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Das Vimalakīrti Sūtra: Aus dem Tibetischen übersetzt von Robert A. F. Thurman, aus dem Englischen Inhalt 1. Kapitel: Buddha Länder 2 2. Kapitel: Unvorstellbares Geschick in der Technik der Befreiung 10 3. Kapitel: Der Widerwillen der Schüler 13 4. Kapitel: Der Widerwillen der Bodhisattvas 22 5. Kapitel: Der Trost des Kranken 29 6. Kapitel: Die Unvorstellbare Befreiung 36 7. Kapitel: Die Göttin 41 8. Kapitel: Die Familie der Tathāgatas 48 9. Kapitel: Die Dharmapforte der Nichtdualität 55 10. Kapitel: Das Festmahl 59 11. Kapitel: Die Lektion über das Zerstörbare und das Unzerstörbare 64 12. Kapitel: Das Schauen des Universums Abhirati und des Tathāgata Aksobhya 70 Epilog: Vorfahren und Überlieferung des heiligen Dharma 75 Anhang 81

Das Vimalakirti Sutra

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Das Vimalakīrti Sūtra:

Aus dem Tibetischen übersetzt von Robert A. F. Thurman, aus dem Englischen

Inhalt 1. Kapitel: Buddha Länder 2

2. Kapitel: Unvorstellbares Geschick in der Technik der Befreiung 10

3. Kapitel: Der Widerwillen der Schüler 13

4. Kapitel: Der Widerwillen der Bodhisattvas 22

5. Kapitel: Der Trost des Kranken 29

6. Kapitel: Die Unvorstellbare Befreiung 36

7. Kapitel: Die Göttin 41 8. Kapitel: Die Familie der Tathāgatas 48

9. Kapitel: Die Dharmapforte der Nichtdualität 55

10. Kapitel: Das Festmahl 59

11. Kapitel: Die Lektion über das Zerstörbare und das Unzerstörbare 64

12. Kapitel: Das Schauen des Universums Abhirati und des Tathāgata Aksobhya 70

Epilog: Vorfahren und Überlieferung des heiligen Dharma 75

Anhang 81

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Kapitel 1 Buddha Länder

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Kapitel 1: Buddha Länder Verehrung allen vergangenen, gegenwärtigen und zukünftigen Buddhas, Bodhisattvas, Arhats und Pratyekabuddhas. So habe ich gehört: Einst weilte der Erhabene im Garten von Āmrapālī in der Stadt Vaiśāli, Ihm wohnte eine große Versammlung bei. achttausend Biksus waren dort, jeder von ihnen war ein Heiliger. Sie alle waren frei von Unreinheiten und Leiden und sie hatten die Herrschaft über ihren Geist gemeistert. Ihr Geist war vollständig durch das Heiligkeitswissen befreit. Sie waren ruhig und würdevoll, wie königliche Elefanten. Sie hatten ihre Arbeit vollbracht, getan, was zu tun war. Sie hatten sich von ihrer Last befreit und ihr Ziel erreicht. Alle Daseinsfesseln hatten sie zerstört und die höchste Kontrolle über den Geist zur Perfektion gebracht. Weiterhin befanden sich dort zweiunddreißigtausend Bodhisattvas, große spirituelle Meister, die überall freudig begrüßt wurden. Sie waren geweiht durch die durchdringenden Aktivitäten ihrer höheren Geisteskräfte und wurden durch die Gnade der Buddhas unterstützt. Als Wächter in der Stadt des Dharma erhielten sie die Doktrin und ihre Lehren erschallten wie der Löwenruf in allen zehn Richtungen. Ohne jegliche Aufforderungen waren sie allen Wesen hilfreich und sie waren die spirituellen Wohltäter aller Lebewesen. Sie erhielten ununterbrochen den Erfolg der drei Kostbarkeiten. Sie besiegten und unterwarfen alle Teufel und Gegner und zeigten sich unbändig gegen Kritik. Ihre Aufmerksamkeit, Intelligenz, Erkenntnis, Meditation, Dhāranīs und ihre Eloquenz waren vollendet. Sie waren frei von allen Verschleierungen und emotionaler Eingebundenheit. Sie lebten in ungehinderter Befreiung. Sie waren vollendet in der Barmherzigkeit des Gebens, der standhaften Beachtung der Vorschriften und der Ethik, in der Geduld, im Streben, in der Meditation und der Weisheit, im Geschick der Befreiung, der Hingabe, der Kraft und der Erkenntnis. Die direkte Erkenntnis der letztendlichen Unbegreiflichkeit aller Dinge hatten sie erlangt. Sie hielten unaufhaltsam das Rad des Dharma in Bewegung und waren geprägt vom Zeichen der Zeichenlosigkeit. Experten waren sie im Bezug auf die Erkenntnis der spirituellen Fähigkeiten aller Lebewesen. Mit ihrem unerschrockenen Vertrauen (in den Dharma) übertrafen sie alle Versammlungen. Große Vorräte an Verdienst und Weisheit hatten sie in der Vergangenheit angesammelt; ihre Körper trugen die viel verheißenden Merkmale und erstrahlten ohne jedweden weltlichen Schmuck. Ihr Ruf und Ansehen war unvergleichbar wie der hochaufragende Gipfel des Berges Sumeru. Ihre hohe Entschlossenheit war so hart wie Diamant, unerschütterlich ihr Glaube zum Buddha, Dharma und Sangha. Sie ließen den Regenschauer des Ambrosia, ausgehend von den Lichtstrahlen des Dharmajuwels, welcher überall schien, niedergehen. Der angenehme Klang ihrer gewandten Worte erklang in allen Sprachen. Sie hatten die Tiefgründigkeit des abhängigen Entstehens erkannt und das Beharren auf instinktive mentale Gewohnheiten zerstört, welche der Überzeugung von Endlichkeit und Unendlichkeit unterliegen. Sie sprachen furchtlos wie brüllende Löwen, in der die großartige Lehre wie Donner erschallte. Unübertroffen übertrafen sie jedes Maß. Die besten Führer waren sie auf der Entdeckungsreise nach den Kostbarkeiten des Dharma, den Vorräten von Verdienst und Weisheit. Sie waren die Meister auf dem Pfad des Dharma, welches unverfälscht, friedlich, subtil, freundlich, schwer zu sehen und zu schwer zu verstehen ist. Mit ihrer Weisheit waren sie fähig, die Gedanken anderer Lebewesen zu verstehen, ebenso wie ihr Entstehen und Vergehen. Sie waren durch die Salbung der unvergleichlichen Erkenntnis des Buddha geweiht. Mit ihrer hohen Entschlossenheit näherten sie sich den zehn Kräften, den vier Furchtlosigkeiten und den achtzehn speziellen Fähigkeiten des Buddha.

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Sie hatten die schrecklichen Abgründe der drei niederen Leidensfährten überquert, nahmen aber aus Mitgefühl freiwillig Wiedergeburt in allen Daseinsbereichen an, um dort die Lebewesen zu disziplinieren. Als großartige Könige der Medizin verstanden sie alle Leiden der Begierde und gemäß der Leiden verabreichten sie die Medizin des heilenden Dharma. Sie waren wie unerschöpfliche Minen aus grenzenlosen Tugenden und sie verehrten und priesen zahllose Buddha Länder mit dem Glanz dieser Tugenden. Sehr großen Nutzen brachten sie, wenn man sie sah, hörte oder ihnen auch nur für einen Augenblick begegnete. Jemand, der sie für zahllose hunderttausend Myriaden Äonen preisen würde, erreichte dennoch nicht das Ende ihrer mächtigen Flut an Tugenden. Die Namen dieser Bodhisattvas waren: Samadarśana, Asamadarśana, Samādhivikurvitarāja, Dharmeśvara, Dharmaketu, Prabhāketu, Prabhāvyūha, Ratnavyūha, Mahāvyūha, Pratibhānakūta, Ratnakūta, Ratnapāni, Ratnamudrāhasta, Nityapralambahassta, Nityotksiptahasta, Nityatapta, Nityamuditendriya, Prāmadyarāya, Devarāja, Pranidhānapraveśaprāpta, Prasiddhapratisamvitprāpta, Ganganagañja, Ratnolkāparigrhīta, Ratnaśūra, Ratnapriya, Ratnaśarī, Indrajāla, Jālinīprabha, Nirālambandhyāna, Prajñākūta, Ratnadatta, Mārapramdardaka, Vidyuddeva, Vikurvanarāja, Kūtanimittasamatikrānta, Simhanādanādin, Giryagrapramardirāja, Gandhahastin, Gandhakuñjaranāga, Nityodyukta, Aniksiptadhura, Pramati, Sujāta, Padmaśrīgarbha, Padmavyūha, Avalokiteśvara, Mahāsthāmaprāpta, Brahmajāla, Ratnadandin, Mārakarmavijetā, Ksetrasamalamkāra, Maniratnacchattra, Suvarnacūda, Manicūda, Maitreya, Mañjuśrīkumārabhūta. Die Zahl solcher Bodhisattvas betrug zweiunddreißigtausend. Weiterhin waren dort zehntausend Brahmās versammelt, an der Spitze stand Brahmā Śikhin, der aus dem vierfaltigen Aśoka Universum kam, um den Buddha zu sehen, zu verehren, ihm zu dienen und um den Dharma aus Seinem eigenen Munde zu hören. Zwölftausend Śakras waren dort, alle aus verschiedenen vierfaltigen Welten. Und es waren noch andere mächtige Götter anwesend: Brahmās, Śakras, Lokapālas, Devas, Nāgas, Yaksas, Gandharvas, Asuras, Garudas, Kimnaras und Mahoragas. Letztlich waren dort die vierfache Gemeinschaft bestehend aus Bhiksus, Bhiksunīs, männlichen und weiblichen Laienanhängern versammelt. Lord Buddha, umgeben und verehrt von den verschiedenartigen, vielen hunderttausend Lebewesen, saß auf Seinem majestätischen Löwenthron und begann, den Dharma zu lehren. Der Lord dominierte über die vielen Anwesenden, so wie Sumeru, der König der Berge weit über die Ozeane hinausragt. Lord Buddha leuchtete hell, sein Körper sandte Lichtstrahlen aus und er glänzte, als er auf seinem glorreichen Löwenthron saß. Daraufhin kam der Licchavier Bodhisattva Ratnakāra mit fünfhundert jungen Licchavier aus der Stadt Vaiśāli, von denen jeder einen wertvollen Sonnenschirm trug, besetzt mit sieben verschiedenen Arten von Juwelen, zum Hain von Āmrapālī. Jeder nährte sich dem Buddha, verneigte sich zu Seinen Füßen, ging sieben mal im Uhrzeigersinn um Ihn herum, legte den Sonnenschirm als Gabe nieder und zog sich zu einer Seite zurück. Als alle kostbaren Sonnenschirme niedergelegt waren, verwandelten sie sich plötzlich durch die magischen Kräfte des Buddha in einen einzigen wertvollen Baldachin, der so groß war, dass er diese gesamte Galaxie mit all ihren Milliarden Welten überdachte. Die Oberfläche der gesamten Galaxie mit ihren Milliarden Welten spiegelte sich in der Innenseite des riesigen Baldachins wider. Nun war alles in dieser Galaxie zu sehen: zahllose Gefilde von Sonnen, Monde und stellare Körper; die Reiche der Devas, Nāgas, Yaksas, Gandharvas, Asuras, Garudas, Kimnaras und Mahoragas, als auch die Reiche der vier Mahārājas; der König der Berge, Berg Sumeru, der Berg Hīmadri, Berg Ratnaparvata, Berg Kālparvata, Berg Cakravāda, Berg Mahācakravada; alle großen Ozeane, Flüsse, Buchten, Ströme, Bäche und Quellen; und letztlich alle Dörfer, Siedlungen, Städte, Hauptstädte, Provinzen und Naturgebiete. All das konnte von jedem klar gesehen werden. Und die Stimmen der Buddhas

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aus allen zehn Richtungen konnten unter dem Baldachin vernommen werden, wie Sie Ihre Dharmalehren verkündeten. Das durch die übernatürlichen Kräfte des Buddha gewirkten herrliche Wunder beeindruckte die Versammlung, die erstaunt, entzückt, erfreut, befriedigt und von Ehrfurcht und Glück erfüllt war. Sie alle verneigten sich vor dem Tathāgata, zogen sich zu einer Seite zurück, legten ihre Hände zusammen und ließen ihren Blick gesammelt auf Ihm ruhen. Der junge Licchavier Ratnakāra kniete mit dem rechten Knie auf dem Boden nieder, hob seine zusammengelegten Hände zu ehren des Buddha und lobpreiste Ihn mit folgender Hymne: Rein sind Deine Augen, klar und schön, wie die Blüten eines blauen Lotus Rein sind Deine Gedanken, denn Du hast die höchste Vollkommenheit in allen Vertiefungen

verwirklicht. Unermesslich ist der Ozean Deiner Tugend und die Anhäufung Deiner guten Taten. Du folgst dem Pfad des Friedens. Oh großer Asket, Dir gilt die Ehrerbietung! Lehrer und Führer der Menschheit, wir betrachten die Offenbarung Deines Wunders. Die reinen und strahlenden Gefilde der Sugatas erscheinen vor uns, Und Deine umfassenden spirituellen Lehren führen uns zur Todlosigkeit Und durch Dich werden sie in jedwedem Raum des Universums hörbar. König des Dharma, Du regierst mit Dharma Dein höchstes Dharma-Königreich, Und damit überhäufst Du alle Lebewesen mit den Schätzen des Dharma. Als Vollendeter in der tiefgründigen Analyse der Dinge lehrst Du uns ihre letztendliche

Bedeutung. Souveräner Lord des Dharma, Dir gilt die Ehrerbietung! Alle diese Dinge entstehen in Abhängigkeit durch Ursachen, Dennoch sind sie weder Existent noch Nichtexistent. Darin gibt es kein Ego, niemand der Wahrnimmt, keinen Handelnden, Dennoch verliert keine Handlung, ob gut oder böse, ihren Effekt. So ist Deine Lehre. O Śākyamuni, Du hast die mächtigen Māras besiegt, Du hast in der höchsten Erleuchtung Friede, Unsterblichkeit und Glück gefunden. Durch den Einhalt von Gefühlen, Gedanken und geistiger Aktivität wird dieses Dennoch nicht von den Nicht-Buddhistenn realisiert. O wunderbarer König des Dharma, Du hast das Rad des Dharma für die Menschen und Götter ins Rollen gebracht. Mit der dreifachen Drehung des Rades und den mannigfaltigen Aspekten, Seiner ursprünglichen Reinheit und dem höchsten Frieden; Und dadurch werden die drei Kostbarkeiten offenbart. Jene, die gut in Deinem wertvollen Dharma geübt sind, Sind frei von vergeblichen Vorstellungen und immer äußerst friedvoll. Höchster Heilkundiger, Du beendest Wiedergeburt, Verfall, Krankheit und Tod. Unermesslicher Ozean der Tugend, Dir gilt die Ehrerbietung! Wie der Berg Sumeru bist Du, unberührt von Lobpreisung und Verachtung. Du liebst Wesen mit guter und schlechter Moral ohne jeden Unterschied.

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In Gleichmut weilst Du, Dein Geist ist wie der Himmel. Wer würde ein solch kostbares und edles Wesen nicht ehren wollen? Großer Heiliger, alle in der verschiedenartigen Versammlung, Erblicken Dein Antlitz mit aufrichtigem Glauben in ihren Herzen, Jedes Wesen betrachtet den Erhabenen, als sei Er direkt vor ihm. Dieses ist eine spezielle Qualität des Buddha. Obwohl der Lord nur mit einer Stimme spricht, Wird sie von den Anwesenden unterschiedlich wahrgenommen. Und jeder vernimmt sie in seiner eigenen Sprache, die ihm hilfreich ist. Dieses ist eine spezielle Qualität des Buddha. Vom Hören der Sprache des Buddhas mit einer Stimme Entwickeln einige nur ein intuitives Verständnis für die Lehre, andere erreichen Erkenntnis. Wieder andere können all ihre Zweifel zerstreuen. Dieses ist eine spezielle Qualität des Buddha. Ehrerbietung Dir, der Du die größten Führungsqualitäten und die Zehn Kräfte besitzt. Ehrerbietung Dir, der Du unerschrocken und furchtlos bist. Ehrerbietung Dir, der Du Führer aller Lebewesen bist Und die speziellen Qualitäten manifestierst. Ehrerbietung Dir, denn Du hast die Gebundenheit durch alle Fesseln durchtrennt. Ehrerbietung Dir, der Du, nachdem Du den Ozean Samsāras überquert hast, auf festem Grund

stehst. Ehrerbietung Dir, der Du die leidenden Wesen befreist. Ehrerbietung Dir, der Du nicht mehr im Rad des Lebens verbleibst. Du kreuzt den Weg der Wesen im Rad des Lebens, Doch ist Dein Geist befreit von allen Migrationen. So wie der Lotus, der im Schlamm geboren ist, nicht von diesem befleckt wird, Erhält der Lotus des Buddha die Realisierung von Leerheit. Du zeigst, dass alle Merkmale überall nichtig sind. Du unterliegst nicht mehr den Wünschen für irgend etwas in der Welt. Die magischen Kräfte des Buddha sind unvorstellbar. Ich verneige mich vor Dir, der Du nirgends stehst, wie unendlicher Raum. Anschließend, nachdem der junge Licchavier Ratnakāra den Buddha mit diesen Versen geehrt hatte, fuhr er weiter fort: „O Lord, diese fünfhundert jungen Licchaviers sind wahrlich auf dem Weg zur unübertroffenen, vollständigen Erleuchtung und sie fragen, was eines Bodhisattva´s Reinigung der Buddha Länder ist. Bitte, o Lord, erkläre ihnen wie ein Bodhisattva die Buddha Länder reinigt.“ Auf diese Anfrage hin gab der Buddha dem Licchavier Ratnakāra Seine Zustimmung: „Gut, gut, Ratnakāra! Deine Frage an den Tathāgata über die Reinigung der Buddha Länder ist wirklich gut. Darum, Ratnakāra, höre mir gut zu und bedenke meine Worte. Ich werde dir die Reinigung der Buddha Länder für die Bodhisattvas erklären.“ „Sehr gut, o Lord,“ antworteten Ratnakāra und die fünfhundert jungen Licchaviers und lauschten Seiner Worte.

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Der Buddha sprach, „Edle Söhne, die Lebewesen selbst stellen für einen Bodhisattva das Buddha Land dar. Warum? Ein Bodhisattva erzeugt im gleichen Umfang ein Buddha Land, wie er die Disziplin der Lebewesen bezüglich des Dharma bedingt. Er erzeugt ein Buddha Land im gleichen Umfang, wie sich die Lebewesen durch den Eingang in ein Buddha Land im Dharma niederlassen. Er erzeugt ein Buddha Land im gleichen Umfang, wie für Lebewesen, die in das Buddha Land kommen, sich die Buddha-Lehre manifestiert. Er erzeugt ein Buddha Land im gleichen Umfang, wie die Lebewesen dort ihre Spiritualität entwickeln. Warum? Edler Sohn, ein Buddha Land entspringt aus den Absichten der Lebewesen. „Zum Beispiel, Ratnakāra, sollte da jemand den Wunsch haben etwas in den leeren Raum zu bauen, so möge er dies tun, jedoch bleibt die Tatsache, dass es nicht möglich ist, etwas in den leeren Raum zu schmücken oder zu bauen. Genau in der gleichen Weise sollte ein Bodhisattva, der ganz klar weiß, dass alle Dinge wie leerer Raum sind, sich wünschen, ein Buddha Land zu schaffen, um Lebewesen den Dharma zu verkünden, so möge er dies tun, jedoch bleibt die Tatsache, dass es nicht möglich ist ein Buddha Land in den leerem Raum zu schmücken oder zu bauen. „Ratnakāra, eines Bodhisattva´s Buddha Land ist ein Gebiet von positiven Gedanken. Wenn er die Erleuchtung erlangt, werden Lebewesen, die frei sind von Heuchelei und Betrug, in seinem Buddha Land wiedergeboren. „Edler Sohn, eines Bodhisattva´s Buddha Land ist ein Gebiet von hohem Entschluss. Wenn er die Erleuchtung erlangt, werden Lebewesen, die in der Vergangenheit die zwei Vorräte an Verdienst und Weisheit angesammelt und die Wurzeln der Tugend gepflanzt haben, in seinem Buddha Land wiedergeboren. „Eines Bodhisattva´s Buddha Land ist ein Gebiet von tugendhafter Lebensweise. Wenn er die Erleuchtung erlangt, werden Lebewesen, die nach tugendhaften Prinzipien gelebt haben, in seinem Buddha Land wiedergeboren. „Eines Bodhisattva´s Buddha Land ist die Herrlichkeit vom Empfangen des Geistes der Erleuchtung. Wenn er die Erleuchtung erlangt, werden Lebewesen, die das Mahāyāna praktiziert haben in seinem Buddha Land wiedergeboren. „Eines Bodhisattva´s Buddha Land ist ein Gebiet der Großzügigkeit. Wenn er die Erleuchtung erlangt, werden Lebewesen, die all ihre Habseligkeiten verschenkt haben in seinem Buddha Land wiedergeboren. „Eines Bodhisattva´s Buddha Land ist ein Gebiet der Ethik. Wenn er die Erleuchtung erlangt, werden Lebewesen, die dem Pfad der Zehn Tugenden mit positiven Gedanken folgen in seinem Buddha Land wiedergeboren. „Eines Bodhisattva´s Buddha Land ist ein Gebiet der Pāramitās. Wenn er die Erleuchtung erlangt, werden Lebewesen mit der Vollendung der Pāramitās, Disziplin und den Vertiefungen – demnach gesegnet mit den zweiunddreißig großartigen Merkmalen – in seinem Buddha Land wiedergeboren. „Eines Bodhisattva´s Buddha Land ist ein Gebiet der Meditation. Wenn er die Erleuchtung erlangt, werden Lebewesen, die eine ausgeglichene Haltung durch Achtsamkeit und Gewahrsein haben, in seinem Buddha Land wiedergeboren.

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„Eines Bodhisattva´s Buddha Land ist ein Gebiet der Weisheit. Wenn er die Erleuchtung erlangt, werden Lebewesen, die die Bestimmung zur Erkenntnis des Absoluten haben in seinem Buddha Land wiedergeboren. „Eines Bodhisattva´s Buddha Land besteht aus den vier Unermesslichkeiten. Wenn er die Erleuchtung erlangt, werden Lebewesen mit Liebe, Mitgefühl, Mitfreude und Gleichmut in seinem Buddha Land wiedergeboren. „Eines Bodhisattva´s Buddha Land besteht aus den vier Methoden der Überzeugung von Lebewesen. Wenn er die Erleuchtung erlangt, werden Lebewesen, die die Befreiungen verwirklicht haben, in seinem Buddha Land wiedergeboren. „Eines Bodhisattva´s Buddha Land ist das Talent in der Technik der Befreiung. Wenn er die Erleuchtung erlangt, werden Lebewesen die das Talent in der Technik der Befreiung besitzen, in seinem Buddha Land wiedergeboren. „Eines Bodhisattva´s Buddha Land besteht aus den siebenunddreißig Erleuchtungsgliedern. Lebewesen, die sich in den vier Grundlagen der Achtsamkeit üben, in den vier rechten Anstrengungen, in den vier Wegen zur Macht, in den fünf Fähigkeiten, in den fünf Kräften, in den sieben Faktoren der Erleuchtung und im achtfachen heiligen Pfad, werden in seinem Buddha Land wiedergeboren. „Eines Bodhisattva´s Buddha Land ist sein Geist, der mit vollständiger Hingabe erfüllt ist. Wenn er die Erleuchtung erlangt, werden all seine Tugenden das Buddha Land schmücken. „Eines Bodhisattva´s Buddha Land ist die Doktrin, die alle acht unglücklichen Erscheinungsformen auslöscht. Wenn er die Erleuchtung erlangt, werden die Lebewesen nicht mehr in den drei Daseinsabgründen wiedergeboren und es werden keine acht unglücklichen Erscheinungsformen in seinem Buddha Land geben. „Eines Bodhisattva´s Buddha Land besteht aus seiner persönlichen Beachtung der Grundregeln und er hält sich zurück, andere für ihre Übertretungen zu beschuldigen. Wenn er die Erleuchtung erlangt, wird selbst das Wort ´Kriminalität´ nicht mehr in seinem Buddha Land erwähnt werden. „Eines Bodhisattva´s Buddha Land ist die Reinheit auf dem Pfad der Zehn Tugenden. Wenn er die Erleuchtung erlangt, werden Lebewesen in seinem Buddha Land wiedergeboren, die mit einem langen Leben gesegnet sind, viel Wohlstand besitzen, einen reinen Lebenswandel führen, die Wahrheit sprechen, sanft im Sprachgebrauch sind, sich aus parteilichen Intrigen heraushalten, geschickt die Gegner versöhnen, erleuchtende Gespräche führen, frei von Neid und Übelwollen sind und ausgestattet mit der Rechten Gesinnung. „Genau so, edler Sohn, wie die Entfaltung des Erleuchtungsgeistes ist, so sind seine positiven Gedanken. Und genau so wie seine positiven Gedanken sind, so ist die Entfaltung von Tugenden. „Seine Tugenden sind gleichbedeutend mit seiner hohen Entschlossenheit, seine hohe Entschlossenheit ist gleichbedeutend mit seiner Bestimmung, seine Bestimmung ist gleichbedeutend mit seiner Praxis, seine Praxis ist gleichbedeutend mit seiner gesamten Widmung, seine gesamte Widmung ist gleichbedeutend mit der Technik der Befreiung, seine

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Technik der Befreiung ist gleichbedeutend mit seiner Reifung der Lebewesen, seine Reifung der Lebewesen ist gleichbedeutend mit der Reinheit seines Buddha Landes. „Die Reinheit seines Buddha Landes spiegelt sich in der Reinheit der Lebewesen wider; die Reinheit der Lebewesen spiegelt die Reinheit der Erkenntnis wider; die Reinheit der Erkenntnis spiegelt die Reinheit der Doktrin wider; die Reinheit der Doktrin spiegelt die Reinheit seiner spirituellen Praxis wider; und die Reinheit seiner spirituellen Praxis spiegelt die Reinheit seines eigenen Geistes wider. Darauf hin hatte der ehrwürdige Śāriputra durch die magische Beeinflussung des Buddha folgenden Gedanken: „Wenn das Buddha Land nur so rein ist wie der Geist des Bodhisattvas, dann muss während der Karriere von Buddha Śākyamuni als Bodhisattva sein Geist unrein gewesen sein. Warum sonst sollte dieses Buddha Land so unrein sein?“ Der Buddha, der die Gedanken des ehrwürdigen Śāriputras las, sagte zu ihm: „Was glaubst du Śāriputra? Sind die Sonne und der Mond unrein, weil solche, die von Geburt an blind sind diese nicht sehen können?“ Śāriputra antwortete, „Nein, o Lord. Dem ist nicht so. Der Fehler liegt bei denen, die von Geburt an blind sind und nicht an der Sonne oder dem Mond.“ Der Buddha erklärte, „In der gleichen Weise, Śāriputra, liegt der Fehler bei zahlreichen Lebewesen, die nicht die strahlenden Erscheinungen des Buddha Landes des Tathāgata aufgrund ihrer eigenen Ignoranz erkennen können. Das ist nicht der Fehler des Tathāgata. Śāriputra, das Buddha Land des Tathāgata ist rein, aber du siehst es nicht.“ Der Brahmā Śikhīn sagte darauf zu Śāriputra, „Ehrwürdiger Śāriputra, sag nicht, dass das Buddha Land des Tathāgata unrein ist. Ehrwürdiger Śāriputra, das Buddha Land des Tathāgatas ist rein. Ich sehe das prachtvolle und weitläufige Buddha Land von Lord Śākyamuni, und es ist vergleichbar mit der Herrlichkeit der Wohnstätte der höchsten Gottheiten.“ Der ehrwürdige Śāriputra entgegnete dem Brahmā Śikhīn, „Was mich betrifft, o Brahmā, ich sehe diese große Erde, mit den Höhen und Tiefen, den Stacheln und Dornen, den Schluchten, den Gipfeln und Abgründen, als wären sie mit Fäkalien angefüllt.“ Brahmā Śikhīn antwortete, „Die Tatsache, dass du dieses Buddha Land als unrein wahrnimmst, ehrwürdiger Śāriputra, ist ein sicheres Zeichen für Höhen und Tiefen in deinem Geist, und deine positiven Gedanken in Bezug auf die Buddha-Erkenntnis ist ebenfalls nicht rein. Ehrwürdiger Śāriputra, diejenigen, deren Geist eine unvoreingenommene Betrachtungsweise allen Lebewesen gegenüber pflegen und welche gute und reine Gedanken bezüglich der Buddha-Erkenntnis hegen, erkennen dieses Buddha Land in seiner perfekten Reinheit.“ Darauf hin berührte der Lord den Boden dieses Milliarden-Weltgalaxien Universums mit Seinem großen Zeh und plötzlich wandelte es sich in eine gigantische Masse aus wertvollen Juwelen, in ein herrliches Aufgebot von vielen hunderttausend Bergen von Edelsteinen, bis es dem Universum des Tathāgata Ratnavyūha mit dem Namen Anantagunaratnavyūha ähnelte. Die gesamte Versammlung war mit Begeisterung erfüllt, jeder von ihnen sah sich auf einem Thron aus juwelenbesetzten Lotusblumen sitzen.

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Lord Buddha sagte zum ehrwürdigen Śāriputra, „Śāriputra, siehst du den Glanz und die Pracht der Tugenden des Buddha Landes?“ Śāriputra antwortete, „Ich sehe es, o Lord! Vor mir erscheint der Glanz und die Pracht, wie ich sie noch nie zuvor gesehen und wovon ich noch nie gehört habe!“ Der Buddha begegnete, „Śāriputra, dieses Buddha Land ist immer so rein, aber die Tathāgatas lassen es beschmutzt mit vielen Fehlern erscheinen, um Wesen mit geringerem Verständnis zur Reifung zu bringen. Zum Beispiel, Śāriputra, die Götter des Trāyastrimśa Himmels entnehmen ihre Nahrung aus einem einzigen Gefäß, dennoch ist die Erscheinung des Nektars für jedes Wesen dort verschieden, je nach dem, wie viele tugendhafte Verdienste sie angesammelt haben. Genau so, Śāriputra, nehmen die Wesen in einem Buddha Land den Glanz und die Pracht in dem Grad war, der ihrer Reinheit entspricht.“ Als dieser Glanz und die Pracht der Tugenden des Buddha Landes erstrahlte, richteten achtundvierzigtausend Wesen den Geist auf das Erreichen unübertroffener, perfekter Erleuchtung, und fünfhundert junge Licchavier, die den jungen Licchavier Ratnakāra begleitet hatten, erlangten die Einsicht der letztendlichen Wahrheit der Geburtlosigkeit. Nachdem der Buddha aufhörte, die magischen Kräfte wirken zu lassen, erschien das Buddha Land sofort wieder in seiner gewohnten Form. Darauf hin dachten die Menschen und Götter des Theravāda-Fahrzeugs, „Ach! Alle in Abhängigkeit entstandenen Dinge sind unbeständig.“ Dadurch reinigten zweiunddreißigtausend Wesen ihr unbeflecktes und unverzerrtes Dharma-Auge in Bezug auf alle Dinge. Achttausend Biksus wurden von ihren geistigen Verblendungen gereinigt und erreichten den Zustand des Nichtergreifens. Und achtundvierzigtausend Lebewesen, die an der Erhabenheit des Buddha Landes teil hatten, verstanden, dass alle Dinge nichts weiter als sind als Illusionen und sie richteten ihren Geist auf das Erlangen der unübertroffenen, perfekten Erleuchtung.

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Kapitel 2 Unvorstellbares Geschick in der Technik der Befreiung

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Kapitel 2: Unvorstellbares Geschick in der Technik der Befreiung Zu dieser Zeit lebte in der großen Stadt Vaiśāli ein Licchavier mit dem Namen Vimalakīrti. Er hatte bereits vielen Buddhas gedient und durch die Verehrung und die Gaben an Sie große Verdienste angesammelt. Er hatte Geduld und Eloquenz entwickelt und vergnügte sich mit den höheren Geisteskräften. Er hatte die Kraft der Dhāranīs und die Furchtlosigkeiten erlangt. Er hatte alle Dämonen und Gegner besiegt. Er hatte die profundesten Bereiche des Dharma verwirklicht. Er hatte durch die Vollendung der Weisheit die Befreiung erreicht. Durch die Verbindung seiner Realisation mit der Technik der Befreiung war er ein Meister im Gedankenlesen und der Erkenntnis der Vorhaben und Wünsche anderer Wesen. Die Stärken und Schwächen anderer Wesen erkennend und mit der Segnung unübertrefflicher Eloquenz lehrte er jedem den Dharma in angemessener Weise. Nachdem er eifrig das Mahāyāna praktiziert hatte und es vollständig verstand, widmete er sich seinen Aufgaben mit großer Finesse. Er lebte mit dem Benehmen eines Buddhas und seine überlegene Intelligenz war weit wie der Ozean. Er wurde von den Buddhas gepriesen, geehrt und empfohlen und Indra, Brahmā und alle Lokapālas zollten ihm Respekt. Um Lebewesen mit seinem Geschick in der Technik der Befreiung zur Reifung zu bringen, lebte er in der großen Stadt Vaiśāli. Sein Reichtum war unerschöpflich, damit konnte er die Armen und Elenden unterstützen. Er achtete auf Disziplin und Ethik, um die Unsittlichen zu beschützen. Er übte Geduld und Selbstkontrolle, um andere Wesen zu versöhnen, die wütend, grausam, verletzend und brutal waren. Er war immer Strebsam, um faule Leute zu inspirieren. Er war konzentriert, achtsam und meditierte, um Leuten mit falschen Ansichten zu helfen. Und er besaß die entscheidende Weisheit, um damit die Törichten zu belehren. Er trug die weißen Kleider eines Laienjüngers, doch lebte er einwandfrei wie ein religiöses Oberhaupt. Er lebte zu Hause, aber er blieb fernab der Sinnenwelt, der feinkörperlichen- und der unkörperlichen Welt. Er hatte einen Sohn, eine Frau und Haushälterinnen, aber er hielt immer Maß. Er schien umringt von Bediensteten, doch lebte er in Einsamkeit. Es schien, als trug er viel Zierrat, doch war er ausgestattet mit den viel verheißenden Merkmalen und Zeichen. Obwohl er aß und trank, bevorzugte er die Kost der Meditation. Er zeigte sich auf Sportplätzen und in Casinos, doch sein Ziel war es solche Leute zur Reifung zu bringen, die dem Wetten und Glücksspielen anhafteten. Er besuchte angesehene häretische Lehrer, aber er behielt unentwegt die Loyalität zu den Buddhas. Er verstand sich in den weltlichen und transzendentalen Wissenschaften und den esoterischen Praktiken, doch am liebsten war ihm der Dharma. Er mischte sich unter alle möglichen Gesellschaften, und von allen wurde er als der Beste respektiert. Um in Harmonie mit den Leuten zu leben, gesellte er sich zu den Alten, zu denen mittleren Alters und den jungen Leuten, und er sprach immer in Übereinstimmung mit dem Dharma. Er betrieb allerlei Geschäfte, doch hatte er keine Interesse an Gewinn und Besitztümern. Um Lebewesen den Dharma zu lehren, erschien er an Kreuzungen und an Straßenecken, und um sie zu schützen beteiligte er sich an der Politik. Um Leute aus der Hīnayāna-Lehre in die Mahāyāna-Lehre zu bringen, erschien er unter Hörern und Lehrern des Dharma. Um Kinder zur Reifung zu bringen, besuchte er zahlreiche Schulen. Um die üblen Konsequenzen der Sinnenlust zu verdeutlichen, ging er sogar in Bordelle. Um Trinkern die rechte Achtsamkeit zu bringen, betrat er zahlreiche Kneipen. Er wurde als der Kaufmann unter den Kaufleuten geehrt, weil er ihnen die Priorität des Dharma lehrte. Er wurde als der Grundbesitzer unter den Grundbesitzern geehrt, weil er auf die Aggressivität im Besitztum verzichtete. Er wurde als der Krieger unter den Kriegern

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Kapitel 2 Unvorstellbares Geschick in der Technik der Befreiung

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geehrt, weil er sich in Ausdauer, Entschlossenheit und Stärke übte. Er wurde als der Aristokrat unter den Aristokraten geehrt, weil er Stolz, Eitelkeit und Arroganz verwarf. Er wurde als der Politiker unter den Politikern verehrt, weil er die Gesetze der Regierung im Einklang mit dem Dharma brachte. Er wurde als der Prinz unter den Prinzen verehrt, weil er sie von der Gier nach der königlichen Lebensweise und ihrer Macht fern hielt. Er wurde von den Eunuchen des königlichen Harems verehrt, weil er den jungen Frauen den Dharma lehrte. Er passte zu den gewöhnlichen Leuten, weil er die Vortrefflichkeit der gewöhnlichen Verdienste schätzte. Er wurde als Indra unter den Indras geehrt, weil er ihnen die Weltlichkeit ihrer Herrschaft aufzeigte. Er wurde als Brahmā unter den Brahmās geehrt, weil er ihnen die spezielle Vortrefflichkeit der Buddhaerkenntnis aufzeigte. Er wurde als der Lokapāla unter den Lokapālas geehrt, weil er die Entwicklung aller Lebewesen förderte. So lebte der Licchavier Vimalakīrti in der großen Stadt Vaiśāli, ausgestattet mit einem unbegrenzten Wissen und einem unvorstellbaren Geschick in der Technik der Befreiung. Zu dieser Zeit, aus dem Geschick der Befreiung heraus, manifestierte er sich erkrankt. Viele besuchten ihn, um sich nach seiner Gesundheit zu erkundigen: der König, die Politiker, die Grundbesitzer, die Jugendlichen, die Aristokraten, die Haushälter, die Kaufleute, Leute aus der Stadt, Leute vom Land und viele tausend andere Wesen kamen aus der großen Stadt Vaiśāli. Als sie alle herangekommen waren, lehrte sie Vimalakīrti den Dharma, beginnend mit einem Diskurs über die vier Elemente: „Freunde, dieser Körper ist vergänglich, anfällig, unzuverlässig und schwach. Er ist ohne Substanz, verfallend, kurzlebig, schmerzhaft, voller Krankheiten und dem Wandel unterworfen. Daher meine Freunde ist dieser Körper nur ein Gefäß, in dem sich Krankheiten niederlassen, der Weise verlässt sich nicht auf ihn. Dieser Körper ist nur ein Ball aus Schaum, nicht fähig irgendwelchen Druck auszuhalten. Er ist wie eine Seifenblase, die nicht von Dauer ist. Er ist wie eine Luftspiegelung, entstanden aus dem Appetit der Leidenschaften. Er ist wie ein Stamm eines hohlen Baumes, ohne jeglichen Kern. Ach! Dieser Körper ist wie eine Maschine, eine Zusammenführung von Knochen und Sehnen. Er ist wie eine magische Illusion, bestehend aus Verfälschungen. Er ist wie ein Traum, bestehend aus einer unwirklichen Vision. Er ist wie eine Spiegelung, bestehend aus dem Bild früherer Handlungen. Er ist wie ein Echo, der bedingten Entstehung unterworfen. Er ist wie eine Wolke, charakterisiert durch Turbulenzen und Wiederauflösung. Er ist wie ein Blitz, so instabil und sich von Moment zu Moment verzehrend. Der Körper ist ohne Besitzer, ein Produkt von einer Vielzahl von Bedingungen. „Dieser Körper ist inert, wie die Erde; ohne Selbst, wie Wasser; leblos, wie Feuer; ohne Persönlichkeit, wie der Wind; und ohne Substanz, wie der Raum. Dieser Körper ist unreal, nur eine Ansammlung der vier Elemente. Er ist leer, er existiert nicht mit einem Selbst oder als Eigenbesitz. Er ist unbewegt, so wie Gras, Bäume, Wände, Erdklumpen und Halluzinationen. Er ist unbelebt, so wie eine Windmühle angetrieben wird. Er ist schmutzig, wie verklumpter Eiter und Exkremente. Er ist falsch, da er verdammt ist, zu zerbrechen, statt gesalbt und massiert zu werden. Er wird von den vierhundertvier Krankheiten heimgesucht. Er ist wie eine Urquelle, die ständig vom Altern übermannt wird. Seine Haltbarkeit ist niemals sicher, sicher ist nur sein Ende im Tod. Dieser Körper ist eine Komposition der Aggregate, Elemente und der Sinnesfähigkeiten, welche vergleichbar sind mit Mördern, giftigen Schlangen oder einer leeren Stadt. Daher sollte auf euch der Körper abstoßend wirken. Ihr solltet daran verzweifeln und eure Verehrung auf den Körper des Tathāgatas richten.

