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A. Eucken u. E. Schroder. Das Warmeleitvermoqen usw. 609 Das W&rmeleitvermllgen einiyer verIest4yter Pkiissigkeitun urn d Gase (BenxoZ, Bromwasmrntoff, Stickoxydul) Vom A. Ezccken und IE. Scthroder (Mit 5 Abbildungenj 1. Einleitung Wahrend fur das Warmeleitvermogen fester polarer Stoffe, welche ein Ionengitter bilden, ein ziemlich reichhaltiges Versuchs- material vorliegt, ist bisher nur eine relativ kleine Anzahl unpolarer (als Molekulgitter kristallisierender) Stoffe in bezug auf das Warme- leitvermogen untersucht worden; vor allem fehlt es noch an Daten uher das Warmeleitvermogen einfacher unpolarer Stoffe von ver- haltnisma6ig geringer MolekulgroBe. Dies beruht zweif'ellos darauf, dab letztere Stoffe bei normaler Temperatur noch gasformig oder flussig zu sein pflegen, und daB daher die sonst fur die Ermittlung des Warmeleitvermiigens fester Stoffe iiblichen Versuchsanordnungen, die den Einbau fester Versuchskorper von bestimmter Gestalt zur Voraussetzung haben, hier nicht mehr in Frage kommen. Dennoch ist das Warmeleitvermiigen gerade einer Reihe einfacher unpolarer fester Stoffe von gewissem Interesse, da sich herausgestellt hat, daB bei diesen die Temperaturkurve einer Anzahl sonstiger Eigenschaften Abnormitaten zeigt, die durch eine mehr oder weniger diskontinuierlich erfolgende Anderung desRotationszustandes der Molekeln bedingt sind '). In der vorliegenden Untersuchung muBten wir uns, abgesehen von der Ausarbeitung einer geeigneten MeBmethode, auf die Be- stimmung der Temperaturkurve des Warmeleitvermiigens folgender Stoffe beschranken: UenzoZ (zwischen 90 und 273O K) als einer sich normal ver- haltenden Substanz, bei welcher keine Molekulrotation im festen Zustand auftritt. Hromwasserstoff, welcher bei drei Temperaturen (89, 1 13 und 11 7 ") Unstetiglieiten der thermischen und kalorischen Eigenschaften 1) Vgl. hierzu den zusammenfassenden Bericht: A. Eucken, Ztschr. f. Elektrochem. 45. S. 126. 1939.

Das Wärmeleitvermögen einiger verfestigter Flüssigkeiten und Gase (Benzol, Bromwasserstoff, Stickoxydul)

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Page 1: Das Wärmeleitvermögen einiger verfestigter Flüssigkeiten und Gase (Benzol, Bromwasserstoff, Stickoxydul)

A . Eucken u. E. Schroder. Das Warmeleitvermoqen usw. 609

Das W&rmeleitvermllgen einiyer verIest4yter Pkiissigkeitun urn d Gase

(BenxoZ, Bromwasmrntoff, Stickoxydul)

Vom A. Ezccken und IE. Scthroder

(Mit 5 Abbildungenj

1. Einleitung

Wahrend fur das Warmeleitvermogen fester polarer Stoffe, welche ein Ionengitter bilden, ein ziemlich reichhaltiges Versuchs- material vorliegt, ist bisher nur eine relativ kleine Anzahl unpolarer (als Molekulgitter kristallisierender) Stoffe in bezug auf das Warme- leitvermogen untersucht worden; vor allem fehlt es noch an Daten uher das Warmeleitvermogen einfacher unpolarer Stoffe von ver- haltnisma6ig geringer MolekulgroBe. Dies beruht zweif'ellos darauf, dab letztere Stoffe bei normaler Temperatur noch gasformig oder flussig zu sein pflegen, und daB daher die sonst fur die Ermittlung des Warmeleitvermiigens fester Stoffe iiblichen Versuchsanordnungen, die den Einbau fester Versuchskorper von bestimmter Gestalt zur Voraussetzung haben, hier nicht mehr in Frage kommen. Dennoch ist das Warmeleitvermiigen gerade einer Reihe einfacher unpolarer fester Stoffe von gewissem Interesse, da sich herausgestellt hat, daB bei diesen die Temperaturkurve einer Anzahl sonstiger Eigenschaften Abnormitaten zeigt, die durch eine mehr oder weniger diskontinuierlich erfolgende Anderung desRotationszustandes der Molekeln bedingt sind ').

