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ATLAN Nr. 182 Das Wrack im Eis von H. G. EWERS Im Großen Imperium der Arkoniden schreibt man eine Zeit, die auf Terra dem 9. Jahrtausend v.Chr. entspricht. Imperator des Reiches ist Orbanaschol III. ein brutaler und listiger Mann, der seinen Bruder Gonozal VII. töten ließ, um selbst die Nachfolge antreten zu können. Gegen den Usurpator kämpft Atlan, der Kristallprinz des Reiches und rechtmäßiger Thronerbe, mit einer stetig wachsenden Zahl von Getreuen. Doch mit dem Tag, da der junge Atlan erstmals Ischtar begegnet, der schönen Varganin, die man die Goldene Göttin nennt, hat er noch mehr zu tun, als sich mit Orbanaschols Schergen herumzuschlagen oder nach dem »Stein der Weisen« zu suchen, dem Kleinod kosmischer Macht. Atlan – er liebt Ischtar und hat mit ihr einen Sohn gezeugt – muß sich auch der Nachstellungen Magantillikens, des Henkers der Varganen, erwehren, der die Eisige Sphäre mit dem Auftrag verließ, Ischtar zu töten. Gegenwärtig befindet sich Atlan in der Gewalt des Vrentizianex, den man den KyrilianeSeher nennt. Atlan, der eine Sklavenrevolte gegen den wahnsinnigen Seher angezettelt hat, um seine Freiheit wiederzuerlangen, wird nach dem Scheitern der Revolte von Vrentizianex inmitten der Schneewüste ausgesetzt und dem Kältetod überantwortet. Atlans einzige Chance ist DAS WRACK IM EIS… Die Hauptpersonen des Romans: Atlan – Der Kristallprinz führt einen aussichtslosen Kampf. Vrentizianex – Ein varganischer Mutant. Woogie – Ein Sklave wird Atlans Gefährte. Grek1 – Kommandant eines Schlachtschiffs der Maahks.

Das Wrack im Eis

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ATLAN Nr. 182 

Das Wrack im Eis von H. G. EWERS 

 Im Großen Imperium der Arkoniden schreibt man eine Zeit, die auf Terra 

dem  9.  Jahrtausend  v.Chr.  entspricht.  Imperator des Reiches  ist Orbana‐schol  III.  ein brutaler und  listiger Mann, der  seinen Bruder Gonozal VII. töten ließ, um selbst die Nachfolge antreten zu können. Gegen den Usurpator  kämpft Atlan, der Kristallprinz des Reiches und 

rechtmäßiger Thronerbe, mit einer stetig wachsenden Zahl von Getreuen. Doch mit  dem  Tag,  da  der  junge Atlan  erstmals  Ischtar  begegnet,  der 

schönen Varganin, die man die Goldene Göttin nennt, hat er noch mehr zu tun, als sich mit Orbanaschols Schergen herumzuschlagen oder nach dem »Stein der Weisen« zu suchen, dem Kleinod kosmischer Macht. Atlan – er  liebt  Ischtar und hat mit  ihr einen Sohn gezeugt – muß  sich 

auch der Nachstellungen Magantillikens, des Henkers der Varganen,  er‐wehren, der die Eisige Sphäre mit dem Auftrag verließ, Ischtar zu töten. Gegenwärtig  befindet  sich Atlan  in  der  Gewalt  des  Vrentizianex,  den 

man den Kyriliane‐Seher nennt. Atlan, der eine Sklavenrevolte gegen den wahnsinnigen Seher angezettelt hat, um  seine Freiheit wiederzuerlangen, wird  nach  dem  Scheitern  der  Revolte  von  Vrentizianex  inmitten  der Schneewüste ausgesetzt und dem Kältetod überantwortet. Atlans einzige Chance ist DAS WRACK IM EIS…    

Die Hauptpersonen des Romans: 

Atlan – Der Kristallprinz führt einen aussichtslosen Kampf. 

Vrentizianex – Ein varganischer Mutant. 

Woogie – Ein Sklave wird Atlans Gefährte. 

Grek‐1 – Kommandant eines Schlachtschiffs der Maahks. 

   

1.  Die Lähmung fiel allmählich von mir ab, und ich konnte mich so bewe‐

gen, daß ich wieder in der Lage war, meine Umgebung zu überschauen. Als  erstes  sah  ich  durch  eine  transparente Wandung  hindurch  dichte 

schneeweiße  Wolken  und  einen  hellen  gelblichen  Fleck,  der  hindurch‐schien. Dann erblickte ich zwei Lebewesen. Das eine war eines jener hellhäutigen 

Wesen, die im Palast des Kyriliane‐Sehers als Sklaven fungierten. Und das andere war der Seher Vrentizianex selbst, groß und massig, mit 

metallisch  schimmernder  bronzefarbener  Haut,  Händen,  die  wie  große Krallen aussahen und einem mit dem Kopf verwachsenen Schuppenhut. Er trug noch immer sein Gewand aus rotem Samt. Irgendwie mußte Vrentizianex trotz seiner Blindheit gemerkt haben, daß 

die  Paralyse  von mir  abgefallen war, denn  er wandte mir  plötzlich  sein Gesicht zu. Ich blickte in die beiden funkelnden Kristalle, mit denen seine Augenhöhlen ausgefüllt waren. Ein trauriges Lächeln huschte über das entstellte Gesicht, dann sagte der 

Vargane mit leiser Stimme: »Du wolltest nicht in meinem Palast bleiben, Atlan. Gut, du sollst deinen 

Willen haben. Ich bringe dich fort.« Er  sprach wieder diese  seltsame Sprache, die  ich am Anfang nicht ver‐

standen hatte. Erst durch eine Hypnoschulung hatte  ich gelernt, die Spra‐che des Sehers wie meine eigene Sprache zu gebrauchen und zu verstehen. »Wohin bringst du mich?« fragte ich. Vrentizianex machte eine umfassende Bewegung mit einer Hand; mit der 

anderen Hand steuerte er das Fahrzeug, das, wie ich erkannte, ein Gleiter war. »Ich setze dich im Gebirge aus«, antwortete der Seher. »Dort wirst du frei 

sein, wie du es wolltest.« Ich richtete mich auf und warf einen Blick durch die teilweise durchsich‐

tige Wandung des Gleiters nach unten. Was ich sah, ließ mich erschaudern. Unter uns erstreckte sich, soweit das 

Auge zu blicken vermochte, ein schnee‐ und eisbedecktes Gebirge. »Alles hat seinen Preis«, erklärte der Seher… »Auch die Freiheit. Aber du 

wirst nicht allein sein müssen. Ich gebe dir Woogie…«, er deutete mit einer schwachen  Kopfbewegung  auf  das  hellhäutige Wesen,  »…  als  Begleiter mit. Außerdem erhaltet ihr Nahrung für einen Tag.« Ich warf einen skeptischen Blick auf den Sklaven, der nur etwa einen Me‐

ter groß und – wie  ich aus Erfahrung wußte – wie alle seine Artgenossen nicht sehr intelligent war. Er würde mir bestimmt keine große Hilfe sein. Dann sah ich an mir herab. Ich trug jetzt nur die einfache Bordkombina‐

tion der Arkon‐Raumfahrer, aber nichts mehr von meiner wertvollen Aus‐rüstung und auch keine Waffen. Es war sehr unwahrscheinlich, daß ich in dieser Kleidung und mit Nahrungsmitteln für nur einen Tag in der eisigen Schneewüste dort unten länger als anderthalb Tage überleben würde. »Damit  verurteilst  du mich  zum  Tode,  Vrentizianex!«  protestierte  ich. 

»Warum gibst du mir nicht eine bessere, eine echte Chance?« Die kristallenen Augen des Sehers funkelten und glitzerten, als wären sie 

auf geheimnisvolle Art am Leben. »Du hast noch eine Chance, Atlan«, antwortete er leise. »In der Nähe des 

Platzes, an dem  ich dich und Woogie aussetzen werde, liegt ein altes var‐ganisches Raumschiff  – mein Raumschiff.  Ich  habe  es  seit  undenklichen Zeiten nicht mehr benutzt, aber wenn du es erreichst, wirst du dort überle‐ben können.« Die Chance, das Raumschiff zu erreichen und dort zu überleben, kann nicht sehr 

groß sein! raunte mir der Logiksektor meines Extrahirns zu. Vrentizianex ist psychisch krank, und seinem kranken Hirn kann nur eine neue Teufelei eingefallen sein! Ich überdachte den Einwand und kam zu dem Schluß, daß ich eine Teu‐

felei des  Sehers nicht  ausschließen durfte.  Folglich mußte  ich versuchen, ihn in einem günstigen Augenblick zu überwältigen. Dann konnte ich mit dem Gleiter  in seinen Palast zurückkehren und mir die Mittel beschaffen, die notwendig waren, um zu Ischtar zurückzukehren oder nach Kraumon zu Fartuloon und meinen anderen Freunden. Scheinbar  jedoch ergab ich mich  in mein Schicksal. Ich blickte resigniert 

vor mich hin und warf ab und zu  einen  flüchtigen Blick auf die Schnee‐landschaft unter uns. Nach kurzer Zeit setzte der Vargane zur Landung an. Ein Hügel wuchs 

uns scheinbar entgegen, dann setzte das Fahrzeug auf. Vrentizianex deutete mit einer Krallenhand auf die Tür, die sich geöffnet 

hatte und durch die eisige Luft hereinwehte. »Geht!« befahl er. Ich tat so, als wollte ich auf die Tür zugehen. Im letzten Augenblick wir‐

belte ich herum und sprang den Seher an. Dummerweise lief mir in diesem Augenblick Woogie  in den Weg. Wir stießen zusammen, und  ich stürzte. Als ich mich wieder aufrichtete, traf die zur Faust geballte Krallenhand des Sehers mein Gesicht.  Ich  flog  zurück, prallte  gegen den Türrahmen  und wollte mich erneut auf den Varganen stürzen. Doch Vrentizianex hatte inzwischen Woogie gepackt und schleuderte ihn 

mit voller Wucht gegen mich. Der Anprall des  lebenden Wurfgeschosses fegte mich aus dem Gleiter. Ich  fiel  in den  Schnee  und  versank  bis  zu den Knien  darin.  Bevor  ich 

mich wieder aufgerappelt hatte, flog Woogie mir nach. Die Tür des Gleiters schloß sich, und das Fahrzeug startete senkrecht und  tauchte  in die Wol‐kendecke ein. Zitternd vor Zorn und Enttäuschung blickte ich nach oben, dann wandte 

ich mich um und unterzog das Gelände einer genauen Musterung. Dabei beruhigte ich mich allmählich wieder. Neben mir wühlte sich Woogie aus dem Schnee. Tränen liefen über sein 

bleiches Gesicht. »Noch leben wir, Woogie«, versuchte ich das Wesen zu trösten. »So lange 

man lebt, braucht man nicht aufzugeben. Vielleicht sollten wir zu Fuß zum Palast des Sehers zurückkehren.« »Nein, nein!« erwiderte Woogie mit schriller Stimme. »Der Herr würde 

uns töten!« Damit  ist  zu  rechnen!  teilte mir mein Extrahirn mit. Außerdem  dürfte  der 

Weg zum Palast des Sehers zu weit für einen Fußmarsch sein. Ihr würdet unter‐wegs zusammenbrechen und erfrieren. Ich holte  tief Luft und merkte dabei, daß es hier und  jetzt nicht so kalt 

war,  daß wir  erfrieren  könnten  –  jedenfalls  nicht,  solange wir Nahrung besaßen,  um  unseren  Stoffwechsel  aufzuheizen.  Allerdings  würde  es nachts viel kälter werden. »Wir  brauchen  einen  Platz,  von  dem  aus wir  das  Gelände  übersehen 

könnten«, erklärte ich und deutete auf einen Berg, der in der Nähe aufrag‐

te. »Diesen Berg beispielsweise. Verlieren wir keine Zeit!«   

 * 

 Als wir den Fuß des Berges erreicht hatten, hielt ich nach der besten Auf‐

stiegsmöglichkeit Ausschau. Woogie  stand  teilnahmslos  neben  mir.  Er  war  die  ganze  Zeit  über 

schweigend  hinter  mir  hergetrottet.  Wahrscheinlich  war  er  durch  sein Sklavendasein  abgestumpft  und  hatte  sich  damit  abgefunden,  in  Schnee und Eis zu sterben. Aber  ich war nicht gewillt, mich damit abzufinden.  Ich würde bis zum 

letzten Atemzug gegen den weißen Tod kämpfen, denn ich hatte ein Ziel, und wenn ich es erreichen wollte, mußte ich überleben. Endlich glaubte  ich, eine günstige Aufstiegsmöglichkeit entdeckt zu ha‐

ben.  Ich setzte mich  in Bewegung und stieg einen schneebedeckten Hang hinauf.  Es war  beschwerlich,  da  ich  bei  jedem  Schritt  bis  zum Knie  im Schnee versank. Auf halber Höhe drehte ich mich um und blickte zurück. Woogie stand noch immer dort, wo ich ihn verlassen hatte. Er war wirk‐

lich keine große Hilfe  für mich. Doch  ich durfte  ihn nicht einfach seinem Schicksal überlassen. »Woogie!« rief ich. »Worauf wartest du! Komm endlich!« Das Wesen schrak auf, dann setzte es sich in Bewegung. Möglicherweise 

war es durch sein früheres Sklavendasein so unselbständig geworden, daß es zu keiner eigenen  Initiative mehr  fähig war.  Ich würde  es als Sklaven behandeln müssen, wenn  ich wollte, daß es mit mir kam und nicht elend zugrunde ging. Woogie arbeitete sich den Hang herauf und hatte mich bald erreicht. Ich 

nickte ihm zu, dann ging ich weiter. Nach  einiger Zeit  erreichten wir  einen  Steilhang,  den wir  nicht  hätten 

bewältigen  können, wenn  sich  nicht  ein  schmales  Felsband,  schräg  auf‐wärts führend, an ihm entlanggewunden hätte. Allerdings war  das  Felsband  uneben  und  eisbedeckt,  und  schon  nach 

wenigen Metern glitt ich aus und wäre um ein Haar abgestürzt. Im letzten 

Augenblick konnte Woogie mich festhalten. »Danke!«  sagte  ich, nachdem  ich mich vom ersten Schreck erholt hatte. 

Der kleine Bursche war also doch ein brauchbarer Gefährte. Auch  im weiteren Verlauf  des Aufstiegs  bewies Woogie,  daß  ich  ihm 

zuwenig zugetraut hatte. Er bewegte sich sehr geschickt über das Felsband, und  ich  lernte sogar von  ihm, daß es günstiger war, auf allen vieren über das glatte Band zu kriechen anstatt aufrecht zu gehen. Dennoch waren wir beide  froh,  als wir den Steilhang bewältigt hatten. 

Vor uns lag eine nur schwach ansteigende Felsschulter, und dahinter kam die eigentliche Gipfelregion des Berges. Unsere Freude währte  jedoch nicht  lange. Auf der Felsschulter  lag, was 

zu erwarten gewesen war, eine viel höhere Schneedecke als auf den Hän‐gen.  Ich Versank oft bis zur Hüfte und mußte mich sehr mühsam voran‐kämpfen. Woogie erging es noch schlechter. Er versank manchmal bis un‐ter die Achseln im Schnee. Als ich mich nach dem ersten Drittel der Strecke umdrehte, war der klei‐

ne Bursche sogar ganz verschwunden. »Woogie?« rief ich. Keine Antwort. Ich rief noch einige Male, dann sah ich ein, daß ich es auf mich nehmen 

mußte, den beschwerlichen Weg bis zu Woogie zurückzugehen. Schließlich konnte ich ihn nicht sich selbst überlassen. Zwischendurch  rief  ich  immer  wieder  nach  meinem  Gefährten,  aber 

Woogie antwortete nicht. Als ich plötzlich ein Loch im Schnee entdeckte, ahnte ich, was geschehen 

war. Äußerst vorsichtig tastete ich mich an das Loch heran, das sich nur ein paar Schritt weit von meiner alten Spur befand. Als mein linker Fuß keinen Halt mehr fand, warf ich mich zurück. Schweratmend hockte ich im tiefen Schnee und überlegte. Woogie mußte  in  eine  Felsspalte  gestürzt  sein,  als  er  von meiner  Spur 

abgewichen war.  Ich mußte daran denken, daß  ich ebenso dort unten  lie‐gen konnte, denn von der Felsspalte war ja nichts zu sehen gewesen. Vielleicht war Woogie tot. Aber sicher konnte ich dessen nicht sein, auch 

wenn er mir nicht antwortete. Er mochte nur das Bewußtsein verloren ha‐ben und würde elend zugrunde gehen, wenn ich ihm nicht half. Aber wie sollte ich ihm helfen? 

Ich besaß weder ein Seil noch Kletterhaken,  ja nicht einmal eine Stange, mit der ich ihn – vielleicht – erreichen konnte. Durfte ich es riskieren, ohne Hilfsmittel den Abstieg in die Felsspalte zu 

wagen und dabei ebenfalls abzustürzen? War nicht die Mission, die noch vor mir lag, weitaus wichtiger als das Leben eines nur schwach intelligen‐ten Wesens? Die Erhaltung deines  eigenen Lebens hat den Vorrang! raunte mir mein Lo‐

giksektor zu. Aber  ich hatte nicht vor, auf diesen Rat zu hören. Er war zwar  logisch 

begründbar, aber auch nur dann, wenn ich den großen Rahmen übersah, in dem die Ursachen und Wirkungen aller kosmischen Dinge eingesponnen sind. Den  aber  konnte  ich  infolge meiner  Bildung  nicht  übersehen,  und eine  der  logischen  Folgerungen,  die  sich  aus  diesem Überblick  ergaben, war die, daß  intelligente Lebewesen  sich gegenseitig helfen müssen, und zwar mit der zwingenden Notwendigkeit eines Naturgesetzes, da Einzel‐wesen nicht ohne die Gemeinschaft existieren konnten und Ausbrüche aus den Gesetzmäßigkeiten  sich  schädlich auf die Gemeinschaften auswirken mußten. In diesem Sinne war es logisch, Woogie unter allen Umständen zu helfen, 

es zumindest zu versuchen, ganz abgesehen davon, daß es dafür auch ei‐nen gefühlsmäßig bedingten Beweggrund gab. Ich machte mich daran, zuerst den Schnee mit den Händen wegzuschau‐

feln, bis  ich den felsigen Rand des Loches selbst erkennen konnte. Es war ein gezackter Rand, und die Wandung darunter wies ebenfalls zahlreiche Vorsprünge auf, die ich als Kletterhilfen benutzen konnte. Allerdings  konnte  ich  nur  etwa  drei Meter  weit  sehen.  Darunter  lag 

Dunkelheit. Wieder rief ich – und diesmal antwortete Woogie, wenn auch nur mit ei‐

nem schmerzlichen Stöhnen. Immerhin bewies mir das Stöhnen, daß der Bursche noch lebte, und das 

spornte mich zu noch größerer Leistung an. Dennoch  nahm  ich mir  viel Zeit,  denn  ich  konnte Woogie  nur  helfen, 

wenn  ich unverletzt unten ankam. Behutsam arbeitete  ich mich hinunter. Die Öffnung über mir wurde zu einem  immer kleineren Lichtfleck – und plötzlich ertasteten meine Füße festen Grund. Vorsichtig stellte  ich beide Füße auf den Grund, wartete einen Moment 

und ließ erst dann die Vorsprünge los, die ich bis dahin mit beiden Händen umklammert hatte. Danach tat ich einen vorsichtigen Schritt. Ich stieß gegen etwas Weiches, bückte mich und konnte Woogies Körper 

ertasten. »Bist du verletzt?« fragte ich. Woogie stöhnte abermals, dann sagte er: »Mein Kopf!« Ich tastete nach Woogies Kopf, fühlte das Gesicht, den Schädel und konn‐

te bald darauf eine mächtige Beule entdecken, die sich an Woogies Hinter‐kopf gebildet hatte. Dann tastete  ich seine Arme und Beine ab, die  jedoch nicht gebrochen waren. »Du hast nur  eine Beule am Kopf, weiter nichts«,  sagte  ich. »Wenn du 

nicht hier erfrieren willst, mußt du dich schon aufraffen. Ich helfe dir, aus der Spalte zu kommen.« Es dauerte noch eine Weile, bis Woogie sich so weit erholt hatte, daß er 

meinem Rat folgen konnte. Dann aber brauchte er meine Hilfe kaum noch. Wir erreichten den Rand der Spalte gleichzeitig, krochen ein Stück weiter und befanden uns wieder in Sicherheit. Besorgt musterte ich Woogie. Doch der kleine Bursche schien einen har‐

ten  Schädel  zu  haben.  Er  hatte  sich  von  dem  Sturz  erstaunlich  gut  und schnell erholt. Nach kurzer Rast marschierten wir weiter. Wir erreichten den Gipfelauf‐

stieg, als die Sonne versank. Kurz darauf fegte ein eisiger Wind übers Ge‐lände, und wenig später begann es zu schneien. Aus dem Schneefall wurde ein regelrechter Schneesturm. Es war unmög‐

lich geworden, den Gipfel zu besteigen. Statt dessen mußten wir befürch‐ten,  im Schneesturm zu erfrieren, da er unsere Kleidung durchdrang und uns stark auskühlte. Glücklicherweise hatte  ich bei Tageslicht einen Schneewall gesehen, der 

sich etwa fünfzig Schritt links von uns auftürmte. Wenn es uns gelang, ihn zu erreichen und uns darin einen Unterschlupf zu bauen, konnten wir die Nacht vielleicht überleben. Ich  teilte meine Überlegungen Woogie mit. Der kleine Bursche  faßte sie 

als Befehl auf, was  ich stillschweigend akzeptierte, denn es erleichterte  in diesem Fall unsere Situation erheblich. Wir kämpften uns durch den Schneesturm. 

  * 

 Es war die Hölle. Um uns  tobte und brauste der Sturm, peitschte uns Schneekristalle  ins 

Gesicht und nahm uns den Atem. Wir hielten uns an den Händen, um uns nicht zu verlieren. Endlich hatten wir den Schneewall erreicht. Wir stürzten uns wie Berser‐

ker auf den weißen Hügel, der nur deshalb nicht vom Sturm weggeblasen worden war, weil eine fingerdicke Eiskruste ihn überzog. Nachdem wir die Eiskruste durchbrochen hatten, wühlten wir uns einen 

etwa fünf Meter langen Gang. Danach waren wir so ausgepumpt, daß wir uns einfach fallen ließen. Ich mußte in dem Augenblick eingeschlafen sein, als ich zu Boden sank, 

denn als ich erwachte, war das das letzte, an das ich mich erinnerte. Ich  setzte  mich  auf  und  lauschte  eine  Weile  dem  Heulen  des 

Schneesturms, dann  fiel mir auf, daß  ich außer meinen  eigenen keine A‐temzüge hörte. Ich tastete um mich, konnte Woogie aber nicht finden, obwohl die Höhle 

so eng war, daß er nicht aus meiner Reichweite gekrochen sein konnte. Es sei denn, in Richtung Ausgang. »Woogie?« rief ich fragend. Niemand antwortete. Ich stieß eine Verwünschung aus. Wenn Woogie die Höhle verlassen ha‐

ben sollte, dann war er verloren, und diesmal, so nahm ich mir vor, riskier‐te ich mein Leben nicht, um ihm zu helfen. Dennoch hielt ich die Ungewißheit nicht lange aus. Ich kroch durch den Stollen zurück. Der Eingang war zur Hälfte zuge‐

schneit, und in der Wehe fand sich tatsächlich die Spur Woogies. Der klei‐ne Bursche mußte  aus unerfindlichen Gründen  ins  Freie  gekrochen  sein. Möglicherweise war er längst erfroren. Ich kroch ein Stück weiter und stellte mit einemmal fest, daß es gar nicht 

mehr schneite. Nur der Sturm tobte mit unverminderter Heftigkeit. Ich  kroch  aus der  Schneehöhle  und wäre  beinahe  von der Gewalt des 

Sturmes umgerissen worden. Seltsamerweise war es nicht mehr stockdun‐

kel, und als ich aufblickte, erkannte ich den Grund dafür. Der Sturm hatte die Wolken hinweggefegt. Der Himmel war völlig klar, 

und von seiner so endlich erscheinenden und doch unendlichen Wölbung herab  funkelten  und  glitzerten  Tausende  von  Sternen  in  klarer  kalter Pracht. Lange hielt  ich mich bei dem Anblick allerdings nicht auf, denn es war 

eisig kalt. Ich  schaute mich um, ohne Hoffnung, Woogie dadurch  finden zu kön‐

nen.  Er war  so  gut wie  verloren,  denn  ich  konnte  bei  diesem  eiskalten Wind nicht lange im Freien bleiben, ohne zu einem Eiszapfen zu erstarren. Sehr verwundert war ich, den reglosen Körper meines Begleiters nur we‐

nige Schritte entfernt im Schnee liegen zu sehen. Mit klappernden Zähnen stapfte ich hinüber, packte den Burschen unter 

den Schultern und  schleifte  ihn  in die  relative Wärme und Geborgenheit der Schneehöhle zurück. Als ich nach seinem Puls tastete, spürte ich ihn zwar langsam, aber doch 

regelmäßig schlagen. Ich nahm Schnee und rieb sein Gesicht kräftig damit ein. Nach einiger Zeit kam der kleine Kerl wieder zu sich. »Was hattest du dir dabei gedacht, einfach hinauszugehen?« fuhr ich ihn 

zornig an. »Wenn ich nicht rechtzeitig erwacht wäre, wärst du schon tot.« Aber Woogie antwortete nicht. Er blickte mich nur ängstlich aus seinen 

großen Augen an. »Ab sofort handelst du nur noch mit meiner ausdrücklichen Erlaubnis!« 

befahl ich ihm. »Ist das klar?« »Ja, Herr!« antwortete Woogie schüchtern. Ich war überzeugt davon, daß  er  gehorchen würde, deshalb  versuchte 

ich, wieder  einzuschlafen,  denn  ich würde morgen  alle  Energiereserven brauchen, die mein Körper aufzubieten hatte. Doch es gelang mir nicht. Die Ereignisse, die dazu geführt hatten, daß ich schließlich in einer engen 

Schneehöhle auf einem unbekannten Planeten gelandet war, zogen wie ein Trivideofilm an meinem geistigen Auge vorbei. Ich grübelte darüber nach, was aus  Ischtar, aus Fartuloon und meinen anderen Gefährten geworden war, und da ich keine Antwort darauf fand, wurde ich so unruhig, daß ich am liebsten gleich aufgebrochen wäre. 