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Kapitel 2 Unvorstellbares Geschick in der Technik der Befreiung

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„Freunde, der Körper eines Tathāgata ist der Körper des Dharma, geboren aus der Erkenntnis. Der Körper des Tathāgata ist aus den Vorräten von Verdienste und Weisheit geboren. Er ist aus Sittlichkeit, aus Meditation, aus Weisheit, aus den Befreiungen, aus dem Wissen und aus der Vision der Befreiung geboren. Er ist aus Liebe, Mitgefühl, Freude und Unbefangenheit geboren. Er ist geboren aus Nächstenliebe, Disziplin und Selbstkontrolle. Er ist aus dem Pfad der Zehn Tugenden geboren. Er ist aus Geduld und Sanftheit geboren. Er ist aus den Wurzeln der Tugenden geboren, die aus erheblichen Anstrengungen entstanden sind. Er ist aus den Konzentrationen, den Befreiungen, den Meditationen und den Vertiefungen geboren. Er ist aus Lernfähigkeit, Weisheit und der Technik der Befreiung geboren. Er ist aus den siebenunddreißig Erleuchtungsgliedern geboren. Er ist aus der geistigen Stille und der transzendentalen Analyse geboren. Er ist aus den Zehn Kräften, den vier Furchtlosigkeiten und den achtzehn speziellen Qualitäten geboren. Er ist aus den sechs Pāramitās geboren. Er ist aus den Wissenschaften und den höheren Geisteskräften geboren. Er ist aus dem vollständigen Verlassen von schlechten Eigenschaften und von der Anhäufung guter Eigenschaften geboren. Er ist aus Wahrheit geboren. Er ist aus Realität geboren. Er ist aus klarem Bewusstsein geboren. „Freunde, der Körper eines Tathāgata ist aus unzählbaren guten Taten geboren. Nach solch einem Körper sollt ihr streben und, um das Geschwulst der Leidenschaften aller Lebewesen zu beseitigen, solltet ihr euren Geist auf das Erreichen der unübertroffenen, perfekten Erleuchtung richten.“ Während der Licchavier Vimalakīrti den Dharma auf diese Weise denen lehrte, die gekommen waren, um sich nach seiner Gesundheit zu erkundigen, richteten viele hunderttausend Wesen ihren Geist auf das Erlangen der unübertroffenen, perfekten Erleuchtung.

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Kapitel 3 Der Widerwillen der Schüler

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Kapitel 3: Der Widerwillen der Schüler Der Licchavier Vimalakīrti dachte sich dann, „Ich liege krank und mit Schmerzen in meinem Bett und der Tathāgata, der Heilige, der vollkommen erleuchtete Buddha zieht es nicht in Erwägung, jemanden aus Mitgefühl zu mir zu schicken, um sich nach meiner Gesundheit zu erkundigen.“ Der Lord, gewahr der Gedanken des Licchavier Vimalakīrti, sagte zum ehrwürdigen Śāriputra, „Śāriputra, gehe zum Licchavier Vimalakīrti und erkundige dich nach seiner Gesundheit.“ Nachdem der Buddha den ehrwürdigen Śāriputra so aufgefordert hatte, antwortete er, „O Lord, ich bin wirklich nicht willens zum Licchavier Vimalakīrti zu gehen, um mich nach seiner Gesundheit zu erkundigen. Warum? Ich erinnere mich an einen Tag, als ich am Fuße eines Baumes im Wald saß und die Vertiefung übte, als der Licchavier Vimalakīrti zum Fuße des Baumes kam und zu mir sagte, ´Ehrwürdiger Śāriputra, dieses ist nicht die richtige Art und Weise, wie man sich in der Vertiefung üben sollte. Du solltest dich in der Vertiefung üben, so dass weder Körper noch Geist irgendwo in den drei Welten erscheint. Du solltest dich in der Vertiefung üben, bis du alle alltäglichen Handlungen ausführen kannst, ohne dabei das Gewahrsein des Absoluten zu verlassen. Du solltest dich in der Vertiefung üben, in dem du die Natur einer gewöhnlichen Person manifestierst, ohne dabei deine bereits kultivierte spirituelle Natur zu vernachlässigen. Du solltest dich in der Vertiefung üben, in dem du weder deinen Geist in dir selbst niederlässt, noch in äußeren Formen. Du solltest dich in der Vertiefung üben, in dem du die siebenunddreißig Erleuchtungsglieder manifestierst, ohne dabei zu einer Überzeugung abzuweichen. Du solltest dich in der Vertiefung üben, in der du die Befreiung verwirklichst, ohne dabei die Leidenschaften zu verlassen, die der Bereich dieser Welt sind. „Ehrwürdiger Śāriputra, diejenigen, die sich auf solche Art und Weise in der Vertiefung üben, von ihnen hat der Lord verkündet, dass sie sich wahrhaftig vertiefen.´ „O Lord, als ich diese Lehrrede gehört hatte, war ich unfähig zu antworten und blieb still. Deshalb bin ich nicht willens, zum Licchavier Vimalakīrti zu gehen, um mich nach seiner Gesundheit zu erkundigen.“ Danach wandte sich der Buddha an den ehrwürdigen Mahāmaudgalyāyana, „Mahāmaudgalyāyana, gehe zum Licchavier Vimalakīrti und erkundige dich nach seiner Gesundheit.“ Maudgalyāyana antwortete, „O Lord, ich bin wirklich nicht willens zum Licchavier Vimalakīrti zu gehen, um mich nach seiner Gesundheit zu erkundigen. Warum? Ich erinnere mich an einen Tag, als ich Haushältern auf einem Feld der großen Stadt Vaiśāli Dharma lehrte und der Licchavier Vimalakīrti vorbei kam. Er sagte zu mir, „Ehrwürdiger Maudgalyayana, das ist nicht die Art und Weise wie man Haushältern in weißer Kleidung den Dharma lehrt. Der Dharma muss gemäß der Wirklichkeit gelehrt werden. „Ehrwürdiger Maudgalyayana, der Dharma ist ohne Lebewesen, weil er frei vom Staub der Lebewesen ist. Er ist ohne Selbst, weil er frei vom Staub des Verlangens ist. Er ist leblos, weil er frei von Geburt und Tod ist. Er ist ohne Persönlichkeit, weil er ohne frühere Herkunft und zukünftiger Bestimmung ist.

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„Der Dharma ist Frieden und Beschwichtigung, weil es frei von Verlangen ist. Er wird nicht zu einem Objekt, weil er frei von Worten und Buchstaben ist; er ist unausdrücklich und er ist jenseits von allen Regungen des Geistes. „Der Dharma erscheint überall, weil er wie unendlicher Raum ist. Er ist ohne Farbe, Kennzeichen oder Form, weil er frei von allen Prozessen ist. Er ist ohne ein Konzept von „mein“, weil er frei von gewohnheitsmäßiger Begrifflichkeit des Besitzens ist. Er ist ohne Begrifflichkeit, weil er ohne Geist, Gedanken und Bewusstsein ist. Er ist unvergleichbar, weil er keine Antithese hat. Er ist ohne Annahmen über Bedingtheit, weil er nicht mit Ursachen konform ist. „Er durchdringt gleichmäßig alle Dinge, weil alles im letztendlichen Bereich enthalten ist. Er ist konform mit der Wirklichkeit durch den Prozess der Nichtkonformität. Er weilt niemals in einem relativen Bereich, da er absolut ohne Fluktuation ist. Er ist unbewegbar, da er unabhängig von den sechs Sinnenobjekten ist. Er ist ohne Kommen und Gehen, da er niemals still steht. Er besteht aus Leerheit, ist bemerkenswert durch das Fehlen von Zeichen und ist ohne Annahme und ohne Ablehnung durch Wunschlosigkeit, ohne Geburt oder Zerstörung. Er ist ohne ein grundlegendes Bewusstsein und jenseits vom Bereich des Auges, Ohres, Nase, Zunge, Körper und Gedanken. Er ist ohne Höhen und Tiefen. Er verweilt ohne Bewegung oder Aktivität. „Ehrwürdiger Mahāmaudgalyāyana, wie kann es zu solchem Dharma eine Lehre geben? Ehrwürdiger Mahāmaudgalyāyana, selbst der Ausdruck „den Dharma zu lehren“ ist vermessen, und diejenigen, die zuhören lauschen der Vermessenheit. Ehrwürdiger Mahāmaudgalyāyana, wo es keine vermessenen Worte gibt, gibt es keine Dharmalehrer, niemand der zuhört, niemand der versteht. Es ist, als ob eine illusionäre Person illusionären Leuten den Dharma lehrte. „Deshalb solltest du den Dharma lehren und dabei immer an diesen Aspekt denken. Du solltest erfahren sein im Bezug auf spirituelle Fähigkeiten von Lebewesen. Durch die korrekte Sichtweise des Weisheit-Auges, großes Mitgefühl manifestierend, die wohlwollenden Handlungen der Buddhas bestätigend, deine Absichten reinigend, die letztendliche Aussage des Dharma verstehend, solltest du den Dharma lehren, damit die Fortdauer der drei Kostbarkeiten niemals unterbrochen wird. „O Lord, als Vimalakīrti so seinen Diskurs hielt, richteten achthundert Haushälter in der Versammlung den Geist auf das Erreichen der unübertroffenen, perfekten Erleuchtung. Und ich für meinen Teil war sprachlos. Deshalb, o Lord, bin ich nicht willens zu diesem guten Mann zu gehen, um mich nach seiner Gesundheit zu erkundigen. Der Buddha, sich an den ehrwürdigen Mahākāśyapa wendend, sprach, „Mahākāśyapa, gehe du zum Licchavier Vimalakīrti und erkundige dich nach seiner Gesundheit.“ „O Lord, ich bin wirklich nicht willens zum Licchavier Vimalakīrti zu gehen, um mich nach seiner Gesundheit zu erkundigen. Warum? Ich erinnere mich an einen Tag, als ich auf der Straße unter den Armen war und für mein Essen bettelte, als der Licchavier Vimalakīrti meinen Weg kreuzte und zu mir sagte, „Ehrwürdiger Mahākāśyapa, die Häuser der Reichen zu meiden und die Häuser der Armen zu bevorzugen, ist ein Vorurteil in Mildtätigkeit. Ehrwürdiger Mahākāśyapa, du solltest in der Gleichheit aller Dinge verweilen und du solltest alle Lebewesen einbeziehen, wenn du um Almosen bittest. Du solltest um Almosen bitten, um in anderen den Hang zum Materialismus zu beseitigen. Wenn du eine Stadt betrittst,

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solltest sich dein Geist immer der Leerheit gewahr sein, dennoch solltest du fortfahren, um dem Geist anderer Lebewesen dieses zu vergegenwärtigen. Du solltest ein Haus betreten, als wohnte dort die Familie des Buddha. Du solltest Almosen annehmen, in dem du nicht alles beliebige akzeptierst. Du solltest Formen betrachten, als wärest du von Geburt an blind, Geräusche hören, als seinen es Echos, Gerüche riechen, als wäre es Wind, Säfte ohne jede Unterscheidung schmecken, Dinge mit dem Gewahrsein fühlen, dass sie ohne Erkenntnis im Letztendlichen sind und die Dinge mit dem Bewusstsein einer illusionären Kreatur vernehmen. Das, was nicht mit einer intrinsischen Natur existiert und nicht aus einer bedingenden Substanz besteht, brennt nicht. Und was nicht brennt, wird nicht erlöschen. „Ehrwürdiger Mahākāśyapa, wenn du dich im Gegengewicht zu den acht Befreiungen befindest, ohne die acht Falschen Pfade zu übertreten, dann kannst du durch den Gleichmut bezüglich der falschen Sichtweise im Gleichmut der Wirklichkeit verweilen. Erst wenn du im Gleichmut im Bezug auf die acht falschen Pfade weilst und wenn du ein Geschenk an alle Lebewesen und eine Darbringung an die Heiligen und Buddhas machst, und sei es nur ein winziger Teil deiner Almosenspeise, dann erst sollst du essen. Wenn du also nach der Darbringung isst, solltest du weder durch Leidenschaft beeinträchtigt, noch frei von Leidenschaften sein, weder in Konzentration eingebunden, noch frei von Konzentration sein, weder in der Welt leben, noch in Befreiung verweilen. Weiterhin, solche, die Almosen geben, haben weder großen Verdienst, noch einen kleinen, haben weder Gewinn noch Verlust. Sie sollten den Weg der Buddhas folgen, nicht den Weg der Schüler. Nur in dieser Weise, ehrwürdiger Mahākāśyapa, ist die Praxis des Essens der Almosenspeise von Bedeutung. „O Lord, als ich diese Lehre gehört hatte, war ich erstaunt und dachte mir: ´Verehrung allen Bodhisattvas! Wenn ein Laienjünger mit einer solchen Eloquenz gesegnet ist, wen soll es dann geben, der nicht seinen Geist auf das Erreichen der unübertroffenen, perfekten Erleuchtung richten kann? Seit dieser Zeit empfehle ich nicht mehr das Fahrzeug der Schüler und Pratyekabuddhas, sondern ich empfehle das Mahāyāna. Und so, o Lord, bin ich nicht willens zu diesem guten Mann zu gehen, um mich nach seiner Krankheit zu erkundigen.“ Dann sagte der Buddha zum ehrwürdigen Subhūti, „Subhūti, gehe zum Licchavier Vimalakīrti und erkundige dich nach seiner Gesundheit.“ Der ehrwürdige Subhūti antwortete, „O Lord, ich bin wirklich nicht willens, zu diesem guten Mann zu gehen, um mich nach seiner Gesundheit zu erkundigen. Warum? O Lord, ich erinnere mich an einen Tag, als ich zum Betteln zum Haus des Licchavier Vimalakīrti in der großen Stadt Vaiśāli ging. Er nahm meine Schale und füllte sie mit allerhand köstlicher Speise und sagte zu mir, „Ehrwürdiger Subhūti, nimm diese Speise, wenn du die Gleichheit aller Dinge anhand der Gleichheit von materiellen Objekten verstehst und wenn du die Gleichheit aller Attribute des Buddha anhand der Gleichheit aller Dinge verstehst. Nimm diese Speise, wenn du, ohne dich von Verlangen, Hass und Torheit abzuwenden, dich nicht mit ihnen verbindest; wenn du den Pfad des einzigen Weges gehen kannst, ohne die egoistischen Sichtweisen zu verändern; wenn du die Wissen und Befreiungen erlangst, ohne Ignoranz und Daseinsdurst zu besiegen; wenn du durch die Gleichheit der fünf Todsünden die Gleichheit der Befreiung erreichst; wenn du weder befreit, noch gebunden bist; wenn du die vier Edlen Wahrheiten nicht siehst, aber auch nicht derjenige bist, „der die vier Edlen Wahrheiten nicht gesehen hat“; wenn du die Früchte nicht erlangt hast, und auch nicht der bist, „der die Früchte nicht erlangt hat“; wenn du eine gewöhnliche Person bist, aber nicht die Eigenschaften einer gewöhnlichen Person hast; wenn du nicht heilig bist, doch auch nicht unheilig; wenn du Verantwortung für alle Dinge trägst, doch auch frei vom Begriff der Angelegenheiten bist.

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„Nimm dieses Essen, ehrwürdiger Subhūti, wenn du, ohne den Buddha zu suchen, den Dharma zu hören oder der Sangha zu dienen, dein religiöses Leben unter den sechs häretischen Meistern namens Purāna Kāśyapa, Māskārin Gośāliputra, Samjāyin Vairatiputra, Kakuda Kātyāyana, Ajita Keśakambala und Nirgrantha Jñaniputra weiterführst und ihren Wegen folgst, die sie dir vorschreiben. „Nimm dieses Essen, ehrwürdiger Subhūti, wenn, falschen Sichtweisen folgend, du keine Extreme und keine Mitte findest; wenn du an die acht ungünstigen Umstände gebunden bist und du keine begünstigenden Umstände erfährst; wenn du, dich in Leidenschaften schwelgend, keine Reinigung erlangst; wenn die Leidenschaftslosigkeit aller Lebewesen deine Leidenschaftslosigkeit ist, Geistlicher; wenn solche, die dir Spenden, dabei nicht gereinigt werden; wenn solche die dir Speise geben, trotzdem in den drei niederen Bereichen wiedergeboren werden; wenn du dich mit allen Māras verbündest; wenn du dich allen Leidenschaften hingibst; wenn die Natur der Leidenschaft die Natur der Geistlichen ist; wenn du lebensfeindliche Gefühle allen Lebewesen gegenüber hegst; wenn du die Buddhas verachtest; wenn du alle Lehren der Buddhas kritisierst; wenn du nicht auf eine Sangha vertraust; und schließlich, wenn du niemals in die letztendliche Befreiung eingehst.´ „O Lord, als ich diese Worte des Licchavier Vimalakīrti hörte, fragte ich mich, was ich darauf erwidern und was ich tun sollte; ich war völlig im Dunkeln. Ich hinterließ die Almosenschale und wollte das Haus verlassen, als der Licchavier Vimalakīrti zu mir sagte, ´Ehrwürdiger Subhūti, habe keine Angst vor diesen Worten und nimm deine Schale mit. Was denkst du, ehrwürdiger Subhūti? Wenn es eine Inkarnation erschaffen von den Buddhas gewesen wäre, die diese Worte gesprochen hat, wärest du dann beängstigt?´ „Ich antwortete, `Nein, wirklich nicht, edler Herr!´ Darauf erwiderte er, ´Ehrwürdiger Subhūti, die Natur der Dinge ist wie eine Illusion, wie magische Ausgeburten. Du solltest keine Angst vor ihnen haben. Warum? Alle Worte haben diese Natur und so sind die Weisen den Worten nicht angehaftet, noch fürchten sie sie. Warum? Jede Sprache existiert im Letztendlichen nicht, außer als Befreiung. Die Natur aller Dinge ist Befreiung.´ „Als Vimalakīrti diese Rede gehalten hatte, erkannten zweihundert Götter die reine lehrmäßige Vision bezüglich aller Dinge, ohne Unklarheit oder Verblendungen und fünfhundert Götter erreichten die gleiche diesbezügliche Erkenntnis. Was mich betrifft, ich war sprachlos und unfähig, ihm zu antworten. Darum, o Lord, bin ich nicht willens zu diesem guten Mann zu gehen, um mich nach seiner Gesundheit zu erkundigen.“ Der Buddha sprach dann zum ehrwürdigen Pūrna-Maitrayānīputra, „Pūrna, gehe zum Licchavier Vimalakīrti und erkundige dich nach seiner Gesundheit.“ Pūrna antwortete, „O Lord, ich bin wirklich nicht willens zu diesem guten Mann zu gehen, um mich nach seiner Gesundheit zu erkundigen. Warum? O Lord, ich erinnere mich an einen Tag, als ich den Dharma einigen jungen Biksus in einem großen Wald lehrte. Der Licchavier Vimalakīrti erschien dort und sagte zu mir, „Ehrwürdiger Pūrna, konzentriere dich zu aller erst auf den Geist dieser jungen Biksus, erst dann lehre den Dharma! Fülle keine faule Speise in eine kostbare Schale! Verstehe erst die Neigungen dieser Biksus und verwechsele nicht unbezahlbare Saphire mit Glaskugeln! „Ehrwürdiger Pūrna, ohne die spirituellen Fähigkeiten von Lebewesen zu untersuchen, solltest du ihnen nicht die Einseitigkeit ihrer Fähigkeiten unterstellen; verwunde nicht die, die ohne Wunden sind; erlege niemandem einen schmalen Pfad auf, der nach einem großen Pfad

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strebt; versuche nicht, einen Ozean in den Hufabdruck eines Ochsen zu gießen; versuche nicht, den Berg Sumeru in einen Senfkorn zu stopfen; verwechsele nicht die gleißende Sonne mit einem Licht des Glühwürmchens und zeige niemandem, der wie ein Löwe brüllen will, das Geheule eines Schakals. „Ehrwürdiger Pūrna, alle diese Biksus waren einst dem Mahāyāna verschrieben, aber haben den Geist der Erleuchtung vergessen. So lehre ihnen nicht das Schüler-Fahrzeug. Das Schüler-Fahrzeug ist nicht ultimativ gültig, und ihr Schüler seid wie blind Geborene hinsichtlich der Erkenntnis von spirituellen Fähigkeiten anderer Lebewesen. „Zu diesem Zeitpunkt trat der Licchavier Vimalakīrti in eine solche Konzentration, dass die Biksus sich an ihre verschiedenen früheren Existenzen erinnern konnten, in denen sie, durch Dienste unter fünfhundert Buddhas mit dem Ziel die perfekte Erleuchtung zu erlangen, die Wurzeln der Tugend entwickelt hatten. Als ihnen der Erleuchtungsgeist wieder klar wurde, verbeugten sie sich zu den Füßen des guten Mannes und falteten ihre Hände in Ehrerbietung. Er lehrte ihnen Dharma und sie alle erreichten die Stufe ohne Regression auf dem Weg zur unübertroffenen, perfekten Erleuchtung. Es kam mir in den Sinn, dass ´die Schüler, die nicht die Gedanken und die Neigungen von anderen erkennen, nicht in der Lage sind, irgend jemanden Dharma zu lehren.´ Warum? Die Schüler sind keine Meister in der Unterscheidung zwischen der Hoch- oder Minderwertigkeit spiritueller Fertigkeiten anderer Lebewesen und sie sind nicht ständig im Zustand der Konzentration, wie der Tathāgata, der Heilige, der vollendete Buddha.´ „Darum, o Lord, bin ich nicht willens zu diesem guten Mann zu gehen, um mich nach seiner Gesundheit zu erkundigen.“ Der Buddha sprach darauf hin zum ehrwürdigen Mahākātyāyana, „Kātyāyana, gehe zum Licchavier Vimalakīrti und erkundige dich nach seiner Gesundheit.“ Kātyāyana antwortete, „O Lord, ich bin wirklich nicht willens zu diesem guten Mann zu gehen, um mich nach seiner Gesundheit zu erkundigen. Warum? O Lord, ich erinnere mich an einen Tag, an dem ich, nachdem der Lord einige kurze Instruktionen an die Biksus gegeben hatte, die Aussagen Seines Diskurses über Unbeständigkeit, Leiden, Selbstlosigkeit und Frieden näher erläuterte; der Licchavier Vimalakīrti erschien dort und sagte zu mir, ´Ehrwürdiger Mahākātyāyana, lehre nicht die letztendliche Realität mit den Attributen von Handlung, Erschaffung und Zerstörung! Ehrwürdiger Mahākātyāyana, nichts wurde jemals zerstört, ist zerstört oder wird zerstört werden. Genau so ist auch die Bedeutung von „Unbeständigkeit“. Die Bedeutung der Realisation von Geburtlosigkeit, durch die Realisation von der Leerheit der fünf Aggregate ist die Bedeutung von „Leiden“. Der Fakt der Nichtdualität des Selbst und Selbstlosigkeit ist die Bedeutung von „Selbstlosigkeit“. Das, was keine innewohnende Substanz hat und keine andere Art von Substanz, brennt nicht und was nicht brennt ist unauslöschlich; dieses Fehlen der Erlöschung ist die Bedeutung von „Frieden“.´ „Als er seinen Diskurs so beendete, wurde der Geist der Biksus von ihren Verblendungen befreit und sie traten in den Zustand des Nichtergreifens ein. „Darum, o Lord, bin ich nicht willens zu diesem guten Mann zu gehen, um mich nach seiner Gesundheit zu erkundigen.“

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Der Buddha wandte sich an den ehrwürdigen Aniruddha, „Aniruddha, gehe zum Licchavier Vimalakīrti und erkundige dich nach seiner Gesundheit.“ Aniruddha antwortete, „O Lord, ich bin wirklich nicht willens zu diesem guten Mann zu gehen, um mich nach seiner Gesundheit zu erkundigen. Warum? Ich erinnere mich, o Lord, an einen Tag, als ich mit einem großen Brahmā mit dem Namen Śubhavyūha spazieren ging und zehntausend andere Brahmās ihn begleiteten. Sie erhellten den ganzen Ort mit ihrem Glanz und nachdem sie sich zu meinen Füßen verbeugt hatten und sich zu einer Seite stellten fragten sie, ´Ehrwürdiger Aniruddha, der Buddha hat verkündet, dass du der Beste unter jenen bist, die das himmlische Auge besitzen. Wie weit reicht die Sicht mit deinem himmlischen Auge?´ Ich antwortete, ´Freunde, ich sehe das gesamte Milliarden-Weltgalaxien Universum des Lords Śākyamuni so klar, wie ein Mann mit normalen Sinnen eine Myrobalannuss auf seiner Handfläche.´ Als ich diese Worte ausgesprochen hatte, erschien dort der Licchavier Vimalakīrti und verbeugte sich zu meinen Füßen und sagte zu mir, ´Ehrwürdiger Aniruddha, unterliegt dein himmlisches Auge der Bedingtheit, oder unterliegt es nicht der Bedingtheit? „Wenn es die Natur des Bedingten hat, ist es das gleiche, wie die übernatürlichen Kräfte der Nicht-Buddhisten. Wenn es die Natur des Nichtgeschaffenen hat, dann ist es nicht konstruiert und als solches, nicht fähig zu sehen. Wie dann siehst du, o Ehrwürdiger? „Nach diesen Worten wurde ich sprachlos und Brahmā war sichtlich erstaunt diese Lehre von dem guten Mann zu hören. Nachdem er sich vor ihm verbeugt hatte, sagte er, ´Wer in der Welt besitzt dann das himmlische Auge?´ Vimalakīrti sagte, ´In der Welt sind es die Buddhas, die das himmlische Auge haben. Sie sehen alle Buddha Länder, ohne dabei den Zustand der Konzentration zu verlassen und ohne von Dualität beeinträchtigt zu sein.´ „Nachdem die zehntausend Brahmās diese Worte gehört hatten, wurden sie von hoher Entschlossenheit inspiriert und richteten ihren Geist auf das Erreichen der unübertroffenen, perfekten Erleuchtung. Nachdem sie mir und dem guten Mann Ehrerbietung erwiesen hatten, verschwanden sie. Was mich betrifft, ich blieb sprachlos und deshalb bin ich nicht willens zu diesem guten Mann zu gehen, um mich nach seiner Gesundheit zu erkundigen.“ Der Buddha sagte dann zum ehrwürdigen Upāli, „Upāli, gehe zum Licchavier Vimalakīrti und erkundige dich nach seiner Gesundheit.“ Upāli antwortete, „O Lord, ich bin wirklich nicht willens zu diesem guten Mann zu gehen, um mich nach seiner Gesundheit zu erkundigen. Warum? O Lord, ich erinnere mich an einen Tag, an dem zwei Biksus eine Übertretung begangen hatten und zu beschämt waren, um damit vor den Lord zu treten, also kamen sie zu mir und sagten, ´Ehrwürdiger Upāli, wir haben beide eine Übertretung begangen, aber wir sind zu beschämt, um damit vor den Lord zu treten. Ehrwürdiger Upāli, sei so freundlich und befreie uns von unseren Ängsten, indem du uns von den Übertretungen freisprichst.´ „O Lord, als ich diesen Biksus eine Rede hielt, kam der Licchavier Vimalakīrti und sagte zu mir, ´Ehrwürdiger Upāli, verschlimmere nicht noch weiter die Sünden dieser zwei Biksus.