I n der vorliegenden Untersuchung muBten wir uns, abgesehen von der Ausarbeitung einer geeigneten MeBmethode, auf die Be- stimmung der Temperaturkurve des Warmeleitvermiigens folgender Stoffe beschranken:

UenzoZ (zwischen 90 und 273O K) als einer sich normal ver- haltenden Substanz, bei welcher keine Molekulrotation im festen Zustand auftritt.

Hromwasserstoff, welcher bei drei Temperaturen (89, 1 13 und 11 7 ") Unstetiglieiten der thermischen und kalorischen Eigenschaften

1) Vgl. hierzu den zusammenfassenden Bericht: A. E u c k e n , Ztschr. f. Elektrochem. 45. S. 126. 1939.

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und der Die1ektrizit;itskonstanten zeigt , die auf Bnclerungen des Rotationszustandes der i\roleltUle hinweisen.

Stickoxydul, dessen Molelceln zwar im Gitterverband nicht zu rotieren vermogen, das aber dadurch bemerlienswert ist, daB es eine Nullpunktsentropie besitzt, und daB daher die Molelieln im Kristall- gitter in bezug auf ihre Orientierung nicht vollkommen geordnet sein konnen I).

Auf die grundsutxliche Xchzuierigkeit der Messung des Warme- leitvermogens verfestigter Fliissigkeiten und Gase war schon in einer fruheren Arbeit 2), welche sich mit demselben Problem befaBte, hin- gewiesen worden. Es hanclelt sich Tor nllem um die Schrunipfung der Versuchssubstanz bei ihrer Abkuhlung nach dem Erstarren sowie die (infolge der Sprodigkeit fester unpolarer Stoffe) hiermit ver- kniipftte Bildung von Rissen und Spalten. Die Feblerquellen, die sich dadurch in das MeBergebnis einschleichen, konnteii damals durch Anwendung einer aichtstationiiren MeAmethocle weitgehend aus- geschaltet werden. I n clieser Arbeit ist nun der Versuch gemacht worden, niit der stationuren Mefhode nach Sch le i e rmacher die Tarmeleitfiihigkeit verfestigter Fliissigkeiten und Gase bei beliebigen Temperaturen zu messen 3), wobei als Hezugsmert Wasserstoff von Oo C diente. Als Ergebnis dieses Versuches lionnen wir hier schon vorweg nehmen, daB sich eine Apparatur herstellen lieB, mit welcher es gelang, die erwiihnten Schwierigkeiten zu uberwinden und welche anscheinend zuverliissige Werte des Tiirmeleitver niogens liefert Zur Erreichung dieses Zieles war es dlerdings erforderlich. a n der sonst iiblichen S c h l e i e rmacl i erscliea MeBanordnung einige wesent- liche Bnderungen vorzunehmen.

1) A. E u c k e n u. H. V e i t h , Ztschr. f. phys. Chem. 35. S. 463. 1932 (da- selbst iiltere Literatur); vgl. auch K. S c h L f e r , Ztschr. f. phys. Cbem. B 41. S. 159. 1939.

2) A. E u c k e n u. H. E n g l e r t , Ztschr. f. d. ges. Hillteindustrie 46. s. 109--118. 1938.

3) Kurz vor Beendigung iinserer Messungen hatte A. K. K i k o i e , Acta l'hysicochim. UKSS. 10. S. 307. 1939, ebenfalls nach S c h l e i e r m a c h e r die \VLrmeleitfilhigkeit von IIc I, He 11 und fcstem He bestimmt. Bei dieser Untersuchung koririte das He durch einfache l)ruckwhtihung isotherm zur liristsllisation gebracht werden, womit einige wesentlichc Schwierjgkeiten, mit dcnen wir zu kiimpfcn hatten, fortfielen.

