ton- und Schluffstei-nen. Erstere bilden bis über 1 m mächtige feste Bänke, jene zentimeter- bis dezimeterstarken Platten. Sie sind intensiv gefaltet und stehen oft schräg bis senkrecht. Es sind sogenannte Flyschsedimente, d. h. während gebirgsbildender Bewegungen aus Trübeströmen im Gefolge meist gro-ßer subaquatischer Rutschungen auf dem Meeresboden abgesetzte fein-körnige Schichten aus oft eckigen Bestandteilen. Ihr Alter ist riphäisch bzw. wendisch; sie gehören also zum Proterozoikum oder Algenzeitalter. Damit sind sie älter als 570 Mio. Jahre und können auf rund 600 Mio. Jahre geschätzt werden. Bis auf winzige Flitterchen aus Graphit, Hin-terlassenschaften von Algen, sind sie fossilfrei. Erstmals gefaltet wurden diese Schichten wahrscheinlich in der Cadomischen Gebirgsbildungs-zeit am Ende des Proterozoikums. Vor rund 550 Mio. Jahren, im tiefe-ren Zeitalter des Kambriums, drangen im nordwestlichen Sachsen saure Magmen in das Grauwackengebirge ein und erstarrten zu mächtigen Granodioritkörpern, granitartigen Gesteinen. Sie wurden unter Mark-kleeberg-West bis Leipzig-Lößnig und weiter nach Nordosten bis Leip-zig-Stötteritz erbohrt und sind Teil des granitischen Fundamentes, das den tieferen Untergrund Nordwestsachsens über große Flächen aufbaut.

Und nun die »ältere verlorengegangene Zeit«. Es besteht guter Grund zu der Annahme, dass das gefaltete und durch Granite versteifte Grau-wackengebirge im Kambrium wieder zu sinken begann und die Senke in einem Zeitraum von rund 300 Mio. Jahren mit weit über 1 000 m mäch-tigen marinen Schichten des Kambriums, Ordoviziums, Silurs, Devons und Unterkarbons gefüllt wurde. In der im Grenzzeitraum Unterkar-bon/Oberkarbon liegenden sudetischen Phase der mitteleuropäischen varistischen Gebirgsbildung (Steinkohlengebirge) erfolgte eine intensive Faltung dieser Schichten, danach ihre Zerblockung und Heraushebung und schließlich Abtragung bis in das Fundament aus Grauwacke und Granit. In der Umrandung des aufgestiegenen Blocks blieben gleichalte Schichten flächenhaft oder punktförmig erhalten. Nächstjüngere Hin-

terlassenschaften der Erdgeschichte der Region existieren erst wieder aus der Oberkarbonzeit, dem Westfal und Stefan, d. h. aus einer Zeit von vor rund 290 bis 310 Mio. Jahren. Es sind rot und braun gefärbte verfes- tigte Kiese, Sand-, Ton- und Schluffsteine, die eine steinkohlenzeitliche Flora führen. Sie kommen erst westlich der Weißen Elster vor, wo sie mehrfach erbohrt wurden und im Westen der Stadt Leipzig, z. B. am Lindenauer Hafen, auch zutage treten.

Im jüngsten Abschnitt des Erdaltertums, dem oberen Perm oder Zechstein, wurde im Zusammenhang mit einer großen Meeresüberflu-tung Nordwest- und Mitteleuropas der gesamte Leipziger Raum bis in die Gegend von Zwickau und Gera vom Meer bedeckt. Die südlich der Linie Kitzen – Rötha – Lausick hinterlassene Schichtenfolge mit mäch-tigen Karbonaten, vor allem Dolomit, und Sulfatgesteinen (Anhydrit und Gips) erlangte später für die Braunkohlenbildung Bedeutung. Sie kennzeichnet insbesondere den Untergrund der braunkohlenführenden Formation des südlichen Leipziger Seenlandes mit ihren schon abgebau-ten bzw. gegenwärtig regional noch in Abbau stehenden Kohlefeldern (Tagebaue Schleenhain, Profen-Schwerzau) zwischen Groitzsch, Borna, Altenburg, Meuselwitz und Profen.

Auch Schichten des folgenden Erdmittelalters, insbesondere der Trias mit Buntsandstein und Muschelkalk, kamen auf der Nordwest-sächsischen Hochscholle um Leipzig zum Absatz. Nachdem dieses Tafel-gebirge in der höheren Kreidezeit weitspannig gefaltet und an Störungen in Schollen zerlegt worden war, erfolgte wie 200 Mio. Jahre vorher in der Steinkohlenzeit eine erneute Heraushebung des Gebietes und eine damit verbundene Abtragung der über 500 m mächtigen Deckgebirgs-schichten. Ein zweites Mal wurde das Grundgebirge freigelegt. Es ist die zweite, jüngere Periode der »verlorengegangenen Zeit«. In dem durch tropisch-humide Klimabedingungen gekennzeichneten und tektonisch beruhigten Abschnitt der höchsten Kreidezeit und des älteren Tertiärs unterlag das alte Gebirge einer intensiven chemischen Verwitterung. Durch Wegführung von etwas Kieselsäure und aller Alkalien bildete sich Kaolin oder Porzellanerde. Besonders betroffen wurden die granitischen Gesteine und die Grauwacke. Aber auch die vulkanischen Gesteine des Unterrotliegenden, die unmittelbar östlich von Leipzig, bei Taucha, bis an die Oberfläche reichen und im Nordwestsächsischen Vulkanitbecken zwischen Rochlitz und Lucka im Süden und Eilenburg – Grimma – Wur-zen – Oschatz eine flächenhafte Verbreitung erlangen, sind von einer Kaolindecke überzogen. Die Porzellanerdeschicht zwischen Leipzig und dem Auftauchen der Felsen bei Hainichen und Otterwisch besitzt eine Mächtigkeit von durchschnittlich 15 bis 35 m, maximal von 85 m, wie durch zahlreiche Bohrungen nachgewiesen ist. Wo das zersetzte alte

Kollektion von Gesteinen des geologischen Fundaments Nordwest-sachsens: Granit von Leipzig-Lößnig (Bildmitte), Pyroxensyenit von Reud-nitz bei Dahlen (unten) und dichte und geschichtete Grauwacke von Leipzig-Plagwitz.

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Gebirge höher aufragt, wurde es in Form sogenannter Ton- oder Kao-linrücken in den Braunkohletagebauen von den Baggern angeschnitten und im Bereich der Förderbrücke bis zum Übergang in festes Gestein sogar durchschnitten. Es handelt sich bei den Hügeln um Reste von Inselbergen, die wie in Ost- und Südafrika unter subtropischen Bedin-gungen entstanden sind und die Landschaft schwarmweise wenige Dekameter, vereinzelt 50 m bis über 100 m überragten.

Kohlemoore und Urnordsee in der Leipziger Bucht

Braunkohlenzeit (Tertiär)

Vor rund 50 Mio. Jahren, im frühen bis mittleren Eozän, war das Land vor allem durch weiträumige endogene Bewegungen so tief abgesenkt, dass die Inselberglandschaft in Fluss- und Seesedimenten zu ertrinken begann. Die südlichen Gebirge existierten noch nicht, das Einzugsge-biet der Flüsse reichte bis in das Gebiet des heutigen Böhmen. Auch Flüsse aus Thüringen und Nordostbayern nahmen ihren Weg durch die Leipziger Bucht. Die östlichen Fließgewässer (»Zwickauer Fluss«) wandten sich zwischen Leipzig und Groitzsch nach Nordwesten bis Westen, vereinigten sich mit den von Südwesten kommenden Flüssen, um über das Gebiet zwischen Lützen und Mücheln in das Norddeutsche Senkungsgebiet abzufließen. Die Zeit der zunächst örtlichen, dann flä-chenhaften Vermoorung mit der Bildung von Torf, aus dem sich durch Inkohlungsprozesse die Braunkohle entwickelte, begann noch im Mittel- eozän vor rund 50  Mio. Jahren. Die bis 100  m mächtigen Flöze des Geiseltals westlich von Merseburg sind die ältesten abbauwürdigen der Region. Das Sächsisch-Thüringische Unterflöz ist der älteste flä-chenhaft verbreitete Kohlekörper der Leipziger Bucht und eine der Hauptadern der Kohlegewinnung in ihrem südlichen Teil zwischen Neukieritzsch, Lucka und Profen (Tagebaue Schleenhain, Groitzscher Dreieck, Profen) und den südlichsten ehemaligen Kohlegewinnungs-stätten bis Teuchern, Zeitz, Meuselwitz und Altenburg. Doch erreicht diese Flözfolge längst nicht die Ausdehnung des obereozänen Bornaer-Thüringer Hauptflözes (II/III) und unteroligozänen Böhlener Ober- flözes, die in den Tagebauen Zwenkau, Cospuden und Espenhain und in jenen um Borna (Tagebaue Witznitz, Bockwitz) gewonnen wurden und die bis in das nördliche Stadtgebiet von Leipzig weiterziehen, wobei die Mächtigkeit des Bornaer Hauptflözes stark ab-, die des Böhlener Oberflözes bis in den Süden Leipzigs zunimmt. Unter dem Augustus-platz besitzt das Bornaer Flöz nur noch eine Stärke von rund 1 m, das Böhlener Flöz hingegen 12 m, bei einem trennenden Ton von rund 1 m Mächtigkeit.

