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28 29 Text & Fotos Christian Penning Mächtige Dreitausender, knackige Trails und grandioses Panorama: Trotz Motorunterstützung ist die Davos Klosters E-Bike-Hüttentour eine sportliche Herausforderung. Und ein unvergessliches Abenteuer mit so mancher Überraschung. DAVOS KLOSTERS WEGWEISER UNTER STROM Anstrengend bergauf, purer Spass bergab: die Trails rund um den Scalettapass.

DAVOS KLOSTERS UNTER STROM

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Text & Fotos Christian Penning

Mächtige Dreitausender, knackige Trails und grandioses Panorama: Trotz Motorunterstützung ist die Davos Klosters

E-Bike-Hüttentour eine sportliche Herausforderung. Und ein unvergessliches Abenteuer mit so mancher Überraschung.

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UNTERSTROM

Anstrengend bergauf, purer Spass bergab:

die Trails rund um den Scalettapass.

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Unter der Donnerkuppel: Die Radarstation auf dem La Dôle markiert den höchsten Punkt der Tour.

«Ich dachte, mir frieren die Finger

und Zehen ab!» Das Wochenende vor

dieser E-Mountainbike-Durchquerung

wollte Tamara eigentlich nutzen, um

sich ganz entspannt ein paar Trails rund

um Davos und Klosters anzusehen.

«Doch aus dem sommerlichen Ausflug

wurde eine Winterreise», erzählt Tama-

ra und schüttelt sich beim Gedanken

an die Ritte durch Matsch und Schnee.

Auch jetzt, vier Tage später, strahlen

die Nordflanken der Dreitausender

zwischen Prättigau und Engadin im-

mer noch in frisch gezuckertem Weiss.

Selbst im Sommer sind kurze Winterein-

brüche in den Hochtälern rund um Da-

vos und Klosters nicht ungewöhnlich.

Doch als Tamara Günthard und Jessica

Bormolini am Bahnhof von Davos ihre

E-Mountainbikes startklar machen, den

Luftdruck in Reifen und Federung che-

cken und die letzten Utensilien für die

dreitägige Enduro-Etappentour in ih-

ren Rucksäcken verstauen, scheint die

Sonne längst wieder versöhnlich. Trotz

des frischen Morgens sollen die Tem-

peraturen tagsüber deutlich klettern.

«Perfekte Bedingungen», grinst Tama-

ra mit einem schnellen Blick auf die

Wetter-App. «Drei Tage Sonne!» Gut

so, denn für das lange Wochenende

haben sich die beiden Enduro-begeis-

terten Frauen einiges vorgenommen.

Im Klartext: Knapp 130 Kilometer und

an die 5500 Höhenmeter. Nicht als Ta-

gestouren mit komfortablen Bike-Ho-

tels als Basislager, sondern als alpine

Mehrtagestour mit Übernachtungen

auf urchigen Hütten. Eine Route, ge-

spickt mit Überquerungen abgeschie-

dener Bergpässe und anspruchsvollen

Abfahrten, mit knackigen Anstiegen,

aber auch zahllosen Panoramaspots,

die einladen, ein Päuschen einzulegen,

durchzuschnaufen und die Eindrücke

der Natur aufzusaugen.

LOCKER BERGAUF

Jessica ist aus Livigno herüberge-

kommen. Den Sommer über fährt sie

regelmässig E-Enduro-Rennen. Doch

eine Mehrtagestour mit dem E-Bike

im Transalp-Stil hat sie ebenso wie

Tamara bislang noch nicht unternom-

men. Das Abenteuer kann beginnen.

Nach den ersten Kilometern auf den

Waldtrails hinauf nach Tschuggen

wird es knackig. In engen Serpen-

tinen mit steilen Rampen führt ein

langer Trail-Anstieg von der Flüela-

Passstrasse hinauf zur Bergstation Pi-

scha. «Ohne Motor-Support wäre das

die reinste Qual», meint Tamara und

freut sich über ihren motorisierten

Untersatz. «Und das Beste: Wir sind in

der Hälfte der Zeit oben und können

dort wunderschön relaxen und das

Panorama geniessen.» Denn bei aller

sportlichen Herausforderung, eines

soll diese Tour auch sein: grossarti-

ger Berggenuss. Auch wenn die Luft

oberhalb 2000 Meter deutlich dünner

wird, kurbeln die Beine erstaunlich

rhythmisch – den Motoren sei Dank.