Aber noch immer tobte draußen der eisige Sturm, und solange er wehte, würde ich innerhalb kurzer Zeit draußen erfrieren. Ich mußte meine Unge‐duld bezähmen und warten, bis der Sturm nachließ und es Tag geworden war. Wenn die Sonne schien, würde es auch wärmer werden. Etwas neidisch horchte  ich auf Woogie, der  fest eingeschlafen war und 

tief  und  ruhig  atmete. Manchmal  hatten  fehlendes Wissen  und  geringe Intelligenz auch ihre unbestreitbaren Vorteile. Wer nicht über den Rahmen der eigenen Existenz hinausblicken konnte, dem wurden dadurch viel Un‐ruhe, Ungeduld und Ängste erspart. Aber trotz allem wollte  ich nicht mit Woogie tauschen. Endlich wurde  das  schrille Heulen  des  Sturmes  leiser,  sank  zu  einem 

Winseln ab und erstarb schließlich ganz. Als ich aus der Höhle trat und mich umschaute, sah ich die Sonne aufge‐

hen und die Gipfel wie  in  roter Feuersglut baden. Aber  ich  sah auch die riesige Weite  der  Gebirgslandschaft.  Kein  anderes  Lebewesen  ließ  sich sehen. Wahrscheinlich befanden sich außer Woogie und mir nur der var‐ganische Seher und seine Sklaven auf diesem Planeten. Ich kehrte in die Höhle zurück und weckte Woogie. Wir aßen etwas von 

den Vorräten, die Vrentizianex uns überlassen hatte, und tranken eine tee‐ähnliche Flüssigkeit aus dem Isolierbehälter. Danach brachen wir auf. Der Aufstieg zum Gipfel erwies sich als schwieriger, als es am Tage zu‐

vor  ausgesehen hatte. Der  Sturm hatte hohe  Schneewälle  an den  flachen Stellen des Hanges zusammengetrieben, die sich unter der Sonnenbestrah‐lung erwärmten und sich nicht halten konnten. Einmal donnerte eine mächtige Schneelawine dicht an uns vorüber und 

hüllte uns in eine Wolke von Schneestaub. Wir mußten die Gesichter zwi‐schen den Armen bergen, um nicht zu ersticken. Als  die  Lawine  verschwunden  war,  krochen  wir  aus  der  staubfeinen 

Schneewehe, die uns zugedeckt hatte, und setzten unverdrossen den Auf‐stieg fort. Und endlich hatten wir den Gipfel erreicht. Ich reckte und dehnte mich in der frostklaren Luft, die angenehm durch 

die wärmenden Sonnenstrahlen gemildert wurde. Vom Gipfel aus blickte ich weit über die eisige Gebirgslandschaft. So weit das Auge  reichte,  sah ich eisbedeckte Gipfel, dazwischen Täler und schneebedeckte Hochebenen. Dann  fiel mein Blick  in das Tal auf der anderen Seite – und  ich spürte, 

wie sich alles in mir zusammenkrampfte. Denn auf der Oberfläche des gewaltigen Gletschers, der sich schlängelnd 

durch das Tal wand,  lag ein  langes, walzenförmiges Gebilde, dessen For‐men mir nur zu gut bekannt waren. Ein Raumschiff der Maahks!   

2.  Ich  stand  fast  eine  ganze Minute  lang wie  erstarrt  auf dem Berggipfel 

und starrte unbewegt auf das riesige schwarze Walzengebilde. Ein Großkampfschiff der Maahks, der Erzfeinde des Großen Imperiums, 

war das letzte, was ich auf diesem Planeten zu sehen erwartet hatte. Ich spürte, wie der Haß auf diese Wasserstoff atmenden Intelligenzen in 

mir hochstieg und die klare Überlegung zurückzudrängen drohte. Der Haß verstärkte sich noch, als ich die Gestalten sah, die von hier oben insekten‐haft klein wirkten und um das Schiff herumwimmelten: Die Besatzungs‐mitglieder des Maahkschiffes. Die Maahks machten  sich  an  einer  riesigen Ausgrabungsstelle  auf  der 

Mittelmoräne des Gletschers zu schaffen. Dort standen große Energiefräsen und  Saugstrahlbagger mit  Druckkabinen  und  legten  etwas  frei,  das  ich zuerst nicht erkennen konnte. Als  ich  es  aber  dann  doch  erkannte,  verstärkte  sich mein Haß  auf  die 

Maahks noch mehr, denn das, was sie dort auszugraben im Begriff waren, war nach dem, was ich davon bisher sehen konnte, ein varganisches Dop‐pelpyramidenschiff. Das Raumschiff des Sehers? Es  ist  anzunehmen, daß  es  sich um das Raumschiff des Sehers handelt!  teilte 

mir mein Extrasinn mit. Vrentizianex dürfte nur dieses eine Schiff besessen ha‐ben. Aber es ist auch als sicher anzusehen, daß Vrentizianex von der Anwesenheit der Maahks wußte. Das leuchtete mir ein. Vrentizianex hatte mir also doch  eine Falle gestellt. Es  erschien mir  ty‐

pisch für den Seher, daß er ein Raumschiff verschenkte, von dem er wußte, daß er selbst nicht mehr darüber verfügen konnte. Aber es wäre sinnlos gewesen, sich darüber aufzuregen. 

Dieses Raumschiff bedeutete für Woogie und mich die einzige Möglich‐keit zum Überleben. Folglich mußten wir dort hinab und versuchen, in das Varganenschiff einzudringen. Und  das,  obwohl  es  dort  unten  von Maahks wimmelte,  die  bestimmt 

nicht zimperlich mit einem Arkoniden umgehen würden. Immerhin befan‐den sich das Große Imperium und das Sternenreich der Maahks im Kriegs‐zustand – und dieser Krieg war der erbittertste und erbarmungsloseste, der je zwischen den Sternen geführt worden war. Ein Krieg, in dem wir Arkoniden längst untergegangen wären, wenn wir 

infolge von  Schock und Furcht nicht  längst  einen mörderischen Haß  auf den Todfeind entwickelt hätten, der allein uns dazu befähigte,  im Kampf notfalls den eigenen Tod einzukalkulieren, wenn nur dem Feind dadurch Verluste zugefügt werden konnten. In deinem Fall  ist Haß  ein  schlechter Ratgeber!  teilte mir mein Logiksektor 

mit. Ein einzelner Mann kann mit Haß gegen ein ganzes Raumschiff voller Feinde nichts erreichen, noch dazu, wenn er die Pflicht hat, dafür zu sorgen, daß er selbst überlebt. Diese Argumentation war  von  so  zwingender  Logik,  daß  ich mit  aller 

Kraft gegen meinen Haß ankämpfte und ihn schließlich überwand. Endlich hatte ich meine klare Überlegung zurückgewonnen. Ich wandte mich um und sah, daß Woogie ebenfalls auf das Raumschiff 

im Gletschertal starrte. Als er meinen Blick bemerkte, erwiderte er ihn und fragte: »Freunde?« »Nein, Feinde«, antwortete ich. »Wenn sie uns entdecken, werden sie uns 

töten. Dennoch müssen wir hinunter, denn das alte Raumschiff der Varga‐nen ist unsere einzige Möglichkeit zum Überleben.« Woogie machte ein ängstliches Gesicht. »Aber wenn wir zu dem Schiff gehen, muß man uns entdecken«, wandte 

er ein. »Nur, wenn wir offen  an die Ausgrabungsstelle gehen«,  erwiderte  ich. 

»Wir müssen bei Tag hinab ins Tal, aber an eine Stelle, wo die Maahks – so heißen die Lebewesen aus dem schwarzen Walzenschiff – uns nicht sehen können. Dort warten wir den Einbruch der Dunkelheit ab, dann schleichen wir uns an.« Ich deutete auf die diesseitige Wallmoräne, die sich neben dem Gletscher 

hinzog und einen hohen Wall aus Geröll bildete. »Hinter diesem Wall können wir uns verborgen halten«, erklärte ich. »Al‐

lerdings  dürfen wir  nicht  an  dieser  Seite  des  Berges  absteigen,  sondern müssen den Weg zurückgehen, den wir gekommen sind. Dann umgehen wir den Berg und pirschen uns an die Seitenmoräne an.« Ich  überlegte,  ob  ich  den  Burschen  überhaupt mitnehmen  sollte,  denn 

dort unten würde er genauso in Gefahr sein wie ich. Er würde mir gegen‐über sogar im Nachteil sein, da er keinerlei Kampferfahrung besaß und erst recht nicht wußte, was bei der Annäherung an Maahks besonders zu be‐achten war. Doch ich hatte keine Wahl. Ließ ich Woogie hier zurück, kam er niemals 

in das varganische Raumschiff hinein und würde die nächste Nacht nicht überleben. Folglich mußte ich ihn mitnehmen. Er  erhob  auch keinerlei Einwände,  sondern  folgte mir,  als  ich mich  an 

den Abstieg machte. Hinab ging es etwas leichter als hinauf, da wir auf den flachen Eisfeldern rutschen konnten. Dennoch schwitzten wir, als wir den Fuß des Berges erreicht hatten. Aber  von  nun  an  ging  es  besser  voran. Wir  marschierten  durch  ein 

schmales Tal, das  teilweise  vom  Sturm  schneefrei  geblasen worden war, kämpften uns durch einige hohe Schneewehen und erreichten am  frühen Nachmittag den Steinwall der Seitenmoräne. Als ich mich vorsichtig über den Wall schob und zu den Maahks spähte, 

sah  ich, daß sie  ihre Ausgrabungsarbeiten  intensiviert hatten. Noch mehr Energiefräsen, Saugstrahlbagger und Antigravheber waren aus dem Wal‐zenschiff  zur  Ausgrabungsstelle  gebracht  worden,  und  ihr  Arbeitslärm dröhnte bis zu uns herüber. Die Maahks wollen das Varganenschiff bergen! teilte mein Extrahirn mir mit. Ich starrte hinüber und kämpfte erneut gegen den aufsteigenden Haß an. Eine neue Überlegung brach sich Bahn. Wenn es den Wasserstoffatmern gelingen sollte, das Raumschiff des Se‐

hers  zu  bergen  und  dessen  technische  Anlagen,  die  sowohl  denen  der Maahks als auch denen der Arkoniden hoch überlegen waren, zu ergrün‐den, dann würden sie diese Technik  in großem Maßstab einsetzen. Damit aber würde der Untergang des Großen Imperiums besiegelt sein. Folglich kam es nicht mehr allein darauf an, daß Woogie und ich in dem 

Varganenschiff die Möglichkeit  fanden,  selbst  zu überleben. Wir mußten 

außerdem verhindern, daß die Maahks die Technik der Varganen unter‐suchten und für ihre Zwecke nutzten. Das bedeutete, ich mußte kämpfen. Nach Möglichkeit hatte ich das Wal‐

zenschiff  der Maahks  so  zu  beschädigen,  daß  es mit  Bordmitteln  nicht mehr repariert werden konnte, und auch die Hyperfunkanlage mußte  ich unbrauchbar  machen.  Dann  würden  die Maahks  für  immer  auf  diesen Planeten verbannt bleiben. Noch besser würde es natürlich sein, ich konnte das Schiff mitsamt allen 

Maahks  in  die  Luft  sprengen. Wenn  sie  überlebten,  bestand  immer  die Gefahr, daß sie den Palast des Sehers entdeckten und dort die Möglichkeit fanden, über Hyperkom einen Notruf auszustrahlen. Sicher befanden sich andere Maahkschiffe in Funkreichweite. Ich kannte 

die Taktik der Maahks. Sie schickten ständig Aufklärungsverbände  in Re‐gionen der Galaxis, die von  ihnen noch nicht erforscht waren. Diese Ver‐bände  teilten  sich  einen  bestimmten Raumsektor  in  Suchkuben  auf,  und jedes einzelne Schiff flog einige Dutzend Sonnensysteme an, um auf even‐tuellen Sauerstoffplaneten nach arkonidischen Stationen oder Stützpunkten zu suchen. Fand eines ihrer Schiffe einen Stützpunkt, den es nicht allein vernichten 

konnte,  rief es über Funk eines oder mehrere der anderen Schiffe herbei. Das bedingte natürlich, daß die anderen Schiffe über Hyperfunk erreichbar sein mußten. Bei dem  im Tal gelandeten Walzenschiff konnte es sich nur um ein sol‐

ches Suchschiff handeln. Es gehörte jedenfalls zum entsprechenden Typ. Es hatte  sich zweifellos  in einen Orbit um diesen Planeten begeben, um mit seinen  Ortungsgeräten  nach  eventuellen  arkonidischen  Stützpunkten  zu suchen – und dabei war das alte Varganenschiff entdeckt worden. Ich seufzte. Es spielte in diesem Zusammenhang überhaupt keine Rolle, daß ich dem 

Imperator Orbanaschol und seiner korrupten Regierung den Kampf ange‐sagt hatte. Wenn auch Orbanaschol und ich auf verschiedenen Seiten stan‐den, so war ich dennoch voll und ganz auf der Seite meines, des arkonidi‐schen Volkes. Das änderte die Sachlage, denn in diesem Fall hatte ich mich notfalls zu 

opfern, wenn es mir dadurch nur gelang, den Maahks das technische Erbe der Varganen vorzuenthalten. 

Wenn  ich hier starb, würde Fartuloon den Kampf gegen Orbanaschol e‐ben allein mit unseren Freunden führen müssen. »Hast du Angst, Herr?« fragte Woogie. Ich lächelte. »Nein, jetzt nicht mehr«, antwortete ich.  

 * 

 Nachdem wir den Rest unserer Lebensmittel gegessen hatten, warteten 

und beobachteten wir weiter. Erneut bewölkte  sich der Himmel. Die Luft  roch  förmlich nach neuem 

Schneefall. Ich hoffte, daß nicht auch diesmal bei Einbruch der Dunkelheit ein Schneesturm  losbrach.  In  ihm hätten wir den Weg zur Ausgrabungs‐stelle nicht geschafft. Es wurde  kälter,  da  die Kraft  der  Sonne  nicht  genügte,  um  durch  die 

Wolken hindurch ausreichend Wärme zu spenden. Woogie und ich zitter‐ten  heftig. Wir  verschafften  uns  notgedrungen  Bewegung,  um  unseren Kreislauf  anzuheizen,  obwohl wir  damit  kostbare  Energie  verbrauchten, ohne sie durch Nachschub an Nahrungsmitteln ersetzen zu können. Ich schätzte, daß wir den nächsten Tag nicht mehr erlebten, wenn es uns 

nicht während  dieser  einen Nacht  gelang,  in  das  varganische  Schiff  zu kommen und damit der Kälte zu entfliehen. Kaum war die Sonne versunken, fing es wieder an zu schneien. Glückli‐

cherweise fielen die Schneeflocken sehr spärlich, und es gab keinen Sturm. Überall  im Tal  flammten die Scheinwerfer  auf, die die Maahks  an  ihre 

Ausgrabungsgeräte montiert  hatten. Auch  beim Walzenschiff  leuchteten starke Scheinwerfer. In den Lichtkegeln bewegten sich die Maahks in ihren schweren  Schutzanzügen.  Für  sie  war  die  Sauerstoffatmosphäre  dieses Planeten hochgiftig. Außerdem hätten sie die Kälte keine Minute lang aus‐gehalten, denn  ihr  Stoffwechsel benötigte viel höhere Temperaturen und Dichten, als sie selbst auf tropischen Sauerstoffplaneten herrschten. Wir warteten noch zwei Stunden, dann brachen wir auf. Der Schneefall 

schützte uns vorläufig noch gegen direkte Beobachtung. Das änderte sich, als wir an die Grenze des erhellten Bereichs kamen. Wir schützten uns dagegen,  indem wir noch  innerhalb der Dunkelzone 

auf die Seite der Mittelmoräne gingen, die vom Walzenschiff der Maahks abgewandt war. Dieser Wall aus  rund geschliffenen Steinen und Felsblö‐cken zog sich, wie schon sein Name verriet, ungefähr in der Mitte des Glet‐schers  entlang  und wurde durch den Druck des Eises  auf  beiden  Seiten hochgeschoben, so daß er wie eine riesige Mauer wirkte. Als wir noch ungefähr zweihundert Meter von der Stelle der Mittelmo‐

räne entfernt waren, an der sich die Ausgrabungsstelle befand, hielten wir an. Es wurde höchste Zeit, daß  ich mir einen Plan zurechtlegte, wie wir di‐

rekt an die Ausgrabungsstelle und durch sie an das Varganenschiff kom‐men konnten, ohne von den dort herumwimmelnden Maahks entdeckt zu werden. Ich hatte mir  schon die ganze Zeit über den Kopf zerbrochen, um eine 

brauchbare Möglichkeit zu  finden, aber erfolglos. Sobald wir auf den Rü‐cken  der  Mittelmoräne  stiegen,  würden  wir  von  den  Lichtkegeln  der Scheinwerfer  erfaßt werden. Dann war  es  aus,  denn wir  besaßen  keine Waffen, mit denen wir uns gegen die Maahks verteidigen konnten. Ich erwog die Möglichkeit, mich den Maahks offen zu nähern und mich 

von  ihnen  gefangennehmen  zu  lassen, um dann  in  ihrem  eigenen  Schiff nach einer Gelegenheit zu suchen, etwas gegen sie zu unternehmen. Doch zu vieles sprach dagegen. Erstens war  es gar nicht  sicher, ob die Maahks überhaupt Wert darauf 

legten, mich  lebend  in  ihre Gewalt zu bringen. Normalerweise  töteten sie jeden Arkoniden, den sie antrafen, sofort. Das war  ja gerade das Grauen‐hafte an diesem Krieg, den man den Großen Methankrieg nannte. Die Was‐serstoffatmer  kämpften  nicht,  um  das Große  Imperium  zu  besiegen;  sie kämpften,  um  jeden  intelligenten  Sauerstoffatmer  zu  töten. Nur  darum hatten wir Arkoniden diesen unbändigen Haß gegen  sie entwickeln kön‐nen. Nur  in Ausnahmefällen machten die Maahks Gefangene  – und wir verhielten uns ebenso. Zweitens war zu bedenken, daß ein Sauerstoffatmer sich  in dem Raum‐

schiff  von Wasserstoffatmern  nicht  frei  bewegen  konnte  –  auch wenn  es ihm gelingen  sollte,  sich aus  seiner Zelle zu befreien. Der erste Atemzug hätte mich umgebracht, denn  selbstverständlich würden die Maahks mir keinen Druckanzug mit Sauerstoffversorgung überlassen und mir dadurch die Gelegenheit zum Ausbruch aus meiner Zelle geben. 

Folglich mußte ich mir etwas anderes einfallen lassen. Und es waren die Maahks selbst, die mich auf eine Idee brachten. Das  lag natürlich nicht  in der Absicht der Maahks, sondern es geschah 

rein zufällig, daß eine Energiefräse ihren Standort an der Ausgrabungsstel‐le genau  in dem Augenblick veränderte, als einige Maahks mit Hilfe von Detonatoren einige größere Felsblöcke wegsprengten. Dabei strichen die Lichtkegel der Maschinenscheinwerfer über das Firn‐

feld auf unserer Seite der Mittelmoräne – und  in  ihrem hellen Lichtschein sah ich eine kleine Gletscherspalte, aus der im Takt der Detonatorexplosio‐nen Wölkchen von Eisstaub wirbelten. Sekunden später waren die Scheinwerfer der Energiefräse wieder auf die 

Ausgrabungsstelle  gerichtet. Die Gletscherspalte  entzog  sich meinen  Bli‐cken. Doch  ich  hatte  genug  gesehen,  um mir  einen Reim  darauf machen  zu 

können. Erstens  einmal  existierte dort vorn  eine Spalte. Das war  an  sich weder 

etwas Ungewöhnliches noch  für mich Bedeutsames. Bedeutsam wurde es erst  durch  den  Umstand,  daß  die  Eisstaubwölkchen  im  gleichen  Takt hochgeschleudert worden waren, wie die Detonatoren der Maahks arbei‐ten. Es mußte folglich etwas geben, ein Medium, das die Detonationserschüt‐

terungen besonders gut leitete und das bis direkt unter die Gletscherspalte reichte, so daß die Vibrationen den Schneestaub aufwirbeln konnten. Und welches Medium  eignete  sich besser  zur Leitung von Vibrationen 

als die  stählerne und mit zahlreichen Hohlräumen versehene Außenzelle eines Raumschiffs…? Wenn aber das varganische Schiff mit einem Teil bis unter die Gletscher‐

spalte reichte, dann brauchten Woogie und ich nicht bis zur Ausgrabungs‐stelle zu schleichen, um an es heranzukommen. Wir brauchten nur in die Gletscherspalte hinabzusteigen. Ob wir dort dann die Möglichkeit finden würden, in das Varganenschiff 

zu gelangen,  stand natürlich wieder auf  einem anderen Blatt. Zumindest aber war die Chance, die sich uns überraschend bot, einen Versuch wert. Ich unterrichtete Woogie über meinen Plan, dann brachen wir  auf und 

marschierten im Sichtschutz des Moränenwalls zur Spalte.  

 * 

 Wir gelangten zu der Gletscherspalte, ohne daß die Maahks uns entdeck‐

ten. Nur einmal huschte ein Scheinwerferkegel über uns hinweg, da er aber nicht dazu bestimmt war, nach jemandem zu suchen, sondern nur zufällig während  eines Positionswechsels diese Gegend überstrichen hatte, achte‐ten die Maahks naturgemäß nicht darauf, was von dem Lichtkegel erfaßt wurde. Wir hatten uns hingeworfen, als der Scheinwerferkegel uns traf, und wir 

blieben  auch  danach  noch  eine Weile  bewegungslos  liegen. Doch  nichts geschah. Erleichtert setzten wir unseren Weg fort. An  der Gletscherspalte  angekommen,  sahen wir,  daß  sie  zirka  achtzig 

Meter  lang  und  durchschnittlich  etwa  drei Meter  breit war. Wie  tief  sie war, konnten wir nicht erkennen. Aber daraus, daß die Maahks mit  ihren Maschinen sehr tief nach dem Varganenschiff hatten graben müssen, konn‐te ich schließen, daß die Außenzelle des Schiffs an dieser Stelle mindestens fünfzehn Meter tief liegen mußte. Ich wußte, wie gefährlich es war, sich ohne Seil oder andere Sicherheits‐

maßnahmen in eine fünfzehn Meter tiefe Gletscherspalte zu wagen, deren Eiswände naturgemäß glatt waren. Wir hatten nur dann eine Chance, heil hinabzukommen, wenn es ausrei‐

chend Risse gab, in denen wir uns festzukrallen vermochten. Aber uns blieb keine andere Wahl, wenn wir nicht erfrieren wollten. Die 

Nachtkälte machte sich ohnehin schon bedenklich bemerkbar. Woogie und ich waren schon halb irr vor Kälte und steckten unsere bloßen Hände im‐mer wieder  in die Achselhöhlen, damit uns die Finger nicht  abfroren.  In meinen Ohren schien ein höllisches Feuer zu brennen, und meine Nase war schon ganz gefühllos geworden. Woogie schnüffelte am Rand des finsteren Abgrunds, dann meinte er: »Ich rieche etwas Fremdes, Herr.« »Das wird das Raumschiff sein«, erwiderte ich, obwohl ich nichts Frem‐

des roch. Aber die Sinne dieses kleinen Wesens waren zweifellos schärfer als meine. »Woogie steigt zuerst hinunter«, sagte der kleine Bursche. »Er kann bes‐

ser klettern als Atlan.« 

Das stimmte zwar, aber mir widerstrebte es, meinen Gefährten vor mir die gefährliche Eiswand hinabklettern zu lassen. Er hat recht! raunte mir mein Logiksektor zu. Eure Chancen vergrößern sich, 

wenn du in diesem Fall auf ihn hörst. »Einverstanden, Woogie«,  erklärte  ich.  »Aber  nimm  dich  in  acht! Geh 

kein unnötiges Risiko ein! Es  spielt keine Rolle, ob wir ein paar Minuten früher oder später unten sind.« »Woogie ist geschickt und vorsichtig«, erwiderte der kleine Bursche. Ich sah zu, wie er sich auf den Bauch legte und sich rücklings in die Glet‐

scherspalte  hinabließ.  Seine Hände  krallten  sich  in  den  Rand, während seine Füße weiter unten nach einem Halt suchten. »Gut!« sagte er nach einer Weile zufrieden, nahm eine Hand vom Rand 

der Spalte und tastete mit ihr die Wand ab. Dann nahm er auch die andere Hand weg. Bald darauf tauchte er in die Finsternis der Spalte ein. Nur sein keuchen‐

des Atmen und das gelegentliche Scharren seiner Stiefel am Eis verrieten, daß Woogie sich noch unter mir befand. Ich  legte mich ebenfalls auf den Bauch und  ließ meinen Unterkörper  in 

die Spalte gleiten. Meine Hände krallten sich in den Rand, der so kalt war, daß mir die Finger zu erstarren drohten. Ich fragte mich, ob ich mich unter diesen Umständen lange genug würde halten können, um den Grund der Spalte  zu  erreichen. Doch  ich  schob diese Bedenken wieder zur Seite. Es gab nur zwei Möglichkeiten: entweder ich kam heil unten an oder mit zer‐schmetterten Gliedern. Eine andere Möglichkeit gab es einfach nicht. Dennoch glaubte ich unterwegs mehrmals, daß ich mich nicht länger hal‐

ten konnte. Meine Finger wurden immer gefühlloser. Ich riß mir die Haut an scharfen Eiskanten auf. Das herausquellende Blut gefror an der eisigen Luft fast sofort; den Schmerz spürte ich nicht. Nur mit  äußerster Willensanstrengung  zwang  ich mich  immer wieder 

dazu, nach neuen Möglichkeiten zu suchen, Halt  für Füße und Hände zu finden. Einmal  brach  ein Riß  im Eis,  in den  ich meine  Stiefelspitzen  ge‐zwängt hatte, weg, und ich sackte ab. Wenn meine Hände sich nicht durch den Ruck in einer anderen Spalte verklemmt hätten, wäre ich abgestürzt. Verzweifelt suchte  ich mit den Füßen nach einem neuen Halt,  fand  ihn 

und  stemmte mich  einige Zentimeter  hoch. Als  ich  die Hände  aus  dem Eisspalt  zog,  ging  die  Haut  in  Fetzen  mit  ab.  Diesmal  spürte  ich  den 

Schmerz  und mußte  die  Zähne  zusammenbeißen,  um  nicht  laut  aufzu‐schreien. Und noch immer war ich nicht unten. Als Woogie mir zurief, daß er am Grund der Gletscherspalte angekom‐

men sei, wurde mir vor Erleichterung so schwach, daß ich mich nicht mehr halten konnte. Ich rutschte an der Eiswand hinab, prallte mit den Füßen auf etwas Har‐

tes und wurde  im nächsten Moment von Woogie  festgehalten, damit  ich nicht nach hinten kippte und mir den Schädel aufschlug. Nach einer Weile machte ich mich los, kauerte nieder und betastete den 

Grund der Gletscherspalte. Im ersten Augenblick war ich enttäuscht, weil meine Finger nicht auf Me‐

tall  stießen,  sondern auf Eisstaub, unter dem  eine grobkörnige Eisschicht lag. Aber dann machte ich mir klar, daß ich nicht erwarten durfte, daß die Außenhaut des Varganenschiffs  freilag. Auch wenn die  Spalte  bis direkt auf das Schiff reichte, so war doch im Verlaufe der Zeit immer wieder ab‐bröckelndes Eis und hereinwehender Staub herabgefallen. Ich wollte mit den Fingern im Eis wühlen, da meldete sich abermals mein 

Extrasinn. Es wäre  zwecklos, nach  der  geschlossenen Außenhaut  des Schiffes  zu  suchen! 

teilte er mir mit. Du könntest sie mit bloßen Händen doch nicht durchdringen. Eure einzige Chance besteht darin, ein Leck zu finden, und das müßte sich durch eine Einsenkung bemerkbar machen. Das war  absolut  logisch,  aber  es machte  unsere Lage  so  gut wie  hoff‐

nungslos. Es wäre ein zu großer Zufall gewesen, wenn wir ausgerechnet in dem uns zugänglichen Teil der Außenhülle ein Leck entdeckt hätten. Die Wahrscheinlichkeit  dafür war  nach meiner  Schätzung  so  verschwindend gering, daß sie als vernachlässigbar angesehen werden mußte. Ich  kalkulierte  sie  dennoch  mit  ein,  weil  mir  einfach  nichts  anderes 

übrigblieb. Fanden wir kein Leck, konnten wir uns hinlegen und auf den Tod warten, und wir würden nicht lange warten müssen. Ich spürte bereits die Müdigkeit, den ersten Vorboten des Todes durch Unterkühlung. Bald würden meine  Stoffwechselvorgänge  so  stark  herabgesetzt  sein,  daß  ich mich  nicht  mehr  gegen  die  Müdigkeit  auflehnen  konnte,  sondern  ein‐schlief. Es würde ein Schlaf werden, aus dem es kein Erwachen gab. Nachdem ich meinem Gefährten erklärt hatte, wonach wir suchen muß‐

ten, gingen wir nach verschiedenen Richtungen auseinander. Ich wankte einfach mit vorgestreckten Händen durch die Finsternis und 

bemühte mich, an der linken Seitenwand der Spalte zu bleiben. Sobald ich ihr Ende  erreicht  hatte, wollte  ich  umkehren  und  an der  rechten  Seiten‐wand entlang zurückgehen. Danach mußte  ich mich  in der Mitte halten – und danach brauchte ich überhaupt nichts mehr zu tun, falls Woogie oder ich keine Vertiefung gefunden hatten, die ein Leck verriet. Ich hatte  an der  rechten  Seitenwand ungefähr die Hälfte meiner  Such‐

strecke zurückgelegt, als ich einen unterdrückten Schrei Woogies vernahm. Ich wollte rufen, brachte aber nur ein heiseres Krächzen zuwege. Meine 

Augenlider sanken herab, und  ich stieß meinen Kopf an die Eiswand, um mich am Einschlafen zu hindern. »Herr!« hörte ich Woogie rufen. »Ja?« brachte ich lallend hervor. »Ich habe gefunden, was du suchst, Herr!« rief Woogie. Die Erleichterung raubte mir den letzten Rest meiner Kraft. Ich knickte in 

den Knien ein und wäre zusammengebrochen, wenn mein kleiner Gefährte nicht gekommen wäre und mir wieder auf die Beine geholfen hätte. Gemeinsam wankten wir  zu der  Stelle,  an der Woogie  eine Vertiefung 

entdeckt hatte. Wir hatten nicht mehr die Kraft, vor der Vertiefung stehen‐zubleiben, sondern stolperten einfach weiter. Ich merkte, wie ich auf eine abschüssige Fläche geriet, konnte mich aber 

nicht halten. Kraftlos  stürzte  ich nach vorn, brach durch  eine dünne Eis‐kruste und schlug unsanft auf einem harten Boden auf. Eine Weile blieb ich liegen, dann tastete ich mit den Händen umher, be‐

kam ein Handrad zu fassen und drehte daran. Es  ließ sich spielend  leicht bewegen, denn die Handradgewinde moderner Raumschiffe sind unemp‐findlich  gegen  Temperatureinflüsse.  Ihre  Fluoroplastbeschichtung  garan‐tiert unter aller» Bedingungen eine einwandfreie »Schmierung« und damit auch Beweglichkeit aller Teile gegeneinander. Schräg vor mir bildete sich ein Spalt, durch den der matte Lichtschimmer 

einer Art Notbeleuchtung drang. Ich hätte am liebsten laut gejubelt, doch dazu fehlte mir die Kraft. Meine 

Energie reichte gerade noch aus, das Handrad zu drehen, bis der Spalt groß genug war, um mich durchzulassen. Ich kroch auf allen vieren hinein, spürte, wie Wärme mich umgab, und 

brachte es gerade noch  fertig, nach Woogie zu rufen, als die Erschöpfung mich übermannte.   

