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75.IAHRGANG- 1925. ZEITSCHRIFT FÜR BAUWESEN 4, BIS 6. HE FT (Ingenieurbauten). Das Nidderkraftwerk bei Liflberg in Oberhessen. Vom Regierungsbaurat Lorenz, Friedberg (Hessen). (Hierzu 2 Tafeln.) Alu Rächte vorbelialtei^. In den Jahren 1921 bis 1923 wurde das erste größere Hochdruck-, wasserkrafiwerk in Hessen, das Nidderkraftwerk In Oberhessen, erbaut In Hessen sind mangels der geographisolien Vorbe-diingungen Groß Wasserkraft werke wie in Bayern nicht möglich, da Mittel- sfebirge mit ihren kleinen Wasserlauien nur bescheidene Aus- nutzungsmög'Hchkdten bieten. Schon fast alle Wasserläufe sind ziemlich restlos in kleineren Teilgefällen durch Mühlwerke, klein.erc Klektrizitätswerke, industrielle Anlagen usw. ausgenutzt. Trotzdem sind auch in Oberhessen noch einigre Stellen vorhanden, wo unter den derzdtigen Verhältnissen mittelgroße Wasserkräfte wirtschaft- lich ausnutzbar sind. Die von der Natur bevorzugteste Stelle in Oberhessen ist wohl das Niddertal zwischen Hirzenhain und Lißberg, an der Bahnlinie Vilbel—Stockheim—Lauterbach (Tafel 1 und Abb. 1), wo auf verhältnismäßig kurzer Strecke von etwa 3 km rd. 65 m Gefälle gewonnen werden kann, wobei die Oelände- Kestaltfung noch einige wesentliche Vorteile bietet, die die Kosten in erträglichen Grenzen halten. Nidder und nillersbach liefern das Wasser. Die Täler der beiden Wasserläufe nähern sich stark an dner gütistisen Stelle, so daß sie durch cin^n verhältivismäßfg kurzen Stollen verbunden werden konnten. An der Vereinigung beider Täler tritt die Nase des sie trennenden Gebirgsrückens wieder nahe an das Niddertal heran, so daß dort die Triebrohrleitung zum Maschinenhaus verhältnismäßig kurz wurde (Tafel 1 Abb. 1). Das Einzugsgebiet der speisenden Wasserläufe reicht bis in die Teile des Vogelsberges, die die höchsten Jahresnieder- schlagsliöhen Oberhessens aufweisen, liefert also die für diese Gegend größtmögliche Wassermenge. EMese günstige Stelle war schon seit langer Zeit bekannt. Man hatte bereits vor Jahren einen Abb, 1. Übersicht über die Wasserläufe der Provinz Oberhessen.

Das Nidderkraftwerk bei Liflberg in Oberhessen. · Vom Regierungsbaurat Lorenz, Friedberg (Hessen). (Hierzu 2 Tafeln.) Alu Rächte vorbelialtei^. In den Jahren 1921 bis 1923 wurde

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Page 1: Das Nidderkraftwerk bei Liflberg in Oberhessen. · Vom Regierungsbaurat Lorenz, Friedberg (Hessen). (Hierzu 2 Tafeln.) Alu Rächte vorbelialtei^. In den Jahren 1921 bis 1923 wurde

75.IAHRGANG- 1925. ZEITSCHRIFT FÜR BAUWESEN 4, BIS 6. HE FT (Ingenieurbauten).

Das Nidderkraftwerk bei Liflberg in Oberhessen. Vom Regierungsbaurat Lorenz, Friedberg (Hessen).

(Hierzu 2 Tafeln.) Alu Rächte vorbelialtei^.

In den Jahren 1921 bis 1923 wurde das erste größere Hochdruck-, wasserkrafiwerk in Hessen, das Nidderkraftwerk In Oberhessen, erbaut

In Hessen sind mangels der geographisolien Vorbe-diingungen Groß Wasserkraft werke wie in Bayern nicht möglich, da Mittel-sfebirge mit ihren kleinen Wasserlauien nur bescheidene Aus-nutzungsmög'Hchkdten bieten. Schon fast alle Wasserläufe sind ziemlich restlos in kleineren Teilgefällen durch Mühlwerke, klein.erc Klektrizitätswerke, industrielle Anlagen usw. ausgenutzt. Trotzdem sind auch in Oberhessen noch einigre Stellen vorhanden, wo unter den derzdtigen Verhältnissen mittelgroße Wasserkräfte wirtschaft­lich ausnutzbar sind. Die von der Natur bevorzugteste Stelle in Oberhessen ist wohl das Niddertal zwischen Hirzenhain und Lißberg, an der Bahnlinie Vilbel—Stockheim—Lauterbach (Tafel 1 und Abb. 1), wo auf verhältnismäßig kurzer Strecke von etwa

3 km rd. 65 m Gefälle gewonnen werden kann, wobei die Oelände-Kestaltfung noch einige wesentliche Vorteile bietet, die die Kosten in erträglichen Grenzen halten. Nidder und nillersbach liefern das Wasser. Die Täler der beiden Wasserläufe nähern sich stark an dner gütistisen Stelle, so daß sie durch cin^n verhältivismäßfg kurzen Stollen verbunden werden konnten. An der Vereinigung beider Täler tritt die Nase des sie trennenden Gebirgsrückens wieder nahe an das Niddertal heran, so daß dort die Triebrohrleitung zum Maschinenhaus verhältnismäßig kurz wurde (Tafel 1 Abb. 1). Das Einzugsgebiet der speisenden Wasserläufe reicht bis in die Teile des Vogelsberges, die die höchsten Jahresnieder-schlagsliöhen Oberhessens aufweisen, liefert also die für diese Gegend größtmögliche Wassermenge. EMese günstige Stelle war schon seit langer Zeit bekannt. Man hatte bereits vor Jahren einen

Abb, 1. Übersicht über die Wasserläufe der Provinz Oberhessen.

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34 L o r e n z , Das Nid^ierkraitwerh bei Ußberg in Oberhessen.