Noch vor der Moorbildung des Böhlener Oberflözes drang die ter-tiäre Nordsee zum ersten Male in einer flachen, durch schmale Land-zungen gegliederten Bucht mit Lagunen hinter den Stränden in die mittlere Leipziger Bucht bis in die Gegend südlich von Markkleeberg und südlich von Pegau vor. Während des Meeresrückzuges setzte die Moorbildung des Böhlener Oberflözes ein, die bis zum Zeitpunkt einer

erneuten Meeresüberflutung fast ohne Unterbrechung weiterging. In zwei Überflutungsphasen schob sich das mindestens 50 m tiefe Meer bis Zeitz, vielleicht bis Gera nach Süden vor. Es kamen die überwie-gend aus Feinsanden, im mittleren Teil aus Schluff und Ton bestehen-den unteroligozänen Böhlener Schichten zum Absatz. Sie bilden in der Leipziger Bucht die Hauptfundschicht von Moostierchen, Armfüßern, Muscheln, Schnecken, Krebstieren, Stachelhäutern, Fischen (Knorpel- und Knochenfischen), Reptilien (Krokodile, Schildkröten), Vögeln und Säugetieren, darunter Resten von eingeschwemmten Landsäugern wie Nashorn, Tapir und Schreckschwein, sowie Grab- und Wühlgefügen von Würmern, Mollusken, Seeigeln und Krabben. Das Landschaftsbild dieser Zeit war geprägt von breiten, weichen Sandstränden, die von Dünen überragt wurden. Lagunen oder kleine Haffseen im Hinterland, Schilfgürtel und Mangrovenwälder in Buchten vervollkommneten das Bild der anmutig-stillen Küstenszenerie an den südlichsten Gestaden der oligozänen Urnordsee in Mitteleuropa, in der Bucht von Leipzig.

Die sicher braunkohlenzeitliche Folge in der weiteren Umgebung von Leipzig schließt ab mit Sanden, Kiesen und Tonen der oberoligozä-nen Thierbacher Schichten und hellen Tonen, glimmerreichen Sanden mit Relikten eines unreinen Braunkohlenflözes des unteren Miozäns (Bitterfelder Schichten).

WerDen unD vergehen in jahrMillionen

Aufrechtstehender Baumstubben im gebänderten Bornaer Hauptflöz (Flöz II) des Tagebaues Schleenhain. 2001.

Die ältesten Meeressedimente der tertiären Urnordsee in der südlichen Leipziger Bucht. Die bis mehr als 30 m mächtige, weiß-gelb, gelb-braun bis schwarz gefärbte, durch Grabgänge (Bioturbation), durch Anreicherung von Schwermineralen und Verkieselungen (Tertiärquarzite) charakterisierte Schluff-Sand-Abfolge der Domsener Schichten im Liegen-den des Böhlener Oberflözes zählt zu den geologisch interessantesten und rätselhaftesten Sedimenten des Tage-baues Profen. 1993.

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Flussschotter und Gletscherablagerungen

Eiszeit und Nacheiszeit (Quartär)

Nach der Braunkohlenzeit schnitten sich die Flüsse mit Unterbrechun-gen durch Schotterüberfrachtung während der Kaltzeiten bis 40 m in die braunkohlenzeitlichen Schichten ein. Während dieser Halte wurden in bis 15 km breiten Tälern 6 bis 12 m mächtige Flussschotter abgesetzt. Ein bemerkenswertes Tal aus dieser Zeit zieht in 25 bis 35 m Tiefe süd-östlich von Leipzig, von Grimma bzw. Borna kommend, über Wachau nach Leipzig-Connewitz. Es wurde von der Wyhra, einem Arm der Zwickauer Mulde und dem heute nicht mehr existierenden Großpös-naer Fluss, angelegt. Diese Gewässer vereinigten sich in der inneren Südstadt Leipzigs mit der aus dem Weißenfels – Lützener Gebiet zuströ-menden Saale und der ihr tributären Weißen Elster, die ihren Weg über das Gebiet der Tagebaue Profen, Zwenkau, Cospuden und Espenhain genommen hatte. Das elstereiszeitliche Inlandeis stieß, einen großen Stausee vor sich her schiebend, zweimal über den Leipziger Raum bis in die Gegend von Zwickau bzw. Altenburg vor. Die zurückgelasse-nen Sedimente sind in Form von Grundmoränen (Geschiebemergeln), Schmelzwassersanden und Seeablagerungen (Bändertone), darunter die des großen Wachauer Sees, vor allem in dem vom Tagebau Espenhain (Restloch Störmthal) erschlossenen fossilen Tal südöstlich von Leipzig und im frühelstereiszeitlichen Saale-Weißelster-Tal um Knautnaundorf erhalten. Bemerkenswert ist der Befund, dass während des Zerfalls des elstereiszeitlichen Inlandeises die Zwickauer Mulde mit der Zschopau und wohl Armen der Freiberger Mulde aus der Gegend von Grimma kommend in Richtung des Göseltales, über Gaschwitz und Leipzig-Windorf und -Plagwitz das unmittelbar südlich an Leipzig angrenzende Gebiet in nordwestlicher Richtung querte. Aus der Holsteinwarmzeit sind im Umfeld der Großstadt Leipzig einige Sedimentvorkommen bekannt, nämlich die von Gaschwitz, Seehausen und Jesewitz bei Taucha. Die große Abkühlung der Saaleeiszeit führte zur Aufschüt-tung eines mächtigen Schotterkörpers der Gösel, Pleiße und westlich der Weißelsteraue der Weißen Elster. Es entstand die durch ihre rei-chen alt- und mittelpaläolithischen Artefaktfunde um Markkleeberg und Eythra – Knautnaundorf berühmt gewordene Hauptterrasse. Das Inlandeis der Saaleeiszeit staute wiederum einen bedeutenden Glazial-see in den Tälern auf, in dem sich der Böhlener Bänderton absetzte. Es überfuhr diese Region zweimal. In der ersten Vereisungsphase drang es bis in die Gegend von Altenburg und Zeitz, in der zweiten mindestens bis in das Göselgebiet bei Magdeborn vor. Zwischen den Vorstößen kam hier ein durchschnittlich 2 m, maximal 4 bis 5 m mächtiges Seesedi-ment, der Bruckdorf-Böhlener Bänderton, zum Absatz.

Aus der folgenden Warmzeit, dem Eeminterglazial, sind nur außer-halb der beschriebenen Region Sedimente bekannt; genannt seien die von Grabschütz und Rabutz nördlich von Schkeuditz. In der Weich-seleiszeit entstanden in der Weißelster- und Pleiße-Gösel-Aue bis 8 m mächtige Flussschotter. Auf den Hochflächen und Talhängen wurden ein 0,5 bis maximal 1,5 m mächtiger Sandlöß und sandiger Löß, südlich Weißenfels – Pegau – Borna bis über 5 m Löß, von Winden aufgeweht,

Die Sedimentabfolge der Elster-eiszeit im Zentralteil der Leipziger Bucht. Über schräg geschichteten Flusssanden liegt das älteste west- und mitteleuropäische Gletschersee-sediment des quartären Eiszeitalters, der Dehlitz-Leipziger Bänderton mit seiner typischen Wechsellagerung aus dunklen im Eiszeitwinter und hellen im Eiszeitsommer abgesetzten Schichten. Darüber lagert das vom Inlandeis hinterlassene Gletscher-sediment, der Geschiebemergel der Elstereiszeit. Tagebau Schleenhain. 1993.

Freigelegtes Grab aus der Jungsteinzeit bis Frühbronzezeit (ca. 2600 bis 2200 v. Chr.). Archäo-logische Grabung »Pätschenberg« im Aufschlussfeld des Tagebaues Profen-Schwerzau. 2009.

die vom weichseleiszeitlichen Inlandeis in Brandenburg und Meck-lenburg als Fallwinde nach Süden strömten. In der erdgeschichtlichen Gegenwart, dem Holozän, setzten die Flüsse in den heutigen Tälern geringmächtige Schotter und seit der beginnenden Jungsteinzeit vor ca. 7 000  Jahren (Bandkeramik) zunächst geringmächtige, seit dem Hochmittelalter um 1 200 n. Chr. die ganze Breite der Auen überzie-hende 2 bis 4  m starke Auelehme ab. In den Flussablagerungen die-ser Zeit fanden sich mehrere tausend Stämme, Stubben und Äste der Eiche, die um 8 500 v. Chr. hier wieder Fuß fasste. Zahlreiche archäo-logische Befunde in den holozänen Auensedimenten zeigen, dass der Mensch in den Talauen der Leipziger Bucht mindestens seit der Jung- steinzeit (ca. 5500 bis 2000 v. Chr.) mit ihren in den Keramiken erkenn-baren verschiedenen Kulturstufen durchgängig sesshaft ist.