 3. 

 Als  ich  erwachte, waren meine Glieder  immer noch bleischwer vor Er‐

schöpfung. Dennoch fühlte ich mich schon erheblich besser, denn ich wußte, daß es 

mir – aller Wahrscheinlichkeitsschätzungen zum Trotz – gelungen war, in das Varganenschiff einzudringen. Da  ich diese Doppelpyramidenschiffe, dank  Ischtar,  inzwischen  fast  so 

gut kannte wie unsere arkonidischen Raumschiffe, wußte ich, daß ich nicht erfrieren konnte, auch wenn die Energieaggregate des Schiffes zweifellos seit undenklichen Zeiten deaktiviert waren. Aber die Varganen hatten gewisse Notvorrichtungen in ihre Raumschiffe 

eingebaut.  So  beispielsweise  bioaktive Überzüge  auf  den  Innenwandun‐gen, die aus Mikrolebewesen bestanden, die mit Hilfe spezieller Enzyme in der Lage waren, sich von der sie umgebenden Masse sehr  langsam zu er‐nähren, wobei die Ausscheidungen  ihrer  Stoffwechselprozesse Licht und Wärme erzeugten. Zwar reichte das auf diese wunderbare Weise entstehende Licht gerade 

aus, um ein ungewisses Halbdunkel zu schaffen, und auch die abgegebe‐nen Wärmemengen waren  sehr gering, aber wenigstens konnte man  sich dabei orientieren und brauchte vor allem nicht zu erfrieren. Ich  erkannte,  daß  ich mich  in  einer  Schleusenkammer  befand.  Es war 

demnach doch kein absoluter Zufall gewesen, der mich ins Innere des Var‐ganenschiffs gebracht hatte. Jemand – vielleicht Vrentizianex – hatte, bevor er das  Schiff  verließ, das Außenschott  einer Mannschleuse  geöffnet  oder nur vergessen, es zu schließen. Es wäre auch zu unwahrscheinlich gewe‐sen, daß sich gerade am Grund der Gletscherspalte ein Leck in der Außen‐hülle befunden haben sollte, die so fest war, daß sie selbst starkem Strahl‐beschuß eine gewisse Zeitspanne lang widerstand. Woogie, der mir gegenüberlag und  fest schlief, schreckte empor, als  ich 

mich erhob. 

»Es  ist  alles  in Ordnung, Woogie«,  sagte  ich.  »Wir  sind  im Raumschiff des Sehers und können wenigstens nicht erfrieren. Allerdings dürfen wir es nicht dabei bewenden lassen. Wir brauchen Waffen und Ausrüstung – und wenn sich an Bord dieses Schilfes Nahrungskonzentrate befinden, können wir auch unseren Hunger stillen.« Und das, so überlegte ich, kam an erster Stelle. Ich fühlte mich trotz des 

erholsamen Schlafes sehr schwach. Die Strapazen und die Kälte hatten an den  Reserven  meines  Körpers  gezehrt,  und  wenn  ich  etwas  gegen  die Maahks unternehmen wollte, mußte ich diese Reserven erst wieder auffül‐len. Ich war ziemlich sicher, daß es, wenn sich an Bord Schutzanzüge befan‐

den,  kein  Problem  sein  würde,  unseren  Hunger  zu  stillen.  Zu  jedem Schutzanzug gehörte auch bei den Varganen eine eiserne Ration an biosyn‐thetischen Nahrungskonzentraten und versiegelten Wasserkonserven. Bei‐des hatte eine praktisch unbegrenzte Haltbarkeit. Woogie erhob sich ebenfalls, dann bewegten wir uns durch den Korridor, 

in dem wir  aufgewacht waren,  tiefer  in das Schiff hinein. Von  irgendwo waren  Geräusche  zu  hören;  es  konnten  nur  die  Geräusche  der Ausgra‐bungsmaschinen sein, die von der Schiffszelle weitergeleitet wurden. Ob  sich  bereits Maahks  an  Bord  befanden,  konnten wir  von  unserem 

Standort  aus  nicht  feststellen. Aber  vorsichtshalber  bewegten wir uns  so leise wie möglich vorwärts. Unser  Korridor  war  ein  Stichkorridor,  der  in  einen  Rundumkorridor 

mündete. Die energetischen Transportbänder waren deaktiviert und dem‐nach  nicht  vorhanden.  Ich  erkannte  lediglich  die Abstrahlpulsatoren  für die Gleitenergie, die sich bei aktivierten Transportbändern wie festes Mate‐rial bewegte und sehr tragfähig war. Da ich den Bauplan dieses Schiffstyps im Kopf hatte, bereitete es mir kei‐

nerlei Schwierigkeiten, mich im Rundumkorridor zu orientieren, nachdem ich erst einmal im nächsten Raum festgestellt hatte, in welcher Schiffssekti‐on wir uns befanden. Es handelte sich bei dem betreffenden Raum um einen Kontrollstand für 

die Klimaanlage. Er wurde bei den Varganenschiffen normalerweise nie‐mals  benutzt, denn  alle  Systeme  funktionierten  vollautomatisch, wurden durch ein Positronengehirn gesteuert und überwacht und konnten von der Hauptzentrale aus von einer einzigen Person kontrolliert werden. 

Praktisch wurden derartige Kontrollstände nur benötigt, wenn nach einer Überholung des Schiffes alle Funktionen an Ort und Stelle durchgecheckt wurden  –  oder  wenn  durch  irgendwelche  Einwirkungen  die  Hauptpo‐sitronik und die Einrichtungen der Hauptzentrale gleichzeitig beschädigt worden waren. Ich hätte also von hier aus die Klimaanlage einschalten können, denn ich 

sah, daß augenscheinlich nichts beschädigt war. Falls nicht alle Brennstoff‐elemente  restlos  aufgebraucht  waren,  was  sehr  unwahrscheinlich  war, dann würden die Kraftwerke des Schiffes arbeiten und Energie liefern. Allerdings hütete  ich mich davor, auch nur einen Schalter zu berühren. 

Den  Energietastern  des Maahkraumschiffs wäre  die Aktivität  der Kraft‐werke nicht entgangen, und wir wären verraten gewesen. Immerhin wußte  ich  jetzt, daß eine der Ausrüstungskammern des Var‐

ganenschiffs  sich  nur  zwei Decks  tiefer  und  rund  dreihundert Meter  in rechter Richtung befand. Das war unser nächstes Ziel. Wir stiegen die Nottreppe des nächsten Antigravschachts hinab, verlie‐

ßen den Schacht zwei Decks tiefer und eilten auf die Ausrüstungskammer zu. Das  Schott öffnete  sich  selbstverständlich  ebensowenig wie die Schotte 

der Schleuse und des Kontrollstandes, da sie von der zentralen Energiever‐sorgung abhängig waren.  Ich betätigte deshalb auch hier das  für Notfälle vorhandene Handrad. Als das Schott sich geöffnet hatte, betraten wir die Ausrüstungskammer, 

die ebenso im Halbdunkel lag wie das gesamte Innere des Varganenschiffs. Meine Augen hatten  sich  inzwischen  an die  kärgliche Beleuchtung  ge‐

wöhnt,  so  daß  ich  die Magnethalterungen mit  den  daran  aufgehängten Kampfanzügen sofort sah. Mein Herz schlug höher, als  ich die  typisch varganischen Energieaggre‐

gate  auf  den  Rückenteilen  der  Kampfanzüge  erblickte.  Es  handelte  sich demnach  um  flugfähige  Konstruktionen,  die  auch  einen  hochwertigen energetischen Schutzschirm aufbauen konnten. Die Kampfanzüge waren  von  unterschiedlicher Größe,  und  ich  suchte 

mir einen heraus, der wie für mich gemacht zu sein schien. Leider gab es keine Schutzanzüge, die Woogie gepaßt hätten. Kein erwachsener Vargane war so klein gewesen wie mein hellhäutiger Gefährte, nämlich knapp über einen Meter groß. 

Woogie mußte also wohl oder übel ohne Schutzanzug auskommen. Ich streifte mir den Kampfanzug über, den ich ausgesucht hatte. Er paßte 

wie angegossen. Allerdings wagte ich nicht, das Energieaggregat einzuschalten, denn die 

Maahks  hätten  die  entsprechende  energetische  Aktivität  orten  können. Doch vorerst benötigte ich das Energieaggregat ja noch nicht. Dafür konnten wir uns mit den Konzentraten  sättigen, die wir  in allen 

Anzügen vorfanden. Es handelte sich, wie ich wußte, dabei um hochener‐getische Nahrung, die außerdem alle Vitamine und Mineralstoffe enthielt, die ein auf Eiweißbasis aufgebauter Organismus benötigte. Auch  die  hermetisch  versiegelten Wasserkonserven  waren  brauchbar. 

Das Wasser war so klar und schmeckte so frisch, als hätten wir es aus ei‐nem Bergquell geschöpft. Nachdem wir Hunger und Durst gestillt hatten, steckten wir soviel Kon‐

zentrate  aus  anderen Anzügen  ein,  daß wir  damit mindestens  vierzehn Tage leben konnten. Anschließend machte ich mich auf die Suche nach Waffen, die es in jeder 

Ausrüstungskammer gab. Ich  fand  die  Energiestrahler  in  einem  versiegelten  Stahlplastikschrank, 

den ich erst mühsam aufbrechen mußte. Es handelte sich um relativ leichte handliche Waffen, die genau in die länglichen Außentaschen paßten, die – unter anderem – an den Außenseiten der Schenkel an den Anzügen ange‐bracht waren. Ich  steckte  zwei  der  Strahler  sowie  einige  Energiemagazine  ein,  dann 

wollte ich Woogie im Gebrauch der Waffen unterweisen, als plötzlich eine harte Erschütterung durch das Schiff lief. Die  Schiffszelle  schüttelte  sich  förmlich,  so  daß wir  das Gleichgewicht 

verloren und stürzten. »Bleib liegen!« rief ich Woogie zu. Meine  Vermutung  bestätigte  sich.  Noch  siebenmal  schüttelte  sich  die 

Schiffszelle  sehr hart, dann  trat  für kurze Zeit Ruhe ein, bevor das Schiff mit einem lauten Krach irgendwo aufsetzte. Ich wußte sofort, was das bedeutete. Die  Maahks  hatten  das  Varganenschiff  mit  Fesselfeldern  und  An‐

tigravprojektoren angehoben und wieder abgesetzt. Ob es  ihnen gelungen war, das Schiff bereits an die Oberfläche zu brin‐

gen oder ob sie nur einen ersten Versuch zur vollständigen Bergung unter‐nommen hatten, konnte ich freilich nicht wissen. Aber  ich mußte damit rechnen, daß die Doppelpyramide gehoben wor‐

den war. Traf das zu, so konnte es nicht mehr lange dauern, bis die ersten Untersuchungskommandos der Maahks an Bord kamen. Mit knappen Worten unterrichtete ich Woogie über die veränderte Lage, 

dann brachen wir auf, um uns davon zu überzeugen, ob ich richtig vermu‐tet hatte.  

 * 

 Ungefähr zweihundert Meter vor der Hauptschleuse versteckten wir uns 

in einer Korridornische. Ich hatte gezögert, Woogie bei meinem Aufklärungsunternehmen mitzu‐

nehmen, denn bei einem Zusammenstoß mit Maahks wäre er infolge seiner mangelnden Kampferfahrung und ohne Schutzanzug etwa hundertmal so stark gefährdet wie ich. Andererseits konnte  ich den kleinen Kerl nicht  irgendwo  im Schiff ver‐

stecken, denn wenn die Maahks das Schiff gründlich durchsuchten, wür‐den sie  ihn  finden – und ohne mich wußte er nicht, wie er sich verhalten sollte. Folglich war mir nichts weiter übriggeblieben, als ihn bei mir zu behalten 

und dafür zu sorgen, daß er sich nicht versehentlich in Gefahr begab. Wir brauchten nicht lange zu warten, dann vernahmen wir einen dump‐

fen Schlag. Die Maahks hatten das Außenschott der Hauptschleuse aufgesprengt. Ich bedeutete Woogie, sich still zu verhalten, und zog mich mit ihm zur 

Mündung des nächsten Stichkorridors zurück, durch den wir einen Neben‐liftschacht  erreichen  und  auf  ein  beliebiges  anderes  Deck  überwechseln konnten. Kurz darauf wurde das Innenschott der Hauptschleuse von einer Explo‐

sion aufgerissen. Eine Weile  war  es  still,  dann  ertönten  polternde  Geräusche. Mehrere 

Scheinwerferkegel  flammten  auf  und warfen  ihr  Licht  in  den  Korridor. Wenig später tauchten einige Gestalten in schweren Schutzanzügen auf. 

Ich preßte die Lippen zusammen, als ich unter den transparenten Druck‐helmen die  für Maahks  charakteristischen wulstförmigen Sichelköpfe mit den oben aufgesetzten Augen erkannte. Das waren Todfeinde meines Volkes, und alles in mir drängte darauf, sie 

anzugreifen. Ich hätte diesem inneren Zwang nur zu gern nachgegeben und mußte al‐

le Willenskräfte mobilisieren, um  ihm zu widerstehen. Mir war klar, daß die varganischen Waffen, die  ich bisher erbeutet hatte, unzureichend wa‐ren, um damit gegen mehrere schwerbewaffnete Maahks zu bestehen. Ich hätte vielleicht einen von ihnen töten können, aber die anderen hätten das Feuer sofort erwidert und. Woogie und mich umgebracht. Deshalb zogen wir uns ein Stück weiter zurück, als die Maahks sich un‐

serem Versteck näherten. An die Nottreppe des nächsten Antigravschachts gepreßt, warteten wir, bis die Maahks  im Hauptkorridor vorbeigestampft waren.  Ich zählte  fünf Wasserstoffatmer, und sie  trugen außer  ihren Waf‐fen Geräte bei sich, mit denen sie wahrscheinlich die Einrichtung des Var‐ganenschiffs überprüfen wollten. Der ersten Gruppe folgten vier weitere Gruppen zu  je fünf Maahks, da‐

nach  trat  Ruhe  ein. Wir  hatten  es  also  mit  insgesamt  fünfundzwanzig Maahks zu tun, die sich im Schiff aufhielten. Ich überlegte, was ich unternehmen konnte. Viel war es nicht, das wurde mir sofort klar. Offen konnte ich nicht gegen 

die Maahks vorgehen. Blieb mir nur die Möglichkeit,  sie  zu  beobachten, ohne selbst entdeckt zu werden. Ich  gab Woogie  durch  Zeichen  zu  verstehen,  was  ich  vorhatte,  dann 

schlichen wir der letzten Gruppe von Maahks nach. Die  fünf  Wasserstoffatmer  stiegen  die  Nottreppe  des  nächsten  Lift‐

schachts hoch. Woogie  und  ich  kauerten  uns  neben  den  Einstieg  und  blickten  den 

Maahks nach. Als ich sah, daß die Maahks in dem Deck ausstiegen, in dem sich die Hauptzentrale befand, schwang ich mich ebenfalls in den Schacht und stieg ihnen lautlos nach. Woogie folgte mir. Wir stiegen nicht aus, als wir das Hauptdeck erreichten, sondern spähten 

nur aus dem Ausstieg. Die  fünf Maahks standen vor dem Panzerschott der Hauptzentrale und 

beratschlagten anscheinend, wie sie weiter vorgehen sollten. Leider war es 

mir nicht möglich, mich in ihr Gespräch einzuschalten und zu hören, was sie  sagten.  Ihre Helmsender  arbeiteten offenbar auf  einer Welle und Fre‐quenz, die für das varganische Helmfunkgerät unerreichbar war. Nach  einiger  Zeit  streckte  einer  der Maahks  seine  Tentakelarme  nach 

dem Handrad  aus, das  auch neben dem Panzerschott der Hauptzentrale vorhanden war. Er brachte etwa drei Umdrehungen zuwege, dann  füllte sich der Korri‐

dor vor der Hauptzentrale mit einem grellblauen Leuchten, das nicht  län‐ger als einen Herzschlag anhielt. Als das Leuchten erlosch, waren alle fünf Maahks verschwunden. Woogie schrie auf, und ich mußte ihm die Hand auf den Mund pressen, 

um ihn zum Schweigen zu bringen. Dabei war ich selber entsetzt über das, was wir gesehen hatten. Nicht, daß ich das Verschwinden der fünf Maahks bedauert hätte. Jeder 

tote oder verschwundene Maahk bedeutete einige tote Arkoniden weniger. Nein ich war entsetzt darüber, daß ich keine Ahnung von der Falle gehabt hatte,  die  die Hauptzentrale  dieses Varganenschiffs  vor  dem  Eindringen Fremder schützte. Wären die Maahks nicht schon jetzt an Bord gekommen, hätte ich wahrscheinlich selbst versucht, in die Hauptzentrale einzudringen – und dabei wäre es mir und Woogie zweifellos ebenso ergangen wie den Maahks. Vrentizianex mußte  das  Fallensystem  nachträglich  in  sein  Raumschiff 

eingebaut haben. Das gab den Geschehnissen  einen  anderen Aspekt. Vielleicht hatte der 

Seher wirklich nichts davon gewußt, daß die Maahks sein altes Raumschiff entdeckt hatten. Er brauchte sie ja gar nicht, um sicher zu sein, daß Woogie und ich umkamen. Er wußte, daß wir früher oder später in die Hauptzent‐rale  seines  Schiffes  eindringen würden  und  dabei  von  dem  grellblauen Leuchten beseitigt werden würden. Aber wir hatten keine Zeit,  lange darüber nachzudenken.  Ich nahm an, 

daß alle Maahks in ständiger Funkverbindung mit ihrem Raumschiff stan‐den beziehungsweise gestanden hatten. Wenn das zutraf, dann mußte es dem  Kommandanten  des Maahkschiffes  verdächtig  erscheinen,  daß  die Verbindung zu einer der Gruppen abgebrochen war. Er würde eine andere Gruppe hinterherschicken, um die Sache aufzuklären. Wenn Woogie und  ich dort blieben, wo wir uns befanden, mußten wir 

entdeckt werden. Deshalb mußten wir ein besseres Versteck suchen. Ich entschloß mich, mit Woogie in die Kabine des Kommandanten zu ge‐

hen, denn  es war die  einzige Kabine  auf  Schiffen dieses Typs, die  einen zum  darunterliegenden  Deck  führenden  Notausgang  besaß.  Falls  die nächsten Maahks auf den Gedanken kommen sollten, in diese Kabine ein‐zudringen, würden Woogie und ich uns immer noch zurückziehen können. Als  ich das Handrad neben dem Schott der Kabine betätigte, verspürte 

ich  ein  Prickeln  im Genick.  Es war Angst, Angst  davor,  die Kabine  des Schiffskommandanten  könnte  genauso  oder  ähnlich  abgesichert  sein wie die Hauptzentrale. Doch nichts geschah. Das  Schott  öffnete  sich. Woogie und  ich  schlüpften  in die Kabine und 

verschlossen das Schott hinter uns bis auf einen winzigen Spalt. Durch  diesen  Spalt  hindurch  vernahm  ich wenig  später  das  Trampeln 

schwerer  Stiefel  aus dem Nottreppenschacht des Lifts.  Fünf Maahks mit eingeschalteten Brustscheinwerfern tauchten auf und blickten sich im Kor‐ridor um. Zwei von  ihnen nahmen kleine Geräts aus Magnethaltungen  ihrer Waf‐

fengürtel  und  untersuchten  damit  peinlich  genau  das  Panzerschott  der Zentrale sowie Boden, Wände und Decke des Korridors unmittelbar davor. Als sie damit fertig waren, standen sie still. Offenbar unterhielten sie sich 

über die Helmfunkgeräte mit  ihren Gefährten und sicher auch mit  ihrem Kommandanten. Hatten sie etwas Verdächtiges festgestellt? Ich wußte es nicht, aber ich nahm es an, denn kurz darauf zogen sie sich 

in den Nottreppenschacht zurück, und einer von ihnen nahm das Panzer‐schott der Zentrale mit einem schweren Detonator unter Beschuß. Wieder  flammte das grellblaue Leuchten  auf,  aber diesmal wurde kein 

Maahk davon erfaßt. Als das Panzerschott unter der Wirkung des anhaltenden Detonatorbe‐

schusses förmlich zerbarst, erlosch das grellblaue Leuchten. Die Maahks verhielten  sich eine Weile  still, dann  stieg einer von  ihnen 

aus dem Nottreppenschacht und ging auf das geborstene Panzerschott zu. Ich konnte nicht umhin,  seine Tapferkeit  anzuerkennen. Er mußte wis‐

sen, daß er sich in größte Gefahr begab, denn es war nicht ausgeschlossen, 

daß die Falle auch bei zerstörtem Panzerschott noch funktionierte. Er stellte sich praktisch als Testperson zur Verfügung. Doch er hatte Glück. Ich ertappte mich dabei, daß  ich aufatmete, als der Maahk das zerstörte 

Schott unbehelligt erreichte und die Hauptzentrale betrat. Verwirrt versuchte ich, meine Gefühle zu analysieren. Wie hatte  ich  erleichtert darüber  sein können, daß  einer der Todfeinde 

meines Volkes nicht zu Schaden gekommen war? Hätte  ich  ihm nicht auf alle Fälle den Tod wünschen müssen? Ja und nein! gab mein Logiksektor durch. Ja, weil alle Maahks die Todfeinde 

deines Volkes  sind. Nein, weil  es  außerhalb  allen Hasses,  der  ein  vergängliches Phänomen  ist, ein natürliches Verbundenheitsgefühl zwischen allen Angehörigen intelligenter Arten gibt, vor allem, wenn sie die Entwicklungsstufe erreicht haben, auf der sie in großem Maße Weltraumforschung betreiben. Die Entwicklung strebt gesetzmäßig auf einen Zusammenschluß aller Intelligenzen jeder Galaxis zu einer Art Gesamtorganismus zu, und die Tendenz ist deshalb schon heute fühlbar, weil sie  in  einer viel  früheren Stufe der Evolution  erworben und  im genetischen Ge‐dächtnis verankert wurde. Ich runzelte die Stirn. Verbundenheitsgefühl zwischen Maahks und Arkoniden, das zu konsta‐

tieren, kam mir so ungeheuerlich vor, daß ich es kaum zu fassen vermoch‐te. Befanden wir uns nicht  in einem Krieg, bei dem entweder  sie oder wir 

untergehen mußten? Wieso konnte ich da Verbundenheit mit einem Maahk fühlen? Und doch hatte ich dieses Gefühl gespürt. Darum kam ich nicht herum. 

Vielleicht war dieses Gefühl die Ankündigung gewesen, daß  irgendwann einmal – allen Prognosen zum Trotz – eine Annäherung zwischen uns und den Wasserstoffatmern zustande kommen würde. Doch wie dem auch sei, ich durfte nicht vergessen, daß eine solche hypo‐

thetische  Annäherung  noch  weit  außerhalb  der  Realitäten  lag.  Diese Maahks waren die Todfeinde meines Volkes, und entsprechend mußte ich mich verhalten.  