Ausbau dieser Wasserkraft im Auge; es entstanden auch mit der Zeit mehrere Vorentwürfe unter den verschiedensten Gesichts­punkten. Ein greifbarer Entwurf entstand [m Anfang dieses Jahr­hunderts, als die Provinz Oberhessen 'beschloß, sich durch ein Ueber-landwerk mit elektrischem Strom zu versorgen. Damals dachte man daran, Nidder und Hillersbach in großen Talsperren mit mehreren Millionen Kubikmeter Inhalt aufzuspeichern, einen J a h r e s ausgleich herbeizuführen und ein selbständiges, ständig laufendes Elektrizitäts­werk zu errichten. Eiine In die gep-lante Qefällsstufe fallende kleinere Wasserkraft eines rndustriellen Triebwerks — die Wasserkraft der

Abb. 2. Staumauer im Niddertal bei Hirzenhain.

Hofmühlc bei der Marg'arethenhütte der Buderuswerke — kaufte die Provinz damals schon auf. Die Pläne scheiterten jedoch an d"en — an Dampfkrait gemessen — für damalige Zeiten verhältnismäßig hohen Kosten. Geologische Bedenken bezüglich des Untergrundes sprachen g e g e n g r o ß e Sperren mit g r o ß e n Wasserhöhen. Die Elektrizitätsversorgung der Provinz Oberhessen wurde d'ami auf andere Art gelöst. Der hes&ische Staat errichtete auf der Braun-kohienKrubü Wölfers.heim ein grofJcs Elektrizitätswerk, das unter Verteuerung der dort gewonnenen Rohbrannkohle mit Dampf-turbodynamos Elektrizität erzeugt. Abnehmer dieses Stromes ist

•die Provinz Oberhessen, die durch das über die ganze Provinz verteilte Netz ihres Ueberlandwerkes sämtliche Orte der Pro­vinz mit Strom versorgt. Diese Versorgung war unter damaligen Verhältnissen wirt­schaftlicher als ein Ausbau von Wasser­kräften. Noch im Jahre 1913 konnte das Kulturbauamt Friedberg in einer Denkschrift über den Ausbau von Wasserkräften In Oberhessen schreiben: „Ein Ausbau der in unserem Bezirk gelegenen Bäche kann wahr­scheinlich nur als Ergänzung; bestehender Werke In Frage kommen, insbesondere, wenn die Brennmaterialien nicht mehr in dem Maße und zu dem Preis wie bisher xur Verfügung stehen." In einigen Jahren schon war nun dieser Fall gegeben. Die Provinz griff den Plan der Nidderausnutzung wieder auf, und zwar (durch das Bestehen des Wölfershcimer Kraftwerks bedingt) im Sinne des oben angeführten Satzes aus der Denkschrift. Eingehende Ueberlegnngen führten zu dem Ergebnis: Ausbau der Wasserkraft als Spitzenwerk zu Wöllers^ heim unter möglichst restloser Ausnutzung des jeweils vorhandenen Wassers mit nur k l e i n e r T a g e s ausgleichsspeicherung. Bei gewöhnlicher Wasserführung (Nleder-und Mittelwasser) soll das Werk nur In

den Tageszeiten des größ­ten Strombedarfs — für oberhessischeVerhältnisse in den Abend- und frühen Morgenstunden, wenn zu dem Kraftstrom der Lichfstrom hinzukommt — -die Spitzen decken, bei Hochwasser jedoch soll über den ganzen Tag unter Entlastung von Wölfersheim der ganze Wasserzufluß möglichst restlos ausgenutzt w er­den. Unter Vermeidung großer Speicherwerke konnte so der Aülbau äußerst wirtschaftlich ge­staltet werden,

Die Größe des Aus­baues ergab sich aus den Verhältnissen des Nieder­schlags, des Abflusses und des Gefälles. Für das Werk sollen die Nld-der und Ihr Nebenlauf, der Hillersbach, ausge­nutzt werden. Die Nidder, der bedeutendste Neben­bach der Nidda, die bei Höchst in den Main fließt, entspringt am SUdabhang der höchsten Gipfel des Vogelsberges, des Tauf­steins und Hohetods* kotrfes (etwa 770 m Über N. N.) etwa auf der Höhe 650 m über N. N., durch­fließt in südwesthcher I^lchtung den südöstlichen Teil der Provinz Ober­hessen und mündet bei Rendel an der hessisch-preußischen Grenze in die Nldda. Auch der Hülera-

Draufsicht.

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L o r e n z , Das Nidderkraftwerk bei Ußberg in O-berhessen. 36

Abb- 3. Staumauer bei Hirzenhain iiach der Fertigstellung.

bach entspringt am Fuße -derselben Hohen westlich von dem Ni'dderursprurig und fließt unterhalb Ußberg in die Nidder (Abb. 1). Die Gesamtlänge der Nidder beträgt rd. 60 km, das Gesamtgefällc rd. 550 m, das Gesamtniedersctilagsgebict rd. 430 qkm. Durch das neiicrbaute Kraftwerk werden ausgenutzt rd. 3 km Länge mit rd. 65 m Gefälle bei insgesamt rd, 8ü qkm Einzugsgebiet, wovon rd. 60 Qkm auf düc Nidder und rd. 20 qkm auf den Hiliersbach fallen. Die Abflußmengeu der Jahre 1907^1909 sind aus den graphischen Tabellen (Tafel 1 Abb. 2) ersichtlich. Aus den Jahresniederschlägen (Tafel I Abb. 3 u. 4) ist zu ersehen, daß auch das Mittel der Jalire 1907—1909 dem allgemeinen Jahresmittel entspricht, so daß aus den Abflußmengen dieser Jahre auf die richtige mittlere zur Verfügung stehende Wassermenge geschlossen werden kann. Aus diesen ge­messenen Mengen konnte der dargestellte Jahreswasscrhaushalt (Tafel 1 Abb. 2) ermittelt werden, auf den das Werk dimensionieri wurde. Das Ergebnis war der Ausbau für eine Höchstleistung von rd. 3000 Sekundenliter oder 2000 PS mit zwei Maschinensätzen von

je 1000 PS. Bei den gemessenen Wassermengen küimen dann bei voller Ausnutzung jährlich rd. 5 Millionen Kilowattstunden erzeugt werden,