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Ohne sie zu verwirren, nimm die Gewissensbisse von ihnen. Ehrwürdiger Upāli, Sünde kann weder innen, noch außen, noch dazwischen begriffen werden. Warum? „Der Buddha hat gesagt, ´Lebewesen sind durch die Leidenschaft der Gedanken getrübt und sie sind Gereinigt durch die Reinigung der Gedanken.´ „Ehrwürdiger Upāli, der Geist ist weder innen, noch außen, noch irgendwo dazwischen. Sünde ist nichts anderes als Geist und alle Dinge sind genau wie Sünde. Sie entkommen nicht dieser gleichen Realität. „Ehrwürdiger Upāli, die Natur des Geistes, die durch die Tugenden befreit wird – ist sie jemals getrübt?´ „´Niemals,´ antwortete ich. „Ehrwürdiger Upāli, der Geist von Lebewesen ist von der gleichen Natur. Ehrwürdiger Upāli, Leidenschaften bestehen aus Konzeptualisierung. Die letztendliche Nichtexistenz dieser Konzeptualisierungen und erdachter Erzeugungen – das ist die Reinheit, das ist die intrinsische Natur des Geistes. Falsche Auffassungen sind Leidenschaften. Die letztendliche Abwesenheit von falschen Auffassungen ist die intrinsische Natur des Geistes. Die Annahme eines Selbst ist Leidenschaft. Die Abwesenheit eines Selbst ist die intrinsische Natur des Geistes. Ehrwürdiger Upāli, alle Dinge sind ohne Erzeugung, ohne Zerstörung und nicht von Dauer, wie magische Illusionen, Wolken oder ein Blitz; alle Dinge sind dahinschwindend, nicht einmal für einen Moment bleiben sie gleich; alle Dinge sind wie ein Traum, Halluzinationen und unwirkliche Visionen; alle Dinge sind wie eine Reflektion des Mondes im Wasser und wie ein Spiegelbild; sie entstehen durch mentale Erzeugung. Diejenigen, die das wissen, sind die wahren Erhalter der Disziplin und diejenigen, die danach diszipliniert sind, sind wahrlich gut diszipliniert.´“ „Darauf sagten die zwei Biksus, ´Dieser Haushälter ist extrem Weise. Der ehrwürdige Upāli, den der Lord als der Beste im Erhalt der Disziplin verkündet hat, ist nicht von seines Gleichen.´ „Ich sagte dann zu den zwei Biksus, ´Habt nicht die Vorstellung, dass er ein einfacher Haushälter ist. Warum? Mit der Ausnahme des Tathāgata selbst gibt es keinen Schüler oder Bodhisattva, der fähig ist, mit seiner Eloquenz zu konkurrieren oder sich mit seiner brillanten Weisheit gleichzustellen.´ „Darauf hin wurden die zwei Biksus von ihren Ängsten befreit und waren mit der hohen Entschlossenheit inspiriert, den Geist der unübertroffenen, perfekten Erleuchtung zu erlangen. Sich vor dem guten Mann verbeugend, äußerten sie den Wunsch: ´Mögen allen Lebewesen eine solche Eloquenz zuteil werden!´ „Deshalb bin ich nicht willens, zu diesem guten Mann zu gehen, um mich nach seiner Gesundheit zu erkundigen.“ Der Buddha sagte zum ehrwürdigen Rāhula, „Rāhula, gehe zum Licchavier Vimalakīrti und erkundige dich nach seiner Gesundheit.“ Rāhula antwortete, „O Lord, ich bin wirklich nicht willens zu diesem guten Mann zu gehen, um mich nach seiner Gesundheit zu erkundigen. Warum? O Lord, ich erinnere mich an einen

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Tag, an dem viele junge Licchavier Herren zu mir kamen und sich erkundigten, „Ehrwürdiger Rāhula, du bist der Sohn des Buddha und nachdem du auf das Königreich eines universellen Monarchen verzichtet hast, hast du das Weltliche verlassen. Was sind die Tugenden und die Bereicherungen, die man zu erwarten hat, wenn man das Weltliche verlässt?´ „Als ich ihnen gründlich die Bereicherungen und Tugenden erklärte, die zu erwarten sind, wenn man das Weltliche aufgibt, erschien der Licchavier Vimalakīrti dort und nachdem er mich gegrüßt hatte, sagte er, ´Ehrwürdiger Rāhula, du solltest nicht auf diese Weise die Bereicherungen und Tugenden des Verzichts lehren. Warum? Der Verzicht selbst hat die Eigenschaft der Abwesenheit von Bereicherungen und Tugenden. Ehrwürdiger Rāhula, jemand mag von Bereicherungen und Tugenden in Bezug auf die Bedingtheit aller Dinge sprechen, aber Verzicht ist nichtbedingt und es kann keine Frage nach der Bereicherung und Tugend im Bezug auf das Nichtbedingte geben. Ehrwürdiger Rāhula, Verzicht ist nicht materiell und frei von Form. Er ist frei von extremen Sichtweisen von Anfang und Ende. Er ist der Pfad der Befreiung. Er ist von den Weisen gepriesen, von den Heiligen begrüßt und er besiegt alle Māras. Er befreit von den fünf Daseinsbereichen, reinigt das fünffache Auge, bildet die fünf Kräfte aus und unterstützt die fünf Spirituellen Wahrnehmungen. Verzicht ist völlig harmlos zu anderen und kann nicht von bösen Kräften missbraucht werden. Er diszipliniert Nicht-Buddhisten und übertrifft alle Religionsbekenntnisse. Er ist die Brücke über den Morast des Begehrens, ohne Greifen und frei von Gewohnheiten wie ´ich´ und ´mein.´ Er ist ohne Anhaftung und ohne Beeinträchtigung, zerstört jegliche Aufruhe. Er diszipliniert den eigenen Geist und schützt den Geist anderer. Er ist geistige Stille und fördert transzendente Analyse. Er ist tadellos in jeder Hinsicht und wird deshalb Verzicht genannt. Diejenigen, die das Weltliche auf diese Weise verlassen, werden ´wahrhaft verzichtend´ genannt. Junge Herren, verzichtet auf das Weltliche im Licht dieser klaren Lehre! Das Auftauchen eines Buddha ist extrem selten. Das menschliche Leben ist mit Freiheiten ausgestattet und eine solche Gelegenheit ist sehr schwer zu erlangen. Ein Mensch zu sein ist sehr kostbar.´ „Einer der jungen Männer beklagte: ´Aber, Haushälter, der Tathāgata hat uns verkündet, dass jemand nicht auf das Weltliche verzichten sollte, ohne die Zustimmung der Eltern.´ „Vimalakīrti antwortete: ´Junger Herr, du solltest den intensiven Entschluss fassen, den Geist der unübertroffenen, perfekten Erleuchtung zu erlangen. Das wird in sich selbst dein Verzicht und deine hohe Weihe sein.´ „Daraufhin richteten zweiunddreißig junge Licchaviers den Geist auf das Erlangen der unübertroffenen, perfekten Erleuchtung. Darum, o Lord, bin ich nicht willens zu diesem guten Mann zu gehen, um mich nach seiner Gesundheit zu erkundigen.“ Der Buddha sagte dann zum ehrwürdigen Ānanda, „Ānanda, gehe zum Licchavier Vimalakīrti und erkundige dich nach seiner Gesundheit.“ Ānanda antwortete, „O Lord, ich bin wirklich nicht willens zu diesem guten Mann zu gehen, um mich nach seiner Gesundheit zu erkundigen. Warum? O Lord, ich erinnere mich an einen Tag, an dem der Lord sein Unwohlsein erklärte und nach etwas Milch verlangte. Ich nahm die Schale und ging zu einem Anwesen einer bedeutenden Brahmāfamilie. Der Licchavier

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Vimalakīrti erschien dort und sagte, nachdem er mich gegrüßt hatte, „Ehrwürdiger Ānanda, was tust du so früh am Morgen an der Schwelle dieses Hauses mit der Schale in der Hand?´ „Ich antwortete: ´Der Körper des Lords zeigt Unwohlsein und er benötigt etwas Milch. Ich bin hier hergekommen, um sie für den Lord zu besorgen.´ „Vimalakīrti sagte dann zu mir, ´Ehrwürdiger Ānanda, sag nicht solche Sachen! Ehrwürdiger Ānanda, der Körper des Tathāgata ist robust wie ein Diamant, nachdem er alle verbleibenden Spuren von Übel beseitigt und alle Tugenden zur Perfektion gebracht hat. Wie könnten Seinen Körper jemals Krankheit oder Unbehagen heimsuchen? „Ehrwürdiger Ānanda, gehe in Schweigen und schmälere nicht den Lord. Erzähle anderen nicht von solchen Sachen. Es wäre nicht gut für mächtige Götter oder Bodhisattvas von den verschiedenen Buddha Ländern solche Worte zu hören. „Ehrwürdiger Ānanda, ein universeller Monarch, der mit nur einem bisschen Tugend ausgestattet ist, ist frei von Krankheit. „Wie dann kann der Lord, der ein unermessliches Maß an Tugend besitzt, an irgendeiner Krankheit leiden? Das ist nicht möglich. „Ehrwürdiger Ānanda, bringe keine Schande über uns, sondern gehe in Schweigen. Nicht einmal die Nicht-Buddhisten sollten solche Worte hören. Sie würden sagen, ´Was für eine Schande, der Lehrer dieser Leute kann nicht einmal seine eigene Krankheit heilen. Wie soll er dann die Krankheiten anderer heilen?´ Ehrwürdiger Ānanda, gehe diskret, so dass dich niemand sieht. „Ehrwürdiger Ānanda, die Tathāgatas haben den Dharmakörper – nicht einen Körper, der durch Speise erhalten wird. Die Tathāgatas haben einen transzendentalen Körper, der alle weltlichen Eigenschaften übersteigt. Der Körper eines Tathāgata kann nicht verletzt werden, da er von allen Verblendungen befreit ist. Der Körper eines Tathāgata unterliegt keinen Bedingungen und ist frei von bildenden Kräften. Ehrwürdiger Ānanda, zu glauben, dass es eine Krankheit in einem solchen Körper geben soll ist irrational und ungehörig!“ „Als ich diese Worte hörte, fragte ich mich, ob ich vorher den Buddha falsch gehört oder verstanden hatte und ich war sehr beschämt. Dann hörte ich eine Stimme aus dem Himmel: ´Ānanda! Der Haushälter spricht zu dir die Wahrheit. Dennoch, da der Buddha in einer Zeit der fünf Verdorbenheiten erschienen ist, diszipliniert er Lebewesen durch niedere und bescheidene Handlungsweisen. Darum, Ānanda, sei nicht beschämt und gehe und hole die Milch!´ „O Lord, so war meine Unterredung mit dem Licchavier Vimalakīrti und deshalb bin ich nicht willens zu dem Licchavier Vimalakīrti zu gehen, um mich nach seiner Gesundheit zu erkundigen.“ In der gleichen Weise waren die restlichen fünfhundert Schüler widerwillig, zum Licchavier Vimalakīrti zu gehen, und jeder erzählte dem Buddha seine eigene Geschichte über eine Unterredung mit dem Licchavier Vimalakīrti.

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Kapitel 4: Der Widerwillen der Bodhisattvas Darauf hin sagte der Buddha zum Bodhisattva Maitreya, „Maitreya, gehe zum Licchavier Vimalakīrti und erkundige dich nach seiner Gesundheit.“ Maitreya antwortete, „O Lord, ich bin wirklich nicht willens zu diesem guten Mann zu gehen, um mich nach seiner Gesundheit zu erkundigen. Warum? O Lord, ich erinnere mich an einen Tag, an dem ich eine Unterhaltung mit den Göttern des Tusita Himmels hatte. Mit dem Gott Samtusita und sein Gefolge redeten wir über die Nichtregression von großen Bodhisattvas. Zu dieser Zeit erschien der Licchavier Vimalakīrti dort und sprach zu mir wie folgt: „Maitreya, der Buddha hat prophezeit, dass nur noch eine Geburt zwischen dir und der unübertroffenen, perfekten Erleuchtung steht. Auf was für eine Geburt bezieht sich diese Prophezeiung, Maitreya? Ist es Vergangenheit? Ist es Gegenwart? Ist es Zukunft? Wenn es die Vergangenheit betrifft, so ist sie bereits abgeschlossen. Wenn es eine zukünftige Geburt betrifft, so ist sie jetzt unerreichbar. Wenn es eine gegenwärtige Geburt ist, wird sie nicht fortbestehen. Denn der Buddha hat gesagt, ´Bhiksus, in jedem Moment werdet ihr geboren, altert, sterbt und werdet wiedergeboren.´ „Mag dann die Prophezeiung Geburtlosigkeit betreffen? Geburtlosigkeit bezieht sich auf die letztendliche Vorsehung, in der es weder Prophezeiungen, noch das Erlangen der unübertroffenen, perfekten Erleuchtung gibt. „Darum, Maitreya, ist deine Wahrheit geboren? Oder ist sie beendet? Die Wahrheit, die dir prophezeit wurde, weder wird sie geboren, noch wird sie ausgelöscht werden. Weiterhin ist deine Wahrheit die gleiche, wie die von allen Lebewesen, die Wahrheit aller Dinge und die Wahrheit aller Heiligen. Wenn deine Erleuchtung auf diese Weise prophezeit werden kann, so gilt sie es auch für alle Wesen. Warum? Weil die Wahrheit nicht aus Dualität und Vielfalt besteht. Maitreya, wann immer du die Buddhaschaft erlangst, die die Perfektion der Erleuchtung ist, zur gleichen Zeit werden alle Lebewesen ebenfalls die letztendliche Befreiung finden. Warum? Die Tathāgatas gehen nicht in die letztendliche Befreiung ein, bevor nicht alle Lebewesen in die letztendliche Befreiung eingegangen sind. Die Tathāgatas sehen die Lebewesen mit der Natur der letztendlichen Befreiung, weil alle Lebewesen von je her völlig befreit sind. „Darum, Maitreya, verwirre und täusche diese Gottheiten nicht! Niemand verweilt in der Erleuchtung oder schreitet von ihr zurück. Maitreya, du solltest diese Gottheiten in die Ablehnung aller unterscheidenden Vorstellungen über Erleuchtung einführen. „Die perfekte Realisierung der Erleuchtung geschieht weder durch den Geist, noch durch den Körper. Erleuchtung ist die Auslöschung aller Merkmale. Erleuchtung ist frei von Vermutungen bezüglich allen Objekten. Erleuchtung ist frei von der Funktion aller beabsichtigenden Gedanken. Erleuchtung ist die Erlöschung aller Überzeugungen. Erleuchtung ist frei von allen unterscheidenden Vorstellungen. Erleuchtung ist frei von allen Unschlüssigkeiten, Überlegungen und Aufregungen. Erleuchtung ist nicht in Verbindlichkeiten involviert. Erleuchtung ist das Erreichen der Loslösung, durch die Freiheit von allen gewohnheitsmäßigen Einstellungen. Der Grund für die Erleuchtung wurzelt im Bereich des Letztendlichen. Erleuchtung ist die Realisierung der Wirklichkeit. Erleuchtung ist im Bereich aller Dharmas ohne Zeit und Raumbeschränkung (Dharmadhatu). Erleuchtung ist ohne Dualität, da es darin keinen Geist und keine Dinge gibt. Erleuchtung ist Gleichheit, da es gleich zu endlosem Raum ist.

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„Erleuchtung ist ungeschaffen, weil sie weder geboren, noch zerstört ist, weder verweilt, noch sich einer Änderung unterzieht. Erleuchtung ist das vollständige Wissen der Gedanken, Taten und Neigungen aller Lebewesen. Erleuchtung kann nicht mit den sechs Sinnen erkannt werden. Erleuchtung ist unverfälscht, da sie frei von den Leidenschaften der gewohnheitsmäßigen Abfolge des Lebens ist. Erleuchtung ist weder irgendwo noch nirgendwo, verweilt an keinem Ort oder Dimension. Erleuchtung, welche nicht in irgendetwas enthalten ist, hat keinen Stand in der Wirklichkeit (des Relativen). Erleuchtung ist nur ein Name, und selbst dieser Name ist unbeweglich. Erleuchtung, frei von Enthaltung oder Unterfangen, ist energielos. Es gibt keine Aufruhe in Erleuchtung, da sie von Natur aus höchst rein ist. Erleuchtung ist Glanz, rein in der Essenz. Erleuchtung ist ohne Subjektivität und völlig ohne Objekte. Erleuchtung, die den Eingang in die Gleichheit aller Dinge findet, ist undifferenziert. Erleuchtung, welche nicht durch Beispiele gezeigt werden kann, ist unvergleichbar. Erleuchtung ist subtil, da sie extrem schwer zu realisieren ist. Erleuchtung ist alldurchdringend, da sie die Natur des endlosen Raumes hat. Erleuchtung kann nicht realisiert werden, weder körperlich, noch geistig. Warum? Der Körper ist wie Gras, Bäume, Wände, Pfade und Halluzinationen. Und der Geist ist ohne Materie, unsichtbar, grundlos und ohne Bewusstsein.“ „O Lord, als Vimalakīrti so die Rede gehalten hatte, erreichten zweihundert Gottheiten aus der Versammlung die Erkenntnis der Geburtlosigkeit. Und was mich betrifft, o Lord, ich war sprachlos. Darum bin ich nicht willens zu diesem guten Mann zu gehen, um mich nach seiner Gesundheit zu erkundigen.“ Der Buddha sagte dann zum jungen Licchavier Prabhavyūha, „Prabhavyūha, gehe zum Licchavier Vimalakīrti und erkundige dich nach seiner Gesundheit.“ Prabhavyūha antwortete, „O Lord, ich bin wirklich nicht willens zu diesem guten Mann zu gehen, um mich nach seiner Gesundheit zu erkundigen. Warum? O Lord, ich erinnere mich an einen Tag, als ich aus der großen Stadt Vaiśāli ging und mir dabei der Licchavier Vimalakīrti entgegen kam. Er grüßte mich und ich sprach ihn an: „Haushälter, woher kommst du?“ Er antwortete, „Ich komme vom Sitz der Erleuchtung.“ Ich erkundigte mich, „Was ist gemeint mit dem ´Sitz der Erleuchtung´?“ „Er sprach darauf die folgenden Worte zu mir, „Edler Sohn, der Sitz der Erleuchtung ist der Sitz positiver Gedanken, weil er ungekünstelt ist. Er ist der Sitz der Anstrengung, weil er energische Anstrengungen freisetzt. Er ist der Sitz von hoher Entschlossenheit, weil er die überlegene Einsicht gibt. Er ist der Sitz von dem großen Geist der Erleuchtung, weil er nichts vernachlässigt. „Er ist der Sitz der Großzügigkeit, weil er keine Erwartung einer Belohnung hat. Er ist der Sitz der Sittlichkeit, weil er alle Verpflichtungen erfüllt. Er ist der Sitz der Geduld, weil er frei von Groll gegen alle Lebewesen ist. Er ist der Sitz der Anstrengung, weil er nicht umkehrt. Er ist der Sitz der Meditation, weil er einen kontrollierbaren Geist erzeugt. Er ist der Sitz der Weisheit, weil er alles direkt sieht. „Er ist der Sitz der Liebe, weil er alle Lebewesen als gleichwertig betrachtet. Er ist der Sitz des Mitgefühls, weil er alle Verletzungen toleriert. Er ist der Sitz der Freude, weil er sich der Glückseligkeit des Dharma widmet. Er ist der Sitz des Gleichmuts, weil er Neigungen und Aversionen beendet.

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„Er ist der Sitz der übernatürlichen Wahrnehmung, weil er die sechs höheren Geisteskräfte beinhaltet. Er ist der Sitz der Befreiung, weil er nicht theoretisiert. Er ist der Sitz der Technik der Befreiung, weil er Lebewesen zur Einsicht bringt. Er ist der Sitz der vier Methoden der Überzeugung von Lebewesen, weil er Lebewesen zusammen bringt. Er ist der Sitz des Lernens, weil er die Essenz praktiziert. Er ist der entscheidende Sitz, weil er präzise Unterscheidungen trifft. Er ist der Sitz der siebenunddreißig Erleuchtungsglieder, weil er die Dualität des Bedingten und des Nichtbedingten beseitigt. Er ist der Sitz der Wahrheit, da er niemanden betrügt. „Er ist der Sitz des abhängigen Entstehens, weil er von der Erschöpfung der Ignoranz zur Erschöpfung von Altern und Tod führt. Er ist der Sitz der Auslöschung aller Leidenschaften, weil er vollständig Erleuchtet von der Natur der Dinge ist. Er ist der Sitz von allen Lebewesen, weil alle Lebewesen ohne jede intrinsische Identität sind. Er ist der Sitz aller Dinge, weil er vollständig Erleuchtet von der Leerheit aller Dinge ist. „Er ist der Sitz der Eroberung aller Teufel, weil er niemals zurückweicht. Er ist der Sitz der drei Welten, weil er nicht eingebunden ist. Er ist der Sitz der Meisterschaft, der den Löwenruf erschallen lässt, weil er ohne Furcht ist und nicht erzittert. Er ist der Sitz der Stärken, der Furchtlosigkeiten und der speziellen Qualitäten des Buddha, weil er tadellos in allen Aspekten ist. Er ist der Sitz der drei überweltlichen Fähigkeiten, weil darin keine Leidenschaft verbleibt. Er ist der Sitz der unverzüglichen, vollständigen Einsicht in alle Dinge, weil er die Erkenntnis der Allwissenheit völlig realisiert. „Edler Sohn, wenn Bodhisattvas mit diesen Vollkommenheiten, Wurzeln der Tugenden, der Fähigkeit Lebewesen zur Entwicklung zu bringen und mit der Verkörperung des heiligen Dharma ausgestattet sind, ob sie nun ihren Fuß von der Erde heben oder ihn auf die Erde stellen, sie alle kommen vom Sitz der Erleuchtung. Sie kommen von den Qualitäten des Buddha und stehen fest in den Qualitäten des Buddha.“ „O Lord, als Vimalakīrti diese Lehre erklärt hatte, richteten fünfhundert Götter und Menschen ihren Geist auf das Erreichen der unübertroffenen, perfekten Erleuchtung und ich wurde sprachlos. Deshalb, o Lord, bin ich nicht willens zu diesem guten Mann zu gehen, um mich nach seiner Gesundheit zu erkundigen.“ Der Buddha sagte zum Bodhisattva Jagatīdhara, „Jagatīdhara, gehe zum Licchavier Vimalakīrti und erkundige dich nach seiner Gesundheit.“ Jagatīdhara antwortete, „O mein Lord, ich bin wirklich nicht willens zu diesem guten Mann zu gehen, um mich nach seiner Gesundheit zu erkundigen. Warum? O Lord, ich erinnere mich an einen Tag, als ich zu Hause war. Der böse Māra, verkleidet als Indra und umgeben mit zwölftausend himmlischen Jungfrauen, kam zu mir mit Gesang und Musik. Nachdem er mich begrüßte, indem er mit seinem Haupte meine Füße berührte, stellte er sich mit seinem Gefolge zur Seite hin. Ich glaubte er sei Śakra, der König der Götter und sagte zu ihm, ´Willkommen o Kauśikā! Du solltest dir den Folgen der Annehmlichkeiten des Begehrens immer bewusst bleiben. Du solltest oft über Unbeständigkeit nachdenken und nur das unbedingt Notwendige in Bezug auf Körper, Leben und Reichtum verwenden.´ „M āra sagte dann zu mir, ´Guter Herr, nimm diese zwölftausend himmlischen Jungfrauen von mir an und mache sie zu deinen Dienerinnen.´

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„Ich antwortete, ´O Kauśikā, biete mir, der ich ein religiöser Sohn des Śākya bin, nicht Dinge an, die unangebracht sind. Es geziemt sich für mich nicht, diese Jungfrauen zu haben.´ „Kaum hatte ich diese Worte ausgesprochen, kam der Licchavier Vimalakīrti zu mir und sagte, ´Edler Sohn, glaube nicht das dies hier Indra ist! Das ist nicht Indra, sondern der böse Māra, der hier hergekommen ist, um dich zu verhöhnen.´ „Darauf sagte der Licchavier Vimalakīrti zu Māra, ´Böser Māra, da diese himmlischen Jungfrauen nicht für einen religiösen Anhänger, einem Sohn der Śākya geeignet sind, gib sie mir.´ „M āra war erschrocken und in Bedrängnis, da er vom Licchavier Vimalakīrti bloßgestellt wurde. Er versuchte sich unsichtbar zu machen, aber, unter Aufgebot all seiner magischen Kräfte, gelang es ihm nicht, aus der Sicht zu verschwinden. Eine Stimme erklang aus dem Himmel, „Böser, gib diese himmlischen Jungfrauen dem guten Mann Vimalakīrti und nur so wird es dir möglich sein, in deine Wohnstätte zurückzukehren.“ „Danach war Māra noch mehr beängstigt und sehr gegen seinen Willen gab er schließlich die Jungfrauen fort. „Der Licchavier Vimalakīrti, nachdem er die Göttinnen erhalten hatte, sagte zu ihnen, ´Nun, da ihr mir von Māra gegeben worden seid, richtet euren Geist auf das Erlangen der unübertroffenen, perfekten Erleuchtung.´ „Er ermahnte sie dann mit einem angebrachten Diskurs zur ihrer Reifung in Richtung Erleuchtung und bald empfingen sie den Erleuchtungsgeist. Er sagte zu ihnen, „Ihr habt gerade den Geist zur unübertroffenen, perfekten Erleuchtung empfangen. Von nun an sollt ihr euer Leben den Freuden des Dharma widmen und nicht den Freuden des Begehrens.´ „Sie fragten ihn dann, ´Was sind ´die Freuden des Dharma´?´ „Er verkündete, ´Es ist die Freude von unzerstörbarem Vertrauen in den Buddha, von dem Wunsch den Dharma zu hören, vom unterstützen der Sangha und dem Verehren spiritueller Wohltäter ohne Stolz. Es ist die Freude der Entsagung der ganzen Welt, von der Abkehr der Fixierung in Objekte, von dem Erachten der fünf Aggregate als Mörder, von dem Erachten der Elemente als giftige Schlangen und von dem Erachten der sechs Sinnesfähigkeiten als eine leere Stadt. Es ist die Freude die immer den Geist der Erleuchtung bewacht, die Freude, Lebewesen zu helfen, die Freude vom großzügigen Teilen mit anderen, die Freude niemals in Sittlichkeit zu erlahmen, die Freude von der Kontrolle über den Geist und Perfektion in Geduld, von der gründlichen Kultivierung von Tugend durch Streben, von der totalen Vertiefung in Meditation und der Abwesenheit von der Leidenschaft durch Weisheit. Es ist die Freude, immer größere Erleuchtung zu gewinnen, die Freude Māra zu besiegen, die Leidenschaften zu vernichten und die Buddha Länder zu reinigen. Es ist die Freude alle Tugenden anzuhäufen, um die verheißungsvollen Merkmale zu erlangen. Es ist die Freude furchtlos die profunde Dharmalehre zu vernehmen. Es ist die Freude die drei Pforten der Befreiung zu erforschen. Es ist die Freude, den Sitz der Erleuchtung zu schmücken und nicht Befreiung zu einem falschen Zeitpunkt zu erlangen. Es ist die Freude, denen mit gleichem Schicksal zu dienen und diejenigen nicht zu hassen, die ein überlegenes Schicksal haben. Es ist die Freude den spirituellen Wohltätern zu dienen und sündige Freunde zu meiden. Es ist die Freude durch Dankbarkeit aufgrund höchstem Vertrauen und Hingebung zum Dharma. Es ist die Freude, die Technik der Befreiung zu erlangen und das bewusste Erlernen von den

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siebenunddreißig Erleuchtungsgliedern. So findet ein Bodhisattva Freude und schätzt die Verzückung des Dharma.´ „Daraufhin sagte Māra zu den Göttinnen, ´Nun kommt und lasst uns heimkehren.´ „Sie sagten, ´Du hast uns dem Haushälter überlassen. Wir werden von nun an unsere Freude in der Kultivierung des Dharma suchen und nicht weiter in der Freude des Begehrens.´ „M āra wandte sich an den Licchavier Vimalakīrti und sagte, ´Wenn es sich wirklich so verhält, dass ein Bodhisattva, ein spiritueller Meister keine geistige Anhaftung mehr hat und alle seine Besitztümer fortgibt, dann, Haushälter, gib mir bitte diese Göttinnen.´ „Vimalakīrti antwortete, ´Sie gehören dir, Māra. Gehe mit deinem Gefolge nach Hause. Mögest du die religiösen Bestreben aller Lebewesen erfüllen!´ „Eine Göttin verbeugte sich vor Vimalakīrti und fragte, ´Haushälter, wie sollen wir im Reich von Māra leben?´ „Vimalakīrti erwiderte, ´Schwestern, es gibt eine Dharmapforte mit dem Namen ´Die Unerschöpfliche Lampe.´ Praktiziert sie! „´Was sie ist? Schwestern, eine einzige Lampe vermag hunderttausend weitere Lampen anzuzünden, ohne dass ihr eigenes Licht schwächer wird. Genau so, Schwestern, vermag ein einziger Bodhisattva viele hunderttausend andere Lebewesen auf den Pfad der Erleuchtung zu führen, ohne das seine Achtsamkeit schwächer wird. Tatsächlich wird seine Achtsamkeit nicht nur nicht schwächer, sondern stärker. Gleichsam, je mehr ihr anderen tugendhafte Eigenschaften lehrt und demonstriert, je mehr werdet ihr im Hinblick auf diese tugendhaften Eigenschaften wachsen. Dies ist die Dharmapforte ´Die Unerschöpfliche Lampe.´ Wenn ihr im Reich von Māra lebt, inspiriert unzählige Götter und Göttinnen mit dem Geist der Erleuchtung. Auf diese Weise werdet ihr die Güte des Tathāgata vergelten und werdet Wohltäter von allen Lebewesen.´ „Die Göttinnen verbeugten sich zu den Füßen des Licchavier Vimalakīrti und entfernten sich in Begleitung von Māra. „So, o Lord, sah ich die Überlegenheit der magischen Kräfte, Weisheit und Eloquenz des Licchavier Vimalakīrti und deshalb bin ich nicht willens, zu diesem guten Mann zu gehen, um mich nach seiner Gesundheit zu erkundigen.“ Der Buddha sagte dann zum Händlersohn Sudatta, „Edler Sohn, gehe zum Licchavier Vimalakīrti und erkundige dich nach seiner Gesundheit.“ Sudatta antwortete, „O Lord, ich bin wirklich nicht willens zu diesem guten Mann zu gehen, um mich nach seiner Gesundheit zu erkundigen. Warum? O Lord, ich erinnere mich an einen Tag in meines Vaters Haus, an dem ich Geschenke an religiöse Anhänger, Brahmās, Arme, Elende, Bedauerliche, Bettler und alle in Not verteilte, um ein großes Opfer zu feiern. Am siebten und letzten Tag des großen Opfers kam der Licchavier Vimalakīrti zu uns und sagte, „Händlersohn, du solltest nicht das Opfer in dieser Weise feiern. Du sollst das Dharma-Opfer feiern. Was bringt das Opfern von materiellen Dingen?“ „Ich fragte ihn darauf hin, ´Wie bringt jemandem ein Dharma-Opfer?´

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„Er erwiderte, ´Ein Dharma-Opfer zu spenden ist etwas, das für die Entwicklung von Lebewesen weder Anfang noch Ende hat und gleichzeitig an sie alle gegeben wird. Was das ist? Es besteht aus großer Liebe, die in der Erleuchtung vollendet ist; aus dem großen Mitgefühl, welches in der Konzentration des heiligen Dharma zur Befreiung aller Lebewesen vollendet ist; aus der großen Freude, welche im Gewahrsein des höchsten Glücks aller Lebewesen vollendet ist; und aus der großen Gleichmütigkeit, welche in der Konzentration durch Wissen vollendet ist. „´Das Dharma-Opfer besteht aus der Perfektion von Großzügigkeit, welche in Friedlichkeit und Selbstdisziplin vollendet ist; in der Perfektion der Ethik und Sittlichkeit, welche in der sittlichen Entwicklung von unsittlichen Wesen vollendet ist; in der Perfektion der Geduld, die durch die Prinzipien der Selbstlosigkeit vollendet ist; in der Perfektion des Strebens, die in der Initiative zur Erleuchtung vollendet ist; in der Perfektion der Meditation, die in der Einsamkeit von Körper und Geist vollendet ist; und in der Perfektion der Weisheit, die in der Allwissenheit vollendet ist. „´Das Dharma-Opfer besteht aus der Meditation über Leerheit, die in der Effektivität in der Reifung aller Wesen vollendet ist; in der Meditation ohne Zeichen, die in der Reinigung aller in Abhängigkeit entstandenen Dinge vollendet ist; und aus der Meditation über Wunschlosigkeit, die in der freiwilligen Annahme von Wiedergeburten vollendet ist. „´Das Dharma-Opfer besteht aus heldenhafter Stärke, die im Aufrechterhalten des heiligen Dharma vollendet ist; aus der Kraft des Lebens, die in den vier Methoden der Überzeugung von Lebewesen vollendet ist; aus der Abwesenheit von Stolz, die darin besteht, ein Diener und Schüler aller Wesen zu sein; aus dem Erlangen eines Körpers, Gesundheit und Reichtum, die aus der Essenz der Essenzlosigkeit gewonnen und damit vollendet wird; aus Achtsamkeit, die in den sechs Erinnerungen vollendet wird; aus positiven Gedanken, die durch das wahrlich erfreuliche Dharma vollendet wird; aus der Reinheit des Lebensunterhalts, der durch korrekte spirituelle Praxis vollendet wird; aus dem Respekt vor den Heiligen, der durch freudvolle und gewissenhafte spirituelle Dienste vollendet wird; aus der Nüchternheit des Geistes, die durch die Abwesenheit von Abneigung gegen gewöhnliche Leute vollendet wird; aus hohem Entschluss, der durch Entsagung vollendet wird; aus der Gelehrsamkeit, die durch religiöse Praxis vollendet wird; aus der einsamen Zurückgezogenheit, die durch das Verständnis der Dinge frei von Leidenschaft vollendet wird; aus introspektiver Meditation, die durch das Erlangen der Buddha-Erkenntnis vollendet wird; aus der Stufe der Yogapraxis, die durch das Yoga der Befreiung aller Lebewesen von ihren Leidenschaften vollendet wird. „´Das Dharma-Opfer besteht aus dem Vorrat von Verdiensten, die durch die verheißungsvollen Zeichen und Merkmalen, der Schmuck der Buddha Länder und jede Form von Mitteln zur Reifung von Lebewesen vollendet wird; aus dem Vorrat von Wissen, der durch die Fähigkeit, angemessen den Dharma bezüglich der Gedanken und Handlungen aller Lebewesen zu lehren, vollendet wird; aus dem Vorrat an Weisheit, der durch die einheitliche Erkenntnis, frei von Annahme und Ablehnung, bezüglich allen Dingen vollendet wird; aus dem Vorrat aller Wurzeln der Tugend, die in der Abkehr von allen Leidenschaften, Verschleierungen und nichttugendhaften Dingen vollendet wird; und das Dharma-Opfer besteht aus dem Erlangen der siebenunddreißig Erleuchtungsglieder, die in der Realisation der Erkenntnis von Allwissenheit, sowie im Erlangen aller Tugenden vollendet wird. „´Dies, edler Sohn, ist das Dharma-Opfer. Der Bodhisattva, der so ein Dharma-Opfer vollbringt, ist wahrlich der Beste unter den Wohltätern und durch die Verdienste, die er durch

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dieses Opfer erlangt, ist er würdig der Gastspende und Darbringungen von Menschen und Göttern.´ „O Lord, nachdem der Haushälter seinen Diskurs beendet hatte, richteten zweihundert Brahmās der Versammlung ihren Geist auf das Erlangen der unübertroffenen, perfekten Erleuchtung. Und ich, erfüllt von Verwunderung, verneigte mich vor diesem guten Mann, indem ich mit meiner Kopf seine Füße berührte, nahm eine Perlenkette von meinem Hals ab, die einhunderttausend Goldstücke wert war und bot sie ihm an. Er aber lehnte ab. Ich sagte zu ihm, ´Bitte nimm sie an, guter Mann, nimm diese Perlenkette aus Mitgefühl zu mir an und gib sie wem immer du willst.´ „Vimalakīrti nahm darauf hin die Perlenkette und teilte sie in zwei Hälften. Eine Hälfte gab er den niedrigsten Armen der Stadt, die von den Anwesenden des Opfers verachtet wurden. Die andere Hälfte bot er dem Tathāgata Dusprasāha an. Und Er vollbrachte ein Wunder, so dass alle Anwesenden das Universum mit dem Namen Marīci und den Tathāgata Dusprasāha betrachteten. Auf dem Haupt des Tathāgata Dusprasāha nahm die Perlenkette die Form eines perlenbesetzten Pavillon an, der auf vier Säulen stand, symmetrisch, gut gebaut und schön zu betrachten. Nachdem dieses Wunder gewirkt worden war sagte Vimalakīrti, ´Derjenige Geber, der den niedrigsten Armen der Stadt Gaben schenkt und sie genau so würdig der Gaben betrachtet wie den Tathāgata selbst, der Geber, der ohne jede Unterscheidung unvoreingenommen gibt, ohne jede Erwartung einer Gegenleistung und mit großer Liebe – dieser Geber erfüllt das Dharma-Opfer vollständig, so sage ich.´ „Nachdem die Armen der Stadt dieses Wunder gesehen und die Lehre gehört hatten, richteten sie ihren Geist auf das Erreichen der unübertroffenen, perfekten Erleuchtung. Darum, o Lord, bin ich nicht willens zu diesem guten Mann zu gehen, um mich nach seiner Gesundheit zu erkundigen.“ In der gleichen Weise erzählten alle Bodhisattvas, große spirituelle Meister, ihre eigenen Geschichten über die Begegnung mit Vimalakīrti und erklärten ihren Widerwillen zu ihm zu gehen.

