Das zeitgenössische Klavierkonzert. Analysen zu M. · PDF fileSonja Huber Das zeitgenössische Klavierkonzert Analysen zu M. Feldman, M. Jarrell, G. Kühr, H. Lachenmann, G. Ligeti

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  • Sonja Huber

    Das zeitgenssische KlavierkonzertAnalysen zu

    M. Feldman, M. Jarrell, G. Khr, H. Lachenmann, G.Ligeti und W. Lutosawski

    2014

    Bhlau Verlag Wien Kln Weimar

  • Bibliografische Information der Deutschen Nationalbibliothek :Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in derDeutschen Nationalbibliografie ; detaillierte bibliografische Daten sindim Internet ber http://dnb.d-nb.de abrufbar.

    Umschlagabbildung : Chopins Waterloo, Skulptur von Arman, 1961 ( Bildrecht Wien, 2013)

    2014 by Bhlau Verlag Ges.m.b.H., Wien Kln WeimarWiesingerstrae 1, A-1010 Wien, www.boehlau-verlag.com

    Alle Rechte vorbehalten. Dieses Werk ist urheberrechtlich geschtzt.Jede Verwertung auerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist unzulssig.

    Korrektorat : Jrg Eipper-Kaiser, Graz Satz : Michael Rauscher, WienDruck und Bindung : Prime Rate kft., 1044 BudapestGedruckt auf chlor- und surefrei gebleichtem PapierPrinted in Hungary

    ISBN 978-3-205-79558-2

  • Inhalt

    Allgemeine Einfhrung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7berblick|10|Kriterien der Analyse|16

    Morton Feldman : Piano and Orchestra . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19Voraussetzungen der Analyse|19|Allgemeine Annherung|23| Verhltnis von Solist und Orchester|27|Formale bersicht|32| Dynamik|37|Harmonik|40

    Helmut Lachenmann : Ausklang. Musik fr Klavier mit Orchester . . . . . . . 47Allgemeine Annherung|47|Formale bersicht|54|Charakteristische Details|63|Harmonik|68|Kompositionsprozess|72|Vergleich mit anderen Klavierkompositionen|74|Rolle des Hrers|77| Auseinandersetzung mit Traditionen|79

    Gyrgy Ligeti : Konzert fr Klavier und Orchester . . . . . . . . . . . . . . . . 85Entstehung und Einflsse|85|Einzelaspekte|94|Verhltnis von Solist und Orchester|97|1. Satz|104|2. Satz|112|3. Satz|117|4. Satz|121| 5. Satz|125

    Witold Lutosawski : Concerto for Piano and Orchestra . . . . . . . . . . . . . 135Allgemeine Annherung|135|1. Satz|138|2. Satz|150|3. Satz|157| 4. Satz|162|Einzelaspekte und berblick|171|Traditionsbezge|177

    Gerd Khr : la recherche fr Klavier und Orchester . . . . . . . . . . 183Allgemeine Annherung|183|Formale bersicht|186| Einzelaspekte|191|Chronologie|204

  • 6 InhaltInhalt

    Michael Jarrell : Abschied fr Klavier und Orchester . . . . . . . . . . . . . . 225bernahmen und Bearbeitungen|225|Besetzung und Spieltechniken|229|Formale bersicht I|232|Verhltnis von Solist und Orchester|235|Einzelaspekte|238|Formale bersicht II|254

    Nachwort . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 259

    Zitierte Literatur . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 263

    Register . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 275

  • Allgemeine Einfhrung

    Klavierkonzerte an der Schwelle vom 20. zum 21. Jahrhundert : Nach Avantgardebewe-gungen, postseriellen, postmodernen, postpostmodernen u. a. Zeitstrmungen scheint die Auseinandersetzung mit einer historischen Gattung wie dem Klavierkonzert vor allem als Feststellung von Einzelerscheinungen mglich. Im heutigen Zeitalter der Individualstilistik knnte man davon ausgehen, dass auch bei Betrachtung von Wer-ken fr Klavier und Orchester kein einheitliches Bild entsteht. Andererseits wiederum knnte man annehmen, dass Komponisten, die heute eine so besonders durch Klassik und Romantik geprgte Gattung wie das Klavierkonzert aufgreifen, eher dem Tradi-tionalismus zugewandt sind, und somit diese Werke in sich doch eine zusammenhn-gende, stilistisch vergleichbare Einheit bilden.