Ks wurden hierzu folgende technischen Einrichtungen getroffen; Die Nidder ist unmittelbar unterhalb Hllrzenhain gefaßt durch

eine 82,50 m lange feste Wehrmauer (Abb. 2 u. 3), deren Ueberfallkrone auf 233,50 m über NN., die Flügclkrone auf 234,50 m über NN. liegt. Die Bachsohle liegt an dieser Stelle auf 228.00 m über NN. Däe Mauer ist treppenartig auf festgelagerte 13asaltblocke, die von Natur untereinander fest verkittet sind, gegründet (tiefste Fundamentsohle: 226,60 m über NN.) und aus Rasaltbrnchsteinen (die aus der Baugrube selbst und einem in der Nähe am Südabhang des „Höchst" an der Straße von Hirzenhain nach Ußberg besonders für den Bau an­gelegten Steinbruch gewonnen wurden), in Traßkaikzeinentmörtel aufgemauert, die Fugen sorgfältig gefugt und steinsichtig bestochen. (Mürtelmischung — aus Erfahrungswerten von älteren Talsperren­bauten — im Kern: I Zement, 3 Kalk, 5 Traß, 12 Sand; außen:

Abb. 4 Staumauer im Hillersbachtal nach der Fertigstellung, links StoUeneingang.

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36 L o r e n z , Das Nidderkraftwerk bei Lißberg in Oberhessen.

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' ' ' ' Abb, 5. Staumauer im Hillersbachtal.

Schnitt durch Entleerung und Absturzbüden.

f* 7CSCmm ^1

Abb. 6. WerkkanaL

D = 1600 mm Länge ~ 93Ö m Sohlengefäile = 1; 1000 Querschnitt = 3,01 qm Benetzter Umfang ^ 5,02 m Höchste Wassermenge: Wasserges chwi n d ig-

ke i t ^ Wasserspiegelgelälle

bei 1390 l/sek = 1 : 42«4 D = 1800 mm

Länge Sohlengefälle Querschnitt Benetzter Umfang Höchste Wassermenge =: 30001/sck Wassergeschwindigkeit

:^ L1782 m/sek Wasserspiegelgefälle

bei 3000 l/sek = 1:1724

1390 l/sek

-OM m/sek

2200 m l:1000 2,545 qm 5,65f) m

Langenschnitt.

K ;:''- -- ^>f '^o,jJf^qjj]^...o,^-

1 Zement, I Kalk, 2 Traß, 7 Sund, Traß aus dem Nettetal, Sand aus Kahl am MainJ Der Ucberfall für die Abführung nicht verwend­barer Hochwasser wurde 20 m breit, 1,0 m hoch angelegt für rd. 45 cbm/sek = rd. 750 l/sek/qkm. Inzwischen Ist sogar ein noch Kroßeres Hochwasser abgeflossen, das auch einige Zentimeter die l^lügel überströmte, ohine jedoch ernstlichen Schaden an der Mauer und dem Vorland zu verursachen. Unterhalb des Ueberfalls wurde ein ^turzbett (Sohle 227,50 m über NN.) mit Schwelle (auf 228,00 in über NN.) und durcfj diicsc ein Wüsserpolster angeordnet. Der durch diese Sperrmauer gebildete Stauweiher hat einen nutzbaren Raum \{m 34 500 cbm über Kntnuhmescheitcl und dient nur als Tagesausgleich. Die Höhenla'Ke war bedingt durch die Ortslage von Hirzcnhain, den Bahnhof usw. Als Leerlauf ist ein Rohr vtm 1,00 ni Durchmesser eingebaut (Sohle 228,10 m über NN.), das n das Sturz­bett führt und mit einem Normalwasscrleltmigsschieber von Breuer w. Co. mit übersetztem Handkiirbeiantrieb versehen ist, zu bedienen

ei

von Leer und Leer bett kann

Querschnitt. Abb. 7. Schacht mit Schlammfang und Ueberlauf.

einer auf Mauerkrone angeordneten' Bühne aus. Unter diesem lauf verbleibt ien kleiner toter Raum (Sumpf) als Oerollfang Fischreserv«, der jedoch im Bedarfsfalle durch einen kleinen lauf von 200 m/m Durchmesser (Sohle 326,65) unter das Sturz-hindurch in das Unterwasser des Bachbettes entleert werden . Die Entnahmeöffnung ist 1,80/1,80 m groß quadratisch in Beton

Länge

Sohlengetälle

Querschnitt

Benetzter Umfang

Höchste Wassermenge

Wassergeschwindigkeit

ß SÖ 7Ü0cm I I ' I I I ' I I • '

= 701 ni

= 1 : 3044

^ 2,044.qm

= 5,206 m

= 1610 l/sek

= 0,786 m/sek

Wasserspiegelgef^Ue bei 1610 l/sek = 1 : 3186

Abb. 8. StöUenprofil in Bruchsteinmauerwerk und in Eisenbeton

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Zeitschrift für Bauwesen 1925, 4. bis 6. Heft (Ingenieurbauteil). Tafel a.

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L o r e n z . Das Niddcrkrjftwerk bei Lißberg in Oberhessen. 37

Abb. 9. Verbindungsbauwerk von Stollen und Wcrkkanal, Grundriß und Schnitt.

0.7

'i.. OJ Abb. 10. Wasserschloß

Querschnitt.