GANZ SCHÖN KNACKIG: IN DREI TAGEN WARTEN

KNAPP 130 KILOMETER SAMT 5500 HÖHENMETERN.

IVolle Power: Der Spitzkehren-Trail von Tschuggen im Flüela- tal hinauf zur Bergstation Pischa ist knackig steil. Doch mit Elektrounterstützung kann man sogar das Pano- rama geniessen.

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Natürlich darf auf einer dreitägi-

gen Tour auch der Fahrspass nicht

zu kurz kommen. Wunderbar flowig

schlängelt sich ein Trail von der Pi-

scha Bergstation über gut zweiein-

halb Kilometer am Pischagrat entlang

hinüber zum Hüreli – Traumblicke auf

Davos, das Weissfluhjoch, das einsa-

me Tal der Mönchalp und das 3085

Meter hohe Flüela Wisshorn inklusive.

Immer wieder legen die Bikerinnen

kurze Stopps ein, lassen ihre Augen

schweifen. «Ein Blick, beinahe wie aus

dem Helikopter», schwärmt Jessica.

Kurz vor dem Hüreli zweigt der Trail

nach Norden ab, wird vorübergehend

steiler, um schliesslich über sanfte

Bergwiesen zu mäandern. Alpenrosen

links und rechts des Pfades sorgen für

farbige Tupfer. «Wundervoll», flüstert

Jessica. Tolle Trails hat sie auch bei

sich zu Hause in Livigno. Doch dieser

Wechsel zwischen sanften Alpwiesen

und wilden Graten ist für sie etwas

ganz Besonderes. Weiter! Jessica löst

die Bremsen, lässt es rasant laufen,

legt sich von einer Kurve in die nächs-

te und – ups! – verliert kurz den Grip.

Mit einem Salto verabschiedet sie sich

in die Botanik. Doch einen Augenblick

später steht sie schon wieder und

klopft sich lachend Hose und Shirt ab.

Oben: Alles im Flow – viele Abfahrten bieten

für routinierte Biker enormen Fahrspass und

geniale Ausblicke – so wie hier am Pischagrat.

Unten: Alpidylle – am traumhaften Ende des Vereinatals lohnt sich

eine kleine zusätz liche Erkundungstour.

Rastplatz: Unzählige Panoramaspots wie

am Pischaboden provozieren geradezu

zu Pausen.

«IM VEREINATAL SPÜRST DU DIE RUHE

DER BERGE.»

Die Bergwiese hat den Sturz weich

abgefedert, fast als wäre Jessica in ei-

ner Schnitzelgrube aus Schaumstoff-

würfeln gelandet.

RÖSTI, RIVELLA UND STROM

Ehe der Trail in den Wald führt, geht es

vorbei an sonnengegerbten Alphütten.

«Heidi hätte sich hier sicher wohlge-

fühlt», scherzt Tamara. In der Tat: ein

romantisches Kleinod wie aus dem

Bergbilderbuch. Als ein Zwischenan-

stieg im Wald wieder Motor-Power

fordert, erschrickt Tamara beim Blick

auf das Display am Lenker. «Mein Akku

ist gleich leer!» Die gut 1000 Höhen-

meter, der steile Anstieg von Davos

auf Pischa und die kurzen, knackigen

Zwischenanstiege haben die Batterie

fast leergesaugt. Gut, dass die Rou-

te auf dem Weg in Richtung Klosters

am Gasthaus Grüenbödeli vorbeiführt.