4) Die Methode arbeitet freilicb nur in Ternperaturgebieten befriedigend, in welchen der Dampfdrzcck ( ley Versuchssiibstam kleiner als Ptwa 10 I'orr ist; bei hijlieren Temperaturen rind Ihrnpfdruckcn sublimiert die Versuchasubstanz relativ rasch von dem Heizdraht fort, so daB der therrnische Kontakt mit letztereiii verloren geht.

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2. Die Apparatur Die in Abb. 1 abgebildete Apparatur ist das Ergebnis einer

Reihe von Versuchen, welche schrittweise zur Beseitigung immer anfs Neue auftretendkr BIiingel zwangen.

Von vornherein war, abweichend von S c h l e i e r m a c h e r s Methode, der in der Achse des zylindrischen MeBgefaiSes ver- laufende Heizdraht als Wendel ausgebildet, um ein ZerreiBen bei der Schrumpfung der Versuehssubstanz und beim Auftreten von Rissen hintan zu halten. Dieser Draht, der aus reinem P t bestand und einen Ilurch- messer von 0,04 mm bessi3, ist auch bei verhaltnismiifiig gro6er Beanspruchung nie- mals zerrissen; hochstens lie6 die Spannung, unter der die Wendel sich urspriinglich be- fand, etwas nach.

Weiterhin erwies sich die Anbringung eines Widerstandsthermometers in einer um den Heizdraht konzentrischen Zone als not- wendig, weil die Rarmeleitfahigkeit ver- festigter Gase grol3enordnungsmafiig lOmal so gro13 ist wie die eines Gases und daher der Teinperaturgradient in der Glaswand erheblich ins Gewicht fallt. Dieser Pt-Draht mu6te ebenfalls gewendelt, aber aus star- kerern Material (0,4 mm) hergestellt werden, weil erfahrungsgema6 der mechanische An- grift' durch das Zerspringen des Kristalls in der Ranclzone weit starker ist als im Innern. Wie in Bbb. 1 angedeutet, wurde der Draht von oben nach unten hin- und hergefiihrt, aholich der Anordnung der Gliihfaden in ilteren elektrischen Birnen. *bb- 1. MeBgefa6 mit Heiz- Unten ist er iiber kleine Hakchen aus und Thermometerdraht Pt-Draht gehangt, die in Glas eingeschmolzen sind. Oben wird der Thermometerdraht mit Stahlfedern gehalten, welche mit einer kleinen Schlinge iiber Glasspitzen gehangt sind.

Die Versuchssubstanz wurde durch das Zuleitungsrohr ein- kondensiert und durch weitere Abkiihlung zum Erstarren gebracht, so daB die Oberflache des Kristalls etwa bei S lag. W i d jetzt der Kristall weiter abgekiihlt, so lronnen die eingefr orenen Drahte der

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Kontaktion der Substanz nachgeben. Der Glasmantel des MeB- gefaSes mar verhaltnisnid3ig dickwandig, so dafi er einen ‘ijberdruck von mehreren Atmos1)haren aushalten konnte. Dies war deshalb notig, weil es nach den von E u c k e n und E n g l e r t gesammelten Erfahrungen moglich ist, die storenden Warmewiderstande der sich

bildenden Risse durch Wasserstoff von einigen Atmospharen Druclc weit- gehend zu iiberbrucken.

Von beiden Pt - Drahten fiihr- ten wie iiblich je 3 Zuleitungsdrahte nach auEen zur Kompensation der Zuleitungswiderstande. Die Messung der TViderstande erfolgte in zwei getrennten W h e a t s t 0 n e schen Briickenkr$sen. Die Eichung der Widers.tandsdra&e wurde durch Messtingen in einem N2-, 0,- und CO, -Bad von genau bekannter Tempeiatur vorgenommen (Tempe- raturmessung durch Dampfdruck- thermometer), wobei zum AnschluE an die Temperatur-Widerstands- tabelle eines Normaldrahtesl) in der iiblichen Weise das M a t - t h i e s s e n sche Gesetz bzw. die Nerns tsche u-Regel benutzt wurde; die KorrektionsgroBen u erwiesen sich hierbei innerhalb des gesamten Temperaturgebietes als praktisch kon s t an t.