Abb. IL Wasserschloß.

durch die Mauer geführt (Sohle: 230,00 m über NN), und absperrbar durch einen quadratischen Spindelschiebcr der Michelbacher Hütte, der mit übersetztem Kurbel­antrieb von der Mauerkrone aus zu bedienen ist. Die auadratische üeffnung geht konisch über zw einem Kreis von L60 m Durchmesser, dem Querschnitt des an­schließenden Werkkanais. Vor der Entnahmeöffnunu ist ein Rechen angeordnet und vor diesem ein zweiter Rechen, verbunden mit einer Tauchwand, Auf gleicher Höhe (Ucberlauf: 323,50 m über NN., FlÜKelmauern: 2,W,10 m über NN.) wurde im Hillersbachtal eine ähn­liche Mauer von 108,50 m Länge in gleicher Ausführung errichtet (Abb. 4 u. 5). Der Leerlauf Ist nur 60 cm weit (Sohle: 227,60 m über NN.). Der Teich hat rd. 80 000 cbm nutzbaren Inhalt über der Entnahme. (Dachsohle; 227,40 m, Sturzbett: 326,55 m, Entnahmesohle: 239,10 m, tiefste Fundamentsohle: 225,00 m über NN., Ueberlauf: 20,00 m breit, 60 cm hoch, für rund 1 cbm/sek/qkm.) Die Steine wurden ebenfalls aus der Baugrube selbst und einem gleichfalls für den Bau neu angelegten Stein­bruch mit Bremsbergtransport am Nordabhang des „Höchst" im „Schcerwald" gewonnen. Die Entnahme nach dem Stollen liegt seitlich der Mauer zwischen besonderen Flügelmauern und ist im übrigen ausgestattet wie die Entnahme an der Niddcrmauer. Beide Stau­weiher fassen zusammen also rund 114 5CK) cbm nutz­baren Staurauni.

Von der Niddermaucr ab führt der W e r k k a n a l am Berghaug entlang talabwärts (Tafel 2). Gewähli wurde ein g e s c h l o s s e n e r , frostfrei gedeckter Kreiskanal als D r u c k l e i t u n g (Abb. 6). Der Hang ist größtenteils so steil, daß ein offener Kanal in da* Gelände kaum hätte eingeschnitten werden können. Sohle und Wände in klüftigem Fels hätten umfangreiche und teure Dichtungsarbeiten erfordert. Da das Werk als Spitzenwerk laufen soll, wären bei offenem Kana! besondere fernbedienbare Absteilvorrichtungen au den Wehren und im Wasserschloß nötig geworden. Die Gefahr des Einfrierens während der Zeit des Stillstandes wäre zu groß gewesen. Der Laubfall im Wald hätte zu unangenehmen Störungen geführt und dauernde Ucberwachung und Warfung erfordert, zmnal der Kanal auf seiner ganzen Strecke durch Wald führt. Auch wären steilenweise Einfriedigungen nötig geworden. Auch un­befugte mutwillige Eingriffe usw. waren bei der unmittel-

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38 L o r e n z , Das Nitltierkraftwerk bei Lißberg in Oberhessen.

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Lärgsschnitt,

Grundriß des Erdgeschosses.

baren Nähe der Straße zu befürchten. Auf Grund <ler bei anderen Werken mit offenen Werkkanälen gemachten unangenehmen Erfahrungen entschied man sich für einen gcschiossenen, gedeckten Dmck-kanal. Es ist deshalb außerhalb <les Maschinen­hauses für den gewöhnlichen Betrieb keinerlei Be-deinung nötig, Störungen können kaum eintreten. Der Betrieb ist jederzeit sofort ohne Wasserverlust nur durch Bedienung der Turbinen an- und abstell­bar. Bei den geringen Materialmengen, die ein Eisenbetonkreisprofil erfordert, dürften die Kosten des geschlossenen Kanals die Kosten eines oifenen Kanals kaum erreichen. Die seither bekundete Vor­liebe für offene Werkkanäle, offenbar auf der An­nahme beruhend, daß die Baukosten unter den Kosten geschlossener Kanäle bleiben, wird sicher aulgegeben werden, wenn die bedeutenden Vorteile geschlossener Kanüle (selbstverständlich nur bis zu gewissen Grenzen und Größen) in Anlage und besonders im Betrieb richtig gewürdigt werden. Während des inzwischen aufgenommenen Betriebes ist bereits die Wahl geschlossener Kanäle besonders angenehm und vorteilhaft empfunden worden.

Von der Niddermauer ab ist der Werkkanal mit 1,60 m Weite ausgeführt mit 10 cm starken Wan­dungen und einer Ringarmierung, die dem jeweils an der betreifenden Stelle auftretenden höchsten Innendruck entspricht, von f* ™ 8 X 8 m/m lfd. m bis h = 10 X 8 ro/ra lfd. m (Abb. 6). ßs war eine doppelte Ringarmierutig von höchstens 15 cm Ab-

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L o r e n z , Das Nidderkraftwerk bei Lißberg in Oberhessen. 3»

Abb. 13. Maschinenhaus mit Wohnhaus.

stand vorgesehen, die den gunzcn Zug aufnehmen Süiiie, Der nur lU cm starke Beton soll nur als wasserdichte Ueber-trag^ung von Ring zu Ring dienen. Während der Ansiührung setzte die Eisenkrisis ein, so daÜ die Moniereisen verwendet werden mußten, wie sie gerade erhältlich waren. Die Ausführung mußte daher zum größten Teil mit nur einem Ring mit dem (jcsamteisen-qucrscluiift erfolgen, der aber im Scheitel üi zwei Zonen verlegt wurde. Auf der Baustelle entwickelten sich zwei Arten der Aus­führung: in Einzelringen und in Spiralen. Letztere Art erspart etwas T^isciigewicht. Der SpÜtt für Fielon wurde in obengenanntem Stein­bruch an der Straße ffirzenhaln—Lißbcrg masehinell hergestelU. Für r^evisionszweckc sind in den Kanal einige Eiinsteigschäclite (Abb. 7) eingebaut, die mit Doppeldeckehi wasserdicht gegen Inncudruck ab­geschlossen sind. Die Scliaclitrahmcu sind gegen Innendruck mit zwei entsprechend starken, in den Kanalwändcn einbetonierten Lisen-ringen verankert. Die Innenwände des Kanals sind mit geglättetem Zementverputz versehen.