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von eineM erDWunDer

Die vier Seengenerationen der letzten 500 000 Jahre im öst-lichen Norddeutschen Tiefland in generalisierter Schnitt- und Karten-darstellung.

I Elstereiszeitliche Seenformation (Rinnen)

II Saaleeiszeitliche Seenformation, z. B. Lausitzer Urstromtal (Ältere Folge), Heidesande

III Weichseleiszeitliche Seenforma-tion (15 000 – 12 000 v. Chr.) verdeckt: z. B. Baruther Urstrom-tal, offen: z. B. Mecklenburger Seenplatte, Eberswalder Urstromtal

IV von Menschenhand geschaffene Bergbauseen, Teichlandschaften, Steinbrüche (seit rund 500 Jah-ren).

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Die vierte Seengeneration in zeitlicher und geografischer Folge

E s gehört heute glücklicherweise in weiten Kreisen der Bevölkerung zum Allgemeinwissen, dass sich vor etwa 1,5 Millionen Jahren ein

weltweiter Wandel im Klima vollzog, der den Beginn des bis heute rei-chenden quartären Eiszeitalters einläutete. Dieses war über einen Zeit-raum von etwa einer Million Jahren in erster Linie gekennzeichnet durch den Wechsel von Zeiten eines gemäßigten Klimas – wie gegenwärtig – und von kalten Abschnitten mit ausgedehnten Steppen- und Taiga-waldgebieten und darin lebenden, kälteangepassten Tierassoziationen, von denen uns vor allem die frühen Mammut- und Nashornarten, aber auch Rentiere und andere überliefert sind. Charakteristisch für die kal-ten Abschnitte dieses Zeitraumes war die Existenz eines dauergefrorenen Bodens. Vor etwa 500 000 Jahren kam es zu einer neuen Qualität eines derartigen Wechselklimas, indem sich von Skandinavien aus mächtige Inlandeisdecken bis zum Ural und zu den Britischen Inseln vorschoben und während der maximalen Ausdehnung in Europa die Mittelgebirge von Schlesien, das Erzgebirge, den Harz sowie das Rheinische Schiefer-gebirge tangierten. Das Eis entwickelte dabei verschiedene Mechanis-men, die wir in der modernen Technik des übertägigen Kohleabbaus wieder finden. Das Eis wirkte durch gespanntes, rasch fließendes Wasser, dabei den Untergrund ausspülend, unterirdisch linear wie ein Hydro-monitor zur Gewinnung von Lockergestein. Des Weiteren wirkte es wie ein Schaufelradbagger, dabei den Untergrund ausspanend, oder aber auch schiebend, wie ein Schneepflug bzw. wie eine Planierraupe, wobei das lockere Material zu Bergen zusammen geschoben wurde oder sich flächenhaft vor ihm ausbreitete. Die dabei entstandenen Vertiefungen füllten sich beim Zerfall des Eises rasch mit Grund- und Oberflächen-wasser. Das ist die Geburtsstunde der unzähligen Seen, die vom Ural über das Norddeutsch-Polnische Tiefland bis zu den Britischen Inseln das ehemalige Vereisungsgebiet nachzeichnen und die natürliche eiszeit-liche Seenformation kennzeichnen.

Die Inlandeise stießen unterschiedlich weit nach Süden vor – das der Elstereiszeit, der ältesten im östlichen Deutschland, bis Erfurt, Zwickau und über Zittau hinaus, das der Saaleeiszeit bis Zeitz und Gör-litz und jenes der Weichseleiszeit bis zur Linie der Städte Brandenburg und Guben. Die glazialen Sedimente und morphologischen Hinterlas-senschaften (Glazialseen, Endmoränen) dieser drei großen Vereisungs-perioden lagen im nördlichen Mitteleuropa parallel zu den einzelnen Vereisungsgrenzen. Im südlichen Raum war entsprechend die elster-eiszeitliche, nach Norden zu die saaleeiszeitliche und schließlich ganz im Norden die weichseleiszeitliche Moränenplatte mit ihrer jeweiligen natürlichen Seenformation entwickelt. Die von Saale- und Elstereiszeit hinterlassenen Seen sind weitgehend verschüttet und morphologisch

ausgelöscht. Dagegen sind die weichseleiszeitlichen Hinterlassenschaf-ten in weithin frischer, bewegter Moränenlandschaft in einigen Tausen-den noch überliefert.

Die Rinnen- und Beckenseen der Elstereiszeit waren die flächenmä-ßig größten und tiefsten. Sie bestanden teilweise über 50 000 Jahre und erloschen wohl überwiegend vor etwa 200 000 Jahren. Die letzten dieser ersten Seengeneration wurden vom Inlandeis der zweiten großen skan-dinavischen Inlandeisinvasion, der der Saaleeiszeit, ausgelöscht; darun-ter Seen mit Ausmaßen von weit über 1 000 km² Fläche. So erreichte der bis 200 m tiefe Elbglazialsee zwischen Riesa, Dessau und Jüterbog mit Ausläufern bis Berlin eine Größe von rund 5 000 km² und damit fast das zehnfache Ausmaß des Bodensees (Ansgar Müller 1988). Im Vergleich dazu nimmt der vor ca. 15 000 Jahren gebildete, weichseleis-zeitliche größte Glazialsee Mecklenburgs, die Müritz, eine Fläche von nur 117 km² ein.

In der saaleeiszeitlichen Vereisungsperiode entstand die bis südlich von Leipzig reichende zweite Seengeneration Norddeutschlands, doch ist diese nur ein schwacher Abglanz der vorangegangenen. Während der mehrfachen Eisrandschwankung bildeten sich in der Leipziger Bucht vor allem flache Grundmoränenseen, einer bei Magdeborn südöstlich von Leipzig, von dem der Tagebau Espenhain bis 5 m mächtige Sedi-mente erschloss. Aus der endgültigen Eiszerfallsphase sind nur fünf kleinere Seen bzw. größere Weiher bekannt, doch haben mit Sicherheit weitere existiert. Von einigen wissen wir, dass sie sich über die gesamte folgende Warmzeit, die Eemwarmzeit, bis in die letzte Kalt-zeit, die Weichseleiszeit, erhielten, d. h. über einen Zeitraum von über 10 000 Jahren, vermutlich 20 000 bis 30 000 Jahren. Das liefert einen guten Hinweis auf die zu erwartende Lebensdauer der Bergbauseen außerhalb der Täler. Nach Mammut und Wollhaarigem Nashorn wei-deten in der Nähe der Seen Waldelefant, Mercksches Nashorn, Edel-hirsch, Elch, Ur und Wisent, jagten Braunbär, Luchs und Löwe, um danach wieder einer Kältesteppen angepassten Fauna Platz zu machen. Während im Norden am Ende der Weichseleiszeit die Landschaft noch einmal eine durchgreifende Auffrischung erfuhr und die dritte Seenge-neration, das natürliche Seenparadies Mecklenburgs und des nördlichen Brandenburgs, entstand, endete mit der »Erblindung« der am Ende der Saalevereisung gebildeten Seen die letzte Periode der Naturseen im Süden des Norddeutschen Tieflandes einschließlich der Leipziger Bucht.

Was nun das oben genannte Wunder betrifft, ist die kausal nicht zusammenhängende Tatsache, dass etwa 10 000 Jahre nach Beendigung des großen nordeuropäischen Vereisungsphänomens mit seinen drei natürlichen Seenformationen der Mensch mit technischen Geräten, die

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mechanisch vielfach genauso arbeiten wie das Gletschereis, beginnt, die Braunkohlenmeile von Schlesien bis zum Harz auszubeuten. Zunächst wird die Braunkohle im Tiefbau, und später in viele Quadratkilometer großen Tagebauen gewonnen. Da aus diesen Tagebauen durch den Abbau der Kohle und des damit verbundenen Massendefizits jeweils rund ein Drittel des ursprünglichen Volumens als Hohlräume zurückblieb, muss- ten sich diese »Löcher« nach Beendigung der Grundwasserhaltung mit Wasser füllen, in der Regel bis zur mittleren Grundwasseroberfläche bzw. bis zur Höhe der mittleren Flusswasserspiegel, wie sie vor dem Eingriff des Menschen existiert hatten. So folgt dem Eingriff des Koh-leabbaus zwangsläufig die Entstehung einer Seenlandschaft, die völlig analog zur rein natürlichen, vereisungsbedingten Landschaft der Vor-zeit mit ihren Glazialseen ist. Der Mensch ist zum geologischen Fak-tor aufgestiegen. Damit war und ist die vierte Seengeneration in Folge geboren. Diese von Menschenhand geschaffene neue Seenlandschaft schließt sich zeitlich wie auch geografisch an ihre drei natürlich gebilde-ten eiszeitlichen Seenformationen an. Als jüngste, noch in Entstehung begriffene Seen des Mitteldeutschen Braunkohlebergbaugebietes liegen sie geografisch im südlichen Überlappungsbereich der Maximalausdeh-