Da die Aufgabestellung die Ausf ulirung von Messungen bei beliebigcn Temperaturen erforderte, bedurfte es eines besonderen Ther-

(‘l‘hermostat) rnostaten. Hierzu wurde das MeB- gefaB init einem elektrisch heiz-

baren Kupfermantel Cn umgeben (Abb. 21, der sich an seinen Zufuhrungsdriihten so hoch ziehen lie13, daB der untere Teil des MeRgefgBes sichtbar wurde und die Kristallisation der Substanz verfolgt weiden konnte 2). Kupfermantel und RileEgefiiR hingen in

1) L a n d o l t - B i j r n s t e i n , 6. Aufl. HW S. 1048. 2) In Abb. 2 ist der Kupfermantel im hochgezogenen Zustand dargestellt.

fipprmom

Abb. 2. Einbau deu MeBgefilWes

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A. Eucken u. E . Xchr6der. Das Warnzeleitverrniigen usw. fils

einem durchsichtigen Dewai-gefiiB, dessen Vakuumzufiihrung sich am oberen Rand befand; das Vakuum konnte durch eine Hg-Dampf- punipe reguliert werden. Der Raum zwischen Kupfermantel und MeBgefaB mu8te'mit eineni WBrnieiibertrager von groflerer Leitfahig- keit als der atmosphiirischer Luft gefiillt werden, da sich mit Luft eine allzu kriechende Einstellung ergab. Fur diesen Zweck eignete sich Thermometerpentan sehr gut, weil es bei O o noch fliissig und bei - 195O ohne RiBbildung glasig erstarrt ist. Storungen des Temperaturgleichgewichts durch Konvektion des fliissigen Pentans wurden nicht bemerkt. Das durchsichtige DewargefBB tauchte schlieBlich in ein Italtebad, welches sich in einem grol3en Dewar- gefaB von etwa 55 cm Tiefe befand. Das Niveau der Pentan- fiillung befand sich dicht unterhalb des Randes des inneren Dewar- get'abes; das luBere Deitargefd3 war etwa zur HBlfte gefullt, so daB die Verdampfung und damit auch das Sinken des Badniveaus nur sehr langsam vor sich ging. Diese MaBnahnien verdienen darum Em Bhnung, weil an den Thermostaten ziemlich hohe Anforderungen gestellt werden muBten ; erstens diirften die Temperaturschwankungen hochstens 0,0001 O betragen, zweitens durfte sich die Temperatur hochstens urn 0,l0 in der Stuude andern.

Zur Erreichung samtlicher Temperaturen vom Siedepunkt des Stickstoffs bis zuin &punkt dienten als Kaltebader lediglich flussiger Stickstoff, fiiissiger Sauerstoff, Trockeneisgemisch und Eis. Did Zwischentemperaturen lieBen sich dann durch konstante Heizung des Kupfermantels und Regulierung des Vakuums in1 durchsichtigen DewargefaiB herstellen. Urn zu prufen, ob sich in der Substanz ein senkrechtes Temperaturgefdle, das beim Heizen des Kupfer- mantels durch die Konvektion des Pentans zuerst eintrat, dauernd aufrecht erhielt, war ein Kupfer-Konstantan-Thermoelement mit den Lotstellen L, und L, (Abb. I) am MeBgefaB angebracht worden; es ergab sich, daB der anfangliche Temperaturunterschied von einigen Graden allmiihlich auf weniger als 0,1O zuriickging, so da8 das Thermoelement spater wieder fortfallen konnte.

3. Durchfiihrung der Messungen

Nachdem die Substanz einkondensiert und von unten her im Laufe mehrerer Stunden erstarrt war, wurde sie weiter mit einer Geschwindigkeit von etwa liZo pro Min. bis auf die Versuchstemperatur abgekuhlt. Urn die Warmeleitfiihigkeit (speziell beim HBr) innerhtllb moglichst enger Temperaturgebiete erniitteln zu konnen, muBten wir darauf bedacht sein, mit Erwarmungen (Temperaturunterschieden zwischen Heinvendel und Temperaturdraht) von nur einigen Zehntel

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Graden auszukoninien. Da indessen die Empfindlichlreit unserer MeBanordnung nicht voll ausreichte, die Widerstande mit sehr schwachen Stromen, die noch keiize Eraarmung hervorriefen, fur diesen Zweclr genau genug zu erniitteln, gingen wir wie folgt Tor:

Durch den Thermometerdraht wurde dauernd ein relativ starker Strom geschickt, durch den die Versuchssubstanz urn einen konstanten Betrag gegeniiber cler Urngebung erwarmt wurde, solange die Heiz- wendel stromlos war. Ilurch letztere wurden d a m gleichfalls relativ kraftige Strome gesandt, welche eine Er\viirmung um etn a 0,5 O gegen- iiber dem Thermometerdraht bewirkten. Gleichzeitig stieg wegen des auftretenden M’armegefalles die Temperatur des letzteren noch etwas an. Sieht man nun als Bezugsrnessuug einen Tersuch mit relativ kleiner Heizstromstarlre der iiineren Wendel an, so gilt fur die relative Warmeleitjuhigkeit ;Irel (geometrischer Faktor der Apparatur ma1 dessen Warmeleitfahiglreit):

Q - Go = ( A T H ? - A TI,) = Llei. A A T , wenn Q die Heizleistung . (pro Sekunde zugefuhrte Energie) bei eiuein relativ kraftigen Strom, Q 0 die bei der Bezugsmessung. A Ttf, die Erwarmung der Heizwendel, d TTh die des ‘I’hermometerdrahtes gegeniiber den entsprechenden Temperaturen bei der Bezugsmessung bedeuten. Tab. 1 gibt als ein beliebig herausgegriffenes Reispiel numerisclie Angaben uber eine mittels des geschilderten Verfahrens am HBr bei 121,2O K ausgefiilirte Versuchsreilie wieder:

T a b e l l e 1 Einzelheiteii einer bei 121,Z an HBr ausgefuhrten Yersuchsreihe

- _ _ _ _ ~ -~ ~ ~ _-- - ~ - I @ = 1.rd. I

Q 104 (cal/sec) 1 AT,? I 1 A A T -

1 - - ’ 0,12800 ’ 0,00920 I 0,1864 I 0,0154 1 0,254s , 0,0224

58,25 50,02 55,18 61,19

- 0,118s~ 0,1710 0,2324 1 98,8

Um die zuniichst erhaltenen ?,,,,,-Werte auf absolute Warineleit- fahigkeiten umrechneu zu konnen, wurden bei O o C Messungen mit gasformigem reinem Wasserstoff ausgefiihrt, fur dessen Warmeleit- fiihiglreit 3, = 0,000415 cal/cni . sec - Grad gesetzt wurde’) 2).

~~

1) L a n d o l t - B o r n s t e i n , 6. Aufl. (eischeint demnlrhst) Tab. 323411. 2) AuBerdem stellteu wir zur Prufung der Apparatur sowie insbesondere des

Thermostaten noch einige Versuclie mit gasformigcm U, bei tiefen Temperaturen nn; die erhaltenen MeWpunkte liegen auf einer glatten Kurve und stiminen be- friedigend niit friiheren Erqebnissen iiherein. Zwischen 80 nud 150 K gilt nach unseren Messungen i = l,ti3 - 10FG 1‘ (cal/cm * Grad - sec).

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4. Ergebnisse a) E e n z o l

Iliese Messung wurde noch in einer Apparatur oline Stahlfeder- aufhangung der Thermonieterdriihte durchgefuhrt.

Die Kristallisatioii rnuBte sehr rorsichtig vorgenonimen werden, w i l das Benzol regelmtillig im Moiiieiit der Kristallisation ein Gas ausschied, vermutlich geloste Luft. Ein Absaugen des Benzols in der Apparntur war nicht moglich, 1\41 das Sieden der Flussigkeit die sehr empfindliche Heizwendel zerstort hatte. Bei langsamer Kristallisation (wahrend eines ganzen Tages) gelang es, einen durch- sichtigen Kristall mit sehr kleinen Bliischen zu erzeugen, die schatzungsweise nicht mehr als 0,2 o/io des Gesanitvolumens betrugen. An dem Kristall war die Doppelbrechung sehr schon zu erkenneii; es lag also ein Einkristall vor. Tab. 2 gibt die zusammengehiirigen Werte T , 1, wieder und zwar in der Reihenfolge, in welcher die Messungen rorgenonimen wurden.