 * 

 Ich  hatte  mit  dem  inneren  Handrad  den  Spalt  zwischen  den  beiden 

Schotthälften der Kabine vergrößert und sah, daß die übrigen vier Maahks ihrem Gefährten in die Hauptzentrale folgten. »Warte hier auf mich!« befahl  ich Woogie, dann verließ  ich die Kabine 

und schlich den Maahks nach. Durch das zerstörte Panzerschott hindurch sah  ich, wie die Wasserstof‐

fatmer  die  Kontrollen  der  Hauptzentrale  systematisch mit  den  Geräten untersuchten, die sie bei sich führten. Offenbar handelte es sich bei den an Bord  gegangenen  Gruppen  um  hochqualifizierte  Wissenschaftler  und Techniker. Das konnte ich jedenfalls aus der Art ihres Vorgehens schließen. Nach rund zwei Stunden hatten die Maahks nur drei Kontrollpulte un‐

tersucht. Sie stellten ihre Arbeiten ein und berieten sich, ohne daß ich etwas hören  konnte,  obwohl  ich  immer wieder  an  den  Einstellknöpfen meines Helmfunkgeräts drehte. Etwas später setzten die fünf Maahks ihre Untersuchungen fort. Ich war 

so beschäftigt damit, sie genau zu beobachten, daß ich die Geräusche hinter mir beinahe zu spät gehört hätte. Erst, als es im Liftschacht polterte, wurde ich aufmerksam. Ich  lief sofort zurück  in die Kabine, drehte am Handrad und schloß die 

beiden Schotthälften wieder bis auf einen ganz schmalen Spalt. Kurz darauf tauchten vier Maahks auf. Jeder saß auf einer Antigravplatt‐

form, die er aus dem stillgelegten Antigravschacht in den Korridor steuer‐te. Das  verräterische  Poltern mußte daher  gekommen  sein, daß  eine der Plattformen an die Liftschachtwandung gestoßen war. Andernfalls hätten die Maahks mich überrascht – und das wäre das Ende gewesen. Ich  brauchte  nicht  lange  herumzurätseln,  aus  welchem  Grund  die 

Maahks  vier  Antigravplattformen  in  die  Hauptzentrale  des  Varganen‐schiffs brachten. Dafür gab es nur eine Erklärung: Sie wollten alle wichti‐gen  Kontrollsysteme,  die  sich  ausbauen  ließen,  abmontieren  und  in  ihr Walzenschiff bringen, um sie dort in aller Ruhe untersuchen zu können. Und diese Erklärung gefiel mir ganz und gar nicht, denn sie bedeutete, 

daß die Maahks die Funktionsprinzipien einer vergleichsweise höherwer‐tigen  Raumschiffstechnik  ergründen  und  in  absehbarer  Zeit  in  großem Maßstab anwenden würden. Dadurch aber würden die Raumschiffe der Maahks gegenüber denen des 

Großen  Imperiums  die  entscheidende Überlegenheit  erringen  –  und  das Schicksal meines Volkes wäre besiegelt. Eine grauenhafte Vision bildete sich vor meinem geistigen Auge: Die drei 

Arkonplaneten verwüstet und entvölkert, die Flotte des Großen Imperiums zerschlagen und die wenigen Überlebenden meines Volkes gnadenlos von einer Welt zur anderen gehetzt, bis sie schließlich alle zugrunde gegangen waren. Ich konnte und wollte nicht zulassen, daß diese Vision sich erfüllte. Was 

in meiner Macht  lag, mußte  ich  tun, um zu verhindern, daß die Maahks sich des technischen Erbes der Varganen bemächtigten. In  der Hauptzentrale  allerdings  vermochte  ich  vorläufig  nichts  auszu‐

richten. Aber die Maahks würden mit den dort vorhandenen Kontrollsys‐temen solange nichts anfangen können, wie sie nicht auch die dazugehöri‐gen Funktionssysteme demontiert und in ihr Schiff gebracht hatten. Folglich mußte ich so viele Funktionssysteme wie nur möglich zerstören. Es war mir klar, daß die Maahks sehr bald merken würden, daß sich  je‐

mand an den Funktionssystemen zu schaffen machte. Aber das mußte ich in Kauf nehmen. Wenn ich nur genügend Schaden anrichten konnte, bevor ich gestellt und getötet wurde, hatte mein Opfer sich bezahlt gemacht. Nur darauf kam es an. Flüsternd machte ich Woogie klar, was ich vorhatte. Ich verschwieg ihm 

auch die Gefahren nicht,  in die wir uns damit bringen würden. Doch der kleine Bursche versuchte nicht, mich von meinem Vorhaben abzubringen. Er erklärte, daß er bei mir bleiben und notfalls mit mir zusammen sterben wollte. Im Grunde genommen  blieb  ihm  auch nichts  anderes übrig. Wenn  ich 

ihn wegschickte, würden entweder die Maahks  ihn entdecken und  töten, oder er würde in der Eiswüste umkommen. Dann war es schon besser, daß er mir half, so gut er konnte. Wir verließen die Kabine durch den Notausgang und begaben uns zuerst 

zum vollautomatischen Feuerleitsystem des Varganenschiffs. Der Zugang war  auch hier durch  ein Panzerschott versperrt, das  sich mit Hilfe  eines Handrads öffnen ließ. Ich  zögerte  eine Weile,  das  Handrad  zu  betätigen.  Noch  zu  deutlich 

stand mir das Bild der fünf Maahks vor Augen, die vor dem Panzerschott der Hauptzentrale  in einer blauen Leuchterscheinung verschwunden wa‐

ren, als sie versucht hatten, das Handrad zu betätigen. Möglicherweise war  auch  die  zweitwichtigste  Schiffssektion  besonders 

abgesichert, und Woogie und  ich vergingen oder verschwanden ebenfalls in einer grellblauen Leuchterscheinung. Da wir jedoch über keine schweren Waffen verfügten, mit denen sich das 

starkwandige Panzerschott der Feuerleitzentrale in einer vertretbaren Zeit‐spanne zerstören ließ, blieb mir nichts weiter übrig, als das Risiko einzuge‐hen. Ich winkte Woogie zur Seite, bevor ich das Handrad anfaßte. Wir brauch‐

ten uns schließlich nicht beide mutwillig in Gefahr zu begeben, obwohl der kleine Bursche ohne mich auch verloren wäre. Ich transpirierte, als  ich das Handrad bewegte. Aber kein blaues Leuch‐

ten flammte auf, und auch sonst erfolgte keine feindselige Reaktion. Unge‐hindert konnte ich das Panzerschott öffnen. Als die Öffnung groß genug war, winkte ich Woogie zu mir. Wir drangen 

in die Feuerleitzentrale  ein, und  ich blickte mich  in dem  auch hier herr‐schenden Halbdunkel aufmerksam um. Es war  jammerschade, diese wertvollen technischen Anlagen einfach zu 

zerstören.  Wie  viele  Jahrtausende  mochte  die  varganische  Technik  ge‐braucht haben, um  etwas wie das hier hervorzubringen? Vielleicht mehr als zehntausend Jahre. Die arkonidische Technik jedenfalls war mindestens noch zehntausend Jahre von diesem Entwicklungsstand entfernt. Ich unterdrückte mein Bedauern und wies Woogie an, mit seinen Waffen 

die eine Hälfte der Einrichtung zu zerschießen.  Ich nahm mir die andere Hälfte vor. Die Energiestrahlen unserer kleinen Waffen  fraßen  sich durch die Ver‐

kleidungsplatten  in  die  wertvollen  Funktionssysteme  und  vernichteten unschätzbare Werte.  Es wurde  heiß,  aber  ich  schloß meinen Druckhelm nicht, da ich Woogie gegenüber nicht im Vorteil sein wollte. Wir hatten  etwa drei Viertel der Einrichtung  zerstört,  als von draußen 

das Poltern und Stampfen schwerer Schritte zu hören war. »Aufhören!« rief ich Woogie zu. »Wir müssen weg von hier!« Wir liefen zum Schott, blickten auf den Korridor – und prallten erschro‐

cken zurück. Von  rechts  rannten  drei  schwerbewaffnete Maahks  herbei.  Sie  waren 

schon  zu  nahe,  als  daß wir  ungesehen  hätten  entkommen  können. Wir 

wären abgeschossen worden, wenn wir uns in den deckungslosen Korridor gewagt hätten. Kurz entschlossen packte ich Woogies Arm und zog ihn hinter den einzi‐

gen noch unbeschädigten freistehenden Schaltblock. »Du bleibst in Deckung!« befahl ich ihm und warf mich hinter einen halb 

zusammengeschmolzenen  Schaltblock.  Ich wollte  das  Feuer  der Maahks nicht auf Woogies Deckung lenken. Allerdings gab  ich mich keinen  Illusionen darüber hin, daß wir  lebend 

hier  herauskommen würden. Wir  konnten  nur  versuchen,  so  lange wie möglich Widerstand zu leisten und so viele Maahks wie möglich zu töten. Das heißt, eigentlich fiel diese Aufgabe mir allein zu. Woogie war nicht in der Lage, einen einzigen Schuß abzugeben, ohne selbst getroffen zu wer‐den. Als die drei Maahks mit angeschlagenen Waffen vor dem offenen Schott 

auftauchten, hob ich meine Waffe und schoß. Aber  der  Energiestrahl  traf  nur  die  gegenüberliegende  Korridorwan‐

dung, denn die Maahks waren alle drei plötzlich verschwunden. Zuerst vermutete ich, sie hätten sich so schnell hingeworfen, daß mir die 

Bewegung entgangen war, aber das erschien mir bei genauerem Nachden‐ken unmöglich. Ich riskierte es, meine Deckung zu verlassen und rannte im Zickzack auf 

das Schott zu. Doch niemand schoß auf mich. Als ich durch die Schottöffnung blickte, lag der Gang davor völlig verlas‐

sen da, und auch rechts und links war kein Maahk zu sehen. Nachdenklich  blickte  ich  auf  den  Gangboden,  auf  dem  die  drei Was‐

serstoffatmer  kurz  zuvor  gestanden  hatten. Meine  Augen  tränten  –  bei jedem Arkoniden das Anzeichen  für  starke Erregung –, als  ich die kaum sichtbaren feinen Linien auf dem Gangboden erkannte. Was  tatsächlich geschehen war, konnte  ich allerdings nur mit Hilfe der 

Phantasie rekonstruieren. Die Feuerleitzentrale mußte durch ein Fallensystem abgesichert sein. Bei 

mir  und Woogie  hatte  es  jedoch  nicht  funktioniert, was  nur  den  einen Schluß erlaubte, daß es ausschließlich auf artfremde Lebewesen ansprach, deren Metabolismus  von  dem  von  Varganen  und Arkoniden  grundver‐schieden war. 

Da es zu keiner Leuchterscheinung gekommen war, mußte sich, wie die feinen Linien andeuteten, unter den Maahks eine Öffnung gebildet haben, und da sie blitzartig verschwunden waren, konnte das nur durch ein star‐kes Saugfeld bewerkstelligt worden sein. Grauenhaft  für die Betroffenen,  aber  vorteilhaft  für Woogie und mich. 

Wir  waren  noch  einmal  davongekommen  und  konnten  unser  Zerstö‐rungswerk an anderer Stelle fortsetzen – allerdings kaum ungestört, denn das Auftauchen der drei Maahks schien zu beweisen, daß die Wasserstof‐fatmer gemerkt hatten, daß sich jemand in ihrem Beuteschiff aufhielt. »Komm!« sagte ich zu Woogie. »Wir machen weiter!«   

4.  Während wir durch die Gänge und Schächte des Varganenschiffs eilten, 

nahm der von den Maahks verursachte Lärm darin ständig an Lautstärke zu. Die Wasserstoffatmer suchten nach uns. Glücklicherweise kannte  ich mich an Bord dieser Doppelpyramiden gut 

aus, während die Maahks erst angefangen hatten, ihre Erfahrungen in die‐sem Schiffstyp zu  sammeln. So wußten  sie offenbar noch nichts von den separaten Gängen  für Hilfsroboter, die die  starken  Innenwandungen des Schiffes durchzogen. Die alten Varganen hatten während des Niedergangs ihre Kultur eine Aversion gegen Roboter entwickelt, waren aber gleichzei‐tig nicht ohne ihre Hilfe ausgekommen. Also hatten sie als Kompromißlö‐sung dafür gesorgt, daß  ihnen  ihre  robotischen Hilfskräfte  so wenig wie möglich begegneten. Das  kam Woogie und mir  zugute,  als wir uns  zur nächsten wichtigen 

Schiffssektion begaben; den Funktionselementen  für den Überlichtantrieb der Varganen. Es  war  einigermaßen  mühsam,  in  den  engen  Gängen  und  Schächten 

vorwärts  zu  kommen.  Zeitweise  blieb mir  nichts  anderes  übrig,  als  das Flugaggregat meines Kampfanzugs einzuschalten, Woogie auf die Arme zu nehmen und so durch senkrecht verlaufende Schächte zu schweben. Natürlich wurde dabei Streuenergie freigegeben. Doch da es wegen der 

aufwendigen  Lebenserhaltungssysteme  der  maahkschen  Schutzanzüge 

eine  ganze Menge  an  energetischer Aktivität  im  Schiff  gab,  brauchte  ich eine Anmessung der geringfügigen Streustrahlung nicht zu befürchten. Endlich  hatten wir  die  gesuchte  Sektion  erreicht.  Ein  einzelner Maahk 

bewachte  den  relativ  großen  Raum.  Mehr  hatten  die Wasserstoffatmer wohl vorerst nicht abstellen können, da sie naturgemäß versuchen mußten, möglichst alle Sektionen zu bewachen. Flüsternd  instruierte  ich  Woogie,  wie  er  sich  verhalten  sollte,  dann 

schlüpfte ich auf den Robotergang und huschte zwischen zwei Elementblö‐cken hindurch neben ein pyramidenförmiges Aggregat. Der Maahk  hatte mich  nicht  bemerkt.  Dennoch  konnte  ich  das  Feuer 

noch nicht eröffnen, denn sein Schutzschirm war aktiviert und  ich würde einige Zeit brauchen, um ihn mit Strahlschüssen aufzureißen. Nur Woogie konnte mir die benötigte Zeit verschaffen. Der Maahk marschierte in dem Raum hin und her. Die Augen auf seinem 

sichelförmigen Kopfwulst  beobachteten  die Umgebung  aufmerksam  und sehr präzise. Als Woogie aus  seinem Versteck  feuerte,  sprang der Maahk mit  einem 

gewaltigen  Satz  zur  Seite, warf  sich  hin und  zielte  auf das Versteck des kleinen Burschen. Ich wartete, bis er seinen Strahler abfeuerte. Woogie war nicht gefährdet, 

wenn er meine Anweisung beachtet und sich sofort zurückgezogen hatte. Als aus dem Strahler des Maahks ein sonnenheller Energiestrahl brach, 

feuerte ich. Der Maahk  reagierte nicht  schnell genug, weil er  lang und weil er  sich 

auf  den  anderen Gegner  konzentriert  hatte.  Bevor  er  sich  herumwerfen konnte, hatte mein Dauerfeuer seinen Schutzschirm so stark belastet, daß er in einer flimmernden Leuchterscheinung zusammenbrach. Mein Energiestrahl zerstörte den Schutzanzug des Maahks, und der ein‐

strömende Sauerstoff tötete das Wesen beim ersten Atemzug. »Du kannst kommen, Woogie!« rief ich. Mein kleiner Gefährte kam zögernd aus seiner Deckung hervor. Furcht‐

sam musterte er den riesigen Maahk  in dem unförmigen Schutzanzug. Er sah  ein  solches Wesen  zum  erstenmal  aus  unmittelbarer Nähe, und wer zum erstenmal einen Maahk sah, der konnte sich schon bei dem Anblick fürchten. »Fangen wir an!« sagte ich. 

Wieder  schossen mir mit  unseren  varganischen  Energiewaffen  auf  die Funktionselemente. Doch diesmal konnten wir nur knapp die Hälfte davon zerstören,  bevor  die Maahks  es  bemerkten  und  uns  einen  Einsatztrupp schickten. Wir kamen nur mit dem Leben davon, weil  in dem Augenblick,  in dem 

die Maahks durch das Schott  in den Raum stürmten, direkt vor  ihnen ein Funktionsblock explodierte und die ersten Wasserstoffatmer tötete. Das gab Woogie und mir die winzige Zeitspanne, die wir brauchten, um 

uns in den Robotergang zurückzuziehen. Wir waren schon mindestens zwanzig Meter tief in den Gang eingedrun‐

gen, als die ersten Strahlschüsse hineinfuhren und die Wände zerschmol‐zen. Ich  packte Woogie  und  stieß  ihn  in  einen  schräg  abwärts  führenden 

Schacht, dann sprang ich hinterher. Fürs erste waren wir außer Gefahr. Die Maahks wußten zwar, auf wel‐

chem Wege wir gekommen waren, aber  sie konnten uns nicht  folgen, da die Robotergänge zu eng für diese riesigen Lebewesen waren. Nach einer Weile legten wir eine Rast ein. Woogie zitterte an allen Glie‐

dern. Für dieses friedfertige Wesen waren die Kämpfe einfach zuviel. Ich überlegte, wohin wir uns als nächstes wenden konnten. Sicher schick‐

ten die Maahks immer mehr Leute aus ihrem Schiff herüber, und es würde immer schwieriger und gefährlicher werden, irgendwo Schaden anzurich‐ten. Doch das spielte längst keine Rolle mehr. Ich war sicher, daß die Maahks 

uns sowieso  töten würden – und da wir  in dem Varganenschiff nicht  für alle Zeiten untertauchen konnten, würde das früher oder später eintreten. »Wir nehmen uns die Astronomische Speichersektion vor«, überlegte ich 

laut. »Dort werden die Maahks uns am wenigsten erwarten, und doch  ist es wichtig, daß sie die gespeicherten astronomischen Daten nicht bekom‐men. Sie würden Hinweise auf andere varganische Welten und Stützpunk‐te erhalten und damit die Chance, weitere  technische Geheimnisse dieses uralten Volkes zu finden.« »Ja, Herr!« erwiderte Woogie. »Sag  nicht  ›Herr‹  zu mir«,  erklärte  ich.  »Ich  bin dein  Freund, Woogie. 

Nenne mich Atlan.« Aber  der  kleine  Bursche  getraute  sich  nicht,  von  meinem  Angebot 

Gebrauch zu machen. Zu tief war das Sklavenbewußtsein in seiner Psyche verwurzelt. Ich klopfte ihm auf die Schulter, dann machte ich mich auf den Weg zur 

Astronomischen  Speichersektion.  Unterwegs  entschloß  ich  mich,  einen Vorstoß in eine andere Ausrüstungskammer zu wagen. Dort waren, jeden‐falls bei Ischtars Raumschiff, schwere Waffen und handliche Bomben gela‐gert. Vor allem die Bomben konnten uns sicher sehr nützlich sein. Es gelang uns tatsächlich, die betreffende Ausrüstungskammer zu betre‐

ten, denn sie war unbewacht. Schnell raffte ich zusammen, was ich erreichen konnte, dann wandte ich 

mich wieder dem Robotergang zu. Plötzlich hörte ich vor dem geschlossenen Schott der Kammer das Stamp‐

fen maahkscher Raumstiefel. Ich  stieß meinen Gefährten vorwärts, nahm eine eigroße Fusionsbombe 

mit  verzögerter  Reaktionsdauer,  stellte  sie  auf  eine  Zünderlaufzeit  von zwei Minuten und warf sie hinter ein Regal mit Detonatoren. Dann eilte ich Woogie nach. Wir waren kaum mehr als zehn Meter in den Robotergang eingedrungen, 

als wir hörten, daß die Maahks in die Ausrüstungskammer stürmten. Ich schaltete mein Flugaggregat ein, packte Woogie und steuerte durch 

den stark gewundenen Gang, ohne Rücksicht darauf, daß  ich  immer wie‐der mit den Schultern und den Armen gegen die Wandung stieß und mir schmerzhafte Prellungen zuzog. Wir schwebten gerade einen kurzen senkrechten Schacht nach oben, als 

uns  eine Welle  kochender Luft  traf und  gleich  einem Korken durch den Schacht trieb. Wir wurden in eine runde Kammer gewirbelt, und ich schal‐tete mein  Flugaggregat  aus,  damit wir wieder  unser  normales  Gewicht erhielten. Schwer fielen wir zu Boden. Um uns orgelte und pfiff hocherhitzte Luft durch das separate Gangsys‐

tem,  dann  explodierten Waffenmagazine  und  andere  Bomben  und  ver‐wandelten einen Teil des Schiffes in ein Inferno. Als der Lärm aufhörte und die Luft allmählich wieder abkühlte, wartete 

ich darauf, daß die Maahks mit massierten Kräften nach uns suchen wür‐den. Doch nichts dergleichen geschah. 

Es  blieb  still,  beinahe  unheimlich  still.  Nur  von  ferne  vernahm  ich manchmal lautes Poltern, das sich aber mehr und mehr abschwächte. Die Maahks verlassen das Schiff! teilte mir mein Logiksektor mit. Ich überlegte noch, ob die Wasserstoffatmer etwa riskieren würden, die 

Doppelpyramide mit den Geschützen  ihres Walzenschiffes zu beschießen und  dabei  die  Zerstörung  wertvollster  technischer  Anlagen  in  Kauf  zu nehmen, da fühlte ich plötzlich eine rasch zunehmende Schwäche. Narkosestrahlen! konnte ich noch denken, dann erlosch mein Bewußtsein.  

 * 

 Es war, als hätte ich lange auf dem Grunde eines tiefen Sees gelegen und 

schwebte jetzt zur Oberfläche empor. Als mein Kopf die Oberfläche des imaginären Sees durchbrach, kam ich 

wieder voll zu Bewußtsein. Bevor ich irgendwie reagieren konnte, raunte mir mein Extrasinn zu: Vorsicht! Passiv verhalten, bis die Lage geklärt ist! Die Maahks hatten das Var‐

ganenschiff mit Narkosestrahlen beschossen;  folglich  sind  sie hier, um nachzuse‐hen, wer ihnen so sehr auf die Nerven fiel. Ich richtete mich nach dem Rat, doch die Maahks hielten wohl nicht viel 

von meiner Passivität, denn ich wurde von starken Händen gepackt, hoch‐gerissen und auf die Füße gestellt. Dabei sah ich Woogie – beziehungsweise das, was von dem armen Kerl 

übriggeblieben war. Die Maahks hatten  ihn mit einem Detonator getötet, wahrscheinlich, als  er noch bewußtlos gewesen war. Wenigstens hatte  er dadurch weder Furcht noch Schmerzen verspüren können. Ich konnte mir vorstellen, was die Maahks dazu bewogen hatte, Woogie 

zu töten. Sie hatten  ihn als unbedeutende Hilfskraft eingestuft, die für sie ohne Wert war, und Maahks nahmen niemanden gefangen, der ihnen nicht irgendwie von Nutzen sein konnte. Bei mir lagen die Dinge anders. Ich war unverkennbar ein Arkonide. Au‐

ßerdem hatte  ich durch meine Aktionen  im Varganenschiff verraten, daß ich große Kampferfahrung besaß und ein guter Taktiker war, woraus die Wasserstoffatmer  schließen mußten,  daß  ich  ein  hochgestellter Arkonide im Offiziersrang war. 

Es  spielte  vorerst  keine  Rolle,  daß  sie  sich  in  dieser  Beziehung  irrten. Wichtig war nur, daß  ich noch  lebte und überlegen konnte, wie  ich den Maahks soviel Schaden wie nur möglich zufügen konnte. Allerdings wür‐den die Maahks das voraussehen und sich entsprechend verhalten. Aber ich würde nicht aufgeben, solange ich lebte. Ein Maahk hielt mich fest, während ein anderer mich entwaffnete. Dann 

stießen die Wasserstoffatmer mich vorwärts. Es war klar, daß sie mich aus dem Varganenschiff  bringen wollten.  Ich  leistete  keinen Widerstand,  da ich, unbewaffnet, wie ich war, gegen die überlegenen Körperkräfte meiner Feinde nichts ausrichten konnte. Unterwegs zur Hauptschleuse begegneten wir weiteren Maahks. Manche 

transportierten  auf Antigravplattformen  demontierte Maschinenteile  und Kontrollinstrumente, andere schleppten Spezialwerkzeuge mit sich herum. Ich wurde nicht sonderlich beachtet, und auch meine Wächter behandel‐

ten mich nicht ausgesprochen brutal. Sie gingen  lediglich so rauh mit mir um wie mit einer beliebigen Sache. Ob sie überhaupt hassen konnten, war von  unseren Kosmopsychologen  noch  nicht  genau  herausgefunden wor‐den. Viele Wissenschaftler behaupteten, die Maahks wären überhaupt kei‐nes Gefühls fähig, also auch nicht des Hasses. Sie töteten und vernichteten nur, weil es ihnen logisch erschien, einen Feind völlig zugrunde zu richten, da ein toter Feind sich nicht wieder gegen sie erheben konnte. Als wir  das Varganenschiff  verließen, war  es  draußen  heller  Tag. Die 

Sonne schien als gelblicher Fleck durch eine geschlossene Wolkendecke. Es schneite nicht, und es war auch nicht unerträglich kalt. Das Walzenraumschiff der Maahks ragte als riesiges schwarzes Gebilde 

aus  dem  Schnee.  Ich  klassifizierte  es  als  neunhundert Meter  langes  und dreihundert Meter durchmessendes Schlachtschiff mit Zusatztriebwerken zur Erzielung höherer Beschleunigungswerte und normaler Bewaffnung. Meine Bewacher trieben mich durch eine Gasse im Schnee auf ihr Raum‐

schiff zu. Wir betraten das Schiff durch eine Nebenschleuse. Vorher mußte ich meinen Druckhelm zuklappen und den Schutzanzug schließen, denn in der  Wasserstoff‐Methan‐Ammoniak‐Atmosphäre  innerhalb  des  Maahk‐schiffs wäre  ich  sonst umgekommen, ganz  abgesehen vom hohen Druck und der hohen Temperatur der Atmosphäre, die von den Maahks geatmet wurde.  Außerdem  herrschte  an  Bord  des Walzenschiffs  eine  konstante Schwerkraft  von  schätzungsweise  drei  Gravos,  die  allerdings  vom  An‐

tigrav des varganischen Schutzanzugs bis auf den varganischen Normal‐wert kompensiert wurde. Als wir nach kurzem Gang durch das Schiff eine kleine Halle betraten, 

die durch eine  transparente Stahlwand unterteilt war, wußte  ich, daß die Maahks mich  in eine Niederdruckkammer mit Sauerstoffatmosphäre und den übrigen für Arkoniden zuträglichen Bedingungen sperren würden. Allerdings hatte ich erwartet, daß man mir befehlen würde, in der Über‐

gangsschleuse den Schutzanzug abzulegen. Zu meinem Erstaunen verzich‐teten die Maahks jedoch darauf. Ich hütete mich  selbstverständlich,  sie  auf  ihr Versäumnis  aufmerksam 

zu machen, denn  im Besitz  des  Schutzanzugs würde  ich mich  gefahrlos innerhalb des Maahkschiffes bewegen können,  falls  ich mich aus meinem Gefängnis befreien konnte – und darauf wollte ich mit aller Energie hinar‐beiten. Nachdem meine  Bewacher  die  Schleuse  elektronisch  verriegelt  hatten, 

ließen sie mich allein. Ich klappte den Druckhelm zurück und holte vorsichtig Luft. Die Luft war sauber und sauerstoffreich; sie enthielt etwas mehr Sauer‐

stoff als die Atmosphäre der drei Arkonwelten. Doch das machte mir nicht viel  aus.  Ich war  es  gewöhnt, mich  an  die  abweichenden Umweltbedin‐gungen unterschiedlicher Sauerstoffwelten rasch anzupassen. Meine Zelle enthielt eine Konturliege und einen Plastikhocker arkonidi‐

scher Bauweise, wahrscheinlich Beutestücke. Außerdem gab es ein gegen Sicht  abgeschirmtes Abteil mit hygienischen Einrichtungen. Das war bei‐nahe mehr Komfort,  als Arkoniden maahkschen Gefangenen  zukommen ließen. Ich setzte mich auf den Hocker und dachte nach. Eines  war mir  klar:  Die Maahks  wollten mich  verhören  und  hofften, 

wertvolle  Informationen von mir zu  erhalten. Sie konnten  logischerweise annehmen, daß  ich nicht der  einzige Arkonide auf diesem Planeten war. Sicher  vermuteten  sie,  daß  es  irgendwo  einen  arkonidischen  Stützpunkt gab – oder doch zumindest das Schiff, mit dem ich ihrer Ansicht nach her‐gekommen war. Ich fragte mich, wie lange ich sie hinhalten konnte, denn sobald sie merk‐

ten, daß es hier weder einen Stützpunkt noch ein Raumschiff gab und ich ihnen keine Informationen über militärische Details der Flotte des Großen 

Imperiums geben konnte, würden sie mich als unbedeutend einstufen und genau wie Woogie töten. Als zwei maahksche Techniker auf der anderen Seite der  transparenten 

Trennwand  erschienen und  einen Translator  installierten, wußte  ich, daß mein Verhör dicht bevorstand. Kaum waren  die  Techniker  verschwunden,  als  auch  schon  ein Maahk 

auftauchte, der, den Symbolen auf seinem Kampfanzug nach zu urteilen, der Kommandant dieses Schiffes sein mußte. Das  zirka  2,20 Meter  große und  1,50 Meter  breite Lebewesen musterte 

mich kalt aus seinen vier grünlich schillernden Doppelaugen auf dem Grat seines Kopfwulstes. Ich erwiderte den Blick mit äußerlicher Gelassenheit, erhob mich jedoch, 

da ich nicht als unhöflich erscheinen wollte. Nach einiger Zeit  schaltete der Maahk den Translator ein und bewegte 

seinen Mund. Ich konnte nicht direkt hören, was er sagte. Das Translatorgerät übersetz‐

te mit  seinem  positronischen  Funktionssystem  die  in Kraahmak  gespro‐chenen  Worte  meines  Gegenübers,  und  das  elektronisch‐mechanische Wortbildungssystem  formte aus den von der Positronik kommenden  Im‐pulsen Wörter und Sätze in Interkosmo. »Ich bin der Grek‐1 dieses Raumschiffs«, sagte der Maahk. Ich wußte, daß der  jeweilige Kommandant  jeder beliebigen maahkschen 

Einheit  – ob  es  sich nun um  ein Raumschiff,  einen Stützpunkt oder  eine ganze Raumflotte handelte – immer den Titel Grek‐1 trug. Mein Gegenüber war  also, was  ich  schon  vermutet  hatte,  der  Kommandant  des Walzen‐schiffs. »Ich habe verstanden«, gab ich zurück, und der Translator funktionierte 

in umgekehrter Richtung ebenso gut, was ich an der Reaktion des Maahks bemerkte. »Das ist gut«, erwiderte er. »Als arkonidischer Adliger werden Sie sicher 

begreifen, daß Sie mit mir kooperieren müssen, wenn Sie am Leben bleiben wollen.« Das war logisch. Aus meinen Handlungen an Bord des Varganenschiffs und aus meinem 

ganzen Benehmen mußten die Maahks  zu dem Schluß kommen, daß  ich ein hochgestellter Arkonide war – und nur adlige Arkoniden konnten die 

hohen Ränge innerhalb unserer Hierarchie erreichen. Allerdings konnten die Maahks nicht ahnen, wie hochgestellt ich tatsäch‐

lich war, auch wenn Orbanaschol bisher verhindert hatte, daß ich den mir zustehenden Rang im Großen Imperium einnahm. Und das war etwas, das ich ihnen auf gar keinen Fall verraten würde.  