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Kapitel 5 Der Trost des Kranken

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Kapitel 5: Der Trost des Kranken Darauf hin sagte der Buddha zum Kronprinzen Mañjuśrī, „Mañjuśrī, gehe zum Licchavier Vimalakīrti und erkundige dich nach seiner Gesundheit.“ Mañjuśrī antwortete, „O Lord, es ist wirklich schwer dem Licchavier Vimalakīrti aufzuwarten. Er ist mit einer fabelhaften Eloquenz bezüglich der Lehre des Profunden gesegnet. Er ist äußerst geschickt im vollständigen Ausdruck und im Abgleich der Dichotomie. Seine Eloquenz ist unerbittlich und niemand kann seinem unbeirrbaren Intellekt standhalten. Er vollbringt alle Handlungen der Bodhisattvas. Er kennt alle Geheimnisse der Bodhisattvas und Buddhas. Er ist fähig, die Reiche der Teufel zu zivilisieren. Er vergnügt sich mit den sechs höheren Geisteskräften. Er hat die Weisheit und die Technik der Befreiung vollendet. Er hat die höchste Exzellenz in der unteilbaren, nichtdualen Sphäre der letztendlichen Wahrheit erreicht. Er ist in der Lehre des Dharma bewandert, mit ihren zahllosen Modalitäten in der letztendlichen Wahrheit. Er gewährt Mittel zum Erlangen von spiritueller Reife in Übereinstimmung mit den Kapazitäten und Fähigkeiten aller Lebewesen. Er hat seine Realisation gründlich in seine Technik der Befreiung integriert. Folglich, obwohl jemand wie ich mit meiner schwachen Verteidigung ihm nicht entgegenstehen kann, werde ich, unterstützt durch die Gnade des Buddha, zu ihm gehen und mich so gut ich kann mit ihm unterhalten.“ Darauf hin dachten die Bodhisattvas, die großen Schüler, die Śakras, die Brahmās, die Lokapālas, die Götter und Göttinnen der Versammlung, „Sicher wird sich aus der Konversation zwischen dem jungen Kronprinz Mañjuśrī und dem guten Mann eine profunde Lektion des Dharma ergeben.“ So folgten achttausend Bodhisattvas, fünfhundert Schüler, eine große Zahl von Śakras, Brahmās, Lokapālas und viele hunderttausend Götter und Göttinnen alle dem Kronprinzen Mañjuśrī, um den Dharma zu hören. Und der Kronprinz, umringt von diesen Bodhisattvas, Schülern, Śakras, Brahmās, Lokapālas, Göttern und Göttinnen, betrat die große Stadt Vaiśālī. Inzwischen dachte sich der Licchavier Vimalakīrti, „Mañjuśrī der Kronprinz kommt mit einer großen Gefolgschaft hier her. Nun soll sich dieses Haus in Leerheit verwandeln!“ Auf magische Weise wurde das Haus leer. Selbst der Türhüter verschwand. Und, mit Ausnahme des Krankenbetts, auf dem Vimalakīrti selbst lag, war kein Bett oder keine Couch und kein Stuhl irgendwo zu sehen. Dann sah der Licchavier Vimalakīrti den Kronprinz Mañjuśrī und sprach ihn an: „Mañjuśrī! Willkommen, Mañjuśrī! Du bist hier sehr willkommen! Da bist du, ohne jedes kommen. Du erscheinst, ohne jedes Sehen. Du wirst gehört, ohne jedes Hören.“ Mañjuśrī verkündete, „Haushälter, es ist wie du sagst. Wer kommt, kommt letztlich nicht. Wer geht, geht letztlich nicht. Warum? Wer kommt, kann nicht als Kommender verstanden werden. Wer geht, kann nicht als Gehender verstanden werden. Wer erscheint, wird letztlich nicht gesehen. „Guter Herr, ist deine Verfassung erträglich? Ist sie lebenswert? Sind deine physischen Elemente harmonisch? Ist deine Krankheit im Rückgang? Verschlimmert sie sich nicht? Der Buddha fragt nach dir – ob du wenig Leid erfährst, wenig Unannehmlichkeit, wenig

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Kapitel 5 Der Trost des Kranken

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Krankheit, ob dein Leidwesen gering ist, ob du umsorgt bist, stark, behaglich, ohne Selbstvorwürfe und ob du höchstes Glück erfährst. „Haushälter, woher kam deine Krankheit? Wie lange wird sie fortbestehen? Wie steht es um dich? Wie kann sie gelindert werden?“ Vimalakīrti antwortete, „Mañjuśrī, meine Krankheit kommt durch Ignoranz und vom Durst nach Existenz und sie wird so lange dauern, wie die Krankheit aller Lebewesen. Wären alle Lebewesen frei von Leid, so wäre auch ich nicht krank. Warum? Mañjuśrī, für einen Bodhisattva besteht die Welt nur aus Lebewesen und Krankheit entsteht durch Leben in dieser Welt. Wären alle Lebewesen frei von Krankheit, so wäre auch der Bodhisattva frei von Krankheit. Wenn zum Beispiel, Mañjuśrī, der einzige Sohn eines Händlers krank ist, so werden auch beide Elternteile durch die Krankheit ihres Sohnes krank. Und die Eltern leiden so lange, wie sich der Sohn nicht von seiner Krankheit erholt. Genau so, Mañjuśrī, liebt der Bodhisattva alle Lebewesen, als wären sie sein einziges Kind. Er wird krank, wenn sie krank werden und er wird gesund, wenn sie gesund werden. Du fragst mich, Mañjuśrī, woher meine Krankheit kommt? Die Krankheit eines Bodhisattva entsteht aus großem Mitgefühl.“ Mañjuśrī: Haushälter, warum ist dein Haus leer? Warum hast du keine Bediensteten? Vimalakīrti: Mañjuśrī, alle Buddha Länder sind ebenso leer. Mañjuśrī: Was macht sie leer? Vimalakīrti: Sie sind leer wegen Leerheit. Mañjuśrī: Was ist „leer“ an Leerheit? Vimalakīrti: Konstruktionen sind leer, wegen Leerheit. Mañjuśrī: Kann Leerheit konzeptuell konstruiert werden? Vimalakīrti: Selbst dieses Konzept ist in sich selbst leer und Leerheit kann keine Leerheit erzeugen. Mañjuśrī: Haushälter, wo sollte Leerheit gesucht werden? Vimalakīrti: Es sollte in den zweiundsechzig falschen Ansichten gesucht werden. Mañjuśrī: Wo sollen die zweiundsechzig falschen Ansichten gesucht werden? Vimalakīrti: Sie sollten in der Befreiung des Tathāgata gesucht werden. Mañjuśrī: Wo sollte die Befreiung des Tathāgata gesucht werden? Vimalakīrti: Es sollte in den grundlegenden geistigen Aktivitäten aller Lebewesen gesucht werden. Mañjuśrī, du fragst mich, warum ich keine Bediensteten habe, aber ich betrachte alle Māras und Nicht-Buddhisten als meine Bediensteten. Warum? Die Māras sind Fürsprecher des Rad des Lebens und der Bodhisattva meidet nicht das Leben. Die Nicht-Buddhisten sind Fürsprecher der Ansichten und der Bodhisattva ist nicht durch Ansichten gestört. Darum sind alle Māras und Gegner meine Bediensteten.

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Mañjuśrī: Haushälter, von welcher Art ist deine Krankheit? Vimalakīrti: Sie ist unmateriell und unsichtbar. Mañjuśrī: Ist sie körperlich oder geistig? Vimalakīrti: Sie ist nicht körperlich, da der Körper substanzlos in sich selbst ist. Sie ist nicht geistig, da die Natur des Geistes wie eine Illusion ist. Mañjuśrī: Haushälter, welche der vier Elemente ist gestört – Erde, Wasser, Feuer oder Luft? Vimalakīrti: Mañjuśrī, ich bin krank, weil die Elemente der Lebewesen durch die Krankheiten gestört sind. Mañjuśrī: Haushälter, wie sollte ein Bodhisattva einen anderen Bodhisattva trösten? Vimalakīrti: Er sollte ihm erzählen, dass der Körper unbeständig ist, aber er soll ihn nicht zur Entsagung oder Abscheu ermahnen. Er sollte ihm sagen, dass der Körper erbärmlich ist, aber er soll ihn nicht ermutigen, Trost in Befreiung zu finden; dass der Körper ohne ein Selbst ist, aber das alle Lebewesen zur Reifung gebracht werden sollten; dass der Körper friedlich ist, aber dass er nicht die letztendliche Stille suchen sollte; er sollte ihn drängen, seine Verblendungen zu gestehen, aber nicht um der Absolution willen. Er sollte ihn ermuntern, wegen seiner Krankheit, seiner Erinnerung an die Leiden seit anfangsloser Zeit und seiner Gewissenhaftigkeit für das Wohl aller Wesen zu arbeiten und Empathie für alle Lebewesen zu empfinden. Er sollte ihn ermuntern, nicht zu Verzweifeln, sondern die Wurzeln der Tugenden weiter zu entwickeln, die ursprüngliche Reinheit und die Begierdelosigkeit zu erhalten, um so bestrebt zu sein, der König der Heiler zu werden, der alle Krankheiten heilen kann. In einer solchen Art und Weise sollte ein Bodhisattva einen kranken Bodhisattva trösten, um ihn glücklich zu machen. Mañjuśrī fragte, „Edler Herr, wie sollte ein kranker Bodhisattva seinen Geist überwachen?“ Vimalakīrti antwortete, „Mañjuśrī, ein kranker Bodhisattva sollte seinen Geist überwachen, indem er folgendes in Betracht zieht: Krankheit entsteht aus der vollständigen Eingebundenheit in den Prozess des Missverstehens seit anfangsloser Zeit. Sie entwickelt sich aus den Leidenschaften, die aus realitätsfernen geistigen Vorstellungen entstehen und deshalb kann im Letztendlichen nichts wahrgenommen werden, von dem man sagen kann, dass es krank ist. Warum? Der Körper ist das Ergebnis der Zusammenstellung aus den vier Elementen und in diesen Elementen gibt es keinen Besitzer und keine Substanz. Es gibt kein Selbst in diesem Körper und, außer dem eigenmächtigen Beharren auf ein Selbst, kann ultimativ kein ´ich´, von dem gesagt werden kann, dass es krank ist, verstanden werden. Darum, wenn jemand ´ich´ denkt, sollte er nicht an ein Selbst anhaften, und ´ich´ sollte sich dem Ursprung der Krankheit stets gewahr sein. Er sollte seine Vorstellung verändern, indem er sich nicht als Persönlichkeit sieht, sondern als eine Sache und dabei denken, ´Dieser Körper ist eine Ansammlung von vielen Dingen; wenn er geboren wird, werden nur Dinge geboren; wenn er vergeht, vergehen nur Dinge; diese Dinge haben kein Gewahrsein oder Gefühl voneinander; wenn sie geboren werden, denken sie nicht, ´Ich bin geboren.´ Wenn sie vergehen, denken sie nicht, ´Ich vergehe.´

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„Was ist die Beseitigung dieser Krankheit? Es ist die Beseitigung von Egoismus und Besitzgier. Was ist die Beseitigung von Egoismus und Besitzgier? Es ist die Freiheit von Dualismus. Was ist Freiheit von Dualismus? Es ist die Abwesenheit der Eingebundenheit in Internes und Externes. Was ist die Abwesenheit der Eingebundenheit in Internes und Externes? Es ist die Nichtabweichung, die Nichtfluktuation und die Nichtzerstreutheit von Gleichmut. Was ist Gleichmut? Es ist die Gleichheit von allem, vom Selbst bis zur Befreiung. Warum? Weil beides, sowohl Selbst als auch Befreiung leer ist. Wie kann beides leer sein? Als verbale Bezeichnungen sind sie beide leer und keine davon kann in der Realität begründet werden. Darum macht der, der eine solche Gleichheit sieht, keine Unterscheidung zwischen Krankheit und Leerheit; seine Krankheit in sich selbst ist Leerheit und die Krankheit als Leerheit ist in sich selbst leer. „Der kranke Bodhisattva sollte realisieren, dass das Empfinden letztendlich ein Nichtempfinden ist, aber er sollte nicht das Aufhören des Empfindens verwirklichen. Obwohl Vergnügen und Schmerz nicht mehr wirken, wenn die Buddha-Qualitäten vollständig ausgereift sind, wird dadurch nicht das große Mitgefühl für alle Lebewesen in den Daseinsabgründen gefördert. Deshalb erfährt der Bodhisattva in seinem eigenen Leid das Leid aller Lebewesen, und er betrachtet diese Lebewesen in der richtigen Weise und beschließt alle ihre Leiden zu heilen. Obgleich nichts auf diese Lebewesen angewandt werden muss, so muss auch nichts entfernt werden. Jemand muss ihnen nur Dharma lehren, damit sie den Grund, aus dem die Leiden entstehen, verstehen. Was ist der Grund? Es ist die Objektwahrnehmung. Insoweit scheinbare Objekte wahrgenommen werden, sind sie die Grundlage für Leiden. Was für Dinge werden als Objekte wahrgenommen? Die drei Welten der Existenz werden als Objekte wahrgenommen. Was ist das Verstehen des grundlegenden, scheinbaren Objekts? Es ist seine Nichtwahrnehmung, da keine Objekte letztendlich existieren. Was ist Nichtwahrnehmung? Das interne Subjekt und das externe Objekt werden nicht dualistisch wahrgenommen. Darum wird es Nichtwahrnehmung genannt. „Mañjuśrī, so sollte ein kranker Bodhisattva seinen Geist überwachen, um hohes Alter, Krankheit, Tod und Geburt zu bezwingen. So, Mañjuśrī, ist die Krankheit eines Bodhisattva. Wenn er es anders aufnimmt, werden alle seine Bemühungen vergeblich sein. Jemand wird zum Beispiel ´Held´ genannt, wenn er alle Gegner bezwingt. In gleicher Weise wird jemand Bodhisattva genannt, wenn er die Miseren des Alterns, der Krankheit und des Todes besiegt. „Der kranke Bodhisattva sollte sich sagen: ´So wie meine Leiden unreal und nichtexistent sind, so sind die Leiden aller Lebewesen unreal und nichtexistent.´ Durch solche Überlegungen entwickelt er das große Mitgefühl für alle Lebewesen, ohne in sentimentales Mitleid zu verfallen. Das große Mitgefühl ist bestrebt, versehentliche Leidenschaften zu beseitigen und betrachtet Lebewesen so, als wäre kein Leben in ihnen. Warum? Weil großes Mitgefühl, welches in sentimentale, zweckgerichtete Ansichten verfällt, den Bodhisattva in den Reinkarnationen ermüden lässt. Das große Mitgefühl ohne sentimentale, zweckgerichtete Ansichten aber lässt den Bodhisattva nicht in den Reinkarnationen ermüden. Er reinkarniert ohne die Eingebundenheit in solche Sichtweisen, sondern mit einem Geist frei von allen Eingebundenheiten. Demnach ist selbst seine Reinkarnation wie Befreiung. Durch die befreiungsgleiche Reinkarnation besitzt er die Kraft und Fähigkeit Dharma zu lehren, um damit die Lebewesen von ihren Fesseln zu befreien. Wie der Lord erklärte: ´Es ist jemandem ohne Befreiung nicht möglich, andere von ihren Fesseln zu erlösen.´ Darum sollte der Bodhisattva an seiner Befreiung arbeiten und nicht an seiner Gebundenheit. „Was ist Gebundenheit? Was ist Befreiung? Der Bodhisattva, der sich in der Befreiung von der Welt schwelgt, ohne dabei die Technik der Befreiung anzuwenden ist gebunden. Sich in

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der Welt vollständig mit der Technik der Befreiung zu beschäftigen ist für den Bodhisattva Befreiung. Die Erfahrung des Geschmacks der Vertiefung, der Meditation und der Konzentration zu erfahren, ohne der Fähigkeit in der Technik der Befreiung ist Gebundenheit. Die Erfahrung des Geschmacks der Vertiefungen, Meditation und Konzentration mit der Fähigkeit in der Technik der Befreiung ist für den Bodhisattva Befreiung. Weisheit, welche nicht in die Technik der Befreiung integriert ist, ist Gebundenheit, aber Weisheit mit der Technik der Befreiung ist Befreiung. Die Technik der Befreiung, welche nicht in Weisheit integriert ist, ist Gebundenheit, aber die Technik der Befreiung, die in Weisheit integriert ist, ist Befreiung. „Wie nun ist Weisheit, welche nicht in die Technik der Befreiung integriert ist, Gebundenheit? Weisheit, welche nicht in die Technik der Befreiung integriert ist, besteht aus Konzentration auf Leerheit, Zeichenlosigkeit und Wunschlosigkeit und, obwohl der Bodhisattva von sentimentalem Mitleid motiviert ist, scheitert er bei der Konzentration, um die viel verheißenden Zeichen und Merkmale zu kultivieren, um die Buddha Länder zu zieren und bei der Aufgabe, die Lebewesen zu reinigen – das ist Gebundenheit. „Wie nun ist Weisheit, welche in die Technik der Befreiung integriert ist, Befreiung? Weisheit, welche in die Technik der Befreiung integriert ist besteht aus der Motivation durch großes Mitgefühl und somit aus Konzentration, um die viel verheißenden Zeichen und Merkmale zu kultivieren, um die Buddha Länder zu zieren und bei der Aufgabe, die Lebewesen zu reinigen. Während all dieser Vorgänge verbleibt der Bodhisattva in Konzentration auf die tiefgründige Erkundung der Leerheit, Zeichenlosigkeit und Wunschlosigkeit – das ist Befreiung. „Was nun ist die Gebundenheit durch die Technik der Befreiung, welche nicht in Weisheit integriert ist? Die Gebundenheit der Technik der Befreiung, welche nicht in Weisheit integriert ist, besteht aus dem Entwickeln der Tugenden des Bodhisattva, ohne sie der Erleuchtung zu widmen, während er weiter im Griff der dogmatischen Ansichten, Leidenschaften, Anhaftungen, Abneigungen und unbewussten Triebe lebt. „Was nun ist die Befreiung durch die Technik der Befreiung, welche in Weisheit integriert ist? Die Befreiung durch die Technik der Befreiung, welche in Weisheit integriert ist besteht aus der Widmung aller Tugenden des Bodhisattva für die Erleuchtung, ohne Stolz darauf zu sein, während er alle Überzeugungen, Leidenschaften, Anhaftungen, Abneigungen und unbewussten Triebe ablegt. „Mañjuśrī, so sollte der kranke Bodhisattva die Dinge betrachten. Seine Weisheit ist die Betrachtung von Körper, Geist und Leiden als unbeständig, erbärmlich, leer und selbstlos. Seine Technik der Befreiung besteht darin, nicht alle körperlichen Krankheiten unbedingt zu meiden und seine Handlungen für das Wohl aller Wesen zu vollbringen, ohne dabei den Kreis seiner Reinkarnationen zu unterbrechen. Weiterhin liegt seine Weisheit im Verständnis darin, dass Körper, Geist und Leiden weder neu noch alt sind, noch beides, neu und alt, noch nicht neu und nicht alt. Und seine Technik der Befreiung liegt im Nichtsuchen der Beendigung von Körper, Geist und Leiden. „So, Mañjuśrī, ist der Weg, wie sich ein kranker Bodhisattva auf seinen Geist konzentriert; er sollte weder mit seinem Geist unter Kontrolle leben, noch Nachgiebig mit seinem Geist sein. Warum? Nachgiebig mit dem Geist zu sein, ist Sache der Narren, mit dem Geist unter Kontrolle zu leben ist die Sache der Schüler. Darum sollte der Bodhisattva nicht mit seinem

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Geist unter Kontrolle leben, noch Nachgiebig mit seinem Geist sein. Nicht in einem dieser Extreme zu leben ist die Domäne eines Bodhisattva. „Nicht die Domäne der gewöhnlichen Individuen und nicht die Domäne der Heiligen, so ist die Domäne eines Bodhisattva. Die Domäne der Welt und doch nicht die Domäne der Leidenschaften, so ist die Domäne eines Bodhisattva. Wo jemand die Befreiung versteht und doch nicht in die letztendliche Befreiung eingeht, dort ist die Domäne eines Bodhisattva. Wo die vier Māras manifest sind und doch alle Werke der Māras überwunden werden, dort ist die Domäne eines Bodhisattva. Wo jemand die Erkenntnis der Allwissenheit sucht und doch nicht diese Erkenntnis zur falschen Zeit erlangt, dort ist die Domäne eines Bodhisattva. Wo jemand die vier Edlen Wahrheiten versteht, doch diese nicht zur falschen Zeit realisiert, dort ist die Domäne eines Bodhisattva. Eine Domäne der introspektiven Einsicht, worin jemand nicht die freiwillige Reinkarnation unterbricht, dort ist die Domäne eines Bodhisattva. Eine Domäne, wo jemand die Geburtlosigkeit realisiert, doch nicht für das Letztendliche bestimmt ist, dort ist die Domäne eines Bodhisattva. Wo jemand die Relativität ohne jegliche Ansichten betrachtet, dort ist die Domäne eines Bodhisattva. Wo sich jemand unter alle Wesen gesellt, doch frei von allen leidlichen Trieben bleibt, dort ist die Domäne eines Bodhisattva. Eine Domäne der Einsamkeit, ohne Platz für die Erschöpfung von Körper und Geist, dort ist die Domäne eines Bodhisattva. Die Domäne der drei Welten, doch untrennbar vom letztendlichen Bereich, dort ist die Domäne eines Bodhisattva. Die Domäne der Leerheit, doch wo jemand alle Arten von Tugenden kultiviert, dort ist die Domäne eines Bodhisattva. Die Domäne der Zeichenlosigkeit, wo auf die Erlösung aller Lebewesen geachtet wird, dort ist die Domäne eines Bodhisattva. Die Domäne der Wunschlosigkeit, wo freiwillig Leben manifestiert wird, dort ist die Domäne eines Bodhisattva. „Eine Domäne speziell ohne Ausführungen, doch wo alle Tugenden ohne Unterbrechung ausgeführt werden, dort ist die Domäne eines Bodhisattva. Die Domäne der sechs Pāramitās, wo jemand die Gedanken und Handlungen aller Lebewesen transzendiert, dort ist die Domäne eines Bodhisattva. Die Domäne der sechs höheren Geisteskräfte, worin sich die Verblendungen nicht erschöpfen, dort ist die Domäne eines Bodhisattva. Die Domäne des Lebens gemäß dem heiligen Dharma, ohne auch nur einen falschen Pfad wahrzunehmen, dort ist die Domäne eines Bodhisattva. Die Domäne der vier Unermesslichkeiten, wo jemand nicht die Wiedergeburt im Brahmāhimmel zulässt, dort ist die Domäne eines Bodhisattva. Die Domäne der sechs Erinnerungen, unbeeinflusst von jeglicher Art von Verblendung, dort ist die Domäne eines Bodhisattva. Die Domäne der Vertiefungen, Meditation und Konzentration, wo jemand, Kraft dieser Übungen, nicht im formlosen Reich reinkarniert, dort ist die Domäne eines Bodhisattva. Die Domäne der vier rechten Anstrengungen, wo die Dualität von Gut und Böse nicht unterschieden wird, dort ist die Domäne eines Bodhisattva. Die Domäne der vier Grundlagen der magischen Kräfte, wo sie ohne Anstrengungen gemeistert werden, dort ist die Domäne eines Bodhisattva. Die Domäne der fünf Spirituellen Fähigkeiten, mit denen er die Kapazitäten der spirituellen Fähigkeiten von Lebewesen kennt, dort ist die Domäne eines Bodhisattva. Die Domäne vom Leben mit den fünf Kräften, wo sich jemand an den Zehn Kräften des Tathāgata erfreut, dort ist die Domäne eines Bodhisattva. Die Domäne der Perfektion der sieben Glieder der Erleuchtung, wo jemand der Kenntnis der subtilen, intellektuellen Unterscheidungen befähigt ist, dort ist die Domäne eines Bodhisattva. Die Domäne des heiligen achtfachen Pfades, wo sich jemand am unbegrenzten Pfad eines Buddha erfreut, dort ist die Domäne eines Bodhisattva. Die Domäne der Kultivierung der Befähigung zur geistigen Stille und transzendenten Analyse, wo jemand nicht eine äußerste Stille sucht, dort ist die Domäne eines Bodhisattva. Die Domäne der Realisation der ungeborenen Natur aller Dinge, doch auch die Perfektion des Körpers, die viel verheißenden Zeichen und Merkmale und die Verzierungen eines Buddha, dort ist die Domäne eines Bodhisattva. Die

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Domäne der Manifestierung der Einstellungen der Schüler und Pratyekabuddhas, ohne den Verlust der Qualitäten des Buddha, dort ist die Domäne eines Bodhisattva. Die Domäne der Übereinstimmung von der höchsten Reinheit der Natur aller Dinge und dennoch unterschiedliches Verhalten zeigend, das den Neigungen aller Lebewesen entspricht, dort ist die Domäne eines Bodhisattva. Wo jemand realisiert, dass alle Buddha Länder unzerstörbar und unkreierbar sind und sie die Natur von unendlichem Raum haben, doch wo jemand die Errichtung der Qualitäten der Buddha Länder in all ihrer Verschiedenartigkeit und all ihrem Ausmaß manifestiert, dort ist die Domäne eines Bodhisattva. Die Domäne, wo jemand das heilige Rad des Dharma dreht und die Herrlichkeit der letztendlichen Befreiung manifestiert, doch niemals die Karriere als Bodhisattva aufgibt, dort ist die Domäne eines Bodhisattva!“ Als Vimalakīrti seinen Diskurs gesprochen hatte, richteten achttausend Götter im Gefolge von Mañjuśrī den Geist auf das Erreichen der unübertroffenen, perfekten Erleuchtung.

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Kapitel 6: Die Unvorstellbare Befreiung Daraufhin dachte der ehrwürdige Śāriputra bei sich, „Es gibt nicht einen einzigen Stuhl in diesem Haus. Wo werden all die Schüler und Bodhisattvas sitzen?“ Der Licchavier Vimalakīrti las die Gedanken des ehrwürdigen Śāriputra und sagte, „Ehrwürdiger Śāriputra, bist du hier um des Dharma willen hergekommen? Oder bist du hier hergekommen um eines Stuhles willen?“ Śāriputra antwortete, „Ich bin hier um des Dharma willen, nicht um eines Stuhles willen.“ Vimalakīrti fuhr fort, „Ehrwürdiger Śāriputra, derjenige, der am Dharma interessiert ist, interessiert sich nicht einmal für seinen eigenen Körper, noch viel weniger für einen Stuhl. Ehrwürdiger Śāriputra, derjenige, der am Dharma interessiert ist, interessiert sich nicht für Form, Gefühl, Wahrnehmung, Geistesformation oder Bewusstsein. Er hat kein Interesse an diesen Aggregaten oder den Elementen oder an der Sinnesempfindung. Am Dharma interessiert, hat er kein Interesse an der Sinnenwelt, der feinkörperlichen und der unkörperlichen Welt. Am Dharma interessiert, hat er kein Interesse in der Anhaftung an den Buddha, Anhaftung an den Dharma oder Anhaftung an die Sangha. Ehrwürdiger Śāriputra, derjenige, der am Dharma interessiert ist, hat kein Interesse am Erkennen des Leidens, sich von der Entstehung abzukehren, das Beenden zu realisieren oder den Pfad zu praktizieren. Warum? Der Dharma ist im Letztendlichen ohne Formulierungen und ohne Verbalisierungen. Wer in Worten ausdrückt: ´Leiden sollte erkannt werden, die Entstehung sollte beseitigt werden, das Beenden sollte realisiert werden, der Pfad sollte praktiziert werden,´ ist nicht am Dharma interessiert, sondern am Ausdrücken von Worten. „Ehrwürdiger Śāriputra, der Dharma ist ruhig und friedlich. Diejenigen, die am Erschaffen und Zerstören beteiligt sind, sind nicht am Dharma interessiert, sind nicht an der Einsamkeit interessiert, sondern am Erschaffen und Zerstören. „Weiterhin, ehrwürdiger Śāriputra, ist der Dharma ohne jede Trübung und frei von Verblendung. Derjenige, der an irgend etwas anhaftet, selbst an Befreiung, ist nicht am Dharma interessiert, sondern an trüber Begierde. Der Dharma ist kein Objekt. Derjenige, der Objekten folgt ist nicht am Dharma interessiert, sondern an Objekten. Der Dharma ist ohne Annahme oder Ablehnung. Derjenige, der an Dingen festhält oder Dinge gehen lässt ist nicht am Dharma interessiert, sondern am Festhalten oder Gehen lassen. Der Dharma ist keine sichere Zuflucht. Derjenige, der eine sichere Zuflucht genießt ist nicht am Dharma interessiert, sondern an einer sicheren Zuflucht. Der Dharma ist ohne Zeichen. Derjenige, dessen Bewusstsein Zeichen verfolgt ist nicht am Dharma interessiert, sondern an Zeichen. Der Dharma ist keine Gesellschaft. Derjenige, der bestrebt ist dem Dharma anzugehören ist nicht am Dharma interessiert, sondern an Zugehörigkeit. Der Dharma ist keine Ansicht, kein Geräusch, keine Kategorie und keine Idee. Derjenige, der in Ansichten, Geräuschen, Kategorien und Ideen eingebunden ist, ist nicht am Dharma interessiert, sondern an Ansichten, Geräuschen, Kategorien und Ideen. Ehrwürdiger Śāriputra, der Dharma ist frei von in Abhängigkeit entstandenen Dingen und von Dingen, die nicht in Abhängigkeit entstanden sind. Derjenige, der an in Abhängigkeit entstandenen Dingen und an nicht in Abhängigkeit entstandenen Dingen angehaftet ist, ist nicht am Dharma interessiert, sondern an in Abhängigkeit entstandenen Dingen und an nicht in Abhängigkeit entstandenen Dingen. „Deshalb, ehrwürdiger Śāriputra, wenn du am Dharma interessiert bist, solltest du an nichts Interesse haben.“

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Als Vimalakīrti diesen Diskurs ausgesprochen hatte, erlangten fünfhundert Götter die Reinheit des Dharma-Auges, welches alle Dinge zu erblicken vermag. Dann sagte der Licchavier Vimalakīrti zum Kronprinzen Mañjuśrī, „Mañjuśrī, du bist schon in zahllosen hunderttausend Buddha Ländern in den Reichen aller zehn Richtungen gewesen. In welchem Buddha Land hast du die besten Löwenthrone mit den feinsten Qualitäten gesehen?“ Mañjuśrī antwortete, „Edler Herr, wenn jemand die Buddha Länder im Osten durchwandert, die so zahlreich sind, wie die Sandkörner von zweiundsechzig Strömen des Ganges, wird er in ein Universum mit dem Namen Merudhvaja gelangen. Dort gibt es einen Tathāgata mit dem Namen Merupradīparājaja. Sein Körper ist vier Millionen achthunderttausend Yojanas groß und sein Thron ist sechs Millionen achthunderttausend Yojanas hoch. Die Bodhisattvas sind dort vier Millionen und zweihunderttausend Yojanas groß und ihre Throne sind drei Millionen und vierhunderttausend Yojanas hoch. Edler Herr, die feinsten und prächtigsten Throne existieren in dem Universum Merudhvaja, welches das Buddha Land des Tathāgata Merupradīparājaja ist.“ In jenem Moment richtete der Licchavier Vimalakīrti seine Konzentration auf die Vollbringung eines Wunderwerks, so dass der Lord Tathāgata Merupradīparājaja in seinem Universum Merudhvaja drei Millionen zweihunderttausend Throne in dieses Universum sandte. Diese Throne waren so hoch, geräumig und schön, dass selbst die Bodhisattvas, großen Schüler, Śakras, Brahmās, Lokapālas und andere Götter so etwas noch niemals gesehen hatten. Die Throne kamen vom Himmel herab und ihre Reise endete im Haus des Licchavier Vimalakīrti. Diese drei Millionen zweihunderttausend Throne arrangierten sich ohne Gedränge und das Haus schien sich entsprechend zu vergrößern. Die große Stadt Vaiśāli wurde dadurch nicht verdeckt, genauso wenig wie das Land Jambūdvīpa und die vier Weltkontinente. Alles andere erschien so wie es vorher war. Dann sagte der Licchavier Vimalakīrti zum jungen Kronprinz Mañjuśrī, „Mañjuśrī, die Bodhisattvas sollen sich auf diese Throne setzen, nachdem sie ihre Körper in der Größe angepasst haben!“ Die Bodhisattvas, die die höheren Geisteskräfte erlangt hatten, transformierten ihre Körper in eine Größe von vier Millionen zweihunderttausend Yojanas und setzten sich auf die Throne. Aber die Bodhisattvas, die neu auf ihrem Kurs waren, schafften es noch nicht sich zu transformieren. Der Licchavier Vimalakīrti lehrte diesen Bodhisattvas die Lehre, die es ihnen ermöglichte, die fünf höheren Geisteskräfte zu erlangen und, nachdem sie sie erlangt hatten, transformierten sie ihre Körper auf die erforderliche Größe und setzten sich auf die Throne. Die großen Schüler waren schließlich immer noch nicht in der Lage, sich auf die Throne zu setzen. Der Licchavier Vimalakīrti sagte zum ehrwürdigen Śāriputra, „Ehrwürdiger Śāriputra, nimm auf einem Thron platz.“ Er antwortete, „Guter Herr, die Throne sind zu groß und zu hoch, ich kann nicht auf ihnen sitzen.“

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Vimalakīrti sagte, „Ehrwürdiger Śāriputra, verbeuge dich vor dem Tathāgata Merupradīparājaja und du wirst dich setzen können.“ Die großen Schüler verbeugten sich vor dem Tathāgata Merupradīparājaja, transformierten ihre Körper und setzten sich auf die Throne. Darauf sagte der ehrwürdige Śāriputra zum Licchavier Vimalakīrti, „Edler Herr, es ist erstaunlich, dass diese vielen tausend Throne, die so groß und so hoch sind, in ein solch kleines Haus passen und dass die große Stadt Vaiśāli, die Dörfer, Städte, Königreiche und Hauptstädte von Jambūdvīpa, die anderen drei Kontinente, die Stätten der Götter, der Nāgas, der Yaksas, der Gandharvas, der Asuras, der Garudas, der Kimnaras und der Mahoragas – dass all diese ohne jedes Hindernis erscheinen, so wie sie zuvor waren!“ Der Licchavier Vimalakīrti entgegnete, „Ehrwürdiger Śāriputra, für die Tathāgatas und die Bodhisattvas gibt es eine Befreiung, die ´Unvorstellbar´ genannt wird. Der Bodhisattva, der in der Unvorstellbaren Befreiung lebt, kann den König der Berge, Sumeru, welcher so hoch, so groß, so edel und so weitläufig ist, in ein Senfkorn setzen. Er kann dieses Wunderwerk wirken, ohne das Senfkorn zu vergrößern und ohne den Berg Sumeru zu verkleinern. Und die Gottheiten der Versammlung der vier Mahārajas und der Trāyastrimśa Himmel wüssten nicht einmal, wo sie hingekommen sind. „Nur solche Wesen, die dazu ausersehen sind, durch Wunder diszipliniert zu werden, sehen und verstehen, dass der Berg Sumeru in ein Senfkorn gesetzt wurde; das, ehrwürdiger Śāriputra, ist der Zugang zu der Domäne der Unvorstellbaren Befreiung der Bodhisattvas. „Weiterhin, ehrwürdiger Śāriputra, kann der Bodhisattva, der in der Unvorstellbaren Befreiung weilt, das Wasser aller vier großen Ozeane in eine einzige Pore seiner Haut schütten, ohne dabei die Tiere wie Fische, Schildkröten, Krokodile, Frösche und andere Kreaturen zu verletzen und ohne das sich Lebewesen wie Nāgas, Yaksas, Gandharvas und Asuras gewahr würden, wo sie hingekommen sind. Und der gesamte Vorgang ist sichtbar ohne jede Verletzung oder Störung all dieser Lebewesen. „Solch ein Bodhisattva kann mit seiner rechten Hand dieses Milliarden-Welt-Universum ergreifen, als wäre es eine Töpferscheibe, sie kreiseln lassen und danach jenseits von anderen Welten schleudern, die zahlreich sind, wie die Sandkörner des Ganges und die Lebewesen in diesem Universum wüssten nichts von dieser Bewegung oder ihrer Herkunft. Danach kann er sie ergreifen und sie wieder an den ursprünglichen Platz setzen, ohne das die Lebewesen ihr kommen und gehen vermuteten. Und trotzdem ist der gesamte Vorgang sichtbar. „Weiterhin, ehrwürdiger Śāriputra, gibt es Wesen, die nach einem unermesslich langen Zeitraum der Entwicklung diszipliniert werden und es gibt auch solche, die nach einem kurzen Zeitraum der Entwicklung diszipliniert werden. Der Bodhisattva, der in der Unvorstellbaren Befreiung weilt, kann für die Disziplinierung von Lebewesen, welche sich über unvorstellbar lange Zeiträume hin entwickeln und disziplinieren, eine Woche so lang wie ein Äon erscheinen lassen und er kann für diejenigen, die sich über einen kurzen Zeitraum hin entwickeln und disziplinieren den Zeitraum eines Äon wie den Zeitraum einer Woche erscheinen lassen. Die Lebewesen, die durch einen unermesslich langen Zeitraum diszipliniert werden, nehmen das Verstreichen einer Woche wie die Dauer eines Äons wahr und diejenigen, die in einem kurzen Zeitraum diszipliniert werden, nehmen das Verstreichen eines Äons wie die Dauer einer Woche wahr.

