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Das Mumyozoshi und seine Kritik am Genji-monogatari Von Wolfram Harald Müller (Hamburg) (Fortsetzung und Schluß) Bei der vom Mumy6z6shi vorgenommenen Einteilung und Bewertung der einzelnen Kapitel des Genji-monogatari ergibt sich also demnach fol- gend es Bild: 1. Das Herz zutiefst bewegend ( aware naru) a) und sympathisch (kanashi): b) und bedauernswert (kokoro-gurushi): c) und reizvoll (omoshiroshi): d) und wunderbar (imiji): e) 2. Anmutig (en aru) a) und reizvoll (omoshiroshi): b) und wunderbar (imiji): c) und interessant (okashi): d) 3. Lesenswert (midokoro aru) a) b) aber widerwärtig (urusashi): Kiritsubo; Yugao; Aoi; Suma, Akashi; Kashiwagi, Minori, Maboroshi. Köyöga, Hana no En; Sakagi; Nowaki; Yomogyu. Hahakigi; Wakana I und II. 4. Reizvoll und lieblich (omoshiroku medetashi): Hatsune, Kochö. 5. Angenehm und erfreulich (kokoro-yuki ureshi): Fuji no Uraba. 6. Bedauernswert (itoshi}: Asagao, Ukifune. 3. Die Kritik der im Genji-monogatari geschilderten Frauen Das Mumy6z6shi läßt auf die Besprechung der einzelnen Kapitel des Genji-mo nogata ri die Erörterung der verschiedenen in ihm dargestellten Personen folgen, die mit der Diskussion über die Frauen beginnt. Sie lautet 44 : "Als diese junge Frau sagte: ' Welche (unter den) Frauen sind liebens- wert?' antwortete (die Nonne): 'Kiritsubo no Köi 45 (und) ... 46 no Miya. 44 Vgl. Tomikura Tokujir6, a. a. 0., S. 62 . 45 Gemahlin des alten Kaisers und Mutter Genjis. 46 Der Text enthält hier eine Lücke, die nach Ansicht von Tomikur a Tokujir6 (a: a. 0. , S. 62) mit ?em Namen Fujitsubo, nach Im a i Takuji (a. a. 0., S. 30) aber mit Onna San no M1ya ausgefüllt werden muß. 70

Das Mumyozoshi und seine Kritik am Genji-monogatarioriens-extremus.org/wp-content/uploads/2016/07/OE-4-4.pdf · Aoi no U e 47 ist für uns ( ere Begriffe) sehr gefühlvoll ( kokoro-mochii)

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Das Mumyozoshi und seine Kritik am Genji-monogatari Von Wolfram Harald Müller

(Hamburg)

(Fortsetzung und Schluß)

Bei der vom Mumy6z6shi vorgenommenen Einteilung und Bewertung der einzelnen Kapitel des Genji-monogatari ergibt sich also demnach fol­gendes Bild:

1. Das Herz zutiefst bewegend ( aware naru) a) und sympathisch (kanashi): b) und bedauernswert (kokoro-gurushi): c) und reizvoll (omoshiroshi): d) und wunderbar (imiji): e)

2. Anmutig (en aru) a) und reizvoll (omoshiroshi): b) und wunderbar (imiji): c) und interessant (okashi): d)

3. Lesenswert (midokoro aru) a)

b) aber widerwärtig (urusashi):

Kiritsubo; Yugao; Aoi; Suma, Akashi; Kashiwagi, Minori, Maboroshi.

Köyöga, Hana no En; Sakagi; Nowaki; Yomogyu.

Hahakigi; Wakana I und II.

4. Reizvoll und lieblich (omoshiroku medetashi): Hatsune, Kochö. 5. Angenehm und erfreulich (kokoro-yuki ureshi): Fuji no Uraba. 6. Bedauernswert (itoshi}: Asagao, Ukifune.

3. Die Kritik der im Genji-monogatari geschilderten Frauen

Das Mumy6z6shi läßt auf die Besprechung der einzelnen Kapitel des Genji-monogatari die Erörterung der verschiedenen in ihm dargestellten Personen folgen, die mit der Diskussion über die Frauen beginnt. Sie lautet 44 :

"Als diese junge Frau sagte: 'Welche (unter den) Frauen sind liebens­wert?' antwortete (die Nonne): 'Kiritsubo no Köi 45 (und) ... 46 no Miya.

44 Vgl. Tomikura Tokujir6, a. a. 0., S. 62.

45 Gemahlin des alten Kaisers und Mutter Genjis.

46

Der Text enthält hier eine Lücke, die nach Ansicht von Tomikur a Tokujir6 (a: a. 0., S. 62) mit ?em Namen Fujitsubo, nach Im a i Takuji (a. a. 0., S. 30) aber mit Onna San no M1ya ausgefüllt werden muß.

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Aoi no U e 47 ist für uns ( ere Begriffe) sehr gefühlvoll ( kokoro-mochii) (und gehörte deshalb mit hierzu). Murasaki no Ue 48 braucht nicht erst besonders erwähnt zu werden. Auch Akashi 49 ist anmutig und über­ragend (kokoronikuku imiji)' ."

Die erste Gruppe von Frauen bezeichnet der Verfasser des Mumy6z6shi als 'medetashi' 50

• Dieses Wort ist in seiner schillernden Bedeutung im Deut­schen nur sehr schlecht mit einem einzigen Ausdruck wiederzugeben. Als Behelf mag vielleicht das Wort 'liebenswert' dienen, wenn man es im weitestmöglichen Sinne des Wortes auffaßt, also alles das in den Begriff mit aufnimmt, was eine Frau liebenswert machen kann ; das Wort um­schließt deshalb nicht nur die Anerkennung äußerer Schönheit und Voll­kommenheit, sondern auch die Vornehmheit der inneren Haltung und ins­besondere das Glücklich-Sein; 'medetashi' ist Ausdruck höchsten Lobes. Fünf Frauen werden der Ehre teilhaftig, dieses Lob zu erhalten. Für Kirit­s u b o und Mur a s a k i sowie für eine dritte Dame, deren Name nicht mehr eindeutig festgestellt werden kann, scheint dies so selbstverständlich zu sein, daß der Verfasser des Mumyoz6shi gar keine nähere Begründung dafür geben zu müssen glaubte. Nur bei Aoi sagte er, sie sei 'kokoro­mochii' - introvertiert und von tiefer Ehrfurcht erfüllt-; und bei A k a s h i, sie sei 'kokoro-nikuku imiji' - lieblich und überragend -, sowohl nach außen wie auch in Bezug auf ihre innere Haltung. Das Lob A o i s dürfte wohl mit darauf zurückzuführen sein, daß sie als sehr korrekte und zu­rückhaltende Frau geschildert ist, die im Gegensatz zu manchen anderen ihren Charme lieber verbirgt, als damit zu kokettieren. A k a s h i stammte vom Lande und war daher nicht von so hohem Stande wie die anderen Damen aus Genjis Umgebung; daß sie sich trotzdem in diesen Kreisen zu bewegen verstand, sowie die vollkommene Harmonie von Verstand und Gefühl bei ihr, haben es angebracht erscheinen lassen, sie unter die vor­

trefflichsten Frauen zu zählen.

Das Mumy6z6shi fährt dann fort 51:

"Eine wunderbare (imiji) Frau ist Oborotsukiyo no Naishi no Kami 52

·

Sie ist wunderbar, weil sie über ihre Beziehungen zu Genji nachdachte, obwohl er verbannt worden war. Auch die Stelle, wo der Kaiser sagte : 'Wegen wem fallen (diese) Tränen?' 53, ist wunderbar (imij i ). Asagao

47 Tochter des Ersten Staatsministers und erste Gemahlin Genjis .. 48 Tochter Hyöbukyö no Miyas, von Genji adoptiert, später seme zweite Ge-

mahlin. . b · 49 Tochter Akashi no Nyudös; Genji traf sie während semer Ver . annung m

Suma und nahm sie bei seiner Rückkehr in die Hauptstadt nach dort mit. . d 50 Das Wort 'medetashi' ist zusammengesetzt aus dem Verbalsubstantiv me e­

des Verbums mezu, das die Bedeutungen 'gerne habe?. '· 'lieben', .'l?ben', ' be~n.­dern' hat und dem Adjektiv itashi in der Bedeutung uberrage?d • ~nderschon d 'gut'; medetashi erlangt somit die Bedeutung des 'überaus Schonen, Liebens- un Lobenswerten'.

51 Vgl.TomikuraTokujirö,a.a.O.~S. 6~: .. d b 52 Schwägerin des alten Kaisers, dte spater von GenJI geliebt wir ' a er

schließlich Shujaku Tenno heiratet. 53 Vgl. Yoshizawa Yoshinori, a. a. 0., Bd. II, S. 35.

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scheint auch ein solch gefühlsstarker Mensch zu sein. Man kann es wohl als wunderbar ansehen, daß sie sich von ihren Gefühlen (Genji gegenüber) nicht treiben ließ, obwohl sie in der Welt so geliebt wurde. Utsusemi 54 gibt in diesem Punkt (allerdings) eine sehr schlechte Figur ab. Daß sie noch später, nachdem sie Nonne geworden war, {im Hause Genjis) verkehrte, hinterläßt ebenfalls ein schlechtes Gefühl 55

.

Als jemand sagte: »Wie verhält es sich damit, daß die Leute einmal sagen, Utsusemi habe sich wirklich Genji nicht anvertraut, und ein andermal, sie habe sid1 ihm anvertraut?«, wurde geantwortet: »Es scheint wohl Menschen gegeben zu haben, die das, was im Kapitel 'Hahakigi' geschrieben steht, nämlich: 'Warum hat sie sich (ihm) nicht anvertraut?' 56 , falsch verstanden haben.

Uji no Anegimi ist wirklich ganz wunderbar. Auch die der Rokuj6 no Miyasudokoro dienende Chuj6 57 war unter den am Hofe dienenden Leuten (eine) wunderbar(e Frau)."

Eine zweite Gruppe von Frauen wird unter der Bezeichnung 'imiji' -wunderbar- zusammengefaßt. Den ersten Platz nimmt hier 0 b o rot s u k i y o ein, die harmlos zwischen Shujaku- in und Genji hin und her kokettiert. Im Gegensatz dazu mag es der kühle, verstandesmäßige Charakter A s a­g a o s und U t s u s e m i s bewirkt haben, daß sie beide unter die 'wunder­baren Frauen' aufgenommen worden sind. Die Charakterfestigkeit und die Beständigkeit in der Liebe Ökj mis wird den Verfasser des Mumy6z6shi wohl veranlaßt haben, auch sie in diese Gruppe einzureihen. Das außer­gewöhnliche Talent, das C h u j 6 als Dienerin R o k u j 6 s zeigte, dürfte wohl mit dazu beigetragen haben, ihr einen Platz in dieser zweiten Gruppe zu sichern.

Das Mumyozoshi geht dann zu einer dritten Gruppe über ss: "Hanachirusato 59 ist eine Frau, die einen angenehmen Eindruck hin­terläßt (konomoshi). Obwohl sie kein so schönes Aussehen hatte, ver­kehrte sie (doch) mit den liebenswerten Personen (scil. Murasaki und Akashi); sie wurde (deshalb) in der Welt (scil. von den Leuten ihrer Umgebung) auch nicht zurückgesetzt, und es hinterläßt ein angeneh­mes und wunderbares (konomoshiku imiji) Gefühl, daß sie den treuen und aufrechten General 60 (scil. Yugiri) (nach dem Tode seiner Mutter Aoi) als Pflegekind bei sich aufgenommen hat 6t.

:: Gemahlin Iyo no Kamis, die ebenfalls von Genji geliebt wird. 56

V~l. Yosh1~a~a Yoshinori, a. a. 0, Bd. III, S. 12.

57 Diese Stelle. Ist Im Text des heutigen Genji-monogatari nicht mehr enthalten.

5 Vgl. Yos~IZawa Yoshinori, a. a. 0., Bd. I, S. 121ff.

59 Vgl. To IDI k ';Ir~ Tokujirö, a. a. 0., S. 67, 68, 70.

. Sch~ester Relke1dens, der Tochter von Kiritsubo-in die bis zu ihrem Tode mt

6\ Ge_nJI gesell~gen U:n~gang pflegte. '

. tDie Wo~te Mameblto no Taishö', also 'treuer und aufrechter General', sind ei~ s etes eplth~ton ornans zu Yugiri.

Vgl. Yosh1zawa Yoshinori, a. a. 0 ., Bd. n , s. 341.

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Als (jemand so) sagte, wurde (ihm in ärgerlidlern Tone erwidert: 'Sie wird den treuen und aufrechten General wohl (sehr gerne) als Pflege­kind angenommen haben! Vielleicht hat der Sohn, den die liebens­werte Aoi no Ue geboren hat (scil. Yügiri) gar solch eine Pflegemutter (wie Hanadlirusato), die so eine schlechte Figur abgibt, erhalten sollen!', und alle lachten hell auf.

Weiterhin wird gesagt, Suetsumuhana 62 sei eine Frau gewesen, die ebenfalls einen angenehmen Eindruck hinterlassen habe (konomoshi) . Obwohl sie von allen gehaßt worden sei, habe sie festen Sinnes nicht nachgegeben, als der Vizegouverneur (von Kyüshu) sie darum gebe­ten hatte, (mit ihm nach dort zu kommen); sie litt (lieber) so, daß sie beinahe starb. Sie gab ihre alte Wohnung nicht auf und wartete schließlich (auf Genji, bis er aus Suma zurückgekehrt war) 63. Bei der Stelle, wo man liest, daß (Genji) sagte: '0!, ein Herz (so treu) wie die tiefen Wurzeln des Beifußes!', den Beifuß auseinanderteilte und (in das halbverfallene Haus Suetsumuhanas) hineinging 64 , kann man sehen, daß sie eine Frau ist, die jede andere übertrifft. Für einen Mensdlen, der nicht nur in seiner Erscheinung, sondern in allem ganz außergewöhnlich vortrefflich war, können derartige Dinge keineswegs herrlieh sein. Wenn man den Charakter dieses Menschen betrachtet, dann dürfte er wohl für nichts anderes bestimmt gewesen sein, als die Buddhaschaft zu erlangen.

Daß Rokujö no Miyasudokoro 65 allzu häufig von (bösen) Geistern be­sessen war, ist erstaunlich, aber in ihrem persönlichen Charakter war sie (eine) vortrefflich(e) und anmutig(e Frau), die einen angenehmen Eindruck hinterläßt (imijiku kokoro-nikuku konomoshi). Auch ihre Tochter Naka no Miya 66 (scil. Akikonomu) ist meiner Meinung nach in sich gekehrt, tief ehrfürchtig und wunderbar (kokoro-mochii ilo imiji)i sie müßte unter die lieblichen (kokoro-nikushi) Menschen ein­gereiht werden, aber es kann einem mißfallen, daß Genji sie dafür, daß sie (so) eifersüchtig war, zu gut behandelte.