T n b e l l e 2 Bpazol

273,4 Y0,O 148,4 l l t j ,6 141,4

0,000 634 1507 1 7 1 9 ' 6S1,7

1419 704,7 12229 813,7

1 1 6 3 559,s

I

TO I< 1 . . en1 cm - 0 - sec ' I/).

1 6 8 3 1062 ' 942 195,l 910 1099 224,9 SO3 1246 246,l 727 1375 273,3 650 1539

I

, I I I I I , u M 6n au 7nu PU iG rnl rn ZQQ zzn zda zg z~ -PA,

Xbb. 3. Wiirmelcitfiihigkeit des festen Benzols

Aus Abb. 3 geht hervor, claD sich der ,,Warmewiderstai~d*~ 1,'L vom Schuielzpunkt bis etwa 150 O I( praktisch proportional der absoluten Temperatur Rudert ; bei tiefen Temperaturen tritt d a m eine Abweicliung ein im Sinne eines etwas zu hohen Warmewider- standes. Die Abbildnng zeigt ferner, daB der bei 273O I< von E u c k e n und E n g l e r t gefundene T e r t befriedigend mit dern von uns erhaltenen iibereinstiinint, doch besteht bei 195 * eine nicht

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61 fi Annalen der Physik. 5 . Polge. Hand 36. I939

unei hebliche Diskrepanz, die wir vorlaufig nur durch einen groReren Versuchsfehler der E u c k e n - E n g 1 e r t schen Messung bei dieser Temperatur zu erklaren vermogen ').

b) Br o m w a s s e r s t o ff

Der Bromwasserstoff war aus Bromwasserstoffsiiure durch Wasserentzug mit Phosphorpentoxyd gewonnen und grundlich in einer Glaskoloune rektifiziert worden. Die Durchfiihrung der Kristallisation war hier mit etwas groBereu Schwierigkeiten ver- kniipft, weil ein geeignetes Kaltebad, dessen Temperatur nur wenige Grade unter dem Schmelzpunkt lag, nicht zur Verfiigung stand. Wir waren daher auf fliissige Luft angewiesen; bei vorsichtiger Handhabung, d. 11. langsamem Nachsetzen des Bades unter genauester Beobachtung des Kristallisationsprozesses, gelangten wir schliefilich zu einem einwandfreien Kristall, der allerclings (wahrscheinlich infolge einer geringfiigigen photochemischen Br,-Ausscheidung) schwach gelb gefarbt war.

Wie in der Einleitung erwahnt, kam es Tor allem darauf an, die Narmeleitftihigkeit des HBr in der Oegend seiner Umnandlungs- punkte zu ermitteln. Tab. 3 sowie Abb. 4 geben die mit zwei ver- schiedenen Kristallen erhaltenen NeBpunkte wieder.

T a b e l l e 3 Bromwasserstoff

8313 . ' 1150 141.3 I 722 ~- 78iO 1262 87.0 932 86l6 551 82.Y 1 1 6 8 88$5 ~ 87R*) 88,58 835 **)

89,6 100,z 10s,5 1123

l l 6 , 6 121,2

114,5

129.7

744 714 670 655 625 643 672 682

142;2 674

*) Einstellung von tieferer Temperatur aus. **) Einstellung von hoherer Temperatur aus.

Das Ergebnis ist in verschiedener Hinsicht bemerkenswert. Von oben kommend andert sich die Warmeleitfahigkeit bis zu dem untersten Urnwandlungspunkt verhaltnisKd3ig wenig, beginnt aber hier stark, beinahe diskontinuierlich anzusteigen, wobei, wie bei den

1) Die fragliche Messung E u c k e n s und E n g l e r t s war eine der ersten der ganzen Arbeit, bei der die bei fast jedem neuen XleBverfahren anfiinglich auftretenden Schwierigkeiten vielleicht noch nicht ganz iiberwunden waren.

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sonstigen in diesem Gebiet untersuchten Eigenschaften, eine Hysteresis- schleife deutlich erkennbar wird. Sieht man von letzterem Effekt ab, so verhalt sich der feste Bromwasserstoff somit in bezug auf das Warmeleitvermogen bis zum untersten Umwandlungspunkt iihnlich wie eine Fliissigkeit und erst unterhalb desselben wie ein normaler Kristall , obgleich gerade bei diesem Umwandlungspunkt keine Anderung des Kristallgitters nachgewiesen werden konnte l). Da aber bei diesem Punkte zweifellos eine Anderung des Rotationszustandes der Molekeln eintritt, ergibt sich die SchluBfolgerung, dab die Wtirme- leitfahigkeit des festen H B r keineswegs allein von den Schwkgungen

' - T(OK)

Abb. 4. Wfrmeleitfghigkeit des festen HBr

der Molekiilschwerpunkte abhangt, sondern xu einem erheblichen Anteil auch von der Torsionsbewegung der Molekeln. Dieses Ergebnis stimmt mit neueren Auflassungen iiber die bei den sog. Rotationsumwand- lungen sich abspielenden molekularkinetischen Vorgange insofern gut uberein2), als nach ihnen die benachbarten Molekeln in bezug auf ihre Torsions- bzw. Rotationsbewegung nicht unabhaingig von- einander, sondern verhaltnisma6ig stark miteinander gekoppelt sind. Bei tiefer Temperatur hat diese Koppelung, deren Wirkung man durch' ein inneres Feld darstellen kann, zur Folge, dab sich die

1) A. Kruis u. R. K a i s c h e w , Ztschr. f. phys. Chem. B. 41. S. 427. 193s;

2) Vgl. hierzu A. Eucken, Ztschr. f. Elektroch. 45. S. 126. 1939, sowie 43. S. 384. 1939.

insbesondere K. Schilfer, Ztschr. f. phys. Chem. B. 44. S. 127. 1939. Annnlen der Phgsik. 5. Folgr. 3F. 41

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618 Annalen der Physik. 5 . Polge. Band 36. 1939

Molekulachsen innerhalb kleiner, aber endlicher Bezirke gleichmagig orientieren, doch verschwindet die Orientierung bei zunehmender Warniebewegung innerhalb eines relativ engen Temperaturintervalls (bis auf einen kleinen Rest). Wenn somit die Molekeln in bezug auf ihre Torsionsbewegung bei tiefen Temperaturen innerhalb der- artig geordneter Bezirke eng miteinander gekoppelt sind, 80 ist es in der Tat einleuchtend, da8 durch diese Bewegungsform, ein Warme- transport zustande kommt, der ahnlichen Gesetzen gehorcbt, wie der Warmetransport durch die Schwerpunktsbewegung nach der D e by e schen Theorie. Geht nun beim Durchschreiten des unteren Umwandlungsgebietes von unten her die gegenseitige Orientierung der Molekeln verloren; womit auch die oben erwiihnten Bezirke ver- schwinden, so wird der Warmetransport durch die Torsionsbewegung erheblich geringer werden; es ist auch verstandlich, daB gleichzeitig die Temperaturabhangigkeit der Warmeleitfahigkeit stark abnimmt, evtl. sogar verschwindet, da sich iiberhaupt keine langeren uber mehrere Molekulabstande hinausreichenden thermischen Wellen aus- bilden konnen, denen bei geordneten Zustanden der Hauptanteil der Warmeleitfahigkeit zuzuschreiben ist, und deren gegenseitigen Storungen dort die Ursache des starken negativen Temperatur- koeffizienten der Warmeleitfahigkeit bilden.

c) S t i c k o x y d u l

Das Versuchsgas wurde einer Bombe entnommen und durch Rektifikation gereinigt.

Dennoch liegen die erhaltenen MeBpunkte (Tab. 4 und Abb. 5) nicht auf einer glatten Kurve, so da8 das Vorhandensein irgend einer Storung angenommen werden mug. Indessen liegen keine Anzeichen vor, daB die Messung als solche durch grogere Fehler beeintrachtigt worden sei I); moglicherweise hat sich im Laufe der

T a b e l l e 4

Der Kristall war einwandfrei.