Von dem Hillersbachstauweilier ab führt ein Stollen durch den Bergrücken, das „Höchst", an seiner engsten Stelle bis zu vor­benanntem Kanal, in Maulprofil von 2 gm Onerscluiift (Abb. 8). Der Stollen wurde von zwei Seiten in gerader Linie bergmännisch durcli das Gebirge getrieben. Der Durchbruch erfolgte sowohl in Lage

als auch in Höhe genau au der vorgesehenen Stelic. Ks wurden die verschiedensten Bodenarten angetroffen: Lelim, Lüß und (jeröll an den Abhängen, im Innern: Basalttuff, Lava, Asche bis zu frischem Basaltfcis in großen verkitteten Blöcken mit horizontalen und ver­tikalen Spalten. Die verschiedenen Qesteimj arten machten ein nur langsames Vordringen möglich, da jede ücbirgsart eine etwas andere Arbeitsweise und neues Einarbeiten erforderte. Die größte Tages­leistung in drei Sclh'chten war 2 X 3,5 ni Vortrieb. Stellenweise, so hl Löß, Ueröll und Asche, war enge Verzimmerung nötig. Im stand­festen Fels war solche überflüssig. Wo sich der Boden mit Hack-werkzcngen nicht mehr lösen ließ, wurde zum Bohrbetrieb über-.gegangen mit Preßluftbohrhämmern, z. T. kleineren Handhämmern, z. T. größeren Hämmern an eingespannten Säulen. Vor Ort wurden etwa sechs Bohrlöcher angesetzt. Bei größerem Vortrieb mußte besondere künstliche Ventilation eingerichtet werden. Der Stollen ist an beiden Enden auf kürzere Strecken 15 cm stark in Eisenbeton ausgekleidet, sonst jedoch nnt Basaltbruchsteinen ausgemauert und mit Rabitzzementpufz versehen. Das Vcrblndungsbauwerk (Abb. 9) zwischen Stollen und Kanal im Niddertal ist für einen Abschluß des Stollens mit DamTnbalken eingerichtet, so daß unter Umständen der Stollen außer Betrieb gesetzt werden kann. Dit beiden Stauwcihcr im Niddertal und im Hillersbaciitai stehen also in Verbindung, sie

Abb. 14. Turbine, Regler und Dynamo, Schalttafel.

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40 L o r e n z , Das Nidderkraftwerk bei LißberE in Oberiiessen.

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Wasscr-schloli . . .

Maschinen­haus , . , ,

Abb. 1. Unterwasseranlagen.

kommunizieren. Bei l^etriebsstillstand füllen sich beide aiii gleiche Höiie auf. Da die Nidder aber mehr Wasser führt als der Hillers-bach, füllt sich der größere Mi'llersbachwclhcr aucli rückwärts durch den Stollen mit Nidderwasscr. Während des Betriebs (Spitze) fließen beide Staiivveiher Kleichmäßis; ab nach dem Verbin-dimffsbauwerk. Der Stollen hat also zwei FlicßricIitiinKen. Beide Statnvcilicr können ;d.S() als e i n Weiher betrachtet werden mit l l4 5Ü0cbm Fassung. Vom Verbindungsbauwcrk ah bis zum Wasserschloß führt der Kisen-bctonwerkkanal mit 1.80 ni 0 weiter In der Ansführung wie der eben geschilderte 1,60 m weite Kanal. Die Armiennig beträgt von fe 8 • 10 mm 0 lfd. m - 6,28 qctn bis fe 12 • lü mm (j) /lfd. m = 9,42 qcm je nach Inncndruek an der betreffenden Stelle. An einer Stelle mußte eine dükerartige Verticftnig eingeschaltet werden, da bei d'eni Steilen Talhang die Linienführung nicht anders möglich war. Da­durch waren eine etwas stärkere Armierung, ci'ne Tlntleernng und zwei Entlüftungen bedingt.

Der Werkkanal nuindet in das Wasserschloß, das ebenfalls als giinzlich geschlossener Turm ausgebildet wurde (Abb. 10 u. II). Keinerlei Kegulierschiitz. kein Ucberfall, kein'vlel Bedienung während des r^etriebs ist nötig. Die Dimensionen wnrden nach den Theorien von Thoma und Pracil bestimmt. F,s ergaben sieh bei einem I')nrch-messcr von 10 rn annelimbare Höhenverhältnisse. Das Wasserschloß selbst ist nur ein Turm mit Notüberlauföffnimgen über der Möhc der errechneten Wasserstöße für den Fall etwa vorkommender Lufistöße. Das Wasserschloß ist, dem Beispiel mehrerer anderer Werko folgend. mit Uebcrlcgung überdacht gegen Laubiall und gegen nnitwillige Kingriffe usw. Die Fi'nmündmig des Kanals liegt mit Sohle auf 226,66 m über NN.; Wassersp'iegel in Ruhe: 23.3,50 bei bis zum Uebcrlaiif vollem Staubecken: Betriebs Wasserspiegel bei Höchst­leistung und vollem Staubecken auf 2.12,00 m; errechneter höchster Stoß auf 2, 7 m. In einem Schacht vor dem Wasserschloß ist noch ein kleiner Sandfang und eine kleine Entlüftungslcitung angeordnet. Der ATigang im Wasserschloß ist tief unter den Wasserspiegel in Ruhe und den Betriebswasscrspiegel gelegt, um Saugtrichterbildung mid stimit Einsaugen von Luft in die Triebrohrleitung zu vermeiden. Vor dem Abgang ist ein frechen und ein kleiner Sumpf angeordnet, wenn auch angenommen werd<;n kann, daß bis dorthin kaum noch störende Stoffe gelangen. Zwischen Wasserschloß und Rohrbahn ist ein Apparateschacht eingeschaltet, der wegen Frostsicherheit unter der Erde liegt. Er nimmt die Drosselklappe mit Antriebsmotor auf. Der Antricbsmotnr kann vom Muschincnliaus ^ns für das Schließen der Klappe durch elektrische Fernschaltu)ig in Bctriieb gesetzr werden. Das Oeffnen der Klappe nniß und soll von fland geschehen. womit eine Zwangsrevisicni verbunden ist. An Stelle von Bc- und Entlüftungsventil ist unterhalb der Drosselklappe auf der Triebrohr­

leitung im Apparateschacht ein Ent- und BeUittungsrohr aufgesetzt, das im Wasserschloß hochgeführt rst biis über den höchsten Stoß. Das W^asserschloß, auf der Nase dos die beiden Täler trennenden Rückens weithin Im Niddertal sichtbar, ist In Eisenbeton ausgeführt, die Ringarmierung höhenzonenwcise gerechnet, je nach dem auf­tretenden Wasserdruck. Di'C Außenflächen .sind in Miischelkalk-vorsatzbeton ausgeführt und stelmnetzartig bearbeitet.