Seesedimente der ersten, ältesten, natürlichen eiszeitlichen Seengeneration (Bänderton, oben) und der vierten, jüngsten, künstlichen, menschgemachten Seengeneration (Seesediment aus Tagebausee, unten) mit im Sediment und seinen zentimeterstarken Schichtwechseln gespeicherten Informationen zur Historie und Entwicklung der jeweiligen Seen.

nung der Inlandeise der Elster- und Saaleeiszeit und deutlich außerhalb derjenigen der Weichselvereisung. Im Bergbaurevier der Niederlausitz, das die südlichste Randzone des weichselglazialen Inlandeises tangiert, werden sich daher in der gleichen Region »Kunstseen« (Helenesee) ent-wickeln können neben Naturseen (Scharmützelsee- oder Schwielow-see), die vielleicht in 100  Jahren ohne Sedimentuntersuchungen des Seegrundes verwechselt werden können. So umsäumt diese jüngste, vierte Seenformation ihre drei eiszeitlichen Vorgänger und erweitert im übertragenen Sinne damit die Norddeutsche Seenplatte nach Süden. Es sei hier noch ein spezieller Gedanke des Geologen und Bergmanns angeführt. In den 1950er Jahren erschienen im östlichen Deutschland erstmalig großmaßstäbliche Karten der gewinnbaren Braunkohlen-flöze mit Eintragungen der Abbaugebiete des Braunkohlenabbaus für die nächsten 50 bis 100 Jahre. Damit ergab sich für den Eingeweihten bereits ein plastisches Bild der künftigen Seenlandschaft zwischen Harz und Neiße, und der Kenner der Hydrogeologie konnte sich auch schon Vorstellungen machen über die Ausdehnungen der Seen, die zukünfti-gen Wasserspiegelhöhen und über die eventuelle künftige Nutzung der Wasserflächen.

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Braunkohlentagebau

Mancher Mann ist dreimal in Afrika gewesen und hat doch weniger gesehen als ein heller Kopf in diesem Krater.

Anonymus

D er Not gehorchend, nicht dem eigenen Trieb …Dieses geflügelte Schillerwort aus seiner Braut von Messina

könnte das Motto des Braunkohlenbergbaues mit seinen umwälzen-den Eingriffen in die Erde zumindest für die Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg sein. Kriegs- und Nachkriegsjahre: Trümmer und Hunger, nicht nur leiblicher, auch Hunger nach Energie, ohne die aller Wie-deraufbauwille zum Scheitern verurteilt wäre. Der Osten des Landes ist von der Hauptlebensader abgeschnitten, der Steinkohle. Doch der Schöpfer hat es weit vorausblickend vor 20 bis 50 Millionen Jahren offenbar gut mit dieser Region und den später dort siedelnden Men-schen gemeint. Von der Neiße bis zum Harz eine zusammenhängende kohleführende Erdformation! Vielfach zwei bis drei abbauwürdige von insgesamt mehr als 20 mit Namen belegten Flözen übereinander. Das Leipziger Tiefland von Altenburg und Zeitz im Süden bis unter die Stelle, wo sich später die Stadt Leipzig entwickelt, im Norden, ein ein-ziger großer Kohlepott, das Weißelsterbecken. Was für ein Geschenk, wieviele Länder dieser Erde würden sich glücklich preisen, nur einen Bruchteil des heute noch verborgenen Schatzes mit Tonnen in Mil-liardendimension zu besitzen. Aber nur in Märchen und Sagen lie-gen die Schätze spatenstichtief in der Erde oder in Mauerritzen. Die wirklichen Schätze der Erde können nur mit Mühe und Sachverstand ausfindig und mit noch größerem Aufwand gehoben und nutzbar gemacht werden. Sie gleichen Konserven oder hartschaligen Früchten. Ihr Inhalt ist von einem Mantel umgeben, der geöffnet werden muss. In der aus Lockersedimenten bestehenden obersten Erdkruste sind es gegen Wind und Regen, Flüsse und Gletscher schützende Schichten aus Lehmen, Kiesen und Tonen. Vor allem bei Massenrohstoffen wie Braunkohle müssen sie abgedeckt werden. Landschaftszerstörung ist der Gewinnung damit innewohnend. Nur dem wattgeizenden und mit dem Rad zum Dienst fahrenden Konsumenten darf dies ein Ärger-nis sein, dem anderen, ist er kein Heuchler, höchstens ein notwendiges Übel, das er beklagt, ja beweint.

Jahrzehntelanges Gerangel um Abbaugrenzen am Südrand der Großstadt Leipzig: Liegt die Kohle unter dicht bebautem Gebiet, sind Interessenkonflikte selbst in der »klassenlosen Gesellschaft« vorprogram-miert. Unter Markkleeberg 12 bis 20 m, unter Probstheida 12 bis 15 m, unter dem Augustusplatz mitten in der Großstadt Leipzig 13 m Kohle! Sollen die Tagebaue bis zum Schleußiger Weg, hier noch 10 m Kohle, bis Probstheida vorrücken? Soll das Klinikgelände von Dösen überbaggert werden? Das waren Fragen der 1950er und 1960er Jahre. Man einigte sich. Die Abbaufront bleibt am Südrand von Störmthal, Güldengossa und Markkleeberg-Ost stehen. Von hier sollte sie über Zöbigker, mittig

Absetzer 1113 aus dem Tagebau Cospuden, gesprengt im Mai 1999.

Die 20 m hohe und 2,2 m starke Napoleoneiche am Nordrand des Tagebaues Zwenkau – am 17. März 1981 gefallen.

Absetzer 1113, im Tagebau Cospuden im Einsatz. 1995.

Das Dröhnen der nahenden Maschinen des Tagebaues und die Detonationen beim Sprengen der Findlinge begleiten 1980 eines der letzten Picknicke am Fuße der fast 250 Jahre alten Napoleoneiche wenige Monate vor ihrer Fällung.

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durch den Elsterstausee bis Knautnaundorf verlaufen. Die in den 1970er Jahren in ein künstliches Bett gezwungene Weiße Elster wird zur West-grenze. Kein geologisches Optimum! Ein Kompromiss aller an einer funktionierenden Städteregion interessierten Behörden. Keine Volks-abstimmung. Doch die Elsteraue westlich von Markkleeberg, nördlich der Ortschaft Cospuden, wenig bebaut, weitflächig bedeckt mit einer parkartigen Auenwaldformation, darunter uralten Eichen, nicht weni-ger reizvoll als die weit gerühmte Parklandschaft der Themse bei Kew und Windsor oder der Elbe bei Wörlitz, ist dem Bergbau eine Verlo- ckung. Schon in den Fünfzigerjahren hatten die Geologen abbauwür-dige Kohle bis zum Schleußiger Weg festgestellt. In den Siebzigerjahren wird das östliche Gebiet der Weißelsteraue zwischen dem Gut Cospu-den und der Bahnstrecke Markkleeberg – Kleinzschocher als eines der Filetstücke des Kohlereviers erkannt. Zwei Flöze, das untere 2 bis 8 m, das obere 8 bis 12 m mächtig, übereinander zusammen durchschnittlich 12 bis 16 m Kohle unter 25 bis 30 m Deckgebirge. Ein Verhältnis von Abraum zu Kohle von 2,5 bis 3 :1, im Mittel 2,6 :1, ein Ausnahme-fall im »Leipziger Kohlepott«. Das durchschnittliche Verhältnis in der Region liegt bei 4:1, z. T. bei 5 bis 7:1, z. B. auf großen Flächen östlich von Markkleeberg. In der Aue haben Saale und Weiße Elster in den letzten 350 000 Jahren dem Menschen die künftige Abraumarbeit fast zur Hälfte abgenommen: Rund 25 bis 35 m Deckgebirge der Kohle sind von Flüssen abgetragen worden.

Die Freilegung der Erdschichten in den Tagebauen über mehrere hundert Quadratkilometer große Flächen und der neugierige Blick in den geologischen Schichtenstapel eröffneten dem Erdwissenschaftler einen Blick in die ihm politisch verschlossene Welt. 50 Millionen Jahre Landschaftsentwicklung und Klimageschichte Mitteleuropas lagen zu seinen Füßen. In der Stille wurden die in den Erdschichten überlieferte Pflanzen- und Tierwelt, die Strukturen und Hinterlassenschaften des Klimas der Vergangenheit studiert. Detaillierte Bilder des natürlichen Wandels der mitteldeutschen Landschaft seit 50 Millionen Jahren, ein-schließlich des erstmaligen Auftretens des Menschen entstanden. Sie beinhalten alle Facetten der heutigen Klimabereiche unserer Erde und reichen vom Landschaftsbild der Tropen Floridas über das der Watt-landschaft der Nordsee Schleswig-Holsteins und der Haffküste der Ost-see bis hin zur Taiga Sibiriens und der Gletscherbedeckung Grönlands.

