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Igstadter Hefte Herausgegeben vom Heimat- und Geschichtsverein Igstadt e.V. Heft 10

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Igstadter HefteHerausgegeben vom Heimat- und Geschichtsverein

Igstadt e.V.

Heft 10

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Impressum

Das vorliegende Heft wurde herausgegeben vomHeimat- und Geschichtsverein Igstadt e.V.

An der Allee 1465207 Wiesbaden

Redaktion: Ruth LichtenheldtDr. Hartmut Essig

Titelbild: Eine Skulptur des Igstadter Bildhauers Horst Panknin

Die Verantwortung für den Inhalt der Beiträge liegt allein bei den Autoren

Mai 2006

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Inhalt .

Historischer Rückblick 2

Ein Bildhauer in Igstadt 3Ruth Lichtenheldt .

Karl Luft - ein Igstadter Bürger 5Ruth Lichtenheldt .

50-jähriges Jubiläum Landfrauen Igstadt 8Gisela Eismann .

Der Gnadenthaler Hof in Igstadt 10Hartmut Essig .

Igstadt im Jahr 1702 19Hans Dieter Dörr und Hartmut Essig .

..

Ein Igstadter Pfarrer in Nöten 24Hartmut Essig .

Ein Versuch zur Klärung des geheimnisvollen Namens “Kosloff” 30Günter Fr. Chr. Sommer .

30 Jahre . 30 Das Gasthaus zur Linde 31Ruth Lichtenheldt .

Igstadt nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und in den .folgenden Jahren 34

Karl-Heinz Schmidt .

Der Igstadtbecher des Heimat- und Geschichtsvereins 46

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Historische Rückblende

Was in Igstadt geschah vor ...

50 Jahren (1956) Flurbereinigung in Igstadt

150 Jahren (1856) Gründung des Armenvereins nach großer Teuerung seit mehreren Jahren

300 Jahren (1706) Namensliste für Korn- und Haferpacht an St. Peter in Mainz

450 Jahren (1556) Pachtvertrag für den großen Altmünsterhof mit der Gemeinde Igstadt

500 Jahren (1506) Weistum über die Gerechtsame (Rechte) des Landgrafen vonHessen über das Landgericht Mechtildshausen (einschließ-lich Igstadt)

700 Jahren (1306) Lagerbuch (Besitzverzeichnis) des Altmünster-Klosters in Mainz mit Angaben zu seinen Besitzungen in Igstadt

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Kommt der Besucher in Ig-stadt zu Panknins, ist das zu-nächst eine ganz normaleAdresse, ein hübsches Einfa-milienhaus mit Garten amOrtsrand unweit des Bahn-hofs. Aber nach wenigenSchritten durch den Gartenweiß man es: hier wohnt einKünstler. Skulpturen unter-schiedlicher Art und Größesind zu sehen, nicht einfachhingestellt, sondern eingebun-den in die kleine Gartenland-schaft, als wären sie gewach-sen. Und das Haus ist voll vonZeugnissen künstlerischenSchaffens. Es sind Werke desBildhauers Horst Panknin, ge-boren 1924 in Königsberg.

Horst Panknin hatte nachdem Abitur für zwei Jahre Sol-dat werden müssen. Danachwurde er Steinbildhauer. Erbesuchte von 1952 bis 1954

die Kunstakademie in Stutt-gart, wo er auf Professor OttoBaum traf, der zu den bedeu-tendsten deutschen Bild-hauern der Nach-kriegszeit zählt unddessen Hang zurkompakten ge-s c h l o s s e n e nForm Pankninseigenen Vorstel-lungen ent-sprach.

1960 fand derOstpreuße mit sei-ner Familie in Igstadt eineneue Heimat. Hier ent-standen zahlreiche Werke,die unter anderem auch inBerlin, Kassel und Dortmundausgestellt wurden, natürlichauch in Wiesbaden und be-sonders in Igstadt, wo er Lieb-haber seiner Kunst gefundenhat.

Horst Panknin lässt sichnicht in eine bestimmteStilrichtung einordnen. Erarbeitete immer gegen-ständlich oder abstrakt, jenach Aufgabe und Materi-al. Der Schwerpunkt sei-nes Schaffens lag zu-nächst auf Stein, demsprödesten Werkstoff ei-nes Bildhauers. Dann ent-deckte er seine Liebe zumHolz, wobei er afrikani-sche Hölzer und deutscheEiche bevorzugte. AuchBronzewerke hat er ge-schaffen. Und zuletzt ent-

deckteer die Mög-

lichkeiten keramischer Ar-beiten mit ihren vielfältigenOberflächenstrukturen. Inseinem Atelier konnte manimmer zahlreiche Kleinplasti-ken finden wie Köpfe, Krüge

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Ein Bildhauer in IgstadtRuth Lichtenheldt

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und Tiere, alle in möglichstgeschlossenen Formen. Dafür- wie für alle Plastiken - redu-ziert er die Erscheinung desModells auf dessen wesentli-che Eigenschaften und lässtalles Beiläufige weg.