    Wie im Verlauf dieser Arbeit festzustellen sein wird, besttigt sich beim konkreten Blick auf die betroffenen Werke keine dieser Vermutungen. Weder handelt es sich nur um ausgesprochen an der Tradition orientierte Komponisten, die am Ende des 20. und zu Beginn des 21. Jahrhunderts Klavierkonzerte schreiben, noch reicht es, sich ana-lytisch-resignierend mit der Feststellung eines stilistischen Pluralismus zu begngen.

    Unter dem Begriff Tradition wird in dieser Arbeit vor allem die Musik des 18. und 19. Jahrhunderts verstanden, in weit geringerem Ausma die Musik des 20. Jahr-hunderts. Dies ist nicht nur dadurch begrndbar, dass die meisten Klavierkonzerte in der Klassik und Romantik entstanden sind, sondern auch durch die Tatsache, dass gerade diese Werke besonders hufig im heutigen Konzertrepertoire vertreten sind. Sie bilden somit gleichsam eine Rezeptionsfolie und schaffen eine Erwartungshaltung seitens des Publikums sowie seitens der Auftraggeber und Interpreten, mit welcher sich die Komponisten auseinandersetzen mssen (auch wenn diese Auseinanderset-zung in einem Negieren von Tradition mndet.)1

    1 Auf die zahlreiche Literatur zur geschichtlichen Entwicklung der Gattung wird hier bewusst nicht nher eingegangen, da sich einerseits eben diese Literatur vorwiegend mit Klavierkonzerten des 18. und 19. Jahrhunderts befasst und andererseits von einem Allgemeinwissen ber die Grundzge der Gattung ausgegangen werden kann, das zum Verstndnis der folgenden berlegungen ausreicht.

  • 8 Allgemeine Einfhrung

    Zunchst ist es notwendig, den Begriff Klavierkonzert genauer zu definieren. Der Gattungsbegriff als solcher scheint am Ende des 20. Jahrhunderts vor allem aufgrund der Unverbindlichkeit und Vielfltigkeit musikalischer Formgebung (im Kleinen wie im Groen) auf die Frage der Besetzung eingeschrnkt zu sein. (Werke mit glei-cher Besetzung zhlen zu einer bestimmten Gattung, htten aber beispielsweise ein Streichquartett und ein Klavierkonzert einen hnlichen Formverlauf, wrde man sie allerdings auch in frheren Jahrhunderten nicht zu ein und derselben Gattung zh-len.) Dies macht eine erste Auswahl aufgrund der Besetzungsangabe plausibel. Welche historischen Aspekte die Gattung Klavierkonzert von anderen Gattungen aber auch am Ende des 20. Jahrhunderts unterscheiden, soll an spterer Stelle przisiert werden. Fr die detaillierten Analysen dieser Arbeit wurden Werke in Betracht gezogen, die als Besetzung Klavier und Orchester vorschreiben. Daher wurden nicht nur sol-che Komponisten bercksichtigt, die als Titel tatschlich den Begriff Klavierkonzert verwenden, sondern auch jene, die andere (meist bildhafte oder assoziative) Titel fr ihre Werke whlen.

