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Dieses Material steht unter der Creative-Commons-Lizenz Namensnennung - Nicht-kommerziell - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International. Um eine Kopie dieser Lizenz zu sehen, besuchen Sie http://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/4.0/deed.de. Das Visitor-Resident Prinzip Eingereicht im Seminar Digitale Ungleichheit Sommersemester 09 Bei Dr. Stefan Iske An der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg Dan Verständig E-Mail: [email protected]

Das Visitor-Resident Prinzip - pixelspace · Das Internet mitseiner Entwicklungszeit von nun mehr rund 20 Jahren hat die Welt zu dem werden lassen, was Marshall McLuhan (1962) das

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unter gleichen Bedingungen 4.0 International. Um eine Kopie dieser Lizenz zu sehen, besuchen Sie

http://creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/4.0/deed.de.

Das Visitor-Resident Prinzip

Eingereicht im Seminar Digitale Ungleichheit Sommersemester 09

Bei Dr. Stefan Iske

An der Otto-von-Guericke-Universität Magdeburg

Dan Verständig

E-Mail: [email protected]

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Inhaltsverzeichnis

1 Einleitung .......................................................................................................................... 1

2 Leben in einer vernetzten Welt ......................................................................................... 2

3 Eine Frage der Generationen? .......................................................................................... 3

3.1 Digital Natives und Digital Immigrants ....................................................................... 4

3.2 Alternative Typisierungen? ........................................................................................ 7

3.3 Residents - Visitors statt Natives und Immigrants ..................................................... 9

4 Überlegungen zur strukturalen Medienbildung ............................................................... 13

5 Fazit und Ausblick ........................................................................................................... 19

6 Abbildungsverzeichnis .................................................................................................... 21

7 Literaturverzeichnis ......................................................................................................... 21

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1 Einleitung In diesem Essay soll das Konzept der Digital Natives und Digital Immigrants zunächst erläu-

tert und mit Blick auf den Diskurs der Generationsproblematik kritisch diskutiert werden. Die

Arbeit gliedert sich daher in drei Hauptpunkte. Als Grundlage und Ausgang für die hier dar-

gelegten Überlegungen sollen zunächst verschiedene Vorüberlegungen hinsichtlich moder-

ner Gesellschaften diskutiert werden. Hierfür werden Kernelemente einer Netzwerkgesell-

schaft, unter Berücksichtigung der Konzepte Informations- und Wissensgesellschaft disku-

tiert. Marc Prenskys Metapher der „Digital Natives“ ist mittlerweile weit verbreitet und auch

kontrovers diskutiert. So gibt es Fachleute, welche die Thesen Prenskys stützen und jene,

welche sich einer Aufnahme dieser Thesen aus verschiedenen Gründen verwehren. In ei-

nem zweiten Schritt soll demnach die Problematik unter Berücksichtigung des Generations-

diskurses behandelt werden. Ergänzend dazu werden weitere Ergebnisse und Konzepte

vorgestellt. Auf den alternativen Vorschlag, einer Typisierung von Digital Visitors und Digital

Residents, soll im Anschluss näher eingegangen werden. Da es sich dabei um einen sehr

jungen Vorschlag handelt, wird weitestgehend auf Fachvorträge, Paper und die Blogbeiträ-

ge1 zu diesem Vorschlag zurückgegriffen. Abschließend werden die zusammengetragenen

Erkenntnisse unter Berücksichtigung des Konzeptes einer strukturalen Medienbildung disku-

tiert und zusammengetragen und in einem Fazit formuliert.

1 Dabei handelt es sich um das offizielle Blog der Fakultät für Weiterbildung „Technology-Assisted Lifelong Learning“ an der Universität von Oxford. Die URL des Blogs lautet http://tallblog.conted.ox.ac.uk/

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2 Leben in einer vernetzten Welt Das Internet mit seiner Entwicklungszeit von nun mehr rund 20 Jahren hat die Welt zu dem

werden lassen, was Marshall McLuhan (1962) das globale Dorf nannte. Die jüngere Entwick-

lung der Gesellschaft hat mehrere Vorstellungen, Erklärungsansätze und Definitionen mit

sich gebracht. Begriffe wie „Informationsgesellschaft“, „Mediengesellschaft“, „Kompetenzge-

sellschaft“ aber auch „Wissensgesellschaft“ haben sich ebenso etabliert wie der Begriff einer

„Netzwerkgesellschaft“. Die Problemlage ergibt sich automatisch aus der unterschiedlichen

Begriffsherkunft, denn wie bereits angedeutet, entstammen diese Begrifflichkeiten aus unter-

schiedlichen Fachdisziplinen. Ohne jetzt dezidiert auf den Diskurs um die verschiedenen

Begriffe einzugehen (vgl. hierzu Schelske 2007), soll festgehalten werden, dass Wissen nicht

automatisch mit Informationen gleichzusetzen ist. „Aus Informationen wird Wissen dann,

wenn sie von Menschen aufgenommen, in Zusammenhänge (Kontexte) eingeordnet, bewer-

tet und auf zu lösende Probleme bezogen werden.“ (Jörissen/ Marotzki 2009, S. 28) Hierbei

wird auf den Begriff der Wissensgesellschaft abgezielt. Infolgedessen wird konstatiert, dass

Wissen im Grunde situierte Informationen sind. „Mit dem Begriff Wissensgesellschaft wird

kenntlich gemacht, dass Informationen die Informationen von jemandem sind und dass diese

Informationen eine Bedeutung haben.“ (de Haan / Poltermann 2002,S.8)

Der spanische Soziologe Manuel Castells (2003) etabliert mit Blick auf die sozialen Folgen

der neuen Informationstechnologien den Begriff einer Netzwerkgesellschaft. Im Mittelpunkt

dabei steht die zunehmende technische, soziale und geographische Vernetzung, welche

zudem ein wesentlicher Indikator für das Zeitalter der Globalisierung darstellt. „[…] Es läßt

sich als historische Tendenz festhalten, dass die herrschenden Funktionen und Prozesse im

Informationszeitalter zunehmend in Netzwerken organisiert sind.“ (Castells 2003, S.527)

Charakteristisch dafür sind Faktoren wie die steigende Flexibilisierung, aber auch eine ein-

hergehende Dezentralisierung von Machtverhältnissen. Ein Netzwerk, deren Knoten über

Information, Kapital und Macht beschrieben werden können, stellt eine mögliche abstrahie-

rende Abbildung moderner Gesellschaften dar. „Netzwerke bilden die neue soziale Morpho-

logie unserer Gesellschaften, und die Verbreitung der Vernetzungslogik verändert die Funk-

tionsweise und die Ergebnisse von Prozessen der Produktion, Erfahrung, Macht und Kultur

wesentlich.“ (ebd.).

Sowohl die kulturelle Erfahrung als auch der Sozialstatus formen eine Netzwerkgesellschaft

ebenso wie politische Organisationen. Zu berücksichtigen gilt jedoch die Tatsache, dass aus

einer Netzwerkstruktur ein hohes Maß an Komplexität hervorgehen kann. Im konkreten Fall

heißt das, eine Berücksichtigung von technischen Bedingungen und deren Einflüsse auf die

Umwelt. Besonders mit Blick auf das Konzept der Informationsgesellschaft werden hier Ähn-

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lichkeiten deutlich. Nach van Dijk ist das Konzept der Netzwerkgesellschaft jedoch eher als

eine Ergänzung als vielmehr ein Synonym anzusehen, denn während es bei der Informati-

onsgesellschaft um die sich ändernde Kommunikation, beeinflusst durch die neuen Techno-

logien, handelt, fokussiert das Konzept der Netzwerkgesellschaft die organisatorischen For-

men und Infrastrukturen moderner Gesellschaften (vgl. van Dijk 2006, S.146f). Diese sind

zwar geprägt von einer Relativierung der Hierarchien, jedoch impliziert dies kein Verschwin-

den selbiger, es handelt sich dabei vielmehr um eine Flexibilisierung verbunden mit einer

hohen Mobilität von Rollen und Positionen. Ein weiteres Merkmal wird über den Machtaspekt

identifiziert, wobei es weniger um direkte und disziplinierende Machtausübung geht. Dem

gegenüber steht die „Kunst nicht derart regiert zu werden“ (Foucault 1992, S.12). Aufgrund

dieser Flexibilisierungsprozesse gelingt es die Muster der Macht innerhalb einer Netzwerk-

gesellschaft zu transformieren.

3 Eine Frage der Generationen? Es gibt nunmehr viele Bezeichnungen für die junge Generation. Begriffe wie Net Geners,

Millenials, Instant Message Generation, Generation@, Net Generation oder auch Digital Na-

tives haben sich im Laufe der letzten Jahre entwickelt und spiegeln ein diffuses Bild von

Theorien unterschiedlicher Fachdisziplinen wieder.

Der Diskurs über eine Net Generation bringt auch Forderungen zur Anpassung des Bil-

dungssystems mit sich. Die zukünftigen Studierenden sind anders, und zwar grundlegend

anders, so dass neue Konzepte für die Lehre benötigt werden. So konstatiert Prensky 2001

beispielsweise: „Our students have changed radically. Today’s students are no longer the

people our educational system was designed to teach.” (Prensky 2001a, S.1)

Und auch wenn diese Kritik am Bildungssystem von Prensky auf ein großes Echo und viel

Diskussionen stieß, ist sie nicht neu, denn schon 1997 übte Don Tapscott Kritik an den Er-

ziehungssystemen der Industriestaaten. „There is growing appreciation that the old approach

is ill-suited to the intellectual, social, motivational, and emotional needs of the new genera-

tion.” (Tapscott 1997, S.180ff) Tapscott krisitert dabei vor allem den fundamental verankerten

Frontalunterricht sowie den Behaviourismus (vgl. ebd.). Diese Kritik wiederholt er einige Jah-

re später und präzisiert hierbei seinen Standpunkt. So beschreibt Don Tapscott (2008) die

Net Generation in seinem Buch „Grown up digital“ als die Generation, welche als erste

selbstverständlich mit digitaler Technologie von klein an aufwächst. Net Geners, wie

Tapscott diese Generation nennt, setzen einen kontinuierlichen sowie konstanten Zugang zu

neuen Technologien wie dem Computer und dem Internet voraus. Zudem sind sie selbst

untereinander über Soziale Netzwerke und andere technologische Plattformen miteinander

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verbunden. Diese Faktoren haben das Verhalten der Generation an sich geändert und ge-

prägt (vgl. S.20f). Er führt zudem Charakteristika der Net Generation, wie u.a. die Freiheit

wählen zu können, ein natürliches Verständnis von Kollaboration und das Verlangen nach

Unterhaltung, an (vgl. ebd. S. 34f). Wenngleich seine Eigenschaften einer Net Generation

Raum für Diskussion lassen, soll hierbei jedoch nicht näher darauf eingegangen werden. Im

Zuge des Diskurses wird von verschiedenen Seiten, so unter anderem von Norm Friesen,

angemerkt, dass diese Forderungen rund um die Net Generation voreilig und bei genauerer

Untersuchung nicht haltbar seien:

„But these claims are all too frequently invoked without being subject to any kind of

questioning or scrutiny, and often with little explicit supporting evidence. Closer investi-

gation reveals the phenomena behind these claims to be much less self-evident, and

much more controversial and complex than one would initially be led to believe.“ (Frie-

sen 2006, http://ipseity.blogsome.com/2006/08/14/)

Im Folgenden sollen Thesen des Pädagogen Marc Prenskys genauer diskutiert werden und

mit Blick auf die Kritik der Versuch gemacht werden, eine alternative Perspektive aufzuzei-

gen.

3.1 Digital Natives und Digital Immigrants Nach Prensky sind Digital Natives Personen, welche zu einer Zeit aufgewachsen sind, in der

bereits digitale Technologien wie Computer, das Internet und Handys verfügbar waren. Als

Antonym etabliert Prensky die Digital Immigrants, welche Digitale Technologien erst als Er-

wachsene kennengelernt haben.

Als Ursprung dieser Begrifflichkeiten kann der Artikel Digital Natives, Digital Immigrants, wel-

cher im Oktober 2001 in der Zeitschrift On the Horizon publiziert wurde, angesehen werden.

In diesem Artikel konstatiert Prensky einen fundamentalen Wandel der Gesellschaft, welcher

bedingt durch Medientechnologien nicht kontinuierlich, sondern plötzlich stattgefunden habe.

“A really big discontinuity has taken place. One might even call it a ‘singularity’ – an

event which changes things so fundamentally that there is absolutely no going back.

This so-called ‘singularity‘ is the arrival and rapid dissemination of digital technology in

the last decades of the 20th century.” (Prensky 2001a, S.1)

Prensky greift dabei auf interdisziplinäre Forschungsergebnisse zurück, um seine These der

Singularität zu untermauern und argumentativ zu stützen. Neben der Kulturwissenschaft und

Linguistik stützt er seine Thesen in einem zweiten Aufsatz, welcher im Dezember 2001 mit

dem Titel “Do they really think different?” erschienen ist, mit empirischen Ergebnissen aus

der Neurobiologie. Die Generation der Digital Natives, jene, welche die Digitale Sprache wie

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ihre Muttersprache sprechen, sind aufgrund plastischer Entwicklungen des Gehirns bislang

einzigartig (vgl. Prensky 2001b). Prensky, ein ausgebildeter Pädagoge und aktiver Manager,

greift bei seiner Argumentation mehrfach Lernsituationen von Schülern auf und verdeutlicht

daran seine These, welche auf generationsspezifische Unterschiede zurückzuführen ist. Sei-

ne Kritik richtet sich dabei gegen formale Ausbildungsprozesse aber auch gegen traditionale

Denkmuster und mangelnde Perspektivübernahme:

“Digital Immigrants don’t believe their students can learn successfully while watching

TV or listening to music, because they (the Immigrants) can’t. Of course not – they

didn’t practice this skill constantly for all of their formative years. Digital Immigrants

think learning can’t (or shouldn’t) be fun. Why should they – they didn’t spend their

formative years learning with Sesame Street.” (Prensky 2001a, S.3)

Er sieht dies als ein ernst zunehmendes Problem an und verdeutlicht seinen Standpunkt an-

hand einer linguistischen Metapher, in der er davon spricht, dass heutige Lehrer eine veralte-

te Sprache sprechen:

“It’s very serious, because the single biggest problem facing education today is that our

Digital Immigrant instructors, who speak an outdated language (that of the pre-digital

age), are struggling to teach a population that speaks an entirely new language.”

(Prensky 2001a, S.3)

Bei seiner Argumentation bezieht er konsequenterweise auch Computerspiele als ein be-

sonderes interaktives Medium ein. Nicht verwunderlich, denn Prensky gilt zudem als Vertre-

ter des „Game Based Learning“ Ansatzes (vgl. Prensky 2001c). Im deutschen Raum gilt ins-

besondere Schulmeister (2008) als ein Kritiker der von Prensky dargestellten Theorien. Sei-

ne Kritik richtig sich einerseits gegen das methodische Vorgehen, denn die interdisziplinären

Ergebnisse führen zu einer hohen Undurchsichtigkeit. Zudem scheint die prägnante und

scharf formulierte Rhetorik einen populistischen Eindruck zu vermitteln. Ferner beruhen alle

Erkenntnisse Prenskys auf qualitativen Aussagen, es fehlen ihm, so Schulmeister, empirisch

oder systematisch gewonnene Daten (vgl. Schulmeister 2008, S.21).

Die Diskussion, welche sich um diese Thesen entwickelt hat, kann überspitzt so dargestellt

werden: Es würde junge Nutzer geben, welche mit Digitalen Technologien umgehen können

und alte Nutzer, welche es nativ nicht können und es zunächst erlernen müssen, es aber nie

so gut können werden, wie die nativen Nutzer. Unter Berücksichtigung der Kernthese, wie

sie von Prensky verfasst wurde, entwickelte diese Diskussion scheinbar eine sehr eigen-

ständige Dynamik. Grundlegend werden jedoch Probleme angesprochen, welche tatsächlich

auch diverse wissenschaftliche Bereiche gleichermaßen vor neue Herausforderungen stellt

wie auch schulische Institutionen selbst. Er beschreibt im Grunde eine Kluft zwischen Schü-

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ler und Lehrer, welche aneinander vorbeisprechen oder gar unterschiedliche Sprachen spre-

chen. Prensky wählt bei der Darstellung seines Szenarios eine Dichotomie zwischen veralte-

ten Inhalten und neuen Inhalten der Zukunft:

“‘Legacy’ content includes reading, writing, arithmetic, logical thinking, understanding

the writings and ideas of the past, etc – all of our ‘traditional’ curriculum. It is of course

still important, but it is from a different era. Some of it (such as logical thinking) will con-

tinue to be important, but some (perhaps like Euclidean geometry) will become less so,

as did Latin and Greek. ‘Future’ content is to a large extent, not surprisingly, digital and

technological. But while it includes software, hardware, robotics, nanotechnology, ge-

nomics, etc. it also includes the ethics, politics, sociology, languages and other things

that go with them.” (Prensky 2001a, S.4)

Hierbei merkt Schulmeister kritisch an, dass sich diese Dichotomie zwischen “legacy con-

tent” und “future content” jeglicher wissenschaftlicher Grundlage entbehrt (vgl. Schulmeister

2008, S.19). Dabei kritisiert er zunächst die Verwendung des Begriffs „legacy“ und betrach-

tet ihn in seiner reinen Übersetzung als „Vermächtnis“. Doch folgt man der Argumentation

Prenskys genauer, dann stellt man fest, dass er diesen Begriff aus der Informationstechnik

entlehnt. Dies führt er gleich zu Beginn seiner Thesen an: „It seems to me that after the digi-

tal ‘singularity’ there are now two kinds of content: ‘Legacy’ content (to borrow the computer

term for old systems) and ‘Future’ content.” (vgl. Prensky 2001a, S.4). Das heißt also, dass

es sich bei dem besagten „legacy content“, mit Blick auf die Computer- und Informations-

technologien, um ältere Datenbestände handelt, die möglicherweise nicht mehr problemlos

genutzt werden können, weil neue Programme, ein neues Betriebssystem oder ein neues

Computersystem eingeführt wurden.

Ferner stört sich Schulmeister an der Bezeichnung „content“, denn es gehe hierbei doch um

„kodifiziertes Wissen“ (Schulmeister 2008, S.19). Prensky spricht dabei vom Schreiben, logi-

schen Denken und dem mathematischen Verständnis im Allgemeinen. Die Kritik Schulmeis-

ters richtet sich also vornehmlich gegen das Verständnis Prenskys vom Wissen. Doch be-

trachtet man dieses Verständnis unter Berücksichtigung neuer Webdienste, wie Youtube,

Google Maps aber auch Flickr, stellt man schnell fest, dass die besagten Inhalte sich längst

nicht mehr nur über klassische Medienformate erstrecken, sondern neu interpretiert werden.

Youtube stellt dabei ein besonders prägnantes Beispiel für die teilnehmende Kultur und die

Konvergenz der verschiedenen Medien dar (vgl. Jenkins 2008). Neue Artikulationsräume,

wie Youtube, ermöglichen nicht nur das unterschiedliche Verarbeiten von Informationen,

sondern eröffnen ganz neue Spielräume zur Interpretation und Reproduktion. Der Prozess

der Informationsbeschaffung hat sich jedoch grundlegend, wenngleich nicht ad-hoc, verän-

dert und vermutlich würde man sich heute schwer tun, wenn man Informationen aus einer 5

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¼-Zoll-Diskette auslesen möchte. Die Argumentation Prenskys legt es nahe, weniger nur von

kodifiziertem Wissen zu sprechen, sondern vielmehr von den Prozessen der Informations-

genese und Vermittlung ganz allgemein. Das bedeutet konkret die Förderung konstruktivisti-

scher Methoden. Mit neuen Technologien entstehen neue Arbeitsmuster. Mark Warschauer

verdeutlicht dies an einem sehr schönen Beispiel, indem er die Wissensproduktion heute mit

der Zeit vor der Verfügbarkeit des Internet vergleicht. Während man heute auf viele Quellen

im Netz zurückgreifen kann, hat der Student damals noch sehr viele Bücher aus den Biblio-

theken zusammentragen müssen. Die Bücher in den Bibliotheken wurden dabei doppelt ge-

prüft, einmal durch die Bibliothek selbst aber auch schon durch die Verlage (vgl. Warschauer

2003, S.114). Die Optionalität ebenso wie das Risiko einer mangelnden kritischen Reflexion

sind somit gestiegen. Dies hat natürlich auch zur Folge, dass der Student für die Validität

gewählten Quellen eine hohe Eigenverantwortung hat. „Today, a student who relies at least

in part on information collected from the Internet has a much greater personal responsibility

to critically evaluate sources because of the unevenness of quality and reliability of texts

found there.” (ebd.).

3.2 Alternative Typisierungen? Im Zuge des Generationsdiskurses wurden auch diverse empirische Studien durchgeführt,

um eine möglichst präzise differenzierte Erklärung des zuvor diskutierten Phänomens zu

finden. Die komplexe und vielschichtige Mediennutzung lässt Raum für weitere Differenzie-

rungen, wie sie beispielsweise bei der „MedienNutzerTypologie“, auf wissenschaftlicher Ba-

sis im Rahmen einer Langzeitstudie von ZDF und ARD entwickelt wurden. Eine Nutzertypo-

logisierung unter Berücksichtigung neuer Web-Technologien sieht dabei wie folgt aus:

Abbildung 1 Nutzertypologie der ARD und ZDF Langzeitstudie

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(vgl. Schulmeister 2008, S.38; Oehmichen, media perspektiven 5/2007, S. 226ff; Hartmann &

Höhne, media perpektiven 5/2007, S. 235ff)

Die hier vorgestellte Langzeitstudie von ZDF und ARD verstärkt den Eindruck, dass das

Hauptkriterium für die Unterscheidung offenbar das Alter ist:

Abbildung 2 Quelle: MNT-Justierungsstudie 2006

“Die Diagonale der Häufigkeiten in der Tabelle zeigt, dass diese Typologie anscheinend die

nach Alter unterschiedliche Einstellung zu den Medien erfasst hat.” (Schulmeister 2008,

S.38) Zu beachten gilt jedoch, dass es sich bei der Erhebung um einen Zeitschnitt handelt,

vor dem die älteren Personen ganz andere Lebenserfahrungen und Einstellungen entwickelt

haben als jüngere Personen, welche in die digitalen Technologien herein geboren wurden

und damit von klein auf sozialisiert wurden (vgl. ebd.). Infolge dessen ist es also nicht ver-

wunderlich, dass die Einstellungen sich mit Blick auf die unterschiedlichen Jahrgänge verän-

dern. Dieser Punkt verstärkt eine recht basale Vermutung, nämlich die These, dass sich das

individuelle Nutzerverhalten im Laufe der Zeit verändern kann.

Zudem sollte angemerkt sein, dass das Erkenntnisinteresse nicht außer Acht gelassen wer-

den darf, denn bei der ZDF und ARD Langzeitstudie geht es vor allem darum, wie die Pro-

grammplanung auf die Zielgruppen angepasst und optimiert werden kann. Die Typologie

abstrahiert jedoch bereits ein umfangreiches Nutzungsverhalten und impliziert somit auch die

Frage, wie bestimmte Technologien genutzt werden. Betrachtet man die Untersuchungen

also mit Blick auf die Entwicklung der Medientechnologien, scheint sich ein wiederholender

Zyklus zu ergeben. Wichtig dabei scheint jedoch die Geschwindigkeit mit welcher sich die

Technologien entwickeln zu berücksichtigen. Die Generationsproblematik wird somit

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zwangsläufig relativiert, da die Intervalle neuer Technologien und Dienste kürzer werden. Ein

Indiz dafür ist zudem die hier vorgenommene und notwendige Neujustierung dieser Typolo-

gie.

3.3 Residents - Visitors statt Natives und Immigrants Die Typisierung in Residents (Ansässige) und Visitors (Besucher) geht auf das ISTHMUS

Projekt zurück, welches von der Arbeitsgruppe der Technology-Assisted Lifelong Learning

an der Universität Oxford, England durchgeführt wurde. Ziel des Projektes war es, die Ent-

wicklung sozialer Medientechnologien unter Berücksichtigung von institutionellen Lehrange-

boten zu berücksichtigen. Dabei geht es in erster Linie nicht darum, welche Technologien

genutzt werden, sondern wie sie genutzt werden (vgl. White 2008).

Im Rahmen des Projektes entstand der Vorschlag eine alternative Nutzerkategorisierung

anhand des Onlineverhaltens unter Berücksichtigung der sozialen Einflüsse vorzunehmen.

David White, Senior Manager im Bereich Entwicklung der TALL-Gruppe, stellte das Konzept

auf der Association for Learning Technology Konferenz im September 2009 an der Universi-

tät in Manchester, England vor.

Der Nutzertyp Resident (der Ansässige) verbringt einen gewissen Teil seines Lebens Online.

Das Internet, insbesondere das World Wide Web, dient dabei als unterstützendes Element

und Werkzeug, um das Leben zu strukturieren. Die Identität der aktuellen Welt besteht somit

auch zu einem gewissen Anteil aus der projektiven Identität des Netzes. Bei Ansässigen

handelt es sich um Nutzer, so White, welche eine etablierte Persona haben und diese re-

gelmäßig pflegen (vgl. White 2008, 2009).

Demnach nimmt das Internet einen wesentlichen Bestandteil im Leben dieser Personen ein.

Die Residents nutzen das Netz in vielen Lebenslagen, nicht nur zu professionellen berufli-

chen Zwecken, sondern ebenfalls zur Entspannung, Informationsverteilung und Freizeitge-

staltung. Ausgehend von einer grundlegend optimistischen Haltung kann bei den Residents

eine andere Vernetzungsstruktur erwartet werden als bei den Visitors. Aufgrund der globalen

Möglichkeiten, welche das Internet bietet, ergeben sich globale Kontaktmöglichkeiten, wel-

che von den Residents eher wahrgenommen werden als es bei den Visitors der Fall sein

könnte.

Der zweite Typ, welcher von White klassifiziert wird, ist der so genannte Visitor. Die Visitor

nutzen das Internet genau dann, wenn es die Notwendigkeit erfordert. Besucher haben meist

ein Ziel vor Augen oder eine Aufgabe zu bewältigen, demzufolge sind sie sehr fokussiert bei

ihrer Arbeit beziehungsweise Erfüllung dieser Aufgabe. Nach Whites Klassifizierung sind die

Besucher auch eher skeptisch bei der Nutzung von Diensten, welche eine Online-Identität

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ermöglichen. Anders als die Ansässigen existiert kein ausgeprägtes Bedürfnis an der aktiven

Teilnahme von sozialen Geschehnissen im Netz, wie die Gemeinschaftsbildung in Virtuellen

Communities oder ähnlichem.

Hieraus ergibt sich auch die grundlegende Unterscheidung beider Nutzertypen. Während der

Ansässige eine permanente Onlinepräsenz besitzt, nutzt der Besucher das Netz nur, um

eben die benötigte Aufgabe zu erfüllen. Nach White ist die konstante Entwicklung der Per-

sona ein maßgebliches Kriterium zur Unterscheidung zwischen Visitor und Resident (vgl.

White 2008).

Jedoch geht das Konzept der Residents und Visitors einen Schritt weiter und kann somit als

Ergänzung zum Modell der Natives und Immigrants gesehen werden. Betrachtet man die

Unterscheidung der Natives und Immigrants, so ist eine relativ deutliche Grenzziehung mög-

lich. Wie Prensky beschreibt, sind die Immigrants die erste Generation, welche vom frühen

Kindesalter an mit den neuen Medientechnologien des digitalen Zeitalters aufgewachsenen

sind. Computer- und Videospiele, Handys aber auch das Internet sind, so Prensky, integrale

Bestandteile ihres Lebens und sie wurden schon früh damit sozialisiert (vgl. Prensky 2001a,

S.2). Eine grobe Eingrenzung könnte also die Relation der Geburtsjahre in Verbindung mit

der Einführung des Internet gemacht werden. Das Modell der Visitors und Residents hinge-

gen fokussiert allein das Nutzerverhalten und die daran geknüpften Elemente. So kann ein

Resident auch in das Muster der Digital Immigrants passen, da er im Alter von über 50 Jah-

ren sehr aktiv am Netzleben teilnimmt. Auf der anderen Seite können somit auch Jugendli-

che erfasst werden, welche das Netz aufgrund unterschiedlicher Begebenheiten nur spora-

disch nutzen. Im Gegensatz zum Modell der Natives und Immigrants bildet diese Typisierung

somit ein mögliches Fundament für weitere Distinktionen. Es handelt sich also nicht um eine

bipolare Unterscheidung, sondern vielmehr um ein Spektrum, bei welchem die Besucher und

Ansässigen die beiden Extreme darstellen.

Eine Teilung entsteht jedoch durch die Werte, welche die Residents den Sozialen Netzwer-

ken aber auch Sozialen Diensten ganz allgemein zuschreiben und die Visitors nicht. Das

Konzept der Residents und Visitors soll jedoch kein Ersatz für das von Prensky 2001 formu-

lierte Modell der Natives und Immigrants sein. Vielmehr kann man es als eine Ergänzung

ansehen, welche die Diskussion in eine neue Richtung lenken und zudem auch die

Schwachpunkte, wie die vermeintliche Generationsfokussierung berücksichtigen könnte. Der

im Netz Ansässige verfügt über ein gewisses Maß an Erfahrung im Umgang mit Webdiens-

ten wie zum Beispiel Youtube oder Flickr, zudem ist er auch im Umgang mit Sozialen Netz-

werken vertraut. Dies lässt darauf schließen, dass das Nutzungsverhalten ausdifferenziert

ist. Die Frage, ab wann die Stufe einer autonomen Weiterentwicklung der Fähigkeiten, bei-

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spielsweise die geschickte Formulierung von Suchmustern oder eine optimierte Strukturie-

rung des Informationsflusses, welche wiederum zur besseren Orientierung beitragen könnte,

wird dabei nicht beantwortet. Hierbei spielt auch der sozioökonomische Status eine wesentli-

che Rolle. Die Sozialforscherin danah boyd vom Berkman Center for Internet and Society hat

2008 im Rahmen ihrer Dissertation aufgezeigt, dass allein die Auswahl des Sozialen Netz-

werkes aufgrund des sozioökonomischen Hintergrundes stattfindet. Während Facebook wei-

testgehend von Jugendlichen aus stabilen sozialen Verhältnissen genutzt wird, welche auf

ein College gehen oder vorhaben eines zu besuchen, scheint Myspace dagegen die Wahl

jugendlicher Musikinteressierter dunkler Hautfarbe zu sein, welche keine Ambitionen haben,

auf ein College zu gehen (vgl. boyd 2008). Begründen lässt sich diese Tatsache wohl auch

mit dem College-zentrierten Fokus, unter welchem die Gründer Facebook eröffneten (vgl.

Doughtery 2010).

Residents und Visitors haben jedoch eins gemeinsam: Für beide Nutzergruppen scheint die

Software oder Hardware hinter einer Webanwendung von zweitrangiger Bedeutung. Es be-

steht meist kein stärkeres Interesse daran, die technischen Gegebenheiten zu ergründen.

Dies ist heutzutage auch gar nicht mehr notwendig, da es mittlerweile eine Vielzahl von

Werkzeugen für die grundlegenden Kommunikationsmechanismen gibt. Die Nutzer müssen

also nicht erst eine eigene Kommentarfunktion in PHP programmieren, um mit anderen über

ein Thema zu diskutieren. Stattdessen kann man über einfache Webanwendungen seinen

eigenes Blog erstellen, ein Soziales Netzwerk als Diskussionsplattform nehmen oder inner-

halb von 5 Minuten einen eigenen Wordpress Blog eröffnen.2 Dies stellt das zuvor von

Prensky skizzierte Bild der technologieaffinen Nutzer zur Disposition, denn offenbar spielen

die Technologien und ihre Funktionsweisen eine untergeordnete Rolle.

Die Visitor - Resident Unterscheidung erscheint nach White dann als sinnvoll, wenn es bei-

spielsweise um die Wahl der begleitenden Werkzeuge in einem Seminar geht. Handelt es

sich bei den Seminarteilnehmern vorrangig um den Typ Resident, könnte sich eine Weiter-

führung der Seminarinhalte in Online-Gruppen und zusätzliche Angebote zum Knüpfen neu-

er Kontakte als produktiv erweisen. Hierbei spielt weitestgehend die Akzeptanz der einge-

setzten Software eine wesentliche Rolle.

2 Das System erfordert lediglich einige Grundkenntnisse zur Verwaltung des Webspaces sowie ein FTP-Programm und eine MySQL Datenbank. Mithilfe einer Installationsroutine werden alle nötigen Einstellungen per Skript vorgenommen. Auch regelmäßige Updates werden weitestgehend automati-siert.

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White beschreibt dies in einem Beispiel, bei dem eine Diskussionsgruppe auf dem Sozialen

Netzwerk Facebook eröffnet wurde.

“We offered membership of a facebook group to our students as they left their online

courses. The majority signed-up without question as they wanted to stay in touch with

fellow students and continue discussions. The remainder saw the group as pointless

and a possible invasion of privacy. Both sides of this argument are correct… It’s a

question of approach and motivation, hence Visitors and Residents.” (White 2008,

http://tallblog.conted.ox.ac.uk/index.php/2008/07/23/not-natives-immigrants-but-

visitors-residents/)

Ungeklärt bleibt hierbei die Frage, inwiefern es eine Diskrepanz zwischen den aktiven Nut-

zern und den Kritikern, also den passiven Nutzern in diesem Falle, gab und welche Auswir-

kungen dies auf die Seminargestaltung hatte.

Zwar kann die Berücksichtigung der Nutzertypen deutliche Auswirkungen auf die Seminar-

gestaltung haben, jedoch ist es einerseits schwer eine Typisierung im Vorfeld vorzunehmen

und andererseits handelt es sich auch immer um eine Gruppe aus verschiedenen Individuen.

Die Frage hierbei wäre dann, wie man welche Werkzeuge (Wikis, Blogsysteme, Diskussi-

onsgruppen) einsetzt, um ein optimales Ergebnis zu erzielen. Ein optimales Ergebnis bedeu-

tet dabei ein hohes Maß an Zugänglichkeit und somit eine produktive und angenehme Ar-

beitsumgebung für die Teilnehmer zu schaffen. Eine hohe Akzeptanz gegenüber neuen

Technologien kann dabei eher zu positiven Erfahrungen führen und zudem auch kleinere

Hürden bei der Gestaltung überwinden. Festzuhalten bleibt jedoch, dass trotz der Möglich-

keiten und Werkzeuge nicht allein die Technologien die Ausbildung verändern. Mit Blick auf

eine mögliche Seminargestaltung scheint es also zunächst als sinnvoll, gegebene Potenziale

zu erkennen und die Technologien ergänzend einzusetzen. Im besten Falle verstärken sie

Prozesse, die bereits begonnen haben (vgl. Warschauer 2003, S.134).

Dieses Modell fokussiert sehr stark die Motivationsgründe zur Nutzung und Partizipation.

Dabei wird die Frage der persönlichen Kompetenz ganz klar relativiert. Welche Möglichkeiten

man im Web nutzt sowie die Frage, ob man in der Lage ist, relevante Informationen zu fin-

den und zu verarbeiten wird dabei zunächst vernachlässigt, könnte aber unter Berücksichti-

gung des Frameworks, wie es der Niederländer Jan van Dijk (2006) entwickelt hat, durchaus

begünstigend wirken, wenn man Kernprobleme hinsichtlich der Nutzung identifizieren möch-

te. Gelten beide Typen, Resident und Visitor, als polare Extreme, so fallen natürlich jene aus

dem Raster, welche nicht in der Lage sind das Netz für ihre Zwecke zu nutzen und schon

grundlegende Zugangsprobleme haben. Dies führt zu einem weiteren Punkt. Denn unter

Berücksichtigung einer Digitalen Ungleichheit könnte eine Kluft zwischen jenen entstehen,

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die das Internet nur sporadisch und wenig zweckorientiert nutzen und jenen, die das Internet

gezielt für ihre Zwecke einsetzen, erfolgreich Informationen suchen und zugleich auch selbst

Inhalte publizieren (vgl. Hargittai 2008, Gehrke 2004).

4 Überlegungen zur strukturalen Medienbildung Ein wesentlicher Aspekt ist dabei die Frage des Lernens und der Bildung mit Blick auf das

eigene Selbstbild. Das zuvor skizzierte Beispiel der Facebook-Gruppe zeigte, dass für einige

Nutzer das Lernen ein privater Prozess zwischen Dozent, Büchern und einem selbst ist. So-

ziale Dienste wie Facebook passen dabei nicht in das Schema und führen bei diesen Nutzer-

typen zu Irritationen. Die Nutzung dieser neuen Technologien, wie beispielsweise die Schaf-

fung einer Diskussionsgruppe auf Facebook oder die kollaborative Arbeit an einem Wiki, im-

plizieren zunächst den Eintritt in einen unbestimmten Raum, neue habituelle Verhaltenswei-

sen werden entwickelt, neue Arbeitsschritte müssen zunächst erlernt werden. Eine optimale

Umgebung wäre eine im höchsten Maße intuitive technologische Umgebung, so dass die

Nutzung des Dienstes nicht als fremdartig, sondern als erwünscht wahrgenommen wird.

Bei dem zuvor zitierten Beispiel der Facebook-Gruppe wird ein weiterer Punkt deutlich, näm-

lich das Verschwimmen der Grenzen von Privatsphäre und, in diesem konkreten Fall, der

Studienaktivitäten. Während die Etablierung einer Diskussionsgruppe von einigen positiv

aufgenommen wurde, empfand ein anderer Teil der Seminargruppe dies als möglichen Ein-

griff in die Privatsphäre. Es zeigt sich, dass das Verständnis von Privatsphäre im Zuge einer

Netzwerkgesellschaft scheinbar einer Transformation unterliegen kann.

Die technische Infrastruktur ermöglicht kurze Rückkopplungskanäle und Feedbackmöglich-

keiten. Nicht zuletzt deswegen stellen Webdienste wie Twitter, Kundenrezensionen, Preis-

vergleichsportale, aber auch Soziale Netzwerke wie Facebook eine besonders effiziente Me-

thode zur Kundenbindung und Marktforschung für die Marktkommunikation dar. Eine Reakti-

on seitens der Werbetreibenden ist auch unabdingbar, denn gerade die Netznutzer stellen

meist keine homogene Zielgruppe dar. Es fällt also schwer, sie über die klassischen Werbe-

kanäle zu erreichen. Die Nutzer profitieren auf der anderen Seite von der Möglichkeit zur

Partizipation. In Sozialen Netzwerken werden Informationen über Produkte und Ereignisse

geteilt und ausgehend von den Freunden und Kontakten her bewertet. Machtverhältnisse

verschieben sich dahingehend, dass die Stimme der Individuen in verschiedensten Formen

gebündelt werden kann und Hierarchien abflachen. Aufgrund dieser Relativierungsprozesse

entsteht jedoch auch, nicht zuletzt aufgrund der technischen Beschaffenheit, ein hohes Maß

an Komplexität. Um Orientierung zu ermöglichen, müssen Mechanismen etabliert werden,

um diese Komplexität zu reduzieren. Virtuelle Gemeinschaften, Soziale Netzwerke aber auch

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institutionalisierte Ratgebersysteme und Rezensionsplattformen dienen dabei der Orientie-

rung und schaffen Sicherheiten für die Handlungsräume der Nutzer.

Das Reputationssystem des Auktionshauses Ebay ist dabei nur ein Beispiel (vgl. Brinkmann

/ Meifert 2003). Die Nutzer sind an ihr Profil und somit eine Identität gebunden, natürlich ist

man in der Lage, die technischen Beschränkungen zu umgehen und sich beispielsweise ein

anderes Konto anzulegen, jedoch ist dies mit einem gewissen Maß an Aufwand verbunden.

Nutzer mit einer durchweg positiven Bewertungshistorie erfahren eine höhere Anerkennung

als Nutzer, welche bislang keine Transaktionen gemacht haben oder deren Transaktionshis-

torie von schlechten Erfahrungen geprägt ist. Das Ziel ist es also, eine hohe Reputation

durch seriösen Handel aufzubauen (vgl. Diekmann / Wyder 2002). Denn am Körper (dem

Blick, dem Verhalten, der Körperhaltung) wie man es bei einer face-to-face Kommunikation

gewöhnlich macht, kann man keine Sicherheiten abschätzen oder Vertrauen generieren. Der

Körper existiert nicht im Netz. Demzufolge werden technische Umsetzungen geschaffen, um

die vermittelte Kommunikation so sicher wie möglich zu machen. Ein Reputationssystem

übernimmt dabei grundlegende Funktionen, um Handlungssicherheiten durch technische

Mittel zu gewährleisten. Gelingt es, eine eindeutige soziale Skizzierung der Persona vorzu-

nehmen, gibt es einen weiteren Anhaltspunkt zur Überprüfung der Person, mit welcher man

unter Umständen einen Handel abschließen möchte. Im Zuge einer Dichotomie von Ge-

meinschaft und Gesellschaft, wie sie Tönnies (1997) thematisiert, sei angemerkt, dass der

Begriff der „Community“ zwar langläufig mit dem der Gemeinschaft übersetzt wird, jedoch

hierbei nicht wirklich treffend ist, denn es ist maßgeblich der Handel und nicht die emotiona-

len Bindungen, welcher die Nutzer auf der Auktionsplattform Ebay zusammenbringt und so-

mit das System aufrecht erhält. Vertrauen wird folglich zu Sozialem Kapital (vgl. Warschauer

2003, S.153). Dies hat weitreichende Folgen für die Partizipation im Netz und die daran ge-

bundene Orientierungs- und Handlungsfähigkeit. Ebay stellt dabei nur eines von vielen Bei-

spielen dar.

Während einige von einer Transformation der Gesellschaft sprechen, deutete Prensky eine

radikale Änderung dieser an. An dieser Stelle und mit Blick auf die genannten Beispiele

könnte man die Frage stellen, ob es sich hierbei um eine Transformation im klassischen Sin-

ne handelt, oder ob Strukturen aufgelöst werden, verschwinden und es im Zuge von Digitali-

sierungsprozessen zu einer Neustrukturierung kommt, wie es scheinbar auch von Prensky,

wenngleich überspitzt, thematisiert wurde. Eine wesentliche Rolle spielt dabei das Verständ-

nis von Öffentlichkeit. Eine Relativierung hinsichtlich des Begriffs von Öffentlichkeit kann hier

als sinnvoll angesehen werden. Mit Blick auf eine Netzwerkgesellschaft erscheint dabei auch

der Ansatz von Livingstone (2005) als relevant, welcher davon ausgeht, dass Öffentlichkeit

über eine Menge von Menschen definiert ist, die ähnliche Ansichten und Einstellungen ver-

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treten (vgl. S.9) Dies kann lokal, aber auch global interpretiert werden. Livingstone fokussiert

dabei die Frage, wie Medientechnologien es schaffen eine gemeinsame Plattform für diese

Individuen zu erschaffen, um darüber eine Form der Öffentlichkeit abzubilden (vgl. boyd

2008, S.30). Während die eine Öffentlichkeit von einer Gruppe in einem kontextuellen Zu-

sammenhang wahrgenommen wird, existiert sie für eine andere Gruppe in dieser Form gar

nicht.

Aktuelle Diskussionen, wie die Frage der Privatsphäre im Rahmen des Street View Projektes

von Google, beleuchten diesen Aspekt aus verschiedenen Perspektiven. Sie involvieren so-

wohl politische Akteure als auch die Netzgemeinde selbst, was zur Folge hat, dass institutio-

nelle Grundlagen neu überdacht und aktualisiert werden müssen. Und auch hier sei ange-

merkt, dass es weniger eine Frage der Generationen als vielmehr eine Frage der Einstellung

hinsichtlich des Verständnisses von Onlineaktivitäten ist. Unsicherheiten entstehen meist

durch mangelnde Informationslage und führen dann zu einer verweigernden Haltung. Durch

mangelnde Vertrautheit wird das Ausblenden verbleibender Risiken erschwert (vgl. Luhmann

2000, S.22).

Das Problem der “verschwindenden” Privatsphäre wird dabei wohl noch einige Zeit ein

Schwerpunkt der Diskussionen sein. Betrachtet man Google Street View unter dem Aspekt

der Visitors und Residents, wird schnell der Kern der Kritik deutlich. Es ist weniger eine Fra-

ge des Datenschutzes und der Privatsphäre als vielmehr eine Frage von Akzeptanz, die Ak-

zeptanz einer neuen oder auch anderen Öffentlichkeit. Während die Frage einer Auflösung

hinsichtlich bekannter und auch traditionaler Gesellschaftsmuster angesprochen wurde, kann

festgehalten werden, dass es sich bei dem Begriff der Privatsphäre und dem dahinterste-

hende Konzept sowie dem individuellen Verständnis dessen um eine Transformation han-

delt.

Betrachtet man das Beispiel zu Ebay unter Berücksichtigung der Residents und Visitors wird

schnell deutlich, dass der Umstand ein Produkt im Netz zu versteigern gleichsam an die digi-

tale Identität des Verkäuferkontos gebunden ist. Im Zuge der Distinktion zwischen Resident

und Visitor wird deutlich, dass es sich nicht um ein bipolares Modell handeln kann, sondern

vielmehr um ein Spektrum. Die Frage, ab wann ein Visitor sich zum Resident entwickelt, wird

hierbei scheinbar über die Häufigkeit der Nutzung definiert. Denn für eine häufige Nutzung ist

eine gewisse Reputation notwendig, andernfalls würde man keine oder nur sehr wenige er-

folgreichen Folgetransaktionen erhalten und im schlimmsten Fall sogar aus dem System

ausgeschlossen und gleichsam als Akteure von der sozialen Bühne verbannt werden.

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Durch den Microbloggingdienst Twitter wird das Konzept eines Sozialen Netzwerkes erneut

interpretiert, denn es ist keine bidirektionale Verbindung notwendig, um ein individuelles

Netzwerk zu eröffnen, man folgt einem Nutzer, dieser jedoch muss einem nicht gleichzeitig

auch folgen. Man ist nun völlig frei und ohne jegliche Verpflichtung der Person welcher man

folgt. Die Bedeutung der „weak ties“ (Granovetter 1973) wird hierbei in den Vordergrund ge-

rückt, denn sie ermöglichen den Zugang zu alternativen Informationen. Das Konzept der

Netzwerkgesellschaft wird hierbei unter den Bedingungen vermittelter Kommunikation abge-

bildet.

Erneut soll hierbei auf die Phänomene der Marktkommunikation hingewiesen werden, denn

auch Firmen haben längst erkannt, welches Potenzial dieser Service bietet, um einerseits

kostengünstige Kampagnen durchzuführen und andererseits neue Wege hinsichtlich der

Kundenbindung und der Kundenbetreuung zu gehen. Die Formulierung, dass man einer

Person oder einem Twitter-Nutzer folgt, muss also an dieser Stelle qualifiziert werden, da es

scheinbar darauf ankommt, wie man diesen Dienst nutzt und wen oder was man repräsentie-

ren möchte.

Ein weiterer Aspekt ist die Begrenzung der Updates auf 140 Zeichen, welche dazu führt,

dass eine Vielzahl von kleinen Informationen tagtäglich, gar im Sekundentakt von Millionen

Nutzern generiert wird. Um sich im „Twitverse“, wie es teilweise von den Nutzern selbst ge-

nannt wird, zu etablieren, ist also eine kontinuierliche Teilnahme in diesem sozialen Raum

unabdingbar. Man muss das System mit regelmäßigen Updates füttern. Dies ist natürlich

noch längst kein Garant dafür, dass das Prinzip funktioniert, denn erst dann, wenn eine ge-

wisse Menge an Nutzern diesen Updates folgt und diese Informationen für relevant erachtet

und im Zuge der Interaktion interpretiert, gelingt es, die Identität im Netz speziell durch die-

sen Dienst zu stärken und eine Präsenz zu entwickeln. Die reine Information wird somit zu

einer Form kulturellen Kapitals des Individuums. Dies könnte zu einer langläufigen Transfor-

mation des Spiels mit der Identität führen, wie es beispielsweise von Sherry Turkle (1995)

beschrieben wurde. Die eigene Identität wird dabei zur Marke und dient dazu ein Image zu

etablieren und dieses auch aufrecht zu erhalten. Die Pseudonymität kann dabei immer weiter

in den Hintergrund der Handlungen gerückt werden. Wenngleich dies ein signifikantes

Merkmal einiger Bereiche darstellt, bleiben dennoch alternative Räume erhalten. Mit Blick

auf die Bildungsdimension des Grenzbezugs (vgl. Jörissen / Marotzki 2009, S.67f) wird deut-

lich, dass die Onlineaktivität im starken Zusammenhang mit der Offlineaktivität steht. Dies

verdeutlichen auch derzeit stark im Trend liegende Dienste, welche neben einem Statusup-

date die geographische Position des Senders übermitteln. Sei es das Image einer Firma ei-

nes professionellen Bloggers oder einfach eines Studenten oder Schülers, welche Twitter

oder ähnliche Dienste nutzen. Hierbei greift das Das Prinzip sozialer Anerkennung sehr de-

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tailliert und dient nicht nur als Orientierung sondern vielmehr auch als Motivation zur weite-

ren Partizipation. Die Sichtbarkeit im Netzwerk wird dann gewährleistet, wenn die Informatio-

nen, welche man in den 140 Zeichen veröffentlicht, von anderen als dementsprechend wert-

voll eingestuft werden. Twitter ist ein extremes Beispiel dafür, dass die regelmäßige Teil-

nahme eine notwendige Grundvorrausetzung für die Persona ist. Dies ist nicht zwangsläufig

untypisch, denn auch in Virtuellen Communities reicht es oftmals nicht aus, einmal „hallo

welt“ zu schreiben und dann eine kontinuierliche Sichtbarkeit zu entwickeln. Es sind jedoch

die geringen Intervalle, in welchen Informationen gesendet werden, die Twitter zu einem ge-

sonderten Beispiel machen. Eng daran gebunden ist natürlich auch die Vertrauensproblema-

tik, denn nur durch kontinuierliche Partizipation kann Vertrauen in andere Nutzer entstehen

und zur höheren Sichtbarkeit dieser vertrauenswürdigen Nutzer führen. Denn das Vertrauen

in eine Person beruht auf der Echtheit der Austauschbeziehung und setzt die Integrität des

anderen voraus (vgl. Giddens 1996, S.49f).

Zusammengenommen sind alle diese Punkte auf den Typ des Digital Resident übertragbar

und das Besondere dabei ist, dass das Konzept sehr schön verdeutlicht, dass ein hoher Sta-

tus durch Twitter nicht zwangsläufig auch für andere Bereiche qualifizieren muss. Man könn-

te sogar noch einen Schritt weiter gehen und sagen, dass allein die Nutzung des Dienstes

kein hohes Maß an Qualifikationen und Fähigkeiten voraussetzt, was wohl auch eines der

Kernelemente für den derzeitigen Erfolg des Microbloggings ist. Die Funktionsweise und das

Potenzial von Twitter zu erlernen funktioniert, so White, dann am besten, wenn man den

Dienst selbst nutzt und eigene Erfahrungen beim Umgang mit den technischen aber auch

sozialen Aspekten sammelt. Diese Tatsache lässt Twitter zu einer, wie White in seinem Vor-

trag auch anführt, Residential-Plattform werden (vgl. White 2009). Und genau hierdurch ent-

steht eine Dichotomie. Denn während das Lernen neuer Dinge für den Visitor simplifiziert

gesagt eine Relation von Lerner-Medium-Experte ist, reicht es genau hier nicht aus, ein

Handbuch über die Nutzung von Twitter zu lesen. Natürlich könnte man auch die Funktionen

zusammenfassen und darstellen, die eigentliche sozio-kulturelle Wirkung lässt sich aufgrund

ihrer individuellen Entfaltung und der netzwerkartigen Struktur jedoch nicht erfassen. Das

„Wie“ beim Lernen wird maßgeblich auch durch das eigene Selbst bestimmt. Man eignet sich

gewisse Denkmuster an. Beim Universitären findet man dieses Prinzip wohl am meisten

ausgeprägt vor (vgl. Warschauer 2004, S.122). Auch White diskutiert das Visitor-Resident

Prinzip am Beispiel seiner eigenen Nutzungsschemata im beruflichen, universitären aber

auch privaten Rahmen.

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Die Nutzung ist dabei vom jeweiligen Kontext abhängig. Während er im institutionellen Rah-

men etabliert ist und auf Konferenzen oder durch wissenschaftliche Aufsätze, Forschungs-

projekte aber auch Blogeinträge versucht seine Sichtbarkeit zu optimieren, hält er sein priva-

tes Leben bewusst aus der Öffentlichkeit (vgl. White 2009). Dies visualisiert David White in

seinem Vortrag am Beispiel seiner eigenen Person wie folgt:

Abbildung 3 Diagramm zur Einstufung des Nutzerverhaltens nach dem Visitor-Resident Prinzip

Im beruflichen, professionellen Bereich hat er also eine Persona entwickelt, welche durch

regelmäßige Updates und stetige Teilhabe gepflegt wird. Im Gegensatz dazu hält er seinen

privaten, familiären Bereich eher gedeckt und somit scheinbar auch getrennt von der berufli-

chen Identität. Das Beispiel zeigt, dass einerseits die Typisierung in einer starken kontextuel-

len Abhängigkeit steht, andererseits jedoch auch einem stetigen Prozess unterliegt. Es han-

delt sich hierbei nicht um eine finale Typisierung, sondern vielmehr um eine zugespitzte

Form der Momentaufnahme. Die erfasste Person befindet sich dabei immer wieder in einer

Neubewertung der Gegebenheiten. Dabei spielt die Nutzungskompetenz eine untergeordne-

te Rolle, wenngleich sie als Indikator für eine Typisierung gelten könnte, wird hierbei deutlich,

dass White klar zwischen zwei Domänen trennt und diese sehr bewusst auseinander hält.

Institutional

Resident Visitor

Non-institutional

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5 Fazit und Ausblick Eine genaue Betrachtung des hier diskutierten Themas offenbart, dass es sich um hoch-

komplexe Zusammenhänge handelt, welche nicht in allgemeingültige Muster zu erfassen

sind. Das Visitor-Resident Prinzip eröffnet dabei neue Blickwinkel, bringt jedoch auch erneu-

ten Diskussionsbedarf, denn schließlich scheint die Problematik, inwiefern die Nutzertypen

zu klassifizieren sind, vielfach interpretierbar. Die populistisch anmutende These Prenskys

aus dem Jahr 2001 sorgt dabei bis heute für Diskussionsbedarf und trägt dazu bei, dass das

Thema aus verschiedenen Perspektiven betrachtet wird. Anstatt hierbei jedoch von einer

Kulturrevolution zu sprechen, scheint es als angemessener, das Phänomen als ein weiteres

Kapitel in der Geschichte einer Kulturevolution anzusehen. Denn schon wie die Nachkriegs-

generation es geschafft hat die Gesellschaft zu verändern, wird es wieder zu neuen Verän-

derungen kommen. Im Gegensatz zu den Generationen davor findet die Transformation der

Gesellschaft jedoch schneller statt, was direkte Auswirkungen auf die Arbeitswelt haben

kann. Hierbei ergibt sich eine Diskrepanz zwischen den Formen der Organisationen und den

Individuen der Gesellschaft. Dies wurde unter Berücksichtigung der Marktkommunikation

gezeigt. Unternehmen müssen mit dem Tempo dieser Transformationen Schritt halten und

sich darauf einstellen können, um am Markt bestehen zu können.

Besonders mit Blick auf den daran gebundenen Generationsdiskurs erscheint die Typisie-

rung der Visitors und Residents als interessant, da es sich dabei um ein Konzept handelt,

welches das individuelle Nutzungsverhalten besser berücksichtigt und die Altersfrage implizit

ausklammert. Eine differenzierte Typisierung ist jedoch selbst in kontextueller Abhängigkeit

nur schwer möglich. Die Diskussion hat gezeigt, dass Wissen erst im Kontext sozialer Inter-

aktion aus Informationen generiert wird und dieser Prozess sich im ständigen Wandel befin-

det. Dabei ist es immer weniger eine Frage der Generation selbst als vielmehr der habituel-

len Ausprägungen innerhalb sozialer Gruppen. Zudem wurde auch darauf aufmerksam ge-

macht, dass eine Diskussion weniger an technologische Probleme als vielmehr an die sozia-

len Aspekte orientiert werden sollte. Natürlich sind basale Kernkompetenzen notwendig. Man

muss wissen, wann man welchen Knopf drücken muss oder wie man wo an Informationen

kommt und diese dann auch strategisch aufbereiten kann.

Problematisch wird das Visitor-Resident Prinzip mit Blick auf die Relation zwischen Visitor

und Resident unter Berücksichtigung einer „Voice Divide“ (vgl. Iske/Klein/Kutscher 2005),

denn aufgrund der Tatsache, dass die Typisierung eher temporär einzustufen ist, scheint die

Typologie dort an ihre Grenzen zu stoßen. Auch beim Beispiel zur Facebookgruppe, welches

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White anführt, wird keinerlei Aussage über ein diesbezügliches Verhältnis von Visitor und

Resident geschildert. Dieser Punkt erscheint jedoch als äußerst kritisch, denn, und das ha-

ben diverse Untersuchungen gezeigt, die Partizipation selbst ist ein komplexes Konstrukt,

welches unter anderem in Abhängigkeit von sozialer Herkunft, Motivation und Kontinuität

steht. Aufgrund der Tatsache, dass immer neue Technologien und Webdienste den Markt

erschließen, ist jedoch vielmehr eine allgemeine Orientierung notwendig. Dies funktioniert

vorrangig über die Fähigkeit der Abstraktion und experimentelles Handeln. Das Konzept der

Netzwerkgesellschaft, wie es von Castells formuliert wurde, impliziert genau diese Faktoren.

Grundlegende soziale Mechanismen, wie die Genese von Vertrauen in technisch vermittel-

ten Räumen, dienen dabei der Reduktion von Komplexität und ermöglichen eine Partizipati-

on und darüber hinaus die stetige Entwicklung und Neujustierung des Verhältnisses von

Selbst und Welt. Ähnlich wie bei Schrift und Sprache erfordert dies kontinuierliche Übung

und wird somit zu einem ständigen Fort- und Weiterbildungsinhalt – nicht nur für Institutio-

nen.

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6 Abbildungsverzeichnis Abbildung 1 Nutzertypologie der ARD und ZDF Langzeitstudie 7

Abbildung 2 Quelle: MNT-Justierungsstudie 2006 8

Abbildung 3 Diagramm zur Einstufung des Nutzerverhaltens 18

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