Blick in den Schlund des Tagebaues Schleenhain mit im Vordergrund angeschnittenen Baumstämmen in Flusssedimenten der Braunkohlenzeit, im Hintergrund die aus bis zu vier Flözen bestehende mächtige Kohleabfolge, bedeckt von marinen und eiszeitlichen Ablagerungen. 1995.

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Die Erinnerung ist das einzige Paradies,woraus wir nicht vertrieben werden können.

Jean Paul

Die Schattenseiten des Übertagebergbaues waren über Jahrzehnte tabuisiert. Auf den Punkt gebracht wurden sie in einem kleinen

Beitrag über Braunkohlenbergbau und Umweltprobleme, der erst in den Nachwendejahren erscheinen konnte: Die bis in die zweite Hälfte des 17.  Jahrhunderts zurückreichende Gewinnung der Braunkohle erfolgt heute nur noch in Tagebauen. Bei der Förderung solcher Mas-senrohstoffe wie der Braunkohle ist diese Methode zwar die wirtschaft-lich effektivste – auch was den Grad der Lagerstättennutzung der Kohle betrifft –, doch – unabhängig von emotionalen oder rationalen Wer-tungen – zugleich das radikalste Verfahren der Landschaftszerstörung. Anders ausgedrückt, sie ist die Ultima ratio des Bergmanns, die mit der Natur Tabula rasa macht. Der hinter uns liegende Eingriff ist auf Jahrmillionen irreversibel und besitzt damit eine geologische Dimen-sion. Der Förderbrückenbetrieb ist wohl das ökonomisch effektivste Verfahren der Abraumgewinnung und -beförderung, technisch jedoch das kompromissloseste und unflexibelste. In Gang gesetzt, gleicht die Methode einem unentrinnbaren zerstörerischen Naturereignis.

Mit der Überbaggerung einer Kulturlandschaft in großem Aus-maß wird in Mitteleuropa die Devastierung von Ortschaften, Einzel-höfen und -gewerken zum nahezu schicksalhaften Zwang. Im Bereich des Tagebaues Espenhain wurden allein 14 Gemeinden und Ortsteile überbaggert, deren Wurzeln bis ins frühe Mittelalter (8. –11. Jahrhun-dert) zurückreichen. Im gesamten Gebiet des südlichen Mitteldeutschen Seenlandes betrifft dies im Zeitraum 1928 bis 2006 ca. 100 Orte mit insgesamt rund 33 300 Einwohnern, von denen Rusendorf (1928 bis 1932) als erster und Heuersdorf (1995 – 2008) als zur Zeit jüngster der von der Landkarte verschwundenen Orte gelten (Jahreszahl – Beginn der Devastierung; Angaben in Klammer – Zahl der Einwohner; T – Teilabriss):

1928: Rusendorf (150 Einwohner)1929: Gaumnitz (328)1935: Deuben (Siedlung)1941: Witznitz (861)1944: Petsa (350)1948: Pirkau T (342)1950: Zechau-Leesen T (1310), Ruppersdorf (210) 1951: Bergisdorf (280); Rötha-Geschwitz (545)1952: Neukieritzsch T (190); Blumroda (560); Ruppersdorf-Bosengröba1953: Zeschwitz (403)1954: Streckau (700); Wuitz (644)1955: Thräna T (20); Sabissa (338); Rüben (289); Stöhna (792)

Tabula rasa oder die Verlorenen Orte

Durch den Bergbau verschwundene Orte im Gebiet des südlichen Mittel-deutschen Seenlandes.

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verlorene orte

Droßdorf, um 1915.

Bosengröba, um 1925.

1956: Großdeuben-West T (530); Großdeuben-Ost T (360) 1957: Zehmen (580); Ramsdorf-Loschützmühle (20);

Görnitz-Hartmannsdorf (230); Mutschau (1033)1959: Schnauderhainichen T (110)1960: Regis-Breitingen T (40); Kleinhermsdorf/Nehmitz T (75)1961: Altdeutzen T (370); Görnitz (320)1962: Trachenau (450); Treppendorf (120)1963: Kötzschwitz (17); Elstertrebnitz T (110); Stöntzsch (750);

Pegau T (114); Köttichau (759)1964: Gaschwitz T (767); Schleenhain (270); Borna-Ost T (134);

Borna-Abtei; Heuersdorf-Großhermsdorf T; 1965: Pödelwitz-Leipen (82)1967: Sestewitz T (203); Crostewitz/Cröbern (1750);

Gestewitz T (277); Döbris (615); Domsen T (30)1968: Hain-Kreudnitz (175); Kleinzössen (82) 1969: Hain-Guthegröba; Hain (350)1971: Prödel/Zöbigker T (339); Zwenkau-Ziegelei Kinne T (20)1973: Zwenkau-Nord I/II T (166); Cospuden (36)1974: Markkleeberg-Göselsiedlung T (60);

Markkleeberg-Ost T (256); Zwenkau-Weiße Mark T (24)1975: Berndorf T (40); Zwenkau-Hartmannsdorf T (80)1976: Vorwerk Auenhain (19); Piegel (67);1977: Raßnitz T (50); Magdeborn (3200) mit Gruna, Kötzschwitz,

Göltzschen T 1978: Zöbigker T (18)1980: Bösdorf (1115); Steingrimma (178); Queisau (187)1981: Zschagast (35); Droßdorf (300)1982: Peres (146)1983: Neukäferhain (50); Eythra (2100); Dobergast (285)1984: Rödgen T (125) 1985: Methewitz-Käferhain (74); Lauer (25)1986: Markkleeberg-Ziegelei (25); Markkleeberg-Gautzsch;

Oellschütz T (5)1987: Dreiskau-Muckern T (350)1988: Bockwitz (130); Langenhain T (50)1989: Böhlen T (10); Lippendorf T (40); Breunsdorf (450)1994: Draschwitz-Zechenhaus (15); Schwerzau (38)1995 – 1998: Großgrimma mit Grunau, Bösau, Mödnitz, Deumen,

Domsen (850)1995 – 2008: Heuersdorf (310)2012 – 2018: Pödelwitz (130)

Blumroda, Mitte d. 20. Jahrhunderts.

Eythra, Ende der 1970er Jahre.

Tagebau Schleenhain bei Deutzen mit Freilegung und Gewinnung des Thüringer Hauptflözes. Scheinbar unaufhaltsam verschlingt der Kohletagebau über Jahrhunderte gewachsene Kulturlandschaft. Obgleich angesichts dieses Bildes nicht vorstellbar, keimt mit ihrer Vernichtung doch zugleich der Samen eines Neuanfangs. 2012.

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Zöpen, um 1920.

Bergisdorf, 1930er Jahre.

Breunsdorf, um 1960.

Witznitz, um 1930.Zehmen, 1926.Görnitz, um 1960.Heuersdorf, um 1925.

Für die Einwohner bedeutete die Umsiedlung nicht nur einen schmerz-haften materiellen, sondern auch immateriellen Verlust: neben der Tren-nung von Haus und Hof, Friedhof und Kirche, von der Landschaft, von Verwandten und Freunden die als unverwindbare Ruptur empfundene Verabschiedung von ländlicher Kultur, jahrhundertelanger dörflicher und vielfach sogar familiärer ortsgebundener Tradition und Geschichte. Für manchen kam die Aussiedlung auch im Häuslichen einer Verwer-fung gleich, dem Neubeginn in einer anderen Welt: der Plattenbau-siedlung in oder am Rande der Großstadt. Auch dieser Dimension des Bergbaues sollte bei aller historisch gegebenen Unabwendbarkeit der Wanderer, Angler, Segler oder Badende gedenken, wenn er sich heute oder künftig der dauerhaften positiven Folge der großen Berg-baukampagne des 20.  Jahrhunderts erfreut. Wie das sagenumwobene Vineta gewissermaßen »ertrunken« sind unmittelbar südlich der Groß-stadt Leipzig die Ortschaften (oder Teile davon) Magdeborn, die mit über 3 200 Einwohnern größte überbaggerte Gemeinde (mit Gruna, Kötzschwitz und Göltzschen), sowie Rödgen im Störmthaler See, der südliche Zipfel von Markkleeberg-Ost im Markkleeberger See und der zu Markkleeberg gehörende, schon 1216 erwähnte Ortsteil Cospuden und das Gut Lauer im Cospudener See. Wie der künftige Zwenkauer See – analog dem Cospudener See – ebenso »Eythraer See« heißen könnte, so auch der Störmthaler See in Erinnerung an das geschichts-trächtige »medeburu« und die einstige Großgemeinde »Magdeborner See«. Eine schwimmende Kirche auf dem Störmthaler See mit einem Turm, der dem der Kirche von Magdeborn nachgebildet ist, erinnert nun symbolisch an die dem Bergbau zum Opfer gefallenen Ortschaften mit ihren Kulturgütern. Diesen »Verlorenen Orten« ist seit Jahren eine ständige Ausstellung in der Kirchenruine Wachau gewidmet. Zahlreiche Gedenksteine mit Inschriften zur historischen Entwicklung der vom Kohlebergbau verschluckten Orte, häufig angebracht auf nordischen Findlingen oder Tertiärquarziten, die den Tagebauen der Umgebung entstammen, finden sich auch im südlichsten Gebiet des Mitteldeut-schen Seenlandes. Beispielgebend sind die Erinnerungsteine an die verlorenen Ortschaften Gaumnitz (Tagebau »Emma« bei Theißen), Stöntzsch (Tagebau Profen-Nord), Hain und Kreudnitz (Tagebau Witz-nitz II). Neben symbolischen Plätzen der Erinnerung an die vom Berg-bau überbaggerten Orte gibt es nur wenige, von denen ursprüngliche Gebäude erhalten geblieben sind. Zu ihnen zählt die jüngste, endgültig durch den fortschreitenden Tagebau Vereinigtes Schleenhain gefallene Ortschaft Heuersdorf. Im Jahr 2007 erfolgte in einer technologisch auf-wendigen und spektakulären Aktion die Umsetzung der Heuersdorfer Emmaus-Kirche über 8 km nach Borna.