    Aus Grnden der Eingrenzung der berflle an Material und auch zur besseren Vergleichbarkeit wurden Werke fr zwei Klaviere und Orchester, Werke mit Elektro-nik, Werke fr Klavier und Ensemble u. . nicht bercksichtigt. Bei Letztgenannten kann es sich zwar auch um die Auseinandersetzung mit Aspekten der Gattung Kla-vierkonzert handeln, doch spielt zumeist in solchen Fllen die Gegenberstellung von Individuum und Kollektiv einem Kennzeichen eines Groteils von Klavierkon-zerten jeglicher Jahrhunderte eine geringere Rolle als bei Werken fr Klavier und Orchester. Zwei Klaviere als Solisten wiederum bieten dem Komponisten die Mg-lichkeit einer zustzlichen Kommunikationsebene, es kommt daher auch zu anderen Verhltnissen in der Beziehung von Solist(en) und Orchester.

    Das wichtigste Kriterium, um ein Klavierkonzert als solches bezeichnen zu kn-nen, ist die Gegenberstellung und somit die klare Unterscheidbarkeit von Solist und Orchester. Musikalisch kann dies durch verschiedenes Material, Registerlage, Dyna-mik oder etwa ein hufigeres Vorkommen des Solisten umgesetzt werden. Besonders deutlich wird eine solche Unterscheidbarkeit durch die Virtuositt des Solisten, wobei diese jeweils im Verhltnis zur Virtuositt des Orchesterparts zu bewerten ist, d. h. keine absolute Gre darstellt. Unter dem Begriff Virtuositt ist sowohl die klas-sisch-romantische Klaviertechnik (vor allem schnelle Lufe und Sprnge) als auch der gehufte Einsatz von Spieltechniken des 20. Jahrhunderts (z. B. Erzeugen von Kln-gen im Inneren des Klaviers) zu verstehen.

    Wesentlich fr die Unterscheidbarkeit von Solist und Orchester sind vor allem auch formale Aspekte, denn durch das bloe Vorhandensein solistischer, unbegleiteter (bzw. mit reduziertem Orchester begleiteter) Passagen wird eine Fhrungsrolle des Solisten

  • 9Allgemeine Einfhrung

    selbst dann deutlich, wenn Klavier und Orchester whrend des brigen Werkes und hinsichtlich der oben genannten Parameter vollkommen gleichberechtigt erscheinen. Das eventuelle Auftreten einer lnger andauernden Klavier-Solokadenz stellt darber hinaus auch einen besonders deutlichen Bezug zur Gattungstradition her.

    Allein durch seine physische Prsenz auf der Bhne ist das Klavier als Soloinstru-ment geradezu prdestiniert. Die klangliche Unterscheidbarkeit vom Orchester ist auer im Falle eines zustzlichen Orchesterklaviers wesentlich strker als beispiels-weise bei Flten- oder Violin-Solokonzerten gegeben. Zugleich aber kann das Klavier durch seinen Tonumfang, der alle Orchesterregister umfasst bzw. darber hinausgeht, durch die Mglichkeit zur Mehrstimmigkeit und durch seine bloe Klangstrke eher als gleichberechtigter Partner (bzw. Gegenpart) gegenber dem Orchester auftreten. Der Pianist als Inbegriff des romantischen Virtuosen stellt fr den Komponisten weiters ein besonderes Moment der Auseinandersetzung mit Tradition dar.

    Die von Hugo Daffner 1906 benannten drei Hauptkennzeichen des modernen Konzerts : Dreistzigkeit, Gegenberstellung von Solo und Tutti und virtuose Ausge-staltung der Solostimme2 lassen sich erstaunlicherweise mit Ausnahme der Drei-stzigkeit und unter Bercksichtigung der im Folgenden nher erluterten Einschrn-kungen auch ein Jahrhundert spter anwenden. berspitzt formuliert, beschrnkt sich in der gegenwrtigen kompositorischen Situation aufgrund individueller Form-lsungen (falls nicht tatschlich direkt auf Formverlufe des Barocks, der Klassik oder der Romantik zurckgegriffen wird) die Bewertung, ob ein Werk als Klavierkonzert zu bezeichnen is