Tamakatsura no Himegimi 66a muß man wirklich auch als eine Frau bezeichnen, die einen angenehmen Eindruck hinterläßt (konomoshi) . Von ihrem Aussehen an angefangen (bis zu) ihrem Charakter und Gemüt ist sie ein vernünftiger Mensch; und darüber hinaus war sie zeitweilig den beiden Herren (scil. Genji und Tö no Chujö) eine Pfle~e­mutter; beide schätzten sie ungewöhnlich (hoch) ein; diese Stelle Ist

62 Tochter Hitac:his, von den anderen Damen verspottet, we~l s~e ni~t. schön war~ sie führte deshalb ein sehr armseliges Leben. GenJl hatte Mitleid mlt Jhr und be suchte sie öfters.

63 Vgl. Y o s h i z a w a Yoshinori, a. a. 0. , Bd. II, S. 154 f. 64 Vgl. Yoshizawa Yoshinori, a. a. 0., Bd. II, S. 168. .. . . J d 65 Witwe Zembös eines Bruders des alten Kaisers, von GenJl seit semer ugen

geliebt. ' 66 Zuerst Priesterin in Ise, später Kaiserin. 6811 Tochter Tö no Chujös und Yugaos.

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sehr lieblich (ito aramaoshi). Wenn eine solche Frau nicht zur Naishi no Kami geworden und von Reizen-in 67 geliebt worden wäre, dann hätte sie auch damit zufrieden sein müssen, die rechtmäßige Gattin Hy6buky6 no Miyas 6 zu werden, der ihr seit vielen Jahren seine tiefe Liebe entgegengebracht hatte 69

• Sie war jedoch die Frau des ge­fühllosen Generals Higekuro 70 geworden, der sie dauernd bewachte und von dem sie (dauernd) Verbote erhielt 71

• Sie konnte auch ihren vortrefflichen Pflegesohn (Genji) nicht mehr sehen. Diese Stelle macht einen sehr niedergeschlagen und verletzt das Gefühl 72

• Sie wollte keine Verwandte der sehr armen YG.gao sein, war zu sehr von si<h ein­genommen und dünkte sich äußerst klug. Daß sie sagte: 'In dieser Welt (gibt es keine) Gesinnung (mehr, die so ist wie die) der Eltern! 73 ·,

paßt nicht zu dem Charakter Yugaos. Auch die Reise nach Tsukushi (scil. Kyushu) 74 kann man für eine große Erniedrigung halten. Was aber ihren Charakter im ganzen gesehen angeht, so ist sie do<h ein Mensch, der einen angenehmen Eindruck hinterläßt (konomoshi).''

In einer weiteren Gruppe führt der Verfasser des Mumy6z6shi nun die Frauen an, die nach seiner Meinung 'konomoshi' sind, deren Wesen und Handlungen beim Leser also einen günstigen und 'angenehmen Eindruck hinterlassen'. An erster Stelle wird dabei Ha nach i r u s a t o erwähnt. Unter den Damen, die von Genji geliebt worden waren, war sie in ihrem Charakter die bei weitem mütterlichste. Zwar klingt aus den Worten, die ihr gewidmet sind, auch etwas Verachtung darüber heraus, aber vielleicht soll dies weniger eine Herabsetzung ihrer Person als Hod1achtung gegenüber der wirklichen Mutter Y u g i r i s, A o i , zum Ausdruck bringen. S u e t s um u h an a wird ein glänzendes Lob zuteil, weil sie ihr ganzes Leben auf Genji gewartet und sich durch nichts darin hat beirren lassen; wenn von ihr aber noch weiter gesagt wird, daß sie aufgrund ihres Charakters geeignet sei, die Buddhaschaft zu erlangen, so bedeutet dies für die damalige Zeit eine ganz überragende Anerkennung, denn bekanntlich sind Frauen ja von der Erlangung der Buddhaschaft ausgeschlossen. R o k u j 6 s Würde, die sich auch darin zeigt, daß sie sich durch die Leiden, die ihr die Liebe zu Genji bringt, nicht er­niedrigen läßt, mag wohl den Ausschlag gegeben haben, sie hier in diese Gruppe mit aufzunehmen. R o k u j 6 s Tochter, A k i k o n o m u, wird hier ebenfalls erwähnt. Genji übertrug nach dem Tode ihrer Mutter seine Liebe, die er für sie gehegt hatte, auf A k i k o n o m u , der er half, wo er nur

b67

Gilt als 10. Sohn Kiritsubos, in Wirklichkeit aber ein Sohn GenJ' is und Fujit-su OS.

68 Genjis Bruder Hotaru.

69 Vgl. Yoshizawa Yoshinori , a. a . 0., Bd. III, S. 47 f. 70 Bruder J ökyödens de G hl ' . . . · Frau. ' r ema m von ShuJaku. Tamakatsura xst seme zwe1te

:: Vgl. y o s h ~ z a w a Yoshinori, a. a. 0. , Bd. III, S. 208 f. 73 Vgl. Yosh~zawa Yoshinori, a. a. 0 ., Bd. III, S. 210 f.

74 V gl. Y o s h ~ z a w a Yoshinori, a. a . 0 ., Bd. III, s. 62. V gl. y o s h lZ a w a Yoshinori, a. a. 0., Bd. II,' S. 358.

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konnte. So gewann sie z. B. nur durch die Unterstützung Genj is den Bilder­wettstreit zwischen Kökiden 75, Jökyöden 76 und ihr, und später wurde sie auf Fürsprache Genjis hin zur Kaiserin ernannt. Daß sie trotz all dieser Gunstbeweise noch eifersüchtig war, wird vom Verfasser des Mumyozoshi mit Mißfallen vermerkt. Am Schlusse dieser Gruppe steht Ta m a k a t s ur a , die zwar allgemein einen guten Eindruck hinterläßt, aber doch wegen eini­ger ihrer Handlungen getadelt wird; insbesondere ihre Heirat mit dem General H i g e k ur o sowie ihre Reise nach Kyü.shü. werden mißbilligt.

Eine letzte Gruppe von Frauen schließt sich hier an 77 :

"Was die bedauernswerten (itoshi) Frauen anbetrifft, so is t Mnrasaki no Ue eine Frau, die man außerordentlid:l gerne haben kann (kagiri naku katabikashi) und die bedauernswert (itOshi) ist; die Gefühle der Leute ihrer Umgebung waren gehässig. Von ihrem Vater (scil. Shiki­bukyö no Miya) an angefangen (bis zu) ihrem Großonkel (scil. Kita­yama no Sözu, einem Bruder ihrer Großmutter Kitayama no Amagimi) gab es (viele) Leute, die sie nicht für gut hielten. Die Gefühle der Stiefmutter waren zwar so, wie sie sein sollen, aber (berücksichtigt man), was für ein Mensd:l Murasaki geworden ist, dann (kann man sich sehr wohl fragen), ob (diese Gefühle) wirklich so hätten sein dürfen.

Yugao ist wirklich sehr bedauernswert (ito i tOshi). Sie glidl ihrer Mutter nicht; ein (soldl) wunderschönes Mädchen (wie Tamakatsura) zu haben, erscheint gut, obwohl sie (verglichen) mit dem Aussehen jener (Yugao) nicht so (schön) war. Man erinnert sidl nodl jetzt daran, daß ein solcher Mensch, ohne Spuren zu hinterlassen, gestorben ist. Obwohl die rechtmäßige Gemahlin des treuen und aufrechten Generals , Fuji no Uraba no Kimi 78, wohl gar nicht einfach als überragend (yu) und schön ( en) angesehen werden kann, so ist sie dodl ein Mensch, der irgendwie von Jugend an als bedauernswerte (itoshi) Frau geliebt

worden war. Uji no Naka no Miya ist ein wirklich sehr bedauernswerter (ito itoshi)

Mensch. Anfangs wurde sie überhaupt nicht geliebt, aber als Hyöbu­kyö (scil. Niou) 79 no Miya Schwiegersohn des treuen und aufrechten Menschen wurde, wurde sie nadldenklich und war bedauernswert (itoshi). Sodann hören die Tränen an der Stelle, wo er sagte: 'Ob wir uns wohl so trennen werden? 80 ', nicht mehr auf, so oft man sie liest. Obwohl man Onna San no Miya 81 auch als einen bedauernswerten

75 Gemahlin des alten Kaisers. 76 Gemahlin Shujakus. 77 Vgl. Tomikur a Tokujirö, a. a. 0 ., S. 73, 76, 7~ . • . . 78 Kumoi no Kari Tochter Tö no Chujos, Gemahlm Yuguts. 79 Sohn des neue~ Kaisers und Akashis , Enkel Genjis. 80 Vgl. Y o s h i z a w a Yoshinori, a. a . 0., Bd. V, S ... 273. . .. . 81 Tochter Shujakus, auf dessen Wunsch. von. Genp zu semer rechtmaßtgen Ge-

mahlin gemacht; sie wurde auch von Kash1wag1 gebebt.

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(itöshi) Menschen bezeichnen kann, so erweckt es doch ein unange­nehmes (kokoro-gurushi) Gefühl, daß sie so kokettiert. Die Stellen, wo sie dichtete: »Ob die Zikade (wohl den ganzen Tag lang) 'Benetze den Armel (mit Tränen)' (gesungen hat?)« und »Obwohl ich sagte: 'Warte doch wenigstens auf den {Aufgang des) Mond(es)' 2

« sind sehr be­dauerlich (ito kokoro-gurushi). Obwohl es Dinge sind, die auszuspre­chen keinen allzu großen Zweck hat, erweckt diese Koketterie doch ein unangenehmes (kokorozuki nashi) Gefühl. Wenn ein solcher Mensch ernsthaft kindlich-großmütig war, dann ist das wirklich bemitleidens­wert (rotashi). Auch daß sie die frechen Briefe (Kashiwagis Genji) zeigte 3, war wohl eine Tat, die aus einer solchen Gesinnung heraus geschah. Wenn man sich vorstellt, daß es solche Sachen gibt, und wenn (Genji) dann sogar noch hätte dableiben wollen, dann hätte man denken müssen, ihn mit Gewalt dazu zu bringen, zurückzukehren. Ob­wohl man aufhörte zu sagen, sie gebe sich als eine kluge Frau, und Dinge zu behaupten, die den Anschein hatten, als seien sie bedauer­lich (kokoro-gurushige naru), führe ich diese großen Angelegenheiten (hier) an.

Tenarai no Kimi 4 ist ein Mensch, den man durchaus als hassenswert (nikushi) bezeichnen kann. Sie war in vieler Beziehung ungewöhnlicb, und man kann darüber nachgrübeln. Es ist wirklich bedauerlich (it6shi), daß sie dicbtete 5 : 'Dem Schall der Glocke, deren Klang aufhört, füge ich (mein) Klagen an; übermittle, daß mein Leben aufhöre!' -und sich das Leben nahm. Die Stelle, wo sie das, was General Kaoru sagte, als von der Sache mit Hyöbukyö no Miya hörte, (nämlich) 86: - 'Ich wußte nicht, daß du wirklich (zu einem anderen) hinübergehst (scil. daß du ein wankelmütiges Herz hast); o!, ich dachte , du würdest warten wie die Kiefern auf den Berggipfeln' - verschlossen zurückschickte, da sie dachte, es sei wohl falsch adressiert, ist ausgezeidlneter als man es hätte erwarten können."

Diese vierte und letzte Gruppe handelt von den Frauen, die 'itoshi'- be­dauernswert - sind. Mur a s a k i n o U e erscheint an dieser Stelle ein zweites Mal, denn sie hatte ja bereits in der Gruppe der 'liebenswerten' (medetashi) Frauen Aufnahme gefunden, weil sie diejenige Frau war, der Genjis unverbrüchlicbe Liebe galt. Vielleicht wurden die Bindungen zu ihrer eigenen Familie aus diesem Grunde lockerer, so daß sie deshalb hier nom einmal aufgeführt wird. Y u g a o hatte schon in früher Jugend ihren Vater verloren und kam in das Haus Tö no Chujös, von wo sie aber, von dessen Gemahlin bedroht, flüchtete und sich in mehreren anderen Häusern versteckte; sie starb plötzlich, von einem Geist besessen. Ihr

: Vgl. Yosh~zawa Yoshinori, a. a. 0 ., Bd. IV, S. 88, 87. 4 Vg_l. Yosht.zawa Yoshinori, a. a. 0., Bd. IV, s. 105f.

Bemame Uktfunes.

86 Vgl. Y o s h ~ z a w a Yoshinori, a. a. o., Bd. VI, s. 161. Vgl. Y o s h 1 z a w a Yoshinori, a. a. 0 ., Bd. VI, s. 143.

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ganzes Leben ist also durchaus geeignet, sie in die Gruppe der bedauerns­werten Frauen aufzunehmen. Dies trifft auch für F u j i n o Ur ab a zu, die in ihrer Jugend im Hause ihrer Großmutter erzogen worden war, da sich ihre Mutter ein zweites Mal verheiratete. Dort machte sie die Bekannt­schaft Yu g i r i s, die aber auf den heftigen Widerstand ihres Vaters stieß, der sie lieber in den Kaiserpalast schicken wollte. Durch Genjis Hilfe wurde ihr schließlich die Ehe mit Y ü g i r i ermöglicht; aber auch hier dau­erte ihr Glück nur so lange, bis sich das Herz Y u g i r i s 0 c h i b a 87 zu­wandte. U j i n o Na k a n o K im i ist bedauernswert, weil sie zwischen K a o r u, den ihre ältere Schwester 0 k im i gerne als ihren Mann gesehen hätte, und Ni o u n o Mi y a, mit dem sie sich schließlich verheiratete, hin und her gerissen wurde. Die ursprüngliche Absicht 0 k im i s scheiterte dar an, daß K a o r u sein Herz ihr selbst zugewandt hatte . Für kurze Zeit entdeckte er allerdings eine Neigung für Na k a n o K im i in sich, gab sie aber bald wieder auf. 0 n n a San n o Mi y a ist vielleicht mit unter diese Gruppe gerechnet worden, weil sie durch das Verschulden Genjis in eine für sie bedauernswerte Lage gebracht worden war. Ihr Vater vertraute Genji die Sorge für ihre Zukunft an, als er das Priestergelübde ablegte und sich von den Geschäften dieser Welt zurückzog. Genji nahm sie in seinen Palast auf, verschaffte aber Kashi wagi heimlich Zutritt. Dieser Verbin­dung entsproß Kaoru, der jedoch vor der Welt als Sohn Genjis galt. 0 n n a San n o Mi y a führte dann bis zum Tode Genjis ein ziemlich elen­des Leben, zog sich dann noch mehr zurück und verbrachte einen be­schaulichen Lebensabend. Als letzte in dieser Gruppe wird U k i fu n e be­handelt. Sie stand in der Gunst K a o r u s, aber als Ni o u n o Mi y a sie entdeckte, wurde sie gleich 0 n n a San n o Mi y a zwischen beiden hin und her gerissen. Dies ist wie bei 0 n n a San n o Mi y a der Grund, sie hier in dieser Gruppe als bedauernswerte Frau zu bezeichnen. Darüber hinaus hat sie der Verfasser des Mumy6zoshi aber noch mit dem Prädikat 'nikushi' -hassenswert - belegt, weil sie dieses Hin- und Hergerissen-Sein nicht er­

tragen konnte und Selbstmord beging.