Magdeborn, um 1920.

Von links nach rechts:

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Wasserbewegung und Flutung

Für einen reibungslosen Abbau der Kohle im Tagebaubetrieb mit seinen Phasen von der Tagebauerschließung über die auf »trockenem Fuß« ver-laufende Gewinnung der Kohle bis hin zur Füllung der Restlöcher mit Wasser und der Gestaltung der Bergbaufolgelandschaft sind detailierte Kenntnisse zur geologischen Schichtenfolge mit ihrer Wasserführung und ihren Wasserwegsamkeiten unabdingbar; insbesondere dann, wenn die Kohlegewinnung mit ihrer weitflächigen Absenkung der Grundwas-serspiegel unmittelbar in Großstadtnähe stattfindet. Als Beispiel hierfür kann der bis an den Stadtrand von Leipzig ausgedehnte Tagebau Espen-hain gelten. In seinen erschlossenen und angrenzenden Feldern sind bis zu zehn über- und nebeneinanderliegende Grundwasserleiter entwi- ckelt. Das Oberflächenwasser und das Grundwasser über der Braunkohle flossen früher konsequent der Pleiße und Gösel als tiefsten natürlichen Entwässerungsbahnen bzw. Vorflutern der Region zu. Der Aufstiegsweg des tieferen Wassers, vor allem der sandig-kiesigen Grundwasserleiter unter und zwischen der Braunkohle, war durch Kohle und Tone blok-kiert, sodass sich ein hoher Wasserdruck aufbaute. Es ist zu vermuten, dass vor dem Eingriff des Menschen das aus den Hochflächen zuströ-mende Tiefenwasser so stark gespannt war, dass es bei einem Anschnitt – beispielsweise durch Bohrungen – artesisch zutage getreten wäre. Zur Trockenhaltung des Tagebaues bis zur tiefsten Arbeitsebene wurden die Grundwasserleiter durch viele hundert Filterbrunnen am Tagebaurand entwässert bzw. entspannt. In den 1980er Jahren betrug die Wasser-förderung aus Filterbrunnen rund 18 bis 20 Mio. m³/Jahr oder rund 50 000 m³/Tag. Der Tagebau lenkte den gesamten unterirdischen Was-serstrom des weit nach Osten und Südosten reichenden Einzugsgebietes auf sich. Mit dem Ende der Wasserhaltungsmaßnahmen füllen sich der Porenraum der in Form eines riesigen Trichters entwässerten Schichten und die im Tagebau verbliebenen offenen Hohlräume. Besäße das mit Wasser sich füllende Tagebaurestloch, der kommende See, keinen ober-irdischen Abfluss zu einem Vorfluter, stellte sich nach Jahren ein Wasser-spiegel ein, der im Niveau der Grundwasseroberfläche des benachbarten oder angeschnittenen höchsten stärkeren Grundwasserleiters liegt. Das wäre im Falle des Störmthaler Sees um +118 bis 120 m NN. Da beide Seen durch einen Kanal verbunden werden und der Markkleeberger See an die Kleine Pleiße angeschlossen wird, tritt das in einigen Jahrzehnten vorwiegend aus Grundwasser des Einzugsgebietes bestehende Seewas-ser wieder in den größeren Kreislauf ein, wie vor dem Bergbau, nur mit einem um viele Kilometer verkürzten Sickerweg. Der See schließt wie der Tagebau auf unabsehbare Zeit die angeschnittenen Grundwas-serleiter kurz. Er kommandiert künftig weithin die Grundwasserbewe-gung des Hinterlandes, freilich gegenüber dem offenen Tagebau und der Filterbrunnenentwässerung stark gedämpft. Der Grundwasserspie-gel der höheren Grundwasserleiter wird auf einem viele Quadratkilo-meter großen Areal im östlichen Vorland des Sees unter dem Niveau

Austretendes saures, eisenreiches Kippenwasser am Zwenkauer See. 2008.

Tagebauseen

Die Menschen sind überhaupt eigener Natur, sobald ein See zugefroren ist,sind sie gleich zu Hunderten darauf und amüsieren sich auf der glatten Oberfläche: aber wem fällt es ein, zu untersuchen, wie tief er ist und welche Arten von Fischen unter dem Eise hin und her schwimmen?.

Johann Wolfgang von Goethe (1827, in Eckermann)

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und Bächen sowie deren Uferfiltrat zufließende Wasser ist pH-neutral und mäßig bis mittelstark mineralisiert. Die tieferen, braunkohlen-zeitlichen, vor allem marinen Schichten jedoch führen in erheblichen Mengen fein verteilte oder zu haselnuss- bis apfelgroßen Konkretionen zusammengewachsene Eisensulfide in Form von Markasit und Pyrit. Dazu kommen weitere Schwefelverbindungen und reiner Schwefel. Bei der Belüftung der gewachsenen Schichten durch Grundwasserabsen-kung sowie bei Baggerung und Versturz und in die Kippmassen einsi- ckerndem Niederschlagswasser entsteht durch Oxidation in der Boden-feuchte Schwefelsäure. In Kippmassen zirkulierendes Wasser kann einen so hohen Säuregrad erreichen, dass es Schuhwerk und Kleidung in kur-zer Zeit zerstört. Über das Sickerwasser oder das sich hebende Grund-wasser gelangen die Säure und anderes Versäuerungspotenzial wie gelös- tes zweiwertiges Eisen und Aluminium, aber auch andere Metalle, in die Seen. Sie führen daher in der Initialphase oftmals ein stark bis mäßig saures Wasser (pH-Wert 3,5 bis 6).

Was die an die Seen angrenzenden mächtigen Kippmassen betrifft, noch einige wenige Bemerkungen. Es sind gegenwärtig und noch län-gere Zeit chemisch quasi »gärende« Erdmassen mit einer Zusammen-setzung, die chemische Prozesse in Gang setzen, teils beschleunigen, teils hemmen oder ihre Wirkungen sogar wieder aufheben können. Das Kippenwasser ist durch Abdeckung der Kippen mit absorptionsfähigem, vielfach karbonathaltigem Mineralboden – einen hohen Kalkgehalt ver-stürzter mariner Sedimente wie Muschelschluff und Muschelsand und nicht zuletzt durch die in den Kippmassen ablaufenden reduktiven und Pufferungsprozesse (N. Hoth 2000 spricht in diesem Zusammenhang von einem »wirksamen Selbsthilfemechanismus«) – auf dem Weg inten-siver Neutralisation und Wiederfestlegung mobilisierter Verbindungen (Metalle). Die tieferen Kippenwässer sind teilweise schon gipsgesättigt und stark Hydrogenkarbonat führend. Der hohe Feinkornanteil macht die Kippe zu einem »Schwamm« mit vereinzelten Wasserpassagen. Die den Seen zufließende Wassermenge ist daher im Verhältnis zum künfti-gen Grundwasserstrom aus dem gewachsenen Gebirge gering.

Fremdwasser

Eine rasche Flutung mit möglichst gut gepuffertem Wasser, d. h. mit einem Chemismus, der bei Zufuhr begrenzter Mengen an starken Säu-ren den pH-Wert praktisch konstant hält oder direkt zur Neutralisie-rung der Säuren führt, beispielsweise durch einen höheren Gehalt an Kalziumhydrogenkarbonat, ist die physikalisch-technisch wie chemisch beste Maßnahme, der Versauerung entgegenzuwirken. Die Erosionsflä-che und damit der mechanische Eintrag von Säurebildnern in den See werden verringert. Der schneller als das Grundwasser ansteigende See-wasserspiegel blockiert nicht nur einen Teil des Grundwasserzustroms; Flutungswasser dringt in den belüfteten Porenraum auch ein und neu-tralisiert die Säure des Sicker-, Haft- und Grundwassers.