 * 

 »Als Offizier des Großen Imperiums habe ich mich unter Eid verpflichtet, 

keinem  Feind  unseres  Reiches  militärische  Geheimnisse  preiszugeben«, antwortete  ich. »Solange Sie diesen Punkt nicht berühren, will  ich versu‐chen, mit  Ihnen  zu kooperieren. Aber warum haben Sie mich überhaupt am Leben gelassen?« »Das erfahren Sie später, Arkonide«, wehrte Grek‐1 ab. »Aber Sie sehen 

Ihre Lage noch nicht völlig klar. Da Sie  sich  in unserer Gewalt befinden, könnten wir Mittel anwenden, um Ihnen militärische Geheimnisse zu ent‐reißen.« »Ich werde  lieber sterben, als  Ihnen  Informationen zu  liefern, mit deren 

Hilfe Sie dem Großen Imperium schaden könnten!« entgegnete ich mit der Arroganz, die die meisten hochgestellten Offiziere des  Imperiums an den Tag gelegt hätten. »Wir erkennen Tapferkeit an«, erwiderte Grek‐1. »Aber wir wissen auch, 

ohne daß Sie etwas darüber sagen, daß es auf diesem Planeten einen arko‐nidischen Stützpunkt geben muß. Wir wissen auch, daß das Raumschiff, in dem  Sie  gefangengenommen wurden,  kein  arkonidisches Raumschiff  ist. Sie begehen keinen Verrat, wenn Sie mir sagen, welches Volk dieses Schiff gebaut hat.« »Sie  haben  dieses Raumschiff  vor mir  entdeckt«,  antwortete  ich wahr‐

heitsgemäß. Dann allerdings log ich, denn wenn es auch kein Verrat arko‐nidischer Geheimnisse gewesen wäre, dem Maahk etwas über die Varga‐nen zu sagen, so hätte es  ihm doch genützt – und alles, was den Maahks nützte, schadete direkt oder indirekt meinem Volk. »Folglich wissen Sie mehr darüber als ich«, fuhr ich fort. »Ich wurde mit 

meinem Begleiter, den  Ihre Leute erschossen haben,  rein zufällig  in diese Gegend verschlagen und  stieß  auf  Ihr  Schiff und  auf das  fremde Raum‐

schiff.« »Das klingt logisch«, meinte der Maahk. »Und es ist auch logisch, daß Sie 

versuchten,  uns  daran  zu  hindern,  die wichtigsten  technischen Anlagen des  Schiffes  zu  demontieren  und  zu  bergen.  Ihr  taktisches Geschick,  Ihr Mut und Ihr Erfolg verdienen Anerkennung. Ich denke, daß Sie für unser Volk  noch  von  großem Nutzen  sein werden. Man wird  Ihnen Nahrung bringen. Später komme  ich wieder. Schalten Sie die Bildschirme der Au‐ßenbeobachtung  ein,  die  sich  in  Ihrer Niederdruckkabine  befinden,  und informieren Sie sich inzwischen über den Fortgang unserer Bergungsarbei‐ten.« Der Maahk wandte sich um und stapfte hinaus. Als  sich  das  Schott  hinter  ihm  geschlossen  hatte,  ging  ich  zur  Bedie‐

nungskonsole der Bildschirme und aktivierte die Anlage. Die drei Bildschirme wurden  hell und  zeigten deutlich die Umgebung 

des Walzenschiffs. Ich sah, daß die Doppelpyramide etwa zur Hälfte gehoben worden war. 

Zwischen  ihr  und  dem Maahkschiff  pendelten  laufend Antigravplattfor‐men und transportierten Material aus dem Schiff des Sehers in das Raum‐schiff der Maahks. Grek‐1 legte offenbar Wert darauf, daß ich erkannte, wie groß die techni‐

sche Ausbeute der Maahks  trotz meiner Sabotageaktionen war. Er mußte erkannt haben, daß die technischen Anlagen der Doppelpyramide für jedes raumfahrttreibende Volk von unermeßlichem Wert waren – und ich sollte wahrscheinlich  zu der Überzeugung  kommen, daß das Große  Imperium sich vom heutigen Tag an auf der Bahn des Verlierers befand. Psychologische Zermürbungstaktik!  teilte mir der Logiksektor meines Ext‐

rahirns mit. Du sollst einsehen, daß du an der aussichtslosen Lage deines Volkes nichts änderst, wenn du schweigst. Ich setzte mich wieder und dachte nach. Zweifellos war  das  Vorgehen  von  Grek‐1  als  psychologische  Zermür‐

bungstaktik zu werten. Aber da ein Maahk streng logisch dachte, konnte er nicht mit hundertprozentiger Gewißheit darauf zählen, daß  ich unter der Last der Einsicht  zusammenbrach. Die Wahrscheinlichkeit dafür, daß  ich fest blieb, war ebenso groß. Folglich mußte Grek‐1 noch einen anderen Zweck verfolgen. Allerdings 

besaß ich noch keinen Anhaltspunkt dafür, welcher Zweck das war. 

Vielleicht  hatte  es mit  dem Grund  zu  tun,  aus  dem  die Maahks mich nicht getötet, sondern gefangengenommen hatten. Für gewöhnlich reichte bei den Wasserstoffatmern die Möglichkeit, durch Verhöre  Informationen zu bekommen, nicht aus, um eine Gefangennahme zu motivieren. Aber so sehr  ich auch darüber nachdachte,  ich kam zu keinem befriedi‐

genden Ergebnis. Kurz  darauf  erschienen  zwei  Maahks.  Einer  von  ihnen  öffnete  die 

Durchgangsschleuse, stellte ein Tablett mit Speisen und Getränken  in die kleine  Kammer  und  schloß wieder  ab, während  der  andere Maahk mit schußbereitem Detonator darüber wachte, daß  ich  keinen Ausbruchsver‐such unternahm. Ich  verhielt  mich  friedlich  und  nahm  eine  Haltung  ein,  aus  der  die 

Maahks, wenn sie etwas von arkonidischer Psychologie verstanden, schlie‐ßen würden, daß  ich es  für unter meiner Würde hielt, einen  ihres Volkes mit bloßen Händen anzugreifen und dadurch sozusagen körperlichen Kon‐takt herzustellen. Erst nachdem die beiden Maahks wieder gegangen waren, öffnete ich das 

unverschlossene Innenschott der Schleuse und holte das Tablett herein. Ich stellte es auf den Hocker, setzte mich auf den Rand der Konturliege 

und musterte die Speisen und Getränke. Die Maahks behandelten mich  tatsächlich gut, wahrscheinlich, weil  ich 

durch den Kampf, den ich ihnen in dem Varganenschiff geliefert hatte, ihre Achtung und ihren Respekt gewonnen hatte. Derart kämpferisch veranlag‐te Naturen, wie die Maahks, respektierten nichts mehr als den persönlichen Mut und den kämpferischen Erfolg eines Wesens, auch wenn es  sich um einen Feind handelte. Was  sie mir  geschickt  hatten, war  nicht die  unansehnliche  Synthonah‐

rung, wie  sie  arkonidische Mannschaftsdienstgrade  auf den  Schiffen des Großen Imperiums erhielten. Es waren Speisen, wie sie den hohen Offizie‐ren der  Imperiumsflotte vorbehalten waren. Dazu gab  es  einen vorzügli‐chen Wein. Ich aß soviel, daß ich gesättigt war, aber nicht soviel, daß mein Organis‐

mus dadurch zu sehr belastet wurde. Von dem Wein  trank  ich nur einen Becher. Ich wollte nüchtern bleiben, denn  ich wußte, daß  ich bald ausbre‐chen mußte. Wenn die Maahks mir erst meinen varganischen Schutzanzug weggenommen hatten, war es damit vorbei. 

Während der Mahlzeit legte ich mir meinen Plan zurecht. Eine Möglich‐keit,  aus meinem Gefängnis  zu  entkommen, hatte  ich  inzwischen  bereits entdeckt. Folglich kam es nur noch darauf an, mich nach dem Ausbruch so zu  verhalten,  daß  ich  innerhalb  kürzester  Zeit  größtmöglichen  Schaden anrichten konnte.   

5.  Natürlich war es möglich, daß mein Gefängnis getarnte Teleaugen und 

Mikrophone enthielt, doch dieses Risiko mußte ich eingehen. Grek‐1 hatte, als er mich verließ, den Translator nicht abgeschaltet. Das 

war sein entscheidender Fehler gewesen, denn  so unglaubhaft es klingen mochte, der Translator stellte für mich ein Mittel dar, aus meinem Gefäng‐nis zu entkommen. Genau genommen, boten sich mir mit ihm sogar zwei Möglichkeiten an. 

Ich hätte ihn beispielsweise aus dem Stahlrahmen brechen können, in dem er in der transparenten Trennwand befestigt war. Das hätte allerdings viel Zeit‐ und Kraftaufwand gekostet, aber das war es nicht, weshalb ich diesen Plan sofort wieder verwarf. Ich  konnte  den  Translator  nämlich  auf  eine  viel  einfachere Weise  als 

Schlüssel benutzen, um mein Gefängnis zu verlassen. Die Methode war so einfach, daß die Maahks wohl nur deshalb nicht an diese Möglichkeit ge‐dacht hatten.  Für  sie, die  logische und  taktische  Spiele  geradezu  liebten, waren simple Gedankengänge fast schon unter ihrer Würde. Die Voraussetzung dafür, daß mein Plan aufging, hatten mir die beiden 

Maahks geliefert, die mir das Essen gebracht hatten. Zwar hatte ich schon vorher bemerkt, daß die elektronische Ver‐ und Entriegelung des Außen‐schotts  der  Durchgangsschleuse  mittels  eines  gesprochenen  Kodeworts erfolgte, aber erst durch den versehentlich nicht abgeschalteten Translator hatte ich dieses Kodewort auch hören und verstehen können. Es hieß auf  Interkosmo »Sechseck‐Sternkonstellation«, und  ich brauchte 

es nur auszusprechen, um die Tür zu meinem Gefängnis zu öffnen, denn da der Translator nach beiden Seiten funktionierte, übersetzte er den Beg‐riff »Sechseck‐Sternkonstellation« praktisch ohne zeitliche Verzögerung  in das entsprechende Wort des Kraahmak – und auf genau diese akustische 

Komposition sprach die elektronische Verriegelung des Außenschotts an. Ich zögerte nicht, meinen Plan in die Tat umzusetzen. Nachdem ich meinen Druckhelm über den Kopf gestülpt und den varga‐

nischen Schutzanzug geschlossen hatte, sprach ich das Kodewort aus. Fast  im  gleichen Augenblick  öffnete  sich  das Außenschott  der Durch‐

gangsschleuse. Ich öffnete das unverriegelte Innenschott und schloß es sofort wieder hin‐

ter mir, damit nicht zuviel von dem unter hohem Druck stehenden äußeren Gasgemisch  in die Sauerstoffzelle eindrang und dort vielleicht den Alarm eines  Prüfgeräts  auslöste,  dann  eilte  ich  zu  dem  auf  den  Schiffskorridor führenden Schott. Als das Schott sich vor mir öffnete, hielt ich unwillkürlich den Atem an. Mir war klar, daß mein Plan so gut wie gescheitert sein würde, wenn sich 

draußen Maahks  in der Nähe befanden. Der  rein  äußerliche Unterschied zwischen einem Maahk und einem Arkoniden war so groß, daß er niemals übersehen werden konnte. Doch ich hatte Glück. Kein einziger Maahk hielt sich draußen auf. Wahr‐

scheinlich lag das daran, daß die meisten Maahks sich in dem Raumschiff des Sehers aufhielten und der Rest der Besatzung auf den Stationen war, damit  das Walzenschiff  beim  eventuellen Auftauchen  von  Feinden  ohne Verzögerung gefechtsbereit gemacht werden konnte. Mein Ziel stand fest. Ich wollte in den Maschinenraum eindringen und die Energieleitsysteme 

so umschalten, daß beim Start des Walzenschiffs ein Energierückstau ein‐trat, der unweigerlich zur Explosion der Maschinen und damit zur Zerstö‐rung des Schiffes führen mußte. Wenn mir  das  gelang, wollte  ich  versuchen,  aus dem Walzenschiff  zu 

entkommen und in die Berge zu fliehen. Meine Überlebenschancen würden zwar dort  auch  nicht  groß  sein,  aber wenn  ich  an Bord  blieb, waren  sie gleich Null. Falls die Maahks meine Flucht verhinderten, würden sie mich entweder 

sofort erschießen oder mich wieder einsperren. Das würde mir zwar nicht gefallen, aber viel wichtiger war, daß das Maahkraumschiff mitsamt dem technischen Erbe der Varganen zerstört wurde, und wenn ich bei der Exp‐losion mit umkam, hatte  ich meinem Volk dadurch so sehr geholfen, daß mein Leben als Preis dafür nicht zu hoch war. 

Ich wußte,  in welche Richtung  ich mich wenden mußte, um  in die Ma‐schinensektion zu gelangen. Deshalb stieg  ich auf das Transportband, das sich in der betreffenden Richtung bewegte. Nach kurzer Zeit erreichte ich das Maschinendeck, ohne einem Maahk zu 

begegnen. Allerdings durfte ich nicht erwarten, auch im Maschinenraum selbst kei‐

nen Maahk vorzufinden. Selbstverständlich würden die dort stationierten Techniker und Ingenieure auf ihrer Station sein. Ich konnte vielleicht unge‐sehen  in den Maschinenraum gelangen,  aber wenn  ich mich an den Ma‐schinen zu schaffen machte, würde ich mit Sicherheit entdeckt werden. Es  kam  folglich darauf  an, die Maahks über meine wahre  Identität  zu 

täuschen. Das aber konnte  ich nur, wenn  ich wenigstens rein äußerlich so aussah 

wie einer der Wasserstoffatmer. Ich atmete auf, als  ich  feststellte, daß eine der Voraussetzungen meines 

Plans  sich  erfüllte. Zwar  hatte  ich  es nicht  sicher  gewußt,  aber  ich  hatte annehmen dürfen, daß auch die Maahks direkt vor wichtigen und beson‐ders  gefährdeten  Schiffssektionen  eine Auswahl  von  Schutzanzügen  be‐reitgestellt hatten, die im Alarmfall für die betreffende Mannschaft schnell erreicht werden konnte. Und meine Annahme bestätigte sich. In  einer  rechteckigen Korridornische waren  an Magnetklammern  neun 

schwere maahksche Schutzanzüge aufgehängt.  Ich brauchte nur einen an mich  zu nehmen und über meinen  eigenen Schutzanzug  zu  streifen, um aus einiger Entfernung wie ein Maahk auszusehen. Allerdings war das nicht so leicht, wie es sich anhörte. Ich merkte  es,  als  ich den Schutzanzug übergestreift und  seine Überle‐

benssysteme  aktiviert  hatte. Das  aus  den Rückenbehältern  einströmende Wasserstoff‐Methan‐Ammoniak‐Gemisch  wurde  von  der  Apparatur  auf den für Maahks erforderlichen hohen Gasdruck gebracht, so daß ich mich kaum noch bewegen konnte. Dazu kam, daß der maahksche Schutzanzug  für Lebewesen konstruiert 

war, deren Körperkräfte die von Arkoniden um ein Mehrfaches überstie‐gen.  Entsprechend  starkwandig  und  schwer  waren  die  einzelnen  Teile gearbeitet.  Jeder Schritt kostete mich genausoviel Kraft wie das Anheben eines Geräts von fünfzig Kilogramm Masse. 

Nach drei Schritten war ich nahe daran, wieder aufzugeben. Es erschien mir unmöglich, überhaupt bis in den Maschinenraum zu gelangen, ganz zu schweigen davon, mich darin so wie ein echter Maahk zu bewegen. Während  ich verzweifelt dastand, erinnerte  ich mich daran, daß  Ischtar 

mir einmal etwas von einer Droge erzählt hatte, die die Varganen Achtyl‐Hachat nannten und die sie einzunehmen pflegten, wenn sie Belastungen ausgesetzt waren, die ihre normalen Kräfte überstiegen. Ich wußte  nicht, wie  die Droge  –  beziehungsweise  ihre Darreichungs‐

form  –  aussah,  aber  es  erschien  mir  wahrscheinlich,  daß  varganische Raumfahrer, falls sie diese Droge bei sich führten, sie in ihrem Schutzanzug trugen, und zwar innen. Da das Achtyl‐Hachat meine letzte Hoffnung darstellte, suchte ich in fie‐

berhafter Eile die zahlreichen Innentaschen des varganischen Schutzanzugs ab.  Jeden Moment konnte  ein Maahk  erscheinen und Verdacht  schöpfen, wenn  jemand, der  ebenfalls wie  ein Maahk  aussah,  untätig  herumstand, obwohl jedes Besatzungsmitglied eigentlich beschäftigt war. Es gab eine Menge kleiner und offenbar nicht sehr bedeutender Gegens‐

tände, die ich aus den Innentaschen zutage förderte. Darunter befand sich jedoch  auch  eine  durchsichtige  Plastikschachtel,  in der  drei  violette Gal‐lertkügelchen lagen. Waren diese Kügelchen die Darreichungsform der bewußten Droge? Ich wußte es nicht. Ebensogut konnten es Giftkapseln sein, mit deren Hil‐

fe varganische Raumfahrer Selbstmord begehen konnten, wenn die Gefahr bestand,  daß  sie  sonst  auf  eine  andere,  weniger  sanfte Weise  zu  Tode kommen würden. Aber hatte ich überhaupt noch eine Wahl? Wenn es mir nicht gelang, etwas Wirksames gegen die Maahks zu unter‐

nehmen, war es sicher besser, gleich zu sterben, denn dann konnte Grek‐1 mich nicht benutzen, wofür auch immer. Dennoch brach mir der kalte Schweiß aus, als ich eines der Gallertkügel‐

chen  schluckte. Der  Selbsterhaltungstrieb war  auch  bei hochentwickelten Lebewesen immer noch der stärkste Trieb. Wenige Augenblicke später wurde mir übel. Ich fror plötzlich und zitter‐

te an allen Gliedern, während ich gegen das Erbrechen ankämpfte. Und  plötzlich  schwanden diese Erscheinungen wieder.  Ich  spürte, wie 

ungeahnte  Kräfte meinen  Körper  durchpulsten  und wie  ich  von  großer 

Zuversicht erfüllt wurde, beinahe von Euphorie. Das Achtyl‐Hachat hatte gewirkt!  

 * 

 Als das Schott sich vor mir öffnete, blickte ich in eine große Maschinen‐

halle. Insgesamt neun Maahks standen in dem Raum. Sie waren aber weit genug voneinander entfernt, daß ich zwischen ihnen hindurchgehen konn‐te, ohne wegen des transparenten Druckhelms sofort als Arkonide erkannt zu werden. Es war wundervoll, wie  leicht  ich mich  in dem  schweren Schutzanzug 

bewegte. Ich fühlte mich fähig, Bäume auszureißen. Du Narr! raunte mir mein Logiksektor zu. Vergiß über dem Triumph nicht 

deine Aufgabe! Beschämt erkannte  ich, daß  ich  tatsächlich  für einen Moment vergessen 

hatte, weshalb  ich  in  den Maschinenraum  gekommen war. Das Achtyl‐Hachat  hatte  offenbar  eine  Nebenwirkung,  die  die  Kritikfähigkeit  stark herabsetzte. Vielleicht traf das nur bei mir zu, weil sich mein Metabolismus vom Metabolismus eines Varganen unterschied. Langsam stapfte ich durch die Halle. Ich suchte nach den Maschinen, an 

denen  ich die entscheidenden Schaltungen vornehmen mußte. Da  sie zur Zeit nicht aktiviert waren, standen auch keine Maahks dort. Ich trat vor die erste Maschine, öffnete die Abdeckplatte über den Schal‐

tungen und studierte das Innenleben. Natürlich unterschied es sich vom Innenleben arkonidischer Maschinen, 

aber nur in Details, denn die Systeme auf Maahkraumern und Arkoniden‐schiffen  funktionierten nach den gleichen Prinzipien, da wir uns  in  etwa auf dem gleichen technischen Entwicklungsstand befanden. Trotzdem gaben mir diese Details mehr als genug Nüsse zu knacken. Ich 

brauchte etwa dreimal solange, wie ich an einer entsprechenden arkonidi‐schen Maschine gebraucht hätte, um die Umschaltung vorzunehmen. Dennoch verlor ich meine Zuversicht nicht. Ich warf  einen  Blick  auf meine  »Kollegen«  und  registrierte  erleichtert, 

daß sie sich nicht um mich kümmerten. Schuld daran war wohl die strenge Disziplin auf den Raumschiffen der Maahks, die niemandem einen Spiel‐

raum für Eigeninitiative ließ,  jedenfalls nicht während der Dienstzeit, und nicht bei untergeordneten Kräften. Die anderen Maahks hatten mich bestimmt gesehen, aber sie mußten an‐

nehmen, daß  ich mit  einem  speziellen Auftrag des Kommandanten  oder eines anderen Vorgesetzten in die Maschinenhalle gekommen war. Folglich sahen sie keinen Anlaß, sich um mich und meine Tätigkeit zu kümmern. Ich wandte mich der nächsten Maschine zu. Diesmal  ging  es  erheblich  schneller,  da  ich  bei  der  ersten Maschinen‐

schaltung Erfahrungen gesammelt und aus ihnen gelernt hatte. Aber mitten  in  der Arbeit wurde mir  schwarz  vor Augen.  Ich mußte 

mich  an den Rand der Maschine  klammern,  um  nicht  umzufallen, denn meine Knie schienen plötzlich aus Weichplastik zu bestehen. Die Wirkung der Droge läßt nach! teilte mir mein Logiksektor mit. Zum gleichen Schluß war  ich von  allein gekommen.  Ich versuchte, die 

Schachtel mit den beiden restlichen Gallertkügelchen aus der  Innentasche zu holen. Es wollte mir nicht gelingen, da  ich meinen Arm nicht aus dem Ärmel des maahkschen Schutzanzugs bekam. Endlich erreichte ich es doch. Ich zog die Schachtel aus ihrer Tasche, öff‐

nete  sie und nahm  ein Gallertkügelchen heraus. Als  ich  es  in den Mund schob,  fiel  die  letzte Gallertkugel  aus  der  Schachtel  und  verschwand  ir‐gendwo in den Tiefen des maahkschen Schutzanzugs. Wenn ich nicht zu schwach dazu gewesen wäre, hätte ich eine Verwün‐

schung ausgestoßen. Mit Hilfe der letzten Drogenkugel wäre es mir wahr‐scheinlich möglich gewesen, alle geplanten Umschaltungen durchzuführen und die Maschinenhalle unerkannt wieder zu verlassen. Damit war es nun vorbei. Ich entschloß mich, nur noch dieses eine Aggregat  fertig umzuschalten 

und dann die Halle zu verlassen. Mehr Zeit hatte ich nicht. Endlich tauchten wieder die gleichen unangenehmen Begleiterscheinun‐

gen  auf.  Ich  fühlte mich  übel,  fror  und  zitterte  und  glaubte,  sterben  zu müssen. Doch diesmal kannte  ich die Symptome und konnte beruhigt die volle 

und positive Wirkung der Droge abwarten. Danach  führte  ich meine Arbeit  an der Maschine  zu Ende und verließ 

den Maschinensaal wieder. Draußen blickte ich mich um. 