Hier gibt’s frische Power in jeder Form:

Strom für die Akkus, Rösti und Rivella

für die Bikerinnen. Tamara arbeitet in

ihrer Freizeit auch als Bikeguide. Eine

Tour konsequent zu planen, ist für sie

selbstverständlich. «Aber an die Sa-

che mit dem Akku», gesteht sie au-

genzwinkernd, «muss ich mich erst

noch gewöhnen.» So verschwindet die

Sonne bereits hinter den umliegen-

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den nichts anderes übrig, als die Bikes

zu schultern. Schwerstarbeit mit über

20 Kilogramm Zusatzgewicht! Spä-

testens jetzt wird Tamara und Jessica

klar: Das ist der falsche Weg. «Hätten

wir an der Abzweigung doch lieber

rechtzeitig auf die Karte geschaut!»

Umkehren? Es ist bereits spät und

schon Zeit fürs Nachtessen im Berg-

haus Vereina. Vorsorglich informiert

Tamara per Telefon den Hüttenwirt.

Der weiss sofort, wo die beiden ste-

cken. «Ihr seid auf dem Sommerweg»,

tönt es aus dem Lautsprecher. «Aber

keine Bange, der mündet weiter oben

auf die Fahrstrasse.» Bis dorthin sind

es freilich noch 150 Höhenmeter.

Tragen, schieben, keuchen – bis der

breite, flachere Weg ans Ende des

Vereinatals erreicht ist. Am Berghaus

angekommen, glitzern längst die Ster-

ne. «Ihr brauchtet wohl ein bisschen

Extra-Training», frotzelt Hüttenwirt

Köbi und verschwindet in der Küche,

um die Bikerinnen mit hausgemach-

ten Leckereien wieder aufzupäppeln.

UMWEG INS PARADIES

Mit seinem trockenen Humor bringt

er die beiden schnell wieder zum La-

chen. Die Bergsommer hat der Senior

einen grossen Teil seines Lebens auf

der Hütte verbracht. «Meine Gross-

mutter», erzählt er, «hat hier 30 Som-

mer und Winter gelebt.» Mittlerweile

ist die Hütte im Winter geschlossen,

doch ab und zu kommt Köbi auch

dann ins dann völlig vereinsamte

Vereinatal herauf. «Zum Skitouren-

gehen», verrät er. Die Fitness dafür

holt er sich schon im Sommer – auf

dem E-Bike. Kein Wunder, dass er eine

Menge Tipps hat für kleine Bike-Aus-

flüge von der Hütte aus. Zum Beispiel

ins Vernelatal. Oder ein Stück weiter,

das Süser Tal hinauf.

Als die Sonne aufgeht, realisieren Ta-

mara und Jessica, welch grandiose

alpine Arena das Berghaus Vereina

umgibt. «200 oder 300 Höhenmeter

mehr, das ist mit dem E-MTB doch

gar kein Problem», überlegt Jessica.

Und so starten sie bei Sonnenaufgang

zu einer unvergesslichen Extrarunde

ein Stück voraus die Gletscher der Sil-

vretta schon im Abendlicht. Doch der

Tag ist für die beiden noch längst nicht

zu Ende. «Berghaus Vereina» steht

auf dem Schild an der Abzweigung

an der Alp Untersäss. Bald wird der

Weg steiler und steiler. Selbst der E-

Motor nützt auf dem verblockten Trail

nur wenig. Zum Abschluss der ersten

Etappe ist wohl schieben angesagt. An

einigen steilen Stufen bleibt den bei-

Oben: Ab in die Prärie – Abstecher entlang des Süserbachs am Ende des Vereinatals. Weiter zu den Jöriseen und zum Flüela Wiss-horn im Hintergrund geht's nur zu Fuss.

Unten: Naturnah – tierische Begegnung auf dem Weg von Monbiel ins Vereinatal.

DAVOS KLOSTERSE-BIKE HÜTTENTOUR CHARAKTER

Knapp 130 Kilometer und rund 5500 Höhenmeter in drei Tagen:

Grossartiges Hochgebirgspanorama, Flowtrails, aber auch knacki-

ge Anstiege und Abfahrten – die dreitägige E-Bike-Tour ist eine

anspruchsvolle Route für routinierte Biker mit guter Kondition.