Ein Glücksumstand für die Füllung der Tagebauseen um Leipzig ist die Tatsache, dass südlich einer bei Rötha in nordwest-südöstlicher Richtung verlaufenden geologischen Störung, auf der Nordwestsächsi-

vor dem Eingriff des Bergbaues liegen. Da das Druckpotenzial, wenn auch reduziert, noch existiert, erscheint es möglich, dass dem See künf-tig sogar Tiefengrundwasser in bedeutender Menge zufließt und auf kurzem Wege über den See an die Pleiße abgegeben wird. Auch das in den an die Seen angrenzenden Kippmassen versickernde Wasser tritt zu einem Teil in nördlicher wie östlicher Richtung in die Seen ein. Doch hält die geringe Durchlässigkeit (Permeabilität) der Kippensedimente die Menge in engen Grenzen. Als bleibender Nachteil für den Wasser-haushalt des Einzugsgebietes gegenüber der Zeit vor dem Eingriff des Bergbaues werden die wie überdimensionale Brunnen wirkenden Seen vor allem den unterirdischen Abfluss beschleunigen, die langzeitige kon-tinuierliche Verfügbarkeit des Grundwassers der Umgebung vermindern und schließlich auch zu einem Wasserverlust führen, bei wesentlich ver-mehrter Speicherung von Wasser in der Region.

Die Füllung von Tagebauseen mit Grundwasser auf natürlichem Wege vollzieht sich anfangs rasch, verlangsamt sich aber mit steigen-dem Wasserstand und der damit verbundenen Gefälleminderung des Zustroms beträchtlich. Beide Seen würden ihren Endwasserspiegel erst nach der Mitte des Jahrhunderts, frühestens 2060 erreichen. Aus geo-technischen und wasserchemischen Gründen, nicht zuletzt einer raschen Nutzung wegen, sind, wie vorher in Cospuden, auch diese beiden Tage-baurestlöcher mit Fremdwasser geflutet. Seit dem 20. Juli 1999 wurde dem Markkleeberger See Grundwasser aus dem Braunkohlentagebau Profen zugeführt. Am Anfang betrug die Menge 30 000 m³/Tag, seit dem Jahre 2000 rund 45 000 m³/Tag. Der Endwasserstand bei +113 m NN wurde im Jahre 2006 erreicht. Im Störmthaler See ist im Frühjahr des Jahres 2000 mit der Stilllegung der Reinigungsanlage die Gruben-wasserhaltung (Niederschlags- und Sickerwasser) endgültig eingestellt worden. Zusammen mit einem Teil des noch geförderten Filterbrun-nenwassers flossen dem Restloch rund 3 500 m³ pro Tag zu. Im Jahre 2003 begann die Hauptflutung mit der Einspeisung von 15 000 bis 20 000 m³/Tag Grundwasser aus dem Tagebau Profen. Ab 2007 wurde die Menge auf 70 000 m³/Tag gesteigert, indem zusätzlich Grundwasser aus dem Tagebau Schleenhain zugeführt wurde. Der vorgesehene sta-tionäre Strömungszustand bei +117 m NN wurde 2012 erreicht. Auf-grund seines stark calciumsulfat-betonten (Calcium 342  mg/l; Sulfat 992  mg/l), wenig karbonatgepufferten (Hydrogenkarbonat 36  mg/l) und sauren Seewassers (pH-Wert-Enwicklung: 2004 bis 2006: 3,4 – 4,0; 2010: 6,3) sind im Falle des Störmthaler Sees Nachsorgemaßnahmen zum Erreichen einer nachhaltigen Gewässergüte notwendig.

Wasserqualität und Status der Seen

Versauerungspotenzial

Die Wasserbeschaffenheit von Seen, natürlichen wie Tagebauseen, ist zumindest in der Anfangsphase in hohem Maße von den Stoffströmen abhängig, die aus dem Einzugsgebiet zugeführt und aus den Seebecken wieder abgeleitet werden. Das normalerweise aus oberflächennahen Grundwasserleitern und künstlich nicht stärker kontaminierten Flüssen

Eisen- und Magnesiumsulfate. Beispiele für Mineralneubildungen durch saure zirkulierende Grund- und Oberflächenwässer: Die an Tagebauwänden auskristallisierten Minerale Magnesiocopiapit (oben) und Starkeyit (unten).

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schen Tiefscholle mit mächtigem Anhydrit- und Karbonatgestein unter dem Flözgebirge, ein stark mineralisiertes Grundwasser mit einem rela-tiv hohen Karbonatgehalt fließt. Dieses Tiefengrundwasser wird in den Tagebauen Profen und Schleenhain zur Sicherung des Kohleabbaus in bedeutenden Mengen gehoben. Das Wasser zeichnet sich bei einem neu-tralen pH-Wert (pH 7,3) durch eine hohe Alkalität (um 6 mmol/l) und eine hohe Sulfatkonzentration (um 11 mmol/l) aus. Es ist Wasser vom Ca-Mg-Na-HCO3-Cl-Typ mit einer Gesamthärte von rund 70 °DH, davon einer Karbonathärte von 15 °DH und einem Sulfatgehalt von rund 1000 mg/l. Sehr gering sind die Gehalte an gelöstem reaktivem Phosphor und an Stickstoffverbindungen. Das gilt auch für organische Verbindungen. Schwermetalle, außer Eisen, treten nur in Spuren auf.

Das in mehreren Hundert Millionen Kubikmetern in die vier stadt-randnahen Seen (Cospudener, Markkleeberger, Störmthaler und Zwen-kauer See) eingeleitete Fremdwasser führt zu einer Neutralisierung des Grund- und Seewassers wahrscheinlich bis in eine Zeit, in der besonders das in den braunkohlenzeitlichen Grundwasserleitern entstandene saure Poren-, Sicker- und Grundwasser ausgeschleust sein wird und die Bil-dung von Schwefelsäure durch Erschöpfung des Oxidationspotenzials nahezu wieder auf den geringen natürlichen Wert aus der Zeit vor dem Eingriff des Bergbaues zurückgegangen ist. Der während des Sommers vor allem durch Kohlensäureentzug aus dem Fremdwasser der Seen in großen Mengen ausgefällte Kalk bildet eine weitere Quelle langfristigen Säureabbaues. Der Cospudener See führt nach Ende der Füllung und der Markkleeberger See in der heute abgeschlossenen Flutungsphase ein pH-neutrales, stabil hydrogenkarbonatgepuffertes Wasser. Das wird ohne Zweifel auch für den gegenwärtig einen pH-Wert von 6,3 aufwei-senden Störmthaler See nach Abschluss seiner Füllung zutreffen. Eine bedrohliche Versauerungsgefahr besteht für alle vier nahe der Großstadt Leipzig gelegenen und mit Fremdwasser gefluteten Seen (mit Einschrän-kungen für den Zwenkauer See) auch in der Zukunft nicht.

Bei Seen, die durch Angrenzung oder Überflutung weitflächiger Areale mit Kippmassen ein hohes Versauerungspotenzial aufweisen, wie dies zum Beispiel beim Bockwitzer, Hainer und Zwenkauer See gegeben ist, waren ergänzende Maßnahmen zur Erlangung einer schnellen und nachhaltigen Neutralisation ihres Seewassers erforderlich. Zumischun-gen von Karbonat (Soda: Na2CO3) während bzw. nach erfolgter Fremd-wasserflutung führten zum Beispiel am Pilotobjekt dieser Maßnahmen, dem Bockwitzer See, zwischen 2004 und 2009 zu einer Anhebung des pH-Wertes seines Seewassers von stark sauren zu neutralen Bedingun-gen. Vergleichbare Maßnahmen wurden ebenfalls am Hainer See mit Erfolg durchgeführt; am Zwenkauer See sind sie derzeit im Gange.