Stickoxydul

121;s 136,6 150,2

TO K

89.8 ~ 0.001 110

I I . . cal/cm. 0 . sec

799 806 846

100;o I ' I110 110.2 916

1) Leider war es uns aus auEeren Griinden nicht mehr miiglich, durch Ausfiihrung einer sweiten oder dritten Versuchsreihe die Ursache der Unregel- miioigkeiten zu ermitteln.

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A . Eucken u. E. Schriider. Das WarmeleitvermGgen usw. 619

sich iiber zwei Tage erstreckenden Versuchsreihe der innere Zustand des N,O etwas geandert, indem oberhalb 120' der Ordnungszustand des Kristalls ein wenig zugenommen hat l).

Auf alle Falle ergibt sich, da6 die Wdirrneleitfahigkeit des N,O erheblich kleiner ist (urn nahe den Faktor l /*), als die des CO, (vgl. Abb. 5): obgleich beide Stoffe in bezug auf ihre Kristallstruktur und ihre sonstigen physikalischen Eigenschaften sehr nahe mit- einander iibereinstimmen. Freilich besteht nun ein charakteristischer

70

Abb. 5. Warmeleitfiihigkeit des festen W,O und CO,

Unterschied darin, da6 die C0,-Molekeln symmetrisch,' die N,]O- Molekeln unsymmetrisch gebaut sind, und daB letztere nach den bisherigen Erfahrungen in bezug ihrer Orientierung in1 Gitter un- regelmagig angeordnet sind. Weon nun, wie oben dargelegt, die Torsionsbewegung der Molekeln zum Warmetransport im Prinzip merkliche Beitrage liefert, ist es einleuchtend, da6 der fragliche Anteil beim CO, erheblich groBer sein mu6, als beim N,O, d e m beim CU, hat man in bezug auf die Orientieiung der Molekeln einen innerhalb des ganzen Kristalls geordneten Zustand vor sich, beim N,O dagegen nicht. Auf diese Weise gelingt somit zwanglos eine Deutung des fiir das Wkmeleitvermogen des N,O erhaltenen Befundes, die sowohl mit den sonstigen Erfahrungen am N,O, wie auch mit den beim HBr entwickelten Vorstellungen im Einklang steht.

1) Mit den von E u c k e n und V e i t h (a. a. 0.) fiir das Verhalten der MolwLrme erhaltenen Ergebnissen stunde eine derartige Annahme nicht im Widerspruch , denn die hochste Temperatur , bei welcher diese Autoren ihr Versuchsmaterial temperten, betrug 120".

41'

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Zueammenfaseung

1. Es wurde in Anlehnung an S c h l e i e r m a c h e r eine Methode ausgearbtiitet, welche Relativmessungen des Wkmeleitvermogens ver- festigter Fliissigkeiten und Gase auszufuhren gestattet.

2. Die fiir Benzol (zwischen 90 und 273O I(), fiir Bromwasser- stoff (zwischen 78 und 142O K) und fur Stickoxydul (zwischen 90 und 150" K) erhaltenen Ergebnisse werdeu mitgeteilt.

3. Die Wkmeleitfahigkeit des Benzols folgt etwa dem 1/T-Gesetz. Beim HBr tritt eine starke, nahezu diskontinuierliche, mit einem Hysteresiseff ekt vei kniipfte Zunahme des W armeleitvermogens beim unteren Umwandlungspunkt ein (bei sinkender Temperatur betrachtet); NaO zeigt ein erheblich kleineres Warmeleitvermogen als CO,, obgleich beide Stoffe sonst physikalisch nahe miteinander verwandt sind.

4. Eine Uiskussion der f u r das HBr und NaO erhaltenen Er- gebnisse fuhrt zu Clem SchluB, daS bei Stoffen, die im festen Znstand ein Molekiilgitter bilden, die Torsionsbewegung der Molekeln u. U. einen erheblichen Beitrag zu der gesamten Warmeleitfahigkeit zn liefern vermag.

Der Gesellschaft fur Lindes Eismaschinen danken wir auch an dieser Stelle fur eine namhafte Znwendung, durch welche die Aus- fuhrung dieser Arbeit ermoglicht wurde.

G o t t i n g e n , Institut fur physikalische Chemie der Universitat.

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(Eingegangen 5. September 1939)