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„Auf diese Weise kann ein Bodhisattva, der in der Unvorstellbaren Befreiung weilt, all die Pracht der Tugenden aller Buddha Länder innerhalb eines Buddha Landes manifestieren. Ebenso kann er alle Lebewesen auf der Fläche seiner rechten Hand platzieren und ihnen mit übernatürlicher Geschwindigkeit der Gedanken alle Buddha Länder zeigen, ohne sein eigenes Buddha Land zu verlassen. Er kann in einer einzigen Pore alle Spenden, die er jemals den Buddhas überreicht hat und alle Himmelskörper der Sonnen, Monde und Sterne aller zehn Richtungen zur Schau stellen. Er kann alle Hurrikane der kosmischen Windatmosphäre der zehn Richtungen in seinen Mund saugen, ohne seinen eigenen Körper zu verletzen und ohne die Wälder und die Gräser des Buddha Landes zu zerknicken. Er kann all die Massen der Feuer am Ende eines Äons, die eine Weltperiode zum Ende bringen, aus allen Weltsystemen in seinen Magen aufnehmen, ohne die Feuermassen zu beeinträchtigen. Nachdem er die Buddha Länder, die zahlreich sind wie die Sandkörner des Ganges, durchwandert und sein Buddha Land aufgegriffen hat, kann er hoch empor durch die Buddha Länder steigen und seines hoch oben absetzen, so wie ein starker Mann ein Jujubeblatt auf eine Nadel spießen kann. „Ein Bodhisattva, der in der Unvorstellbaren Befreiung weilt, kann auf magische Weise jedes beliebige Lebewesen in einen universellen Monarchen, einen Lokapāla, einen Śakra, einen Brahmā, einen Schüler, einen Pratyekabuddha, einen Bodhisattva und sogar in einen Buddha verwandeln. Der Bodhisattva kann wie durch ein Wunder alle Schreie und jeden Lärm aller Lebewesen, seien sie überlegen, mittelmäßig oder unterlegen, in die Stimme eines Buddha verwandeln, mit den Worten des Buddha, des Dharma und der Sangha, welche verkünden, ´Unbeständig! Elend! Leer! Selbstlos!´ Und er kann sie die Worte und Klänge aller Lehren, die von den Buddhas in allen zehn Richtungen verkündet wurden, rezitieren lassen. „Ehrwürdiger Śāriputra, ich habe dir nur einen kleinen Teil vom Eintritt in die Domäne eines Bodhisattva gezeigt, der in der Unvorstellbaren Befreiung weilt. Ehrwürdiger Śāriputra, um dir die vollständige Lehre vom Eintritt in die Domäne eines Bodhisattva zu lehren, der in der Unvorstellbaren Befreiung weilt, benötigte mindestens die Zeit eines Äons oder sogar noch länger.“ Nachdem der Patriarch Mahākāśyapa diese Lehre der Unvorstellbaren Befreiung gehört hatte, sagte er zum ehrwürdigen Śāriputra, „Ehrwürdiger Śāriputra, wenn jemand eine Vielzahl von Dingen einer von Geburt an blinden Person zeigen würde, so könnte diese nichts davon sehen. Genauso, ehrwürdiger Śāriputra, wenn diese Tür zur Unvorstellbaren Befreiung aufgezeigt wird, so sind alle Schüler und Pratyekabuddhas ohne Sehkraft, wie der von Geburt an blinde Mensch und sie können nicht einen einzigen Grund der Unvorstellbaren Befreiung verstehen. Wer sollte schon unter den Weisen sein, der, nachdem er die Lehre über die Unvorstellbare Befreiung vernommen hat, nicht seinen Geist auf das Erlangen der unübertroffenen, perfekten Erleuchtung richtet? Was uns betrifft, die wir verkommene Fähigkeiten haben, wie ein verbrannter und verrotteter Samen, was sonst können wir tun, wenn wir nicht für das Große Fahrzeug empfänglich werden? Wir, alle Schüler und Pratyekabuddhas, sollten nach dem Hören einer solchen Lehre des Dharma einen lauten Schrei der Reue ausrufen, der das gesamte Milliarden-Welt-Universum erschüttern lässt! Und die Bodhisattvas hingegen, die von der Unvorstellbaren Befreiung hören, sollten freudig wie der junge Kronprinz sein, welcher das Diadem und die Salbung empfängt. Und sie sollten ihre Hingabe auf das Höchste hinsichtlich der Unvorstellbaren Befreiung steigern. Wahrlich, was können schon alle Māras zusammen an jemandem ausrichten, der sich der Unvorstellbaren Befreiung widmet?“

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Als der Patriarch Mahākāśyapa diesen Diskurs ausgesprochen hatte, richteten zweiunddreißigtausend Götter ihren Geist auf das Erreichen der unübertroffenen, perfekten Erleuchtung. Dann sagte der Licchavier Vimalakīrti zum Patriarch Mahākāśyapa, „Ehrwürdiger Mahākāśyapa, die Māras, die in den zahllosen Welten der zehn Richtungen die Teufel spielen sind alle Bodhisattvas, die in der Unvorstellbaren Befreiung weilen. Sie spielen die Rolle des Teufels, um Lebewesen durch ihre Fähigkeit in der Technik der Befreiung zur Entwicklung und Reifung zu bringen. Ehrwürdiger Mahākāśyapa, all die armseligen Bettler, die zu den Bodhisattvas der unzähligen Welten in den zehn Richtungen kommen und nach einer Hand, einem Fuß, einer Nase, etwas Blut, Muskeln, Knochen, Mark, einem Auge, einem Torso, einem Kopf, einem Gliedmaß, einem Mitglied, einem Thron, einem Königreich, einem Land, einer Ehefrau, einem Sohn, einer Tochter, einem Sklaven, einem Sklavenmädchen, einem Pferd, einem Elefanten, einem Streitwagen, einem Fuhrwerk, Gold, Silber, Juwelen, Perlen, Muschelschalen, Kristall, Korallen, Beryll, Schätzen, Essen, Trinken, Elixiere und Kleidung verlangen - diese fordernden Bettler sind für gewöhnlich Bodhisattvas, welche in der Unvorstellbaren Befreiung verweilen und die durch ihre Fähigkeit in der Technik der Befreiung die hohe Entschlossenheit der Bodhisattvas zu testen wünschen. Warum? Ehrwürdiger Mahākāśyapa, die Bodhisattvas demonstrieren ihre Entschlossenheit durch schreckliche Entbehrungen. Gewöhnliche Personen besitzen nicht die Stärke, solche Forderungen an Bodhisattvas zu stellen, es sei denn, ihnen wird eine solche Gelegenheit gewährt. Sie sind darum nicht in der Lage zu Töten und Besitztümer zu nehmen, bis ihnen aus freien Stücken die Chance dazu gegeben wird. „Ehrwürdiger Mahākāśyapa, genau so wie ein Glühwürmchen nicht das Licht der Sonne überstrahlen kann, so kann eine gewöhnliche Person ohne spezielle Erlaubnis nicht einen Bodhisattva attackieren und ihm Besitztümer nehmen. Ehrwürdiger Mahākāśyapa, genau so wie ein Esel nicht eine erfolgreiche Attacke auf einen Kriegselefanten veranstalten kann, so, ehrwürdiger Mahākāśyapa, kann jemand der nicht selbst ein Bodhisattva ist, einen anderen Bodhisattva belästigen und nur ein Bodhisattva kann die Belästigung eines anderen Bodhisattva tolerieren. Ehrwürdiger Mahākāśyapa, so ist die Einführung in die Kraft des Wissens der Technik der Befreiung eines Bodhisattva, der in der Unvorstellbaren Befreiung weilt.“

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Kapitel 7 Die Göttin

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Kapitel 7: Die Göttin Darauf hin wandte sich der Kronprinz Mañjuśrī an den Licchavier Vimalakīrti: „Edler Herr, wie sollte ein Bodhisattva alle Lebewesen betrachten?“ Vimalakīrti antwortete, „Mañjuśrī, ein Bodhisattva sollte alle Lebewesen so betrachten, wie ein Weiser die Reflektionen des Mondes im Wasser betrachtet oder wie ein Magiekundiger magieerschaffene Menschen betrachtet. Er sollte sie betrachten wie ein Gesicht im Spiegel; wie das Wasser einer Luftspiegelung; wie das Geräusch eines Echos; wie zusammengeballte Wolken am Himmel; wie der vorangehende Moment bei einem Ball aus Schaum; wie das Erscheinen und Vergehen einer Blase im Wasser; wie den Kern eines hohlen Baumes; wie einen Blitz; wie das fünfte große Element; wie den siebten Sinn; wie die Form in der unkörperlichen Welt; wie den Spross eines verrotteten Samens; wie einen Schildkrötenhaarmantel; wie den Spaß am Spiel von jemandem, der zu sterben wünscht; wie die egoistische Sichtweise eines in den Strom Eingetretenen; wie die dritte Wiedergeburt eines Einmalwiederkehrers; wie das Eintreten eines Nichtwiederkehrenden in den Mutterleib; wie die Begierde, der Hass und die Torheit eines Heiligen; wie die Gedanken von Habsucht, Sittenlosigkeit, Bosheit und Feindseligkeit eines Bodhisattvas, der die Pāramitās gemeistert hat; wie die übriggebliebenen Leidenschaften eines Tathāgata; wie die Wahrnehmung von Farben von jemandem, der blind geboren wurde; wie das Einatmen und Ausatmen eines Asketen, der in der Meditation des Stillstands weilt; wie die Spuren von Vögeln im Himmel; wie die Erektion eines Eunuchen; wie die Schwangerschaft einer unfruchtbaren Frau; wie die Emanation von unproduzierten Leidenschaften einer Inkarnation des Tathāgata; wie Traumvisionen nach dem Erwachen; wie die Leidenschaften von jemandem, der frei vom Konzeptualisieren ist; wie Feuer, das ohne Brennstoff brennt; wie die Reinkarnation von jemandem, der die letztendliche Befreiung erlangt hat. „Genau so, Mañjuśrī, betrachtet ein Bodhisattva, der die letztendliche Selbstlosigkeit realisiert hat, alle Lebewesen.“ Mañjuśrī fragte weiter, „Edler Herr, wenn ein Bodhisattva alle Lebewesen in dieser Art und Weise betrachtet, wie entwickelt er dann große Liebe zu ihnen?“ Vimalakīrti antwortete, „Mañjuśrī, wenn ein Bodhisattva alle Lebewesen in dieser Art und Weise betrachtet denkt er: ´Gerade so wie ich den Dharma realisiert habe, so sollte ich es auch den Lebewesen lehren.´ Dadurch entwickelt er Liebe, die eine wahre Zuflucht für alle Lebewesen ist; die Liebe, die friedlich und frei vom Ergreifen ist; die Liebe, die nicht fiebert, weil sie frei ist von Leidenschaft; die Liebe, die in Übereinstimmung mit der Realität ist, weil sie in allen drei Zeiten gleichmütig ist; die Liebe ohne Konflikte, weil sie ohne die Gewalt der Leidenschaft ist; die Liebe, welche nichtdual ist, weil sie weder im Externen noch im Internen eingebunden ist; die Liebe, die unerschütterlich ist, da sie vollkommen im Letztendlichen wurzelt. „Dadurch generiert er Liebe, die beständig ist, mit hohem, unzerstörbarem Entschluss, wie ein Diamant; die Liebe, die rein ist, gereinigt in ihrer innersten Natur; die Liebe, die ausgeglichen ist, in ihrem Bestreben gleich; die Liebe des Heiligen, die ihren Feind beseitigt hat; die Liebe eines Bodhisattva, der fortlaufend Lebewesen zur Entwicklung bringt; die Liebe eines Tathāgata, der die Realität versteht; die Liebe eines Buddha, der Lebewesen dazu bringt, aus ihrem Schlaf zu erwachen; die Liebe, die spontan ist, weil sie spontan vollkommen erleuchtet ist; die Liebe, die Erleuchtung ist, weil sie die Einheit der Erfahrung ist; die Liebe die keine Annahmen macht, weil sie Anhaftung und Abneigung beseitigt hat; die Liebe, die großes

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Mitgefühl umfasst, weil es das strahlende Mark des Mahāyāna ist; es ist die Liebe die sich niemals erschöpft, weil sie die Leerheit und Selbstlosigkeit anerkennt; die Liebe, die gibt, weil sie das Geschenk des Dharma beschert, ohne die geschlossene Hand eines schlechten Lehrers; die Liebe, die Sittlichkeit umfasst, weil sie unsittliche Lebewesen bessert; die Liebe, die Geduld umfasst, weil sie sowohl sich selbst, als auch andere schützt; die Liebe, welche das Streben umfasst, weil sie Verantwortung für alle Lebewesen übernimmt; die Liebe, die Vertiefungen umfasst, weil sie es unterlässt, sich den Versuchungen hinzugeben; die Liebe, die Weisheit umfasst, weil sie Fortschritte zur rechten Zeit erlangt; die Liebe, die die Technik der Befreiung umfasst, weil sie den Weg allerorts aufzeigt; die Liebe ohne Formalitäten, weil sie in der Motivation rein ist; die Liebe ohne Abweichung, weil sie aus einer bestimmenden Motivation heraus handelt; die Liebe, die einen hohen Entschluss besitzt, weil sie ohne Leidenschaften ist; die Liebe ohne Täuschung, da sie nicht künstlich ist; die Liebe, die Glücklich ist, weil sie Lebewesen an das Glück eines Buddha heranführt. So, Mañjuśrī, ist die große Liebe eines Bodhisattva.“ Mañjuśrī: Was ist das große Mitgefühl eines Bodhisattva? Vimalakīrti: Es ist das Geben aller angesammelten verdienstvollen Taten an alle Lebewesen. Mañjuśrī: Was ist die große Verzückung eines Bodhisattva? Vimalakīrti: Es ist die Verzückung ohne Reue beim Geben. Mañjuśrī: Was ist der Gleichmut eines Bodhisattva? Vimalakīrti: Es ist das, was für ihn selbst und andere von Nutzen ist. Mañjuśrī: Zu was sollte man Zuflucht nehmen, wenn man zyklische Existenz fürchtet? Vimalakīrti: Mañjuśrī, ein Bodhisattva, der zyklische Existenz fürchtet sollte zur Großherzigkeit des Buddha Zuflucht nehmen. Mañjuśrī: Wo sollte derjenige, der Zuflucht zur Großherzigkeit des Buddha sucht, seine Stellung beziehen? Vimalakīrti: Er sollte seine Stellung im Gleichmut zu allen Lebewesen beziehen. Mañjuśrī: Wo sollte jemand, der sich Gleichmut gegenüber allen Wesen wünscht, seine Stellung beziehen? Vimalakīrti: Er sollte für die Befreiung aller Lebewesen leben. Mañjuśrī: Was sollte derjenige, der alle Lebewesen befreien möchte tun? Vimalakīrti: Er sollte sie von ihren Leidenschaften befreien. Mañjuśrī: Wie sollte derjenige, der alle Leidenschaften zu beseitigen sucht, sich einbringen? Vimalakīrti: Er sollte sich in angebrachter Weise einbringen.

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Mañjuśrī: Wie sollte sich jemand einbringen, der ´sich in angebrachter Weise einbringen´ sollte? Vimalakīrti: Er sollte sich in Produktionslosigkeit und Zerstörungslosigkeit einbringen. Mañjuśrī: Was ist nicht produziert? Und was ist nicht zerstört? Vimalakīrti: Böses ist nicht produziert und Gutes ist nicht zerstört. Mañjuśrī: Was ist der Ursprung von Gut und Böse? Vimalakīrti: Egozentrische Objektivierung ist der Ursprung von Gut und Böse. Mañjuśrī: Was ist der Ursprung von egozentrischer Objektivierung? Vimalakīrti: Begierde ist der Ursprung von egozentrischer Objektivierung. Mañjuśrī: Was ist der Ursprung von Begierde und Anhaftung? Vimalakīrti: Nicht der Wirklichkeit entsprechende Konstruktion ist der Ursprung von Begierde. Mañjuśrī: Was ist der Ursprung von nicht der Wirklichkeit entsprechender Konstruktion? Vimalakīrti: Ein falsches Konzept ist der Ursprung. Mañjuśrī: Was ist der Ursprung eines falschen Konzepts? Vimalakīrti: Grundlosigkeit. Mañjuśrī: Was ist der Ursprung der Grundlosigkeit? Vimalakīrti: Mañjuśrī, wenn etwas grundlos ist, wie kann es dann einen Ursprung haben? Darum entstehen alle Dinge aus dem Ursprung, der grundlos ist. Daraufhin manifestierte sich eine gewisse Göttin in einem materiellen Körper, die im Haus lebte und die Lehre der meisterlichen Bodhisattvas mit Entzücken, Freude und voller Glück vernahm und dabei himmlische Blumen auf die meisterlichen Bodhisattvas und großen Schüler regnen ließ. Als die Blumen die Körper der Bodhisattvas berührten, fielen sie danach auf den Boden, die Blumen jedoch, die die Schüler berührten, blieben an ihnen haften. Die großen Schüler versuchten sie abzuschütteln und benutzten dabei sogar ihre magischen Kräfte, aber dennoch, die Blumen fielen nicht herunter. Die Göttin sagte zum ehrwürdigen Śāriputra, „Ehrwürdiger Śāriputra, warum versuchst du diese Blumen abzuschütteln?“ Śāriputra antwortete, „Göttin, diese Blumen sind nicht passend für religiöse Personen und so versuchen wir sie loszuwerden.“ Die Göttin entgegnete,“ Sag nicht so etwas, ehrwürdiger Śāriputra. Warum? Die Blumen sind sogar sehr passend! Warum? Diese Blumen haben weder konstruierte Gedanken, noch Unterscheidung, doch sind die Ältesten voll solcher Gedanken. Jemand der ohne diese Gedanken ist, ist immer passend.

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„Ehrwürdiger Śāriputra, siehst du, wie die Blumen nicht an den Körpern der großen spirituellen Meister, den Bodhisattvas haften! Es ist, weil sie ihre konstruierten Gedanken und Unterscheidungen beseitigt haben. „Böse Geister haben zum Beispiel Kontrolle über ängstliche Menschen, aber sie können den Furchtlosen nicht beunruhigen. Genauso sind jene, die durch die Angst vor der Welt eingeschüchtert werden unter der Kontrolle von Formen, Geräuschen, Gerüchen, Geschmäckern und Beschaffenheiten. Solche aber, die frei von den Leidenschaften bezüglich der geschaffenen Welt sind, können sie nicht beunruhigen. Demnach haften diese Blumen an solchen Körpern, die ihre latenten Triebe noch nicht an der Wurzel entfernt haben und haften nicht an deren Körper, die alle Triebe samt ihrer Wurzel beseitigt haben. Darum haften die Blumen nicht an den Körpern der Bodhisattvas. Dann sagte der ehrwürdige Śāriputra zur Göttin, „Göttin, wie lange bist du schon in diesem Haus gewesen?“ Die Göttin antwortete, „Ich bin schon so lange in diesem Haus gewesen, wie der Älteste in der Befreiung verweilt.“ Śāriputra sagte, „Dann bist du schon seit einiger Zeit in diesem Haus?“ Die Göttin sprach, „Verweilt der Älteste schon seit einiger Zeit in Befreiung?“ Darauf hin verstummte der Älteste Śāriputra. Die Göttin fuhr fort, „Ältester, du bist der ´Beste in Weisheit!´ Warum sprichst du nicht? Nun, da es dein Zug ist, antwortest du nicht auf die Frage.“ Śāriputra: Da Befreiung unaussprechlich ist, Göttin, weiß ich nicht, was ich sagen soll. Göttin: Alle Silben die der Älteste ausspricht haben die Natur der Befreiung. Warum? Befreiung ist weder intern noch extern, noch kann sie getrennt davon verstanden werden. Genauso sind Silben weder intern noch extern, noch können sie getrennt davon verstanden werden. Darum, ehrwürdiger Śāriputra, zeige nicht die Befreiung auf, indem du dich von der Sprache abkehrst! Warum? Die heilige Befreiung ist die Gleichheit aller Dinge! Śāriputra: Göttin, ist nicht die Befreiung die Freiheit von Begehren, Hass und Ignoranz? Göttin: ´Befreiung ist die Freiheit von Begehren, Hass und Ignoranz´, das ist die Lehre der übermäßig Stolzen. Aber jene, die ohne Stolz sind, werden gelehrt, dass die Natur von Begehren, Hass und Torheit selbst die Befreiung ist. Śāriputra: Exzellent! Exzellent, Göttin! Bitte sage mir, was hast du erlangt, was hast du realisiert, dass du eine solche Eloquenz hast? Göttin: Ich habe nichts erlangt, ehrwürdiger Śāriputra. Ich habe nichts realisiert. Darum habe ich eine solche Eloquenz. Wer denkt, ´Ich habe erlangt! Ich habe realisiert!´ ist übermäßig Stolz in der Disziplin des gut gelehrten Dharma.

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Śāriputra: Göttin, welchem Fahrzeug gehörst du an, dem Fahrzeug des Theravāda, des Fahrzeugs der Pratyekabuddhas oder dem Fahrzeug des Mahāyāna? Göttin: Ich gehöre zum Fahrzeug der Schüler, wenn ich die Belehre, die es benötigen. Ich gehöre zum Fahrzeug des Pratyekabuddhas, wenn ich die zwölf Glieder des Abhängigen Entstehens lehre. Und, da ich niemals das große Mitgefühl ablege, gehöre ich zum Fahrzeug des Mahāyāna. Alle Lebewesen benötigen diese Lehre, um letztendliche Befreiung zu erlangen. Dennoch, ehrwürdiger Śāriputra, gerade so, wie jemand nicht den Geruch eines Wunderbaumes in einem Magnolienwald riechen kann, sondern nur Magnolienblüten, so, ehrwürdiger Śāriputra, richt man nicht den Duft der Schüler und Pratyekabuddhas, sondern man nimmt nur den starken Duft der Tugenden der Buddha-Qualitäten in diesem Hause wahr. Ehrwürdiger Śāriputra, die Śakras, die Bramāhnen, die Lokapālas, die Devas, Nāgas, Yaksas, Gandharvas, Asuras, Garudas, Kimnaras und Mahoragas, die in diesem Haus leben, hören den Dharma aus dem Mund dieses heiligen Mannes und angezogen vom Duft der Tugenden der Buddha-Qualitäten, empfangen sie ständig den Erleuchtungsgeist. Ehrwürdiger Śāriputra, ich bin seit zwölf Jahren in diesem Haus und ich habe keinen einzigen Diskurs über Schüler und Pratyekabuddhas gehört, sondern nur solche bezüglich großer Liebe, großem Mitgefühls und den unvorstellbaren Qualitäten der Buddhas. Ehrwürdiger Śāriputra, acht seltsame und wundervolle Ereignisse manifestieren sich beständig in diesem Haus. Welche acht? Ein Licht mit einer goldenen Farbe scheint hier ständig so hell, dass es schwer fällt, Tag und Nacht zu unterscheiden; und weder der Mond, noch die Sonne scheint hier verschiedenartig. Das ist das erste Wunder in diesem Haus. Weiterhin, ehrwürdiger Śāriputra, wer auch immer dieses Haus betritt, ist von dem Moment an nicht mehr von den Leidenschaften geplagt, sobald er die Schwelle überschreitet. Das ist das zweite seltsame und wundervolle Ereignis. Weiterhin, ehrwürdiger Śāriputra, wird dieses Haus niemals von Śakra, Brahmā, den Lokapālas und den Bodhisattvas aus allen Buddha Ländern im Stich gelassen. Das ist das dritte seltsame und wundervolle Ereignis. Weiterhin, ehrwürdiger Śāriputra, ist dieses Haus niemals ohne die Klänge des Dharma, den Diskurs über die sechs Pāramitās und die Diskurse über das unumkehrbare Rad des Dharma. Das ist das vierte seltsame und wundervolle Ereignis. Weiterhin, ehrwürdiger Śāriputra, hört man in diesem Haus immer die Rhythmen, Lieder und Musik von Göttern und Menschen und aus dieser Musik hallt der Klang des unendlichen Dharma des Buddha wider. Das ist das fünfte seltsame und wundervolle Ereignis. Weiterhin, ehrwürdiger Śāriputra, gibt es in diesem Haus immer vier unerschöpfliche Schätze, angefüllt mit allen möglichen Juwelen, die sich niemals erschöpfen, obwohl sich alle Armen und Elenden daran bis zu ihrer Zufriedenstellung bedienen können. Das ist das sechste seltsame und wundervolle Ereignis.

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Weiterhin, ehrwürdiger Śāriputra, auf den Wunsch dieses guten Mannes kommen zahllose Tathāgatas aus allen zehn Richtungen in dieses Haus, wie zum Beispiel Śākyamuni, Amitābha, Aksobhya, Ratnaśrī, Ratnārcis, Ratnacandra, Ratnavyūha, Dusprasāha, Sarvārthasiddha, Ratnabahula, Simhakīrti, Simhasvara und so fort; und wenn sie erscheinen, lehren sie die Pforte des Dharma ´Geheimnisse der Tathāgatas´ und verlassen darauf hin wieder diesen Ort. Das ist das siebte seltsame und wundervolle Ereignis. Weiterhin, ehrwürdiger Śāriputra, erstrahlt all die Pracht der Stätten der Götter und die gesamte Pracht der Buddha Länder in diesem Haus. Das ist das achte seltsame und wundervolle Ereignis. Ehrwürdiger Śāriputra, diese acht seltsamen und wundervollen Ereignisse können in diesem Haus erblickt werden. Wer dann, diese unvorstellbaren Ereignisse erblickend, würde da noch an die Lehren der Schüler glauben? Śāriputra: Göttin, was hält dich davon ab, deine weiblichen Form zu wandeln? Göttin: Obwohl ich in diesen zwölf Jahren nach meiner ´weiblichen Form´ gesucht habe, konnte ich sie bisher nicht finden. Ehrwürdiger Śāriputra, wenn ein Magiekundiger auf magische Weise eine Frau erschaffte, würdest du sie fragen, ´Was hält dich davon ab, deine weibliche Form zu wandeln?´ Śāriputra: Nein! Eine solche Frau existiert nicht wirklich, was also wäre dort zu wandeln? Göttin: Genau so, ehrwürdiger Śāriputra, existieren alle Dinge nicht wirklich. Nun, glaubst du, ´Was hält eine Frau davon ab, die die Natur einer magischen Kreation hat, sich aus der weiblichen Form zu wandeln?´ Darauf verwendete die Göttin ihre magischen Kräfte und ließ den Ältesten Śāriputra in ihrer Form erscheinen und ihre Form in seiner. Dann sagte die Göttin in der Gestalt von Śāriputra zu Śāriputra in der Gestalt der Göttin, „Ehrwürdiger Śāriputra, was hält dich davon ab, deine weibliche Form zu wandeln?“ Und Śāriputra in der Form der Göttin sagte, „Ich erscheine nicht mehr in der Form eines Mannes! Mein Körper hat die Gestalt einer Frau! Ich weiß nicht was ich wandeln soll!“ Die Göttin fuhr fort, „Wenn der Älteste seine Form wieder wandeln kann, so können alle Frauen ihre Form wandeln. Alle Frauen erscheinen in der gleichen Weise in der Form einer Frau, wie der Älteste in der Form einer Frau erscheint. Während sie in Wahrheit nicht Frauen sind, erscheinen sie in der Form einer Frau. Der Buddha sagte dazu, ´In allen Dingen existiert weder etwas männliches, noch etwas weibliches.´“ Sodann hörte die Göttin auf, ihre magischen Kräfte wirken zu lassen und beide erlangten ihre ursprüngliche Form zurück. Sie sagte zu ihm, „Ehrwürdiger Śāriputra, was hast du mit deiner weiblichen Form gemacht?“ Śāriputra: Ich habe sie weder gemacht, noch habe ich sie geändert. Göttin: Genau so sind alle Dinge: weder gemacht noch verändert und sie werden weder gemacht, noch werden sie verändert. Das ist die Lehre des Buddha.

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Śāriputra: Göttin, wo wirst du nach deinem Tod wiedergeboren werden? Göttin: Ich werde dort geboren werden, wo alle magischen Inkarnationen der Tathāgata geboren werden. Śāriputra: Aber die aus den Tathāgata hervorgegangenen Inkarnationen unterziehen sich weder dem Prozess des Werdens, noch werden sie geboren. Göttin: Alle Dinge und Lebewesen sind genau so; sie unterliegen weder dem Werdeprozess, noch werden sie geboren! Śāriputra: Göttin, wann wirst du die perfekte Erleuchtung der Buddhaschaft erlangen? Göttin: Zu der Zeit, wenn du, Ältester, wieder die Eigenschaften eines gewöhnlichen Individuum annimmst, dann werde ich die perfekte Erleuchtung der Buddhaschaft erlangen. Śāriputra: Göttin, es ist unmöglich, dass ich jemals wieder die Eigenschaften eines gewöhnlichen Individuums annehme. Göttin: Genau so, ehrwürdiger Śāriputra, ist es unmöglich, dass ich die perfekte Erleuchtung der Buddhaschaft erlange! Warum? Weil perfekte Erleuchtung aus der Unmöglichkeit besteht. Weil es unmöglich ist, erlangt niemand die perfekte Erleuchtung der Buddhaschaft. Śāriputra: Aber der Tathāgata hat verkündet: ´Die Tathāgatas, zahlreich wie die Sandkörner des Ganges, haben die perfekte Buddhaschaft erlangt, erlangen die perfekte Buddhaschaft und werden die perfekte Buddhaschaft erlangen.´ Göttin: Ehrwürdiger Śāriputra, der Ausdruck ´die Buddhas der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft´ ist ein konventioneller Ausdruck aus einer Aneinanderreihung von Silben. Die Buddhas sind weder Vergangenheit, noch Gegenwart, noch Zukunft. Ihre Erleuchtung überschreitet die drei Zeiten! Nun sage mir, Ältester, hast du die Heiligkeit erlangt? Śāriputra: Sie ist erlangt, weil es nichts zu erlangen gibt. Göttin: Genau so wird die perfekte Erleuchtung erlangt, weil die perfekte Erleuchtung nicht zu erlangen ist. Darauf hin sagte der Licchavier Vimalakīrti zum ehrwürdigen Śāriputra, „Ehrwürdiger Śāriputra, diese Göttin hat bereits zweiundneunzig Millionen Milliarden Buddhas gedient. Sie vergnügt sich mit den höheren Geisteskräften. Sie hat wahrhaftig alle ihre Gelübde erfüllt. Sie hat die Erkenntnis der Geburtlosigkeit realisiert. Sie hat die Unabänderlichkeit erreicht. Sie kann durch die Kraft ihres Gelübdes Lebewesen zur Entwicklung zu bringen dort Leben, wo sie es wünscht.“

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Kapitel 8 Die Familie der Tathāgatas

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Kapitel 8: Die Familie der Tathāgatas Der Kronprinz Mañjuśrī wandte sich zum Licchavier Vimalakīrti und sagte, „Edler Herr, wie folgt ein Bodhisattva den Pfad, um die Qualitäten eines Buddha zu erlangen?“ Vimalakīrti antwortete, „Mañjuśrī, wenn ein Bodhisattva dem falschen Pfad folgt, folgt er dem Pfad, um die Qualitäten eines Buddha zu erlangen.“ Mañjuśrī fragte, „Wie folgt ein Bodhisattva dem falschen Pfad?“ Vimalakīrti entgegnete, „Selbst wenn er die fünf Todsünden begeht, fühlt er keine Böswilligkeit, Gewalt oder Hass. Selbst wenn er in die Hölle geht, bleibt er frei von der Trübung der Leidenschaften. Selbst wenn er in die Tierwelt geht, bleibt er frei von der Finsternis und Ignoranz. Wenn er in die Welt der Halbgötter geht, bleibt er frei von Stolz, Eingebildetheit und Arroganz. Wenn er in die Welt des Herren des Todes geht, häuft er großen Vorrat an Verdienst und Weisheit an. Wenn er in die Welt der Regungslosigkeit und Unkörperlichkeit geht, löst er sich darin nicht auf. „Er mag dem Pfad des Begehrens folgen, doch bleibt er frei von Anhaftung an die Freuden der Begierde. Er mag dem Pfad des Hasses folgen, doch fühlt er keinen Groll gegen irgendein Lebewesen. Er mag dem Pfad der Torheit folgen, doch ist er sich der Weisheit des klaren Verstehens stets bewusst. „Er mag dem Pfad der Gier folgen, doch gibt er alle internen und externen Dinge, selbst ohne Achtung auf sein eigenes Leben fort. Er mag dem Pfad der Sittenlosigkeit folgen, doch, das Grauen in der kleinsten Übertretung sehend, lebt er nach den asketischen Praktiken und Entbehrungen. Er mag dem Pfad der Schlechtigkeit und des Grolls folgen, doch bleibt er völlig frei von Bosheit und lebt in Liebe zu allen Wesen. Er mag dem Pfad der Faulheit folgen, doch sind seine Bemühungen ununterbrochen, durch die er die Kultivierung der Tugenden anstrebt. Er mag dem Pfad der sinnlichen Zerstreuung folgen, doch, naturgemäß konzentriert, wird seine Vertiefung nicht zerstreut. Er mag dem Pfad der falschen Weisheit folgen, doch nachdem er die Vollkommenheit der Weisheit verwirklicht hat, ist er ein Meister in allen weltlichen und transzendentalen Wissenschaften. „Es mag den Anschein haben, dass er Spitzfindig ist und den Wettstreit liebt, doch ist er sich stets der letztendlichen Bedeutung bewusst und hat den Gebrauch der Technik der Befreiung perfektioniert. Es mag den Anschein haben, dass er Stolz ist, doch dient er allen Leuten wie eine Brücke und eine Leiter. Es mag den Anschein haben, dass er voller Begierde ist, doch ist er absolut leidenschaftslos und naturgemäß rein. Er mag dem Pfad der Māras folgen, doch erkennt er nicht wirklich ihre Autorität bezüglich seines Wissens von den Qualitäten des Buddha an. Er mag dem Pfad der Schüler folgen, doch lässt er die Lebewesen die Lehren hören, von denen sie vorher noch nichts gehört hatten. Er mag dem Pfad der Pratyekabuddhas folgen, doch ist er vom großen Mitgefühl inspiriert, alle Lebewesen zur Entwicklung zu bringen. „Er mag dem Pfad der Armen folgen, doch in seiner Hand hält er ein Juwel von unerschöpflichem Reichtum. Er mag dem Pfad der Verkrüppelten folgen, doch ist er bewundernswert und mit den viel verheißenden Zeichen und Merkmalen geschmückt. Er mag dem Pfad solcher von niederer Geburt folgen, doch, durch seine Anhäufung von Verdiensten und Weisheit, wird er in die Familie der Tathāgatas geboren. Er mag dem Pfad der

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Kapitel 8 Die Familie der Tathāgatas

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Schwachen, Hässlichen und Bemitleidenswerten folgen, doch ist er schön anzuschauen und sein Körper gleicht dem von Nārāyana. „Er mag sich Lebewesen zeigen, als sei er krank und unglücklich, doch hat er sämtliche Angst vor dem Tod überwunden und besiegt. „Es mag den Anschein haben, dass er dem Pfad der Reichen folgt, doch ist er ohne Erwerbsstreben und denkt oft über den Begriff der Unbeständigkeit nach. Er mag dabei gesehen werden, wie er mit Haremfrauen tanzt, doch bleibt er der Einsamkeit treu, nachdem er den Morast der Begierde überquert hat. „Er folgt dem Pfad der Dummen und Unbeholfenen, doch durch die Kraft der Dhāranīs ist er mit einer vielseitigen Eloquenz gesegnet. „Er folgt dem Pfad der Nicht-Buddhisten, ohne jemals häretisch zu werden. Er folgt den Pfaden der ganzen Welt, doch verhindert er alle Bereiche der Existenz. Er folgt dem Pfad der Befreiung ohne sich jemals vom Voranschreiten der Welt abzukehren. „Mañjuśrī, so folgt ein Bodhisattva dem falschen Pfad und folgt so dem Pfad, der zu den Qualitäten eines Buddha führt. Daraufhin fragte der Licchavier Vimalakīrti den Kronprinz Mañjuśrī, „Mañjuśrī, was ist die ´Familie der Tathāgatas´?“ Mañjuśrī antwortete, „Edler Herr, die Familie der Tathāgatas besteht aus grundlegendem Egoismus; aus Ignoranz und dem Durst nach Existenz; aus Lust, Hass und Torheit; aus den vier falschen Ansichten, aus den fünf Verschleierungen; aus den sechs Sinnesfähigkeiten, aus den sieben Wohnsitzen des Bewusstseins, aus den acht falschen Pfaden, aus den neun Gründen der Reizungen, aus den Pfaden der zehn Sünden. Derart ist die Familie der Tathāgatas. Kurz gesagt, edler Herr, aus den zweiundsechzig Ansichten besteht die Familie der Tathāgatas!“ Vimalakīrti: Mañjuśrī, mit welchem Hintergedanken sagst du das? Mañjuśrī: Edler Herr, jemand, der durch feste Entschlossenheit in der Sicht des Nichtgeschaffenen weilt, ist nicht fähig den Geist der unübertroffenen, perfekten Erleuchtung zu empfangen. Weilt jedoch jemand unter geschaffenen Dingen, in den Mienen der Leidenschaften, ohne irgendwo die Wahrheit zu erblicken, so ist er sehr wohl fähig den Geist der unübertroffenen, perfekten Erleuchtung zu empfangen. „Edler Herr, Blumen, wie blauer Lotus, roter Lotus, weißer Lotus, Wasserlilie und Mondlilie wachsen nicht auf trockenem Grund in der Wildnis, sondern im Morast und im schlammigen Flussufer. Genau so wachsen die Buddha-Qualitäten nicht in Lebewesen, denen die Bestimmung des Nichtgeschaffenen gewiss ist, sondern sie wachsen in Lebewesen, die im Morast und schlammigen Flussufern der Leidenschaften leben. Genauso, wie Samen nicht im Himmel wachsen, sondern auf der Erde, so wachsen die Buddha-Qualitäten nicht in jenen, die für das Absolute bestimmt sind, sondern sie wachsen in solchen, die den Geist der Erleuchtung empfangen, nachdem sie egoistische Ansichten so hoch wie der Berg Sumeru angehäuft haben.