Eine Graubündner Alpenüberquerung im Mini-Format.

ROUTE

Etappe 1: Bahnhof Davos Dorf – Flüelatal – auf dem Singletrail

am Flüelabach nach Tschuggen – steiler Trail zur Bergstation

Pischa – am Pischakamm Richtung Hüreli – weiter zur Alp

Drusatscha – Grüenbödeli – Richtung Klosters – Alp Garfiun –

Vereinatal – Berghaus Vereina

Länge: 40,6 km

Höhenmeter: 1785 m, 1383 m

Etappe 2: Berggasthaus Vereina (mögliche Abstecher ins Vernelatal

oder Süser Tal) – Vereinatal talauswärts – Gotschnabahn – Schi-

ferbahn – Durannapass – Grüensee – Casannapass – Parsenn-

furgga – Totalpsee – Davos – Dischmatal – Berggasthaus Dürrboden

Alternative: mit der Gotschnabahn zur Parsenn

(fast 1500 hm weniger)

Länge: 51,5 km

Höhenmeter: 2143 m, 2079 m

Etappe 3: Berggasthaus Dürrboden – teils sehr steiler Anstieg

zum Scalettapass – Singletrail zur Alp Funtauna – Val Funtauna

– Richtung Sertigpass zu den Ravais-ch-Seen – Trail nach

Bergün – auf Strasse nach Filisur – mit der Rhätischen Bahn

nach Davos

Länge: 36,1 km

Höhenmeter: 1104 m, 2031 m

UNTERKÜNFTE

Berghaus Vereina, Tel. +41 81 422 1216, berghausvereina.ch

Berggasthaus Dürrboden, Tel. 081 416 3414, duerrboden.ch

Tipp: Länger bleiben zahlt sich aus! Denn wer seinen Aufent-

halt in Davos Klosters vor oder nach der E-Bike Hüttentour in

einem offiziellen Bike-Hotel verlängert, profitiert unter ande-

rem vom inkludiertem Biketransport der Bergbahnen und von

einem kostenlosen Bike Guide (freitags & samstags).

Mehr Infos unter: davos.ch/bike-hotels

BIKEVERLEIH UND GUIDING

Davos Bike Academy: Michi Wild und sein Team sind die

perfekten Partner für geführte Touren, Fahrtechnik- Training,

Bike-Vermietung und Reparaturen. bike-academy.ch

BIKE-SHUTTLE

Bike Shuttle Davos. Fahrzeiten und Treffpunkte nach

Vereinbarung, CHF 10.– pro Fahrt, Tel. 081 417 0707

PREMIUM CARD

Ab dem 1. Mai 2020 gibt es für Feriengäste in Davos Klosters die

«Premium Card» mit zahlreichen Vorteilen und Vergünstigungen.

Unter anderem gibt es ab der ersten Übernachtung vergünstigte

Bergbahn-Tickets (Tageskarte CHF 15.–), davos.ch/premium.

Übernachtet man in einem offiziellen Bikehotel, ist der Biketrans-

port ab der ersten Übernachtung sogar inklusive.

Mehr Infos unter: davos.ch/bike

TRAGEN, SCHIEBEN, KEUCHEN – DER

WIRT DER VEREINA-HÜTTE VERSCHIEBT DAS NACHTESSEN.

den Bergrücken, als die Akkus endlich

genügend «Saft» getankt haben und

sich die beiden wieder auf ihre Velos

schwingen.

«Naja, wir haben ein bisschen he-

rumgetrödelt, aber das war es wert»,

lacht Jessica, als sie mit Tamara die

Forstwege und Pfade zur Abzweigung

ins Vereinatal entlangcruist. Als eine

Lichtung den Blick freigibt, leuchten

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oberhalb der Hütte. «Die Ruhe der

Berge lässt sich wohl kaum besser

spüren als in solchen Momenten»,

meint Jessica, als die Sonne über den

Taleinschnitt am Vereinapass klettert

und das Hochtal in goldenes Licht

taucht. Als sie wieder talauswärts

rollen, tauchen bei Monbiel urchige

Holzhäuser auf.