Vom Wasserschloß führt die eiserne Triebrohrleitung zum Maschinenhaus im Niddertal. Auch hier entschloß man sich zu einer verdeckt liegenden Leitung. Die ürundstückc können •w-eiterhJn landwirtschaftlich genutzt werden. Ihr Erwerb war nicht nötig. Brücken für Straßen und Wege sind nicht nötig. Ausdehnnngs-vorrichtimgen fallen fort, desgleichen empfindliche Befestigungsteile an Flanschen usw. Folge dieses Entschlusses war die Verwendung von Muffenrohren. Es wurden die bekannten Mannesmann-Doppel-bördelmuffenrohrc mit 9 mm Wandung, von 1,20 m (P, innen und außen asphaltiert und außen nmjutct. verlegt. Im Ornndriß ist die Linien­führung eine ücrade, im Aufriß eine nach der üeländegestaltmig mehrfach gebrochene Linie. An den Knickpimkten sind besondere Rohrkniestückc mit aufgezogenen Ringen angeordnet, die in Bcton-klötzc einbeinniert sind, zur Aufnahme der Schubkräfte.

Tm Krafthaus (Abb. 12, 1- , 14) gehen diese Rohre über in das schmiedeeiserne Vertcilrohr, das für zwei MasclünerLsäfze zwei senk­recht nach oben abgehende Stutzen trägt, die durch die Decke nach den Turbinen gehen, vor die je ein Absperrschieber horizontal über den Abzweigstutzen unter der Decke vorgeschaltet iist.

Das Kraftbaus, in der Längsachse parallel zur Triebrohrlcitiing gestellt, so daß möglichst wenig Richfungsänderungcn für den W'asscrzufluß entstehen, umfaßt den Maschinensaal 10/10 m für zwei Maschinensätze, die Schaltanlage in zwei Stockwerken, Bureau und Werkstätte, drei Transformatorenränme im Erdgeschoß, zwei Uebcr-niachtungsräunie für Revisionsbeamte. Berafungszlmmer, Aufenthalts­raum, Lagerraum im Obergeschoß, Leitnngsturm für Zu- und Ab­leitungen mehrerer Linien des Eroileitungsnctzes. Das Maschinen­haus ist ganz aus Beton und Eisenbeton gebaut. I^feller, Gesimse usw. sind in Muschclkalkvorsatzbeton steinmctzartig bearbeitet, die Flächen geputzt. Splitt zum Beton wurde aus dem aufe der Baugrube gewonnenen F^asaltgeröll und fiasaltfels an Ort und Stelle maschinell her.gestellt. Im Maschinenraum sind zwei Francisspiralturbinen von je 1000 PS Leistung und 750 Umdrehungen pro Minute mit Reglern der Firma Voith. Heidenheim an der Hrenz, aufgestellt. Die Regler sind eingerichtet für Drchzahlvcrstellung von Hand am Regler und durch elektrische Uebertragung von der Schalttaiel aus. Die Absperr­schieber mit Umgiangscliiebcr sind h o r i z o n t a l u n t e r dem Maschinenhausbo-den im Unterwasserkanal eingebaut und werden

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L o r e n z , Das Nidderkraftwerk bei Lißberg in Oberhesseti.

rFührungsrof/eff 20mm D.

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Draufsicht.

Abb. 16. Auslaßregulierschleuse im Unterwasserausgleichsteich.

durcti Ueberset^ung^u im Maschinenhaus mät Handkurbeln bedient, wodurch unschöne und die Uöbersicht störende Anorduuntg (lot­rechter Einbau der Schieber und Einragen der Schiebergehäuse mid Spindeln in den Maschinensaal) vermieden werden konnte. Mit den Turbinen direkt gekuppelt jänd Generatoren mit Erregermaschinell für Stromerzeugung von 5000 Volt Drehstrom in' 50 Perioden von riergmann, Berliti, mit I^ämpferwicklung für leichtes Einschlüpfen bei Parallelschaltung mtit dem Dampfkraftwerk Wölfersheim. Die Maschinen arbeiten, was Keglung und Parallelschaltung betrifft, mit lobenswerter Sicherheit und Genauigkeit. Der Strom geht in Kabeln von den Generatoren zur Niederspannungs'seite der Schaltanlage der 5. S. W.-Werke, die mit den modernsten Sicherungseiinrichtungen ver­sehen ist, dann zu den Transformatoren. Für jedes Aggregat ist ein Transformator von KHK) KVA. aufgestellt. Ein dritter Raum ist bestimmt für eine l^eserve oder Erweiterung.

Nach Transformierung von 5000 auf 20 000 Volt geht der StrOm zu der Hochspanniingsschaltanlage und den S a mm el seh jenen im oberen Stock und von da zum Ldtungsturm zur Abgabe ins Frei-Icitungsnetz. Zwischen MaschinensaaJ und Schaltanlage ist die Schalttafel angeordnet, die die üblichen Meßinstrumente trägt, wie Amperemeter, Voltmeter, für Net^ und M^aschinen, Zähler, Kilowatt-anzeiger, Reglstrterapparate, statische Voltmeter, Schalträder für Krregerma'schlnen und Generatoren, FrequenzaTizei^er, Messer für COS. ^ u>SW.

Von den Turbinen fließt das Wasser unter Ausnutzung des Saug­gefälles durch die Saugrohre zum Unterwasserkanal und Unterwasser­ausgleichweiher von rd. 29 600 cbm' Inhalt (Abb. 15). Die unterhalb liegenden MüUer stellten im Konzessionlerung&verfahren di'e Bedin­gung, daß dias Wasser der Nidder ihnen wieder bis zu einer Möchst-menge. von 500 Sekundenliter gleichmäßig zugeführt werden müsse. Das Wasser des Spitzenbetriebs muß also Im Unterwas^eraiiSgleich-wejher gesammelt und von dort wieder gleichmäßig: absegeben werden. Zu diesem Zweck wurde oberhalb des nächsten unterhalb gelegenen Triebwerks (Müiile) ein Damm angeschüttet, der einen Stauraum bildet mit über dem Oberwasser am Fachbaura des Trieb­

werkes 29600 cbm nut?-barem AusgleichwasseTraum. Die Größe war durch die Geländeverhältnisse beschränkt. Aus diesem Ausgleich­weiher darf also bei einem Zufluß der beiden Bäc-he bis zu 500 Se-kundenlitcrn kein Wasser nutzlos überlaufenJ Der Sp'itzenbetrieb muH dementsprechend täglich eingerichtet werden eventuell in zwei Perioden. Bei über 500 Sekundenlitern Zufluß kann' die Wasser­menge, die für die gleichmäßige Verteilung der 500 Sekundenliter nicht nötig ist, über den Ueberfall des Unterwasserausgleichweihers abfließen. Für die Abgabe an di'e Untermüller ist eine Reguliier-schleusc (Abb. 16) eingebaut, die mit Schwimmer eine Schützöffnung reguliert, damit bei jedem Wasserstand des Unterwasserausgleich-weihers annähernd dilesel-be W^assermenge gleichmäßig ab­gegeben wird.

Beim Maschinenhaus wurde am Talhang für drei Maschinisten ein Wohnhaus m'it Stallungen errichtet.

Der Bau wurde am 28. Januar 1921 zu 10 Millionen Oesamt-kosten veranschlagt (dem damaligen Dollarstand entsprechend gleich 735 294 Goldmark), eine Summe, der di>e Vergebung auch entspraclf. Die Ausführung erforderte jedoch durch dfe sich ständlig überholende, ja überstürzeivde Geldentwertung erlieblich (zahlenmäßig) höhere Mittel, deren Goldmark wert jedoch nicht zuverlässig berechnet werden kann.

Zur Auistellung des Plaiies entschloß sich die Provinz am IL No­vember 1920. Am 28. Januar 1921 faßte der Provinzralausschnß au! Grund eines Entwurfs den Beschluß, dem Provinzlaltag den Vor­schlag zu unterbreiten, das geplante Werk zu bauen. Ami 19, Februar 1921 beschloß der Provimzialtag die Bauausführung. Der erste Spatenstich geschah am 16. März 1921 mit Beginn der Bodenunter-suchiuigen und den unmittelbar sich anschließenden und stets weiter fortgeführten Erdarbeiten zum Aushub der Baugruben für die Stau­mauern, das Wasserschloß, den Werkkanal und den Unterwasser­graben. Die Hauptarbeiten für die Staumauern, das Wasserschloß, den Werkkanal und den Stollen wurden nach Fertigung dier Bfaupläne am 15. Juni 1921 zur Vergebung ausg^schrüeben, worauf am 23. Juli 1921 der Provinzialausschiuß Zuschlag erteilte. Lieferung und Ver-

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4ä S t r u c k m a i i n , Neubau der 3. Schleuse Münster i. W.

le^ng der Triebrohrleitung, die Bauarbeiten am Maschinen haus und Wohnbaus» die Lieferung der Maschinen und d-er Schailtanlage wur­den später vergeben. Am 16. Juni 1923 konnte das Werk in An­wesenheit der Minister, der Behörden, der Vertreter der Provinzial-körperschaften, Unterneiimer und Arbeiter feüerlich in Betrieb genommen werden. Die Planung in allen Eintzelheiten und die Bau­ausführung erfolgte im wasserbautechnischen Teil durch das Hessische Kuiturbauianit Friedberg unter dem damaligen Vorstand, jetzigen Fachreferenten im Hessischen Ministerium für Arbeit und Wirtschaft, Abteilung für Krnährung und Landwirtschaft, Oberbaurat Heyl und in Nachfolge seh aft unter dem derzeitigen Vorstand des Kulturbauamts Darmstadt, Oberbaiurat Hauck, sodann dem der­zeitigen Vorstand des Kulturbauamts Friedberg, Resierungsbaurat Lorenz, die sämtlich schon von Anbeginn d«r Entwurfsaufsteliung mit- bzw. zusammenarbeiteten. Für die archiitektoniSche Aus­gestaltung von Wiasserscliloß, Maschiinenhaus und Wohnhaus gab Regierungsbaurat Metzger von der damaligen staatlichen hessischen Baustoffbeschaffungs- und Beratungsstelle die Richtlinien, denen die außerordentlich glückliche Wirkung der Hochbauten zu verdanken ist. Der elektrische Teil wurde bearbeitet durch die Direktion des Uebcrlandwerkes der Provinz Oberhessen unter Leitung des Herrn Direktors v. Stadler.

Sämtliche Erdarbei^ten wurden von einheimischen Unternehmern der nächsten UmgebunK ausgeführt. Die Staumauer im Nidd-ertal w irde der Firma Theador Morschel in Friedberg übertragen. Die Hauptbauarbeiten, wie Statimauer im Hiiler&bachtal, Stollen (Aus­bruch und Ausbau), Eisenbetonwcrkkanal, Eisenbetonwasserschloß, Eisenbetonmaschincnhaiis, übernahm die Firma Hessische Baugesell-schaft in Kassel. Mit Lieferung und Verlegung der Triebrohrleitung wurde die Firma Fuendeling u. Rüster hi Friedberg beauftragt.

Maurer-, Weißbioder-, Spengler-, SchJos&er-, Dacihdeeker-, Zimmer­mann-, Schrein-er-, CHaser-, Wegbauarbeiltien usw. wurdien an kleinere einheimisch« Untemehtner d-er Umgeg«nd vergeben.

Die Baustellen wurden zum Betrieb der Bauanaschintn (MSsch-maschtnen, Steinklopfer, Kompressoren, Aufzüffe usw.) und iür Be­leuchtung aus dem Netz des Uebcrlandwerkes mjrt besonderen Bau­stromleitungen aus zwei Interimstransformatorenstiationen nnit Strom versehen.

Für entzogenes Privatgelände wurde mit dtr Unterstütsümg des Staates ujid der Stamdesherrsoharften Ersatzgelände aus DomanSal-eigentum zugewiesen, so daß EnteignuJigen nicht nötig wurden. Wässer- und Fischereirechte wurden abgelöst durch Einigung auf Qut-achten unparteiischer Sachverständiger» Bei den Bauarbeiten waren durchschnittlich 300 bis 400 Anbeiter ibeschäftifft.

Der in dem Werk erzeugte elektrische Strom wiird geläefeit in das bestehende Netz des Ueherland'werks der Provinz Oberhes&eii. Bisher war die alleinige KraftqueMe dias eämfanes genannte Elektri­zitätswerk des hessischen Staates auf Braunkohiiengrube Wölfers-heim, in dem die aus den Braun kohl enield'exn unter Tag© g-ewonntene Rohbraunkohle verfeuert w ürd, Turbodynamos Cl zu 2000 PS gleich 1500 kw, 1 zu 3500 PS - 2500 kw und 2 zu 7000 PS = 5000 kw) liefern Drehstrom von 5000 Volt in dit nähere Umgebung und über Transformatoren (2 zu 1200 KVA, 1 zu 1500 KAY, 2 zu 2500 ICVA) mit 20 000 Volt Spanming in die weitere Umg-e-biing: In einer Menge von rd. 15 Millionen Kwh. im Jahr. Bitie Erweiterung mit edmer 60 000-Volt-Anlage ist geplant. Außer d&m beschriebenen Niidder-wasserkraftwerk sind einige kleinere Nied-erdruckwiasserkraitwerke angeschlossen. Unter Umständen werden bei Bedarf noch eFOige Wasserkräfte ausgebaut, soweit Wirtschaftlichkeit sichersteht.

Neubau der 3. Schleuse Münster i. W. Vom Regierungsbaurat Struckmann, Münster i. W. AUe Rechte vorbchaUtn.

1. Baubedürfnis. Infolge ungleichmäßiger Verkehrsabwicklung sowie durch Ver­

wendung ungeeigneter Paihrzeuge ergab sich gegen Ende des Krieges, daß die bisherige Schleuscnanlage Münster den Verkehr nicht mehr glatt bewältigen konnte. Im Jahre 1918 mußten die Scliicppzüge häufig stundenl'ang auf die Durchschleusung w^arten. Nach Beendi­gung des Krieges ergab sich zwar vorübergehend ein starker Rück­gang des Verkehrs, der insbesondere nach der erfolgten Besetzung und Absperrung des Ruhrgebietes fast bis auf Null herabsank, mit dem Wiederaufleben des Wirtschaftslebens ist jedoch wieder eine starke Belebung des Verkehrs eingetreten.

Zu beacliten ist auch, daß der Dortmund-Erns-Kanal dae einzige Wasserstraßenverbindung vom IndustricEebiet nach den Emshäfen imd nach dem Ems-Hannover-Kanial bildet, und daß sämtliche Schiffe, die nach dieser Rtichtung verkclircn, den Engpaß der Schleusenaniage Münster durchfahren müssen. Nach Fortsetzung des Elns-Hannover-Katials bis zur iElbe ist eine weitere Verkehrssteigerunig und darndt eine wesentlich stärkere Inanspruchnahme der Schleusenanlage Münster mit Sicherheit zu erwiarten.

Die Verbindung nnit den Strömen Weser und Elbe wird aber nicht nur eine Belebung des Verkehrs an sich, sondern auch eine Ver-größerung der Schiffe rnit .sich bringen. Naoh Einführung des soge­nannten „FJuß-Kanal-Schiffes'' von 1000 t Traigfähigkeit muO mit Schiffsbreilten bis zu 10,5 m gerechnet werden. Da die vorhandene 1. bzw. 2. Schleuse nur eine lichte Weite von 8,5 bzw. 10,0 m hat, würden dije breiten Phiß-Kanalschiffe die Schleusenanlage überhaupt nicht durchfahren können. Schließlich ist noch zu erwähnen, daß die

Unregelmäßigkeiit des Ueberseeverkehrs, hervorgerufen durch die Ems- und Weser-Seehäfen, auch in Zukunft Verkehrsan&tauungen vor der Schleusenaiilage Münster erwarten läßt, zu deren Bewälti­gung die vorhardene 1. und 2. Schleuse nicht ausreichen'.

Aus den genannten Grlindien ist die Erweiterung d-er vorhan­denen Schleusenanlage um die 3. Schleuse Münster erforderlich ge­worden. Der Bau der 3. Schleuse ermöglichte es außerdem, Erwerbs­lose in größerer Zahl z.u beschäftigen, weshalb schon Anfang des .lahres 1919 mit dem Aushub der Schleu&enbawgrube begonnen' wurde.

2. Hauptabmessungen der Schleuse. Die 3. Schleuse Münster hat die Regelabmessungen für dne drei-

schlffige Schleuse erhalten (Abb. 1). Sit besitzt eine nutzbare Länge von 225 m und eine lichte Weite von 12 m. Die Wassertiefe beträgt in der Mitte der Kammer 3 m und an den Seiten 2,5 m unter gewöhti-lichem Wasserstande. Das Gefälle der Schleuse beträgt 6,20 m.

3. Leistunssfählgkelt der 3, Schleuse. Für Tag- und Nachtbetrieb kann- mit 12 DoimeiSchleusungen (je

eine Berg- und Talschleusung) gerechnet werden, wobei 8 Doppel-schlcusungen auf den Tag und 4 Doppel Schleusungen auf die Nacht entfallen. Der Regel - Schleppzug besteht aus drei 750-1-Schiffen. Nach den bisherigen Erfahrungen k'ann die mittlere Ladting eines Schiffes zu 500 t in jeder Richtung angenommen werden. Die Un­regelmäßigkeit des Uebersee-Verkehrs sowie andere Ursachen lassen jedoch eine vollkommen gSeichmäßige Abwicklung des Verkehrs im ganzen Jahre nicht zu. Unter mittleren Verhältnissen wird man nur

Abb. L Lageplan der Schleusenanlage bei Münster i. W.