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„Edler Herr, durch diese Betrachtungen kann jemand verstehen, dass alle Leidenschaften die Familie der Tathāgatas ausmachen. Zum Beispiel, edler Herr, ohne in den großen Ozean hinauszufahren ist es nicht möglich wertvolle und unbezahlbare Perlen zu finden. Genauso ist es nicht möglich, den Geist der Allwissenheit zu erlangen, ohne in den Ozean der Leidenschaften hinauszufahren. Dann applaudierte der Älteste Mahākāśyapa dem Kronprinz Mañjuśrī: „Sehr gut! Sehr gut, Mañjuśrī! Dieses wurde wirklich gut gesprochen! Das ist richtig! Die Leidenschaften machen tatsächlich die Familie der Tathāgatas aus. Wie können solche wie wir, die Schüler, den Geist der Erleuchtung empfangen oder im Bezug zu den Qualitäten eines Buddha völlig Erleuchtet werden? Nur solche, die der fünf Todsünden schuldig sind, können den Geist der Erleuchtung und die Buddhaschaft erlangen, was durch die Vollendung der Qualitäten eines Buddha vollbracht wird! „Genau wie, zum Beispiel, die fünf Objekte des Begehrens keinen Eindruck oder Effekt auf solche hat, die kein Wahrnehmungsvermögen haben, genau so haben die Qualitäten eines Buddha keinen Eindruck oder Effekt auf die Schüler, die sich von allen Anhaftungen abgekehrt haben. Demnach schätzen die Schüler diese Qualitäten nicht. „Darum, Mañjuśrī, sind die gewöhnlichen Individuen gegenüber dem Tathāgata dankbar, aber die Schüler sind es nicht. Warum? Die gewöhnlichen Individuen empfangen nach dem Lernen von den Tugenden des Buddha den Geist der unübertroffenen, perfekten Erleuchtung, um das ununterbrochene Weiterbestehen des Erbes der drei Kostbarkeiten zu sichern; aber die Schüler, obwohl sie von den Qualitäten, Kräften und Furchtlosigkeiten des Buddha hören, empfangen bis zum Ende ihrer Tage nicht den Geist der unübertroffenen, perfekten Erleuchtung.“ Darauf redete der Bodhisattva Sarvarūpasamdarśana, der in der Versammlung gegenwärtig war, den Licchavier Vimalakīrti an: „Haushälter, wo ist dein Vater und deine Mutter, deine Kinder, deine Ehefrau, deine Diener, deine Mägde, deine Arbeiter und deine Begleiter. Wo sind deine Freunde, deine Angehörigen, deine Verwandten? Wo sind deine Bediensteten, deine Pferde, deine Elefanten, deine Streitwagen, deine Leibwächter und deine Träger? So angesprochen, entgegnete der Licchavier Vimalakīrti dem Bodhisattva Sarvarūpasamdarśana mit folgenden Versen: Von einem wahren Bodhisattva Ist die Mutter die Vollkommenheit der Weisheit, Der Vater die Fähigkeit in der Technik der Befreiung; Die Führer werden von diesen Eltern geboren. Seine Ehefrau ist die Verzückung im Dharma, Liebe und Mitgefühl sind seine Töchter, Der Dharma und die Wahrheit sind seine Söhne; Und ihr zu Hause ist der klare Gedanke über die Bedeutung der Leerheit. Alle Leidenschaften sind ihre Schüler, Durch den Willen kontrolliert. Ihre Freunde sind die siebenunddreißig Erleuchtungsglieder; Dadurch realisieren sie die höchste Erleuchtung.

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Ihre Gefährten, die immer mit ihnen sind, Sind die sechs Pāramitās. Ihre Begleiter sind die vier Methoden der Überzeugung von Lebewesen, Ihre Musik ist die Lehre des Dharma. Die Dhāranīs gestalten ihre Gärten, Und ihre Blumen blühen mit den sieben Faktoren der Erleuchtung, Mit Bäumen des großen Reichtums des Dharma, Und den Früchten der Erkenntnis der Befreiung. Ihr Tümpel besteht aus den acht Befreiungen, Gefüllt mit dem Wasser der Konzentration, Bedeckt mit dem Lotus der sieben Reinheiten – Wer darin ein Bad nimmt wird makellos. Die Träger sind die sechs höheren Geisteskräfte, Ihr Fahrzeug ist das unübertroffene Mahāyāna, Ihr Fahrer ist der Geist der Erleuchtung, Auf dem Weg des achtfachen Pfads. Ihr Schmuck sind die viel verheißenden Zeichen, Und die achtzig Merkmale; Ihre Girlande ist ihr tugendhaftes Bestreben, Und ihre Kleidung sind ihr gutes Gewissen und Rücksicht. Ihr Reichtum ist dar heilige Dharma, Und ihr Geschäft ist diese Lehre, Ihr hohes Einkommen ist reine Praxis, Und sie ist der höchsten Erleuchtung gewidmet. Ihr Bett besteht aus den vier Vertiefungen, Ihre Decke ist der reine Lebensunterhalt, Und ihr Erwachen besteht aus Erkenntnis, Welche das beständige Lernen und Meditation ist. Ihre Speise ist die Ambrosia der Lehre, Und ihr Getränk ist der Nektar der Befreiung. Ihr Bad ist das reine Bestreben, Und Sittlichkeit ihre Salbe und Parfüm. Nachdem alle feindlichen Leidenschaften besiegt sind, Sind sie unbesiegbare Meister. Nachdem sie die vier Māras unterworfen haben, Ist ihr Maßstab der Bereich der Erleuchtung. Sie werden freiwillig Wiedergeboren, Doch sind sie ohne Entstehen und Geburt. Sie leuchten in allen Ländern der Buddhas, So wie die aufgehende Sonne. Obgleich sie Millionen Buddhas verehren,

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Mit jeder nur erdenklichen Darbringung, Machen sie dennoch nicht den geringsten Unterschied, Zwischen den Buddhas und sich selbst. Sie reisen durch alle Buddha Länder, Zum Vorteil anderer Lebewesen, Doch sie sehen diese Länder, als wären sie leerer Raum, Frei vom konzeptionellen Begriff ´Lebewesen.´ Die furchtlosen Bodhisattvas können sich überall manifestieren, In nur einem Augenblick. Und mit den Formen, Klängen und Verhaltensweisen Aller Lebewesen. Obwohl sie die Taten Māras kennen, Kommen sie mit den Māras aus. Diejenigen können sogar gleiche Verhaltensweisen zeigen, Die die Technik der Befreiung perfektioniert haben. Sie vergnügen sich mit illusorischen Manifestationen, Um Lebewesen zur Reifung zu bringen; Sie zeigen sich, als seien sie alt oder krank, Und manifestieren sogar ihren eigenen Tod. Sie zeigen das Brennen der Erde In den verschlingenden Flammen am Ende eines Weltzeitalters, Um die Unbeständigkeit solchen Lebewesen zu demonstrieren, Die die Auffassung der Beständigkeit haben. Eingeladen von hunderttausenden Lebewesen Alle aus dem gleichen Land, Haben sie an Darbringungen in den Häusern aller teil, Und widmen alles der Erleuchtung. Sie übertreffen alle esoterischen Wissenschaften Und die verschiedenartigen Handwerke, Und sie führen alle Lebewesen Zu dauerhaftem Glück. Sich als Mönche gebend, In all den eigentümlichen Sekten der Welt, Bringen sie all jene Lebewesen zur Reifung, Die den dogmatischen Sichtweisen angehaftet sind. Sie mögen Sonne oder Mond sein, Indras, Brahmās oder Gebieter von Geschöpfen; Sie mögen Feuer oder Wasser, Erde oder Wind sein. Während der kurzen Äonen der tiefsitzenden Übel, Sind sie die beste heilige Medizin,

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Die Wesen heilt und glücklich macht Und ihre Befreiung bringt. Während der kurzen Äonen der Hungersnöte Sind sie Essen und Trinken. Und nachdem sie Hunger und Durst gestillt haben, Lehren sie den Lebewesen den Dharma. Während der kurzen Äonen der Kriege Meditieren sie über Liebe Und zeigen hundert Millionen Wesen Gewaltlosigkeit. Mitten in den großen Schlachten Bleiben sie gegenüber beiden Seiten unparteiisch; Denn Bodhisattvas mit großer Kraft Erfreuen sich an der Schlichtung von Konflikten. Um Lebewesen zu helfen, Gehen sie freiwillig In die Höllen, welche Zu den unvorstellbaren Buddha Ländern gehören. Sie manifestieren ihr Leben In allen Gattungen des Tierreichs Und lehren den Dharma überall. Darum werden sie ´Führer´ genannt. Sie zeigen sinnliche Genüsse den Weltkindern Und die Trance den Meditierenden. Sie besiegen die Māras vollständig Und geben ihnen keine Chance der Vorherrschaft. So, wie gezeigt werden kann, dass ein Lotus Nicht im Zentrum eines Feuers wachsen kann, So zeigen sie die letztendliche Nichtrealität Von den Sinnenfreuden, als auch von den Trancezuständen. Sie werden absichtlich zu Kurtisanen, Um Männer zu gewinnen Und, gefangen am Haken der Begierde, Eröffnen sie ihnen die Buddha-Erkenntnis. Um Lebewesen zu helfen Werden sie zu Häuptlingen, Kapitänen, Priestern und Ministern, Und sogar zu Königen. Den Armen zuliebe Sind sie unerschöpfliche Reichtümer, Damit jene, die ihre Geschenke bekommen,

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Den Geist der Erleuchtung empfangen. Sie werden unbesiegbare Champions, Für die Stolzen und die Eitlen, Und, nachdem sie all ihren Stolz unterworfen haben, Zeigen sie ihnen den Start zur Suche nach Erleuchtung. Sie übernehmen die Führung derer, Die von Angst und Schrecken gequält sind Und nachdem sie ihnen die Furchtlosigkeit gewiesen haben, Weisen sie ihnen die Richtung zur Erleuchtung. Sie werden bedeutende heilige Männer, Mit den höheren Geisteskräften und reiner Mäßigkeit, Und dadurch führen sie Lebewesen zur Sittlichkeit, Duldsamkeit, Freundlichkeit und Disziplin. Hier in der Welt betrachten sie furchtlos Die Meister, welchen sie dienen. Sie werden ihre Diener oder Sklaven Oder dienen ihnen als Schüler. Mit guter Fertigkeit in der Technik der Befreiung, Demonstrieren sie all ihre Aktivitäten, Welche möglicherweise ein Mittel sein können, Um Wesen am Dharma zu erfreuen. Ihre Praktiken sind unbegrenzt; Und ihre Einflussbereiche sind unbeschränkt; Mit unendlicher, perfektionierter Weisheit, Befreien sie eine unbegrenzte Anzahl Lebewesen. Selbst für die Buddhas Wäre es während einer Millionen Äonen Oder selbst während hundert Millionen Äonen schwer, All ihre Tugenden aufzuzählen. Ausgenommen einige niedere Lebewesen, Die ohne ein bisschen Intelligenz sind, Mag es überhaupt jemanden mit einem Urteilsvermögen geben, Der, nachdem er diese Lehre gehört hat, Sich nicht die höchste Erleuchtung wünscht?

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Kapitel 9 Die Dharmapforte der Nichtdualität

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Kapitel 9: Die Dharmapforte der Nichtdualität Darauf sagte der Licchavier Vimalakīrti zu den Bodhisattvas, „Meine guten Herren, bitte erklärt, wie ein Bodhisattva die Dharmapforte der Nichtdualität betritt!“ Der Bodhisattva Dharmavikurvana verkündete, „Edler Herr, Erzeugung und Zerstörung sind zweierlei, aber was nicht erzeugt ist und sich nicht ereignet, das kann nicht zerstört werden. So kann die Erkenntnis der Geburtlosigkeit der Dinge erlangt werden und ist somit der Eingang zur Nichtdualität.“ Der Bodhisattva Śrigandha verkündete, „´Ich´ und ´mein´ sind zweierlei. Wenn keine Annahme eines Selbst gemacht wird, entsteht keine Besitzgier. Demnach ist die Abwesenheit von Annahmen der Eingang zur Nichtdualität.“ Der Bodhisattva Śrikuta verkündete, „´Verblendung´ und ´Reinigung´ sind zweierlei. Wenn das gründliche Wissen über die Verblendung vorhanden ist, gibt es keine Eingebildetheit über Reinigung. Der Pfad, der zur völligen Selbstüberwindung der Eingebildetheit führt, ist der Eingang zur Nichtdualität.“ Der Bodhisattva Bhadrajyotis verkündete, „´Zerstreuung´ und ´Achtsamkeit´ sind zweierlei. Wenn es keine Zerstreuung gibt, wird es keine Achtsamkeit geben, keine gedankliche Aktivität, keine mentale Anstrengung. Demnach ist die Abwesenheit von mentaler Anstrengung der Eingang zur Nichtdualität.“ Der Bodhisattva Subahu verkündete, „´Bodhisattva-Geist´ und ´Schüler-Geist´ sind zweierlei. Wenn beide als einem illusionären Geist gleich betrachtet werden, ist weder Bodhisattva-Geist, weder Schüler-Geist zu finden. Demnach ist die Gleichheit des Geistes der Eingang in die Nichtdualität.“ Der Bodhisattva Animisa verkündete, „´Greifen´ und ´nicht-greifen´ sind zweierlei. Was nicht ergriffen wird, wird nicht wahrgenommen und was nicht wahrgenommen wird, ist weder angenommen, noch abgelehnt. Demnach sind Untätigkeit und die Nichteingebundenheit in alle Dinge der Eingang zur Nichtdualität.“ Der Bodhisattva Sunetra verkündete, „´Einzigartigkeit´ und ´Charakter-losigkeit´ sind zweierlei. Etwas nicht anzunehmen oder zu konstruieren bedeutet, es weder in Einzigartigkeit, noch in Charakter-losigkeit zu begründen. Die Gleichheit dieser beiden Dinge zu verstehen bedeutet Eingang in die Nichtdualität zu erhalten.“ Der Bodhisattva Tisya verkündete, „´Gut´ und ´Böse´ sind zweierlei. Weder nach Gutem noch nach Bösem zu streben und damit die Nichtdualität des Wesentlichen und des Bedeutungslosen zu verstehen ist der Eingang zur Nichtdualität.“ Der Bodhisattva Simha verkündete, „´Sündhaftigkeit´ und ´Sündlosigkeit´ sind zweierlei. Durch die diamantengleiche Weisheit wird schnell erkannt, dass der Eingang zur Nichtdualität weder in Gebundenheit noch in Befreiung liegt.“ Der Bodhisattva Simhamati verkündete, „Zu sagen, ´Das ist unrein´ und ´Das ist makellos´ ist dualistisch. Jemand der, Gleichmut erlangend, keine Unterscheidung zwischen Unreinheit und Makellosigkeit macht, doch nicht völlig ohne Konzepte ist, besitzt Gleichmut ohne das

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Erlangen von Gleichmut – er erreicht die Abwesenheit der konzeptuellen Verhärtungen. So betritt er die Nichtdualität.“ Der Bodhisattva Śuddhādhimukti verkündete, „Zu sagen, ´Das ist Glück´ und ´Dies ist Misere´ ist dualistisch. Derjenige, der durch die höchste Reinheit der Erkenntnis ohne Erwartungen ist – dessen Geist ist unnahbar wie der leere Raum; und so betritt er die Nichtdualität.“ Der Bodhisattva Nārāyana verkündete, „Zu sagen, ´Das ist weltlich´ und ´Das ist transzendental´ ist dualistisch. Diese Welt hat die Natur von Leerheit, es gibt also weder Transzendenz noch Eingebundenheit, weder Progression noch Stillstand. Demnach wird die Pforte der Nichtdualität betreten, indem man weder überwindet noch eingebunden ist, weder etwas fortsetzt noch mit etwas aufhört.“ Der Bodhisattva Dantamati verkündete, „´Leben´ und ´Befreiung´ sind dualistisch. Nachdem die Natur des Lebens erblickt wurde, ist man weder im Relativen eingebunden, noch ist man absolut befreit. Ein solches Verständnis ist der Eingang zur Nichtdualität.“ Der Bodhisattva Pratyaksadarsana verkündete, „´Zerstörbar´ und ´unzerstörbar´ sind dualistisch. Was zerstört ist, ist letztendlich nicht zerstört. Was letztendlich zerstört ist, wird nicht zerstört, deshalb wird es ´unzerstörbar´ genannt. Was unzerstörbar ist, ist augenblicklich und was augenblicklich ist, ist unzerstörbar. Eine solche Erfahrung wird ´der Eingang in das Prinzip der Nichtdualität´ genannt.“ Der Bodhisattva Parigūdha verkündete, „´Selbst´ und ´Selbstlosigkeit´ sind dualistisch. Da die Existenz eines Selbst nicht wahrgenommen werden kann, was kann als ´selbstlos´ bezeichnet werden? Demnach ist die Nichtdualität der Sicht ihrer Natur der Eingang zur Nichtdualität.“ Der Bodhisattva Vidyuddeva verkündete, „´Wissen´ und ´Ignoranz´ sind dualistisch. Die Natur von Ignoranz und Wissen sind gleich, da Ignoranz undefiniert, unkalkulierbar und jenseits der Sphäre der Gedanken ist. Diese Realisation ist der Eingang zur Nichtdualität.“ Der Bodhisattva Priyadarśana verkündete, „Form selbst ist leer. Leerheit entsteht nicht aus der Zerstörung von Form, sondern die Natur der Form selbst ist Leerheit. Von der Leerheit daher auf der einen Seite und von Form, Gefühl, Wahrnehmung, Geistesformationen, Bewusstsein auf der anderen Seite zu sprechen – das ist vollständig dualistisch. Bewusstsein selbst ist Leerheit. Leerheit entsteht nicht aus der Zerstörung des Bewusstseins, sondern die Natur des Bewusstseins selbst ist Leerheit. Ein solches Verständnis der fünf Aggregate und das Wissen darüber durch Erkenntnis ist der Eingang zur Nichtdualität.“ Der Bodhisattva Prabhāketu verkündete, „Zu sagen, dass die vier Elemente eine Sache sind und das Raum-Element eine andere ist dualistisch. Die vier Elemente selbst haben die Natur des Raumes. Die Vergangenheit selbst hat die Natur des Raumes. Die Zukunft selbst hat die Natur des Raumes. Genauso hat die Gegenwart selbst die Natur des Raumes. Die Erkenntnis, die die Elemente auf diese Weise durchdringt eröffnet den Eingang zur Nichtdualität.“ Der Bodhisattva Pramati verkündete, „´Auge´ und ´Form´ formen einen Dualismus. Das Auge korrekt zu verstehen und keine Anhaftung, Abneigung oder Verwirrung bezüglich der Form zu haben – das wird ´Frieden´ genannt. Gleiches für ´Ohr´ und ´Geräusch´, ´Nase´ und ´Geruch´, ´Zunge´ und ´Geschmack´ und ´Geist´ und ´Phänomene´ - alles ist dualistisch. Aber den Geist zu kennen und weder Anhaftung, noch Abneigung oder Verwirrungen bezüglich

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der Phänomene zu haben – das wird ´Frieden´ genannt. Mit einem solchen Frieden zu leben ist der Eingang zur Nichtdualität.“ Der Bodhisattva Aksayamati verkündete, „Die Widmung des Gebens für das Erlangen der Allwissenheit ist dualistisch. Die Natur des Gebens selbst ist Allwissenheit und die Natur der Allwissenheit selbst ist die vollständige Widmung. Genauso ist es dualistisch Sittlichkeit, Geduld, Streben, Meditation und Weisheit der Allwissenheit zu widmen. Allwissenheit ist die Natur der Weisheit und die vollständige Widmung ist die Natur der Allwissenheit. Demnach ist der Eingang zu diesem Prinzip der Einzigartigkeit der Eingang zur Nichtdualität.“ Der Bodhisattva Gambhīramati verkündete, „Es ist dualistisch zu sagen das Leerheit eine Sache ist, Zeichenlosigkeit eine andere und Wunschlosigkeit wieder eine andere. Was leer ist, hat keine Zeichen. Was keine Zeichen hat, hat keine Wünsche. Wo kein Wunsch ist, gibt es keinen Prozess von Gedanken, Geist oder Bewusstsein. Die Pforte aller Befreiungen in einer einzigen Pforte der Befreiung ist der Eingang zur Nichtdualität.“ Der Bodhisattva Śāntindriya verkündete, „Es ist dualistisch ´Buddha´, ´Dharma´ und ´Sangha´ zu sagen. Der Dharma selbst ist die Natur des Buddha, die Sangha selbst ist die Natur des Dharma und sie alle sind ungeschaffen. Das Ungeschaffene ist endloser Raum und der Prozess aller Dinge ist äquivalent zum endlosen Raum. Die Anpassung daran ist der Eingang zur Nichtdualität.“ Der Bodhisattva Apratihatanetra verkündete, „Es ist dualistisch sich auf die ´Aggregate´ und auf ´den Stillstand der Aggregate´ zu beziehen. Die Aggregate selbst sind Stillstand. Warum? Die egoistischen Ansichten der Aggregate, in sich ungeschaffen, existieren nicht im Letztendlichen. Demnach konzeptualisieren diese Ansichten nicht ´dieses sind Aggregate´ oder ´diese Aggregate kommen zum Stillstand.´ Letztendlich haben sie keine solche unterscheidenden Konstruktionen und keine solche Konzeptualisierung. Demnach haben solche Ansichten alle die Natur des Stillstands. Nichtbegebenheit und Nichtzerstörung sind der Eingang zur Nichtdualität.“ Der Bodhisattva Suvinīta verkündete, „Physische, verbale und mentale Gelübde existieren nicht dualistisch. Warum? Diese Dinge haben die Natur der Untätigkeit. Die Natur der Untätigkeit des Körpers ist die gleiche, wie die Natur der Untätigkeit der Sprache. Die Natur der Untätigkeit der Sprache ist die gleiche, wie die Natur der Untätigkeit des Geistes. Es ist wichtig diesen Fakt der letztendlichen Untätigkeit aller Dinge zu Kennen und zu Verstehen, denn dieses Wissen ist der Eingang zur Nichtdualität.“ Der Bodhisattva Punyaksetra verkündete, „Es ist dualistisch Handlungen als verdienstvoll, sündhaft oder neutral zu betrachten. Das Nichtausführen von verdienstvollen, sündhaften oder neutralen Handlungen ist nicht dualistisch. Die intrinsische Natur all solcher Handlungen ist Leerheit, worin letztlich nichts Verdienstvolles, Sündhaftes oder Neutrales zu finden ist. Die Nichtausführung solcher Handlungen sind der Eingang zur Nichtdualität.“ Der Bodhisattva Padmavyūha verkündete, „Dualität wird von der Besessenheit eines Selbst erzeugt, aber wahres Verstehen des Selbst führt nicht zur Dualität. Wer so in der Nichtdualität verweilt ist ohne Gedanken und die Abwesenheit von Gedanken ist der Eingang zur Nichtdualität.“ Der Bodhisattva Candrottara verkündete, „´Dunkelheit´ und ´Licht´ sind dualistisch, aber die Abwesenheit von sowohl Dunkelheit als auch Licht ist Nichtdualität. Warum? Zur Zeit der

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Vertiefung im Stillstand gibt es weder Dunkelheit noch Licht und gleiches gilt für die Natur aller Dinge. Der Eingang in diesen Gleichmut ist der Eingang zur Nichtdualität.“ Der Bodhisattva Ratnamudrāhasta verkündete, „Es ist dualistisch die Welt zu verabscheuen und sich an der Befreiung zu erfreuen. Weder die Welt zu verabscheuen, noch sich an der Befreiung zu erfreuen ist Nichtdualität. Warum? Befreiung kann dort gefunden werden, wo Fesseln bestehen, aber wo letztlich keine Fesseln bestehen, wo ist dort Bedarf an Befreiung? Der Biksu, der weder gebunden noch befreit ist, erlebt weder Vorlieben noch Abneigungen und so betritt er die Pforte der Nichtdualität.“ Der Bodhisattva Manikūtarāja verkündete, „Es ist dualistisch von guten Pfaden und schlechten Pfaden zu sprechen. Jemand, der auf dem Pfad wandelt kümmert sich nicht um gute oder schlechte Pfade. In dieser Unbekümmertheit lebend, unterhält er keine Konzepte von ´Pfad´ oder ´Nichtpfad.´ Sein Geist befasst sich nicht mit Dualität, wenn er die Natur der Konzepte versteht. So ist der Eingang zur Nichtdualität.“ Der Bodhisattva Satyarata verkündete, „Es ist dualistisch von ´wahr´ und ´falsch´ zu sprechen. Wenn jemand wahrheitsgemäß sieht, sieht er niemals irgendeine Wahrheit, wie kann er also Falschheit sehen? Warum? Man sieht nicht mit dem physischem Auge, man sieht mit dem Auge der Weisheit. Und mit dem Weisheitsauge sieht man nur insofern, dass es weder Sicht noch Nichtsicht gibt. Dort, wo es weder Sicht noch Nichtsicht gibt ist der Eingang zur Nichtdualität.“ Als die Bodhisattvas ihre Erklärungen gegeben hatten, wandten sie sich an den Kronprinzen Mañjuśrī: „Mañjuśrī, was ist für den Bodhisattva der Eingang zur Nichtdualität?“ Mañjuśrī antwortete, „Gute Herren, ihr alle habt gut geantwortet. Dennoch, alle eure Erklärungen sind dualistisch. Keine Lehre wissend, nichts ausdrückend, nichts sagend, nichts erklärend, nichts verkündend, nichts bezeichnend und nichts bestimmend – das ist der Eingang zur Nichtdualität.“ Dann sagte der Kronprinz Mañjuśrī zum Licchavier Vimalakīrti, „Wir alle haben unsere eigene Lehre verkündet, edler Herr. Nun mögest du die Lehre des Eingangs zum Prinzip der Nichtdualität erläutern!“ Darauf hin blieb der Liccavier Vimalakīrti still, ohne etwas zu Äußern. Der Kronprinz Mañjuśrī applaudierte und sagte zum Licchavier Vimalakīrti: „Exzellent! Exzellent, edler Herr! Dies ist wahrlich der Eingang zur Nichtdualität der Bodhisattvas. Hier gibt es keinen Bedarf an Silben, Ausdrücken und Ideen.“ Als diese Lehren verkündet wurden, erlangten fünftausend Bodhisattvas den Eingang zur Dharmapforte der Nichtdualität und die Erkenntnis der Geburtlosigkeit der Dinge.

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Kapitel 10 Das Festmahl

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Kapitel 10: Das Festmahl Der ehrwürdige Śāriputra dachte bei sich, „Wenn diese großen Bodhisattvas sich nicht vor dem Mittag vertagen, wo werden sie dann essen?“ Der Licchavier Vimalakīrti, die Gedanken des ehrwürdigen Śāriputra vernehmend, sagte zu ihm: „Ehrwürdiger Śāriputra, der Tathāgata hat die acht Befreiungen gelehrt. Du solltest dich auf diese Befreiungen konzentrieren, den Dharma mit einem Geist frei von der Beschäftigung mit materiellen Dingen hören. Warte eine Minute, ehrwürdiger Śāriputra und du wirst Speisen essen, die du noch nie vorher gekostet hast.“ Darauf versetzte sich der Licchavier Vimalakīrti in eine Konzentration zur Vollbringung eines Wunders von solcher großen Leistung, dass diese Bodhisattvas und die großen Schüler das Universum Sarvagandhasugandhā sehen konnten, welches sich im Zenith hinter den Buddha Ländern, zweiundvierzig mal die Anzahl der Sandkörner des Ganges, befindet. Dort residiert, lebt und manifestiert sich der Tathāgata Sugandhakūta. In diesem Universum verbreiten die Bäume einen Duft, der alle Wohlgerüche in den Buddha Ländern der zehn Richtungen der Menschen und Götter übertrifft. In diesem Universum gibt es selbst den Namen ´Schüler´ und ´Pratyekabuddha´ nicht und der Tathāgata Sugandhakūta lehrt den Dharma nur einer Versammlung von Bodhisattvas. In diesem Universum duften alle Häuser, Alleen, Parks und Paläste sehr angenehm und der Wohlgeruch der Speise der Bodhisattvas reicht bis in unermessliche Welten. Zu dieser Zeit saß der Tathāgata Sugandhakūta mit seinen Bodhisattvas zum Essen zusammen und die Gottheiten der Gandhavyūhāhāra, die sich alle dem Mahāyāna widmeten, warteten dem Buddha und Seinen Bodhisattvas auf und bedienten sie. Jeder in der Versammlung im Hause des Vimalakīrti konnte dieses Universum klar und deutlich sehen, in dem der Tathāgata Sugandhakūta und Seine Bodhisattvas zu Tische saßen. Der Licchavier Vimalakīrti wandte sich an die gesamte Versammlung der Bodhisattvas: „Gute Herren, gibt es einige unter euch, die willens sind in dieses Buddha Land zu gehen und etwas Speise mitzubringen?“ Aber, zurückgehalten von den übernatürlichen Kräften Mañjuśrī´s, meldete sich niemand freiwillig. Der Licchavier Vimalakīrti sagte zum Kronprinz Mañjuśrī, „Mañjuśrī, schämst du dich nicht einer solchen Versammlung?“ Mañjuśrī antwortete, „Edler Herr, hat der Tathāgata nicht verkündet, ´Diejenigen die ungelernt sind, sollten nicht verachtet werden´?“ Dann manifestierte der Licchavier Vimalakīrti, ohne sich von seiner Couch zu erheben, auf magische Weise die Emanation eines Bodhisattva mit goldenem Körper, geschmückt mit den viel verheißenden Zeichen und Merkmalen und von einer Erscheinung, die die gesamte Versammlung in den Schatten stellte. Der Licchavier Vimalakīrti sprach darauf zur Bodhisattva-Inkarnation: „Edler Sohn, gehe in die Richtung Zenith, und wenn du so viele Buddha Länder überquert hast, die so zahlreich sind, wie zweiundvierzig mal die Anzahl der Sandkörner des Ganges, so erreichst du ein Universum mit dem Namen Sarvagandhasugandhā, wo du den Tathāgata Sugandhakūta findest, der beim Mahl zu Tische sitzt. Gehe zu ihm und, nachdem du dich zu seinen Füßen verbeugt hast, frage ihn folgendes:

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„´Der Licchavier Vimalakīrti verbeugt sich hunderttausend mal zu Deinen Füßen, o Lord, und fragt nach Deiner Gesundheit – ob Du nur wenig Ärger hast, wenig Unannehmlichkeiten, wenig Unruhe; ob Du stark bist, gesund, ohne Beschwerden und im höchsten Glück verweilst.´ „Nachdem du dich so nach Seiner Gesundheit erkundigt hast, erfragst du ´Vimalakīrti ersucht den Lord, mir den Rest des Mahles zu überlassen, welches die Arbeit der Buddhas im Universum mit dem Namen ´Sahā´ erfüllen wird. Diejenigen mit niedrigen Zielen werden von den hohen Zielen inspiriert und der gute Name des Tathāgata wird weit und breit gefeiert werden.“ Dazu sagte die Bodhisattva-Inkarnation, „Sehr gut!“ zum Licchavier Vimalakīrti und befolgte seine Instruktionen. Von allen Bodhisattvas betrachtet, wandte er sein Gesicht nach oben, verschwand und wurde von ihnen nicht mehr gesehen. Als er das Universum Sarvagandhasugandhā erreichte, verneigte er sich zu den Füßen des Tathāgata Sugandhakūta und sagte, „O Lord, der Bodhisattva Vimalakīrti verbeugt sich zu Deinen Füßen und grüßt den Lord. Er fragt, ´hast Du nur wenig Ärger, wenig Unannehmlichkeiten, wenig Unruhe? Bist Du stark, gesund, ohne Beschwerden und weilst Du im höchsten Glück?´ Er fragte dann, nachdem er sich hunderttausend mal zu den Füßen des Lords verbeugt hatte: ´Möge der Lord gnädig sein und mir die Reste des Mahles überlassen, um die Arbeit der Buddhas im Universum mit dem Namen ´Sahā´ zu erfüllen. Denn dann mögen die Lebewesen, die nach niederen Zielen streben die Intelligenz erlangen, nach dem großen Dharma der Buddhas zu streben und der Name des Buddha wird weit und breit gefeiert werden.“ Die Bodhisattvas des Buddha Landes des Tathāgata Sugandhakūta waren überrascht und fragten den Tathāgata Sugandhakūta, „O Lord, wo ist dort ein solch großartiges Wesen? Wo ist das Universum Sahā? Was bedeutet ´die Lebewesen, die nach niederen Zielen streben´?“ Nachdem der Tathāgata Sugandhakūta so von den Bodhisattvas befragt wurde, antwortete er, „Edle Söhne, das Universum Sahā existiert in der Richtung Nadir so viele Buddha Länder entfernt, die so zahlreich sind, wie zweiundvierzig mal die Anzahl der Sandkörner des Ganges. Dort lehrt der Tathāgata Śākyamuni, im Buddha Land, das von den fünf Verdorbenheiten befleckt ist, den Dharma den Lebewesen, die nach niederen Zielen streben. Dort lehrt der Bodhisattva Vimalakīrti, der in der Unvorstellbaren Befreiung weilt, den Dharma den Bodhisattvas. Er schickte die Bodhisattva-Inkarnation zu mir, um meinen Namen zu feiern, um die Vorteile dieses Universums zu zeigen und um die Verdienste der Bodhisattvas zu vergrößern.“ Die Bodhisattvas riefen aus, „Wie groß muss der Bodhisattva selbst sein, wenn die magische Inkarnation mit solchen übernatürlichen Kräften, Stärke und Furchtlosigkeit gesegnet ist!“ Der Tathāgata sagte, „Die Größe dieses Bodhisattva ist so gewaltig, dass er magische Inkarnationen in alle Buddha Länder der zehn Richtungen sendet und all diese Inkarnationen dort die Arbeit der Buddhas für alle Lebewesen in diesen Buddha Ländern vollbringen.“ Darauf füllte der Tathāgata Sugandhakūta etwas einer Speise, die alle Wohlgerüche in sich vereinte, in ein Gefäß und überreichte sie der Bodhisattva-Inkarnation. Und neunzig Millionen Bodhisattvas aus dem Universum meldeten sich freiwillig, um ihn zu begleiten: „O Lord, wir würden auch gerne in das Universum Sahā gehen, um den Buddha Śākyamuni zu sehen, zu ehren und zu dienen. Zudem möchten wir Vimalakīrti und die Bodhisattvas sehen.“

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Der Tathāgata verkündete, „Edle Söhne, so geht, wenn ihr meint es sei die richtige Zeit. Und, damit nicht die Lebewesen dort irr und benebelt werden, geht ohne eure Wohlgerüche. Und, damit die Lebewesen nicht eifersüchtig auf euch werden, ändert eure Körper und verbergt eure Schönheit. Und empfindet keine Verachtung und keine Abneigung für sie und das Universum. Warum? Edle Söhne, ein Buddha Land ist ein Bereich aus reinem Raum, aber der Buddha, um die Lebewesen zur Entwicklung zu bringen, enthüllt nicht auf einmal das reine Gebiet des Buddha.“ Die Bodhisattva-Inkarnation nahm die Speise und verließ zusammen mit neunzig Millionen Bodhisattvas mit den Kräften des Buddha und dem übernatürlichen Wirken von Vimalakīrti das Universum Sarvagandhasugandhā und standen im Bruchteil einer Sekunde wieder im Haus von Vimalakīrti. Der Licchavier Vimalakīrti erschuf neunzig Millionen Löwenthrone der gleichen Art, wie sie schon dort waren und die Bodhisattvas setzten sich. Die Bodhisattva-Inkarnation gab das Gefäß voller Speise an Vimalakīrti und der Duft der Speise verteilte sich in der gesamten großen Stadt Vaiśāli und ihr süßer Wohlgeruch verbreitete sich in einhundert Welten. In der Stadt Vaiśāli waren die Brahmās, die Haushälter und selbst das Licchavier-Oberhaupt Candracchattra erstaunt und voller Verwunderung, nachdem sie den Duft wahrgenommen hatten. So wurde ihr Körper und Geist gereinigt und sie kamen sofort zum Haus von Vimalakīrti, zusammen mit allen vierundachtzigtausend Licchaviers. Sie waren erfüllt von Bewunderung und großer Freude, als sie die Bodhisattvas auf den hohen, weiten und schönen Löwenthronen erblickten. Sie alle verbeugten sich vor den großen Schülern und Bodhisattvas und setzten sich zu einer Seite nieder. Und die Götter der Erde, die Götter der Sinnenwelt und die Götter der feinkörperlichen Welt, durch den Duft angezogen, kamen ebenfalls zum Haus von Vimalakīrti. Darauf sprach der Licchavier Vimalakīrti zum Ältesten Śāriputra und den großen Schülern: „Ehrwürdige, esst die Speise des Tathāgata! Es ist Ambrosia mit dem Duft des großen Mitgefühls. Aber fixiert euren Geist nicht auf eine engstirnige Haltung, damit ihr nicht unfähig werdet, das Geschenk zu erhalten.“ Aber einige Schüler hatten schon den Gedanken gehabt: „Wie kann eine so große Zahl an Wesen so wenig Speise essen?“ Die Bodhisattva-Inkarnation sagte zu diesen Schülern, „Vergleicht nicht, Ehrwürdige, eure Weisheit und Verdienste mit der Weisheit und den Verdiensten des Tathāgata! Warum? Zum Beispiel mögen die vier großen Ozeane austrocknen, aber diese Speise wird niemals ausgehen. Wenn alle Lebewesen für die Zeit eines Äons die Menge der Speise gleich der Größe des Berges Sumeru essen würde, so wäre sie dennoch nicht aufgebraucht. Warum? Als Ergebnis der unerschöpflichen Sittlichkeit, Konzentration und Weisheit können die Reste der Speise des Tathāgata in diesem Gefäß niemals zu Ende gehen.“ Tatsächlich war die gesamte Zusammenkunft der Wesen zufrieden mit der Speise und diese war keineswegs aufgebraucht. Nach dem Beenden des Mahls stieg in den Körpern der Bodhisattvas, Schüler, Śakras, Bramāhnen, Lokapālas und den anderen Lebewesen die Glückseligkeit der Bodhisattvas des Universums Sarvasukhamanditā auf. Und aus all den Poren ihrer Haut drang der Wohlgeruch gleich dem der Bäume, die im Universum Sarvagandhasugandhā wuchsen.