Vor allem legt er großen Wertdarauf, dass von seinen Plas-tiken Ruhe ausstrahlt. Sein"Stier" zeigt ebenso wie die"Katze" deutlich PankninsKonzept. Alle Tierplastikenwirken vertraut und Vertrau-en erweckend aus einer für sietypischen Haltung.

Der Künstler schuf aber auchzahlreiche menschliche Figu-

ren: Madonnen, einen heiligenChristophorus (ganz andersals man diesen Heiligen sonstsieht), eine Wasserträgerin, ei-ne Holzplastik "Das andereIch" und immer wieder sitzen-de, liegende, denkende Figu-ren, meist Frauengestalten,aus Stein, Holz und Keramik.Eins haben alle seine Figurengemeinsam: Von ihnen gehteine große Ruhe aus.

Heute kann sich Horst Pan-knin aus Alters- und Gesund-heitsgründen seiner schönenKunst nicht mehr widmen. Inseinem Haus stehen aberüberall noch Zeugen seinesSchaffens, wert, unsere Zeitzu überdauern.

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Sechzehn Jahre ist es inzwi-schen schon her, dass in Ig-stadt eine Ära zu Ende ging:Das Ehepaar Luft schloss ausAlters- und Gesundheits-gründen im Jahre 1990 seinGeschäft in der Hauptstraße9. Es war 52 Jahre lang einMittelpunkt im Ort gewesen.Ein reichhaltiges Sortimentvon Lebensmitteln stand zurAuswahl. Es gab fast alles,was für den täglichen Bedarfbenötigt wurde. Auch Obst,Kartoffeln und Zeitschriftenkonnte man kaufen (und klei-ne "Flachmänner") und darü-ber hinaus ein kurzesSchwätzchen über IgstadterNeuigkeiten halten. Hinter derVerkaufstheke agierte HerrLuft, von den Igstadtern "Luf-te-Karl" genannt. Trotz seinerschweren Kriegsbehinderungund seiner zuletzt 78 Jahresteuerte er einen Einkauf wieein Dirigent sein Orchester.Die Kinder bekamen einenSchokoladenbonbon mit Lie-besperlen, und es ging immerfreundlich dort zu, so dass die

Kunden danach in guterStimmung nach Hause gin-gen.

Dabei war ihm der Kaufmannnicht in die Wiege gelegt wor-den. Der Vater war Eisenbah-ner, lehnte es aber Ende 1918ab, für die französischen Be-satzer Dienst zu machen. 24Stunden später wurde die Fa-milie ausgewiesen. Damalswar Karl Luft sechs Jahre alt.Der Vater wurde nach Aurin-gen versetzt, und man wohnte

im dortigen Bahnhof, weil erin der Mitte zwischen Erben-heim und Niedernhausen lag,der Bahnstrecke, für die derVater zuständig war. 1929 be-zog die Familie das Bahnwär-terhäuschen, im Volksmundspäter "Lufte-Häuschen" ge-nannt, zwischen Igstadt undKloppenheim.

Nach der Volksschule besuch-te Karl von 1925 bis 1928 dieHandelsschule in Wiesbadenbis zum "Einjährigen". Dannmusste er die Schule verlas-sen, weil der Vater mit seinen185 RM Monatseinkommendas Schulgeld von 20 RM, dienotwendigen Fahrtkosten unddie Kosten für die Schulbü-cher nicht mehr aufbringenkonnte.

Trotz der großen Arbeitslosig-keit während der Weltwirt-schaftskrise fand er unter vie-len Bewerbern bei der AndreaeNoris Zahn GmbH, einempharmazeutischen Unterneh-men, eine Ausbildungsstelle

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Karl Luft - ein Igstadter BürgerRuth Lichtenheldt

Karl Luft als Konfirmand

Karl Luft an seinem Arbeitsplatzbei der A.N. Zahn GmbH Karl Luft in seinem Igstadter Laden 1958

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und brachte es im Alter von25 Jahren zum Spezialitäten-Einkäufer mit Prokura. Ersorgte für einen Umsatz von240.000 RM monatlich, ver-diente selbst aber nur 260RM. Da er sich später weiger-te, neben 60 anderen Firmen-bediensteten in die NSDAPeinzutreten, blieb ihm nichtsanderes übrig, als die Firmazu verlassen. Er beschloss,sich selbstständig zu machen.Auch ohne IHK-Prüfung er-hielt er im Jahre 1938 die Ge-werbeerlaubnis für die Neuer-öffnung seines Geschäftes inder Hauptstraße 9 in Igstadt.Es bestand nämlich ein drin-gender Bedarf, weil der Kauf-mann Muth sein Geschäftschloss, das sich in der St.Gallus Straße in dem Hausbefand, wo bis vor kurzem einFriseurgeschäft war.

Doch lange währte die Freudean der Selbstständigkeit zu-nächst nicht. 1940 wurde KarlLuft zur Luftwaffe eingezogen.Nach einer halbjährigen Aus-bildung kam er zum Stab ei-nes Transportgeschwaders(TG 2) mit JU 52-Maschinen,das Nachschub und Verwun-

dete transportierte, und warvier Jahre in Russland, unteranderem in einem Stab, der inOdessa die verschiedenenEinheiten koordinierte. Aufdem Rückzug wurde er 1944in Ungarn am rechten Beinschwer verwundet. Daran lei-det er zwar bis heute; dennochhatte er großes Glück. EinePanzerbesatzung nahm denBewusstlosen mit in ein Laza-rett und rettete ihm damit dasLeben. Später musste er dorterleben, wie Polen auf die ver-wundeten Soldaten einprügel-ten.

Schließlich kam er über einLazarett bei Kempten, ausdem er 1945 entlassen wurde,nach Wiesbaden. Ein Ameri-kaner hatte ihn mitgenom-men. Als er dort vor demHauptbahnhof saß, sah ihnFrau Münch, die Ehefrau desIgstadter Polizisten, und zogihn mit einem Leiterwagennach Igstadt.

Nun war er wieder in seinemLaden und damit in seinemElement.

Eine Vielzahl von Erlebnissenwäre berichtenswert. Nur eini-ge seien exemplarisch hieraufgeführt, weil sie auch eincharakteristisches Zeitbild ab-geben: Eines Tages fuhr ernach Bad Ems, wo sich dasMutterhaus der Igstadter Ge-meindeschwester Elly befand.Diese sollte aus Igstadt abbe-rufen werden, und er wolltesich für sie einsetzen. Für dieFahrt dorthin benötigte er ei-nen Erlaubnisschein von derfranzösischen Besatzung, weil

Igstadter Handballmannschaft 1948 mit Trainer Karl Luft

Igstadter Handballturnier 1948

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er von der amerikanischen indie französische Zone fahrenwollte. Seine Verhandlunghatte Erfolg. Nicht bedachthatte er aber, dass in der fran-zösischen Zone die Sperrstun-de schon um 21 Uhr begann,nicht wie in Wiesbaden erstum 22 Uhr. Da er nicht mehrauf die Straße durfte, hatte dieMutter Oberin, eine Schweize-rin, ein Einsehen und ließ ihnals den wohl ersten Mann imMutterhaus übernachten.

Da die Lebensmittelkartenra-tionen meist nicht reichten,besorgte Karl Luft mit Hilfeseiner Beziehungen manchesZusätzliche für die Igstadter,und zwar zum normalen Preis.

Oft kamen Zivilermittler zuihm in den Laden und wolltenwegen Rentenansprüchen undÄhnlichem Auskunft darü-ber, ob der oder jener Igstad-ter in der Partei gewesen sei.Sie erfuhren von ihm jedochnichts.

Trotz seiner Behinderung warKarl Luft fünf Jahre langHandballtrainer in Igstadt, da-nach zwei Jahre in Norden-stadt und anschließend zweiJahre lang Fußballtrainer inErbenheim. Ihm ist es zu ver-danken, dass Igstadt Anfangder 50er Jahre einen richtigenSportplatz bekam. Dafür hatteKarl Luft unter anderem nurvier Tage nach der Währungs-reform auf dem Schulhof daserste Handballturnier ausge-richtet und an einem Tag 295DM eingenommen.

Er erreichte auch, dass dieStadt Geld locker machte fürden Sportplatz, der im Jahre1952 eingeweiht werdenkonnte. In der Spielzeit1954/55 brachte Karl Luft,nunmehr Fußballtrainer in Ig-stadt, seine Mannschaft in dieA-Klasse Wiesbaden/Rhein-gau (s. Foto im Igstadter HeftNr.2). In der Festschrift derSpielvereinigung Igstadt zum25jährigen Vereinsjubiläum(1973), verbunden mit derMeisterschaftsfeier nach dem

Aufstieg in die Bezirksliga,steht: "Dieser schöne Erfolgder Mannschaft ist ebenso einVerdienst des Spielaus-schussvorsitzenden und Trai-ners Karl Luft, der die Geschi-cke der Spvgg. Igstadt bis indie sechziger Jahre maßgeb-lich mitbestimmt. Karl Luft isteine starke Persönlichkeit,mitreißend und überzeugend.Er versteht es, jeden Spielerauf seine Art anzusprechenund ihm das Beste anLeistung abzuringen. In ihmhat die Spvgg. Igstadt eine ih-rer markantesten Führungs-persönlichkeiten in ihrer25jährigen Vereinsgeschich-te."

1988 verlieh die Stadt Wiesba-den ihm anlässlich des 50jäh-rigen Geschäftsjubiläums diebronzene Stadtplakette. 1990musste er aus Alters- und Ge-sundheitsgründen sein Ge-schäft schließen, was die Ig-stadter heute noch bedauern.

Igstadter Fußballmannschaft 1954 mit Trainer Karl Luft

Karl Luft im Jahr 2004 mit92 Jahren

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Als sich 1948 der Bezirksver-ein Wiesbaden Rheingau unddie ersten Landfrauenvereinein unserer Umgebung gründe-ten, wartete man in Igstadterst einmal ab, wie sich dasalles so entwickelte. Eineweibliche Interessenvertre-tung vereinsmäßig zu organi-sieren, vergleichbar mit demVereinswesen der Landwirte,war bis dahin unbekannt.

Die Überlegung, Frauen zumZweck ihrer ländlichen, haus-wirtschaftlichen und kultu-rellen Weiterbildung zu Verei-nen zusammen zu schliessen,gewann zunehmend an Inter-esse.

Die Bäuerin war von je herstark eingebunden in den Ar-beitsbereich des landwirt-schaftlichen Betriebes mitmeist hohem Viehbestand.

An den langen Winteraben-den, wenn die Feldarbeit ruh-te, trafen sich befreundeteBäuerinnen abends abwech-selnd in ihren Häusern, um ingeselliger Runde für die Fami-lie zu stricken und dieneusten Nachrichten auszu-tauschen.

Aus diesem Kreis gingen auchdie ersten Interessentinnenhervor, die noch weitere Bäue-rinnen warben und so dieGründung des Landfrauenver-eins Igstadt in die Wege leite-ten.

So war es dann im Winter1956 nur noch eine Formsa-che, als bei dem traditionellenHammelessen der Ortsbau-ernschaft Igstadt der Ehren-vorsitzende Friedrich WilhelmSchneider die anwesendenFrauen bat, doch auch einenLandfrauenverein zu gründen,wie er schon in den Nachbar-orten bestand.

Der Landfrauenverein wurdemit 33 Bäuerinnen ins Lebengerufen. Wie die damalige 1.Vorsitzende, die leider verstor-bene Auguste Göbel, erzählte,nahm der damalige Ehrenvor-sitzende Friedrich WilhelmSchneider die Sache auchgleich selbst in die Hand undbestimmte Frau Göbel zur1.Vorsitzenden mit den Wor-ten: "Du bist dafür geeignet,Du kannst das, Du bist dieRichtige, Du machst das."

Frau Göbel blieb keine Zeitzum Überlegen, sie nahm dasAngebot ohne Widerworte an.In dieser Weise wurde auchder übrige Vorstand be-stimmt. So war das hier in Ig-stadt vor 50 Jahren!

Der Landfrauenverein Igstadtwurde in den BezirksvereinWiesbaden Rheingau von derdamaligen Bezirksvorsitzen-den Frau Margot Faust aufge-nommen. Das Vereinslebenbegann mit wöchentlichen Zu-sammenkünften in den Win-termonaten und orientierte

sich zunächst an den beste-henden elementaren Bedürf-nissen der ländlichen Bevöl-kerung. Die angebotenen Vor-träge erstreckten sich auf denArbeitsbereich der Fraueninnerhalb ihres bäuerlichenBetriebes. Vereinzelt angebo-tene Back- und Kochkurse er-freuten sich schon damalsgroßer Beliebtheit.

Im Jahr 1958 trat Frau Göbelaus gesundheitlichen Grün-den zurück. Die 2. Vorsitzen-de Frau Margot Link über-nahm zunächst die Vertre-tung, bis 1960 Frau Erna Gö-bel zur 1.Vorsitzenden ge-wählt wurde. Frau Göbel führ-te bis 1982 den Landfrauen-verein Igstadt.

Von 1982 bis 1991 lenkteFrau Helga Schneider als 1.Vorsitzende die Geschicke desLandfrauenvereins Igstadt, bissie aus familiären Gründenden Vorsitz 1991 an mich, Gi-sela Eismann, übergab. VonAnfang an war es das Bestre-ben unseres Vereins, dieInteressen aller auf dem Landlebenden Frauen zu vertretenund sie für die Vereinsarbeitzu gewinnen. Trägerinnen desVereinslebens sind heutenicht mehr in erster LinieBäuerinnen, sondern zuneh-mend Frauen aus anderen Be-rufszweigen oder Hausfrauen,die nicht mehr im landwirt-schaftlichen Bereich tätigsind.

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50-jähriges Jubiläum Landfrauenverein IgstadtGisela Eismann

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So umfasst auch die Pro-grammgestaltung nicht mehrprimär hauswirtschaftlicheThemen.

Zu Beginn der Winterarbeitführen Vorstand und Vorsit-zende eine Arbeitsbespre-chung durch, um das The-menangebot zusammen zustellen. Es werden Wünscheder Mitglieder berücksichtigtund vorgeschlagene Themendes Bezirksvorstandes gerneangenommen. Guten Zu-spruch finden immer Vorträgeund Demonstrationen unsererErnährungsfachfrauen, desweiteren Vorträge über Ge-

sundheit, Kulturelles, Rechtund Umweltschutz.

Begeistert haben wir auch alteBräuche, Sitten und Rezepteunserer Vorfahren zusam-mengetragen und beteiligenuns damit am Kochbuch desBezirksvereins. Wir sagen un-sere Mithilfe immer bei Veran-staltungen in unserer Ge-meinde zu.

Wir unternehmen Lehr- undBesichtigungsfahrten, beteili-gen uns an Bildungssemina-ren und großen Reisen, dieder Bezirksverein organisiert.

Wir beteiligen uns jedes Jahram Bauernmarkt vor demwarmen Damm in Wiesbadenanlässlich des Erntedankfes-tes. 1956 gründeten 33 Bäue-rinnen unseren IgstadterLandfrauenverein. Heute zähltunser Verein 55 Mitglieder.

Unser Bestreben ist es weiter-hin unser Vereinsleben so ak-tiv und so lebendig wie mög-lich zu gestalten, unsere Mit-glieder zu reger Teilnahme zumotivieren und interessierteFrauen für die Vereinsarbeitzu gewinnen.

von links: Inge Bücher und die Gründerinnen Margot Link, Margot Pfeiffer, HelgaSchneider, Hiltrud Hepp (50 Jahre Mitglied), Hilde Noll, Helma Born, Erna Oester-

ling, Helga Ulrich, Irene Koch

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Anders als bei den IgstadterHöfen des Altmünster-Klos-ters in Mainz, deren Ursprungwir nicht kennen, ist der Be-ginn des Gnadenthaler-Hofesgenau datiert: am 17. Juli1305 übertrug Ritter Gottfriedvon Dehrn Güter aus seinemIgstadter Besitz auf dasKloster Gnadenthal in der Nä-he des heutigen Bad Camberg.

Dieses Kloster ist erstmals be-zeugt durch eine Schenkungsur-kunde des Edelfreien Peter vonDorndorf-Dehrn aus dem Jahre1235. Das Zisterzienser-Nonnen-kloster wird als Dehrnsche Fami-lienstiftung angesehen, an derauch die Ritter von Biegen, die inder Ortsgeschichte Igstadts eben-falls eine Rolle spielen, beteiligtwaren.

Die in lateinischer Spracheverfasste Urkunde aus demJahr 1305 (Hessisches Haupt-staatsarchiv Wiesbaden, imfolgenden abgekürzt HStA,Abt. 28 Nr. 69) berichtet voneinem Gütertausch zwischenGottfried von Dehrn, gen. Riz,und seiner Frau Lysa einer-seits sowie der Äbtissin unddem Konvent der Nonnen desKlosters andererseits, wonachdie von Dehrn dem Kloster dasVerfügungsrecht über ihreGüter zu Yginstadt in Dorf

und Feldmark mit allen Rech-ten und Zubehör übertragenund dafür Klostergut zu Dorn-dorf, Steinbach, Frickhofenund weiteren Orten erhalten.Zugleich wird vereinbart, dassdie von Dehrn ihre bisherigenIgstadter Güter gegen einejährliche Pacht von 28 MalterKorn, 6 Malter Hafer sowie 3Mark und 1 Pfennig zurückempfangen. Korn und Haferwaren dem Kloster in einerMeile Entfernung von Igstadtzwischen dem 15. August unddem 8. September, die Gült-zahlung am 11. November ei-nes jeden Jahres zu überge-ben. Als Zeugen aus Igstadtnennt die Urkunde ReinaldMeygelan, Emmericho Hupin-becher, Budil, die übrigenSchöffen des Dorfes sowie vie-

le andere. Warum dieserTauschhandel zustande kamund welche Vorteile für dieVertragspartner damit ver-bunden sein konnten, bleibtuns verborgen.

Über die Größe und die Lageder Grundstücke des späterso benannten GnadenthalerHofes ist aus der Tauschur-kunde von 1305 nichts zu er-fahren, wohl aber aus einemZinsbuch des Klosters ausdem Jahr 1380 (HStA Abt. 28Nr. 222). Auf 57 Pergament-blättern ist dort der Klosterbe-sitz katalogisiert und bei den38 Besitzziffern steht Igstadtan erster Stelle, gefolgt vonBierstadt (Byergestaid). Zudem erstin synt hy bescribinalle morgin, die wir zu Yestaid

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Der Gnadenthaler Hof in IgstadtHartmut Essig

Ausschnitt aus der lateinischen Tauschurkunde von 1305 (vergrößert), HStA 28 / 69

Undatierte Zeichnung des Klosters Gnadenthal

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han. Gegliedert wird der Besitznach

- uf dem hohenvelde an Klop-....heym wege- velt geyn Wallauwe- velt geyn Byrgestaid- des clostirs zynse zu Yestaid- waz wisin yn demselbin Ho....ib zu Ygestaid hurint- unsi wyngartin zu Yestaid

Die Lage der Grundstückewird anhand der jeweiligenNachbar-Eigentümer angege-ben (siehe Textbeispiel). DieGesamtfläche der 63 Acker-grundstücke belief sich auf121 Morgen, wobei nur wenigegrößere Flächen, aber zahlrei-che Grundstücke von einemMorgen und weniger festzu-stellen sind; für die Wiesenund den Weinberg fehlen Flä-chenangaben.

Bemerkenswert ist, dass dieNamen der über mehrereJahrhunderte bekannten Ig-stadter Bauerngeschlechterals Grundstücksnachbarn an

dieser Stelle noch nicht auf-tauchen. Im Zinsbuch sindNamen wie Frau Iden von Es-se, Herrin Basillir, Herrin Wi-gande, Junker Dudin, der vonErbach, Hildemar, FritschenBender und Reynhart zu fin-den. Als Grundstücksnach-barn am häufigsten genannt(14mal) sind die herrin zu demdume, d.h. die Mainzer Dom-herren bzw. das Domkapitel,das in der Igstadter Zeittafelerstmals 1268 als Grundbesit-zer auftritt. Die frauwen vonAldinmunster erscheinen da-gegen nur fünfmal als Nach-barn.

Nach der Beschreibung derAckerflächen folgt eine Auflis-tung der elf zinspflichtigenHubenbauern mit ihren jähr-lichen Pachtbeträgen. Die Na-men aus dieser Zeit klingenfür uns recht fremd: GudilMulnersin, der alte Muzir, grozRutsche, kleyn Rulechin, Hen-ze Sase, Dudechin der Scholt-heit (Schultheiß) u.a.

Auszug aus dem Zinsbuch des Klosters Gnadenthal von 1380

Assit principio sancta Maria meo. In nomine domini amen. Diz ist eynwerlich zynsbuyech von allin den zynsin und gudin, die wir yergin han.Zu dem erstin synt hy bescribin alle die morgin, die wir zu Yestaid han:Zu dem erstin 1 m ackirs uf dem hohenvelde an Klopheym wege uf derholin.Item 1 m uf den herrin zu dem dume.Item 3 ½ m uf den herrin von dem dume.Item 5 ½ m by den herrin von dem dume.Item 1 m uf Hochheymirs kynden lande.Item 1 ½ m uf frauwen Iden von Esse.Item 1 ½ m nebin den frauwen von Aldenmunster.Item 2 m nebin den herrin zu dem dume.Item 1 m by den dumherrin.Item 1 m neben frauwin Iden.Item 3 m under herrin Basiller.Item 9 m under der frauwen von Aldenmunster.Item 1 ½ m uf junchern Dudin.Item 1 m under demselbin juncherrin Dudin.Item 2 ½ m under Hildemar dem mezzelir.Item 1 m uf frauwen IdenItem 1 ½ m under den herrin von dem dume.Item 6 m under Fritschen Bender an dem berge.Item 2 m an dem Menzir wege uff Hoichheyms kynde lande.Item 1 ½ m under denselben kyndin.Item ½ m under den frauwin von Aldinmunstir.Item 2 m uff den herrin zu dem dume.Item ½ m uf der beche.Die summe des veldis ist 51 m.

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Ausschnitt aus demZinsbuch von 1380HStA 28 / 222

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Im Zinsbuch vermerkt istauch, dass Emmeln, der Hof-mann des Klosters (unsin ho-beman zu Ystaid) den Kloster-weinberg geliehen hat und zuseinen Aufgaben auch gehört,das Kloster als Schöffe bei denGerichtstagen zu vertreten.Die Nennung eines Hofman-nes (Gutsverwalters) läßt er-kennen, dass die Ritter vonDehrn den Gnadenthaler Hofirgend wann in den voraus ge-gangenen 75 Jahren als Päch-ter aufgegeben hatten.

Schließlich gibt das Zinsbuchauch Auskunft über was gul-de wir gebin: der Hof desKlosters Gnadenthal in Igstadthatte jährlich den Domherren10 Mainzer Malter Korn,Sankt Johann zu Mainz 2Malter Korn und dem Alt-münsterkloster 28 Schillingan Abgaben zu entrichten.

Das Gnadenthaler Zinsbuchvon 1380 dürfte die frühesteortgeschichtliche Quelle sein,die - wenn auch nur aus-schnittsweise und sehr be-grenzt - einen Einblick in dieSozialstruktur des damaligenDorfes Igstadt mit seinenmeist adeligen Grundbesit-zern, seinen zinspflichtigenHubenbauern, den Schöffen-pflichten und dem Abgaben-system zwischen den Grund-herren bietet.

Aus dem Jahr 1385 ist einVertrag mit dem HofmannEmmeln vorhanden. Ein Zins-buch des Jahres 1393 nenntfür Ystad eine Pacht von 1,5Malter erbis (Erbsen). In denfür die Jahre 1425 bis 1447

erhaltenen Zinsregistern er-scheint Ystaid mit jährlichwechselnden, also ertragsab-hängigen Abgaben.

Eine für den Igstadter Hof desKlosters Gnadenthal be-sonders aufschlussreiche Ur-kunde bezieht sich auf dasJahr 1443. Am Donnerstag,den 2. Mai, war eine Veran-staltung, die wir heute als öf-fentliche Anhörung bezeich-nen würden. Damals handeltees sich um eine gebräuchlicheForm des Weistums. Nach derMesse versammelte sich dieganze Gemeinde des Dorfes ander gewöhnlichen Stätte desGerichts. Jorge, der Schult-heiß, Hen Haumantel, AnezeHen, Hen Kaenberger undHen Lymmebeler, Schöffendaselbst, geboten Schweigenund der kaiserlicher Notar ausFrankfurt, Konrad Storm, ver-las auf Geheiß der Äbtissinund des Konvents desKlosters Gnadenthal derensämtliche dortige Güter undderen Lage: Zum irstin an demBirxsteder wege 1 m [Morgen]undir Albirz Hen. Item offwertiran demselben Birxsteder wege2 m undir Wirnhern. Item andemselbin wege 1 m an denfrauwen zu Aldemonstir ...usw..

Bei der nun folgenden Aufzäh-lung von weiteren 75 Grund-stücken fällt im Vergleich mitdem Zinsbuch von 1380 auf,dass mehr geografische Be-zeichnungen (under demholczwege, uff dem holn gra-ben, an dem Menczer weige,by dem Eychelborn, an demGolczenberge u.a.) als Perso-

nennamen von Grundstücks-nachbarn verwendet werden.Unter den Personennamen be-finden sich weniger Adelige(z.B. junckir Henchin), die Fa-miliennamen sind nicht mehrdieselben wie 60 Jahre zuvor.Die Gesamtfläche der Äcker(ohne Wiesen und Weinberge)beträgt nun 132 Morgen.Während die Anzahl derGrundstücke im Hoefelt(Hochfeld) und am Brecken-heymmer Felt nahezu kon-stant geblieben war, kamenam Birxsteder wege siebenGrundstücke hinzu, vor allemaber hatte sich der Hof mitneun Grundstücken von ins-gesamt 17,5 Morgen uff demRoderfelt ausgedehnt. Ge-meint ist der Bergrücken zwi-schen dem Wickerbach unddem Medenbach, zwischen Ig-stadt und Medenbach, derwohl zwischen 1380 und 1443gerodet worden war.

Nachdem alle die Rede des No-tars ohne Widerspruch ange-hört hatten, gab die Äbtissindem Schultheiß, den Schöffenund wem es gebührte nachLandesgewohnheit und -rechteine Mahlzeit und erbat sichein deutschsprachiges Notari-atsinstrument, d.h. die ganzeVeranstaltung wurde notariellbeurkundet (HStA Abt. 28 Nr.140).

Für das 15. Jahrhundert lie-gen noch zwei weitere Urkun-den zum Gnadenthaler Hofvor. Für den 18. Mai 1456 er-fahren wir: Clese Hoffmannund seine Schwiegermutter,Witwe des Henne, bekundenim Hof von Igstadt, dass ihre

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Zwietracht mit der Äbtissinund dem Konvent des KlostersGnadenthal wegen etlicherForderungen an deren Hofgutzu Igstadt durch Vertraute ih-res Herrn, des Grafen zuNassau, beigelegt seien (einerster Beleg dafür, dass nas-sauische Leibeigene einen Hofim eppsteinischen Igstadt be-saßen). Um die Zeit von 1475gibt es ein weiteres Güterver-zeichnis für den GnadenthalerHof, auf das hier nicht im Ein-zelnen eingegangen werdensoll.

Gegen Ende des 15. Jahrhun-derts ging die Blütezeit desKlosters Gnadenthal zu Ende. DieDiezer Grafschaftsherren bemüh-ten sich - wie für das Jahr 1513belegt - um eine reformacion undbesser ordeninge des Klosters,wobei “Reformation” hier nichtdie Luthersche Reformation, son-dern im wörtlichen Sinne eine Er-neuerung des Klosterlebensmeinte. Dies scheint schwierig ge-wesen zu sein, denn sechs “refor-mierte” Jungfrauen (Nonnen)konnten sich nicht gegen ein un-ordentliches und wüstes Lebender anderen Jungfrauen durch-setzen.