Immer noch lag der Korridor verlassen da. Sollten die Maahks noch nicht entdeckt haben, daß  ihr Gefangener aus‐

gebrochen war? Es war kaum vorstellbar – und doch mußte es so sein, sonst wäre längst 

Alarm gegeben worden und im Schiff würde es von Suchtrupps wimmeln. Wahrscheinlich waren die führendem Maahks so stark von der Auswer‐

tung des Fundes beansprucht, daß sie sich um nichts anderes kümmerten. Hastig streifte  ich den maahkschen Schutzanzug wieder ab, dann stellte 

ich  mich  auf  das  Transportband,  das  in  Richtung  meines  Gefängnisses führte. Mir war klar geworden, daß mir eine Flucht aus dem Walzenschiff nicht 

gelingen konnte. Jeden Augenblick mußte die Wirkung der Droge nachlas‐sen. Dann würde ich entkräftet zusammenbrechen. Es war deshalb besser, wenn die Maahks gar nicht erst bemerkten, daß 

ich mich  für  einige Zeit unerlaubt  aus meinem Gefängnis  entfernt hatte. Dann würden sie auch nicht nachforschen, was ich während dieser Zeit in ihrem Schiff getrieben hatte. Vor  dem  Schott  zum Doppelraum  sprang  ich  vom  Band,  und  als  das 

Schott sich öffnete, rannte ich hindurch. Aber auf halbem Wege zum offe‐nen Außenschott  verließen mich meine Kräfte.  Es war,  als wäre  ich  ein Ballon, aus dem schlagartig das Gas entwich. Ich  konnte mich  nicht mehr  halten und  brach  zusammen. Vor meinen 

Augen wogten rötliche Schleier, und hinter ihnen erkannte ich undeutlich die Schottöffnung. Unter Aufbietung meiner ganzen Willenskraft kroch ich auf die Öffnung 

zu. Eine halbe Ewigkeit schien zu vergehen, bis ich sie erreichte. Ich war so schwach, daß  ich  am  liebsten  aufgegeben und mich der Bewußtlosigkeit überlassen hätte, die mein Hirn zu vernebeln drohte. Doch mein Extrasinn half mir über die kritischen Phasen hinweg, indem 

er  mich  immer  wieder  anspornte.  Woher  mein  zusätzlicher  aktivierter Hirnteil die Energie nahm, die er dazu benötigte, war mir schleierhaft und auch gleichgültig. Endlich hatte ich die Öffnung erreicht. Am liebsten wäre ich hindurchge‐

krochen, doch das durfte ich nicht, denn das Außenschott schloß sich nicht automatisch und auch nicht mit Hilfe eines Kodeworts. Ich mußte, damit es sich hinter mir schloß, eine schmale Schaltleiste be‐

rühren, die sich etwa in Schulterhöhe befand. Da ich kaum noch etwas sah, tastete ich verzweifelt nach dem Rand der 

Öffnung,  dann  versuchte  ich,  mich  hochzuziehen.  Die  ersten  Versuche schlugen fehl. Ich kam kaum kniehoch, bevor ich kraftlos zurücksank. Ganz kurz dachte ich an das Gallertkügelchen, das irgendwo in meinem 

Schutzanzug lag. Aber ich verwarf den Gedanken, danach zu suchen, wie‐der. Erstens hätte  ich es höchstwahrscheinlich nicht gefunden, und zwei‐tens  fürchtete  ich, mich damit so aufzuputschen, daß  ich, sobald die Wir‐kung nachließ, mit einem völligen Kreislaufzusammenbruch rechnen muß‐te.  Ich würde sterben, ohne zu erfahren, ob meine Aktion erfolgreich ver‐laufen war, und das widerstrebte mir. Endlich gelang es mir, mich weit genug hochzuziehen.  Ich  tastete blind 

nach der Schaltleiste, bekam  sie  zu  fassen, drückte darauf und  ließ mich nach vorn in die Schleusenkammer fallen. Die zufahrenden Schotthälften streiften meinen rechten Fuß. Weiter, weiter! drängte mein Extrasinn. Du darfst jetzt nicht aufgeben! Gleich 

hast du es geschafft! Ich dachte eine Verwünschung – aussprechen konnte ich sie nicht; dazu 

war ich zu schwach – und kroch weiter. Glücklicherweise öffnete sich das Innenschott automatisch. Ich merkte es nur daran, daß ich kein Hindernis spürte. Meine Muskeln und Sehnen arbeiteten mechanisch weiter, während mein 

Geist fast völlig von Bewußtlosigkeit überschattet wurde. Ich hielt erst an, als ich gegen ein Hindernis stieß. Es mußte die Konturliege sein. Mit  dem  letzten Rest meiner Kräfte  zog  ich mich  auf  die  Liege,  dann 

wurde es endgültig dunkel um mich.  

 * 

 Als  ich wieder zu mir kam, fühlte ich mich außerordentlich schwach, a‐

ber auch zufrieden. Es war mir gelungen, die Maschinen des Maahkraumers zu präparieren 

und  anschließend meine  Spuren wieder  zu  verwischen. Außerdem  lebte ich  noch,  so daß  ich, wenn die Maahks  zu  starten versuchten,  für  einen kurzen und  letzten Augenblick mitbekommen würde, daß mein Anschlag 

geglückt war. Ich  schlug die Augen  auf. Mein Blick  fiel gegen die Decke meines Ge‐

fängnisses. Dann bewegte  ich meine Arme  – und plötzlich verspürte  ich eisigen Schrecken. Mein varganischer Schutzanzug war weg! Ich trug nur noch meine einfache Kombination. Also mußten die Maahks 

mich während meiner Bewußtlosigkeit entkleidet haben. Doch  ich  beruhigte mich  schnell wieder.  Schließlich  konnten  die Was‐

serstoffatmer  ja nicht wissen, warum ich bewußtlos gewesen war. Sie hat‐ten mich sicher nur entkleidet, um mich zu untersuchen. Ich  setzte mich  auf und blickte dabei  auf die Bildschirme. Die Maahks 

waren noch immer dabei, Material aus dem Raumschiff des Sehers in ihren Walzenraumer zu transportieren. Aber das würde ihnen nichts nützen. Im Gegenteil.  Je mehr  sie von den  technischen Einrichtungen des Varganen‐schiffes herüberschleppten, desto weniger konnten die Maahks, die even‐tuell die Explosion der Antriebsmaschinen und die Zerstörung ihres Schif‐fes überlebten, mit dem  in der Doppelpyramide verbliebenen Rest anfan‐gen. Lächelnd schwang ich mich herum, um die Füße auf den Boden zu stel‐

len. Mitten in der Bewegung erstarrte ich – und mein Lächeln gefror zu einer 

Maske des Schreckens. Denn draußen, im anderen Teil des Doppelraums, stand Grek‐1, und ne‐

ben ihm lag mein varganischer Schutzanzug. Rein intuitiv erfaßte ich, was ich konkret überhaupt noch nicht erkennen 

konnte, daß nämlich die Maahks mein Spiel durchschaut hatten. Und die Worte des Maahks verrieten mir, daß  ich mit meiner  Intuition 

recht gehabt hatte. »Das war  eine  beachtliche Leistung, Arkonide«,  sagte Grek‐1, und der 

Translator übersetzte  seine Worte  ins  Interkosmo.  »Wenn  Sie  ein Maahk wären, würde ich Sie zur Beförderung vorschlagen. Dennoch war Ihre Ak‐tion  von  vornherein  zum  Scheitern  verurteilt.  Ich wußte,  daß  Sie  etwas unternehmen würden, und habe Sie ständig beobachtet.« Ich war wie betäubt. Aber ich ließ mich nicht überrumpeln. Es konnte durchaus sein, daß der 

Kommandant des Maahkraumers nur bluffte, um aus mir herauszulocken, 

was  ich wirklich getrieben hatte. Vielleicht wußte er  lediglich, daß  ich für einige Zeit mein Gefängnis verlassen hatte und mußte natürlich versuchen, den Rest aus mir herauszulocken. Doch so leicht wollte ich es ihm nicht machen. »Schade, daß mein Schutzanzug plötzlich undicht wurde«, erwiderte ich. 

»Dadurch wurde ich gezwungen, überstürzt in mein Gefängnis zurückzu‐kehren.  Sonst  hätte  ich  Ihnen  einen  Besuch  abgestattet  und  Sie  getötet, Grek‐1.« Das Gesicht des Maahks verriet keine Regung. Nur die Augen funkelten. »Ich  habe  nicht  geblufft, Arkonide«,  entgegnete Grek‐1.  »Ich  hatte den 

Translator  auch  keineswegs  versehentlich  nicht  ausgeschaltet.  Sie  sollten vorübergehend entkommen, denn ich wollte feststellen, was Sie unterneh‐men würden und welcher Hilfsmittel Sie sich bedienten. Das ist mir gelun‐gen. Glauben Sie nur nicht, daß Sie im Maschinensaal unbehelligt die Um‐schaltungen hätten vornehmen können, wenn ich das Personal nicht vorher entsprechend unterrichtet hätte.« Ich hatte das Gefühl, als würde der Himmel einstürzen. Nachträglich sah ich ein, wie unwahrscheinlich alle die Zufälle gewesen 

waren, die es mir erst ermöglicht hatten, meine Sabotageaktion erfolgreich durchzuführen und wieder  in mein Gefängnis zurückzukehren. Sie  ließen sich  tatsächlich nur damit  erklären, daß mir Grek‐1  alle Hindernisse  aus dem Weg geräumt hatte. »Ich  hatte  Sie  unterschätzt«,  erklärte  ich matt,  aber  auch,  respektvoll. 

»Entschuldigen  Sie,  bitte,  daß  ich  Ihren  Intelligenzquotienten  zu  gering einschätzte.« »Sie brauchen sich nicht zu entschuldigen, Arkonide«, sagte der Maahk. 

»Wenn ich mich in Ihrer Lage befände, hätte ich auch die geringste Chance wahrgenommen, meine  Feinde  zu  töten  und  damit  die Auswertung  der Beute zu verhindern. Immerhin nehmen Sie in Kauf, dabei ebenfalls umzu‐kommen, und das war sehr logisch gedacht.« Ich zuckte mit den Schultern. »Sie haben recht«, erwiderte ich. »Ich würde es wieder versuchen, wenn 

ich  auch nur die kleinste Möglichkeit  sähe. Diesmal haben  leider Sie ge‐wonnen. Aber das Spiel ist erst zu Ende, wenn ich tot bin.« »Richtig«, sagte der Maahk. »Noch läuft das Spiel. Wie ich sagte, wollten 

wir unter anderem  feststellen, welcher Hilfsmittel Sie sich bedienen wür‐

den, um Ihren Plan auszuführen.« Er hob einen Plastikwürfel hoch, und ich sah darin eingebettet das violet‐

te Gallertkügelchen, das mir abhanden gekommen war. »So sieht eines  Ihrer Hilfsmittel aus, Arkonide«, erklärte er. »Wir haben 

festgestellt, daß sich in Ihrer Rückenmarksflüssigkeit noch Spuren der Sub‐stanz befanden, aus der auch diese Kugel besteht. Es handelt sich um einen Wirkstoff, der die schlafende Energie eines Organismus weckt, sofern die‐ser Organismus Sauerstoff atmet und auf Eiweiß basiert.« Ich  ahnte, was noch  kommen würde, und  ich mußte mich  anstrengen, 

um mir  nicht  anmerken  zu  lassen, wie  sehr mich die  Feststellungen des Maahks erschreckten. »Wie Sie sich denken können«, fuhr Grek‐1 fort, »haben wir auch die an‐

deren Schutzanzüge untersucht, die sich an Bord des fremden Raumschiffs befanden. In einem von ihnen entdeckten wir ebenfalls eine Plastikschach‐tel mit solchen Kugeln. Es ist nur logisch, anzunehmen, daß es sich bei dem Wirkstoff, den Sie gezielt benutzten, um das Produkt des Volkes handelte, dem das fremde Schiff gehörte. Und es ist außerdem logisch, anzunehmen, daß Sie mehr über dieses Volk und seine Zivilisation wissen, als Sie bisher zugegeben haben, denn sonst hätten Sie nicht gewußt, daß die betreffende Droge Ihre schlafende Energie mobilisiert.« Er hatte natürlich recht – und er konnte es beweisen. Dennoch entschloß 

ich mich dazu, weiterhin alles abzustreiten. »Ich gebe zu, daß Ihre Argumentation logisch ist«, erklärte ich. »Aber sie 

basiert auf einer angenommenen Voraussetzung, die nicht zutrifft. Tatsäch‐lich wußte  ich  nicht, worum  es  sich  bei  diesen Kügelchen  handelte.  Ich hoffte nur, daß es ein Aufputschmittel war, und ich ging das Risiko, daß es sich um ein tödlich wirkendes Gift handelte, aus Verzweiflung ein.« »Verzweiflung  ist keine  logische Motivation«, hielt mir der Maahk ent‐

gegen. »Natürlich nicht«, erwiderte ich. »Es ist eine emotionale Regung, die von 

einem Maahk mangels Gefühl nicht praktisch nachvollzogen werden kann – und theoretisch nur sehr schwer.« »Sie  irren  sich, Arkonide«,  entgegnete der Maahk.  »Wir Maahks haben 

ein  sehr  starkes  Zusammengehörigkeitsgefühl.  Das  ist  auch  der  Grund, weshalb wir den Krieg gewinnen werden, denn dieses Gefühl ist bei Arko‐niden nur sehr schwach ausgeprägt. Mir ist bekannt, daß es innerhalb der 

höchsten Befehlsstellen des Großen  Imperiums  immer wieder  zu Macht‐kämpfen kommt, obwohl die Bedrohung von außen groß genug ist, um alle internen Streitigkeiten auszusetzen.  Ihr Arkoniden seid nicht diszipliniert genug und deshalb eine Sackgasse der Evolution.« »Warum sagen Sie mir das, Grek‐1?«  fragte  ich. »Es könnte  Ihnen doch 

nur recht sein, wenn unsere militärische Stärke durch interne Machtkämpfe geschwächt würde  – was  aber  bestimmt nicht der  Fall  ist.  Im Gegenteil. Solche Machtkämpfe  sind nur die äußeren Zeichen unserer ausgeprägten Individualität,  und  das  ist  ein  entscheidender  Vorteil  gegenüber  einem Volk von gleichgeschalteten Individuen.« »Sie begreifen nicht, wie wir wirklich denken und wie wir uns verwirkli‐

chen, Arkonide«,  sagte der Maahk. »Ich habe  Ihnen das alles nur gesagt, damit Sie einsehen, daß Arkon diesen Krieg niemals gewinnen kann. So‐bald wir das Material  aus dem  fremden Raumschiff  ausgewertet  und  in großem Maßstab für unsere Zwecke dienstbar gemacht haben, werden wir das Große Imperium endgültig zerschlagen. Wenn ich Sie wäre, würde ich meinen  Freunden  raten, mit mir und mit möglichst  vielen Raumschiffen voller  qualifizierter Männer  und  Frauen  in  einen  entlegenen Winkel  der Galaxis zu fliehen, wo sie die nächsten Jahrtausende sicher wären.« Ich horchte auf. Bestimmt sagte Grek‐1 so etwas nicht nur so daher. Er verfolgte einen lo‐

gisch fundierten Zweck mit seinen Reden, sonst hätte er nicht seine knappe Zeit dafür geopfert. »Dazu werde  ich wohl keine Gelegenheit haben, da ich  ja doch erschos‐

sen werde, sobald Sie mich nicht mehr brauchen«, entgegnete ich. »Sie werden nicht getötet werden, Arkonide«,  entgegnete Grek‐1.  »Wir 

beabsichtigen, Sie gegen einen wichtigen Grek auszutauschen, der sich  in arkonidischer Gefangenschaft befindet. Da Sie ein Adliger sind, wird das Oberkommando Ihrer Raumflotte bestimmt auf unser entsprechendes An‐gebot eingehen. Bitte, ruhen Sie sich aus. Wir werden bald starten.« Er verließ den Raum, und ich blickte ihm grübelnd nach. Es gefiel mir ganz und gar nicht, daß die Maahks mich gegen einen der 

ihren austauschen wollten. In maahkscher Gefangenschaft gab es immerhin eine geringe Wahrscheinlichkeit, daß ich überleben würde. Wenn ich mich aber in der Gewalt des Flottenkommandos befand, würde ich sehr schnell als Atlan identifiziert werden – und Orbanaschol würde dafür sorgen, daß 

ich ihm nie mehr Schwierigkeiten bereitete. Ich konnte es drehen und wenden, wie  ich wollte: Meine Zukunftsaus‐

sichten waren so schlecht wie die eines Todeskandidaten.   

6.  Auf den Bildschirmen konnte ich beobachten, wie die Maahks weiter Ma‐

terial aus dem Varganenschiff holten. Erbittert starrte ich auf ein Geschehen, das ich nicht verhindern konnte. Mir war  inzwischen vieles klar geworden, was  ich vor dem  letzten Ge‐

spräch mit dem Kommandanten des Maahkschiffes noch nicht verstanden hatte. Die Maahks ließen mich deshalb bei der Bergung des varganischen tech‐

nischen Geräts  zuschauen, weil  sie wollten,  daß  ich  nach meinem Aus‐tausch mit ihrem wichtigen Grek darüber berichtete. Sie versprachen  sich davon Erschrecken und Resignation beim Flotten‐

kommando  des Großen  Imperiums,  und  daraus  resultierend  eine  Erlah‐mung unseres Widerstandswillens. Außerdem hofften sie wohl, daß ich die Anregung von Grek‐1 aufnahm 

und  aufgrund meiner  angenommenen  hohen  Stellung  in  der  Lage  sein würde, einen erheblichen Teil der arkonidischen Flotte dazu zu mißbrau‐chen,  mit  einem  ausgewählten  Teil  meines  Volkes  in  einen  entlegenen Winkel der Galaxis zu fliehen. Dadurch würde nicht nur die Kampfkraft der arkonidischen Flotte ent‐

scheidend geschwächt werden, sondern es würde auch die Elite der arko‐nidischen Soldaten, Offiziere, Techniker und Wissenschaftler aus der Ver‐fügungsgewalt  der Kriegsmaschinerie des Großen  Imperiums  abgezogen werden, da die Maahks annahmen, daß  ich nur die besten Kräfte mitneh‐men würde. Die unmittelbar Folge davon wäre der baldige Zusammenbruch der ar‐

konidischen Verteidigung,  so daß die Flotten der Maahks bis zu den Ar‐konwelten vorstoßen und sie vernichten konnten. Was Grek‐1 nicht wissen konnte, war, daß  ich niemals  in der Lage sein 

würde, mit einem Teil der Arkon‐Flotte zu desertieren, was  ich selbstver‐ständlich auch dann nicht getan hätte, wenn es mir möglich gewesen wäre. Wahrscheinlich würde das Oberkommando der Arkon‐Flotte  auch nichts darüber erfahren, daß die Maahks sich in den Besitz eines Teils des varga‐nischen Erbes gesetzt hatten. Orbanaschols Schergen würden mich  sofort nach dem Austausch  verhaften und  sicherlich  noch  am  gleichen Tag  er‐morden. 

Der psychologisch  an  sich  raffinierte Plan des Maahks konnte  also gar nicht aufgehen. Allerdings würde  ich  ihm  das  nicht  verraten.  Sollte  er  ruhig  glauben, 

mich psychologisch zermürbt zu haben.  Ich konnte den Trost mit  in den Tod nehmen, daß die Raumflotten der Maahks, wenn sie in der Hoffnung angriffen, einen stark geschwächten Gegner vor sich zu haben, zurückge‐schlagen werden würden. So  schnell  konnten  sie  nämlich  das  varganische  Erbe  nicht  verwerten. 

Das würde  Jahre  dauern,  und  vielleicht  gelang  es  Fartuloon  und  seinen Getreuen  unterdessen, Orbanaschol  zu  stürzen  und  die wirtschaftlichen und militärischen Maßnahmen straffer und konsequenter zu organisieren. Vielleicht  half  Ischtar  ihm  dabei,  indem  sie  dem  Großen  Imperium  die Technik ihres Volkes zur Verfügung stellte. Nein,  ich  brauchte  nicht  verzweifelt  zu  sein. Dennoch  ärgerte  es mich 

sehr,  daß Orbanaschol,  der Mörder meines  Vaters,  die  Genugtuung  be‐kommen  sollte,  auch  den  Sohn  und  rechtmäßigen  Erben  des  Imperator‐Throns zu ermorden. Mein Grübeln wurde unterbrochen, als erneut zwei Maahks erschienen 

und mir  etwas  zu  essen  brachten.  Ich  stürzte mich  heißhungrig  auf  die Mahlzeit, denn die Wirkung der Droge hatte an den Energiereserven mei‐nes Körpers verheerend gezehrt. Nach dem Essen  fühlte  ich mich nicht nur kräftiger,  sondern auch  see‐

lisch wieder wohler.  Ich  streckte mich  auf der Konturliege  aus und  ver‐suchte ein wenig zu schlafen. Die Lage wirkte zwar aussichtslos für mich, aber ich hatte schon zu oft in 

Situationen  gesteckt,  die  absolut  aussichtslos  erschienen,  und  hatte  sie schließlich doch irgendwie gemeistert. Deshalb wußte ich, daß es ein Fehler gewesen wäre, die Hoffnung aufzugeben. Ich mußte abwarten, und, wenn sich eine Gelegenheit zum Handeln ergab, konsequent zupacken. Mit diesen Gedanken schlief ich tatsächlich ein. Ich erwachte vom Rumoren schwerer Aggregate und einem stetigen Vib‐

rieren. Als ich mir die Bildschirme ansah, erkannte ich, daß sich weder Maahks 

noch Bergungsgeräte draußen befanden. Der gehobene Teil des Varganen‐schiff es lag verlassen da. Demnach bereiteten die Maahks den Start ihres Schiffes vor. 

Ich machte mir  keine  Illusionen  darüber,  daß meine  Sabotage wirken könnte. Da  die Maahks  genau wußten,  an welchen Maschinen  ich Um‐schaltungen vorgenommen hatte, würden  sie den Fehler behoben haben, kaum daß ich den Maschinensaal wieder verlassen hatte. Das Rumoren nahm an Lautstärke zu, und die Schiffszelle erbebte unter 

den Erschütterungen, die sich durch den ganzen Walzenraumer fortpflanz‐ten. Ich fragte mich, wohin die Maahks von hier aus fliegen würden. Es war 

kaum anzunehmen, daß  sie mich  schon  in den nächsten Tagen zu einem Planeten brachten, auf dem der Austausch zwischen mir und dem gefan‐genen Grek  stattfinden  sollte. Darüber mußte  erst  zwischen  den  beiden Oberkommandos  verhandelt werden,  und  das  dauerte  erfahrungsgemäß Wochen oder gar Monate. Sehnsüchtig blickte ich zu dem Schutzanzug, der immer noch in der an‐

deren Hälfte des Raumes lag. Ich mußte versuchen, ihn irgendwann wieder in die Hände zu bekommen, denn ohne ihn konnte ich mich nicht aus mei‐nem Gefängnis herauswagen. Ohne  Hoffnung,  damit  Erfolg  zu  haben,  sprach  ich  das  Kodewort 

»Sechseck‐Sternkonstellation«  aus. Aber  nicht  einmal  der  Translator  rea‐gierte  darauf,  geschweige  denn  die  Verriegelung  des Außenschotts.  Im‐merhin hatte ich es versuchen müssen. Endlich wurde  das  Rumoren  leiser  und  gleichmäßiger. Die  Erschütte‐

rungen klangen ab. Auf den Bildschirmen wurde die Umgebung durch ein unerträglich grel‐

les Leuchten und Wabern ausgelöscht, als das Walzenschiff mit voll akti‐vierten Impulstriebwerken startete. Kurz danach schwächte sich das Leuchten so stark ab, daß ich das Tal mit 

dem  Varganenschiff  zirka  zweitausend  Meter  unter  uns  erkannte.  Das Maahkraumschiff schien stillzustehen. Plötzlich zuckten grelle Strahlbahnen ins Tal hinab, trafen das Varganen‐

schiff und ließen es an mehreren Stellen aufglühen. Nach fünf schweren Energiesalven brodelte dort, wo zuvor das Schiff ge‐

legen hatte, blauweiß strahlendes Magma in einem länglichen Krater. Es erschien mir logisch, daß die Maahks das fremde Raumschiff vernich‐

teten, nachdem  sie  es  ausgeplündert hatten.  Sie mußten verhindern, daß Arkoniden das Schiff fanden und die darin verbliebenen technischen Anla‐

gen untersuchten. Allerdings hatte es keinen logischen Grund gegeben, die Vernichtung so 

spektakulär zu gestalten. Normalerweise wäre eine Bombe  installiert und später über Funk gezündet worden. Ich  konnte  mir  das  von  der  Norm  abweichende  Verhalten  der Was‐

serstoffatmer nur so erklären, daß sie mir  ihre Kampfkraft demonstrieren wollten. Aber auch das erschien mir nicht ganz logisch, denn eigentlich hätte ein 

hochgestellter Offizier der Arkon‐Flotte die Kampfkraft aller maahkscher Raumschiffstypen  genau  kennen  müssen.  Da  man  mich  aber  für  einen hochgestellten Offizier der Arkon‐Flotte hielt, wäre es überflüssig gewesen, mir die eigene Kampfkraft zu beweisen. Ich schob diese Gedanken beiseite, als das Walzenschiff erneut beschleu‐

nigte, wie  ich  an den Arbeitsgeräuschen  und  an den  kleiner werdenden Details der Landschaft unter mir erkannte. Es schien, als wollten die Maahks diesen Planeten schon verlassen. Doch der Schein trog. Ich merkte es, als das Walzenschiff bei einer geschätzten Höhe von drei‐

hundert Kilometern in einen Orbit ging. Was das  bedeutete, war mir  sofort  klar: Die Maahks  suchten nach der 

angeblichen  arkonidischen  Station,  aus  der  ich  ihrer Meinung  nach  ge‐kommen sein mußte.  