Wie viele andere Ortschaften in der

Region ist Monbiel ein Walserdorf. Als

die ersten Walser Ende des 13. Jahr-

hunderts in die Region um Davos

Klosters einwanderten, leisteten sie

Pionierarbeit – ähnlich wie die Sied-

ler im amerikanischen Wilden Westen

ein paar Jahrhunderte später. Die tie-

fer gelegenen Regionen Graubündens

waren damals bereits besiedelt, also

mussten die Walser wildes Land an

der Grenze des Bewohnbaren erkun-

den und kultivieren. Oft hatten sie auf

Oben: Smaragdgrüne Juwelen – Flowtrail am Bergsee Lai da Ravais-ch Suot im Ducanmassiv.

Links: Heimelig wie bei Heidi – die Unterkunft im Berggasthaus Dürrboden.

Rechts: Konditionell anspruchsvoll – einigen Anstiegen ist selbst der kraftvolle E-Antrieb nicht gewachsen.

Verdiente Pause: Durchschnaufen nach dem langen und steilen Anstieg vom Dürrboden

zum Scalettapass.

ihren langen Märschen ihr gesamtes

Hab und Gut dabei. Bisweilen sogar

ihre Häuser. Diese transportierten sie

in Einzelteilen auf dem Rücken von

Pferden und Maultieren. Ursprüngli-

che Walserhäuser sind clevere Holz-

konstruktionen, die sich ohne Nä-

gel zusammenstecken lassen und

trotzdem Wind, Wetter und hohen

Schneelasten trotzen.

Kurz vor Mittag erreichen Tamara

und Jessica Klosters. Über den Du-

rannapass und den Casannapass sind

es fast 1500 Höhenmeter bis hinauf

zur Parsenn nördlich des Weissfluh-

gipfels. «Zum Glück gibt’s die Berg-

bahn», meint Tamara lachend, als sie

ihr Bike in die Gondel der Gotschna-

bahn schiebt. «Eine Ankunft im Dun-

keln, so wie gestern, muss ich heu-

te nicht haben.» Schliesslich ist die

Parsenn noch lange nicht das Ziel.

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Oben angekommen, führt ein flow-

iger Panorama-Trail zum Totalpsee.

Als Kulisse blinken wieder die weiss

angezuckerten Dreitausender der

Silvretta. Und dann geht’s zur Sache.

Der steile, teils verblockte Downhill

hinab nach Davos stellt Fahrkönnen

und Fingerkraft beim Bremsen auf die

Probe. Am Davosersee blickt Tamara

auf die Uhr. «Wir haben gut aufgeholt.

Wir wär’s mit Beachlife?» Die Wiese

an der Surfstation ist wie geschaffen

für eine Gelati-Pause. Sogar ein biss-

chen Strandurlaub hat diese Durch-

querung im Programm. Gut, dass

sich die verbleibenden 16 Kilometer

durchs Dischmatal zum Dürrboden

mit E-Unterstützung flott und kraft-

sparend absolvieren lassen. Denn

sich vom sonnigen Seestrand loszu-

KLEINE TIPPS FÜR GROSSE E-TOUREN

ETAPPENPLANUNG

Die Logistik bei langen E-Bike-Touren

ist anders als bei herkömmlichen

Biketouren. Im besten Fall spart man

zwar bergauf Zeit, doch sollte man

für Ladepausen ausreichend Zeit ein-

planen und schon vor der Tour ge-

eignete Stützpunkte checken, wo die

Akkus geladen werden können.

LADEGERÄT

Natürlich sollte jeder in der Gruppe

das passende Ladegerät für sein Bike

dabeihaben. Herausnehmbare Akkus

erleichtern das Laden, denn gerade

auf Hütten ist die Zahl der Steckdosen

im Aussenbereich meist stark limitiert.

Und nicht immer ist es gerne gesehen,

die Bikes ins Gebäude zu nehmen.

REICHWEITE

Es muss nicht immer die höchste

Unterstützungsstufe sein. Auf lan-

gen Touren hat ein ökonomisches

Akku-Management Vorrang.

TRAGE- UND SCHIEBE- PASSAGEN

Sollte man sich vorher auf der Karte

ansehen. Mit E-MTBs erfordern sie

Zeit und kosten Kraft.

HÜTTEN-CHECK

Hüttenübernachtungen am besten

vorab reservieren. So ist man vor

bösen Überraschungen gefeit. Im

Falle von Verspätungen oder Ab-

sagen den Hüttenwart informieren.

KONDITION & KRAFT

Hochalpine Mehrtagestouren sind

auch mit dem E-MTB kein Kinder-

spiel. Eine gute Grundkondition ist

daher die Grundvoraussetzung.

FAHRTECHNIK

Hochalpine Singletrails bedeuten

fahrtechnische Herausforderungen

– bergauf wie bergab. Entsprechen-

des Können ist unverzichtbar. Gera-

de mit schweren E-Mountainbikes.

reissen, fällt Tamara und Jessica wirk-

lich schwer.

SCALETTAPASS – BERGAUF AM LIMIT

Die Sonne versteckt sich noch hinter

den Flanken des Piz Grialetsch, als

die beiden am nächsten Morgen vom

Berggasthaus Dürrboden Richtung

Scalettapass aufbrechen. Ein Früh-

start mit Hintergedanken, denn die

Etappe ist lang – und wieder knackig.

Auf dem letzten Stück hinauf zum

Scalettapass kommen an einigen

Passagen selbst die vortriebsstarken

E-Bikes ans Limit. Dann hilft nur noch

Stossen. Doch die Plackerei lohnt

sich. Auf der anderen Seite wartet

ein fast fünf Kilometer langer Flow-

trail durch hochgebirgige Mondland-

schaften zur Alp Funtauna.

MIT UNVERGESS LICHEN EINDRÜCKEN IM

HISTORISCHEN ZUG ZU-RÜCK NACH DAVOS.

Erst flach, dann immer steiler, zieht

sich der Weg weiter durchs baumlose

Val Funtauna. Der weite Blick, die ho-

hen Gipfel ringsum – ein Hauch von

Tibet. Die Pulsfrequenz steigt. «Puh!

Da soll noch einer sagen, E-Biken

wäre kein Sport», schnauft Tamara

an der Abzweigung zwischen Kesch-

Hütte und Sertigpass. Doch es ist noch

nicht geschafft. Immer wieder fordern

knackige Anstiege alle Kraft von den

Fahrerinnen – und den Motoren.

«Ich glaub‘, ich träume!», stammelt

Jessica. Oben am Übergang auf gut

2500 Metern Höhe spiegeln sich

in den tiefgrünen Bergseen Lai da

Ravais-ch Sur und Suot die schrof-

fen, bleigrauen Felsgrate des Ducan-

massivs, gesäumt von Bändern grü-

ner Alpwiesen – eine der schönsten

Bergsee-Idyllen der Schweiz. Der Trail

schlängelt sich versonnen am Ufer

entlang und macht das Erlebnis noch

intensiver. An einem grossen Boulder-

Felsen parken die Durchquererinnen

ihre Velos. Durchatmen!

«Jeder Schweisstropfen war das

wert», meint Tamara und geniesst die

Ruhe vor dem teils ruppigen Down-

hill-Ritt. Ab jetzt geht’s fast nur noch

bergab: auf schmalen Trails das Val

da Ravais-ch hinaus, auf breiteren

Wegen nach Bergün und schliess-

lich ganz zum Schluss auf Asphalt

bis nach Filisur zum Bahnhof. Mit ei-

nem historischen Zug der Rhätischen

Bahn geht es für Tamara und Jessica

wieder zurück nach Davos. Vor ihrem

Fenster zieht die imposante Zügen-

schlucht vorbei. Die Bilder mischen

sich mit den Eindrücken der letz-

ten Tage zu einem unvergesslichen

Bergfilm – Arbeitstitel «Abenteuer

unter Strom».

Unter Strom zurück: Mit dem historischen

Zug der Rhätischen Bahn geht es wieder

nach Davos.