Dberblickt man die Kritik, die das Mumyozoshi an den Frauen übt, so ergeben sich vier verschiedene Gruppen, wobei es manchmal schwierig erscheint, einen exakten Grund dafür anzugeben, warum der Verfasser des Mumy6z6shi eine Person in die eine oder andere Gruppe verwiesen hat. Die Grundlage der Kritik scheint sehr vom Subjektiven her beeinflußt zu sein, denn der Verfasser weist den einzelnen Personen ihren entspre­chenden Platz zu, je nachdem wie gut sie ihm gefallen. An den Personen der ersten beiden Gruppen hat er nichts auszusetzen. 'Liebenswert' ist ihm all das, was schön, vollkommen, vornehm und doch zurückhaltend, ausgeglidlen und dodl glücklich ist. Es könnte also beinahe ein Idealbild der damaligen Frau sein. Die zweite Gruppe der 'wunderbaren' Frauen un-

B7 Tochter Shujakus, Gemahlin Kashiwagis, die nach dessen Tod von Yugiri geliebt wurde.

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terscheidet sich kaum von der ersten; nur die Tatsache, daß hier einmal ein bischen zuviel Temperament und da ein etwas zu kühler Charakter oder ein Uberschuß an Talent geschildert sind, mag der Grund dafür gewesen sein, hier eine besondere Gruppe aufzustellen. Die dritte Gruppe, die bei dem Verfasser einen 'angenehmen Eindruck hinterlassen' hat, zeichnet sich vor allem durch eine gewisse Charakterstärke aus, durch die sie sich im Leben behaupten kann. Es sind Personen, die die Natur nicht so reichlich mit den Gaben der Schönheit gesegnet hat, so daß sie nicht von allen geachtet und geschätzt werden. Vor allem aber haben die meisten einige kleinere Fehler aufzuweisen, die zwar das allgemeine Bild ihrer Erschei­nung nicht wesentlich beeinträchtigen, aber doch Grund genug sind, sie nicht in eine höhere Gruppe einzustufen. Bemerkenswert ist bei dieser Gruppe allerdings, daß S u e t s um u h an a mit aufgenommen worden ist; das Mumyozoshi zollt ihr höchstes Lob, ja gebraucht für sie sogar das Wort ,medetashi', das bekanntlich das Prädikat der ersten Gruppe gewesen ist. Das ihr hier ausgestellte Zeugnis wäre an sich völlig ausreichend, sie in die erste Gruppe einzureihen, und es erscheint deshalb verwunderlich, daß dies nicht geschehen ist. Das einzige, was man zu ihren Ungunsten sagen kann, ist, daß sie keine Schönheit war, so daß sie ein mehr oder minder armselig-zurückgezogenes Leben zu führen gezwungen war. Da dies aber keine charakterliche Schwäche darstellt. wäre es durchaus gerechtfertigt gewesen, sie mindestens unter die Frauen der zweiten Gruppe einzureihen, wenn das ästhetische Moment der Schönheit schon mit zum Kriterium der Beurteilung gemacht werden sollte. Die vierte und letzte Gruppe wird mit dem Wort 'bedauernswert' bezeichnet. Bei ihr sind die Kriterien weniger im Charakterlichen oder Ästhetischen zu suchen als vielmehr in der Tat­sache, daß den geschilderten Personen in irgendeiner Weise ein Unglück geschehen ist, oder daß sie in ein Dilemma hineingeraten sind, so daß sie das Mitleid des Lesers erregen. Dies gilt insbesondere, wenn es sich um Unglück oder Dilemma in der Liebe handelt.

Die Kritik, die das Mumyozoshi an den im Genji-monogatari geschilder­ten Frauen übt, ergibt also folgendes Bild:

1. Liebenswerte Frauen (medetashi)

a) Kiritsubo no Köi; b) . . . no Miya ; c) Murasaki no Ue; d) Aoi no Ue (kokoro-mochii); e) Akashi no Ue (kokoro-nikuku imiji).

2. Wunderbare Frauen (imiji)

a) Oborotsukiyo no Naishi no Kami; b) Asagao; c) Utsusemi; d) Uji no Okimi;

e) Rokujö no Miyasudokoro no Chtijö.

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3. Angenehme Frauen (konomoshi)

a) Hanachirusato; b) Suetsumuhana (medetashi);

c) Rokujö no Miyasudokoro (imijiku kokoro-nikuku); d) Naka no Miya kokoro-mochii ito imiji); e) Tamakatsura.

4. Bedauernswerte Frauen (itöshi)

a) Murasaki no Ue; b) Yugao; c) Fuji no Uraba; d) Uji no Naka no Kimi; e) Onna San no Miya (kokoro-gurushi); f) Ukifune (nikushi).

Während eine Wertung der einzelnen Kapitel im Genji-monogatari selbstverständlich nicht enthalten sein kann, taucht hier die Frage auf, ob die für die Frauen gewählten Bezeichnungen im Genji-monogatari bereits vorkommen. In der Tat lassen sich insbesondere da, wo das Mumy6z6shi Stellen aus dem Genji-monogatari anführt, Parallelen nachweisen; aber auch da wo das Genji-monogatari nicht den gleichen Ausdruck wie das Mumy6z6shi verwendet, kann man zumindesten feststellen, daß beide Aus­drücke in ihrem Bedeutungsgehalt weitgehend übereinstimmen. So wird im Zusammenhang mit Mur a s a k i n o U e 'medetashi' gebraucht 88, was auch bei Aoi no Ue der Fall ist 89 . Miyasudokoro no Chu jö 90 und U t s u s e m i 91 werden ebenfalls bereits mit 'imiji' bezeichnet. Auch das Wort 'konomoshi' (bzw. konomashi) wird im Zusammenhang mit Harra­ch i r u s a t o 92 , Na k a n o Mi y a 93 und Ta m a k a t s ur a 94 verwendet, ebenso wie 'it6shi' bei Murasaki no Ue 95, Yugao 96 und Onna San n o Mi y a 97 • Bei diesen Personen wie auch bei den anderen kommen je­doch auch noch weitere Begriffe vor, die zwar vom Verfasser des Mumy6-z6shi nicht als Oberbegriff für die eine oder andere Gruppe gewählt ge­worden sind, die er aber in einzelnen Fällen ebenfalls verwendet, um die jeweiligen Personen noch näher zu kennzeichnen. So wird im Zusammen­hang mit 0 n n a San n o Mi y a im Genji-monogatari ebenfalls von · kokoro­gurushi' gesprochen 98, und ebenso kommt auch der Ausdruck ' r6tashi'

88 V gl. Y o s h i z a w a Yoshinori, a. a. 0., Bd. III, S. 326. 89 V gl. Y o s h i z a w a Yoshinori, a . a. 0 ., Bd. I, S. 372. 90 Vgl. Y o s h i z a w a Yoshinori, a. a. 0., Bd. I, S. 122. 91 Vgl. Y o s h i z a w a Yoshinori, a. a. 0., Bd. I, S. 105. 92 Vgl. Y o s h i z a w a Yoshinori, a. a. 0., Bd. III, S. 4. 93 Vgl. Yoshiza wa Yoshinori, a. a . 0., Bd. V, S. 170. 94 Vgl. Yoshizawa Yoshinori, a.a.O., Bd.III, S.53, 54,177. 95 Vgl. Yoshizawa Yoshinori, a.a.O., Bd.III, S. 171,303. 96 Vgl. Yoshizawa Yoshinori, a.a.O., Bd. I, S.136. 97 Vgl. Yoshizawa Yoshinori, a. a. 0., Bd. IV, S. 105. 98 Vgl. Yoshizawa Yoshinori, a.a.O., Bd. IV, S. 88, 105.

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vor 99. In vielen anderen Fällen gebraucht das Genji-monogatari andere Begriffe als das Mumyozoshi, jedoch ist deren Bedeutung meistenteils gleich oder doch ähnlich. So erscheint statt 'itoshi' des Mumyozoshi im Genji-mono­gatari ein 'kokoro-gurushi' 100 oder ein 'aramaoshi' 101 bzw. ein'rotashi' 102•

Besonders häufig wird das Prädikat ' imiji' vom Genji-monogatari im Zu­sammenhang mit den Personen gebraucht, die das Mumyozoshi in eine der drei ersten Gruppen eingereiht hat; es würde zu weit führen, alle diese Fälle hier einzeln aufzuzählen.

Als Ergebnis bleibt somit die Tatsache, daß der Verfasser des Mumyo­zoshi die Bewertung der Personen im großen und ganzen aus dem Genji­monogatari übernommen hat. Er hat die Personen lediglich zu Gruppen zu­sammengefaßt, wobei er notwendigerweise die eine oder andere Seite bei den einzelnen Personen betonen mußte, um ihre Einordnung in die je­weilige Gruppe zu rechtfertigen. Er hat aber auch dabei in den meisten Fällen die gleidlen oder ähnliche Begriffe wie im Genji-monogatari ver­wendet.

4. Die Kritik der im Genji-monogatari gesdlilderten Männer

Das Mumyozoshi läßt sodann seine Kritik an den männlichen Haupt­figuren des Genji-monogatari folgen. An erster Stelle steht hierbei selbst­verständlich Genji selbst toa:

"Als dieselbe (Frau) fragte: 'Wer ist unter den Männern (so vortreff­lich)?' (wurde ihr zur Antwort): Obwohl man nicht (erst) zu sagen braucht, daß einem als Außenste­hendem auch bei einem Urteil darüber, ob Genji (nun) gut oder schlecht war, nicht ganz wohl ist, da sich die Verhältnisse {in der Zwischenzeit) geändert haben, so gibt es doch allerlei (Dinge}, bei denen man denken kann, daß (dies hier) nicht zutrifft. Zunächst (ist zu bemerken}, daß er sich von Jugend an nicht von Ouchiyama (scil. Tö no Chujö) fernge­halten hat, (sondern) sehr familiär und intim geworden ist, und daß es zu Beginn (der Darstellung) der Geschehnisse in der regnerischen Nacht hieß 104 :

'Obwohl (wir) zusammen aus dem Ouchiyama to5 weggegangen sind, hast du nicht gezeigt, wohin du gehst, Mond der 16. Nacht'; Den Vorfall, daß (Tö no Chujö) im Hause von Gen no Naishi no Suke

106 sein Schwert zog und Genji bedrohte 107, sollte man des wei-

::o Vgl. Yoshi .zawa Yoshinori, a. a. 0., Bd. IV, s. 106. 101 Vgl. Yosh~zawa Yoshinori, a. a. 0., Bd. III, S. 326; Bd. IV, S. 296. 102 Vgl. Y 0 5 h .1 z a w a Yoshinori, a. a. 0., Bd. III, S. 366; Bd. IV, S. 36. 103 Vgl. Y o s h.1 z a w a Yoshinori, a. a. 0., Bd. n, s. 324. 104

Vgl. Tom1~ura Tokujirö, a. a. 0., s. 80f.

105 Vgl. .Yosh1z~wa Yoshinori, a. a. 0., Bd. I, s. 237. kl Bezeidmu0g f~r den kaiserlichen Palast, der an sid:J. Ouchi heißt. Im An­Tea~ösa~t d~~rd:~uy~~ (Kr~is Ka~ono, Reg.-Bez. Kyöto), wo das Grab Uda

106 E' ' er alserpa ast spater ebenfalls so genannt. dem e/~eo~~~en;ng~ A ~~r .. SbO-er Jahre, mit der Genji ein Stelldichein hatte, bei

107 • UJO u errascht wurde. Vgl. Yosh1zawa Yoshinori, a. a .0., Bd. I, s. 303 ff.

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teren (eigentlich überhaupt) nicht aussprechen. Könnte man vor allem im. Laufe der !ahre das tiefe Gefühl vergessen, (das Tö no Chujö zeigte,) als er Ihn an dem von der widerwärtigen Welt unberührten, zeitweiligen Aufenthaltsort in Suma zu besuchen kam 1os? Ohne sich dessen bewußt zu sein, nahm er, ohne einen Grund dafür zu haben, eine Pflegetochter an und ließ sie sich mit der Nyögo jenes Herrn (scil. der Ny~gö Tö no Chujos, Kökiden) messen; das läßt ein sehr bitteres Gefühl (kokoro-ushi) zurück. Es stimmt einen wirklich ver­drießlich, daß er bei dem Bilderwettstreit (zwischen Kökiden und Aki­konomu) zwei Bildrollen aus Suma herausholte und diese Nyögo (scil. Akikonomu) (damit) siegte 109 . Weiter zeigt es sehr wenig Herz, daß er bedauerlicherweise, als er nach Suma ging, Murasaki, die ihn so liebte, nicht mitnahm, sondern dachte, er könne völlig unbeteiligt seinen Beschäftigungen nachgehen, und daß er Schwiegersohn Akashi no Nyudös 110 wurde, den ganzen Tag hindurch der Biwa-Spielerin gegenübersaß und unbeteiligt Koto spielte 111 . Von den anderen Sachen (will ich hier) schweigen. (Weiter) war es ungehörig, daß er am Ende seines Lebens, wo man (doch) denkt, daß (Romanzen) erledigt sein sollten, wieder zu Onna San no Miya ging und nodunals jung wurde 112 • Gleichermaßen war es wirklich unverzeihlich, daß er, obwohl er die Angelegenheiten Ernans enthüllte, sich so fürchtete und nicht (zu ihm) ging, (sondern) ihn mit Gewalt zu sich beorderte, ihn alles mögliche ausfragte und schließlich mit Blicken tötete 113

• Bei alledem kann man sagen, daß er respektvolle Gefühle hintangesetzt hat."

Für den Verfasser des Mumyozoshi ist Genji nicht mehr ganz der Strah­lende, der er früheren Generationen gewesen ist, aber noch ist die Nach­wirkung doch so groß, daß er glaubt, so etwas wie eine Entschuldigung vorbringen zu müssen, daß er es wagt, an ihm zu rütteln. Er vermeidet es auch, Genji irgendwie zu klassifizieren, sei es zum Guten oder zum Schlechten hin, sondern beschränkt sich lediglich darauf, einige Unarten Genjis zu brandmarken. Bedenkt man aber, daß der Verfasser Genji nicht mehr und nicht weniger als Unaufrichtigkeit, Untreue, Gleichgültigkeit, lockeren Lebenswandel und im allgemeinen Respektlosigkeit vorwirft, ohne auch nur einen einzigen Punkt zu erwähnen, der etwa für ihn spräche, so kann man nicht umhin zu sagen, daß die Kritik des Mumyozoshi an Genji durchaus negativ ist. Von dem Idealbild, das man sidl früher von ihm machte, ist nur noch wenig, wenn überhaupt nodl etwas, übrig geblie­ben. Die zu Anfang vorgebrachte Entschuldigung, man könne durch di~ inzwischen anders gewordenen Verhältnisse nidlt mehr sagen, ob GenJI

108 Vgl. Yo s h i z a w a Yoshinori, a. a. 0., Bd. li, S. 49. 109 Vgl. Yoshizawa Yoshinori, a. a. 0., Bd. li, S. 197ft. 110 Vater Akashi no Ues. 111 Vgl. Yoshizawa Yoshinori, a.a.O., Bd. li, S. 73. 112 Vgl. Yoshizawa Yoshinori, a. a. 0., Bd. 111, S. 302f. 113 Vgl. Yo s h i z a w a Yoshinori, a. a. 0., Bd. IV, S. 116 f.