 * 

 Nachdem das Schiff den Planeten sechzehnmal umkreist hatte, ohne das 

Gebäude des Sehers zu finden, wurde mir klar, daß Vrentizianex über eine Möglichkeit verfügen mußte,  seinen Palast gegen Ortung aus dem Raum zu tarnen. Das  hätte  dir  von Anfang  an  klar  sein müssen!  teilte mir der Logiksektor 

meines  Extrahirns mit. Wenn Vrentizianex  sein Gebäude  nicht  getarnt  hätte, wäre es von den Maahks gefunden worden, bevor sie das unter Eis‐ und Geröll‐massen liegende Varganenschiff entdeckten. Das leuchtete mir ein. Ein nicht getarnter Palast wäre auf Anhieb geortet worden, nicht aber ein 

verborgenes und energetisch  totes Raumschiff.  In diesem Fall aber hätten die Maahks zuerst die Station beziehungsweise den vermeintlichen arko‐nidischen Stützpunkt angegriffen. Nach der dreiundzwanzigsten Umkreisung schienen die Maahks einzu‐

sehen, daß sie so den Stützpunkt nicht finden würden. Aber sie gaben nicht auf. So etwas lag nicht in der Natur dieser Lebewesen. Ich bemerkte, daß das Walzenschiff tiefer ging, indem es abbremste und 

sich von der Schwerkraft des Planeten herabziehen  ließ. Zwar konnte  ich auf den Bildschirmen  in meinem Gefängnis nicht erkennen, ob der Kom‐mandant die Schutzschirme aktiviert hatte.  Ich nahm es  jedoch als  sicher an, denn wenn er mit dem Schiff tiefer ging, erhöhte sich die Gefahr, von planetarischen Abwehrbatterien beschossen und getroffen zu werden. Soviel  ich  wußte,  verfügte  der  Kyriliane‐Seher  allerdings  über  keine 

Raumabwehr. Doch ganz ausschließen durfte ich das nicht. Es konnte sein, daß  es  Teile  des  Palastes  gab,  die  ich  niemals  entdeckt  hatte.  Von  der Tarnmöglichkeit hatte ich schließlich auch nichts gewußt. Doch wir wurden nicht beschossen. Als wir nur noch etwa fünfzig Kilometer hoch waren, erkannte  ich, daß 

das Walzenschiff sich wieder dem Gebirge näherte, in dem die Maahks das Varganenschiff entdeckt hatten. An der Stelle von Grek‐1 hatte ich genauso gehandelt, denn da ich zu Fuß 

gewesen war, konnte mein vermeintlicher Stützpunkt nicht weiter als ei‐nen Tagesmarsch vom Fundort des Varganenschiff es entfernt sein. Wir waren noch ungefähr zwanzig Kilometer hoch, da erkannte  ich an 

mehreren aufblinkenden Lichtreflexen, daß die Maahks Flugsonden abge‐schossen hatten. Flugsonden waren ferngesteuerte kleine Diskuskörper, die mit ihren Im‐

pulstastern und Weitwinkelobjektiven eine genaue Untersuchung begrenz‐ter Geländeabschnitte ermöglichten. Sie konnten im Konturenflug über das Gelände  gesteuert  werden,  was  praktisch  die  einzige  Möglichkeit  war, Objekte aufzuspüren, die unter einem Tarnfeld lagen. Das  erforderte  allerdings  große  Ausdauer,  denn  ein  getarntes  Objekt 

konnte nur aufgespürt werden, wenn eine Flugsonde beim Konturenflug unter das Tarnfeld geriet. Doch die Maahks waren bekanntlich sehr zäh und ausdauernd. Ich nahm 

an, Grek‐1 wäre notfalls einige Tage über dem verdächtigen Oberflächen‐

abschnitt geblieben. Aber so lange dauerte es nicht. Offenbar  hatte  eine  Flugsonde  ein  Tarnfeld  durchflogen  und  die Auf‐

nahmen  vom  Palast  des  Sehers  an  Bord  des Walzenschiffes  übermittelt, denn das Maahkschiff stoppte plötzlich. Kurz darauf dröhnte es laut. Eine Breitseite aus den schweren Energiegeschützen schoß auf etwas zu, 

das auf meinen Bildschirmen  ein Berggipfel war. Dann  füllten die Entla‐dungen meine Bildschirme mit grellem Leuchten. Als das Leuchten verschwand, entdeckte  ich auf einem der Bildschirme 

das Gebäude des Sehers, und ich entdeckte die Verwüstungen, die die erste Breitseite angerichtet hatte. In mir krampfte sich alles zusammen. Ich mußte an die vielen hellhäuti‐

gen Sklaven des Sehers denken, die sich in dem riesigen Palast aufhielten. Sie würden alle umkommen, wenn die Maahks ihren Beschuß fortsetzten. Und  ich  hatte  keine Möglichkeit,  das  zu  verhindern.  Ich  konnte  nicht 

einmal Verbindung mit Grek‐1 aufnehmen und  ihn darum bitten, das Le‐ben der Sklaven zu schonen. Er hätte außerdem nicht auf mich gehört. Das Walzenschiff  schoß  Breitseite  auf  Breitseite  ab.  Jede  riß  eine  neue 

Bresche  in den Palast, und bald war das gesamte  riesige Bauwerk  in  ein glühendes Trümmermeer verwandelt. Endlich stellten die Maahks das Feuer ein. Auf den Bildschirmen sah ich, wie das Walzenschiff in einem Tal unter‐

halb des zerstörten Palasts landete. Kleine Trupps von schwerbewaffneten Maahks schleusten sich aus und tauchten im Gelände unter. Ich fragte mich, ob der Kyriliane‐Seher noch  lebte. Die Maahks konnten 

längst nicht alle Teile seines Palastes zerstört haben. Es gab  tief unter der Oberfläche Regionen, die auch durch massiven Beschuß nicht zu erreichen waren. Wenn Vrentizianex sich dorthin zurückgezogen hatte, lebte er noch. Aber  die meisten  seiner  Sklaven mußten  bei  dem  Bombardement  den 

Tod  gefunden  haben. Es war wie  bei  jeder  bewaffneten Auseinanderset‐zung mit modernen Kampfmitteln: Am  schlimmsten wurden  immer  die Unbeteiligten betroffen. Als sich das Schott auf der anderen Seite der Trennwand öffnete, blickte 

ich hoch. Grek‐1 betrat den Raum, begleitet von zwei schwerbewaffneten maahk‐

schen Raumlandesoldaten. Der Kommandant schaltete den Translator ein und sagte: »Wie Sie sehen konnten, haben wir Ihren Stützpunkt trotz des Tarnfelds 

entdeckt  und  zerstört,  Arkonide.  Es  interessiert mich, wie  das  Tarnfeld erzeugt wurde.« »Mich auch«, gab ich zurück. »Sie hätten den Stützpunkt nicht zu zerstö‐

ren brauchen, Maahk. Die Besatzung hätte  sich wahrscheinlich kampflos ergeben.« »Ich brauche weder den Stützpunkt noch  seine Besatzung«,  entgegnete 

Grek‐1. »Aber unsere Hohlraumtaster haben unter den Trümmern ausge‐dehnte Hohlräume  festgestellt.  Ich werde mir  diese  Anlagen  persönlich ansehen – und Sie werden mich begleiten, Arkonide.« »Ich bin nicht daran interessiert«, erwiderte ich, zornig über die sinnlose 

Tötung der unschuldigen Sklaven. »Es ist sinnlos, sich zu sträuben, Arkonide«, sagte der Maahk. »Entweder 

kommen Sie freiwillig mit, dann erhalten Sie  Ihren Schutzanzug zurück – oder meine Leute bringen Sie gewaltsam nach draußen und nehmen Ihnen außerhalb meines Schiffes den Schutzanzug wieder ab.« Ich erhob mich langsam und erwiderte ironisch: »Ihre Argumente sind von so zwingender Logik, daß ich nicht länger wi‐

derstehen  kann.  Reichen  Sie mir  den  Anzug  herein,  und  vergessen  Sie nicht, mir meine Energiewaffen zurückzugeben.« »Die letzte Forderung ist unerfüllbar«, entgegnete Grek‐1. Beinahe hätte ich laut gelacht, obwohl mir gar nicht danach zumute war. 

Es war  typisch  für einen Maahk, daß er nicht  in der Lage war, zwischen etwas Ernstgemeintem und einem Scherz zu unterscheiden. »Schon gut«, sagte ich. Einer der Raumsoldaten öffnete das Außenschott der Durchgangsschleu‐

se, warf meinen Schutzanzug hinein und verschloß es wieder. Ich wartete, bis  in der Schleusenkammer eine  für mich atembare Atmo‐

sphäre herrschte, dann holte ich mir den Schutzanzug und streifte ihn mir über. Vorläufig war mir noch völlig unklar, aus welchem Grund der Komman‐

dant des Maahkschiffs mich dabeihaben wollte, wenn er die tieferen Regi‐onen des Stützpunktes untersuchte. Falls er dachte, mich als Geisel vorzei‐gen  zu wollen, um  »meine Untergebenen«  zur Kapitulation  zu  zwingen, 

würde er eine Überraschung erleben. Wenn Vrentizianex noch lebte, würde er ganz bestimmt keine Rücksicht auf mein Leben nehmen. Doch  vielleicht  ergab  sich  im  Palast  eine Möglichkeit  zur  Flucht.  Ich 

würde sie auf jeden Fall nutzen.  

 * 

 Als wir  ins Freie  traten, war  es dunkel geworden.  Starke Scheinwerfer 

erhellten die Umgebung des Walzenschiffs, und zahlreiche Scheinwerfer‐paare krochen die Berghänge hinauf. Wahrscheinlich handelte es sich um die  Scheinwerfer  schwerer  Gleiskettenfahrzeuge, mit  denen  die Maahks den Unterschlupf des Sehers umzingelten. Ein Gleiskettenfahrzeug hielt neben uns. Es war fast doppelt so groß wie 

arkonidische  Flugpanzer,  und  aus  seiner  drehbaren  Turmkuppel  ragten eine schwere Impulskanone und ein schweres Desintegratorgeschütz. Grek‐1  schaltete den  kleinen Translator  ein, der  ihm  an  einem Riemen 

vor der mächtigen Brust hing und durch ein Kabel mit dem Helmfunkgerät des Maahks verbunden war. »Aufsteigen!« schallte es aus dem Lautsprechersystem des Geräts. Ich gehorchte, kletterte auf das Heck des Fahrzeugs und packte mit bei‐

den Händen  einen der  stählernen Haltegriffe, die  am Aufbau unter dem Turm befestigt waren. Grek‐1 und die beiden maahkschen Raumlandesoldaten folgten mir. Ich 

sah, daß die beiden Soldaten mich im Auge behielten. Doch keiner richtete eine Waffe auf mich. Die Maahks wußten genau, daß sie mit einem unbe‐waffneten Arkoniden  jederzeit spielend  fertig werden würden. Sie waren nicht nur viel kräftiger als ich, sondern auch viel schneller, so daß ich ihnen nicht fortlaufen konnte. Das Gleiskettenfahrzeug ruckte so hart an, daß ich beinahe den Halt ver‐

loren  hätte und  in den  Schnee  geschleudert worden wäre.  Ich  stieß  eine Verwünschung aus und klammerte mich fester an. In  schneller Fahrt ging  es den nächsten Hang hinauf. Hinter den  zwei 

Meter  breiten Gleisketten wirbelten  Eis  und  Schnee  hoch. Das  Fahrzeug schaukelte heftig. Ich schwankte hin und her, aber Grek‐1 und die beiden Soldaten standen reglos auf dem Heck des Panzers und hielten sich lässig 

nur mit je einer Hand fest. Oben  schwenkte  das  Fahrzeug  scharf  nach  rechts  ab, wühlte  sich  eine 

Geröllhalde hinauf und hielt  stark wippend zwischen zwei anderen Pan‐zern, deren Kanonenrohre auf einen glühenden Trümmerhaufen gerichtet waren. Ich sah, daß es sich um die Überreste eines Seitenflügels des Gebäudes 

von Vrentizianex handelte. Mitten in den glühenden Trümmern klaffte ein torgroßes Loch. Die davonwehenden  Schleier  grünlichen Gases verrieten mir, daß die beiden anderen Panzer das Loch in den Trümmern mit Hilfe ihrer Desintegratorgeschütze geschaffen hatten. Eine Weile geschah nichts. Grek‐1 hatte seinen Translator ausgeschaltet und unterhielt sich offenbar 

über Helmfunk mit den Besatzungen der drei Panzer. Nach  einiger Zeit  schaltete  er  den  Translator wieder  ein  und  sagte  zu 

mir: »Hinter der Öffnung liegt einer der angemessenen Hohlräume. Falls dort 

Abwehreinrichtungen sein sollten, so sagen Sie es uns, Arkonide, denn wir werden zuerst hineinfahren.« »Dort  gibt  es  keine Abwehreinrichtungen«,  sagte  ich,  nachdem  ich die 

Außenlautsprecher meines  Schutzanzugs  eingeschaltet  hatte,  so  daß  der Translator meine Worte aufnehmen konnte. Allerdings wußte ich nicht, ob es stimmte, was ich gesagt hatte. Wenn es 

nicht stimmte, würde ich eventuell mit den Maahks sterben. Das mußte ich jedoch  riskieren, denn  es  bestand  eine  kleine Chance,  im Durcheinander eines Gefechts zu entkommen. »Sie müssen es ja wissen«, gab der Maahk zurück. Er  schaltete den Translator wieder  aus. Wahrscheinlich  sollte  ich  nicht 

mithören, welche Befehle er über Helmfunk durchgab. Unser Panzer rollte wieder an. Die Lichtkegel seiner beiden starken Bug‐

scheinwerfer  stachen  in  die  Finsternis  der Höhlung  und  hellten  sie  auf. Vorerst enthüllten sie jedoch nichts Besonderes. Als wir  in die Höhlung  einfuhren, blickte  ich zurück und  sah, daß die 

beiden anderen Panzer uns folgten. Ich nahm an, daß die Maahks an meh‐reren Stellen ähnliche Einbruchsöffnungen geschaffen hatten und gleichzei‐tig mit  uns dort  eindrangen,  um  eine  eventuelle Restbesatzung  des  ver‐meintlichen Stützpunkts niederzukämpfen. 

Der  von  den Desintegratorgeschützen  durch  Trümmer  und  Felsen  ge‐schaffene Stollen war  etwa  fünfzig Meter  lang. An  seinem Ende  lag  eine stählerne Wand, die von den Desintegratoren nur oberflächlich aufgelöst worden war. Das Material mußte demnach  aus molekularverdichtetem Metallplastik 

bestehen. Ich hatte nichts davon gewußt, daß es im Palast des Sehers mole‐kularverdichtete Wände gab. Die Panzer hielten  an, dann  feuerte unser Fahrzeug mit  seinem Desin‐

tegratorgeschütz  auf die  stählerne Wand. Der grünlich  flirrende Energie‐strahl,  der  die molekulare  Bindungsenergie  jeder Materie  neutralisierte, hätte eine normale Metallplastikwand  innerhalb kurzer Zeit völlig aufge‐löst. Bei dieser Wand kam der Prozeß erst nach einigen Minuten  in Gang und  verlief  so  langsam,  daß  ich  sehr  genau  hinsehen  mußte,  um  die hauchdünnen  molekularen  Gase  überhaupt  zu  bemerken,  die  von  der Wand aufstiegen. Aber die Maahks waren ausdauernd und zäh. Was sie sich einmal vorge‐

nommen  hatten,  das  führten  sie  auch  durch. Ununterbrochen  schoß  der desintegrierende  Strahl  gegen  die Wandung  und  löste  eine  hauchdünne Schicht nach der anderen auf. Die beiden übrigen Panzer konnten sich an dem Beschuß nicht beteiligen, 

da der Stollen nicht breit genug war. Sie warteten mit laufenden Antriebs‐aggregaten. Nach rund zwei Stunden brach der Desintegratorstrahl durch die  letzte 

Stahlplastikschicht der Wandung. Er vollführte einige kreisförmige Bewe‐gungen, um auch die Ränder aufzulösen und die Öffnung groß genug zu machen, dann erlosch er. Unser Panzer ruckte an, rollte durch die Öffnung‐ und befand sich plötz‐

lich in einer riesigen Halle, deren Wände und Decke mit Millionen großer Kristalle besetzt waren, die im Licht der Scheinwerfer irisierend funkelten und glitzerten. Unser Fahrzeug rollte bis in die Mitte der Halle, dann blieb es stehen. Die 

beiden anderen Panzer folgten und hielten neben uns an. Dann geschah etwas Seltsames. Alle Maahks verließen ihre Fahrzeuge. Auch Grek‐1 und die beiden Sol‐

daten  stiegen ab. Dann gingen die Wasserstoffatmer  langsam und wie  in Trance zu den Wänden der Halle, streckten  ihre Arme aus und berührten 

mit den behandschuhten Händen die Kristalle. Danach blieben sie reglos stehen. Ich wußte nicht, was ich davon halten sollte. Die Maahks  verhielten  sich  so,  als wären  sie  einer  Art  hypnotischem 

Einfluß erlegen. Aber ich spürte absolut nichts. War es möglich, daß der unbekannte Einfluß, der vielleicht von den Kris‐

tallen ausging, nur die Gehirne Wasserstoff atmender Lebewesen angriff, nicht jedoch die Gehirne von Sauerstoffatmern? Das spielt keine wesentliche Rolle! teilte mir der Logiksektor meines Extra‐

hirns mit. Wichtig  ist nur,  daß  du  damit  eine Gelegenheit  zur Flucht  erhalten hast, wie sie so bald nicht wiederkehren wird. Nutze sie! Ich holte tief Luft. Und ob ich diese Gelegenheit nutzen würde! Ich kletterte zum offenen Einstieg des Panzers, setzte mich  in den riesi‐

gen Sessel des Piloten und musterte die Schaltungen, mit denen das unge‐füge Fahrzeug gesteuert werden konnte. Danach  schloß  ich das Luk,  schaltete den Antrieb ein und  steuerte den 

Panzer auf das andere Ende der Halle zu.   

7.  Die Maahks  standen  immer noch  reglos an den Kristallwänden, als  ich 

das andere Ende der Halle erreicht hatte. Es sah unheimlich aus, und  ich  fragte mich, was  in diesen Wesen wohl 

vorgehen mochte. Gaukelten  ihnen die Kristalle vielleicht  eine  imaginäre Aktivität in einer imaginären Umgebung vor? Steuerte der Kyriliane‐Seher die Kristalle und damit indirekt auch die Maahks vielleicht mit Hilfe seiner Augenkristalle? Konnte er mich vielleicht über die Kristalle in der Halle sehen? Und wie 

würde er darauf reagieren, daß ich tiefer in sein geheimes Reich eindrang? Vorerst  jedoch sah es nicht so aus, als ob  ich  in Schwierigkeiten geraten 

würde. Am anderen Ende der Halle befand sich ein Tor, und es stand of‐fen. Ich  ließ den Panzer  langsam durch die Öffnung  rollen und beobachtete 

auf  dem  Sichtschirm  die  Lichtkegel  der  beiden  Scheinwerfer,  die  in  die 

Dunkelheit stachen. Als sie mehrere seltsame Gestalten erfaßten, hielt ich das Fahrzeug an. Doch die Gestalten bewegten sich nicht. Sie standen still wie Statuen, und 

sie waren offenbar tatsächlich Statuen, die unbekannte Wesen von ebenso unbekannten Planeten darstellten. Ich ließ die Lichtkegel kreisen und entdeckte noch mehr dieser seltsamen 

Statuen. Einige  sahen überhaupt nicht wie die Nachbildungen von Lebe‐wesen  aus,  sondern  eher wie  die Gebilde  einer  ins  Extrem  gesteigerten abstrakten Kunst. Bei ihnen versagte die Fähigkeit, sie zu beschreiben, weil an ihnen nichts Vergleichbares war. Nach einiger Zeit fuhr ich wieder an. Ich steuerte zwischen den Statuen 

hindurch. Doch diese Gebilde standen  immer dichter,  je weiter  ich  in die zweite Halle hineinfuhr. Bald steckte ich fest. Ich überlegte, ob ich zurückfahren sollte. Aber wohin konnte ich mich draußen schon wenden? Der Panzer würde 

von den Ortungstastern des Walzenschiffs sofort erfaßt werden, und auch zu  Fuß  konnte  ich nicht weit  kommen.  Inzwischen mußte man  auf dem Maahkschiff wegen der  abgebrochenen  Funkverbindung mit Grek‐1 und den  anderen  Soldaten  Verdacht  geschöpft  haben.  Wahrscheinlich schwärmten  draußen weitere  Soldaten  aus. Die Möglichkeiten,  ihnen  zu entgehen, waren verschwindend klein. Natürlich hätte ich die im Wege stehenden Statuen einfach mit dem De‐

sintegratorgeschütz des Panzers auflösen können. Da ich jedoch nicht wuß‐te, welche Reaktionen  ich dadurch auslösen würde, verzichtete  ich  lieber darauf. Die Möglichkeiten des Kyriliane‐Sehers, seinen Schlupfwinkel zu vertei‐

digen, schienen vielfältig zu sein. Wenn ich ihn erzürnte, war ich verloren. Wenn es mir dagegen gelang,  ihn als Verbündeten zu gewinnen, fand  ich vielleicht doch noch eine Möglichkeit, das Maahkraumschiff zu vernichten. Ich entschloß mich, den Panzer zu verlassen und zu Fuß weiterzugehen. Als  ich  den  Panzer  verlassen  hatte, wirkten  die  unheimlichen  Statuen 

noch viel größer auf mich als vorher. Gab es tatsächlich irgendwo in unse‐rer Galaxis Planeten, auf denen solche Lebewesen existierten, wie sie von den Statuen dargestellt wurden? Und wenn, warum waren wir Arkoniden bisher nicht einmal auf eine einzige dieser Arten gestoßen? Konzentriere dich darauf, zu überleben! mahnte mein Extrasinn. Alles andere 

hat Zeit bis später! Ich glaubte zwar nicht daran, daß  ich später einmal Zeit  finden würde, 

mich mit dem Rätsel der  Statuen  zu  befassen, doch  ich  sah  ein, daß  ich mich nicht selbst mit gegenwartsfernen Gedankengängen ablenken durfte, wenn ich den Maahks entkommen und überleben wollte. Und das war nicht  einmal  alles.  Ich mußte  außerdem nach  einer Mög‐

lichkeit suchen, die Maahks am Start von diesem Planeten zu hindern und möglichst ihr Raumschiff zu zerstören. So schnell wie möglich bewegte ich mich vorwärts, zwischen den Statuen 

hindurch, deren Anblick mir beinahe unerträglich wurde. Gerade wollte  ich meine Handlampe, die  in einer Magnethalterung auf 

dem Brustteil meines Schutzanzugs befestigt war, einschalten, da  ich den Lichtkreis der Panzerscheinwerfer verließ, als ich den Eindruck hatte, daß sich eine der Statuen bewegte. Ich blieb stehen und wagte kaum zu atmen. Erst  jetzt wurde mir bewußt, daß  ich noch  immer unbewaffnet war.  Ich 

hätte  mir  vielleicht  eine  der  maahkschen  Handwaffen  aneignen  sollen, auch wenn sie eigentlich viel zu schwer für einen Arkoniden waren. Aber dieser Einfall kam zu spät. Im Panzer hatte ich keine Handwaffen entdeckt, sonst hätte ich sicher eine an mich genommen. Einen Augenblick später erkannte ich, daß sich tatsächlich eine der Statu‐

en  bewegte. Es war  ein Gebilde von der doppelten Größe  eines Maahks und besaß weder einen Kopf noch Arme und Beine. Eigentlich war über‐haupt nichts  zu  sehen, was  an Extremitäten  erinnerte. Dennoch  bewegte sich das Gebilde vorwärts – und zwar in meine Richtung. Ich überlegte, was ich tun sollte. Sollte ich in den Panzer zurückkehren? Dort war ich bestimmt sicher vor 

dieser zum Leben erwachten Statue. Doch dann wäre ich dazu verurteilt, in dem Fahrzeug zu bleiben. Passivität aber löste keines meiner Probleme. Ich beschloß, dem Wesen auszuweichen. Rasch  eilte  ich  zwischen  anderen Statuen hindurch nach  rechts, da der 

Alptraum von links kam. Danach schlug ich wieder die Richtung zur gege‐nüberliegenden Seite der Halle mit den Statuen ein. Es nützte mir nichts. Rechts vorn bewegte sich ebenfalls etwas, und als ich meine Handlampe 

einschaltete und den Lichtkegel dorthin richtete, entdeckte ich eine weitere 

zum Leben erwachte Statue. Und sie bewegte sich ebenfalls in meine Richtung. Es war nicht nur unheimlich, es war grauenhaft. Die beiden Wesen be‐

wegten sich völlig lautlos auf mich zu. Aber wie konnten Statuen zum Leben erwachen? Statuen können nicht zum Leben erwachen! erklärte der Logiksektor meines 

Extrahirns. Folglich muß es sich um energetisch konservierte Lebewesen handeln – oder um Lebewesen, die mit Hilfe  individuell abgestimmter Projektoren  in eine Zeitstarre versetzt wurden. Das  leuchtete mir  ein. Aber  egal, wie diese Lebewesen  in  Statuen ver‐

wandelt worden waren, sie konnten nicht von selbst zu neuem Leben er‐wacht sein. Wenn es jemanden gab, der sie erweckt hatte, dann nur Vrentizianex, der 

varganische Seher. Und er mußte sie mit der Absicht wiedererweckt haben, mich zu töten! Ich klappte den Druckhelm meines Schutzanzugs zurück, holte tief Luft 

und rief: »Vrentizianex! Hier  spricht  Atlan!  Du  begehst  einen  schweren  Fehler, 

wenn du mich bekämpfst. Wir sollten uns verbünden, denn draußen ist ein gemeinsamer Feind, der uns beiden zum Verhängnis werden kann. Halte deine Kreaturen zurück und nimm Kontakt mit mir auf!« Aber der Kyriliane‐Seher antwortete nicht. Er ging auch nicht auf mein 

Angebot ein, wie ich an den beiden Wesen bemerkte, die sich weiterhin auf mich zubewegten. Ich hatte keine andere Wahl mehr, als mich  in den maahkschen Panzer 

zurückzuziehen. Wenn  ich  den  beiden Kreaturen  entkam,  aktivierte  der Seher bestimmt andere Statuen. Ich wandte mich um und rannte zu dem Panzer zurück. Es wunderte mich, daß Vrentizianex nicht noch andere Statuen zum Le‐

ben erweckte, denn er mußte doch bemerken, daß die beiden mich nicht aufzuhalten vermochten: Sie bewegten sich zu langsam für mich. Aber  warum  auch  immer,  er  schickte  keine  weiteren  Statuen  in  den 

Kampf. Ungehindert erreichte ich den Panzer, kletterte durch das offene Luk und 

verriegelte es. Dann setzte ich mich in den Sessel vor der Steuerung, schal‐tete  den  Antrieb  an  und  aktivierte  die  Bildschirme  der  Rundum‐

Beobachtung. Die beiden unheimlichen Lebewesen hatten ihre Bewegungsrichtung ge‐

ändert und kamen nunmehr genau auf den Panzer zu. Ich wußte, daß ich mich bald entscheiden mußte, und obwohl ich wußte, 

wie meine Entscheidung auszusehen hatte, zögerte  ich dennoch, denn sie barg neue Gefahren, die ich noch nicht ermessen konnte. Aber ich hatte keine Wahl. Der Panzer  ruckte an, als  ich meinen Finger auf die Plus‐Taste der Be‐

schleunigungsschaltung drückte. Die erste der im Wege stehenden Statuen barst  beim  Aufprall  des  stählernen  Monstrums  auseinander,  und  ihre Trümmer flogen beiseite.  

 * 

 Unaufhaltsam rollte der Panzer weiter. Sein Bug schleuderte Statuen bei‐

seite,  seine Gleisketten  zermalmten Trümmer. Es  schmerzte mich, Leben vernichten zu müssen, auch wenn der Zustand, in dem sich diese Kreatu‐ren befanden, kaum als Leben zu bezeichnen war. Ich fragte mich, warum Vrentizianex diese Entwicklung nicht vorausge‐

sehen und entsprechend gehandelt hatte. Er hätte verhindern können, daß seine Sammlung – oder wie  immer er die zu Statuen erstarrten Kreaturen nannte – dezimiert wurde. Statt dessen hatte er  ihre  teilweise Zerstörung geradezu herausgefordert. Die beiden wiedererweckten Kreaturen trafen keine Anstalten, dem stäh‐

lernen Ungetüm auszuweichen. Im Gegenteil, sie bewegten sich weiter auf den Panzer zu. Vernichte  sie, bevor  sie den Panzer  erreichen! warnte mich mein Extrasinn. 