Schichtung der Seen

Die vier genannten, den unmittelbaren südlichen Stadtrand von Leip-zig umsäumenden Seen werden zum Typus der dimikten stehenden Gewässer zählen, d. h. im Sommer aus einem geschichteten Wasserkör-per bestehen, oben aus dem rund 10 m mächtigen durchwärmten Epi-limnion und unten aus dem kühlen Hypolimnion mit relativ scharfem Übergang (Metalimnion). In allen Seen, vor allem aber im Cospude-ner und Markkleeberger See, überwiegt das Volumen des Hypolimni-ons deutlich. Im Frühjahr und Herbst erfasst die Seen eine Umschich-tung des Wassers. Sommer und Winter sind Stagnationsphasen. Nicht nur Wind, Sonneneinstrahlung und allgemeines Temperaturregime in Bodennähe, sondern auch zufließendes, relativ warmes Tiefengrund-wasser (8 bis 10 °C) werden Zirkulation und Eisbildung beeinflussen, später vermutlich auch eine gewisse Dichteschichtung nach dem Gehalt an gelösten Stoffen. Die Nährstoffkonzentration wird niedrig bis mäßig sein, die Seen werden also einen oligotrophen bis mäßig mesotrophen Status besitzen. Die steilen Unterwasserböschungen verhindern eine galoppierende seewärtige Ausbreitung des Schilfgürtels wie überhaupt der feuchtigkeits- und wasserliebenden Pflanzengemeinschaften, doch werden sie ausreichende Entfaltungsmöglichkeiten vorfinden, um beständige Habitate für Wasservögel, Fischbrut und andere Organismen zu bilden. Den Schlüssel für den künftigen Zustand der Seen hält in erster Linie der Mensch in der Hand. Denn es hängt mehr davon ab, wie es dem Menschen der Nachbergbauzeit gelingt, Gefährdungspotenzial vom Nährstoffeintrag bis zum Nutzungsdruck gering zu halten, als von den negativen Wirkungen, die von geogenen Agenzien ausgehen, die der Bergbau aktiviert hat.

Das Wasser der Mehrzahl der Bergbauseen besitzt Badewasserquali-tät und könnte mit geringem Aufwand als Trinkwasser benutzt werden. Die Seen sind ein unschätzbarer Gewinn für die Landschaft und die gesamte Natur der Region. Sie werden ein Born sein der Erholung – für den Wanderer und Badenden, den Wassersportler und Angler und alle, die sich an einer neu entfaltenden Landschaft und ihrer belebten Natur erfreuen möchten und können.

Lebensdauer der Seen

Bleibt die Frage der Lebensdauer. Die geringe biogene Produktion hält die Sedimentation organischer Substanz in engen Grenzen. Mit der Bedeckung der Ufer- und Hangregion durch die Vegetation nimmt die Erosion minerogener Substrate und damit ihr Eintrag in die Seen stark und nachhaltig ab. Glazialseen im nördlichen Norddeutschen Tiefland mit ähnlicher morphologischer Konfiguration über und unter Wasser hatten durch kaltzeitliche Offenlandverhältnisse in den ersten Jahrtausenden ihrer Existenz ungünstigere Erhaltungsbedingungen als die Bergbauseen. Erosion in der Umgebung und damit Sedimentein-trag in die Seen waren beträchtlich. Auch die folgenden 10 000 Jahre Warmzeit mit intensivem Pflanzenwachstum innerhalb und außer-halb der Seen vermochte sie nicht auszulöschen, wenngleich alle auf

tageBauSeen

Fremdwasserzulauf in den Mark-kleeberger See. 2003.

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uns gekommenen stehenden natürlichen Gewässer nur noch Restseen sind. So erscheint uns eine Mindestlebensdauer der meisten Bergbau-seen außerhalb der Flussauen von 15 000  Jahren durchaus realistisch. Viele werden wohl das Doppelte oder ein noch höheres Alter errei-chen. Seen wie der Cospudener See und Zwenkauer See mit einer Lage in der Nähe aktiver Fließgewässer sind in ihrer Langzeitexis- tenz weit stärker gefährdet. Sollte die Weiße Elster in den kommenden Jahrhunderten einen Zugang zum See finden oder sogar in voller Breite einmünden, würden sie zu einer gewaltigen Sedimentfalle. Ihre Tiefen lösten sogar einen bedeutenden Erosionsimpuls flussauf aus, sodass schon quasi fossilgewordenes Auensediment in Bewegung gebracht würde. Allein rund Dreiviertel der schätzungsweise 25 000 m³ Schweb-stoff pro Jahr könnten sich im See absetzen. Ein Delta aus Sand und Kies mit feinkörnigem Sediment am Fuß baute sich in den See vor. Das Bei-spiel des im ehemaligen Bitterfelder Kohlerevier gelegenen und von der Mulde durchflossenen vormaligen Tagebaus Muldenstein, der heutige Muldestausee, lehrt uns diese Entwicklung. Dennoch dauerte es mindes- tens 2 000 bis 3 000 Jahre, bevor der See weitgehend ausgelöscht wäre. Einzig der Mensch mit seinen technischen Mitteln und Naturkatastro-phen nicht gekannten Ausmaßes könnten die natürliche Lebensdauer aller Seen in extremer Weise verkürzen, durch technische und biolo-gische Maßnahmen freilich auch verlängern. Hinsichtlich der langle-bigen Hochflächenseen ist sogar an ein ganz stilles Ereignis ihrer Aus-löschung zu denken, an eine neue Inlandeisinvasion, freilich nicht vor 50 000 Jahren.

Eine neue Generation von Geschichtsarchiven

Die neuen Seen werden in Zukunft nicht nur die plakativsten ins Auge fallenden Zeugen der größten Erdumwälzung am Südrand des Nord-deutschen Tieflandes der letzten Jahrtausende sein. Mit ihnen beginnt auch eine neue Archivierungsphase mit der Basis »21. Jahrhundert nach Christus«, nämlich die der kommenden Jahrtausende. Wie sich in den Ablagerungen der älteren Naturseen über Tausende von Jahren biolo-gisch, lithologisch wie geochemisch der Gang der erdgeschichtlichen Pro-zesse, des Klimas und, mit beiden gekoppelt, der biologischen Entwick-lung, seit rund 7 000 Jahren auch die Aktivität des Menschen spiegelt, wird sich in den Sedimenten der Tagebaurestseen vom Tag der Flutung die künftige, in immer stärkerem Maße anthropogen überprägte Ent-wicklung der Natur reflektieren. Der zu erwartende zyklische Aufstieg und Niedergang in der Kulturgeschichte künftiger Menschengeschlech-ter wird dabei dominant abgebildet und den natürlichen Gang wohl oft bis zur Unlesbarkeit überprägen. Möglicherweise werden sich die Höhen der Kultur in Sedimentmarken der Seepflege bzw. geringer Eutrophie-rung, die Tiefen in der anthropogenen Veränderung der Seen äußern, in Zuständen, wie wir Gegenwärtigen sie bei ungezählten Seen dieser Erde registrieren müssen, meistens sogar in Regionen wirtschaftlicher Hochkultur, wo in nur wenigen Jahrzehnten einer jahrtausendelangen Seegeschichte die Gewässer ihre naturgegebene Balance verlieren, unter dichten Pflanzenteppichen erblinden oder zu Kloaken verkommen.

Werden die Seen das Klima verändern?

Oft wird nach den Auswirkungen der Seen auf das Wetter, ja sogar auf das Klima gefragt. Wir müssen uns auf wenige apodiktische Bemerkun-gen begrenzen.

Zunächst ist festzuhalten, dass die Verdunstung über offenem Was-ser wesentlich größer ist als über Landflächen. In der weiteren Umge-bung von Leipzig beträgt die Verdunstung bei einem realen (korri-gierten) mittleren Niederschlag von etwa 630 mm/Jahr rund 475 bis 500 mm. Über geschlossenen Wasserflächen kann von rund 700 mm ausgegangen werden. Sie liegt damit rund 70 mm höher als der Nieder-schlag. Als anschauliches Beispiel hierfür kann der am Südwestrand der Stadt Leipzig gelegene und ausschließlich durch Niederschläge gespeiste und über viele Jahrzehnte als Freizeitsee genutzte Leipziger Elsterstau-see gelten. Nach Kappung seiner künstlichen Wasserzuführung ist der ehemals knapp 50 Hektar große und über dem Wasserspiegel der vor-beifließenden Weißen Elster liegende Flachsee zu einem nur periodisch wasserführenden Standgewässer, einem »Himmelteich«, mutiert, der gegenwärtig trocken liegt. Die nicht unerhebliche Zunahme der Ver-dunstung, die auch zu einem nennenswerten regionalen Wasserverlust durch die entstehenden Bergbauseen führt, und das gegenüber dem Boden stark abweichende thermische Verhalten des Wassers müssen sich auf das Mikroklima zumindest der engeren Seeregion auswirken. Die Feuchtigkeit steigt, die sommerliche Schwüle und die Anzahl ihrer Tage nehmen zu. Sie erfährt insofern eine gewisse Kompensation, als die Windgeschwindigkeiten mit wachsender Streichlänge über den Seen etwas ansteigen. In der kalten Jahreszeit ist über und im Umkreis der Seen auch mit stärkerer Nebelbildung zu rechnen. Insgesamt werden unter dem Einfluss der Seen die Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht geringer, die Temperaturen also ausgeglichener. Die Beträge dürften jedoch in geringer Seeentfernung – wenige Kilometer – vielfach schon unter der subjektiven Wahrnehmungsgrenze liegen.

Wolkentürme über dem Kraft-werk Lippendorf und dem Zwen-kauer See. 2012.

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Geologische Gesamtschnitte durch das südliche Mitteldeutsche Seenland

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BohrprofilO