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2/00 Die Kurden von Kurdistan D A S T E P P I C H M A G A Z I N

DAS TEPPICHMAGAZIN · 2011. 12. 14. · Endfertigung der Teppiche vornah-men, sie stutzten und schrubbten, kontrollierten und ausbesserten. Sie alle hatte ich, auf meiner Reise mit

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  • 2/00 Die Kurden von Kurdistan

    D A S T E P P I C H M A G A Z I N

  • 2

    E D I T O R I A L

    Viele unserer Zeitgenossen geniessen eine beneidenswerte materielle

    Situation. Sie reisen im Urlaub nach Barbados oder den Seychellen

    und fahren einen schnittigen Jaguar oder Ferrari. Sie bewohnen eine ultra-

    moderne Wohnung mit kahlen Mauern und nackten Böden und besitzen

    mehrere Design-Möbelstücke. Ein schönes und teures Gemälde eines

    bekannten Meisters, gepaart mit einer modernen oder antiken Skulptur,

    bringt eine persönliche Note. Ihr wichtigstes Prinzip: Die Räume nicht

    überladen.

    Der Orientteppich, so schön er wäre, hat keinen Platz mehr in diesem

    freigelegten und beinahe klösterlichen Inneren. Dies ist sehr schade.

    Der Orientteppich ist dem volkstümlichen und dem traditionellen Kunst-

    handwerk gleichzusetzen. Ein altes Stück in gutem Zustand ist so schön

    und selten wie ein altes Gemälde. Der dekorative Wert ist gleichbedeutend,

    und Fälschungen sind eher selten, was bei Gemälden nicht behauptet

    werden kann.

    Die Kunst des Orientteppichs hat durch die Jahrhunderte Höhen und Tiefen

    kennen gelernt. Unter dem Impuls von englischen und amerikanischen

    Firmen, die in Persien ansässig waren, entwickelte sich die Produktion von

    1885 bis 1930 stetig. Dank iranischen Kaufleuten ist dieser Aufschwung

    nach dem Zweiten Weltkrieg bis gegen 1985 weitergegangen.

    Hoffen wir, dass die gegenwärtige junge Generation wohnlichere Innenräume

    suchen und den Geschmack für diese wunderbare Kunst wieder finden

    werde, die ihre Vorgänger so fasziniert hat.

    Jacques Gans

    Sind Orientteppiche noch gefragt?

  • t o r b a R E P O R T

    6 Die Kurden von Kurdistan

    2/00 8. Jahrgang

    Eine Publikation der SOV(Schweizerische Orientteppich-händler Vereinigung /Associationsuisse des commerçants en tapis d’orient)

    Herausgeberin: SOVErscheint zweimal jährlich in deutscher und französischer Sprache. Erhältlich in allen SOV-Fachgeschäften oder über die Redaktion im Abonnement.PC Konto 80-28167-7(Fr. 20.– für vier Ausgaben)

    Redaktionsadresse:Postfach 361, 3250 Lysse-mail: [email protected]

    Redaktionsteam:J. Gans, E. Kistler,

    A. König, R. Nicole

    Redaktionelle Beratung und Lektorat:Alice Baumann, Journalistin BR,Bern

    Gestaltung:Oliver Salchli, Biel

    Lithografie:Ruma Foto und Litho AG, Biel

    Druck:Farbendruck Weber AG, Biel

    Autoren und Fotografen dieser Ausgabe:R. Anderegg, J. Gans, E.C. Graf, E. Kistler, A. König, E. Morgen-thaler, R. Nicole, W. Stanzer

    Das Copyright der Texte und Fotos liegt bei den Autoren undFotografen. Der Nachdruck, auchauszugsweise, ist nur mit derenGenehmigung gestattet (Kontaktüber die Redaktion).

    3t o r b a 2/00

    I N H A L T

    Titelbild: Palangan in der Nähe von Kamyaran auf 1600 m; Senneh Kelim, 128 x 196 cm.

    R E P O R T A G E

    R U B R I K E N

    G E G E N S T A N D

    F O K U S

    «torba» bedeutet im Türkischen«Tasche». Im möbellosen Haus-halt der Nomaden enthält sieVorräte und Gebrauchsgegenstän-de; sie wird im Zelt aufgehängtund ist auf der Vorderseite kunst-voll geknüpft oder gewebt.«Die Hand der Fatima», das Signetder SOV, ist ein Schutz- undGlücksymbol mit magischen Kräf-ten: Es soll Böses abwenden undseinem Besitzer Glück bringen.

    15 Der Samowar

    R E P O R T A G E

    4 Gipfelrast auf einem Teppichberg

    22 Orientalische Basare und Märkte: Lira, Rial und Dinar

    14 Werkstatt16 Schaufenster18 Ausstellungen20 Geschichte20 Gericht

    21 Senneh, die Satteldecke

    A R C H I T E K T U R

    19 Der Qanat, eine findige Bewässerungsanlage

    D A S T E P P I C H M A G A Z I N

  • Sechstausend müssten es mit Be-stimmtheit sein, schätzte Edi, wie immer schnell und entschieden. Vier-tausend, schlug der besonnene Giaco-mo vor. Und Urs wählte, wie stets in solchen Situationen, diplomatischden exakten Mittelwert: Fünftausend.Ich fragte nach dem ungefähren Wertder Veranstaltung, und während diedrei Herren schwer ins Rechnen ka-men, sich nicht einig waren, ob sie nunden Einstandspreis oder den Ver-kaufswert nennen sollten und ob ein

    eventueller Mengenrabatt zu berück-sichtigen wäre, erkletterte ich, einemplötzlichen Impuls folgend, dennächststehenden Berg.Schon der Akt des Erklimmens warvon ganz besonderer Qualität. Ich zog die Schuhe aus, hielt mich an denTeppichkanten fest, hangelte michhoch, schwang mich auf das obersteExemplar und liess mich im Schnei-dersitz darauf nieder.Ich habe schon auf einigen Berggip-feln der engeren Heimat gesessen,

    aber noch nie so weich und wohlig:Der dichte Wollflor war mir wie einalpiner Blumenteppich – und wie die-ser leuchtete er in den schönsten Farben. Mit der flachen Hand strichich über diese Wollwiese. Ich glaubtein dieser Berührung etwas zu spürenvon der archaischen Herkunft dieserbäuerlichen Produkte aus der Gegendvon Shiraz im Iran, von weidendenSchafen, spinnenden Nomadenmäd-chen und ihren knüpfenden Mütternvom Stamme der Gaschgais, und von

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    Gipfelrast auf einem TeppichbergDiesen Anblick werde ich nie vergessen.Ich stand in einer riesigen Halle. Spärliches Licht fiel durch ein paar schmale Fenster im Giebel.Ich war umgeben von Bergen. Von Bergen von Teppichen. Nie zuvor in meinem Leben hatte ich so viele Teppiche gesehen.

    R E P O R T A G E

  • den Handwerkern, die in Teheran dieEndfertigung der Teppiche vornah-men, sie stutzten und schrubbten,kontrollierten und ausbesserten. Sie alle hatte ich, auf meiner Reise mitden drei Teppichhändlern aus derSchweiz, bei der Arbeit beobachtenkönnen.

    Zum Gipfelgefühl, das ich in dieserLagerhalle des Teppichmagnaten Go-lamreza Zollanvari verspürte, geselltesich, als ich jetzt die Berggipfel, diemich umgaben, näher ins Auge fasste,ein anderes: Ich wähnte mich plötzlichin einem ganz ungewöhnlichen Museum, in einer Ausstellung zeit-genössischer Kunst, oder mindestensinmitten ihrer Vorbereitung. Denn all diese Tausende von Gabbehs mit ihren abstrakten geometrischenMustern erschienen mir, auch wennich wusste und in den vergangenen Tagen mit eigenen Augen gesehenhatte, dass sie aus einem vorderasiati-schen bäuerlichen Umfeld stammten,

    wie Hervorbringungen der zeitgenös-sischen europäischen Kunst.Der Blick vom Gipfel lässt uns dieDinge oft klarer erkennen. Diese fas-zinierende Verbindung von archai-scher Handarbeit und grafischerÄsthetik, von zeitlosem bäuerlichemKunsthandwerk und modernem Form-gefühl eines mitteleuropäischen Städ-ters – das, erkannte ich plötzlich, wardie Erklärung für das Geheimnis desErfolges, den der Gabbeh in Europaerlebt.Zufrieden kletterte ich, nach dieserGipfelrast auf einem Teppichberg, in die Niederungen des Flachlandeshinunter. Dort waren meine drei Tep-pichhändler nicht untätig geblieben.Edi, der einstige Pfader mit dem Spitz-namen «d’ Chischte», der heute sei-nen Weg durch die Welt mit Hilfe vonComputer und Satellitennavigations-gerät findet, hatte seinen Laptop installiert und seine Bestellungsliste

    auf den Bildschirm geholt, Giacomound Urs hantierten mit Meterbandund Taschenrechner, und alle drei ver-glichen eifrig die bestellten Grössenund Dessins mit den gelieferten, wasnicht ohne Diskussionen und Rekla-mationen abging.Ich war zurück in der Welt von Ein-kauf und Verkauf, von Umsatz undGewinnmarge. Aber immerhin hatteich für einen Moment erlebt, was hin-ter dem Geheimnis Gabbeh steckt.Und seither ist mir klar, weshalb sichdas Sinnbild des fliegenden Teppichsso grosser Beliebtheit erfreut: Auf einem schönen Teppich kann man zueinem veritablen Höhenflug abheben.Wie erst auf einem ganzen Berg vonTeppichen!

    Text: Roger Anderegg, Reporter «SonntagsZeitung»Fotos: E. Morgenthaler

    5t o r b a 2/00

    grafiti ®, 157 x 196 cm.

    Kardende und spinnende junge Frau. Schafherde unterwegs zur Weide.

    Hier werden die Teppiche endgefertigt. Teppichwäscherei.

  • KurdistanDie Kurden von Kurdistan

    6 t o r b a 2/00

    t o r b a R E P O R T

    Wo die Kurden lebenKurdistan ist ein bemerkenswertesDenkmal menschlicher Geschichte undGeografie. Es existiert politisch nicht,ist auf keiner Seite durch natürlichegeografische Gegebenheiten begrenzt.Auf der Landkarte sucht man diesesLand vergebens.Offizielle Statistiken über die Kurdengibt es in keinem der Länder, in denendie Kurden leben. Im Iran werden sieals die «Brüder der Perser» bezeich-

    net, in der Türkei als «Bergtürken», inSyrien als die «arabischen Brüder» undim Irak als «irakische Bürger».Ein geschlossenes Verbreitungsgebietbeginnt im Norden bei Armenien,setzt sich nach Süden über die ostana-tolischen Provinzen der Türkei undüber die Gouvernante West-Azerbeid-jan, Kurdistan, Kermanshah sowie dieirakischen Provinzen Dohuk, Ardebilund Sulaimania fort. Daneben stellendie Kurden einen erheblichen Anteil

    Diesen Sommer bereiste ich mit einigen Freunden Kurdistan und West-Azerbeidjan von Kermanshah bis Khoy. Dabei kamen mir oft die blumigen Zeilen von Karl May in seinem Buch«Durchs wilde Kurdistan» in den Sinn: «Seit Tagen befand ich mich in einem Zustand der Spannung wie seit langem nicht. Es gibt kein Land der Erde,das so zahlreiche Rätsel birgt wie der Boden, den die Hufemeines Pferdes berührten. Es ist eine Landschaft, in der Völkerhass, wilder Fanatismus und die Geissel der BlutracheLegionen von Opfern gefordert haben.»

    Aufstieg zum Yayla in der Nähe von Anbi.

  • der Bevölkerung in den Gebieten imSindschar und Mossul im Norden so-wie um Kirku weiter im Süden Iraks.Als Splittergruppen verstreut lebenKurden in grösserer Anzahl in mehre-ren zentralanatolischen Provinzen derTürkei, in Iran in den ProvinzenChorasans (Torba 1/99), Fars und Kirman, in den nordöstlichen TeilenSyriens sowie im nördlichen Libanon.Die als Kurdistan bekannte westlicheProvinz Irans umfasst also nur einenTeil des geografischen Kurdistan undschliesst nicht einmal die Mehrheitder iranisch-kurdischen Bevölkerungein.Schätzungen von 1993 zufolge bestehtdie kurdische Bevölkerung aus 13 Mil-lionen in der Türkei, 4,5 Millionen im Irak, 6 Millionen in Iran, 1 Millionin Syrien und 1,5 Millionen in Azer-

    beidjan und Armenien, insgesamt also zirka 26 Millionen.Das Hauptsiedlungsgebiet der Kurdenist ein zerklüftetes, kahles Gebirgsland,steppenhaft, öde und menschenleer,dazwischen liegen fruchtbare Tälerund Hochebenen.

    Die Geschichte der KurdenDer Name Kurdistan taucht zum ersten Mal für das Gebiet zwischenAzerbeidjan, Luristan und dem west-lichen Zagros bei den Seldschukenauf, die von der Mitte des 11. bis in dieMitte des 12. Jh. im Iran regierten.In frühen Zeiten wurde das Gebiet von den Sumerern, den Aramäern, den Armeniern und von Griechen besiedelt. Spuren menschlichen Lebens lassensich in diesem Gebiet bis zur jüngeren

    Altsteinzeit zurückverfolgen. In denHöhlen von Schanidar und Hazar-merd im irakischen Teil Kurdistanswurden Menschenskelette des Nean-dertaler-Typus gefunden.Vor neun Jahren entdeckten deutscheund amerikanische Archäologen inHakkari im türkischen Teil Kurdistansein 9000 Jahre altes Dorf, welchesSteinbauten aufwies, die von einementwickelten Gemeinschaftsleben zeu-gen. In diesem Teil Kurdistans lebtenverschiedene Volksgruppen. Die be-kanntesten unter ihnen waren die Ur-artu zwischen dem Van-Sees und demArarat im 12. Jahrtausend v. Chr. Am Ende des 3. Jahrtausends v. Chr.wurde das Gebiet von den Sumerernund den Akkadiern erobert. Der akka-dische König Sargon liess auf einer Tafel festhalten, dass er das Land derQarda erobert habe. Diese Bezeich-nung für Kurdistan wurde somit bereits lange Zeit, bevor ein kurdi-sches Nationalbewusstsein entstand,verwendet.Am Anfang des 2. Jahrtausends v. Chr.geriet das Land zuerst unter babyloni-sche und später unter assyrische Herr-schaft. Als sich die Meder im 8. Jh. v. Chr.von der assyrischen Herrschaft befrei-ten, wurde das Land zu einem Teil desmedischen Reichs. Die Meder undChaldäer eroberten Assyrien, zerstörten

    im Jahre 612 v.Chr. die Haupt-stadt Ninive undteilten das Landunter sich auf.Das medischeReich weitete sichvon Zentral-Iranbis an die GrenzeArmeniens aus.Nach dem Unter-gang des medi-schen Reichs wur-de das Land ein

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    Salztaschen.

    Songor, 134 x 273 cm. Senneh Kelim, 194 x 296 cm.

    Kurdische Nomaden unterwegs.

  • Teil des Achamänidenreichs. Wie ausder Geschichte bekannt ist, wurde der Achamäniden König Darius IIIvon Alexander dem Grossen besiegt,wodurch das ganze Land bis in dieMitte des 3. Jh. v. Chr. unter griechi-scher Herrschaft geriet. Unter Arda-van gewannen aber die Perser ihreSelbständigkeit wieder. Das von Arda-van errichtete Parther-Reich umfassteu.a. auch das kurdische Gebiet von 247 v. Chr. bis 226 n. Chr. Danach besiegte der persische Führer ArdaschirPapakan die Parther und gründete dassassanidische Reich, das bis zur Mittedes 7. Jh. bestand und sich ebenfallsüber Kurdistan erstreckte.Unter den Historikern und Ethnologen,die sich mit der Frage des Ursprungsder Kurden befassen, herrscht dieMeinung vor, dass das heutige LandKurdistan um die Mitte des 1. Jahr-tausends v. Chr. «iranisiert» wurde.Das kurdische Volk soll um diese Zeitaus einer autochthonen Bevölkerungim Norden und Nordosten Mesopo-tamiens, die von den Medern iranisiertwurde, entstanden sein. Am Ende des 12. Jh. spielten die Kur-den unter Saladin, einem Kurden mitSultantitel, eine grosse Rolle, so insbe-sondere bei der Befreiung der Mittel-meerküste von den Kreuzrittern. InPalästina stellte sich Saladin siegreichdem 3. Kreuzzug entgegen, an dem derfranzösische König Philippe Auguste,der englische König Richard Löwen-herz und der deutsche Kaiser FriedrichBarbarossa teilnahmen. In der ent-scheidenden Schlacht von Accra warendie meisten Heeresführer unter SaladinKurden.Nach der Invasion der Mongolen im 13. Jh. zogen sich die Kurden fürlange Zeit in die Berge zurück.In den letzten drei Jahrhunderten derAbbasiden-Herrschaft, welche von 750bis 1258 dauerte, entstanden in

    verschiedenen Teilen des Kalifats kurdische Dynastien. Bis zum Anfang des 16. Jh. lösten sichin diesem Gebiet verschiedene andereDynastien ab, so die Seldschuken von1038 bis 1158, die Mongolen von 1156bis 1336 und die Timuriden von 1370bis 1495.Nach der Errichtung des Safaviden-staates unter dem Schah Ismail im Jahre 1501 entwickelte sich Kurdistanzum Schlachtfeld der dauernden Krie-ge zwischen dem neugegründeten Safavidenstaat im Osten und dem Ottomanischen Reich im Westen, diebeide die Erweiterung ihrer Territorienanstrebten. Nach der Schlacht vonChaldiran im Jahre 1514 wurde Kur-distan in zwei grosse Teile geteilt, wobei der eine Teil dem Osmani-schen-Reich und der andere Teil demSafawiden-Reich einverleibt wurde.Diese Teilung wurde im Vertrag vonKasri-Schirin in der Mitte des 17. Jh.

    verankert. Obwohl sich in Iran mehre-re Dynastien ablösten, so die Afscharenund Kadscharen, blieb die festgelegteGrenzlinie bis zum Ende des ErstenWeltkrieges im Vertrag bestehen.Unter der Herrschaft der Kara-Koyunlu und Ak-Koyunlu im 14. und15. Jh. waren die Kurden von konfes-sionellen Konflikten schwer betroffen.Später haben die Ottomanen in ihrenKriegen gegen den Safawiden denFaktor Religion ausgenutzt.Bis in die Mitte des 19. Jh. herrschtenin Kurdistan zahlreiche Fürsten, wel-che die Oberherrschaft der jeweiligenZentralregierungen anerkannten, aberin ihren inneren Angelegenheitenselbständig waren. Einer der Fürsten,Mohammad Pascha, gründete sogareinen eigenen Staat. Er liess eigenesGeld prägen und hatte offizielle Kon-takte mit dem Ausland. Die letztenFürstentümer waren diejenigen von

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    Nomadin vom Stamm der Milan.

    Bidjar, 152 x 382 cm.

    Bidjar, 143 x 388 cm.

  • Nordwestpersische Kurdenteppiche

    SennehSenneh – heute Sanandadsch – liegtim Herzen von Kurdistan. Die Stadtist berühmt für eine Teppichart besonderer Feinheit, Musterung und Knüpfung. Auf ihrer Rückseitezeigen Senneh-Teppiche – bedingtdurch den einschüssigen Eintrag – ihr typisches punktartiges Knüpf-bild.Man sagt, dass in Sanandadsch die

    Knüpftradition für feine Teppiche bis in die Epoche von Nadir Schah,der 1736 Schah von Persien wurdeund den kleinen Marktflecken zurProvinzhauptstadt machte, zurück-geht. Die Notablen, die sich dort niederliessen, waren unzufrieden mitder traditionellen kurdischen Pro-duktion und bestellten bei den loka-len Handwerkern feinere Stücke. Die Knüpfer behielten diese Traditionbis in unsere Zeit. Dem Teppich-sammler sind aus dem Senneh-Ge-

    biet die besonders edlen und schönenSatteldecken ein Begriff. Der Kelim-kenner schätzt die feinen, mit bogen-förmig eingetragenem Schuss ge-wirkten Gewebe.Die bekanntesten Motive sind dasHerati-Muster, mit oder ohne Medaillon, die grosse Kachmir-Pal-mette und bemerkenswerte Blumen-sträusse französischer Art auf norma-lerweise schwarzem Fond, genanntGul-I-Mirza Ali, die Blume von Mirza Ali.

    t o r b a 2/00 9

    Soran, Banan und Botan im osmani-schen Teil und das Fürstentum Arda-lan im iranischen Teil Kurdistans. Inder zweiten Hälfte des 19. Jh. festigtendie Zentralregierungen in Teheranund Istanbul ihre Macht. Das Land der Kurden wurde also ein erstes Mal nach der Schlacht beiChaldiran mit dem vom türkischenSultan Murad IV und dem iranischenSchah Abbas abgeschlossenen Dahan-

    Abkommen geteilt. Bei dieser Auf-spaltung wurde Kurdistan in einen iranischen und einen türkischen Teilaufgeteilt. Eine zweite, inoffizielle erfolgt im Jahre 1916 mit dem sog.«Geheimabkommen von Sykes-Picot»(Sykes war ein englischer Politiker undPicot ein französischer Diplomat) und hatte zur Folge, dass Kurdistan invier Teile zerlegt und den Territoriender Türkei, des Irans, des Iraks und Syriens zugesprochen wurde.Im Jahre 1914 trat das OttomanischeReich in den Ersten Weltkrieg ein,musste aber bereits zwei Jahre späterkapitulieren. Ein grosser Teil des Os-manischen Reiches wurde unter denSiegermächten aufgeteilt. Im Jahre1919 schloss Atatürk, der «Vater derTürken», mit allen Minderheiten, vorallem mit den Kurden und Armeniern,einen Vertrag ab, wonach ihnen nacheinem erfolgreichen Befreiungskrieg

    gegen fremde Mächte, wie Englandund Frankreich, Autonomie gewährtwürde. Die Kurden und Armenierkämpften an der Seite von Atatürk gegen die Siegermächte und brachtenAtatürk an die Macht. 1923 prokla-mierte Atatürk die moderne TürkischeRepublik. Er hielt sein Versprechen gegenüber den Minderheiten nicht ein,denn den Kurden und Armeniern wur-de damals weder eine politische nocheine kulturelle oder wirtschaftliche Eigenständigkeit zugestanden.Im Friedensvertrag von Sèvres im Jah-re 1920 haben die Siegermächte und

    auch die Türkeiden Kurden undanderen Minder-heiten Souverä-nitäts- und Min-derheitenrechteversprochen.Der Friedenver-trag erwähnteauch die Mög-lichkeit eines Ple-biszits über dieFrage der Unab-hängigkeit. Auf Wunsch derKurden hätte ihnen somit dieUnabhängigkeit

    Kurdenmütze mit Turban.

    Senneh, 115 x 170 cm. Senneh, 130 x 203 cm. Senneh, 127 x 152 cm.

    Detail aus unten abgebildetem Senneh.

  • erteilt werden müssen. Diese Chancewurde ihnen aber nicht gewährt. DieSiegermächte waren nicht um eineEinhaltung des Abkommens besorgt;dieses wurde später nicht einmal vonder türkischen Nationalversammlungratifiziert, weil sich die «Jungtürken»auf den Standpunkt stellten, dass dasAbkommen mit Vertretern des nichtmehr bestehenden osmanischen Rei-ches abgeschlossen worden war unddie türkische Republik deshalb nichtbinden würde. Danach wurde diesesAbkommen im Jahre 1923 in Lausannevon den Siegermächten und der Tür-kei revidiert und von der Türkei als ungültig erklärt. Im Lausanner-Vertrag verpflichtete sich dann dieTürkei, die Rechte der «nicht-musli-mischen-Minderheiten» auf ihremTerritorium zu garantieren. Im Ver-trag wurde die kurdische Nationalitätnicht einmal mehr erwähnt. Die Kur-den konnten auch nicht den für die«nicht-muslimischen-Minderheiten»garantierten Schutz beanspruchen, da fast alle Kurden Muslime sind.Der iranische Teil Kurdistans undAzerbeidjans wurden im ZweitenWeltkrieg von der UdSSR und Eng-land unter dem Vorwand besetzt, dassdie Iraner mit den Deutschen zusam-menarbeiten würden. Im Januar desJahres 1946 wurde der Traum der iranischen Kurden, unabhängig zuwerden, mit der Gründung der Repu-blik Mahabad wahr.

    Mit Zustimmung der UdSSR wurdeGhazi Mohammed als kurdischer Präsident eingesetzt.Die Republik Mahabad lag in der vonder UdSSR besetzten Zone. ImHerbst 1946 verhandelte Stalin mit der iranischen Regierung und erklärte sich bereit, die sowjetischeArmee aus Azerbeidjan und Kurdistanabzuziehen, wenn der Iran dafür Öl-rechte gewähre. Nachdem sich die sowjetische Armeezurückgezogen hatte, stationierte dieTeheraner Regierung in der früher

    besetzten Zone ihre Armee mit derBegründung, diese solle bei den demnächst in Kurdistan stattfinden-den Wahlen für Sicherheit sorgen.Der Präsident der Kurden liess infol-gedessen die Iraner nach Mahabadkommen.Präsident Ghazi wurde im März 1947mit zwei seiner Brüder auf dem Car-Cira-Platz, dem Platz der vierLampen, hingerichtet. 14 Monate zuvor hatte er auf dem selben Platz die Gründung der Mahabad-Regie-rung bekannt gegeben.

    10 t o r b a 2/00

    Nordwestpersische Kurdenteppiche

    BidjarIn Bidjar und den umliegenden Dörfern, etwa 50 km nordöstlich vonSenneh am Rande von Kurdistan ge-legen, wird von sesshaften Kurdender Bidjar-Teppich geknüpft.Im Gegensatz zum weichen Senneh erkennt man den Bidjar an seiner ex-tremen Steifheit. Schwer und dicht,ist er einer der solidesten und hoch-wertigsten Orientteppiche, den mannicht einmal floreinwärts auf einenViertel zusammenlegen kann, ohnedas Risiko einzugehen, ihn damit zubrechen. Noch vor wenigen Jahrenselten auf dem Markt, ist die heutigeProduktion wieder recht gross. Eine seiner Charakteristika ist derGebrauch von fünf Schussfäden:

    ein dicker und gespannter Schusswird von vier feinen und weichen,meist wollenen Fäden umschlungen.Wir kennen zwei Typen aus diesemGebiet:- Der von Kurden geknüpfte hat

    einen besonders dicken Schussfa-den, der, um ganz straff und hart gezogen werden zu können, ange-feuchtet wird und beim Trocknen die Dichte des Teppichs erhöht.Die Muster sind kräftig und dieTeppiche haben eine grosse Wir-kung.

    - Der andere, von den Afscharen geknüpfte, ist dank dem dünnerenSchuss geschmeidiger und wirkt inseiner ganzen Art eleganter. Meistsehr fein, bietet er eine grössereAuswahl an Farben und Musternund ist auch weicher.

    Teil des Dorfes Palangan.

    Bidjar, 158 x 225 cm.Bidjar, 163 x 222 cm.

    Bidjar, 116 x 160 cm.

  • 11t o r b a 2/00

    Die Lage der Kurden verschlimmertesich im Jahre 1975, als der Schah vonPersien und Saddam Hussein das Ab-kommen von Algier unterzeichneten.Mit diesem Abkommen hat Teherandie Kurden fallen lassen, nachdem der Irak die Schat-al-Arab-Grenze anerkannt hatte.

    Die kurdische SpracheKurdisch ist eine archaische Spracheund gehört der iranischen Sprach-

    gruppe und den indo-germanischenSprachen an. Zur iranischen Sprach-gruppe gehören z.B. Paschtu, Belut-schi, Persisch und andere Sprachen,die nicht identisch sind. In der irani-schen Sprachgruppe wird noch dieUnterteilung in Ost- und Westspra-chen gemacht. Die kurdische Sprachenimmt in der Nordwestgruppe ihrenPlatz ein; sie wird als «Kurmandschi»bezeichnet.

    Die Kurden heuteDer Stamm ist die eigentliche und natür-liche Organisationsform des Kurden,sein Staat und sein Gesetzgeber, Regent,Arbeitsplatz, Schild und Schutz gegendie feindliche Umwelt zugleich. Es istdaher auch für einen Kurden die am meisten gefürchtete Strafe, aus der Stammesgemeinschaft ausgeschlossenzu werden, aus der er hervorgegangen ist.

    Ein häufiges stammesbildendes Ele-ment ist die gemeinsame Abstammungeiner Reihe von Sippen von demsel-ben Ahnherrn. Der erstgeboreneSohn besitzt eine Vorrangstellung vor seinen Brüdern. Aufgrund realerpolitischer Machtverhältnisse oderpersönlicher Gaben kann jedoch dieFührungsrolle auch ohne direkte Ahnenkette übernommen werden. Die Stämme, die auf dem Verwandt-schaftsprinzip beruhen, weisen weitereUnterteilungen auf, Taife beziehungs-

    Detail aus unten abgebildetem Bidjar.

    Yayla auf 2500 m in der Nähe von Anbi. N 37°30,180’ E 44°42,900’.

    Bidjar, 200 x 352 cm. Bidjar, 212 x 300 cm.

  • weise Tire genannt. An der Basis dieser Stammespyramide ist der einzel-ne Haushalt, Khel oder Hoz genannt,gewöhnlich eine «Kernfamilie», diemonogam ist, mit Ausnahme einigerder reichsten Männer. In einigen Ge-bieten hat sich die traditionelle Hier-archie erhalten, eine Feudalstrukturmit einem obersten Führer – einemScheich oder Agha. Scheich ist ein tra-ditioneller religiöser Titel, währendAgha einen Stammesführer oder einenmächtigen Landbesitzer bezeichnet.In der Praxis sind diese beiden Rollenoft ein und dieselben.

    Aussehen und CharakterDie Kurden sind ein «gemischtes Typenkonglomerat», in dem europäi-de – selbst nordische – mit iranidenund sogar mongolischen Rassenzügenverschmolzen sind.

    Ihr Charakter ist geformt durch denständigen Kampf mit einer unerbittli-chen Natur und dem Feind. Währendder jährlichen Wanderungen zu denWeideplätzen, die härteste Ausdauerund Anspruchslosigkeit erfordern, befinden sich die Kurden fast ständigim Kampf mit benachbarten Stämmen

    und Viehräubern. Diese Faktoren unddas freie, ungebundene Leben habenden aristokratischen Charakter dieserStämme, ihren Stolz, das ritterlicheBetragen und den ehrenhaften Sinngeformt.Als Folge der kurdischen Lebensbe-dingungen ist auch die wahrscheinlichpositivste Seite ihres Charakters entstanden. Unter einem kurdischenDach wird jeder Fremde, zumindestfür die Zeit seines Aufenthaltes imDorf oder Zelt, vollen Schutz für Le-ben und Eigentum finden und oft mitgrosser Herzlichkeit aufgenommen.

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    Junge Kurdenfrau im Yayla.

    Saujbulagh, 119 x 194 cm. Saujbulagh, 123 x 204 cm.

    Kolyai, 121 x 252 cm. Kolyai, 130 x 235 cm. Kolyai, 105 x 145 cm.

  • Für die Sicherheit seines Gastes wirdder Kurde jederzeit sein eigenes Le-ben einsetzen.Neben diesen versöhnlichen Aspek-ten weist die Stammessoziologie aberauch Tiefen auf, die der Palette deskurdischen Charakters ganz konträre,dämonische, ja selbstzerstörerischeNuancen verleihen.

    t o r b a 2/00 13

    Nordwestpersische Kurdenteppiche

    Kurdenteppiche aus dem Dor und von NomadenDie Teppiche aus Senneh und Bidjarkönnen dank ihrer Eigenheit genaubezeichnet werden. Viele Teppicheund Flachgewebe der Kurden werdenaber häufig nur als «Kurde Westper-sien» benannt.Einige Arbeiten haben aber so ausge-prägte Charakteristika, dass sie ge-nauer zugeordnet werden können.

    - Der Kolyai aus der Region Ker-manshah, auf Wolle oder Baum-wolle geknüpft, ist sehr fest, mit hohem Flor und hat gute Bergwolle.Das wohl bekanntste Muster ist das«Takhte Djamchid» (Königsthron).

    - Saujbulagh, heute Mehabad, liegtsüdlich des Urmia-Sees. Dieser von Nomaden geknüpfte Kurdentep-pich besticht durch seine Urtüm-lichkeit. Leider ist er aus dem Markt fast verschwunden.

    Mit Freude konnte ich auf unsererReise feststellen, dass es auch in Kur-distan innovative Teppichhändlergibt. Auch hier werden Teppiche aushandgesponnener und pflanzenge-färbter Wolle hergestellt. Alte und antike Teppichmuster ausMuseen und Büchern werden dabeials Vorlage verwendet.

    Kurdenfrauen retour vom Bachbad.

    In den Dörfernträgt der Mannnoch heute einfast uniformes Kostüm, bestehend aus braunen oderjedenfalls ziem-lich dunklen Plu-derhosen, Leder-sandalen, einer Bluse mit einerbreiten buntge-musterten Gür-telschärpe um die Taille und einemgrossen dunklen geschlungenen Turban.Die Frauen tra-gen gewöhnlicheinen farbenfro-

    hen Rock über weniger weiten Hosenund ein grosses Tuch als Kopftuchoder als Turban. Die kurdische Frauhat sich unter allen islamischen Völ-kern die freiste Stellung bewahrt.

    Nomaden und SesshafteAus klimatischen Gründen, aber auch,weil sie den steten Einfällen fremder

    Krieger ausweichen wollten, lebten dieKurden in den Bergen, wo sie währendJahrhunderten ein Nomaden- oderHalbnomadenleben führten.Das echte Nomadendasein mit denzwei jahreszeitlichen Wanderungenund dem Leben im Zelt ist jedochheute eher der seltenere Fall. Weitgrösser ist die Zahl jener Gruppen, diein festen Dörfern wohnen, aber nachder Ernte mit ihrem Vieh vor der Hitze der Ebenen auf kühlere Gebirgsweiden ausweichen und dortin Sommerlagern (Yayla oder Garm-sir) leben. Auch dieser Brauch geht seit einigenJahren immer mehr zurück. Im Zug der «Vergetreidung» des Bodens ist derZwang zur saisonalen Wohnortverle-gung, um die Futterbasis der Viehzuchtzu erweitern, nicht mehr gegeben. Demkräftigen und trotzigen Bergnomadensteht der variablere und geschmeidige-re Dorfbewohner gegenüber.Aber auch die Bürgerschaft der grösse-ren Orte im kurdischen Gebiet rekru-tiert sich letzten Endes zum grösstenTeil aus Kurden.

    Text und Fotos: Edi Kistler

    Saujbulagh, 163 x 276 cm.

  • Die Welt der Teppichherstellung (Teil 16)

    Farben und Färben

    W E R K S T A T T

    Farbstoffe in den SekundärfarbenViolett, Orange und Grün

    Farbstoffe in ViolettViolett ist eine Mischfarbe aus Blauund Rot. Also färbt man die Wollezunächst mit Indigo und dann mitKrapp oder Cochenille. Dabei wird dieWolle sehr hellblau eingefärbt. Im Orient stellten aber viele Färberin-nen und Färber die schönen Violett-töne anders her. Analysen zeigen, dasssie kein Indigo verwendeten, sondernnur zwei Farbstoffe des Krapp in grösseren Mengen: Alizarin und Pseu-dopurpurin. Als Beizstoff konnte Eisen nachgewiesen werden. DerKrappwurzel wurde demnach das Purpurin entzogen. In Europa war einsolches Verfahren bekannt. Violett-färbungen mit Krapp allein wurdennur bis Ende des 19. Jahrhunderts hergestellt. Die Kenntnis dieses Ver-fahrens ging leider verloren; es wirdheute nicht mehr angewendet.

    Farbstoffe in OrangeIn der Regel ist Orange eine Mischfär-bung aus Rot- und Gelbfarbstoffen.Das Rot in Orange ist immer Krapp,nie Cochenille. Die brillantestenOrangetöne erzielt man mit Krapp ohne Purpurin und dem GelbfarbstoffQuercetin (Kreuzdorn).Orangefärbungen sind auch möglich

    14 t o r b a 2/00

    mit Henna: Es enthält den Orange-farbstoff Lawason und den Gelbfarb-stoff Lateolin.

    Farbstoffe in GrünDie Farbe Grün ist die Farbe des Le-bens, der Pflanzen und des Frühlings. Grün ist meistens eine Mischfärbungaus Blau und Gelb, besteht also aus Indigo oder Indigosulfonsäure und verschiedenen Gelbfarbstoffen. Auchmit der Kerbel, Anthriscus silvestris,erzielt man sehr schöne Grüntöne.

    Farbstoffe in den TeritärfarbenBraun und Schwarz

    Farbstoffe in BraunDie wichtigste Färbedroge ist die fri-sche oder getrocknete Fruchtschaleder Walnuss (Juglans regia). DieseSchalen und auch die Blätter des Bau-mes enthalten den Farbstoff Juglon,der ohne Beize auf die Faser zieht.

    Färben mit Kerbel:Ein kräftiges GrünRezept für 1 kg Wolle(Trockengewicht)• Beize

    Wolle mit 140 g Alaun eine Stunde sanft kochen.

    • Farbflotte4 kg frischer Kerbel werden zerkleinert, eine Stunde lang aus-gekocht, abgekühlt und gefiltert.

    • FärbenDie gebeizte Wolle eine Stunde in der vorbereiteten Flotte sanft kochen

    • Entwickeln Wolle aus der Flotte nehmen, 60 g gelöstes Eisensulfat zugeben, auf 40° C abkühlen lassen. Wolle wieder einlegen und 20 Minuten sanft kochen. Sofort ausflotten, waschen und spülen.

    Kaltfärbung mit grünen Nussschalen:Ein sattes BraunRezept für 1 kg WolleDie äusseren grünen Schalen vonWalnüssen enthalten den Wolle sehrgut färbenden Farbstoff Juglon, derschon bei Zimmertemperatur auf die Faser aufzieht. Die endgültigebraune Farbe entsteht erst beim Ausbreiten der Wolle an der Luft.• Farbflotte

    8 kg zerkleinerte, frische grüne Walnussschalen 24 Stunden in weichem Wasser (Regenwasser)

    einweichen. Die Schalen dürfen noch nicht braun sein. Abfiltern.

    • FärbenWolle gut anfeuchten und in die Flotte legen, 24 – 48 Stunden darin liegen lassen. Wolle herausnehmen und an der Luft ausbreiten. Die Wolle hat zunächst eine grün-liche Farbe, die sich in ein Orange-bis Rotbraun ver-wandelt. Erst wenn sich die Farbe nicht mehr ändert, ausflot-ten, waschen und spülen.

    Farbstoffe in SchwarzSchwarze Farbstoffe entstehen, wenngerbstoffhaltige Pflanzenextrakte auf Ei-sen oder Eisenverbindungen einwirken.Schwarzfärbungen mit Gerbsäure undEisen haben jedoch den Nachteil, dassdie Wolle brüchig wird und in kleinenPartikeln ausfällt.Für Schwarzfärbungen kennen wir un-ter anderen folgende gerbstoffhaltigenFärbedrogen und Färbepflanzen:Galläpfel, Schalen der Granatäpfel,Blätter und Triebe des Gerbersu-machs, Rinde und Fruchtbecher vonverschiedenen Eichen.

  • G E G E N S T A N D

    Der SamowarDem Samowar, Symbol des russischen Interieurs, begegnet man sowohl im Iran wieauch in Afghanistan oft in Teehäusern, Trinkbuden in Bazaren und in Wohnhäusern.

    Obwohl die Russen ihn als ihre Erfin-dung betrachten, ist es wahrscheinlich,dass der Samowar im 18. Jahrhundertvon den Persern nach Russland kam.Allerdings ist es den Russen zu verdan-ken, dass er zu einem weit verbreitetenGebrauchsgegenstand, aber auch zu einem Kunstobjekt wurde.Der Samowar folgte im 17. Jahrhun-dert der Einführung des Tees, und seit-her sind Tee und Samowar untrennbarvereint. Um den ganzen Tag über heis-sen Tee zu verfügen, galt es einen Wegzu finden, Wasser zum Kochen zu bringen und dieses in der richtigenTemperatur zu behalten; dies ist dieRolle des Samowars.Und so funktioniert der Samowar:- im Zentrum ein Metallzylinder, einem Miniatur-Hochofen gleichend,

    - unten einige Löcher, die Luftzufuhr sichernd, und eine Klappe, um die Asche zu entfernen,

    - um das Feuerrohr herum ein Behäl-ter mit einem Ausgusshahn, um das Wasser aufzunehmen,

    - oben ein Deckel mit zwei Löchern, um frisches Wasser nachgiessen und den Behälter entkalken zu können,

    - auf dem Kamin ein Trichter, in den der Krug mit dem konzentrierten Tee gestellt wird.

    Um den Samowar in Betrieb zu nehmen,müssen der Wasserbehälter aufgefüllt

    15t o r b a 2/00

    Die Hersteller brachten Prägungen anihren Fabrikaten an. In den verschiede-nen Handelsmessen erhielten sie Beloh-nungen für die Qualität ihrer Arbeit.Sie hatten das Recht, diese Medaillen mitdem Datum der Verleihung zu stempeln.

    und glühendeHolzkohle in denMetallzylinder ge-geben werden. Um die Verbren-nung zu beschleu-nigen, kann eineVerlängerung aufden Kamin aufge-setzt werden, derzudem vermeidet,dass der Rauch insGesicht bläst.Sobald das Wasser kocht, giesst man einwenig davon über die Teeblätter undsetzt den Krug in den Trichter überdem Kamin. Auf diese Weise den Kamin schliessend, entwickelt die Glutwesentlich weniger Hitze und hält dasWasser in der richtigen Temperatur.Um den Tee zu servieren, giesst manein wenig Konzentrat ins Glas und fülltdieses mit heissem Wasser auf. Getrunken wird der Tee schwarz, nach-dem er lange gezogen hat.In den Teppich produzierenden Regionen nehmen die Liebhaber desgezuckerten Tees ein Stück Zuckerzwischen die Zähne und schlürfen denTee durch die Zähne. Sollte er zu heisssein, giessen sie ein wenig davon in dieUntertasse, blasen darüber, und trin-ken ihn direkt aus der Untertasse.Die Person, die für den Samowar ver-antwortlich ist, hat stets darauf zu ach-ten, dass genügend Wasser im Behälterist. Leer erhöht sich die Temperaturdarin so stark, dass die Lötstellen ausZinn zu schmelzen beginnen. In weni-gen Sekunden bleibt dann vom Samo-war nur noch ein Haufen Blech übrig.Die Russen sind die unbestrittenenMeister der Samowar-Herstellung.Obwohl die Samowars überall in Russ-land produziert werden, ist Tula dasZentrum ihrer Herstellung. Nasser Lisitsin gründete 1778 die erste Fabrik

    in Tula, aberschon zu Beginndes 19. Jahrhun-derts entwickel-ten sich diverseandere Ateliers(1826 deren achtund 1896 sogar de-ren siebzig). Tulawar in der Nähevon Moskau undden Minen desUrals, und verfügteüber sehr qualifi-zierte Handwerkeraus den Waffenfa-briken.Zu Beginn diesesJahrhunderts wur-den in Tula630000 Samowarshergestellt, davon

    allein 110 000 in den Fabriken von Batashev.Kupfer und seine Legierungen sind dieBasismaterialien der Herstellung, unddie Technik wurde von den Kessel-schmieden übernommen. Die schön-sten Exemplare können aus Silber, vergoldetem Silber oder sogar aus Goldsein. Es gibt zylindrische und kugelför-mige Modelle, solche wie Teekrügeoder sogar Tiere. Die Auswahl der Formen und Verzierungen ist gross. DerBehälter kann glatt, geriffelt, ziseliertoder getrieben, Henkel wie auch Aus-gusshahn können fein gearbeitet sein.Aber damit sindwir weit von deneinfachen Model-len entfernt, denenman in den Tchaï-haneh entlang denDorfstrassen be-gegnet.

    1. Teekrug mit Essenz

    2. Kamin3. Ausgusshahn

    für heisses Wasser

    1

    2

    3

    Grosser Samowar einer Tee-Schank-wirtschaft. Er ist 62 cm hoch.

  • 2/00t o r b a16

    Die Amerikaner – und in einem klei-neren Ausmass die Europäer – sindgierig nach dekorativen Grossteppi-chen mit grossen und einfachen Motiven und Pastelltönen wie in denalten Mahal-Teppichen zu Beginndes 20. Jh. Besonders Stücke aus derZiegler-Manufaktur erzielen an inter-nationalen Versteigerungen sehr hohe Preise. In Sultanabad(heute Arak) eta-blierte sich dieFirma Ziegleraus Manchester,ein ursprünglichschweizerisches Unternehmenaus dem Woll-handel, die ihr investiertes Kapi-tal mit russischen Goldstücken nach

    S C H A U F E N S T E R

    MahalEngland zurückführte. Sie erkannterasch, dass es rentabler war, Teppiche,insbesondere Mahal, zu importieren,die sich in den USA gut verkaufenliessen.

    gesehen in der Teppic

    hgalerie

    Reynold Nicole, 4144

    Arlesheim

    Der seit Jahren dauernde Bürger-krieg in Afghanistan hat den grösstenTeil des afghanischen Volkes zurFlucht aus seiner Heimat getrieben.Im Grenzgebiet Pakistans und umPeshâvar haben Regierung, RoterHalbmond und Rotes Kreuz Not-unterkünfte und Lazarette bereitge-stellt. Die meist mittellosen, oftkriegsversehrten Menschen findenhier vorerst Aufnahme und die drin-gend notwendige ärztliche Hilfe.Zur Entfaltung neuer Lebens- undExistenzperspektiven wird die, beiden Flüchtlingen seit Jahrhundertenüberlieferte und bis heute lebendiggebliebene, Fähigkeit des Teppich-knüpfens gefördert.Die präsentierten Arbeiten entstam-men einem nachhaltigen Projektgrösseren Stils mit hohem Qualitäts-anspruch an Gestaltung und hand-

    werkliche Detailfertigung. Reichdurchgemusterte Beispiele mit klas-sischen Motiven (Foto) überzeugenebenso wie Stücke in vornehmerSchlichtheit und mit zurückhalten-der Mustergebung. Die langstappli-ge, elastische und widerstandsfähigeWolle das Karakoul-Schafs wird vonHand gesponnen und gezwirnt. Siewird nach alter Überlieferung – mitheutigem Know-how und nach öko-logischen Grundsätzen – mit pflanz-lichen, tierischen und mineralischenSubstanzen gefärbt. Besondere Sta-bilität und Dauerhaftigkeit gewähr-leistet die Baumwollkette. Es werdenLäufer und Formate bis drei mal vierMeter geknüpft.

    Dies tat sie dann auch von 1890 biszirka 1939.Diese Teppiche hatten einen grossenErfolg. Sie werden noch heute in Chi-na, Pakistan, Ägypten und anderswomit der Absicht imitiert, diese in dieUSA zu exportieren. Seit PräsidentClinton das Embargo gegen iranischeGüter aufgehoben hat, können dieKnüpfer von Arak wieder Teppiche indie USA ausführen. Sie haben daherentschieden, die alte Tradition wiederaufzunehmen und die Produktion imSinn und Geist von vor hundert Jah-ren neu zu lancieren. Der hier wieder-gegebene Teppich ist ein authentischerMahal mit handgesponnener Wolle.Die Farbstoffe sind teilweise natürlichund in sehr dezenten Pastelltönen.

    à propos des réfugiés afghans

    gesehen bei E. Gans-R

    uedin SA,

    Grand-rue 2, 2001 Ne

    uchâtel

    Mahal, Region Arak, 514 x 377 cm.

  • 17t o r b a 2/00

    Senneh Teppiche – neu in Pflanzenfarben und auf SeidenketteDie Vitalität der Iran-Kurden ist ungebrochen und ein Thema vielerVolkslegenden. Berühmt und beiKennern hochgeschätzt waren schonimmer die Knüpfteppiche und Keli-me der meist dorfansässigen Weber-und Knüpferinnen der Region umSanandadsch, Hauptort der West-Provinz Kurdistan. Schon 1978 gab eshier Bestrebungen, die Naturfarbenwieder einzuführen. Den Kommissio-nen, die kurdische Färbe- und Knüpf-techniken dieser Region verbessernsollten, gehörte auch der versierteFärber Abbas Sahani an. Die politi-schen Ereignisse nach 1978 führtendamals zum Scheitern dieses Vorha-bens. Nun ist ein neuer, besser orga-nisierter Versuch auf gutem Weg,den Durchbruch zu schaffen. Derjahrhundertlange Austausch von urbanen, bäuerlichen und nomadi-schen Motiven vollzog sich im Sennehgebiet in feingemustertenDessins hoher Knotendichte und in feinsten Kelimarbeiten. Die tradi-tionell feinste Knüpfung um Sennehführte dazu, den persischen Knoten

    Eine gelungene Innovationauch als Sennehknoten zu bezeichnen(heute als asymmetrischer Knotenbezeichnet). Die nun auf privater Ini-tiative ins Leben gerufene Erneue-rung archaischer Gepflogenheiten

    dient dazu, das hohe Ansehen derSenneh’s zu erhalten. Diese neuenSennehteppiche weisen den arttypi-schen 1-Schuss-Einschlag auf, welcherzur ripsartigen Rückseite und demangenehm weichen Griff führt. Dieausgezeichnete glanzreiche Wolledes Kurdengebietes verleiht ihm

    durch die vordem erwähnte Technikeine spezielle Florstruktur von edlerEleganz. Wenige Exemplare sind alter Tradition folgend in seidenen«Regenbogen-Kettfäden», die überdie ganze Breite des Teppichs chan-gieren, in noch feinerer Einstellunggearbeitet. Für das Färben derKnüpfwolle werden ausschliesslichhochwertige Pflanzenfarben verwen-det. Vorerst kommen nur Zaronim,Dozar und Läufer, seltener grössereFormate von den Stühlen der inno-vativen Knüpferinnen aus Kurdistan.Sicher wird die beschränkte Produk-tion dieser Senneh’s einer Massen-nachfrage nie gewachsen sein. Mitder in Musterung und Farben inti-men Ausstrahlung wird er jedoch dieFreunde zeitloser Klassik anspre-chen, zumal die Preise vergleichswei-se günstig zu stehen kommen. Wernicht jeden modischen Trend mitma-chen mag, wird den eigenen Zauberdieser Teppiche lieben.

    Zierkissen aus Mafraschfragmenten

    Gesehen bei r. + i. möc

    kli,

    Orientteppiche, 9400

    Rorschach

    gesehen bei Linsi & Co

    . AG,

    beim Bahnhof, 6002 L

    uzernDer Mafrasch ist eine gewebte odergeknüpfte Tasche und erfüllt diegleiche Funktion wie eine Truhe.Bei den Nomaden ist es üblich, amTag das Bettzeug in den Mafraschsaufzubewahren. Auch für den Trans-port von Hausrat, Bettzeug und Kleidern wird die textile Truhe verwendet. Viele dieser Mafraschs wurden von denBrautfrauen hergestellt und sind des-halb besonders kunstvoll gearbeitet.Viele der Mafraschs sind durch denmehrjährigen Gebrauch zerschlissen,sie haben grosse Löcher und Risse. Fragmente davon wie die Seitenteileeignen sich nun sehr gut zur Verar-beitung als Zierkissen.

    Als Rückenteil dient ein ausgedienterDjadjim. Die Kanten werden mit Wollfäden in einer Achter-tour von Hand umwickelt. Der Inhalt ist ein Entenfedernkissen.Als Dekoration auf einem Ledersofa, einem Fauteuil, einer Che-minéebank oder als Stuhlverzierung eignen sich diese Mafrasch- Kissen ausgezeichnet.

  • 2/0018 t o r b a

    A U S S T E L L U N G E N

    1.10.– 8.11. Das neue Gefühl unter den FüssenForster + Co. AG, Theaterstrasse 8, beim Bellevueplatz, 8001 Zürich.9.00 –18.30, Sa 9.00 –16.00.

    4.10.– 6.10. Orientteppich-AusstellungStellung anatolischer Knüpfkunst innerhalb orientalischer KnüpfkunstGrandhotel Hof Ragaz, 7310 Bad Ragaz. Anatol Carpets, Wassergasse 4, 9004 St. Gallen. 10.00 –12.00, 14.00–19.00, Vortrag und Apéro: 6.12.00, 17.30.

    15.10.–30.11. Originelle Teppiche in origineller UmgebungMori & Bodenmann AG, Freie Strasse 89, 4001 Basel. Mo –Mi + Fr 9.00–18.30, Do 9.00 –20.00, Sa 9.00 –17.00. Neugestaltung der Verkaufsräumlichkeiten.

    16.10.–28.10. 70 Jahre Knecht Arredamenti, Sonderausstellung Gaschgai Kelim und südpersische NomadenteppicheKnecht Arredamenti, via Valleaggia 55, 6600 Locarno. 9.00 –18.00.

    20.10.–25.11. Stich um Stich – Zeitzeugen Doris Lötscher, Dornach, stellt aus und leitet an zum freien, meditativen StickenTeppichgalerie Reynold Nicole, Hauptstrasse 41, 4144 Arlesheim. Di–Fr 14.30 –18.30, Sa 10.00 –16.00. Im Hintergrund: Wirk-, Wickel- undSchlingtechniken aus drei Kontinenten.

    21.10.–11.11. Trends aus PersienBrodbeck AG, Zentralstrasse 27, 2502 Biel. Mo –Fr 9.00 –18.30, Sa 9.00 –16.00, Do Abendverkauf –21.00.

    26.10.– 9.11. Neues aus dem Iran Gloor Teppiche, Aarwangenstrasse 3, 4900 Langenthal. 9.00 –12.00, 13.30 –18.30, So 14.00 –18.00.

    26.10.–26.10. Auspackfest20 Ballen Teppiche so schön und geheimnissvoll wie orientalische MärchenLinsi AG, Pilatusstrasse 1, 6003 Luzern. Ab 18.00.

    27.10.– 5.1. Zwiegespräch: Von Bündner Antiquitäten und NomadenkunstwerkenGalerie Anne Kaiser, Obere Gasse 24, 7000 Chur. Mo 14.00 –18.30, Di –Fr 9.30 –12.00, 14.00 –18.30, Sa 9.00 –16.00.

    30.10.–11.11. Orientteppich-AusstellungDesign-Tibeterteppiche aus Nepal, Neueingänge aus dem IranStraub Orientteppiche, in der Mall im Einkaufszentrum Neuwiesen, 8400 Winterthur. Mo –Fr 9.00 –18.30, Sa 9.00 –16.00, Do –21.00.

    2.11.–25.11. Tapis et objets de nomadesMilas Tapis, Grand Pont 3, 1950 Sion. 10.00 –12.00, 14.30 –18.30, Sa 10.00 –12.00, 14.00 –17.00.

    4.11.–30.12. Tapis nomades, Tapis de traditionExposition spéciale de Sofreh, Rukorsi, Chouval kordiTapis Masserey, Portes Rouges 131, 2000 Neuchâtel. 8.30 –12.00, 13.30 –18.30.

    11.11.–26.11. Jubiläumsausstellung «30 Jahre Galerie Kistler»Galerie Kistler, Bernstrasse 11, 3250 Lyss. Di –So 14.00 –19.00 (auch Sonntags).

    1.12.–22.12. Nomadenleben, Textilkunst und Schmuck der TurkmenenTeppichgalerie Reynold Nicole, Hauptstrasse 41, 4144 Arlesheim. Di –Fr 14.30 –18.30, Sa 10.00 –16.00.

    6.12.– 8.12. Stellung anatolischer Knüpfkunst innerhalb orientalischer KnüpfkunstGrandhotel Hof Ragaz, 7310 Bad Ragaz. Anatol Carpets, Wassergasse 4, 9004 St. Gallen. 10.00 –12.00, 14.00–19.00, Vortrag und Apéro: 6.12.00, 17.30.

    2.3.–31.3. Teppichschätze aus Kurdistan, gewebte und geknüpfte Kurdenkulturr. + i. möckli, Orientteppiche, Rathauslaube, Hauptstrasse 30, 9400 Rorschach.Di –Fr 9.00 –12.00, 14.00 –18.30, Sa 9.00 –16.00.

    Brodbeck AG, Biel(21.10.–11.11.)

    Knecht Arredamenti, Locarno(16.10.–28.10.)

    Teppichgalerie Reynold Nicole,Arlesheim(20.10.– 25.11.)

    Galerie Anne Kaiser, Chur(27.10.– 5.1.)

    Anatol Carpets, St. Gallen(4.10.– 6.10. und 6.12.– 8.12.)

    Forster & Co. AG,Zürich;Mori & Boden-mann AG, Basel;Gloor Teppiche,Langenthal

  • t o r b a 2/00 19

    A R C H I T E K T U R

    Eine Eigentümlichkeit zog so vor allemmeine Aufmerksamkeit auf sich: Lini-en von Löchern, die in regelmässigenIntervallen ausgegraben wurden, durch-querten die Ebenen und konvergiertengegen die Städte oder die Dörfer.Tatsächlich handelte es sich hier um ei-ne findige Bewässerungsanlage: um denQanat. Von den persischen Seniorenerfunden, wohl vor Christus, ist der Qanat eine unterirdische Leitung, dieerlaubt, das nahe der Berge gefundeneGrundwasser gegen die landwirtschaft-lichen Ebenen und die Marktflecken zuleiten. Der Qanat wird gebildet durcheinen horizontalen Kanal, der zwischen15 m und 100 m unter der Erde liegt.Dieser wird durch Brunnen erreicht,die in regelmässigen Intervallen vonungefähr 50 bis 100 m ausgegrabenwerden. Die Länge eines Qanats be-wegt sich zwischen 1 km bis zu mehr als 30 km. Derjenige von Mahun nach Kir-man misst 29 km. Der Nutzen einesQanats ist dreifach: Er dient zuerst

    Der Qanat, eine findige BewässerungsanlageAnlässlich meiner ersten Reise in den Iran flogen die iranischen Flugzeuge innerhalb des Landes noch nicht so hochwie heute. Die Details der Landschaft konnten so viel besserbeobachtet werden, und der neugierige Reisende kam, wenn er einen Fensterplatz hatte, voll auf seine Rechnung.

    Brunnenöffnung.

    als konstruierter Kanal, der es erlaubt,Materialien mittels einer Winde zu eva-kuieren. Danach erlaubt er, die Leitungzu putzen, denn dort sammeln sich re-gelmässig Sand und Steine, aus der Ero-sion und den Bergstürzen kommend, an.Schliesslich produziert er einen Luftzug,der das Wasser angenehm kühlt. Die einzigen sichtbaren Teile des Wer-kes sind die Öffnungen dieser Brunnen.Der Sand, der vom Boden hinaufgetra-gen wird, ist im Kreis um die Öffnungeingeworfen und bildet eine Art Krater,welcher der von Kanalisationen durch-querten iranischen Landschaft einenhalbmondförmigen Aspekt verleiht.Diese kreisförmige Aufschüttung hältdas Regenwasser davon ab, in den Kamin einzudringen und ihn zu ram-ponieren. Die Öffnungen werden gewöhnlich von Kreisen in Terrakottavon 60 cm bis 120 cm Durchmesser geschützt. Heutzutage ersetzt man sieunglücklicherweise durch alte Reifenvon Lastkraftwagen, die von weitem

    Querschnitt eines Qanat. 1: Anschwemmung; 2: Grundwasser; 3: wasserdichte Schicht; 4: Steine, Fels;5: Zugangsbrunnen zum Kanal; 6: unterirdischer Kanal.

    Krater um die Zugangsbrunnen.

    nicht so viel Charme haben und auchnicht so wirksam sind.Die Planung und Konstruktion dieserQanats verlangen Fachkompetenz undeine grosse Erfahrung. Der Hang desKanals darf nicht so schwach sein, dassdas Wasser stillsteht, noch darf er zustark sein, um eine schnelle Erosion derWände zu vermeiden. Die Konstrukteure der Qanats – es sindmeistens Minderjährige – gehen grosseRisiken ein. Es kann bei der Arbeit Einstürze, Luftmangel oder Gasaus-tritte geben, und sie riskieren auch, vonWasser überschwemmt zu werden.Der Qanat, obwohl bezeichnender-weise iranisch, befindet sich auf allenhohen Tabletts vom zentralen Asien:Belutschistan, Afghanistan, Pakistan,Russisch-Turkestan und selbst am orientalischen Turkestan, wo ich Depression von Turfan beobachtengekonnt habe. Er besteht auch in Irakund in Syrien.

    Text und Fotos: Jacques Gans

  • Spass und Verdruss

    gekocht von Esther C. Graf-von Arx, Basel

    200 g Bulgur150 g Champignons2 Peperoni2 Tomaten2 Frühlingszwiebeln1 Knoblauchzehe150 g Pouletgeschnetzeltes4 EL Olivenöl3 dl HühnerbouillonSalz & Pfeffer, Paprika, Oregano, Petersilie (grossblättrig),ev. asiatische Gewürzmischung

    G E R I C H T

    Bulgur Pilavi mit Huhn

    Champignons rüsten und in Schei-ben schneiden. Frühlingszwiebelnmit schönem Grün in dünne Ringeschneiden, Knoblauch fein hacken.In einer Pfanne das Öl erhitzen,

    20 t o r b a 2/00

    Spass und Verdruss

    G E S C H I C H T E

    Die folgende Begebenheit erzählt vonzwei befreundeten Männern aus Ke-schan. Sie trafen sich an einem Tag, andem sie beide frei hatten. So ratschlag-ten sie, was zu unternehmen wäre.«Lass uns ins Badhaus gehen, uns er-frischen und entspannen, und nachdem Bad wollen wir uns zum Gebet indie Moschee begeben. Danach kehrenwir gestärkt und guten Muts nach Hau-se, denn es wird dann bereits gegenAbend sein.» Der andere jedoch mein-te: «Nein, lass uns vielmehr eine Flasche Likör besorgen. Damit wollenwir an einen mir wohlbekannten Ortgehen, wo wir uns mit Frauen vergnü-gen können, bis dass die Nacht herein-falle. Danach werden wir uns – wohloder übel – auf den Heimweg ma-chen!» – «Nein», entgegnete daraufder erste, «da komme ich nicht mit.»So trennten sie sich also an der Stelle,und der eine begab sich ins öffentlicheBadhaus, nahm sein Bad, liess sich ra-sieren und besuchte zum anschliessen-den Gebet die Moschee. GeraumeWeile später, als er durch das Portal

    hinaustrat, traf ihn ein Stein, der sichvon einem Mauervorsprung der Fassa-de gelöst hatte, knapp am Hinterkopfund verletzte ihn. BeschleunigtenSchritts erreichte er sein Heim. DieWunde wurde gewaschen und einKräuterverband umgelegt. So bliebihm zum leichten Schock ein etwas erbärmliches Aussehen – und eine be-drängende innere Frage.Der andere war nach erfolgter Tren-nung eine Flasche Schnaps kaufen gegangen, machte sich auf zum ver-trauten Ort und vergnügte sich mitFrauen. Als er nach Einbruch derDämmerung von dort wegging, fander einen Geldbeutel mit hundert Tuman. Einhundert Tuman fand er!Als sich die beiden Tags darauf trafen,fragte der eine: «Bruder, weshalb hastdu deinen Kopf einbandagiert?» Undder andere erzählte, wie ihm am Vor-tag, beim Verlassen der Moschee, einZiegelstein auf den Kopf gefallen warund ihn verletzt hatte. Da sagte der eine: «Siehst du! Wärst du mit mir ge-kommen und nicht dem Weg Gottes

    für zwei Personen

    Pouletgeschnetzeltes mit Salz, Pfef-fer und Paprika würzen und anbraten.Zwiebeln und Knoblauch beifügenund kurz mitdünsten. Champignons,Peperoni, Tomaten, Bulgur undBouillon dazugeben.Alles zugedeckt ca. 15 Minuten leise kochen lassen, ab und zu umrühren. Nach Belieben Petersilieund Oregano untermischen, ev. mitasiatischer Gewürzmischung nach-würzen.

    gefolgt, dann hättest du dir den Kopfnicht verletzt. Ich bin nach meinenVergnügungen gegen Abend wegge-gangen und habe hundert Tuman ge-funden!» Das beschäftigte den anderenjetzt so sehr, dass er vorschlug: «Lassuns den Imam fragen, ob dies der Lohnfür jeden ist, der sich auf den WegGottes begibt.» Der eine war bereit,und so machten sich die beiden auf denWeg zum Imam. Sie erzählten ihm dieErlebnisse des Vortags und der anderestellte ihm seine ernste Frage und batum Antwort. Da sprach der Imam fol-gendes zu ihnen: «Dir war es gestern eigentlich vorbe-stimmt, unter einer schweren Lastdurchzugehen und davon erschlagenzu werden. Dank deinem Besuch in der Moschee hat sich der Gott der Welterbarmt und dir als Zeichen nur diesenZiegelstein auf den Kopf fallen lassen.Und du, anderer: Du hättest gesterntausend Tuman gewinnen sollen. Dadu aber einen unwürdigen Weg ein-schlugst, hast du neunhundert Tumanverwirkt.»

  • SennehAuch das Muster ist der Nutzung alsSatteldecke angepasst. Es bildet einDreieck, dessen Elemente typisch sindfür Sennehs des ausgehenden 19. Jh.Das dunkelblaue Feld ist mit Botehoder mit Kaschmir-Palmetten deko-riert, die in Rhomben integriert sind.Das Herati-Motiv, ebenfalls typischfür diese Epoche, schmückt die beidenrotgrundigen Ecken. Das Muster der sehr feinen Bordürewird durch eine Girlande von einanderabwechselnden Blumen auf einem Safran-Fond gebildet.

    Bis vor einigen Jahren nannte man denasymmetrischen Knoten «persischerKnoten» oder «Senneh-Knoten».Kurioserweise wurden in diesen Tep-pich aber türkische oder symmetrischeKnoten geknüpft.Man erkennt die alten Senneh leichtan ihrem gepunkteten Rücken, anihrem leicht rauhen Griff und ihremniedrigen Flor. Die feinsten Stückehaben Kettfäden in mehrfarbiger Seide. Für dieses Stück, das für einenharten Gebrauch bestimmt war, hatdie Knüpferin eine Kette aus Baum-

    wolle gewählt – eine Faser, die wider-standsfähiger ist als Seide. Die heutigen Sennehs weisen meistdas Herati-Motiv und selten Botehsauf. Sie sind dunkler, höherflorig undweniger fein als die alten.Die Stadt Senneh, heute Sanandaj genannt, gehört mit Bidjar und Songor zu den wichtigsten Orten desiranischen Kurdistan.

    Jacques Gans

    t o r b a 2/00 21

    F O K U S

    Senneh, die SatteldeckeHerkunft: Kurdistan, West-Iran, Ende 19. Jh.Grösse: 81 x 87 cm

    Material Flor: WolleMaterial Kette und Schuss: ungebleichte BaumwolleKnotendichte: 250 000 symmetrische Knoten per m2

    Dieses Stück ist in mehrerer Hinsicht originell. Wegen seiner Funktion hat es ein quadratisches Format und zwei Schlitzefür den Sattelsteg und den Knauf.

  • Symbol der NeuzeitIn einem Karabagh-Kelim der 60er-Jahre

    haben wir beidseitig des Zentralmotivszwei Limousinen eingewoben gefunden.

    Welche Erlebnisse haben wohl diese in den kaukasischen Bergen verlorene

    Weberin dazu gebracht, mehrere dieserStaatskarossen abzubilden?

    Sollten sie – wie einst die Königskrone –die allgegenwärtige Macht des unterge-

    gangenen Kommunismus repräsentieren?War sie von deren Grösse und Luxus

    dermassen beeindruckt, oder träumte siedavon, selber einmal ein solches Gefährt

    etwas zu besitzen?Oder war sie die Frau, die Tochter odervielleicht nur das Dienstmädchen eines

    solchen Potentats, die sich einmal in einedieser Wolgas setzen durfte und dieses

    Ereignis so verewigen wollte?Dieses Motiv zeigt uns, dass Symbole

    nicht zwingend aus der Antike stammen müssen und dass täglich My-

    then entstehen können.Die Weberinnen suchen ihre Inspiration

    im Alltäglichen und bilden das ab, was in ihren Augen Wichtigkeit hat:

    Für die Frau des Hirts sind es die Schafe,und für unsere Armenierin sind es

    diese Karossen.