Vielleicht  haben  sie  in  belebtem Zustand Möglichkeiten,  das  Fahrzeug wirksam anzugreifen. Ich sah ein, daß eine solche Möglichkeit bestand, auch wenn sie mir un‐

wahrscheinlich vorkam. Aber ich durfte kein Risiko eingehen, wenn es sich irgendwie vermeiden ließ. Ich mußte überleben, um das Schiff der Maahks und mit ihm das technische Erbe der Varganen zerstören zu können. Widerwillig  betätigte  ich  die Waffenschaltungen.  Die  positronisch  ge‐

steuerte vollautomatische Zieleinrichtung erfaßte die beiden Kreaturen und 

richtete die Geschütze auf  sie.  Ich brauchte nur noch den Feuerknopf zu drücken. Beide Turmgeschütze schickten  ihre  todbringende Energie  los. Ein arm‐

starker Impulsstrahl erfaßte das eine Wesen und löschte es förmlich aus. Das  andere Wesen wurde  vom  Strahl  des Desintegratorgeschützes  ge‐

troffen.  Ich  erwartete,  daß  es  sich  in  eine  Gaswolke  verwandelte. Doch nichts dergleichen geschah. Fast völlig  eingehüllt von dem grünlich  leuchtenden Strahlenkegel, be‐

wegte es sich mit unverminderter Geschwindigkeit auf den Panzer zu. Das konnte es doch gar nicht geben! Trotz meines Erschreckens  reagierte  ich mit der Routine  eines Mannes, 

dem  so  gut wie  alle Gefechtssituationen  vertraut waren.  Ich drückte die Minus‐Taste  der  Beschleunigungsschaltung.  Der  Panzer  kam  ruckartig zum Stehen, dann wirbelte er Trümmer und Staub auf, als die Gleisketten sich in umgekehrter Richtung bewegten und das Fahrzeug zurückrissen. Dadurch konnte ich verhindern, daß die überlebende Kreatur in den to‐

ten Winkel der Turmgeschütze geriet – und ich gewann Zeit, um die Ziel‐einrichtung zu veranlassen, das Impulsgeschütz auf den Gegner zu richten. Auf dem  vorderen Bildschirm  beobachtete  ich, wie der  sonnenhelle E‐

nergiestrahl dort einschlug, wo die Kreatur eben noch gewesen war. Aber  er brannte nur  einen Krater  in den Boden, denn die Kreatur war 

verschwunden. Sie mußte sich versteckt haben, obwohl ich ihr die Schnelligkeit, mit der 

das geschehen war, niemals zugetraut hätte. Wieder  reagierte  ich  beinahe  automatisch  auf die veränderte  Situation. 

Ich stellte beide Geschütze auf Dauerfeuer und ließ den Turm so weit nach links und rechts herumschwenken, daß die Energiestrahlen auf  jeden Fall auch das Versteck der Kreatur erfassen mußten. Vor dem Panzer brach die Hölle aus. Als  ich den Finger vom Feuerknopf nahm, brodelte und kochte vor mir 

ein Lavameer, in dem sich nichts regte. Von der Kreatur war nichts zu se‐hen. Sie konnte dieses Inferno nicht überlebt haben. Dennoch wartete ich noch eine Weile, bis die Oberfläche des Lavameers 

erstarrt war. Dann  schaltete  ich wieder  auf positive Beschleunigung und hielt den Finger  so  lange auf dem entsprechenden Knopf, bis der Panzer mit voller Beschleunigung durch die Überreste der Statuen raste. 

Vor mir tauchte die andere Wand der Halle auf – und auch in ihr befand sich wieder ein offenes Tor. Ich hatte das Gefühl, daß alles zu  leicht  für mich gewesen war, deshalb 

bremste  ich den Panzer vor dem Tor  so weit ab, daß er nur mit mäßiger Geschwindigkeit durch die Öffnung rollte. Auf den Bildschirmen  erschien das Gesicht  einer weiteren Halle. Aber 

diesmal entdeckte ich in ihr weder Kristalle noch Statuen, sondern nur eine verwirrende Vielfalt unbekannter Pflanzen, die einen üppigen Dschungel bildeten. Ich hielt das Fahrzeug an, musterte die neue Umgebung und überlegte, 

wie ich vorgehen sollte. Im Grunde genommen wußte ich aber, daß es gar keine andere Möglich‐

keit für mich gab, als mit den Geschützen eine Gasse durch den Dschungel zu  brennen. Er war  zu  dicht,  als  daß  ich  ihn  zu  Fuß  hätte  durchqueren können, und ich wollte auch nicht riskieren, daß sich so viele Schlingpflan‐zen  im Rollenlaufwerk und  in den Gleisketten verfingen, daß sie  sie blo‐ckierten. Wieder betätigte ich die Waffenschaltungen. Da es diesmal kein fest um‐

rissenes  Einzelziel  gab,  war  die  vollautomatische  Zieleinrichtung  un‐brauchbar  und  ich  mußte  die  Geschütze  mit  Hilfe  der  Servosteuerung selbst ausrichten. Doch  als  ich  die  entsprechenden  Tasten  drückte,  geschah  überhaupt 

nichts. Weder der Turm noch die Geschütze bewegten sich. Während ich noch überlegte, ob es bei den Panzern der Maahks vielleicht 

eine Zusatzschaltung gab, mit der man die Servosteuerung der Geschütze zuerst aktivieren mußte, erstarb das Rumoren des Antriebs mit einem Laut, der wie das Röcheln eines sterbenden Sauriers klang. Ich suchte und fand die Taste, mit der sich die Reparaturschaltung akti‐

vieren ließ. Wie bei unseren arkonidischen Geräten, so verfügten auch die maahkschen  Geräte  über  Einrichtungen,  die  unter  positronischer  Steue‐rung zahlreiche Schäden beheben konnten, die an irgendwelchen Systemen auftraten. Das Kontrollauge der Reparaturschaltung leuchtete auf, aber schon nach 

kurzer Zeit flackerte es mehrmals und erlosch dann ganz, was nur bedeu‐ten konnte, daß die Reparaturschaltung selbst wegen eines Defekts ausge‐fallen war. 

Als ich auf den Feuerknopf drückte, geschah es eigentlich nur noch des‐halb, weil  ich die Bestätigung dafür haben wollte, daß nacheinander  alle Systeme des Panzers ausgefallen waren. Und ich erhielt die Bestätigung. Keines der beiden Geschütze strahlte auch nur ein Minimum an Energie 

ab. Ich unterdrückte die aufsteigende Panik und versuchte, ruhig zu überle‐

gen. So viele Ausfälle konnte es an einem technisch derart hochwertigen Gerät 

wie einem Panzer gar nicht geben. Die Wahrscheinlichkeit dafür war prak‐tisch gleich Null. Es sei denn, äußere Einflüsse waren für die Ausfälle verantwortlich. Davon aber hätte ich etwas merken müssen. Plötzlich gab es einen Ruck. Danach  lag der Panzer schief. Er hing nach 

links über. Ich musterte auf den Bildschirmen das Gelände vor dem Dschungel. A‐

ber dort gab es keinen Sumpf, in den die linke Gleiskette vielleicht gesun‐ken sein könnte. Im Gegenteil, der Boden bestand aus solidem Fels. Merkst du noch immer nicht, daß etwas sich an dem Panzer zu schaffen macht? 

meldete  sich der Logiksektor meines Extrahirns. Etwas  ist  in das Fahrzeug eingedrungen und zerfrißt es förmlich. Unwillkürlich dachte  ich an die Kreatur, die sich als unempfindlich ge‐

gen Desintegratorbeschuß erwiesen hatte und dann spurlos verschwunden war. Ein Lebewesen, das dem Beschuß aus einem schweren Desintegratorge‐

schütz standhielt, verfügte zweifellos über außergewöhnliche Fähigkeiten. Warum sollte eine dieser Fähigkeiten nicht darin bestehen, eine Wand aus Stahlplastik  zu durchdringen und  einen Panzer von  innen heraus  aufzu‐fressen? Noch während ich darüber nachdachte, wurden die Bildschirme dunkel. Ich  entschloß mich, das  Fahrzeug  zu  verlassen, denn  es war  nicht  nur 

nutzlos geworden,  sondern machte mich auch blind,  solange  ich mich  in seinem Innern aufhielt. Was mich draußen erwartete, wußte ich nicht. Blieb ich aber in dem Pan‐

zer, dann wurde ich vielleicht ebenso wie er schließlich von der unheimli‐chen Kreatur aufgefressen. 

Ich  entriegelte den Lukendeckel und  kletterte  hinaus. Als  ich  auf dem Felsboden stand, ging  ich einmal um das Fahrzeug herum. Dabei sah  ich, daß sich die  linke Gleiskette zu einem Drittel  in eine von Schaum durch‐setzte gelbe Gallertmasse verwandelt hatte. Und dieser Zersetzungsprozeß ging weiter und erfaßte immer mehr von dem Fahrzeug. Ich entfernte mich einige Schritte von dem Panzer, denn in seiner unmit‐

telbaren Nähe  fühlte  ich mich unbehaglich. Danach blickte  ich wieder zu dem Dschungel hinüber. Wäre mein  varganischer  Schutzanzug  noch  vollständig  gewesen, wäre 

ich natürlich einfach über den Dschungel geflogen. Aber die Maahks hat‐ten, bevor sie mir den Anzug zurückgaben, dafür gesorgt, daß ich nicht mit ihm davonfliegen konnte. Das Antigravaggregat ließ sich gerade noch da‐zu  gebrauchen,  die  hohe  Schwerkraft  an  Bord  eines maahkschen Raum‐schiffs auf Werte zu reduzieren, die für einen Arkoniden erträglich waren. Unter den normalen Schwerkraftbedingungen, wie sie auf diesem Planeten herrschten, hätte  ich  einige hohe und weite Luftsprünge vollführen kön‐nen, mehr aber nicht. Ich durfte es selbstverständlich nicht riskieren, etwa zehn Meter weit ü‐

ber den Rand des Dschungels zu springen und an einem Platz zu  landen, den ich mir nicht aussuchen konnte. Vielleicht landete ich dann genau auf einer Giftpflanze oder in der Falle einer fleischfressenden Pflanze. Ich konnte den Dschungel auch nirgends umgehen. Er reichte bis an die 

glatte Wandung der Halle. Wenigstens  aber  spendete  eine  an der Decke schwebende Kunstsonne  so  reichlich Licht, daß  ich auch am Grunde des Dschungels ohne meine Lampe auskommen würde. Entschlossen ging ich auf den Dschungel zu.  

 * 

 Es war still, unheimlich still. Wider  Erwarten  kam  ich  recht  gut  vorwärts.  Es  schien,  als wären  die 

Gewächse des Dschungels mir wohlgesinnt. Das mag versponnen klingen, aber ich wußte, daß pflanzliche Lebewesen 

nicht nur fühlen, sondern auch die Gehirnströme anderer Lebewesen erfas‐sen und deren Gefühle erkennen konnten. Eine Pflanze spürte, ob jemand, 

der sich ihr näherte, das in guter oder – für sie – böser Absicht tat, und eine Pflanze konnte  im Rahmen  ihrer begrenzten Möglichkeiten  entsprechend reagieren. Da  ich mich,  unbewaffnet  wie  ich  war,  notgedrungen  sehr  behutsam 

durch das Pflanzengewirr arbeiten mußte,  reagierten die Pflanzen mögli‐cherweise so darauf, daß sie ihren Widerstand verringerten und sich mühe‐los beiseite schieben ließen. Allerdings ließ ich mich nicht dazu verleiten, meine Wachsamkeit zu ver‐

ringern. Wenn  ich  eine  Pflanze  sah,  deren  Anblick  durch  Farbenpracht oder Gestalt besonders anziehend war, wich  ich  ihr geflissentlich aus.  Ich hatte keine Lust, den Verlockungen fleischfressender Pflanzen zu erliegen, denn wenn eine Pflanze auf Fleisch als Nahrung angewiesen war, konnte sie  auf meine  Behutsamkeit  oder  positiven Gefühle  ebenso wenig Rück‐sicht nehmen wie wir Arkoniden auf die Sanftmut unserer Schlachttiere. Auf diese Weise erreichte ich ungefähr die Mitte des Dschungels, als ich 

eine Stimme hörte, die mich zur Reglosigkeit erstarren ließ. Es war die Stimme vom Vrentizianex, und sie sagte, von einem Lautspre‐

cher verstärkt: »Du bist verloren, Arkonide, auch wenn du versuchst, die Pflanzen auf 

deine Seite zu ziehen!« Unwillkürlich mußte ich lächeln. Der Kyriliane‐Seher  hatte  also  gehofft,  ich würde mich  im Pflanzenge‐

wirr des Dschungels verfangen, indem ich die Pflanzen durch meine nega‐tiven Gefühle zum Widerstand reizte. Inzwischen mußte  er  erkannt  haben,  daß  er  sich  geirrt  hatte,  und  ich 

konnte mir gut vorstellen, daß ihn das in Wut versetzte. »Wir müssen uns nicht bekämpfen, Vrentizianex!« rief  ich zurück. »Die 

Maahks sind sowohl deine als auch meine Gegner. Wenn wir uns verbün‐den, haben wir vielleicht beide noch eine Chance, wenn nicht, werden die Maahks uns früher oder später beide fangen oder töten.« Der Seher lachte höhnisch. »Die Maahks  sind  von meinen Kyr‐a‐thon‐Kristallen  eingefangen wor‐

den.  Ihr Geist wird  sich  solange  in  imaginären Welten bewegen, bis  ihre Körper tot sind.« »Du hast nur wenige Maahks  fangen können«, entgegnete  ich. »Die an‐

deren Maahks werden bald Mittel und Wege finden, mit deinen Kristallen 

fertig zu werden. Du irrst dich, wenn du meinst, sie so einfach besiegen zu können. Warum orientierst du dich nicht an den Realitäten?« Das kann  er nicht, weil  sein Geist verwirrt  ist!  teilte mir mein Logiksektor 

mit. Ich wußte  es,  aber  ich mußte  trotzdem versuchen, mich  irgendwie mit 

Vrentizianex  zu verständigen. Wenn wir uns bekämpften,  zogen nur die Maahks Vorteile daraus. »Ich werde zuerst dich vernichten und dann die Maahks!« schrie der Se‐

her mit überschnappender Stimme. »Niemand kann mich, den Kyriliane‐Seher, besiegen!« Ich seufzte. Der Geist von Vrentizianex war durch die lange Verbannung auf diesen 

Planeten zu sehr verwirrt worden. Der Mann konnte zwischen Einbildung und Realität nicht mehr unterscheiden, sonst hätte er erkannt, daß sich eine derart  geschulte  und  erfahrene  Kampftruppe  wie  die  Besatzung  eines Maahkraumschiffs  nicht  von  ein  paar  hypnotischen  Kristallen  aufhalten ließ – jedenfalls nicht auf die Dauer. »Dann versuche, mich zu besiegen, du alter Narr!« rief ich. Ein Wutschrei ertönte, dann hörte ich die Entladung einer Energiewaffe. Aber  der  Schuß  hatte  offenbar  nicht mir  gegolten,  denn  ich  sah  nicht 

einmal ein schwaches Aufblitzen. Wahrscheinlich versuchte der Seher, sich eine Gasse  in den Dschungel zu brennen, um mich zu  stellen und zu er‐schießen. Ich wandte mich nach links und glitt geschmeidig durch das nachgiebige 

Gewirr  der  zahllosen  unterschiedlichen  Pflanzen. Wenn  es  mir  gelang, Vrentizianex in großem Bogen zu umgehen und dorthin zu gelangen, wo‐her er gekommen war, hatte ich schon viel gewonnen. Wieder hörte ich die Entladung einer Energiewaffe. Ich mußte einer rie‐

sigen  Pflanze  ausweichen,  die  in  allen  Farben  des  Spektrums  schillerte. Dabei merkte  ich, daß die anderen Pflanzen mir zu helfen versuchten. Ihr Widerstand hatte sich  in Richtung auf die buntschillernde Pflanze erhöht. Es war,  als versteiften  sich die  sonst biegsamen Zweige und Lianen, um mich von dem gefährlichen Weg abzubringen. Plötzlich erstarrte ich mitten in der Bewegung. Ein anhaltendes dumpfes Donnern und Tosen erschütterte die Luft.  Ich 

spürte, wie die Pflanzen, die ich berührte, schwach vibrierten, als zitterten 

sie vor einer drohenden Gefahr. Und  ich wußte, daß das Gespür der Pflanzen  sie  nicht  trog, denn das 

Donnern und Tosen kam von den Entladungen  zahlreicher  starker Ener‐giewaffen. Die Maahks hatten demnach die Kristallhöhle und  ihre Gefahren über‐

wunden und drangen  tiefer  in die Hohlräume des Sehers ein. Dabei zer‐störten sie vorsichtshalber alles, was ihnen irgendwie verdächtig erschien. Ungeachtet der Gefahr, daß Vrentizianex dadurch meinen neuen Stand‐

ort erkennen mußte, rief ich: »Das sind die Maahks, die du vernichten wolltest, Seher! Wenn wir jetzt 

nicht  zusammenarbeiten,  sind wir  beide  verloren. Wir  haben  keine  Zeit mehr zu verlieren.« Diesmal  antwortete mir  der  Seher  gar  nicht  erst.  Er  gab  einen  neuen 

Strahlschuß ab. Wenige Augenblicke später stieß er einen schrillen Schrei aus. Ich konnte nur ahnen, was mit ihm geschehen war. Wahrscheinlich war 

er von einigen Pflanzen gefangen worden. Wie sie das bewerkstelligt hat‐ten, konnte ich mir allerdings nur in meiner Phantasie ausmalen. Vielleicht hatten  sie  einer  beweglichen  Fangpflanze  geholfen,  an  ihn  heranzukom‐men. Vielleicht aber war er auch nur durch sein eigenes Ungestüm zu nahe an eine gefährliche Pflanze geraten. Ich überlegte, ob ich ihm helfen konnte. Denk jetzt nicht an andere, sondern nur an dich selbst! raunte mein Extrasinn 

mir zu. Die Maahks können jeden Augenblick hier auf tauchen. Eine neue Energieentladung aus Vrentizianex’ Richtung bewies mir, daß 

der Seher sich schon selbst geholfen hatte. Deshalb zögerte ich nicht länger, sondern  arbeitete mich  in Richtung  auf  die  gegenüberliegende  Seite  der Dschungelhalle vor. Aber es war zu spät. Als  ich  das  Dröhnen  schwerer  Triebwerke  hörte,  wußte  ich,  daß  die 

Maahks  in die Dschungelhalle eingedrungen waren. Wahrscheinlich wür‐den sie den Dschungel mit  ihren Energiewaffen niederbrennen und dabei sowohl den Seher als auch mich töten. Dennoch konnte  ich meinen Wissensdurst nicht bezähmen.  Ich kletterte 

auf einen seltsam geformten Baum, um mir einen Überblick zu verschaffen. Mindestens zwanzig Flugpanzer der Maahks kreisten über dem Dschun‐

gel. Aber noch hatten sie das Feuer nicht eröffnet. Da  zuckte  eine  sonnenhelle  Energiebahn  aus  einem  anderen  Teil  des 

Dschungels empor, traf einen der Flugpanzer und beschädigte ihn schwer. Das Fahrzeug schmierte ab und landete krachend im Dschungel. Die übrigen Flugpanzer formierten sich zum Angriff. Aber seltsamerwei‐

se  feuerten  sie  nicht  auf die  Stelle,  von der  aus Vrentizianex  geschossen hatte. Doch darin hatte ich mich geirrt. Ich erkannte meinen Irrtum, als zahlreiche Maahks mit Hilfe von Flugge‐

räten  aus  ihren  Fahrzeugen  sprangen  und  im Dschungel  landeten,  ohne daß sie von dem Seher beschossen wurden. Das konnte nur bedeuten, daß  sie Vrentizianex mit Narkosewaffen be‐

täubt hatten. Wenig  später  sah  ich, daß  zwei Maahks den Seher gepackt hatten und 

mit ihm zu einem der schwebenden Panzer flogen. Aber meine Hoffnung, daß der Fall damit für mich ausgestanden sei und 

ich  nur  noch  den Abzug der Maahks  abzuwarten  brauchte,  erfüllte  sich nicht. Aus einem starken Lautsprecher ertönte eine von einem Translator über‐

setzte Stimme. »Hier spricht Grek‐1!« sagte sie. »Ich denke, daß Sie sich ebenfalls in die‐

sem Dschungel verkrochen haben, Arkonide. Da ich daran interessiert bin, Ihr Leben zu erhalten, gebe ich Ihnen eine Frist von zwei Minuten. Haben Sie  sich  bis  dahin  nicht  zu  erkennen  gegeben,  lasse  ich  den  gesamten Dschungel verbrennen. Sie würden dabei umkommen, hätten  also nichts gewonnen. Die Zeit läuft ab jetzt, Arkonide.« Ich zermarterte mir mein Hirn, aber ich wußte auch so, daß ich verloren 

hatte. Grek‐1 hatte  recht, wenn er  sagte, daß  ich nichts gewinnen würde, wenn  ich mich töten  ließ. Dann konnte  ich den Maahks zwar nichts mehr nützen, aber auch nicht schaden. Resigniert richtete  ich mich auf dem Baumwipfel auf und winkte. Kurz 

darauf  erschienen  zwei Maahks,  ergriffen mich und  flogen mit mir  zum Führungspanzer. Während man mich wie Frachtgut festband, sah ich, daß drei Panzer, die 

irgendwann vorher gelandet waren, wieder starteten. Ich konnte mir den‐ken, was das zu bedeuten hatte. Doch ich sagte nichts, weil ich wußte, daß 

ich mit meinen Argumenten  bei  einem Maahk  niemals durchgekommen wäre. Außerdem fand ich keine Zeit dazu, denn »mein« Flugpanzer drehte ab, 

sobald  ich  festgebunden war. Er  flog durch die nunmehr vollständig ver‐wüstete Statuenhalle zurück. Als wir die Kristallhöhle erreichten, sah  ich, daß die Kristalle blind wa‐

ren. Sie wirkten wie beschlagen. Ich vermutete, daß die Maahks, als sie erst einmal erkannten, daß die Kristalle eine hypnotische Wirkung auf sie aus‐übten, die Halle mit einem Gas gefüllt hatten, das die Kristalle abstumpfte und ihnen dadurch ihre Wirkung nahm. Sie waren eben nicht nur tapfere, sondern auch intelligente Kämpfer, die‐

se Maahks.  

 * 

 Zu meiner Verwunderung brachte man mich nicht sofort ins Raumschiff 

zurück, sondern auf eine einigermaßen ebene Geröllfläche, die von starken Scheinwerfern in helles Licht getaucht wurde. Als ich losgebunden und auf die Fläche gestoßen wurde, sah ich, daß ne‐

ben  dem  bewußtlosen  Vrentizianex  einige  tote  Sklaven  auf  dem  Geröll lagen, das von einer nur dünnen Schicht Schnee bedeckt war. Sicher fragten die Maahks sich, warum sie keine toten Arkoniden gefun‐

den hatten. Und von mir würden sie wissen wollen, wer dieses Lebewesen mit dem Schuppenhut war, das sie gefangengenommen hatten. Als  ich Grek‐1 auf mich zustapfen  sah, bereitete  ich mich  innerlich auf 

einige peinliche Fragen vor – und ich legte mir einige Lügen zurecht. Der Kommandant des Maahkraumschiffs kam jedoch nicht sofort zu mir, 

sondern  ging  erst  zu Vrentizianex und musterte die massige Gestalt mit der bronzefarbenen Haut, dem Schuppenhut und den Krallenhänden. Be‐sonders mußte  die Maahks  natürlich  die  Tatsache  interessieren,  daß  ihr Gefangener statt Augen zwei große Kristalle trug. Als Grek sich mir zuwandte, glaubte ich, seine Augen vor Erregung fla‐

ckern zu sehen. War  es möglich, daß der Anblick dieses  seltsamen Wesens  sogar  einen 

kalten Maahk erregt hatte? 

»Wer ist dieses Wesen mit den Kristallaugen?« tönte es aus dem Transla‐tor des Maahks. »Haben die Arkoniden etwa neue Verbündete gefunden?« »Dieses Wesen  ist  relativ  unbedeutend  für  uns Arkoniden«,  erwiderte 

ich. »Wir haben es zusammen mit seinem Palast auf dieser Welt gefunden und uns mit  ihm geeinigt, Teile des Palastes als Station benutzen zu dür‐fen. Mehr weiß ich auch nicht.« »Ich glaube Ihnen nicht ganz, Arkonide«, erklärte Grek‐1. »Wo ist die ar‐

konidische  Besatzung  der  Station? Wir  haben  die  Trümmer  untersucht, aber nur die Leichen dieser hellhäutigen kleinen Lebewesen gefunden.« »Sie müssen  noch  unter  den  Trümmern  liegen, Grek‐1«,  log  ich.  »Die 

hellhäutigen Wesen waren übrigens nur die Sklaven dieses Wesens.«  Ich streckte die Hand aus und deutete auf Vrentizianex. »Und warum haben Sie uns nichts über die Halle mit den hypnotischen 

Kristallen gesagt?« forschte der Maahk weiter. »Ich wußte nichts davon«, antwortete ich wahrheitsgemäß. »Aber selbst‐

verständlich hätte ich auch dann nichts gesagt, wenn ich Bescheid gewußt hätte. Ich bedaure nur, daß mir die Flucht nicht gelungen ist.« »Sie hätten uns niemals auf die Dauer entkommen können, Arkonide«, 

versicherte Grek‐1, und es klang fast, als versuchte er mich zu trösten. Ich zuckte mit den Schultern. Dabei sah ich, daß Vrentizianex wieder zu sich kam. Die Kristalle in sei‐

nen Augenhöhlen funkelten. Ich ahnte, daß der Seher eine Unbesonnenheit plante, aber ich kam nicht mehr dazu, ihn zu warnen. Blitzartig  schnellte Vrentizianex  hoch,  stemmte  sich mit  den  Füßen  ab 

und sprang Grek‐1 an. Der Maahk taumelte infolge der Wucht des Anpralls, dann schleuderte er 

den Seher von sich – und als Vrentizianex  in den Schnee  fiel, zog Grek‐1 seinen Impulsstrahler und drückte ab. Der Kyriliane‐Seher war augenblicklich tot. Doch mit  seinen Augenkristallen  geschah  etwas Grauenhaftes.  Sie  zer‐

sprangen  förmlich,  und  die  Bruchstücke  fielen  weit  verstreut  in  den Schnee. Grek‐1  schob  seine Waffe  ins Gürtelhalfter zurück, wandte  sich wieder 

an mich und sagte: »Ein Lebewesen, das so unüberlegt handelt, kann keine große Bedeutung 

haben, Arkonide. Deshalb habe ich dieses Wesen getötet. Aber wahrschein‐

lich hätte ich sowieso seinen Tod befohlen.« Als ich nichts darauf erwiderte, fuhr er fort: »Wir bringen Sie jetzt wieder in unser Schiff und werden diesen Planeten 

verlassen.  Vorher  aber  zünden  wir  durch  Funkimpulse  die  atomaren Sprengsätze, die wir  in den Höhlen der Station zurückgelassen haben. Es wird nichts von der Station übrigbleiben.« Auch darauf erwiderte ich nichts. Was hätte ich schon sagen sollen? Als zwei Maahks mich an den Schultern packten und in Richtung Raum‐

schiff schoben, schloß ich den Druckhelm meines Schutzanzugs. Vor mir  lag eine ungewisse Zukunft, und es gab so gut wie keinen An‐

haltspunkt dafür, daß ich dieses Schiff mitsamt dem Erbe der varganischen Technik zerstören konnte. Dennoch war ich fest entschlossen, nicht aufzugeben. Sobald sich wieder 

eine Gelegenheit ergab, würde ich wieder handeln, denn ich hatte ein Ziel, für das ich kämpfen und mich notfalls opfern konnte.   ENDE   Lesen Sie nächste Woche ATLAN‐EXCLUSIV Nr. 183:  Der Mutantenjäger von H. G. Francis  Er wird gehetzt – eine ganze Welt ist gegen ihn.  Überall im Zeitschriften‐ und Bahnhofsbuchhandel erhältlich. Preis DM 1.50.