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Sehr wohl die Antwort kennend, fragte der Licchavier Vimalakīrti die Bodhisattvas aus dem Buddha Land des Tathāgata Sugandhakūta: „Edle Herren, wie lehrt der Tathāgata Sugandhakūta sein Dharma?“ Sie antworteten, „Der Tathāgata lehrt nicht den Dharma mit dem Klang und der Sprache. Er diszipliniert die Bodhisattvas nur mit dem Mittel der Wohlgerüche. Am Fuße eines jeden duftverströmenden Baumes sitzt ein Bodhisattva und der Baum verbreitet einen Wohlgeruch wie diesen hier. Von dem Moment an, von dem sie den Wohlgeruch vernehmen, erlangen sie die Konzentration mit dem Namen ´Quelle aller Bodhisattva-Tugenden.´ Nachdem sie diese Konzentration erlangt haben, erlangen sie gleichsam alle Bodhisattva-Tugenden.“ Die Bodhisattvas fragten darauf den Licchavier Vimalakīrti, „Und wie lehrt der Buddha Śākyamuni den Dharma?“ Vimalakīrti antwortete, „Gute Herren, die Lebewesen hier sind schwer zu disziplinieren. Darum lehrt er ihnen den Diskurs für die Disziplinierung der Wilden und Unzivilisierten. Wie diszipliniert er die Wilden und Unzivilisierten? Welche Diskurse sind angebracht? Es sind diese hier: „´Das ist die Hölle. Das ist das Reich der Tiere. Das ist die Welt des Herren des Todes. Dieses sind die unglücklichen Erscheinungsformen. Dies sind die Wiedergeburten mit Verkrüppelungen. Dieses sind die physischen Untaten und das sind die Konsequenzen der physischen Untaten. Dieses sind verbale Untaten und das sind die Konsequenzen der verbalen Untaten. Dieses sind die geistigen Untaten und das sind die Konsequenzen der geistigen Untaten. Das ist Töten. Das ist Stehlen. Das ist sexuelles Fehlverhalten. Das ist Lüge. Das ist Verleumdung. Das ist unglimpfliche Sprache. Das ist frivole Sprache. Das ist Begehrlichkeit. Das ist Böswilligkeit. Das sind falsche Sichtweisen. Das sind ihre Konsequenzen. Das ist Geiz und das die Auswirkungen. Das ist Unsittlichkeit. Das ist Hass. Das ist Faulheit. Das ist die Frucht der Faulheit. Das ist falsche Weisheit und das ist die Frucht der falschen Weisheit. Das sind Verstöße der Regeln. Das ist das Gelübde der eigenen Befreiung. „Dieses sollte getan werden und das sollte nicht getan werden. Dieses ist angemessen und davon sollte sich abgewandt werden. Dieses ist eine Verschleierung und das ist ohne Verschleierung. Dieses ist Sünde und das erhebt sich über die Sünde. Dieses ist der Pfad und das ist der falsche Pfad. Dieses ist Tugend und das ist von Übel. Dieses ist tadelnswert und das ist tadellos. Dieses ist schändlich und das ist makellos. Dieses ist weltlich und das ist transzendental. Dieses ist geschaffen und das ist ungeschaffen. Dieses ist Leidenschaft und das ist Reinigung. Dies ist Leben und das ist Befreiung. „So, durch die verschiedenartige Darlegung des Dharma, trainiert der Buddha den Geist der Lebewesen, der dem von Wildpferden gleicht. So wie Wildpferde und wilde Elefanten nicht gezähmt werden, bis ihnen ein Stachel ins Mark stößt, so werden Lebewesen, die wild und schwer zu disziplinieren sind nur durch die Diskurse über alle Arten von Misere diszipliniert.“ Die Bodhisattvas sagten, „So ist die Grundlage für die Großartigkeit des Buddha Śākyamuni geschaffen! Es ist wunderbar, wie er, seine übernatürlichen Kräfte verbergend, die armen und einfachen wilden Lebewesen zivilisiert. Und die Bodhisattvas, die sich in einem Buddha Land mit solchen immensen Nöten niederlassen, müssen unvorstellbar großes Mitgefühl haben!“

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Kapitel 10 Das Festmahl

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Der Licchavier Vimalakīrti verkündete, „So ist es, edle Herren! Es ist wie ihr es sagt. Das große Mitgefühl der Bodhisattvas, die hier reinkarnieren ist extrem gefestigt. In einer einzigen Lebenszeit in diesem Universum sind sie von großem Nutzen für die Lebewesen. So viel Nutzen für Lebewesen könnte nicht im Universum Sarvagandhasugandhā in einhunderttausend Äonen vollbracht werden. Warum? Edle Herren, in diesem Sahā Universum gibt es zehn tugendhafte Praktiken, die nicht in anderen Buddha Ländern existieren. Welche zehn? Es sind: die Armen durch Großzügigkeit gewinnen; die Unsittlichen durch Sittlichkeit gewinnen; die Hasserfüllten durch Geduld gewinnen; die Trägen durch Strebsamkeit gewinnen; die geistig Verwirrten durch Konzentration gewinnen; die vermeintlich Weisen durch wahre Weisheit gewinnen; jenen, die unter den acht unglücklichen Erscheinungsformen leiden, zeigen, wie sie zu überwinden sind; das Mahāyāna denen mit beschränktem Verstand zu lehren; diejenigen durch Tugenden zu gewinnen, die noch nicht die Tugenden entwickelt haben; die Lebewesen ohne Unterbrechung durch die vier Methoden der Überzeugung der Lebewesen zur Entwicklung zu bringen. Diejenigen, die diese zehn tugendhaften Praktiken praktizieren, existieren in keinem anderen Buddha Land.“ Weiterhin fragten die Bodhisattvas, „Wie viele Eigenschaften benötigt ein Bodhisattva, um gesund und munter in ein reines Buddha Land zu gehen, nachdem er nach seinem Tod dieses Sahā Universum verlässt?“ Vimalakīrti antwortete, „Wenn er dieses Sahā Universum nach seinem Tod verlässt, benötigt ein Bodhisattva acht Eigenschaften, um gesund und munter in einem reinen Buddha Land wiederzuerscheinen. Welche acht? Er muss für sich den Entschluss gefasst haben: ´Ich muss allen Lebewesen von Nutzen sein, ohne auch nur den geringsten Nutzen für mich selbst zu suchen. Ich muss die Miseren aller Lebewesen auf mich nehmen und ich muss meine angesammelten Verdienste allen Lebewesen geben. Ich darf keine Verachtung gegenüber irgend einem Lebewesen haben. Ich muss mich an allen Bodhisattvas erfreuen, als wären sie der Lehrer. Ich darf keine Lehre vernachlässigen, ob ich von ihr gehört habe oder nicht. Ich muss meinen Geist unter Kontrolle haben, ohne die Gewinne anderer zu Begehren und ohne stolz auf meine eigenen Gewinne zu sein. Ich muss nach meinen Fehlern suchen und niemals andere ihrer Fehler beschuldigen. Ich muss mich an meinem bewussten Gewahrsein erfreuen und muss alle nur möglichen Tugenden wirken.´ „Wenn ein Bodhisattva diese acht Eigenschaften hat und er nach seinem Tod dieses Sahā Universum verlässt, wird er gesund und munter in einem reinen Buddha Land wiedererscheinen.“ Als der Licchavier Vimalakīrti und der Kronprinz Mañjuśrī so den Dharma der großen Versammlung gelehrt hatte, richteten einhunderttausend Lebewesen ihren Geist auf das Erlangen der unübertroffenen, perfekten Erleuchtung und zehntausend Bodhisattvas erlangten die Erkenntnis der Geburtlosigkeit aller Dinge.

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Kapitel 11 Die Lektion über das Zerstörbare und das Unzerstörbare

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Kapitel 11: Die Lektion über das Zerstörbare und das Unzerstörbare In der Zwischenzeit wuchs und erweiterte sich die Umgebung in den Gärten von Āmrapālī, in der der Lord den Dharma lehrte und die gesamte Versammlung erschien meliert mit einer goldenen Farbe. Darauf fragte der ehrwürdige Ānanda den Buddha, „O Lord, dieser Zuwuchs und die Erweiterung der Gärten von Āmrapālī und die goldene Farbe der Versammlung – worauf weisen diese viel verheißenden Zeichen hin?“ Der Buddha verkündete, „Ānanda, diese viel verheißenden Zeichen weisen darauf hin, dass der Licchavier Vimalakīrti und der Kronprinz Mañjuśrī, begleitet von einer Vielzahl von Lebewesen in die Gegenwart des Tathāgata kommt.“ In diesem Moment sagte der Licchavier Vimalakīrti zum Kronprinz Mañjuśrī, „Mañjuśrī, lass uns diese vielen Lebewesen in die Gegenwart des Lords geleiten, mögen sie den Tathāgata sehen und sich vor ihm verbeugen!“ Mañjuśrī antwortete, „Edler Herr, schicke sie zum Tathāgata, wenn du dir sicher bist, dass dies der richtige Zeitpunkt ist!“ Darauf führte der Licchavier Vimalakīrti ein Wunderwerk aus, indem er die vollständige Versammlung mit allen Thronen auf seine rechte Hand stellte, und nachdem er sich auf magische Weise in die Gegenwart des Buddha befördert hatte, setzte er sie auf dem Boden ab. Er verbeugte sich zu den Füßen des Buddha, umwanderte Ihn sieben mal rechts herum mit gefalteten Händen und zog sich zur Seite zurück. Die Bodhisattvas, die aus dem Buddha Land des Tathāgata Sugandhakūta kamen, stiegen von ihren Löwenthronen herab, verneigten sich zu den Füßen des Buddha und zogen sich mit aus Ehrfurcht gefalteten Händen zur Seite zurück. Und die anderen Bodhisattvas, die großen spirituellen Meister, und die Schüler stiegen ebenso von ihren Thronen herab und nachdem sie sich zu den Füßen des Buddha verneigt hatten, zogen sie sich zur Seite zurück. Desgleichen verneigten sich alle Indras, Brahmās, Lokapālas und Götter zu den Füßen des Buddha, falteten ihre Hände aus Ehrfurcht und stellten sich zur Seite hin. Nachdem der Buddha sich an den Grüßen der Bodhisattvas erfreut hatte, verkündete Er, „Edle Söhne, setzt euch auf eure Throne!“ Nach der Aufforderung des Buddhas setzten sie sich auf ihre Throne. Der Buddha sagte zum ehrwürdigen Śāriputra, „Śāriputra, hast du die übernatürlichen Leistungen der Bodhisattvas, der Besten aller Wesen, gesehen?“ „Ich habe sie gesehen, o Lord.“ „Welches Konzept über sie hat es in dir hervorgerufen?“ „O Lord, sie haben in mir das Konzept der Unvorstellbarkeit hervorgerufen. Ihre Handlungen erschienen mir in dem Grade unvorstellbar, dass ich unfähig bin, darüber nachzudenken, darüber zu urteilen oder sie mir auch nur vorzustellen.“ Darauf fragte der ehrwürdige Ānanda den Buddha, „O Lord, was ist das für ein Wohlgeruch, den ich noch niemals vorher vernommen habe?“

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Der Buddha antwortete, „Ānanda, dieser Wohlgeruch geht aus den Poren all dieser Bodhisattvas hervor.“ Śāriputra fügte hinzu, „Ehrwürdiger Ānanda, er geht auch aus unseren Poren hervor!“ Ānanda: Woher kommt dieser Wohlgeruch? Śāriputra: Der Licchavier Vimalakīrti erhielt etwas Speise aus dem Universum Sarvagandhasugandhā, dem Buddha Land des Tathāgata Sugandhakūta und dieser Wohlgeruch entspringt allen Körpern, die diese Speise zu sich genommen haben. Dann wandte sich Ānanda an den Licchavier Vimalakīrti: „Wie lang wird dieser Wohlgeruch bestehen bleiben?“ Vimalakīrti: Bis er verdaut ist. Ānanda: Wann wird er verdaut sein? Vimalakīrti: Die Speise wird in neunundvierzig Tagen verdaut sein und der Duft wird noch sieben weitere Tage anhalten. Während dieser Zeit wird es zu keinen Verdauungsstörungen kommen. Falls, ehrwürdiger Ānanda, Biksus, die noch nicht den letztendlichen Entschluss gefasst haben diese Speise essen, wird sie nicht verdaut werden, bis sie den letztendlichen Entschluss gefasst haben. Wenn solche, die den letztendlichen Entschluss gefasst haben diese Speise essen, wird sie nicht verdaut sein, bis ihr Geist vollständig Befreit ist. Wenn Lebewesen ihren Geist noch nicht auf das Erlangen der unübertroffenen, perfekten Erleuchtung gerichtet haben diese Speise essen, wird sie verdaut sein, wenn sie ihren Geist auf das Erlangen der unübertroffenen, perfekten Erleuchtung gerichtet haben. Wenn diejenigen, die ihren Geist auf das Erlangen der unübertroffenen, perfekten Erleuchtung gerichtet haben diese Speise essen, wird sie verdaut sein, wenn sie die Vollkommenheit erlangt haben. Und wenn diejenigen, die die Vollkommenheit erlangt haben diese Speise essen, wird sie verdaut sein, wenn sie ein Leben von der Buddhaschaft entfernt sind. Ehrwürdiger Ānanda, es ist wie eine Medizin, die ´köstlich´ genannt wird, sie gelangt in den Magen und wird nicht verdaut, bevor alles Gift eliminiert wurde. Genau so, ehrwürdiger Ānanda, wird diese Speise nicht verdaut, bevor alle Gifte der Leidenschaften eliminiert wurden, erst dann wird sie verdaut. Darauf sagte der ehrwürdige Ānanda zum Buddha, „O Lord, es ist wirklich wunderbar, dass diese Speise die Arbeit der Buddhas vollbringt!“ „So ist es, Ānanda! Es ist wie du sagst, Ānanda! Es gibt Buddha Länder, die die Arbeit der Buddhas durch die Mittel der Bodhisattvas vollbringen; die es durch die Mittel des Lichts vollbringen; die es durch die Mittel des Baumes der Erleuchtung vollbringen; die es durch die körperliche Schönheit und die Merkmale des Tathāgata vollbringen; die es durch die Mittel der religiösen Roben vollbringen; die es durch die Mittel des Essens vollbringen; die es durch die Mittel des Wassers vollbringen; die es durch die Mittel der Gärten vollbringen; die es durch die Mittel der Paläste vollbringen; die es durch die Mittel der Villen vollbringen; die es durch die Mittel der magischen Inkarnationen vollbringen; die es durch das Mittel des leeren Raumes vollbringen; und die es durch die Mittel der Lichter am Himmel vollbringen. Warum ist das so, Ānanda? Weil durch diese verschiedenartigen Mittel die Lebewesen diszipliniert werden. Ähnlich, Ānanda, gibt es Buddha Länder, die die Arbeit der Buddhas vollbringen,

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indem sie Lebewesen Worte, Definitionen und Beispiele lehren, wie ´Träume,´ ´Metaphern,´ ´die Spiegelung vom Mond im Wasser,´ ´Echos,´ ´Illusionen,´ und ´Luftspiegelungen´; und jene, die die Arbeit der Buddhas vollbringen, machen diese Worte verständlich. Außerdem, Ānanda, gibt es höchst reine Buddha Länder, die die Arbeit der Buddhas für die Lebewesen ohne die Sprache vollbringen, durch Stille, unausdrücklich und unlehrbar. Ānanda, unter allen Handlungen, Vergnügen und Praktiken der Buddhas gibt es keine, die nicht die Arbeit der Buddhas vollbringen, weil alle diese die Lebewesen disziplinieren. Schließlich, Ānanda, vollbringen die Buddhas die Arbeit der Buddhas durch die Mittel der vier Māras und die vierundachtzigtausend Arten der Leidenschaften, die die Lebewesen plagen. „Ānanda, dieses ist die Dharmapforte ´Einführung in alle Buddha-Qualitäten.´ Der Bodhisattva, der diese Dharmapforte betritt, erfährt weder Freude noch Stolz, wenn er mit einem Buddha Land konfrontiert wird, das mit der Pracht aller edlen Qualitäten geschmückt ist. Und er erfährt weder Traurigkeit noch Abneigung, wenn er mit einem Buddha Land konfrontiert wird, das scheinbar ohne diese Pracht ist. Aber in allen Fällen hat er grundlegende Ehrfurcht vor allen Tathāgatas. Es ist tatsächlich wunderbar, wie alle Lord Buddhas, welche die Gleichheit aller Dinge verstehen, alle Arten von Buddha Länder manifestieren, um Lebewesen zur Entwicklung zu bringen! „Ānanda, genau wie die Buddha Länder bezüglich ihrer spezifischen Qualitäten verschieden sind, aber ohne Unterschied bezüglich dem Himmel, der sie bedeckt, so, Ānanda, sind die Buddhas verschieden bezüglich ihrer physischen Körper, aber sie unterscheiden sich nicht in ihrer unbehinderten Erkenntnis. „Ānanda, alle Buddhas sind in der Perfektion der Buddha-Qualitäten gleich. Sie sind: ihre Form, ihre Farbe, ihr Glanz, ihre Körper, ihre Merkmale, ihr hoher Stand, ihre Sittlichkeit, ihre Konzentration, ihre Weisheit, ihre Befreiung, ihre Erkenntnis und ihre Vision der Befreiung, ihre Kraft, ihre Furchtlosigkeit, ihre speziellen Buddha-Qualitäten, ihre große Liebe, ihr großes Mitgefühl, ihre hilfreichen Absichten, ihre Gesinnung, ihre Praktiken, ihr Pfad, die Länge ihres Leben, ihre Dharmalehren, ihre Entwicklung und Befreiung der Lebewesen und ihre Reinigung der Buddha Länder. Darum werden Sie ´Samyaksambuddhas,´ ´Tathāgatas,´ und ´Buddhas´ genannt. „Ānanda, würde dein Leben ein gesamtes Äon überdauern, so wäre es dennoch nicht einfach für dich, die tiefgründige und beträchtliche Bedeutung und die präzise verbale Signifikanz dieser drei Namen zu verstehen. Wenn, Ānanda, ebenso alle Lebewesen dieses Milliarden-Weltgalaxien Universums so wie du der Beste der Gelehrten und der Vorderste von denen, die mit Erinnerungsvermögen und der Dhāranīs ausgestattet wären – und sie würden sich dem ein gesamtes Äon widmen, so wären sie immer noch nicht in der Lage, die gesamte und beträchtliche Bedeutung der drei Worte ´Samyaksambuddha,´ ´Tathāgata,´ und ´Buddha´ zu verstehen. Demnach, Ānanda, ist die Erleuchtung der Buddhas unermesslich und die Weisheit und die Eloquenz der Tathāgatas ist unvorstellbar.“ Darauf sprach der ehrwürdige Ānanda zum Buddha: „O Lord, von diesem Tage an will ich nicht wieder verkünden, dass ich der beste Gelehrte sei.“ Der Buddha sagte, „Sei nicht entmutigt, Ānanda! Warum? Ich habe dich in Bezug auf die Schüler als den besten Gelehrten verkündet, ohne die Bodhisattvas einzubeziehen. Ānanda, siehe dir die Bodhisattvas an. Sie können selbst von den Weisesten nicht ergründet werden. Ānanda, jemand mag die Tiefe eines Ozeans ergründen, aber man kann nicht die Tiefe der Weisheit, der Erkenntnis, des Erinnerungsvermögens, die Dhāranīs und die Eloquenz der

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Bodhisattvas ergründen. Ānanda, du solltest gleichmütig bezüglich der Taten der Bodhisattvas sein. Warum? Ānanda, diese Wunder, die an einem einzigen Morgen von dem Licchavier Vimalakīrti gezeigt worden sind, können nicht von den Schülern und Pratyekabuddhas, die die magischen Kräfte erlangt haben, vollbracht werden, selbst wenn sie ihre Kräfte der Dhāranīs und Transformationen für hunderttausend Millionen Äonen anwendeten.“ Alle Bodhisattvas aus dem Buddha Land des Tathāgata Sugandhakūta falteten darauf hin ihre Hände in Ehrfurcht und, dem Tathāgata Śākyamuni salutierend, redeten ihn folgendermaßen an: „O Lord, als wir zum ersten mal in dieses Buddha Land kamen, hatten wir eine negative Vorstellung, aber wir haben nun diese negative Vorstellung aufgegeben. Warum? O Lord, die Bereiche der Buddhas und ihre Fähigkeit in der Technik der Befreiung sind unvorstellbar. Um Lebewesen zur Reifung zu bringen manifestieren sie ein entsprechendes Land, um sich den Verlangen der Lebewesen anzupassen. O Lord, bitte gib uns eine Lehrrede, durch die wir uns an Dich erinnern mögen, wenn wir nach Sarvagandhasugandhā zurückgekehrt sind.“ Auf diese Anfrage verkündete der Buddha, „Edle Söhne, es gibt eine Befreiung der Bodhisattvas, die ´Zerstörbar und Unzerstörbar´ genannt wird. Übt euch in dieser Befreiung. Was ist die Befreiung der Bodhisattvas, die ´Zerstörbar und Unzerstörbar´ genannt wird? ´Zerstörbar´ bezieht sich auf die geschaffenen Dinge. ´Unzerstörbar´ bezieht sich auf das Ungeschaffene. Aber ein Bodhisattva sollte weder die geschaffenen Dinge zerstören, noch im Ungeschaffenen ruhen. „Nicht die geschaffenen Dinge zu zerstören besteht darin, nicht die große Liebe zu verlieren; nicht das große Mitgefühl aufzugeben; nicht den allwissenden Geist zu vergessen, der durch hohe Entschlossenheit geschaffen wird; nicht in der positiven Entwicklung der Lebewesen zu ermüden; nicht die vier Methoden der Überzeugung der Lebewesen aufzugeben; den Körper und das Leben aufzugeben, um den heiligen Dharma zu erhalten; niemals mit den bereits angehäuften Tugenden zufrieden zu sein; sich an gekonnter Widmung zu erfreuen; niemals nachlässig den Dharma zu suchen; ohne eigennützige Schweigsamkeit den Dharma zu lehren; keine Bemühungen scheuen, die Tathāgatas zu sehen und zu verehren; furchtlos freiwillige Wiedergeburten anzunehmen; weder stolz im Erfolg, noch niedergeschlagen durch Fehlschläge zu sein; nicht verächtlich zu den Ungelehrten zu sein und die Gelehrten so zu respektieren, als wären sie der Lehrer selbst; jene, deren Leidenschaften zu exzessiv sind zu mäßigen; sich an Einsamkeit zu erfreuen, ohne an ihr zu haften; nicht auf seine eigenes Glück aus zu sein, sondern auf das Glück anderer; Trance, Meditation und Gleichmut so zu betrachten, als wären sie die Avīci Hölle; die Welt so zu betrachten, als wäre sie ein Garten der Befreiung; Bettler als spirituelle Lehrer zu erachten; das Fortgeben aller Besitztümer als Mittel zur Realisierung der Buddhaschaft zu erachten; unsittliche Wesen als Retter zu erachten; die sechs Pāramitās als Eltern zu erachten; die siebenunddreißig Erleuchtungsglieder als Diener zu erachten; niemals die Anhäufung von Tugenden zu beenden; die Tugenden aller Buddha Länder in seinem eigenen Buddha Land zu etablieren; grenzenlose reine Opfer zu bringen, um die viel verheißenden Zeichen und Merkmale zu verwirklichen; Körper, Rede und Geist zu schmücken, indem man sich aller Sünden enthält; durch unermessliche Äonen hindurch mit den Reinkarnationen fortzufahren, während man Körper, Rede und Geist reinigt; Entmutigung durch spirituelle Großtaten zu meiden, wenn man von den unermesslichen Tugenden des Buddha lernt; das scharfe Schwert der Weisheit zu schwingen, um den Feind der Leidenschaften zu züchtigen; die fünf Aggregate, die vier Elemente und die sechs Sinnesfähigkeiten vollständig zu verstehen, um die Bürden aller Lebewesen zu tragen; vor Energie zu strotzen, um die Horde der Dämonen zu überwinden; das Wissen zu suchen, um Stolz zu vermeiden; mit wenig zufrieden zu sein, um den Dharma

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aufrechtzuerhalten; nicht mit weltlichen Dingen umzugehen, um die Leute zu erfreuen; fehlerlos in allen Handlungen zu sein, um allen Leuten zu entsprechen; Dhāranīs, Erinnerungsvermögen und Wissen zu erlangen, um allen Pflichten zu entsprechen, Lebewesen von Nutzen zu sein; sich beständig die Lehre zu verinnerlichen, Erinnerungsvermögen und die Kraft, Gelerntes zu behalten anzueignen; den Grad der spirituellen Fähigkeiten von Lebewesen zu verstehen, um alle Zweifel der Leute zu zerstreuen; ein unübertreffliches magisches Kunststück zu offenbaren, um den Dharma zu lehren; unbeirrbare Sprache durch das Erlangen unbehinderter Eloquenz zu haben; durch die Reinigung des Pfades der zehn Tugenden den Erfolg der Menschen und Götter zu haben; sich auf dem Pfad des reinen Zustandes von Brahmā niederzulassen, indem man die vier Unermesslichkeiten kultiviert; die Buddhas einzuladen den Dharma zu lehren, sich daran zu erfreuen und Ihnen zu applaudieren, dadurch erlangt man die melodische Stimme eines Buddha; Körper, Sprache und Geist zu disziplinieren und so den konstanten spirituellen Fortschritt aufrecht zu erhalten; keine Anhaftung an irgendetwas zu haben und so das Verhalten eines Buddhas zu erlangen; den Orden der Bodhisattvas zu versammeln, um Wesen zum Mahāyāna zu gewinnen; zu jeder Zeit das Bewusstsein zu bewahren, niemals die guten Qualitäten zu vernachlässigen. Edle Söhne, ein Bodhisattva der sich so für den Dharma einsetzt, ist ein Bodhisattva, der nicht das geschaffene Reich zerstört. „Was bedeutet, nicht im Ungeschaffenen zu ruhen? Der Bodhisattva übt sich in Leerheit, aber er realisiert nicht die Leerheit. Er übt sich in Zeichenlosigkeit, aber er realisiert nicht die Zeichenlosigkeit. Er übt sich in Wunschlosigkeit, aber er realisiert nicht die Wunschlosigkeit. Er übt sich in Nichtausübung, aber er realisiert nicht die Nichtausübung. Er kennt die Unbeständigkeit, aber er ist nicht selbstgefällig bezüglich seinen Tugenden. Er berücksichtigt Elend, aber er reinkarniert freiwillig. Er kennt Selbstlosigkeit, aber er verschwendet sich nicht. Er berücksichtigt Friedlichkeit, aber er sucht nicht den äußersten Frieden. Er schätzt Einsamkeit, doch er meidet kein geistiges und körperliches Streben. Er berücksichtigt Ortlosigkeit, doch er wendet sich nicht von Orten guter Handlung ab. Er berücksichtigt Erscheinungslosigkeit, doch unternimmt er alles, um die Bürde aller Wesen zu tragen. Er berücksichtigt Makellosigkeit, doch folgt er dem Geschehen der Welt. Er berücksichtigt Bewegungslosigkeit, doch bewegt er sich, um alle Lebewesen zur Entwicklung zu bringen. Er berücksichtigt Selbstlosigkeit, doch wendet er sich nicht von dem großen Mitgefühl für alle Wesen ab. Er berücksichtigt Geburtlosigkeit, doch fällt er nicht in die letztendliche Entschlossenheit der Schüler. Er berücksichtigt Eitelkeit, Vergeblichkeit, Substanzlosigkeit, Abhängigkeit und Ortlosigkeit, doch setzt er sich für Verdienste ein, die nicht fruchtlos sind, für Wissen das nicht vergeblich ist, für Betrachtung, die Substanz hat, für das Bestreben für die Weihe der unabhängigen Erkenntnis und für die Buddha-Familie mit der definitiven Bedeutung ein. „So, edle Söhne, strebt ein Bodhisattva einen solchen Dharma an, das weder im Ungeschaffenen ruht, noch die geschaffenen Dinge zerstört. „Weiterhin, edle Söhne, um den Vorrat der Verdienste zu vollenden, ruht ein Bodhisattva nicht im Ungeschaffenen und um den Vorrat der Weisheit zu vollenden, zerstört er nicht die geschaffenen Dinge. Um die große Liebe zu verwirklichen, ruht er nicht im Ungeschaffenen und um das große Mitgefühl zu verwirklichen, zerstört er nicht die geschaffenen Dinge. Um Lebewesen zur Reifung zu bringen, ruht er nicht im Ungeschaffenen und um die Buddha-Qualitäten anzustreben, zerstört er nicht die geschaffenen Dinge. Um die Merkmale der Buddhaschaft zu perfektionieren, ruht er nicht im Ungeschaffenen und um die Erkenntnis der Allwissenheit zu perfektionieren, zerstört er nicht die geschaffenen Dinge. Aus dem Geschick in der Technik der Befreiung ruht er nicht im Ungeschaffenen und durch die gründliche

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analytische Weisheit zerstört er nicht die geschaffenen Dinge. Um das Buddha Land zu reinigen, ruht er nicht im Ungeschaffenen und durch die Kraft der Gunst des Buddha zerstört er nicht die geschaffenen Dinge. Weil er die Bedürfnisse der Lebewesen spürt, ruht er nicht im Ungeschaffenen und um die wahre Bedeutung des Dharma zu zeigen, zerstört er nicht die geschaffenen Dinge. Aufgrund seines Vorrats an Tugend ruht er nicht im Ungeschaffenen und weil er einen intuitiven Enthusiasmus für die Tugenden hat, zerstört er nicht die geschaffenen Dinge. Um seine Gebete zu erfüllen, ruht er nicht im Ungeschaffenen und weil er keine Wünsche hat, zerstört er nicht die geschaffenen Dinge. Weil seine positiven Gedanken rein sind, ruht er nicht im Ungeschaffenen und weil sein hoher Entschluss rein ist, zerstört er nicht die geschaffenen Dinge. Um sich mit den fünf höheren Geisteskräften zu vergnügen, ruht er nicht im Ungeschaffenen und wegen der sechsten höheren Geisteskraft der Buddha-Erkenntnis zerstört er nicht die geschaffenen Dinge. Um die sechs Pāramitās zu erfüllen, ruht er nicht im Ungeschaffenen und um die Zeit zu erfüllen, zerstört er nicht die geschaffenen Dinge. Um die Schätze des Dharma zu sammeln, ruht er nicht im Ungeschaffenen und weil er keine engstirnigen Lehren mag, zerstört er nicht die geschaffenen Dinge. Weil er jede Medizin des Dharma sammelt, ruht er nicht im Ungeschaffenen und um die Medizin des Dharma angebracht zu verabreichen, zerstört er nicht die geschaffenen Dinge. Um seine Verpflichtungen zu bekräftigen, ruht er nicht im Ungeschaffenen und um Verblendung in seinen Verpflichtungen nachzubessern, zerstört er nicht die geschaffenen Dinge. Um alle Elixiere des Dharma zusammenzubrauen, ruht er nicht im Ungeschaffenen und um den Nektar des subtilen Dharma zu verteilen, zerstört er nicht die geschaffenen Dinge. Weil er gründlich alle Krankheiten, die aus den Leidenschaften entstehen, kennt, ruht er nicht im Ungeschaffenen und um die Krankheiten aller Lebewesen zu heilen, zerstört er nicht die geschaffenen Dinge. „So, edle Söhne, zerstört ein Bodhisattva nicht die geschaffenen Dinge und ruht nicht im Ungeschaffenen und das ist die Befreiung der Bodhisattvas mit dem Namen ´Zerstörbar und Unzerstörbar.´ Edle Herren, auch ihr solltet euch darin üben.“ Nachdem die Bodhisattvas diese Lehre gehört hatten, waren sie zufrieden, entzückt und ehrerbietig. Sie waren erfüllt von Freude und Glück. Um Buddha Śākyamuni und die Bodhisattvas des Sahā Universums, als auch diese Lehre zu verehren bedeckten sie kniehoch die gesamte Erde dieses Milliarden-Welt Universums mit duftendem Puder, Weihrauch, Parfum und Blumen. Nachdem sie die gesamte Gefolgschaft des Tathāgata erfreut hatten, verneigten sie sich zu den Füßen des Buddha, umschritten ihn dreimal rechts herum und sangen eine Hymne des Lobes. Dann verschwanden sie aus diesem Universum und im Bruchteil einer Sekunde waren sie in das Universum Sarvagandhasugandhā zurückgekehrt.

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Kapitel 12 Das Schauen des Universums Abhirati und des Tathagata

Aksobhya

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Kapitel 12: Das Schauen des Universums Abhirati und des Tathāgata Aksobhya Darauf sagte der Buddha zum Licchavier Vimalakīrti, „Edler Sohn, wenn du einen Tathāgata sehen würdest, wie würdest du ihn betrachten?“ Nachdem der Licchavier Vimalakīrti auf diese Weise gefragt wurde, erwiderte er dem Buddha, „O Lord, wenn ich einen Tathāgata sehen würde, würde ich Ihn nicht als Tathāgata betrachten. Warum? Ich betrachte Ihn als nicht in der Vergangenheit geboren, als nicht in die Zukunft voranschreitend und nicht in der Gegenwart verweilend. Warum? Er ist die Essenz, die die Realität der Form ist, aber Er ist nicht Form. Er ist die Essenz, die die Realität des Gefühls ist, aber Er ist nicht Gefühl. Er ist die Essenz, die die Realität der Wahrnehmung ist, aber Er ist nicht Wahrnehmung. Er ist die Essenz, die die Realität der Geistesformation ist, aber Er ist nicht Geistesformation. Er ist die Essenz, die die Realität des Bewusstseins ist, aber Er ist nicht Bewusstsein. Wie das Raumelement, weilt Er nicht in den vier Elementen. Den Bereich des Auges, des Ohres, der Nase, der Zunge, des Körpers und des Geistes übersteigend, wird Er nicht durch die sechs Sinnesfähigkeiten gebildet. Er ist nicht in den drei Welten involviert, ist frei von den drei Wurzeln des Nicht-Heilsamen, ist verbunden mit der dreifachen Befreiung, ist ausgestattet mit den drei Wissen und hat wahrlich das Unerreichbare erreicht. „Der Tathāgata hat die äußerste Trennung von allen Dingen erreicht, doch ist Er nicht ausgelöscht. Er weilt in der letztendlichen Realität, doch gibt es keine Verbindung zwischen ihr und Ihm. Er wird nicht durch Ursachen geschaffen, noch ist Er von Bedingungen abhängig. Er ist nicht ohne irgendwelche Beurteilungsmerkmale, noch hat er Beurteilungsmerkmale. Er hat keine einzelne Natur, noch ist Er von verschiedenartiger Natur. Er ist nichts Konzeptuelles, keine mentale Konstruktion, noch ist er etwas Nichtkonzeptuelles. Er ist weder das andere Ufer, noch ist Er dieses Ufer, noch ist Er dazwischen. Er ist weder hier, noch dort, noch irgendwo anders. Er ist weder dies noch das. Er kann nicht durch Bewusstsein entdeckt werden, noch ist Er inhärent im Bewusstsein. Er ist weder Licht noch Dunkelheit. Er ist weder Name noch Zeichen. Er ist weder schwach noch stark. Er lebt in keinem Land oder Richtung. Er ist weder gut noch böse. Er ist weder geschaffen noch ungeschaffen. Er kann nicht mit irgendeiner Bedeutung erläutert werden. „Der Tathāgata ist weder Großzügigkeit noch Geiz, weder Sittlichkeit noch Unsittlichkeit, weder Geduld noch Böswilligkeit, weder Eifer noch Faulheit, weder Konzentration noch Zerstreuung, weder Weisheit noch Torheit. Er ist unausdrücklich. Er ist weder Wahrheit noch Falschheit; weder ist Er dieser Welt entkommen, noch hat Er versagt dieser Welt zu entkommen; weder ist Er ein Grund der Eingebundenheit in der Welt noch kein Grund der Eingebundenheit in der Welt; Er ist das Ende aller Theorie und Praxis. Er ist weder ein Bereich des Verdienstes noch nicht ein Bereich des Verdienstes. Er ist weder der Spende würdig noch unwürdig der Spende. Er ist kein Objekt und kann nicht kontaktiert werden. Er ist keine Gesamtheit und keine Anhäufung. Er übersteigt alle Kalkulationen. Er ist unvergleichlich, doch gleich der letztendlichen Realität der Dinge. Er ist beispiellos, besonders im Streben. Er übersteigt jedes Maß. Er geht nicht, verweilt nicht und ist nicht jenseitig. Er wird weder gesehen, gehört, unterschieden, noch gewusst. Er ist ohne Komplexität, Er hat den Gleichmut der allwissenden Erkenntnis verwirklicht. Alle Dinge als gleichwertig betrachtend, macht Er nicht den geringsten Unterschied zwischen ihnen. Er ist ohne Tadel, ohne Exzess, ohne Verdorbenheit, ohne Konzeption und ohne Intellektualisierung. Er ist ohne Tätigkeit, ohne Geburt, ohne Geschehen, ohne Herkunft, ohne

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Kapitel 12 Das Schauen des Universums Abhirati und des Tathagata

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Erzeugung und ohne Nichterzeugung. Er ist ohne Furcht, und ohne Unterbewusstsein; ohne Sorge, ohne Freude und ohne Schmerz. Keine verbale Lehre kann ihn ausdrücken. „So ist der Körper eines Tathāgata und so sollte er gesehen werden. Wer so sieht, sieht wahrhaftig. Wer anders sieht, sieht falsch.“ Der ehrwürdiger Śāriputra fragte dann den Buddha, „O Lord, in welchem Buddha Land verstarb der edle Vimalakīrti, bevor er in diesem Buddha Land reinkarnierte?“ Der Buddha sagte, „Śāriputra, frag diesen guten Mann direkt, wo er verstarb, um hier zu reinkarnieren.“ Darauf fragte der ehrwürdige Śāriputra den Licchavier Vimalakīrti, „Edler Herr, wo verstarbst du, um hier zu reinkarnieren?“ Vimalakīrti verkündete, „Gibt es irgendetwas unter den Dingen die du siehst, Ältester, das stirbt oder wiedergeboren wird?“ Śāriputra: Es gibt nichts, das stirbt oder wiedergeboren wird. Vimalakīrti: Da, ehrwürdiger Śāriputra, alle Dinge weder sterben noch wiedergeboren werden, wie kann da in dir die Frage aufsteigen, „Wo verstarbst du, um hier zu reinkarnieren?“ Ehrwürdiger Śāriputra, mag da jemand einen Mann oder eine Frau, die von einem Zauberkundigen erschaffen wurde, fragen, wo er oder sie verstarb, um dort wiedergeboren zu werden, was glaubst du wäre die Antwort? Śāriputra: Edler Herr, eine magische Kreation verstirbt weder, noch ist sie wiedergeboren. Vimalakīrti: Ehrwürdiger Śāriputra, hat nicht der Tathāgata verkündet, dass alle Dinge die Natur einer magischen Kreation besitzen? Śāriputra: Ja, edler Herr, das ist tatsächlich so. Vimalakīrti: Ehrwürdiger Śāriputra, da alle Dinge die Natur einer magischen Kreation haben, warum fragst du, ´Wo bist du verstorben, um hier zu reinkarnieren´? Ehrwürdiger Śāriputra, ´Tod´ ist das Ende eines Verhaltens [Handelns] und ´Wiedergeburt´ ist die Weiterführung eines Verhaltens [Handelns]. Aber, obwohl ein Bodhisattva verstirbt, setzt er den Ereignissen der Tugend kein Ende und obwohl er wiedergeboren wird, haftet er nicht an der Weiterführung der schlechten Angewohnheiten. Dann sagte der Buddha zum ehrwürdigen Śāriputra, „Śāriputra, diese heilige Person ist aus der Gegenwart des Tathāgata Aksobhya im Universum Abhirati hierher gekommen.“ Śāriputra: O Lord, es ist wahrlich wundervoll, dass diese heilige Person, nachdem er das Buddha Land so rein wie Abhirati verlassen hat, sich an einem solch fehlerhaften Buddha Land wie diesem Sahā Universum erfreuen kann! Der Licchavier Vimalakīrti sagte, „Ehrwürdiger Śāriputra, was glaubst du? Begleitet das Licht der Sonne die Dunkelheit?“ Śāriputra: Natürlich nicht, edler Herr!

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Vimalakīrti: Dann erscheinen beide nicht zusammen? Śāriputra: Edler Herr, diese beiden erscheinen nicht zusammen. Sobald die Sonne aufgeht wird jegliche Dunkelheit zerstört. Vimalakīrti: Warum geht dann die Sonne in dieser Welt auf? Śāriputra: Sie geht auf, um die Welt zu erhellen und die Dunkelheit zu beseitigen. Vimalakīrti: In gleicher Weise, ehrwürdiger Śāriputra, reinkarniert der Bodhisattva freiwillig im unreinen Buddha Land, um die Lebewesen zu reinigen, um das Licht der Weisheit scheinen zu lassen und um die Dunkelheit zu beseitigen. Da es sich nicht den Leidenschaften beigesellt, vertreibt es die Dunkelheit der Leidenschaften aller Lebewesen. Alsdann verspürte die gesamte Verstammlung den Wunsch, das Universum Abhirati, den Tathāgata Aksobhya, Seine Bodhisattvas und großen Schüler zu sehen. Der Buddha, die Gedanken der gesamten Versammlung erkennend, sagte zum Licchavier Vimalakīrti, „Edler Sohn, diese Versammlung wünscht das Universum Abhirati und den Tathāgata Aksobhya zu sehen – zeige sie ihnen!“ Der Licchavier Vimalakīrti dachte, „Ohne von meiner Couch aufzustehen, werde ich das Universum Abhirati und alles was es beinhaltet mit meiner rechten Hand aufnehmen: die hunderttausenden Bodhisattvas; die Wohnstätten der Devas, Nāgas, Yaksas, Gandharvas und Asuras, begrenzt durch das Cakravādagebirge; mit den Flüssen, Seen, Quellen, Strömen und Ozeanen und anderen Gewässern; mit dem Berg Sumeru, anderen Hügeln und Bergketten. Mit dem Mond, der Sonne und den Sternen; mit den Devas, Nāgas, Yaksas, Gandharvas und Asuras selbst; mit Brahmā und seinen Gefolgen; den Dörfern, Siedlungen, Städten, Provinzen, Königreichen, Männern, Frauen und Pferden; mit den Bodhisattvas; mit Schülern; mit dem Baum der Erleuchtung des Tathāgata Aksobhya; und mit dem Tathāgata Aksobhya selbst, in der Mitte der Versammlung sitzend, wie ein weiter Ozean, den Dharma lehrend. Auch der Lotus, der unter den Lebewesen die Arbeit der Buddhas vollbringt; den drei juwelenbesetzten Leitern, die von der Erde empor in den Trāyastrimśahimmel reichen, auf denen die Götter dieses Himmels hinab auf die Welt steigen, um den Tathāgata Aksobhya zu sehen, zu preisen und zu dienen und um den Dharma zu hören, und auf welchen die Menschen der Erde in den Trāyastrimśahimmel hinaufklettern können, um die Götter zu besuchen. Wie ein Töpfer mit seinem Rad werde ich dieses Universum Abhirati, mit den Vorräten der zahllosen Tugenden, von der wasserhaltigen Basis bis zum Akanisthahimmel, winzig klein machen und es vorsichtig wie eine Blumengirlande in dieses Sahā Universum bringen und es der Versammlung zeigen.“ Dann versetzte sich der Licchavier Vimalakīrti in eine Konzentration und vollbrachte ein Wunderwerk, so dass das Universum Abhirati winzig klein wurde. Er nahm es mit seiner rechten Hand und brachte es in das Sahā Universum. Im Universum Abhirati schrieen alle Schüler, Bodhisattvas und diejenigen unter den Göttern und Menschen, die die höhere Geisteskraft des himmlischen Auges besaßen, „O Lord, man bringt uns fort! Sugata, wir werden fortgebracht! Beschütze uns, o Tathāgata!“ Aber, um sie zu disziplinieren sagte der Tathāgata Aksobhya zu ihnen, „Ihr werdet vom Bodhisattva Vimalakīrti fortgebracht. Das ist nicht meine Angelegenheit.“

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Alle anderen Menschen und Götter waren sich nicht Gewahr, dass sie überhaupt fortgebracht wurden. Obwohl das Universum Abhirati in das Universum Sahā gebracht wurde, veränderte sich dieses Universum nicht. Es wurde weder größer noch kleiner; es wurde weder gestaucht noch behindert. Noch wurde das Universum Abhirati innerlich verkleinert und beide Welten erschienen so, wie sie immer waren. Der Buddha Śākyamuni sagte darauf zur gesamten Versammlung, „Freunde, betrachtet die Pracht des Universums Abhirati, den Tathāgata Aksobhya und das Aufgebot seines Buddha Landes, als auch die Pracht dieser Schüler und Bodhisattvas!“ Sie antworteten, „Wir sehen sie, o Lord!“ Der Buddha sagte, „Die Bodhisattvas, die in ein solches Buddha Land eingehen möchten, sollten sich in allen Bodhisattva-Praktiken des Tathāgata Aksobhya üben.“ Während Vimalakīrti ihnen mit seinen magischen Kräften das Universum Abhirati und den Tathāgata Aksobhya zeigte, richteten einhundertvierzigtausend Lebewesen unter den Menschen und Göttern ihren Geist auf das Erreichen der unübertroffenen, perfekten Erleuchtung und alle unter ihnen beteten im Universum Abhirati wiedergeboren zu werden. Und der Buddha prophezeite ihnen, dass sie in der Zukunft alle im Universum Abhirati wiedergeboren werden. Und nachdem der Licchavier Vimalakīrti die Lebewesen zur Entwicklung gebracht hatte, die sich damit zur Entwicklung bringen ließen, setzte der das Universum Abhirati exakt an die ursprüngliche Stelle zurück. Der Lord sagte dann zum ehrwürdigen Śāriputra, „Śāriputra, hast du das Universum Abhirati und den Tathāgata Aksobhya gesehen?“ Śāriputra erwiderte, „Ich habe es gesehen, o Lord! Mögen alle Lebewesen in der Pracht solcher Buddha Länder leben! Mögen alle Lebewesen solche magischen Kräfte wie der edle Licchavier Vimalakīrti bekommen! „Wir haben große Verdienste durch das Sehen eines solch heiligen Mannes gesammelt. Wir haben große Verdienste durch das Hören der Lehre des Dharma gesammelt, ob der Tathāgata nun gegenwärtig noch lebt oder ob er bereits in die letztendliche Befreiung eingegangen ist. Demnach ist es nicht nötig, die großen Verdienste für jene zu nennen, die, nachdem sie diese Lehre gehört haben, sie glauben, sich darauf verlassen, sie begrüßen, sich ihrer entsinnen, sie lesen und sie in ihrer Tiefe verstehen; und, nachdem sie an sie glauben, sie lehren, rezitieren, anderen zeigen, das Yoga zu dieser Lehre ausführen. „Die Lebewesen, die diese Lehre des Dharma korrekt verstehen, werden den Reichtum der Juwelen des Dharma erhalten. „Diejenigen, die diese Lehre des Dharma korrekt studieren, werden zu Gefährten des Tathāgata. Die, welche die Adepten dieser Doktrin ehren und dienen, werden zu wahren Beschützern des Dharma. Diejenigen, die diese Lehre des Dharma schreiben, lehren und verehren werden zu Hause vom Tathāgata selbst besucht. Diejenigen, die sich an dieser Lehre des Dharma erfreuen, erhalten alle Verdienste. Diejenigen, die es anderen lehren, sei es nur ein einziger Vierzeiler oder nur eine einzige zusammenfassende Phrase dieser Lehre des

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Dharma, vollbringt ein großes Dharma-Opfer. Und diejenigen, die sich diesem Dharma mit ihrer Erkenntnis, ihrem Eifer, ihrer Intelligenz, ihrer Einsicht, ihrer Vision und ihren Bestrebungen widmen, werden die Prophezeiung zukünftiger Buddhaschaft erhalten!“

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Epilog: Vorfahren und Überlieferung des heiligen Dharma Śakra der Götterprinz sagte darauf zum Buddha, „O Lord, früher habe ich schon oft vom Tathāgata und von Mañjuśrī, dem Kronprinz der Weisheit viele hunderttausend Lehren des Dharma gehört, aber ich habe noch niemals zuvor eine so bemerkenswerte Lehre des Dharma gehört, wie diese Instruktionen über den Zugang zur Methode der unvorstellbaren Transformation. O Lord, diejenigen Lebewesen, die, nachdem sie diese Lehre des Dharma gehört haben, sie akzeptieren, sich daran erinnern, sie lesen und sie in ihrer Tiefe verstehen, werden ohne Zweifel wahre Erhalter des Dharma; es ist nicht nötig, diejenigen zu erwähnen, die das Yoga dieser Lehre ausführen. Sie werden von allen Möglichkeiten des unglücklichen Lebens getrennt, werden den Weg zum heilvollen Leben bereiten, werden immer unter der Obhut der Buddhas sein, werden immer ihre unglücklichen Erscheinungsformen bewältigen und immer alle Dämonen besiegen. Sie werden den Pfad der Bodhisattvas praktizieren, werden ihren Sitz der Erleuchtung einnehmen und werden wahrlich in die Domäne der Tathāgatas eintreten. O Lord, die edlen Söhne und Töchter, die diese Exposition des Dharma lehren und praktizieren, werden von mir und meinem Gefolge geehrt und bedient. In die Dörfer, die Siedlungen, die Städte, die Länder, die Königreiche und die Hauptstädte, wo diese Lehre des Dharma anzutreffen, gelehrt und demonstriert wird, werden ich und mein Gefolge kommen, um den Dharma zu hören. Ich werde die Nichtgläubigen mit Glauben inspirieren und ich werde Hilfe und Schutz jenen garantieren, die den Dharma erhalten und daran glauben.“ Zu diesen Worten sagte der Buddha zu Śakra, dem Götterprinz, „Exzellent! Exzellent, Götterprinz! Der Tathāgata erfreut sich an deinen guten Worten. Götterprinz, die Erleuchtung der Buddhas der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft wird in diesem Diskurs zum Ausdruck gebracht. Wenn daher, Götterprinz, edle Söhne und Töchter ihn akzeptieren, wiederholen, in der Tiefe verstehen, ehren, vollständig aufschreiben und daraus ein Buch machen, dann erweisen sie den Buddhas der Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft dadurch Ehrerbietung. „Angenommen, Götterprinz, dass dieses Milliarden-Weltgalaxien Universum voll mit Tathāgatas wäre, wie es mit Zuckerrohrhainen, mit Rosenbüschen, mit Bambusdickichten, mit Kräutern und mit Blumen bedeckt ist und dass ein edler Sohn oder Tochter sie anerkennen, ehren, respektieren und bewundern würde, Ihnen für ein Äon oder mehr als ein Äon allerlei Annehmlichkeiten und Darbringungen bereiten würde. Und lass uns annehmen, dass die Tathāgatas in die letztendliche Befreiung eingehen und er oder sie Sie ehren würde, indem ihre balsamierten Körper in einem Stupa aus Edelsteinen, so groß wie eine Welt mit vier großen Kontinenten, so hoch wie die Brahmāwelt, geschmückt mit Sonnenschirmen, Bannern, Flaggen und Lampen legen würden. Und lass uns letztlich annehmen, dass nach dem Bau all dieser Stupas für die Tathāgatas er oder sie sich ein Äon oder mehr der Darbringung von Blumen, Parfümen, Bannern, Flaggen widmen würde, während Musik und Trommeln spielten. Nachdem das getan ist, was glaubst du, Götterprinz? Würde dieser edle Sohn oder diese edle Tochter durch solche Aktivitäten viele gute Verdienste ansammeln?“ Śakra antwortete, „Viele gute Verdienste, o Lord! Viele gute Verdienste, o Sugata! Würde jemand hunderttausende von Millionen von Äonen damit verbringen, die Grenze dieser gesammelten Verdienste zu ermitteln, so wäre es in dieser Zeit dennoch nicht möglich!“ Der Buddha sagte, „Habe Vertrauen, Götterprinz und verstehe dies: Jemand der diese Exposition des Dharma mit dem Namen „Instruktionen zur Unvorstellbaren Befreiung“ akzeptiert, rezitiert und es in der Tiefe versteht, er oder sie wird dadurch mehr Verdienste

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sammeln, als jemand, der die eben genannten Handlungen durchführt. Warum ist das so? Weil, Götterprinz, die Erleuchtung der Buddhas durch den Dharma entsteht und jemand ehrt Sie durch die Verehrung des Dharma und nicht durch materielle Verehrung. So ist es gelehrt, Götterprinz, und so sollst du es verstehen.“ Der Buddha sagte dann weiter zu Śakra dem Götterprinz, „Einst, Götterprinz, vor langer Zeit, vor immens vielen Äonen, zahllos, unmessbar und selbst noch davor erschien der Tathāgata Bhaisajyarāja in der Welt: ein Heiliger, perfekt und völlig Erleuchteter, unvergleichlicher Kenner der zähmungsbedürftigen Menschen, Lehrer der Götter und Menschen, ein Lord, ein Buddha. Er erschien in dem Äon mit dem Namen Vicarana im Universum Mahāvyūha. „Die Länge des Lebens dieses Tathāgata Bhaisajyarāja, dem perfekten und völlig Erleuchteten, war zwanzig kurze Äonen. Sein Gefolge der Schüler zählten sechsundvierzig Billiarden und Sein Gefolge der Bodhisattvas zählten zwölf Billiarden. In der gleichen Ära, Götterprinz, lebte ein universeller Monarch mit dem Namen König Ratnacchattra, der über die vier Kontinente regierte und die sieben edlen Juwelen besaß. Er hatte eintausend heroische Söhne, mächtig, stark und in der Lage gegnerische Armeen zu besiegen. Dieser König Ratnacchattra ehrte den Tathāgata Bhaisajyarāja und sein Gefolge mit vielen exzellenten Darbringungen während fünf kurzen Äonen. Am Ende dieser Zeit sagte der König Ratnacchattra zu seinen Söhnen, ´Während meiner Regierungszeit habe ich den Tathāgata verehrt, nun ist es an euch Ihn zu verehren.´ „Die tausend Prinzen gaben ihre Zustimmung und gehorchten ihrem König und Vater. Alle zusammen, während einer Zeit von fünf kurzen Äonen, ehrten den Tathāgata Bhaisajyarāja mit allerlei exzellenten Darbringungen. „Unter ihnen war ein Prinz mit dem Namen Candracchattra, der sich in die Einsamkeit zurückzog und sich dachte, ´Gibt es nicht eine andre Art von Verehrung, die besser und edler ist als diese?´ „Durch die übernatürlichen Kräfte des Buddha Bhaisajyarāja sprachen darauf die Götter der Himmel zu ihm: ´Guter Mann, die höchste Verehrung ist die Verehrung des Dharma.´ „Candracchattra fragte sie, ´Was genau ist diese ´Verehrung des Dharma´?´ „Die Götter antworteten, ´Guter Mann, gehe zum Tathāgata Bhaisajyarāja und befrage Ihn über die ´Verehrung des Dharma,´ Er wird es dir dann vollständig erklären.´ „Darauf ging der Prinz Candracchattra zum Lord Bhaisajyarāja, den Heiligen, den Tathāgata, den unübertroffen, perfekt Erleuchteten. Und nachdem er sich Ihm genährt hatte, verbeugte er sich zu seinen Füßen, ging drei mal rechts um Ihn herum und zog sich zu einer Seite zurück. Dann frage er, ´O Lord, ich habe von einer ´Verehrung des Dharma´ gehört, welches alle anderen Verehrungen übersteigt. Was genau ist diese ´Verehrung des Dharma´?´ „Der Tathāgata Bhaisajyarāja sagte, ´Edler Sohn, die Verehrung des Dharma ist die Verehrung bezüglich der Diskurse, die vom Tathāgata gelehrt wurden. Diese Diskurse haben eine tiefe und profunde Bedeutung. Sie gehen nicht konform mit dem Weltlichen und sind schwer zu verstehen, schwer zu begegnen und schwer zu realisieren. Sie sind subtil, fehlerfrei und letztendlich unbegreiflich. Als Schriften sind sie im Kanon der Bodhisattvas gesammelt, geprägt mit dem Abzeichen des Königs der Dhāranīs und der Lehre. Sie offenbaren das unumkehrbare Rad des Dharma, das aus den sechs Pāramitās entsteht und von den falschen

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Ansichten gesäubert ist. Sie sind mit den siebenunddreißig Erleuchtungsgliedern ausgestattet und verkörpern daher die sieben Faktoren der Erleuchtung. Sie führen Lebewesen zu großem Mitgefühl und lehren ihnen große Liebe. Sie beseitigen alle Überzeugungen der Māras und sie offenbaren Bedingtheit. „´Sie enthalten die Botschaft der Selbstlosigkeit, Lebewesen-losigkeit, Leblosigkeit, Personen-losigkeit, Leerheit, Zeichenlosigkeit, Wunschlosigkeit, Nichtausführung, Nichtproduktion und Ereignislosigkeit. „´Sie ermöglichen das Erlangen des Sitzes der Erleuchtung und setzen das Rad des Dharma in Bewegung. Sie werden von den Anführern der Götter, Nāgas, Yaksas, Gandharvas, Asuras, Garudas, Kimnaras und Mahoragas anerkannt und gepriesen. Sie erhalten ununterbrochen das Erbe des heiligen Dharma, enthalten den Schatz des Dharma und sind der Gipfel der Dharmaverehrung. Sie werden von allen heiligen Wesen aufrechterhalten und lehren alle Praktiken der Bodhisattvas. Sie führen zur unmissverständlichen Einsicht in den Dharma mit seiner letztendlichen Bedeutung. Sie bestätigen, dass alle Dinge unbeständig, elendig, selbstlos und friedlich sind und auf diese Weise umreißen sie die gesamte Dharmalehre. Sie verursachen die Abkehr von Geiz, Unsittlichkeit, Bösartigkeit, Faulheit, Vergesslichkeit, Torheit und Neid, als auch von falschen Ansichten, Anhaftung an Objekte und allen Gegensätzen. Sie werden von allen Buddhas gepriesen. Sie sind die Medizin gegen den Hang zum weltlichen Leben und sie offenbaren authentisch das große Glück der Befreiung. Solche Schriften richtig zu lehren, aufrechtzuerhalten, zu erforschen, zu verstehen und sie dann als heiligen Dharma im eigenen Leben zu praktizieren – das ist die ´Verehrung des Dharma.´ „´Weiterhin, edler Sohn, besteht die Verehrung des Dharma aus der Festlegung des Dharma in Übereinstimmung mit dem Dharma; aus der Anwendung des Dharma in Übereinstimmung mit dem Dharma; aus der eigenen Harmonie mit der Relativität; aus der Nichtbeachtung extremer Sichtweisen; aus der Erkenntnis der letztendlichen Geburtlosigkeit und Ereignislosigkeit aller Dinge; aus der Realisierung von Selbstlosigkeit und Lebewesen-losigkeit; aus der Zurückhaltung vor dem Ringen um Ursachen und Bedingungen, ohne Streit und Auseinandersetzungen; aus der Abkehr von Habgier und Egoismus; aus dem Verlass auf die Bedeutung und nicht auf den Wortlaut; aus dem Verlass auf die Erkenntnis und nicht auf das Bewusstsein; aus dem Verlass auf das Letztendliche in der letztendlichen Bedeutung und nicht aus dem Beharren auf eine oberflächliche Lehre, die in ihrer Bedeutung interpretierbar ist; aus dem Verlass auf die Wahrheit und nicht aus dem Beharren auf Meinungen von personengebundener Autorität; aus der korrekten Realisierung der Realität des Buddha; aus der Realisierung der letztendlichen Abwesenheit eines fundamentalen Bewusstseins; und aus dem Überkommen der Gewohnheit des Anhaftens an einen letztendlichen Grund. Schließlich wird Frieden durch das Stoppen von allem erlangt, angefangen bei Ignoranz bis zu hohem Alter, Tod, Sorge, Klage, Elend und Leiden und die Erkenntnis, dass Lebewesen kein Ende in ihren Sichtweisen bezüglichen den zwölf Gliedern des Abhängigen Entstehens finden; dann, edler Sohn, wenn du an keiner Sichtweise mehr festhältst, ist es die unübertroffene Verehrung des Dharma.´ „Götterprinz, als der Prinz Candracchattra diese Definition der Verehrung des Dharma vom Tathāgata Bhaisajyarāja hörte, erlangte er die Erkenntnis der letztendlichen Geburtlosigkeit; er nahm seine Robe und den Schmuck, bot sie dem Buddha Bhaisajyarāja an und sagte, ´Wenn der Tathāgata in das Parinirvāna eingegangen ist, so möchte ich das heilige Dharma verteidigen, es schützen und verehren. Möge der Tathāgata mir die übernatürliche Segnung gewähren, so dass ich imstande bin, Māra und alle Gegner zu überwinden und den heiligen Dharma des Buddha in all meinen Leben zu praktizieren!“

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„Der Tathāgata Bhaisajyarāja erkannte den hohen Entschluss von Candracchattra und prophezeite ihm, dass er in der Zukunft der Beschützer, der Wächter und der Verteidiger der Stadt des heiligen Dharma werden wird. Dann, Götterprinz, verließ der Prinz Candracchattra, aus dem Glauben zum Tathāgata das Leben im Haushalt, zog als Mönch hinaus in die Hauslosigkeit und strebte eifrig nach Tugenden. „Durch sein Streben und die etablierten Tugenden entwickelte er bald die fünf höheren Geisteskräfte, verstand die Dhāranīs und erreichte eine unübertreffliche Eloquenz. Als der Tathāgata Bhaisajyarāja in das Parinirvāna eingegangen war, drehte Candracchattra durch seine höheren Geisteskräfte und der Kenntnis der Lehre das Rad des Dharma für zehn kurze Äonen genau so, wie der Tathāgata Bhaisajyarāja es getan hatte. „Götterprinz, während der Biksu Candracchattra danach strebte den heiligen Dharma zu schützen, erreichten Tausende von Millionen von Lebewesen die Stufe der Unabänderlichkeit auf dem Pfad zur unübertroffenen, perfekten Erleuchtung, vierzehn Milliarden Lebewesen wurden im Fahrzeug der Schüler und Pratyekabuddhas diszipliniert und unzählige Lebewesen erlangten Wiedergeburt unter den Menschen und Göttern. „Vielleicht, Götterprinz, fragst du dich oder hast Zweifel, ob der ehemalige König Ratnacchattra der gegenwärtige Tathāgata Ratnārcis ist oder nicht. Du sollst nicht wähnen, denn der gegenwärtige Tathāgata Ratnārcis war zu dieser Zeit, in dieser Epoche der universelle Monarch Ratnacchattra. Und die tausend Söhne des Königs Ratnacchattra sind die eintausend Bodhisattvas dieses gegenwärtigen und glücklichen Äons, in dessen Verlauf eintausend Buddhas erscheinen werden. Unter ihnen sind Krakucchanda und die anderen bereits geboren worden und die verbleibenden werden noch geboren, von Kakutsunda bis zum Tathāgata Roca, der als letzter geboren wird. „Vielleicht, Götterprinz, fragst du dich, ob in der Zeit der Prinz Candracchattra, der den heiligen Dharma vom Tathāgata Bhaisajyarāja aufrechterhielt, ich selbst war oder nicht. Du sollst nicht wähnen, denn ich war zu dieser Zeit, in dieser Epoche der Prinz Candracchattra. So ist es wichtig zu wissen, Götterprinz, dass die Dharmaverehrung die Allerbeste ist. Ja, sie ist hervorragend, bedeutend, exzellent, perfekt, das Höchste und unübertroffen. Und darum, Götterprinz, verehre mich nicht mit materiellen Objekten, sondern verehre mich mit der Verehrung des Dharma! Honoriere mich nicht mit materiellen Objekten, sondern honoriere mich durch die Verehrung des Dharma!“ Lord Śākyamuni sagte darauf zum Bodhisattva Maitreya, dem großen spirituellen Meister, „Ich übertrage dir, Maitreya, diese unübertroffene, perfekte Erleuchtung, die ich erst nach unzählbaren Millionen von Milliarden Äonen erlangt habe, damit sich in einer späteren Zeit, in einem späteren Leben eine gleichartige Lehre des Dharma, geschützt durch deine übernatürlichen Kräfte, in der Welt verbreiten wird und nicht verschwindet. Warum? Maitreya, in der Zukunft wird es edle Söhne und Töchter, Devas, Nāgas, Yaksas, Gandharvas und Asuras geben, die, nachdem sie die Tugenden erlangt haben, ihren Geist auf das Erlangen der unübertroffenen, perfekten Erleuchtung richten werden. Wenn sie nicht diese Lehre des Dharma hören, so werden sie mit Sicherheit nicht die grenzenlosen Vorteile erlangen können und die Vorteile, die sie erlangt haben, werden langsam verfallen. Aber wenn sie eine solche Lehre hören, werden sie sich erfreuen, werden sie glauben, akzeptieren und ehren. Demnach, um die zukünftigen edlen Söhne und Töchter zu schützen, musst du eine Lehre wie diese verbreiten!

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„Maitreya, es gibt zwei Verhaltensweisen der Bodhisattvas. Welche zwei? Die erste Verhaltensweise ist an alle möglichen Phrasen und Wörter zu glauben und die zweite Verhaltensweise ist das Durchdringen zum profunden Prinzip des Dharma, ohne ängstlich zu sein. Von solcher Art sind die zwei Verhaltensweisen der Bodhisattvas. Maitreya, du musst wissen, dass die Bodhisattvas, die an alle möglichen Phrasen und Wörter glauben und sich entsprechend verhalten Anfänger sind und noch keine Erfahrung in religiöser Praxis haben. Aber die Bodhisattvas, die diese profunde Lehre mit ihren fehlerlosen Ausdrücken, dem Abgleich der Dichotomie und der Analyse der Stufe der Entwicklung lesen, hören, glauben und lehren, gehören zu den Veteranen in der religiösen Praxis. „Maitreya, es gibt zwei Gründe, warum sich der Anfänger Bodhisattva versehrt und sich nicht auf das profunde Dharma konzentriert. Welche zwei? Durch das Hören dieser profunden Lehre, die er niemals zuvor hörte, erschreckt er und ist vom Zweifel erfüllt, er erfreuet sich nicht und verwirft sie mit dem Gedanken ´woher kommt diese Lehre, die ich niemals zuvor hörte?´ Er sieht dann andere edle Söhne und Töchter, die diese Lehre akzeptieren, erhalten und lehren und er erhört sie nicht, er ist ihnen nicht behilflich, respektiert sie nicht, und ehrt sie nicht und geht eventuell so weit, sie zu kritisieren. Dieses sind die zwei Gründe, warum sich ein Anfänger Bodhisattva versehrt und nicht zum profunden Dharma durchdringt. „Es gibt zwei Gründe, warum sich der Bodhisattva versehrt, der nach dem profunden Dharma strebt und nicht die Erkenntnis der letztendlichen Geburtlosigkeit aller Dinge erlangt. Welche zwei? Diejenigen Bodhisattvas, die die Anfänger Bodhisattvas verachten und tadeln, die noch keine lange Erfahrung in der Praxis haben und sie nicht in die Lehre einführen und ihnen keine Anweisungen zum profunden Dharma geben. Ohne großen Respekt vor dieser profunden Lehre sind sie nicht umsichtig mit ihren Regeln. Sie helfen Lebewesen mit den Mitteln der materiellen Geschenke und sie helfen ihnen nicht mit den Mitteln der Geschenke des Dharma. Von dieser Art, Maitreya, sind die zwei Gründe, warum die Bodhisattvas, die nach dem profunden Dharma streben, sich versehren und nicht schnell die Erkenntnis der letztendlichen Geburtlosigkeit aller Dinge erlangen.“ Nachdem es so gelehrt wurde, sagte der Bodhisattva Maitreya zum Buddha, „O Lord, die bewundernswerten Lehren des Tathāgata sind herrlich und wahrhaft exzellent. O Lord, von diesem Zeitpunkt an will ich solche Fehler meiden und das Erlangen der unübertroffenen, perfekten Erleuchtung vom Tathāgata während zahllosen hunderttausenden Millionen von Milliarden Äonen verteidigen und erhalten! In der Zukunft werde ich den heiligen Dharma dieser profunden Lehre in die Hände von edlen Söhnen und Töchtern legen, die dessen würdig sind. Ich werde ihnen die Kraft der Erinnerung beibringen, mit der sie, nachdem sie an diese Lehre glauben, sie erhalten, sie rezitieren, sie bis in die Tiefe verstehen, sie lehren, sie verbreiten, sie niederschreiben und sie anderen umfangreich darlegen. „So will ich sie anweisen, o Lord, und so möge es kundgetan werden: In der zukünftigen Zeit werden diejenigen, die diese Lehre glauben und in ihrer Tiefe verstehen, den übernatürlichen Segen des Bodhisattva Maitreya erhalten.“ Darauf gab der Buddha dem Bodhisattva Maitreya seine Anerkennung: „Exzellent! Exzellent! Dein Versprechen ist gut gegeben! Der Tathāgata erfreut sich an deinem wohl gegebenen Versprechen.“ Alle Bodhisattvas sagten dann zusammen mit einer Stimme, „O Lord, auch wir werden, nach dem Parinirvāna des Tathāgata, aus unseren verschiedenen Buddha Ländern kommen, um

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diese Erleuchtung des perfekten Buddha weit und breit zu verkünden. Mögen alle edlen Söhne und Töchter sie glauben!“ Die vier Māhārajas, die großen Könige der vier Kontinente, sagten zum Buddha, „O Lord, in allen Dörfern, Siedlungen, Städten, Königreichen und Palästen, wo immer dieser Diskurs des Dharma praktiziert, erhalten und richtig gelehrt wird, dorthin werden wir, die vier großen Könige, mit unseren Armeen, unseren jungen Kriegern und unserem Gefolge gehen, um den Dharma zu hören. Und wir werden die Lehrer dieses Dharma innerhalb des Umfeldes von einem Yojana schützen, so dass niemand, der Arges gegen den Lehrer im Schilde führt, eine Gelegenheit haben wird, ihm Schaden zuzufügen.“ Dann sagte der Buddha zum ehrwürdigen Ānanda, „Empfange dann, Ānanda, den Wortlaut dieser Lehre des Dharma. Behalte ihn gut im Gedächtnis und lehre sie weit und breit und in der korrekten Weise anderen!“ Ānanda entgegnete, „Ich habe mir, o Lord, den Wortlaut dieser Lehre des Dharma eingeprägt. Aber was ist der Name dieser Lehre, die ich in Erinnerung behalten soll?“ Der Buddha antwortete, „Ānanda, die Exposition des Dharma wird ´Die Lehre des Vimalakīrti,´ ´der Abgleich der Dichotomie´ oder gar ´Lektion der Unvorstellbaren Befreiung´ genannt. Präge es dir so ein!“ So sprach der Buddha. Und der Licchavier Vimalakīrti, der Kronprinz Mañjuśrī, der ehrwürdige Ānanda, die Bodhisattvas, die großen Schüler, die vollständige Versammlung und das gesamte Universum mit den Göttern, Menschen, Asuras, Gandharvas waren höchst erfreut. Alle priesen die Darlegung des Buddha von ganzem Herzen.