6 Oriens Extremus 81

nun gut oder schlecht gewesen sei, wird in ihrer Wirkung eher ins Gegen­teil verkehrt, als die kritischen Worte zu mildern, denn diese Tatsache trifft ja schließlich für alle Personen des Genji-monogatari zu und nicht nur für Genji alleine. Das einzige, was die Kritik an Genji von den anderen unterscheidet, ist das Fehlen eines seine Persönlichkeit im Sinne dieser Kritik charakterisierenden Prädikats, das der Leser aber selbst leicht er­gänzen kann. Auch alle folgenden Beurteilungen sprechen immer nur von sehr guten, guten oder angenehmen usw. Menschen, und Worte des Miß­fallens kommen nur ab und zu vor; die unterste Stufe der Kritik bilden im übrigen die Ausdrücke 'fusawashi' - ungehörig, schlecht - und 'kokoro­zuki nashi' - abstoßend. Die Vermutung liegt daher nahe, daß der Ver­fasser des Mumyozoshi Genji gerade eine Stufe höher einordnen wollte, es aber trotzdem mit Absicht vermieden hat, diese verhältnismäßig schlechte Placierung mit Namen zu nennen.

Das Mumyozoshi fährt sodann fort 114 :

"Hyöbukyö no Miya (scil. Hotaru) ist ein Mensch, bei dem man nicht sagen kann, daß er besonders gut oder schlecht (yoshi-ashi ... oboenu) sei; unter den vielen Geschwistern Genjis war er (sein) bester Freund, und vor allem ist es sehr angenehm (kokoro-nikushi), daß er sich (immer) mit ihm ausgetauscht hat. (Nur) zeugt es von sehr wenig Mut, daß er die Angelegenheit mit Tamakatsura nicht verwirklicht hat 115 ."

Genjis jüngerem Bruder Hotaru werden nur wenige Worte gewidmet. Es wird ihm bescheinigt, daß er ein guter Kerl ist, aber er hat weder beson­dere Vorzüge noch Nachteile. Nach dem Tode seiner ersten Gemahlin ver­liebte er sich in Ta m a k a t s ur a, besaß aber anscheinend nicht ganz den Mut, um ihre Hand anzuhalten, so daß sie sich schließlich mit dem General H i g e­kuro verheiratete. Dieses Versagen wird ihm vom Mumy6z6shi ange­kleidet.

Weiter heißt es im Mumyozoshi 116:

"Ouchiyama 117 (scil. Tö no Chujö) ist ein sehr guter (ito yoshi) Mensch. Es war besonders liebenswert (medetashi), daß er Suma besucht hat 118•

Obwohl es häßlich {von ihm) war, den treuen und aufrechten Menschen (scil. Yugiri) so alleine zu lassen 119 , so war (doch) dafür auch ein Grund vorhanden; es war wohl wirklich sehr gut (ito yoshi}, daß er nachgege­ben und seine Zustimmung gegeben hat 120."

114 Vgl. Tomikur a Tokujirö, a. a. 0., S. 84. 115

Vgl. Y o s ~ i z a w a Yoshinori, a. a. 0., Bd. III, S. 50. 116 Vgl. .Tom1kura Tokujirö, a. a. 0., S. 85. ::; Beze1chnun~ für den Ersten Staatsminister (Dajö-Daijin). 119

Vgl. Y o s h ~ z a w a Yoshinori, a. a. 0., Bd. n, s. 49.

120 Vgl. Y o s h ~ z a w a Yoshinori, a. a. 0., Bd. n, s. 321 ff. Vgl. Yosh1zawa Yoshinori, a. a. 0., Bd. III, s. 248ft.

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T ö n o C h u j ö, der ein Stiefbruder Genjis war, wird im allgemeinen ge­lobt. Der Verfasser hebt besonders hervor, daß er es sich nicht nehmen ließ, Genji in der Verbannung zu besuchen, und daß er schließlich doch seine Zustimmung zur Vermählung seiner Tochter Kumoi no Kari mit Yugiri gegeben hat, nachdem er es erst strikte abgelehnt hatte.

Das Mumy6z6shi fährt sodann fort 121:

"Es ist unbefriedigend (s6z6shi), daß der treue und aufrechte General (Yugiri), obwohl er nicht mehr jung war, etwas allzu korrekt war; trotz­dem übertraf er (Genji) an UmsichtigkeiL Die Stelle, wo er, ohne durch die verschiedenen Reden wankend zu werden, geduldig wartete, bis Fuji no Uraba ihr Herz verschenkte , ist wundervoll (arigatashi) 122 . Man kann darüber nachdenken, ob so etwas wohl (auch) bei den Frauen vorkommt. (Aber) es ist doch überraschend, daß er am Ende seines Le­bens schließlieb bis zum Schluß so lebte, wie er es sich gedacht hatte , ohne Gründe zu haben, zu Ochiba no Miya ging 123 , den Namen des treu­en und aufrechten Menschen änderte und (sein Verhalten) gänzlich ver­ändert war 124."

Als nächsten behandelt das Mumy6z6shi Yugiri , bei dem es insbeson­dere seine Ausdauer bewundert, die er bei der Werbung um Kumoi no Kar i an den Tag legte, wobei er nicht auf die vielfachen Ermahnungen sei­nes Vaters Genji hörte, doch lieber eine andere Frau zu nehmen. Es wird ihm nur etwas übel vermerkt, daß er später doch noch einmal 0 c h i b a n o

Mi y a aufsuchte.

Das Mumy6z6shi läßt hierauf die Besprechung K a s h i w a g i s folgen 125:

"Kashiwagi no Emon no Kami war von Anfang an ein sehr guter (ito yoshi) Mensch. Von der Stelle ab, die 'Iwamoru Chujö' genannt wird, 126 und auch an der Stelle, wo Fuji no Uraba (ihm) ihr Herz schenkte 121, ist er ein Mensch von sehr feinem Geschmack (ito okashi). Daß er sein Herz so an die Sache mit Onna San no Miya gehängt hat, daß er beinahe sein Leben (dabei) eingebüßt hätte, sollte man tadeln. Zusammen mit (Yugiri) besuchte er (Onna San no Miya) , aber obwohl dertreueund aufrechte Mensch dachte: 'Sie bleibt doch sehr hinter dem zurück, was ich mir vorgestellt habe!' 128 , war Kashiwagi wohl

121 Vgl. Tomikur a Tokujirö, a. a. 0 ., S. 86. 122 Vgl. Y o s h i z a w a Yoshinori, a. a. 0 ., Bd. III, S. 239. 123 Vgl. Yo s h i z a w a Yoshinori, a. a . 0 ., Bd. IV, S. 213 f. 124 Vgl. Yoshizawa Yoshinori, a. a . 0 ., Bd. IV, S. 289. 125 Vgl. T 0 m i k ur a Tokujirö, a. a. 0., s.A 88. . . . 126 Damit ist eine Stelle im Kapitel Kocho (vgl. Yosh1zaw~ Yoshmon, ~ · a . 0.,

Bd. III, s. 29) gemeint, wo Kashiwagi Tamakatsura das Gedicht sendet : Obwohl ich liebe weißt die vielleicht nichts (davon), weil du es nicht sehen kannst, so wie man' die Farbe des unter Felsen fließenden (= iwamoru) Wassers, das hervor-und wieder zurücksprudelt, nicht sehen kann.'

127 Vgl. Y o s h i z a w a Yoshinori, a. a. 0 ., Bd. III, S. 247 ff. 128 Vgl. Y o s h i z a w a Yoshinori , a. a. 0., Bd. III, S. 386.

6 • 83

völlig von ihr eingenommen; das hätte man eigentlich gar nicht von ihm erwartet. Der treue und aufrechte Mensch war (dagegen) sehr lieblich (ito imiji) als er Murasaki no Ue einmal flüchtig sah, und er sie an einem stürmischen Morgen mit unverwandten Blicken an­schaute 129. Die Stelle des Todes (Kashiwagis) 130 geht sehr zu Herzen und ist bedauernswert (ito aware ni itoshi), aber man kann (doch) denken, ob es schicklich war, daß er so aufgelöst war und eine solch schlechte Figur abgab."

K a s hi w a g i wird im großen und ganzen ziemlich gut beurteilt. Es trägt ihm nur einen Tadel ein, daß seine Zuneigung zu 0 n n a San n o Mi y a so stark war, daß er sie trotz seiner Heirat mit 0 c h i b a nicht vergessen konnte, und er sich schließlich anläßlich eines Besuchs bei der kranken Mur a s a k i, der für ihn gefährlich werden konnte, auch mit ihr traf. Dar­über machte er sich solche Selbstvorwürfe, daß er sogar selbst krank wurde und starb. Seine Gemahlin 0 c h i b a vertraute er noch kurz vor seinem Tode der Obhut Yugiris an.

An nächster Stelle spricht das Mumyozoshi über K a s h i w a g i s Bruder 131 :

"Sein Bruder, der Dainagon Köbai, zeigte sich als sehr fähiger (ito itashi) Mensch, als er beim Ringspiel mit dem Takasago-Lied 132 an­fing133, und auch weiter an der Stelle, wo er über Ben no Shöshö 134

sprach, der im (Kapitel) 'Fuji no Uraba' das Ashigaki-Lied 135 sang. Daß er am Ende seines Lebens nach Genjis Tod neidisch war wie eine Feldmaus in einem Dorf ohne Vögel, daß General Kaoru Schwieger­sohn des Kaisers geworden war, und murrenderweise herumlief136 ,

ist wirklich abstoßend (kokoro-zuki nashi)." Dem Bruder K a s h i w a g i s wird ebenfalls keine allzu große Beachtung

geschenkt. Er zeichnete sich zwar als Sänger aus, aber es wird auch von ihm berichtet, daß ihn Neid und Mißgunst an seinem Lebensabend unbe­liebt machten.

Es heißt dann weiter im Mumyozoshi ta7:

"Das Niou no Hyöbukyö no Miya als junger Mensch ein liederliches Leben geführt hat, geht wirklich zu weit, und die Art und Weise, wie er es liebte, sich unerlaubterweise in Liebesabenteuer zu stürzen, ist

~:: Vgl. Yo s h ~ z a w a Yoshinori, a. a . 0., Bd. III, S. 103 ff .

131 Vgl. Yos~IZawa Yoshinori, a.a.O., Bd.IV, S.164f.

132 Vgl. Tom1kura Tokujirö, a. a. o ., s. 90 .

.. Takasago wa:r der alte .Name für Taiwan. Das Lied, das diesen Namen trägt, gehort. zu. der Sa1bara-Mu~1k, die bei Hoffestlichkeiten aufgeführt wurde. Cf. K~~ayoshu, hrsg .. v. Kokumrn-Tosho-Kabushiki Kaisha, Tökyö 1931, S. 106.

134 Vgl. Y ~ s h 1 ~ a w a Yoshinori, a. a. 0 ., Bd. 1, s. 437.

135 Sohn To D.amagons, eines Bruders der Prinzessin Kökiden.

S. 114~~enfalls em altes zur Saibara-Musik gehörendes Lied; cf. Kokayoshri., a. a. 0. , 136

Vgl. Yo s h. i z a w a Yoshinori, a . a. 0., Bd. 137 V l T k V, S. 318.

g. om1 ura Tokujirö, a. a. 0., S. 92.

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wirklich ungehörig (fusawashi) . Es geht (aber doch) sehr zu Herzen (ito aware), daß er im Nij6in Wohnung nahm 138, da Murasaki no Ue (ihn) besonders bevorzugte 139."

Eine ebenfalls sehr knappe Kritik erfährt Ni o u n o Mi y a. Er kommt nicht allzu gut dabei weg, denn vor allem wird sein loser Lebenswandel gerügt; nur, daß er Murasakis wegen in einen ihr näher gelegenen Pa­lastteil gezogen ist, findet die Billigung des Mumyozoshi.

Zum Schluß folgt noch die Besprechung Ka o ru s 140:

"Bei General Kaoru kann man von Anfang an bis zum Ende keinen einzigen negativen Punkt sehen. Er dürfte wohl wirklich ein überaus liebenswerter (kaesu-gaesu medetashi) Mensch sein. Selbst als Sohn Genjis hätte er, als er an die bedauernswerte Lage seiner Mutter (Onna San no Miya) dachte, nicht so wunderbar zu handeln brauchen. Wenn er ein Kind gewesen wäre, das Murasaki zur Mutter gehabt hätte, wäre es wohl gut gewesen (,so zu handeln}. Allgemein gespro­chen sind in den Monogatari und noch weniger bei den wirklichen Menschen von einst und jetzt Beispiele eines solchen Menschen selten." Als man so sagte, erwiderte jemand: "Ja, aber gibt es (überhaupt} jemanden, der (ihm) an Liebenswürdigkeit und vollkommener Auf­richtigkeit nachstehen würde? Es ist wirklich schade, daß man Ukifune no Kimi und Sumori no Naka no Kimi 141 (im Vergleich} mit Hy6bukyö no Miya als (hinter ihm} zurückstehend hält 142

.

Daraufhin sagte wiederum jemand: 'Das ist kein Tadel für den Gene­ral. Es kommt daher, daß es schlecht ist, daß die Frauen ein so sinn­liches Gefühl haben. Da Sumori no Kimi einen lieblichen (kokoro­nikushi) Charakter hat, dürfte sie wohl wirklich Niou (no Kimi, den man sich als schönfarbige) Kirschblüte(, und) Kaoru (no Kimi, den man sich als duftende) Pflaumenblüte (vorstellen kann,) bei weitem über-

treffen'."

Die letzte Kritik im Rahmen der Erörterungen über die im Genji-mono­gatari geschilderten Personen, gilt dem besten Freund Genjis K a o r u. Im Gegensatz zu der scharfen Kritik am Genji selbst, wird K a o r u hier als das Ideal der Vollkommenheit und Aufrichtigkeit hingestellt, das schlecht­hin nicht mehr übertroffen werden kann. Die Schönheit seiner äußeren Er­scheinung, die besonders gerühmt wird, und die vornehme Haltung allen seinen Mitmenschen gegenüber werden wohl mit die Hauptgründe dafür gewesen sein, daß K a 0 r u eine solch hervorragende Beurteilung erfahren

hat.

138 Y o s h i z a w a Yoshinori, a. a. 0., Bd. III, S. 349. 139 Vgl. Yoshizawa Yoshinori, a.a.O., Bd.IV, S.305f. 140 Vgl. Tomikura Tokujirö, a. a. 0., S. 92. 141 Gewöhnlich einfach Naka no Kimi genannt. 142 Vgl. Yoshizawa Yoshinori, a. a. 0., Bd. VI, S. 103 und Bd. V, S. 143.

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Im Gegensatz zu der Kritik an den Frauen unt~rnimmt es das Mumyözö­shi diesmal nicht, einzelne bestimmte Kategonen aufzustellen, sondern gibt jedesmal nur eine individuell~ Bewertu.ng der behandelten Perso~en. Wollte man auch hier versuchen, eme Gruppierung vorzunehmen, so müßte sie etwa in der folgenden Form geschehen, wobei für die Oberbegriffe keine Entsprechungen im Mumy6z6shi vorhanden sind:

1. Ausgezeichnet a) Kaoru: b) Kashiwagi: c) T6 no Chuj6:

2. Gut bis mittelmäßig a) Yugiri: b) Hotaru: c) Genji:

3. Schlecht a) K6bai:

b) Niou:

liebenswert (medetashi); sehr gut (ito yoshi); sehr gut (ito yoshi).

verhältnismäßig gut (arigatakeredo söz63hi); weder gut noch schlecht (yoshi-ashi nashi); ein bitteres (kokoro-ushi), verdrießlich-ma­chendes (kuchi-oshi) Gefühl zurücklassend, sich ungehörig (tsuki-nashi), unverzeihlich (keshikarazu) und respektlos (zushiyaka-nara­

zu) benehmend.

zwar fähig, aber abstoßend (itashikei:edo ko­koro-zuki nashi); sich ungehörig (fusawashi) benehmend.

Genau wie bei der Kritik an den Frauen geht der Verfasser des Mumyö­zöshi auch bei seiner Beurteilung der Männer stark vom Subjektiven aus, und im großen und ganzen scheinen ihn hier wie dort dieselben Gründe bewogen zu haben, den einzelnen Personen die jeweiligen Prädikate zu­zuerkennen. Auch hier ist das, was Idealbild sein könnte: 'liebenswert' (medetashi); Kleinigkeiten im Charakter, die nicht ganz zu diesem Ideal­bild passen, geben ebenso Veranlassung, eine kleine Einschränkung zu machen. Kriterium scheint dem Mumyözöshi vor allem die Haltung der ein­zelnen Männer den Frauen gegenüber zu sein. Ein loCkerer oder leichter Lebenswandel ist Grund zum Tadel, und je mehr ein Charakter dazu neigt, desto niedriger stuft ihn das Mumyozöshi ein. In dieser Haltung dürfte der Hauptgrund für die heftige Kritik an Genji zu suchen sein, der ja gerade in dieser Beziehung nicht geeignet war, ein Vorbild abzugeben oder eine Idealfigur darzustellen; er konnte es umso weniger sein, als die Zeit, in der das Mumyozöshi geschrieben worden ist, ihr Heil immer weni­ger in irdischen Dingen suchte. Begünstigt durch die innerpolitischen Wir­ren der Zeit- die Familien der Taira und Minamoto baten seit Jahr­zehnten um die Macht gekämpft, die die H 6 j 6 schließlich an sich rissen, nachdem die Minamoto sich nach dem Untergang der Taira für kurze Zeit die Herrschaft hatten sichern können -, glaubte man, daß die 'End­Zeit' (sue no yo) der Welt gekommen sei, und im Gedanken daran suchte man seine Zuflucht in einer verstärkten Hinwendung zum Buddhismus.

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Weltliche Leidenschaften aber, wie man sie bei Genji und vielen anderen erkennen konnte, waren für den Buddhisten nur eine Belastung, von der es sich frei zu ~achen galt, und so konnte auch der Verfasser des Mumyozoshi Genji nicht mehr gutheißen, denn er verkörperte nidlts von dem, wonach man sich jetzt sehnte.

Auch bei seiner Kritik an den Männern hat sich der Verfasser des Mumyozoshi z. T. an das Genji-monogatari selbst gehalten. So wird dort bereits Kaoru als 'medetashi' gepriesen 143 , im Zusammenhang mit Kashi­w a g i wird von 'okashi' gesprochen 144 , und auch bei T 6 n o C h u j 6 heißt es, er sei 'ito yoshi' gewesen 145 • Bei Yugiri verwendet das Genji-mono­gatari zwar nidlt 'arigatashi' wie das Mumyozoshi, dodl gebraucht es die ähnlichen Begriffe 'aware' und'imiji' 146 ; das unbefriedigende Gefühl, das Yugiris Korrektheit hinterläßt, wird im Genji-monogatari gleichfalls als 'sozoshi' bezeichnet 147• Die Fähigkeiten K6bais werden als 'utsukushi' gelobt148, und die Tatsache, daß Niou no Miya wegen Murasaki nach dem Nij6in umgezogen ist, wird auch vom Genji-monogatari als 'aware' bewertet 149 . Das Genji-monogatari geht mit negativen Aussagen über Per­sonen und Handlungen sehr sparsam um; hat es aber einmal in Bezug auf Genji eine solche Wertung ausgesprochen, dann ist sie vom Mumyozoshi aufgegriffen worden: den Vorfall im Hause Gen n o Na i s h i s , wo Genji und T ö n o C h u j ö einen Scheinkampf vollführten, nennt auch das Genji­monogatari schon 'kuchi-oshi' 150 , und über das Rendezvous mit Onna San n o Mi y a schreibt es · aware ni aredo urusakereba kakazu' , das Mumyozoshi verwendet zwar in beiden Fällen nicht dieselben Ausdrücke, sondern möchte im ersten lieber nichts darüber sagen und bezeidmet den zweiten mit 'keshikarazu', stimmt im übrigen dem Sinne nach dem Genji­monogatari aber doch zu. Die anderen im Mumyozoshi erwähnten Stellen werden im Genji-monogatari jedoch als durchaus gut angesehen: der Bil­derwettstreit ist, gerade weil Genji seine beiden Bilder mit beigesteuert hat, 'aware ni omoshiroshi' 151, Genjis Musizieren bei A k a s h i 'namame­kashi' und 'aware' 152. Hat der Verfasser des Mumyozoshi sich bei den an­deren Personen und z. T. auch bei Genji selbst ungefähr an die Beurteilung gehalten, die im Genji-monogatari bereits vorgezeichnet waren, so stellt er sich hier vollkommen auf einen eigenen Standpunkt, ohne im Genji-mono­gatari eine Stütze dafür zu finden. Es bleibt jedoch verwunderlich, daß dies nur bei der Kritik an Genji der Fall ist, während das Mumyozoshi bei

143 Vgl. Yo s h i z a w a Yoshinori, a. a. 0., Bd. V, S. 318. 144 Vgl. Yoshizawa Yoshinori, a.a.O., Bd. III, S.29. 145 V gl. Y o s h i z a w a Yoshinori, a. a. 0 ., Bd. II, S. 49. 146 Vgl. Yo s h i z a w a Yoshinori, a. a. 0., Bd. III, S. 239· 147 V gl. Y o s h i z a w a Yoshinori, a. a. 0., Bd. III, S. 238. 148 Vgl. Yoshizawa Yoshinori, a. a.O., Bd. I, S. 437· 149 Vgl. Y o s h i z a w a Yoshinori, a. a.O., Bd. IV, S. 306· 150 Vgl. Yoshizawa Yosh~nor~, a. a.O., Bd. I, 55 3~~7 151 Vgl. Y o s h i z a w a Yoshmon, a. a. 0 ., Bd. II, · · 152 Vgl. Y o s h i z a w a Yoshinori, a. a. 0., Bd. II, S. 73·

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den anderen Personen nicht zu einem eigenen, dem Genji-monogatari ent­gegengesetzten Standpunkt finden konnte. Der Verfasser gibt hierfür kei­nerlei Begründungen, so daß nur die Vermutung übrig bleibt, daß er viel­leicht irgendeine Abneigung gegen Genji hatte. Dies wäre durchaus ver­ständlich, da seine Kritik ja sowieso sehr stark subjektiv ist. Die Tat­sache, daß eine Kritik vom buddhistischen Standpunkt aus auch die ande­ren Personen außer Genji hätte erfassen müssen, unterstützt diese Vermu­tung noch weiter, denn die Mängel, die das Mumyozoshi bei Genji ent­deckt, sind ja zweifiellos auch bei den anderen Gestalten zu finden. Es dürfte audl kein Gegenbeweis sein, daß K ö b a i und Ni o u bei der Kritik im Mumyozoshi schlecht weg kommen, denn die vom Mumyozoshi gerüg­ten Fehler kommen rnutatis mutandis audl bei den Personen vor, die es lobt.

Als Ergebnis bleibt also die Feststellung übrig, daß das Mumyozoshi sich bei seiner Kritik an den im Genji-monogatari geschilderten Personen meistens an schon im Genji-monogatari enthaltene Urteile hält und, wo dies nicht der Fall ist, eine stark subjektiv beeinflußte Meinung äußert.

5. Die Kritik an einzelnen im Genji -monogatari geschilderten Ereignissen

Im letzten Teil seiner Erörterungen über das Genji-monogatari behan­delt das Mumyozoshi noch einzelne Geschehnisse und Episoden, wobei es wiederum zu dem Prinzip der Gruppierung zurückkehrt t 53:

"Als die Dame von vorhin sagte: 'Die Verhältnisse bei den Personen haben wir (nun) ziemlich gut gehört. Erzählt uns jetzt die einzelnen Begebenheiten, von denen Ihr vielleicht denkt, daß sie das Herz zu­tiefst bewegen (aware), liebenswert (medetashi) sind und einen tiefen Eindruck im Herzen hinterlassen (kokoro ni shimu)!', (wurde ihr) lachend (erwidert): Das ist aber ein sehr lästiges Verlangen! Das Herz zutiefst bewegend (aware) ist die Stelle, wo der Kaiser beim Tode von Kiritsubo no Köi klagte: »Da auch der Frau im Chögonka 154 Grenzen in der Vorstellung (der Menschen) gesetzt sind, wird wohl der Pinsel nimt ausgereicht haben, (ihre Schönheit) zu beschreiben. Ihre Gestalt, die nom weicher ist als das Schwanken im Winde einer Miscanthus­blüte und die noch lieblicher ist als eine vom Tau benetzte Nelke, kann mit keiner Farbe einer Blume und keiner Stimme eines Vogels vergleichen«. Der Kaiser) dichtete (deshalb):

'0!, hätte ich doch einen Magier, der (sie) zu (be)-suchen ginge! Wenn es auch nur vorn Hörensagen ist, (so) muß er doch wissen, wo der Aufenthaltsort (ihrer) Seele ist t 55'

::: V:gl. To~ikura Tokujirö, a. a. 0., S. 95, 98, 99f., 104, 107f., 111f., 114, 118. . Em Gedicht_ des chinesischen Dichters Po Chü-i, das die unglücklidle Liebe

zwischen dem Kaiser Hsüan Tsung und Yang Kuei-fei schildert 155

Vgl. Yoshizawa Yoshinori, a. a . 0 ., Bd. I, S.17. ·

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ließ die Lampe dauernd brennen, fand keinen Schlaf und hing (nur) seinen Gedanken nach 156

. Allein hieraus konnte man sich alle restlichen 60 Kapitel 157 vorstellen .

Auch der Tod Yugaos 158 (gehört hierzu). (Ebenso) die Stelle, wo (Genji) »als der Himmel bewölkt war und der Wind kühl (wehte), tief in Gedanken versunken, dichtete:

Wenn man den Rauch des Menschen, mit dem ich bekannt war, für Wolken hält, ol, dann ist einem auch der Abendhimmel vertraut' « t s9,

und wo (er) 'Die wirklich lange Nacht' 160 aus dem Gedächtnis rezi­tierte 161•

Der Tod Aoi no Ues 162 bewegt das Herz ebenfalls zutiefst (aware). Daß (ihr) Vater am Abend der Trauerfeierlichkeiten seinen Verstand verlor 163 ist kein Wunder und bewegt das Herz zutiefst (aware). (Weiterhin) die Stelle, wo (Genji) beim Anlegen der matt (farben)en Trauerkleidung der Gedanke kam: »Wenn ich vor (dir dahin) gegangen wäre, würdest (du) ein dunkel gefärbtes (Gewand angelegt haben) und er dichtete:

'Obwohl das graue Kleid, da es (nun einmal so) festgelegt ist, hell (farben) ist, machen die Tränen den Ärmel doch tief (dunkelfarbig)' « 164 .

Als ferner ein starker Wind wehte und Regenschauer fielen und es ihm (gerade) so zumute war, als wetteiferten auch die Tränen (mit dem Regen), sprach er vor sich hin: »Üb 'der Rauch des Sd1eiterhaufens' zu Regen oder Wolken geworden ist, weiß ich jetzt (noch) nicht« 16~; da kam Tö no Chujö (und machte das Gedicht): 'Sogar das Himmelszelt, an dem der Mensch, der (dir) bekannt war, zu Regen geworden ist, hat sich verfinstert.' 166

Es bewegt das Herz auch zutiefst (aware), als das Kind, das er gern hatte, das kurze Gewand dunkler (trug) als alle anderen (Leute) und vollkommen aufgelöst in Tränen schwamm, die Stelle, wo (Genji) es (mit den Worten) tröstete: 'Du kannst mim (jetzt) als deinen Herrn betrachten', da (Aoi no Ue) es besonders gern gehabt hatte, es heftig weinte und ihm dann diente 167 , bewegt das Herz zutiefst (aware). Außerdem ist die Stelle, wo (Genji), als die Trauer(zeit) beendet war,

156 Diese Stelle ist so im heutigen Genji-monogatari ni~t ?lehr .vor.handen. Vgl. jedoch die in Anrn. 155 zitierte Stelle, die weitgehend damit ubere1.nstrm~t..

157 Das SaddharmapuJ;lc;larika-sütra (Myöhörengekyö) ?est:ht emsdllleß.llch des Kommentars aus 60 Kapiteln, die zum Kanon der T~nda1-shu geworden smd. Das Genji-monogatari wird hier allegorisdl damit verglldlen.

158 Vgl. Yoshizawa Yoshinori,a.a.O., Bd.I, S.138. 159 Vgl. Yo s h i z a w a Yoshinori, a. a. 0., Bd. I, S. 160. 160 Ein Gedicht von Po Chü-i. 161 Vgl. Y o s h i z a w a Yoshinori, a. a. 0., Bd. I, S. 161. 162 Vgl. Yo s h i z a w a Yoshinori, a. a. 0 ., Bd. I, S. 351. 1113 Vgl. Yoshizawa Yoshinori, a. a. 0., Bd. I, S. 352. 164 Vgl. Yoshizawa Yoshinori, a.a.O., Bd.I, S.353. 165 V gl. Y o s h i z a w a Yoshinori, a. a. 0 ., Bd. I, S. 359. 166 Vgl. Yoshizawa Yoshinori, a.a.O., Bd.l, S.359. 167 Vgl. Y o s h i z a w a Yoshinori, a . a. 0., Bd. I, S. 363.

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(das Haus des Sadaijin) verließ, und jede der Frauen, die (ihm) lange hindurch gedient hatten, sagte: 'Wir werden (jetzt) zeitweilig (vonein­ander) getrennt sein' , und sie einzeln (nur) ungern Abschied nah­men 168, sehr ergreifend (ito aware). Daß (der Vater Aois) beim An­blick der Schreibübungen, die (Genji) geschrieben hatte, weinte 169 ,

(gehört) auch (hierzu); das ganze ist ein das Herz zutiefst bewegendes ( aware) Kapitel. Auch die Stelle der Abreise nach Suma 170 (bewegt das Herz zutiefst). (Ferner) die Stelle, wo (Genji) die Heimat Aoi no Ues verließ (und dichtete): 'Ich gehe an die Bucht, um zu sehen, wo die Fischer (Fische) mit Salz rösten, in der fälschliehen Meinung, (es sei) der Rauch, der auf dem Toribeyama 171 gebrannt habe.' 172

Weiter die Stelle, wo {Genji), als er seinem Sohn die Locken auf­kämmte und sah, daß seine Gesichtszüge sehr einfach waren, dachte: 'Obwohl ich zwar noch strahlend schön bin, ist es (doch) betrüblich!' und sagte: 'Bin ich so abgemagert wie dieses Bild? ', und als er dich­tete: 'Obwohl ich so (weit) umhergewandert bin, wird sich das Bild in dem Spiegel, aus dessen Nähe du dich entfernt hast, wohl nicht entfernen' , und Murasaki no Ue (ihn) , die Augen voller Tränen, ansah und das Gedicht sprach: 'Falls das Bild, wenn du auch fortgehst, zu etwas werden sollte, das dableibt, würde ich, wenn ich auch nur in den Spiegel sähe, vielleicht Trost finden'. 173

Dann auch die Stelle, wo er im unteren Schrein von Kamo, den Göt­tern seinen Abschied mitteilend, dichtete: 'Im Vertrauen auf die Götter, die über den zurückbleibenden Namen ihr Schuldig oder Unschuldig sprechen, nehme ich jetzt Abschied von der flüchtigen Welt.' t74

Das (Gedicht), das Murasaki no Ue in der Morgendämmerung sprach, als er abreiste (nämlich):

'Ich möchte das Leben , das (für mich) nicht (mehr) lebenswert ist, hin­geben und dafür den Abschied (nur) einen einzigen Augenblick auf­halten.' 175 ,

ist unangebracht (hito-waroshi). Sogar Hanachirusato, die man wohl schlechterdings unter die gewöhnlichen Menschen zählen kann, soll gedichtet haben:

168 Vgl. Y o s h ~ z a w a Yoshinori, a. a. 0 ., Bd. I, S. 369.

169 V gl. Y o s h ~ z a w a Y'Oshinori, a. a. 0 ., Bd. I, S. 367.

170 V gl. Y o s h 1 z a w a Yoshinori, a . a. 0 ., Bd. II, S. 3 ff.

1•71

Im ~esten d~s Higashiyama in Kyöto gelegenes Areal das seit der Heian-Zelt als Fnedhof d1ent. '

172 Vgl. Yosh zawa Yoshinori, a. a. 0., Bd. 11, S. 8.

;~: Vgl. Y o s h z a w a Yoshinori, a. a . 0 ., Bd. 11, S. 12.

175 Vgl. Yosh zawa Yoshinori, a. a. o., Bd. 11, s. 19. Vgl. Yosh zawa Yoshinori, a.a.O., Bd.II, S.24.

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'Würde der Ärmel, der im Schatten des Mondes übernachtet hat die nimmermüden Strahlen sehen, obwohl er schmal ist und falls 'man ihn darum bittet?' 176

Weiter die Stelle, als (Genji) in der Bucht (von Suma) ankam, beob­achtete, wie die Wellen, die an den Strand schlugen, zurückliefen und das Gedicht:

'0!, wie sind die zurückkehrenden Wellen beneidenswert! [summte und dachte:] (Ob) der Himmel, den ich sehe, (wohl) derselbe ist, (wie) in der Hauptstadt(?)· 177

Ferner als er im lieblichen Herbstwind die Wellen, von denen (der Dazai no) Sochi Yukihira 178 wohl gesagt hatte, (der Wind) trage sie (bis zu) jener Grenzwache hinüber, in der Bucht sehr nah hörte und dich­tete:

'Ihr Wellen in der Bucht, die ihr dem Laut des vor Liebessehnsucht Weinens zum Verwechseln ähnlich seid, (sagt): blies der Wind wohl von dort, (wo meine) Geliebte ist?' 179

Die Stelle, wo (Genji) sich in der 15. Nacht des 8. Monats nach dem Hoffest sehnte und, obwohl er sich vorstellte, daß (sie) wohl wirklich den Mond betrachteten, er nur das Gesicht des Mondes anstarren konnte und das Gedicht summte: 'Das Herz eines alten Freundes, der 2000 Meilen weit weg ist.' t 8o

Weiter die Stelle, als er daran dachte daß die Kirschblüten des Süd­palastes (jetzt) wohl in voller Pracht sein würden, er sich In no Ues (scil. Kiritsubo no In) und des Kaisers beim diesjährigen Blumenfest erinnerte und das Gedicht machte:

'Ich sehne mich immer wieder nach den Leuten am Hofe und (dabei) ist heute gerade (der Tag) gekommen, an dem man sich Kirschblüten ins Haar steckt'. 181

Außerdem die Stellen, wo Ouchiyama (scil. Tö no Chüjö) kam, sie beide Wehmut über den Abschied empfanden, (japanische) Gedichte austauschten und (chinesische) Verse machten 182

• Es bewegt das Herz wirklich zutiefst (aware}, als er in Akashi als Antwort auf sein Ge­dicht, das zärtlicher war als gewöhnlich:

'Zeitweilig (eine andere Frau) zu treffen, war (nur) ein Zeitvertreib des Fischers; vor allem ist (wegen dir) traurig geweint worden.'

176 Vgl. Y o s h i z a w a Yoshinori, a. a. 0., Bd. II, S. 14. 177 Vgl. Yoshizawa Yoshinori, a.a.O., Bd .. II.' S.25. . 178 Arihara no Yukihira, ein Halbbruder Nanhuas, des vermutlichen Verfassers

des Ise-monogatari; er lebte im 10. Jahrhundert und war als Staatsmann und Dichter bekannt.

179 Vgl. y o s h z a w a Yoshinori, a . a. 0., Bd. II, S. 36. 180 Vgl. Yo s h z a w a Yoshinori, a. a. 0 ., Bd. II, S. 39. 181 Vgl. Y o s h z a w a Yoshinori, a. a. 0 ., Bd. II, S. 49. 182 Vgl. Y o s h z a w a Yoshinori, a. a. 0., Bd. li, S. 49 ff.

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das Gedicht erhielt:

'01, ich hatte (dir) von ganzem Herzen vertraut; ich hatte gedacht, daß das, was wir geschworen hatten, wohl nicht von der Kiefer zur Welle

hinübergehen würde.· 1 3

Die Stelle des Todes von Kashiwagi no Emon no Kami bewegt das Herz wirklidl zutiefst (awarejl 4 . Als er Onna San no Miya einen Brief schreiben wollte, zitterte seine Hand, und deshalb schrieb er nichts von alledem, woran er gedacht hatte, (sondern) dichtete:

1 'Auch (in) dem Rauch, der wohl schon unvermeidlicherweise brennt, werden wohl die Gedanken an die unlösbaren Bande zurückbleiben', und er auf ihre Antwort: »Sag' doch wenigstens 'aware'l Es würde das Herz beruhigen und zu einem Lichtstrahl für den Weg werden, in dessen Dunkelheit, die aus dem eigenen Herzen kommt, man sidl wohl verirrt.« 1 5 hin das Gedidlt schrieb:

'Ich werde wohl bestimmt mit (dir) zusammen in dem Wettstreit der Rauchsäulen vergehen, (da auch ich) in Gedanken verloren bin über Dinge, die (mich) quälen.'

Diese Frau, die sagte: 'Ob ich ihn wohl überleben werde?' 1 6 ist zu be­wundern. Als weiterhin sein Vater fortfuhr, über die verschiedenen Dinge zu sprechen, und zum Himmel aufblickte, war die Form der Abendwolken dunkelgrau verschleiert, und die Wipfel, deren Blüten abgefallen waren, fielen ihm gerade heute (besonders) ins Auge. Die Stelle, wo er das Gedicht:

'0!, welch ein Frühling, in dem man in Umkehrung (der natürlichen Ordnung) nebel(graue) Kleider trägt, die von den Tropfen (der Tränen) um die Jüngeren durchnäßt sind!' 1 7

machte, bewegt das Herz wirklich zutiefst (aware). (Daß) der Tod Mu­rasaki no Ues 188 (hierher gehört,) braucht nicht besonders erwähnt zu werden. Als der treue und aufrechte Mensch sie mit verschwommenen Augen so tot daliegen sah, dürfte er sich wohl jener Sache erinnert haben, als er sie im Schutze eines stürmischen Morgens sah, und er machte das Gedicht:

·(Es war) ein Traum in der Morgendämmerung, daß ich das Sehnen nadl. einem vergangenen Herbstabend für jetzig ansah.' 189

Die Stelle, als Genji im (Kapitel) 'Maboroshi' die Stimme einer Frau sagen härte: '01, der wunderbar angehäufte Schnee!' und er traurig

183 Vgl. Yosh~zawa Yoshinori, a. a. 0., Bd. II, S. 90. 184

Vgl. Yosh~zawa Yoshinori, a.a.O., Bd.IV, S.164ff. 185

Vgl. Yosh~zawa Yoshinori , a . a.O., Bd.IV, S.125. 16

Vgl. Yosh~zawa Yoshinori, a. a. 0., Bd. IV, S.129. 17

Vgl. Yosh~zawa Yoshinori, a. a . 0 ., Bd. IV, S. 165. ::: Vgl. Yo s h ~ z a w a Yoshinori, a. a. 0., Bd. IV, S. 308.

Vgl. Yosh1zawa Yoshinori, a.a.O., Bd.IV, S.314.

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jetzt so fühlte (wie in) jener Schneenacht wo ihm das H eh . .. , erz s wer ge-worden war, er sH:h gramte und traurig dichtete:

'C?bwohl ich de~ke, daß es wohl wirklich eine Schneeschmelze (scil. e1n Vergehen) 1n der Welt geben wird, ist die Zeit doch zu meiner Uberrascb.ung vergangen.' t9o

Ferner ist die Stelle, als er, (da) ihr Lager (jetzt) natürlich verlassen und einfach war, niedergeschlagen war, obwohl er alles sah, und dichtete:

'Der Zaun des Frühlings, der das Herz der Toten (immer) umgeben hatte, wird jetzt wohl schon verfallen sein.' 191

(ergreifend).

Weiter bewegt auch die Stelle, wo er ihre Briefe zerriß , einen heraus­zog, um ein Sütra darauf zu schreiben, und das Gedicht machte: 'Obwohl ich (euch Briefe hier) versammelt habe, werdet ihr wie das traurige Seegras zu Rauch für den Himmel.' 192

sowie das ganze (Kapitel) 'Maboroshi ' das Herz zutiefst (aware).

Auch der Tod Uji no Anegimis bewegt das Herz zutiefst und ist traurig (aware ni kanashi). Die Stelle, als der General Kaoru die Farbe seiner Kleidung nicht änderte, da es (nun einmal so) festgesetzt ist, aber sah, daß die Leute, die ihr zugetan gewesen waren und von denen sie sich (jetzt) getrennt hatte, sidl ganz schwarz umzogen, und dichtete:

'Auch die Tränen, die rot fallen, waren sokhe, die keinen Erfolg hatten und die Farbe der Trauerkleidung nicht einfärb(t)en (konn­ten}' ,193

Und als er beim Klang der Tempelglocken von gegenüber das Kissen auf einer Seite hochhob und dauernd angestrengt dachte: 'Heute geht es zu Ende'. Ferner als er dachte: 'Käme (sie doch wieder) zu sich und lebte!' 194 • Weiter ist es wirklich auch außerordentlich wunderbar, zu Herzen gehend und beneidenswert (imijiku aware ni urayamashi), als er sich auf einen Stein neben dem Wasserlauf (im Garten) setzte

und, ohne hastig aufzustehen, sagte: 'Warum in dem klaren Wasser, das unaufhörlich (dahinfließt), wohl gerade das Gesicht der Toten nicht wiedergespiegelt bleibt?'

195·

Man kann denken, daß der Tod und auch das Leben für einen solchen

Menschen wirklidl wunderbar (imiji) ist."

An die Spitze seiner Erörterungen über die einzelnen Ereignisse setzt ~as Mumyozoshi wiederum die Gruppe, die es mit dem Prädikat 'aware naru .­das Herz zutiefst bewegend - bezeichnet. Es fällt auf den ersten Bh<k

100 Vgl. Y o s h i z a w a Yoshinori, a . a. 0., Bd. IV, S. 323. 191 Vgl. Yt> s h i z a w a Yoshinori, a. a. 0., Bd. IV, S. 329. 192 Vgl. Yo s h i z a w a Yoshinori, a. a. 0., Bd. IV, S. 344· 193 Vgl. Yoshizawa Yoshinori, a.a.O., Bd.V, S.186. 194 V gl. Y o s h i z a w a Yoshinori, a. a. 0., Bd. V, S. 187· 195 Vgl. Yo s hi z a w a Yoshinori, a. a . 0., Bd. VI, S. 63 ·

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wird, in engem Zusammenhang steht mit der Kritik und Wertung der Kapitel des Genji-monogatari. Sämtliche Kapitel, die dort genannt wurden, kehren hier wieder, und hier wie dort dreht es sich immer um die Schil­derung von Tod oder Abschied. Das einzige, was hier bei den Einzel­erörterungen noch dazugekommen ist, ist der Tod U j i n o 0 k im i s, der im Kapitel · Agemaki' geschildert ist. Daß dies hier mit aufgenommen wor­den ist, kann vielleicht damit erklärt werden, daß hier mehr auf die Liebe K a o ru s zu ihr hingewiesen werden sollte, als auf die Tatsache ihres Todes, denn das Mumyozoshi versäumt keine Gelegenheit, K a o r u, wo immer es möglich ist, in den Vordergrund zu stellen.

Von den rund 40 verschiedenen Stellen, die das Mumyozoshi hier aus dem Genji-monogatari zitiert, werden über die Hälfte im Genji-monogalari bereits mit 'aware' bezeichnet; weitere 10 werden mit ähnlichen Ausdrük­ken wie 'medelashi', 'namamekashi', 'imiji', 'kanashi', 'iloshi' und 'namida mo todomerarezu' gekennzeichnet; bei dem Abschiedsgedicht Mur a s a k i s kommt das Mumyozoshi zu einer dem Genji-monogatari nicht entsprechen­den Bewertung, indem es statt des dort verwendeten 'kanashi' das Wort 'hito-waroshi' gebraucht; an allen anderen Stellen findet sich im Genji­monogatari keine ausdrückliche Benennung der geschilderten Situation, doch ist die inhaltliche Ubereinstimmung so groß, daß sie ohne weiteres ebenfalls in diese Gruppe zu rechnen sind. Der Verfasser des Mumyozoshi hat also hier zwar nicht ausdrücklich, aber doch implicite die Begründung für die Einstufung der einzelnen Kapitel des Genji-monogatari gegeben, auf die im übrigen verwiesen werden kann. Es ist jedoch offensichtlich, daß das Mumy6z6shi sich auch hier im großen und ganzen die Meinung des Genji-monogatari zu eigen gemacht hat.

Es mag vielleicht noch der Erwähnung wert sein, daß das Mumyozoshi bei seinen Erörterungen über die einzelnen Geschehnisse verhältnismäßig viele Gedichte aus dem Genji-monogatari zitiert. Dies ist jedoch weiter nicht verwunderlich, wenn man bedenkt, daß die Gedichte mehr als alles andere dazu geeignet sind, Gefühle in besonders schöner Form zum Aus­druck zu bringen, deren Beurteilung ja gerade das Hauptanliegen des Mumy6z6shi bildet.

Im Mumy6z6shi heißt es dann weiter 196:

"Nun die wunderbaren (imiji) Begebenheiten. Als (Genji) an dem Morgen, an dem er incognito zu Rokujö hinübergegangen war, beim Hinausbegleitetwerden sah, daß Chujö no Kimi kam, hielt er sich ein wenig hinter dem Eckgeländer zurück und sagte:

'Sollte es etwa das sein, daß er, obwohl er sich demjenigen, was bei blühenden Blumen (sich verfärben) heißt, enthalten haben, an der Saronsrose vom Morgen (doch) nicht hatte vorbeigehen mögen, ohne sie gepflückt zu haben?';

196 Vgl. Tomikura Tokujirö, a.a.O., S. 120f., 123f., 125,127, 128f.

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man kann sagen, daß die Stelle, als er seine Hand ergriff (und Chujö das Gedicht machte):

'Bei dem Umstand, daß (du) gewartet hast, bis sich der Morgennebel auflöst, kann man denken, (du) habest deinen Sinn nicht auf die Blu­men gerichtet',

und (ihn) von dieser Staatsaffaire ablenkte 197, wunderbar (imiji) ist. Weiter, als Genji incognito vor dem Tor vorbeigehen wollte, das er immer besuchte, einen Diener, der gut bei Stimme war,

'Obwohl der Himmel, zu dem im Morgengrauen Nebel aufsteigt, noch verwirrt ist, mag ich doch, ach! an dem Tor meiner Schwester nicht vorbeigehen'.

zweimal rufen ließ, und daraufhin eine gut aussehende Dienerin her­auskam (,die sagte):

'Wenn (du) den Nebelzaun nicht durchqueren willst, der hier liegt, (dann) dürfte wohl der Torriegel aus Gras (erst recht) kein Hindernis gewesen sein' 198•

Auch das (Kapitel) 'Hana no En' ist wirklich wunderbar (imiji). Von da an angefangen, wo es heißt: (Es gibt nichts, was Oborotsukiyo gleicht.) 199 , sind diese Stellen außerordentlich hervorragend (ito imiji); und auch die Stelle, wo (Genji), nachdem der Kaiser (Shujaku-) In sich in die Berge zurückgezogen hatte, (ausgehen wollte, aber dann doch) wieder umkehrte, verdient hohe Anerkennung (ito mezurashi); ebenso kann man die Stelle, wo er voller Unruhe (dichtete):

'Obwohl ich die Erniedrigung ganz und gar noch nicht vergessen habe, (möchte ich) trotz (meiner) vorherigen schlechten Erfahrung die Gly­zinien des Hauses, das (für mich) den Tod bedeuten kann, wieder sehen' 200 •

als äußerst wunderbar (ito imiji) ansehen.

Auch die Stelle, als Sai no Miya (scil. Akikonomu) nach Ise ging 201,

ist wirklich irgendwie himmlisch wunderbar (kami-sabi imiji) . Ferner

die Stelle, (wo Genji dichtete): 'Ein Abschied bei der Morgenröte ist immer zum Heulen, aber o! , diesen Herbsthimmel hat die Welt noch nie gesehen!' 202

(und sagte): 'Das abwechselnde Singen der Matsumushi (scil. Calyptoryphus marmo­ratus) klingt gerade so, als wüßten sie, daß meine Stunde geschlagen

hat'.

197 Vgl. Y o s h i z a w a Yoshinori , a . a. 0 ., Bd. I, S. 119. 197 Vgl. Yoshiza wa Yoshinori, a. a. 0., Bd. I, S.ll9. 198 Vgl. Yo shizawa Yoshinori, a.a.O., Bd.I, S.214f. 1119 Vgl. Y o s h i z a w a Yoshinori, a. a. 0., Bd. I, S. 31 2. 200 Vgl. Y o s h i z a w a Yoshinori, a. a. 0., Bd. III, S. 333. 201 Vgl. Y o s h i z a w a Yoshinori, a. a. 0 ., Bd. III, S. 392 f. 202 Vgl. Yo s h i z a w a Yoshinori, a. a. 0., Bd. I, S. 388.

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Weiter ist auch die Stelle, wo (Rokujö no Miyasudokoro) sagte: 'Hat (denn) niemand (Sorge wegen der Reise) bis nach (dem fernen) Ise:' 203,

wunderbar (imiji). Auch die Stellen, die von der Verbannung (Genjis nach Suma) handeln, sind außerordentlich wunderbar (kaesu-gaesu imiji), aber da wir sie im vorangehenden (schon) beiläufig erwähnt haben(, braucht dies hier nicht mehr zu geschehen.)

Ferner, als (Genji) sich, im Begriffe an dem Haus (Suetsumuhanas), dem Hitachi no Miya, vorbeizugehen, erinnerte:

'0!, der Hain, der (in mir) das Gefühl (aufkommen läßt), daß ich (ihn schon einmal) gesehen habe!', von seinem Wagen herabstieg und Kore­mitsu vorangehen und einen Weg hineinbahnen ließ 204

• Als dieser sagte: 'Der Beifuß ist ganz naß vom Tau', erwiderte er, traurig gestimmt: 'Obwohl wir (nach einem Weg) suchen, wollen gerade wir nach dem ursprünglichen Herz dieses weglosen, dichten Beifußes fragen' 205 •

Und die Stelle, als er wieder hineinging, Koremitsu voranschritt, den Tau vom Beifuß aufhob und (Genji) hineinführte, ist, wie schon öfters gesagt, wunderbar (imiji), wenn auch (noch) nicht vollkommen (oro­ka).

Daß Genji an dem stürmischen Morgen zusammen mit dem treuen und aufrechten General (Yugiri) sich nach dem Zustand der Damen (im Rokujö-in) zu erkundigen ging 206 , ist wirklich wunderbar (imiji). Darunter ist (die Sache mit) Naka no Miya 207 sehr interessant (okashi). Auch die Stelle, als (Yugiri) bei der Prinzessin (Akashi) um Reibstein und Papier bat, es (auch) erhielt und (an Kumoi no Kari) einen Brief schrieb, ist außerordentlich wunderbar (ito imiji). Die Stelle, wo er den Reibstein erhielt und schrieb, hinterläßt (zwar) einen schlechten Eindruck (hito-waroshi), aber man kann (doch) denken, daß es soweit in Ordnung war. Vielleicht war sein Herz fest (darauf gerichtet), und es ist ebenfalls wunderbar (imiji), daß er dichtete:

'Auch an einem Abend, wo die Wolken durch das Wüten des Windes durcheinandergebracht werden, gibt es keinen Augenblick, in dem ich dich, die du unvergeßlich bist, vergesse' ,

(dieses Gedicht) an eine Karukaya (scil. Anthistiria arguens)-Blüte heftete und es hinzubringen befahpos. Auch in den 10 letzten Kapi­teln (des Genji-monogatari) sind viele wunderbare (imiji) Stellen, aber es wäre sehr mühsam (alles hier aufzuzählen)."

Auch diese zweite Gruppe von Ereignissen, vom Mumy6z6shi 'imiji koto' - wunderbare Dinge genannt -, stimmt zum großen Teil mit der zweiten

203 Vgl. Yosh~zawa Yoshinori, a. a. 0., Bd. I, S. 393. 204

Vgl. Yosh~zawa Yoshinori, a. a. 0., Bd. li, S.165. 205 Vgl. Yosh~zawa Yoshinori , a. a. 0., Bd. II, S. 168. 206

Vgl. Yosh~zawa Yoshinori, a. a . 0., Bd. III, S.103f. 207

Vgl. Y o s h ~ z a w a Yoshinori, a. a. 0 ., Bd. III, S. 109. 208 Vgl. Y o s h 1 z a w a Yoshinori, Bd. III, S. 119.

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Abteilung 'en aru' bei den Erörterungen über die einzelnen Kapitel über­ein. Es fehlen hier lediglich Stellen aus dem Kapitel 'K6y6ga', das dort mit aufgenommen worden war. Dafür sind hier nod:l Begebenheiten aus zwei anderen Kapiteln, nämlich 'Yugao' und 'Waka-Murasaki', hinzugekommen, wobei allerdings zu bemerken ist, daß das Kapitel 'Yugao' als ganzes ja unter die erste Gruppe von Kapiteln (' aware naru') fiel und hier nur eine Episode daraus angeführt ist, deren Stimmung vorn Genji-monogatari je­doch mit 'aware' bezeichnet ist. Dies trifft nod:l für zwei weitere Stellen (vgl. Anm. 256 und 258) zu. Die Bezeichnung ' imiji' hat das Mumy6z6shi dreimal aus dem Genji-monogatari übernommen (vgl. Anm. 257, 261 und 263), ebenso wie die einmal (vgl. Anrn. 262) vorkommende Bewertung 'okashi'. In zwei Fällen weicht das Mumy6z6shi vorn Genji-monogatari ab (vgl. Anm. 254 und 263), in dem es die Stellen, die das Genji-monogatari 'ureshi' bzw. 'nikushi' nennt, mit 'imiji' bzw. 'hito-waroshi' wiedergibt. Die übrigen vom Mumy6z6shi erwähnten Stellen sind im Genji-monogatari nicht näher dlarakterisiert. Das Mumy6z6shi lehnt sich also auch bei dieser zweiten Gruppe von Begebenheiten ziemlich stark an das Genji-monogatari

an.

Hierauf folgt eine weitere Gruppe von Ereignissen 209 :

"Die bedauernswerten Dinge. Murasaki no Ue an der Stelle der Ab­reise (Genjis nach Suma) im Kapitel 'Surna' 210 . Die Stelle im (Kapitel) 'Otome', als Yugiri (zufällig) mit anhörte , daß die Amme (kumoi no Karis) die Vermählung mit dem im 6. Rang stehenden Yugiri verspot­tete, und Kumoi no Kari vor sich hinsagte: 'Die Wildgänse am Himmel werden wohl auch wie ich (weinen und klagen), und er dann sagte: 'Ich bin Jiju no Kimi 211 ; öffne (doch) bitte!' 212 , ist wirklich bedauerns­wert (itoshi). Die Begebenheiten im (Kapitel) 'Wakana', als (Genji) an einem Morgen, an dem Murasaki alleine geschlafen, ihren Ärmel (mit Tränen) benetzt, gefroren und niedergesd:llagen dagelegen hatte, (bei ihr) anklopfte, die Leute sich aber schlafend stellten und nicht öffne­ten 213. Die Stelle, als Uji no Naka no Kimi den General Kaoru zum ersten Mal sah, und er an einem Morgen das Gedicht schickte:

'Der Weg, der von Tau durchnäßt ist und auf dem ich mich vergeblidl vorgearbeitet hatte, erinnert mich, o!, an den Herbsthimmel von frü­her' 214,

Hyöbukyö no Miya (scil. Niou) herüberkam und tadelt.e, daß (die Luft) vom Dufte seines Parfüms erfüllt war , sie (darauf) mcht antwor­tete und sich verletzt fühlte, und er (Niou) (dann) sagte:

'0!, wie hasse ich es, daß du mit dem leichten Duft an deinem Ärmel durchtränkt bist, der wieder mit einem anderen vertraut war!'

209 Vgl. Tomikur a Tokujirö, a. a. 0 ., S. 131. 210 Vgl. Y o s h i z a w a Yoshinori, a. a . 0:, Bd. Il, S. 24. 211 Ein Sohn der Amme Kumoi no Kans. 212 Vgl. Y o s h i z a w a Yoshinori, a. a . 0 ., Bd. II, S. 32{9 213 Vgl. Y o s hiz a w a Yosh~nor~, a. a . 0., Bd. III, SS}69 . 214 Vgl. Yoshizawa Yoshmon, a . a. 0., Bd. V, · ·

7 Oriens Extremus 97

weshalb sie erwiderte: 'Ich hatte darauf vertraut, daß es das Kleid eines Gefährten war, mit dem ich (schon lange) verheiratet bin, aber ob ich mich wohl schon mit (diesem) einen Male (von ihm) trennen kann?' 215

,

ist wirklich außerordentlich bedauerlich (kaesu-gaesu itoshi). u

Während das Mumyozoshi zwar in der zweiten Gruppe zum großen Teil Geschehnisse aus den Kapiteln behandelte, die von ihm als 'en aru' be­zeichnet worden sind, hat es doch den Gesamtnamen dieser Gruppe aus der Kritik an den Frauen entnommen. Hier nun stimmt Name und Inhalt mit dem, was bereits bei der Kritik an den Frauen gesagt worden ist, überein, denn das Mumyozoshi behandelt hier die 'i toshiki koto' - die bedauerns­werten Begebenheiten -, wobei es Ereignisse schildert, die in Zusammen­hang mit Mur a s a k i , Y u g a o , Ku m o i n o Kar i und Na k a n o K im i stehen, mit den vier Damen also, die auch bei der Kritik an den Frauen als 'i t6shi' bezeichnet worden sind.

Ein Vergleich mit dem Genji-monogatari ergibt, daß der Ausdruck 'itoshi' von ihm zwar nur ein einziges Mal im Zusammenhang mit den vom Mumy6z6shi zitierten Geschehnissen verwendet wird (vgl. die erste unter Anm. 270 genannte Stelle), daß das Genji-monogatari aber auch an den anderen Stellen Worte gebraucht, die ähnliche Bedeutung haben; es spri<:ht einmal von 'kanashi' (vgl. Anm. 265), ein andermal von 'rotashi' (vgl. Anm. 267) und bezeichnet in den beiden übrigen Fällen die Begeben­heit mit 'ito kurushi'. Es bleibt also auch hier die Feststellung, daß das Mumy6z6shi in seiner Bewertung mit demGenji-monogatari übereinstimmt.

Sodann fährt das Mumyozoshi fort 216 :

"Unerfreuliche Dinge. Obwohl (Genji) Murasaki no Ue nicht nach Suma mitgenommen hat, hat er, ohne (danach) gefragt (worden zu sein), (ihr) erzählt, daß er zu Akashi no Kimi gegangen ist 217 • (Murasa­ki no Ue) sagte mit Widerwillen: '(Wie) ein aus der Bucht in die Ferne ruderndes Schiff (bin ich ausgestoßen)' und zeigte nur den Umschlag des Briefes (von Akashi) 21 • (Genji) hielt zwei Bildrollen von Suma (die er selbst gemalt hatte), für lange Zeit zurück und brachte sie bei dem Bilderwettstreit hervor 219 . Die Stelle, als Murasaki das Gedicht machte :

'Ich mußte es für besser halten, das Leben der Fischer zu malen, als alleine in Gedanken versunken zu sein',

und sagte: 'Die innere Unruhe war wohl (dadurch) abgelenkt worden, aber· . .' 220

. Dies könnte man auch unter die bedauernswerten (itoshi)

270 Vgl. Yo s ~ i z a w a Yoshinori, a. a. 0., Bd. V, S. 270.

216 Vgl. Tom1kura Tokujirö, a. a. 0 ., S.134f. 217

Vgl. Y o s h ~ z a w a Yoshinori, a. a. 0 ., Bd. II, S. 101. :~: V gl. Y o s h ~ z a w a Yoshinori, a. a. 0., Bd. li, S. 121.

220 Vgl. Y o s h ~ z a w a Yoshinori, a. a. 0., Bd. li, s. 197 ff. Vgl. Yosh1zawa Yoshinori, a. a. 0 ., Bd. li, S.191.

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Dinge einreihen. Die Tatsache, daß er zu Onna San no Miya ging und (doch noch) an Murasaki no Ue dachte 221. Am 1. Tag des 1. Monats besuchte (Genji) die Damen, und weil er fürchtete, er könne (Murasaki no Ue) vielleicht zu früh belästigen, übernachtete er bei Akashi 222. Die Tatsache, daß auch die freundschaftlid1en Beziehungen zwischen Genji no In und Ouchiyama (scil. Tö no Chujö) sd1lechter geworden sind 223 . Die Begebenheit, daß Tamakatsura no Kimi Gemahlin des Ge­nerals Higekuro geworden ist 224 . Die Sache, daß die Gemahlin Yugiris im (Kapitel) 'Yugiri' den Brief:

»Wo ist das Feld, auf dem die Ominaeshi (scil. Patrinia scabiosaefolia) in Traurigkeit versunken sind, (und das) denkt: 'Wird er es wohl (noch) für eine Nacht entleihen?'« 225,

den er geschrieben hatte, als er dachte, (seine Mutter} Miyasudokoro sei gestorben, zurückhielt und nicht sofort beantwortete 226. Die Sache, daß der treue und aufrechte General {Yugiri) Ochiba no Miya zur Frau nahm und sie genau so behandelte wie seine erste Gemahlin.227 "

Im Gegensatz zu der bisher geübten Kritik, die nam Möglimkeit nur das herausstellt und zu einer besonderen Gruppe zusammengefaßt hat, das in irgendeiner Beziehung noch als schön und angenehm angesehen werd~n konnte, selbst wenn innerhalb der einzelnen Gruppen immer wieder Tadel laut wurden, stellt das Mumyozoshi hier zum erstenmal aum eine Gruppe · von Begebenheiten zusammen, die nach seiner Auffassung 'kokoro-yama­shi' - unerfreulich - sind. Vor allen Dingen wird hier die Haltung Genjis Murasaki gegenüber getadelt; es wird ihm zum Vorwurf gemacht, daß er sie unnötig verletzt habe, wie sein Benehmen überhaupt einer scharfen Kritik unterzogen wird. Dies steht damit völlig im Einklang mit der vom Mumyozoshi gegebenen Beurteilung Genjis im Rahmen seiner Erörterungen über die Männer. Das Mumyozoshi kann sich dabei (vgl. Anm. 217) der Unterstützung des Genji-monogatari erfreuen, das Genjis Haltung in diesem Falle ausnahmsweise einmal mit dem Prädikat 'asama­shi' belegt, während es ja sonst mit negativen Wertungen äußerst vorsich­tig ist. An drei weiteren Stellen drückt das Genji-monogatari ebenfalls sein Mißfallen, aber nicht so stark aus (vgl. Anm. 218: 'kurushi'; Anm. 226: 'ito kurushi' und Anm. 224 'kuchi-oshi'). Im übrigen bewertet das Genji-mono­gatari die vom Mumyozoshi angeführten Stellen durmaus positiv (vgl.

221 Vgl. Yoshizawa Yoshinori, a.a.O., Bd.III, S.302f. 222 Vgl. Yoshizawa Yoshinori, a . a.O., Bd.III, S.7. .. . 223 Genji und er waren so etwas wie Rival~n gewo_r~Aen, da GenJI ~.kikonomu

zur Ernennung zur Kaiserin verholfen hatt~~ To no ChuJ~ ab~r auch seme_ To~ter Kökiden gerne an dieser Stelle gesehen h~tte. ~u<? beim Bilderwettstreit siegte Akikonomu durch die Bilder Genjis und mcht Koklden.

224 Vgl. Y o s h i z a w a Yoshinori, a. a. 0., Bd. III , S. 208 f. . . 225 Die Bedeutung dieses Gedichts ist: Ob er wohl __ das . Haus, m dem ~eme

Tochter in Traurigkeit versunken ist, noch ein Mal fur eme Nacht zu semem Domizil machen wird?

226 Vgl. Y o s h i z a w a Yoshinori, a. a. 0., Bd. IV, S. 238. 227 Vgl. Y o s h i z a w a Yoshinori, a . a. 0., Bd. IV, S. 213 f.

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Anm. 219, 220 und 222: 'aware' ; Anm. 221: ' itoshi'. Daß das Mumyozoshi hier vom Genji-monogatari abweicht, dürfte in seiner Haltung Genji ge­genüber zu suchen sein (vgl. die Ausführungen bei der Kritik an Genj i, s. 53ff.). Weiter mißbilligte das Mumyozoshi nochmals die Heirat Tama­k a t s ur a s mit H i g e k ur o, der sich anscheinend keiner allgemeinen Be­liebtheit erfreuen konnte. Gleichfalls wird in der Handlungsweise Ku m o i n 0 Kar i s und in Y u g i r i s Heirat mit 0 c h i b a etwas Tadelnswertes er­blickt, doch dieser Tadel war ja im Genji-monogatari bereits vorgezeidlnet. Allgemein läßt sich vielleicht sagen, daß in dieser Gruppe der 'unerfreuli­chen (kokoro-yamashi) Dinge' Ereignisse zusammengetragen sind, durch die einer der beteiligten Personen irgendwie Unannehmlichkeiten bereitet werden, die sich bei richtiger Handlungsweise hätten vermeiden lassen.

Das Mumyozoshi schließt sodann seine Erörterungen über das Genji-

monogatari ab 228•

"Dinge, die (entweder völlig) unerwartet (eingetreten sind oder) deren man sich schämen sollte (asamashi). Die Sache, daß Yugao von dem Geist der Bäume besessen war 229 . Die Begebenheit, daß Genji im Hause von Oborotsukiyo no Naishi bei dem abendlichen Regensmauer bis spät in die Nacht blieb und von (ihrem) Vater entdeckt wurde 23°.

Die Sache, daß Onna San no Miya Genji einen Brief Emon no Kamis (scil. Kashiwagis) sehen ließ 231 • Der Tod Tenarais (scil. Ukifune). Die Stellen, wo sie Selbstmord beging- ob es gut war oder nicht, sei dahin­gestellt -, wo sie von einem Geist besessen war 232 , und wo sie von den Leuten, die (zur Kannon) nach Hatsuse pilgerten, gefunden wurde 233 ,

hinterlassen wirklich ein sehr schlechtes Gefühl (ito mukutsukeshi). Darauf erwiderte man: 'Wenn wir das Buch (des Genji-monogatari)

vor uns haben, werden wir uns gewiß det wunderbaren (imiji) und das Herz zutiefst bewegenden (aware) Sachen erinnern. Auswendig ist es wirklich schwer vorzutragen. Wir wollen es jetzt langsam vorle­sen. Da das wirklich nur eine einseitige Angelegenheit ist, können wir es uns bestimmt umso besser vorstellen.' "

In dieser letzten Gruppe stellt das Mumyozoshi Begebenheiten zusam­men, die es als 'asamashi' bezeichnet, d. h. also Dinge, die 'unerwartet' eingetreten sind, wobei hier besonders an irgendweldle Ubel gedacht ist, deren Abwendung nicht in die Hand des Menschen gelegt ist. Hierzu zählt der Verfasser zunächst einmal die Besessenheit, die durch Geister hervor­gerufen wird, und so dann alles, was mit dem Selbstmord U k i f u n es zu­sammenhängt, der ebenfalls unerwartet, und für die Leute, die sie schließ­lich gefunden haben, auch unabwendbar kam. Jedoch sind darüber hinaus

228 Vgl. Tomikura Tokujirö, a. a. 0., S. 138f. 229 Vgl. Y o s h i z a w a Yoshinori, a. a. 0 ., Bd. I, S. 135. 230 Vgl. Y o s h ~ z a w a Yoshinori, a. a. 0., Bd. I, S. 440 f. 231

Vgl. Yo s h ~ z a w a Yoshinori, a. a. 0 ., Bd. IV, S. 105 f. 232

Vgl. Yosh~zawa Yoshinori, a. a. 0., Bd. VI, S.161. 233

Vgl. Yosh1zawa Yoshinori, a . a.O., Bd.VI, S.147.

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noch zwei Begebenheiten angeführt, die zwar nach menschlichem Ermessen abwendbar gewesen wären, die aber, da sie nun einmal geschehen sind, ein äußerst peinliches Gefühl hinterlassen. Zwar hat sich der Verfasser des Mumy6z6shi auch hier die im Genji-monogatari bereits vorgezeichne­ten Bewertungen völlig zu eigen gemacht- vgl. die Stellen Anm. 285 und 286, die vom Genji-monogatari ebenfalls 'asamashi' genannt werden, sowie die bei Anm. 284: 'utomashi'; Anm. 287: 'ito ayashi' und Anm. 288: 'it o mukutsukeshi' (was das Mumy6z6shi ebenfalls übernommen hat) vorkom­menden Prädikate - , aber durch seine Auswahl bekundet er doch auch seine Grundhaltung, die darin besteht, alles, was schön und gut ist, lobend hervorzuheben. Daraus resultiert natürlich die Ablehnung alles irgendwie gearteten Häßlichen, wie sie hier in der letzten Kritik zum Ausdruck kommt. Der Selbstmord U k i fun es ist dafür ein schöner Beweis, denn der Verfasser des Mumyözöshi enthält sich eines Urteils über Wert oder Unwert ihrer Handlungsweise, sondern gibt zu verstehen, daß sie ihm mißfällt, einfach weil sie häßlich ist.

Mit dieser Gruppe schließt das l'v1umy6z6shi seine Kritik am Genji­monogatari. Da es bei seinen Erörterungen über die einzelnen Begeben­heiten wieder zu dem Prinzip der Gruppierung zurückgekehrt ist, bietet sim eine Ubersicht von selbst an:

1. Zutiefst zu Herzen gehend (aware):

a) die Klage des Kaisers beim Tode Kiritsubos; b) der Tod Yugaos; c) der Tod Aois; d) Genjis Abreise nach Suma; e) der Tod Kashiwagis ; f) der Tod Murasakis; g) der Tod Okimis.

2. Wunderbar (imiji):

a) Genjis incognito-Gang zu Rokujö; b) das Kapitel 'Hana no En'; c) Akikonomus Abreise nach Ise; d) Genjis Besum im Hause Suetsumuhanas; e) Genjis Morgenbesuch bei den Damen seines Palastes ;

f) Yugiris Besuch bei Akashi.

3. Bedauernswert (it6shi) :

a) Murasaki bei der Abreise Genj is nach Suma ; b) Yugiris Besuch bei Kumoi no Kari; c) Genji vor der verschlossenen Türe Murasakis; d) Naka no Kimis erstes Zusammentreffen mit Kaoru.

4. Unerfreulich (kokoro-yamashi):

a) Genji erzählte Murasaki von Akashi; b) Genjis Verhalten beim Bilderwettstreit;

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c) Genjis Besuch bei Onna San no Miya; d) Genjis Ubernachtung bei Akashi; e) die Beziehungen T6 no Chüjos zu Genji; f) Tamakatsuras Heirat mit Higekuro; g) das Verhalten Kumoi no Karis Yügiri gegenüber; h) Yügiris Heirat mit Ochiba.

5. Unerwartet oder zur Schande gereichend (asamashi):

a) die Besessenhe·it Yügaos; b) die Entdeckung Genjis im Hause Oborotsukiyos; c) Onna San no Miya zeigte Genji einen Brief Kashiwagis; d) der Selbstmord Ukifunes.

III. Zusammenfassung

Uberblickt man die Kritik des Mumyozoshi am Genji-monogatari als Ganzes, so fällt zunächst die Tatsache ins Auge, daß die Vielfalt der Per­sonen und Ereignisse, die im Genji-monogatari geschildert sind, nach ge­wissen Gesichtspunkten geordnet worden ist. Grundprinzip dieser Ordnung ist das Ideal der Schönheit im allumfassenden Sinne des Wortes; es ist nicht nur die äußere Schönheit eines Menschen, die elegante Handlungs­weise oder die herrliche Schilderung der Ereignisse, sondern vor allem die bei Personen und Geschehnissen sich zeigende Schönheit der inneren Hal­tung. Im großen und ganzen gleicht das , was das Mumyozoshi als schön ansieht, den normalen Anschauungen über das Gute und Schöne. Entspre­chen Personen, Handlungen oder Geschehnisse diesen Anschauungen, so werden sie als limiji', lkokoro-yuki ureshi' oder lomoshiroshi' gekennzeich­net; halten sie den Forderungen nicht stand, dann ist das, was durch die­sen Mangel angerichtet worden ist, litoshi'. Diese beiden Hauptgruppen nehmen im Mumyozoshi den bei weitem größten Raum ein. Eine Gegen­überstellung von Personen, Handlungen und Geschehnissen ergibt also folgende Entsprechungen:

en aru kokoro-yuki ureshiki omoshiroki midokoro aru

und

itoshiki maki

l maki-1

J

imijiki konomoshiki

itoshiki hito

l hito- imijiki koto

itoshiki koto

Alles andere fällt aus dem Rahmen dieser beiden Hauptgruppen heraus. Dabei hat die eine dieser aus dem Rahmen fallenden anderen Gruppen, die Handlungs- und Verhaltensweisen beinhaltet, die dem Grundprinzip des Mumyozoshi in keiner Weise entsprechen, keine Parallele bei den Ka­piteln oder den Personen. Es sind nur Begebenheiten, die lkokoro-yamashi' bzw. I asamashi' genannt werden, denn insbesondere bei den I asamashiki

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koto' kann man ja nicht immer einen Menschen dafür verantwortlich ma­chen. Im übrigen bleibt dem Leser der Rückschluß auf die Person unbe­nommen, wenn menschliche Verhaltensweisen behandelt werden.

Die zweite aus dem Rahmen fallende Gruppe steht über allen anderen, auch über den beiden oben erwähnten Hauptgruppen. Sie findet ihre Stütze in der buddhistischen Haltung des Mumyozoshi. Hatte der Verfasser des Mumyozoshi bereits zu Beginn seiner Erörterungen beklagt, daß im ganzen Genji-monogatari kein einziges Wort aus dem Lotossutra vorkomme 234 ,

und hatte er die Abfassung des Genji-monogatari gleichsam als die Er­füllung einer an Buddha gerichteten Bitte angesehen, so kommt hier seine buddhistische Haltung noch deutlicher zum Ausdruck, indem er alles, was mit dem Tod zusammenhängt, der ja die Erlösung von den Leiden dieser Welt bringt, mit 'aware' oder 'medetashi' kennzeichnet. Personen, Hand­lungen und Geschehnisse fügen sich wieder in diese Gruppe ein, so daß sich

aware naru maki - medetaki hito - aware naru koto entsprechen.

Weiter als geordnet zu haben, geht das Verdienst des Mumyozoshi allerdings nicht, denn die Bewertungen sind in den meisten Fällen im Genji-monogatari bereits mit denselben Worten ausgesprod:len, oder das Genji-monogatari verwendet zumindesten ähnliche Begriffe. Nur im Falle Genjis selbst weicht das Mumyozoshi vom Genji-monogatari ab, denn es kritisiert Genji sd:larf, ohne dafür eine Vorlage im Genji-monogatari zu

haben.

Es bleibt somit die Feststellung übrig, daß das Mumyozoshi es zwar un­ternommen hat, die hauptsächlid:lsten Personen des Genji-monogatari und ihre Handlungen sowie die Begebenheiten übersichtlich zu gruppieren, daß es aber die wertenden Aussagen über Personen, Handlungen und Gesd:leh­nisse aus dem Genji-monogatari selbst übernommen hat. Eine Ausnahme hiervon bildet die Behandlung Genjis, wo der Anfang zu einer wirklichen Kritik am Genji-monogatari zu sehen ist.

2s' s. den Abschnitt 'Hotoke' (Buddha) im Mumyözöshi.

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