In den Jahrzehnten danach ge-schah dann die große, die Kirchespaltende Reformation. Eine Rei-he von Landesherren folgte balddem neuen Bekenntnis und ord-nete dieses auch für ihr Herr-schaftsgebiet an. Das KlosterGnadenthal kam 1564 durch ei-nen Vertrag an die reformierteGrafschaft Nassau. Im Jahr 1577führte Graf Johann von Nassau-Katzenelnbogen auch noch dasstrengere kalvinistische Bekennt-nis ein. Doch darf man nichtglauben, die Verhältnisse hättensich deshalb schlagartig geän-dert. Noch über ein weiteresJahrzehnt scheint das Kloster en-gere Beziehungen zum kurtrieri-schen Amtmann in Limburg undzum kurtrierischen Schultheiß inLindenholzhausen gehabt zu ha-ben als zum nassauischen Amt inDiez. Bei mehreren Visitationendurch die nassauische Obrigkeitwurde gefordert, Altäre und Heili-genbilder zu entfernen und dieMesse und andere “Mißbräuche”

abzustellen. Erst 1591 war dieUmwandlung des ehemaligen Zis-terzienser-Klosters in einen adli-gen Konvent mit nur wenigenKonventualen vollzogen.

Aller Zwist mit der Obrigkeitum den rechten Glauben hin-derte die Klosterleitung jedochnicht daran, sich um die Be-lange der Klostergüter, auchdes Gnadenthaler Hofes in Ig-stadt, zu kümmern. Für dieJahre 1516, 1525 und 1529liegen Aufzeichnungen überZinsen und Gefälle des Igstad-ter Hofes vor. Dass die Klos-terleute um ihre Einkünftekämpfen mussten, zeigen Do-kumente aus dem Jahr 1567.Weil ihnen “an den Gefällenihres Hofes in Igstadt Abbruchgeschehen sei”, ließen sie denBezirk des Hofes durchSchultheiß und Gericht neuausgehen. Dabei stellten sie

so viele Unrichtigkeiten fest,dass sie den hessischen Amt-mann in Eppstein baten, ih-nen nach Ausweis ihrer In-strumente (notarielle Urkun-den), Register und Dokumentezu ihrem Gut zu verhelfen. DieBeurkundung der Begehungund damit des Güterverzeich-nisses erfolgte allerdings erstacht Jahre später (HStA Abt28 Nr. U196). Anstelle des ur-sprünglich beauftragten undjetzt an Leibesschwäche lei-denden Notars und LimburgerStadtschreibers Georg Rau-scher amtete Notar HeinrichCapisius aus Bingen.

In der Auflistung der Ackerflä-chen zeigen sich gegenüberdem Weistum aus dem Jahr1443 kaum Unterschiede. DieNachbareigentümer sind na-hezu dieselben und die Ge-

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Auszug aus der Abrech-nung des Hofmannes,HStA 28 / IIIb 27

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samtfläche (ohne Wiesen undWeinberg) hat sich nur leichtvon 132 auf 135 Morgen er-höht. Bei den Gewannbezeich-nungen wird das frühere Hoe-felt jetzt in Hobefeld und Ober-feld unterteilt. An dem Birxste-der wege heißt jetzt daß brue-hel feld. Außerdem ist beiläu-fig zu erfahren, dass auff demroderfeld ein Acker von 1,5Morgen steinig und wüst ist.

Zwei weitere Briefe um 1580an den hessischen Amtmannbieten Interessantes zur Ig-stadter Ortsgeschichte. In ei-nem Schreiben weist dasKloster darauf hin, es habeseit alters das Recht gehabt,für seinen Hof zu Igstadt einenSchöffen bei Gericht daselbstzu stellen, und habe dafür Ge-richt und Schöffen jährlich ei-ne “Ergötzlichkeit” tun müs-sen. Seit der Reformationhätten sie sich allen Rechtesan der Obrigkeit in Igstadtenthalten und gehofft, von je-ner Belastung verschont zuwerden. Obwohl sie keinenSchöffen mehr dort haben,fordere das Gericht eine Betei-ligung an den Kosten desSchöffenmahls und dazu 3Malter Korn. Der hessischeLandgraf entschied zwei Jahrespäter, dass das Kloster nurnoch einen Malter abzugebenhabe, wenn es alle Urkundenüber seine Gerichtsrechte ihmaushändige.

In einem zweiten Schreibengeht es um eine (die erste?)Ortsbefestigung Igstadts. DieÄbtissin des Klosters Gnaden-thal beschwert sich darüber,dass der Befestigungsgraben

“an die 100 Klafter durch ihrebesten Äcker ziehe und über 2Morgen Ackerland zerstöre”.

Schon bald nach Beginn des30jährigen Kriegs bricht über daskleine Damenstift Gnadenthal dieKatastrofe herein: Im Jahr 1621sterben die Äbtissin und mehereKonventsdamen an der Pest, diewenigen übrig Gebliebenen ver-lassen das ehemalige Kloster.Mehrmals wird das leer stehendeGnadenthal geplündert und zer-stört. Mit dem Tod der letzten Äb-tissin Liebmut von Irmtraut 1635in Diez, nach anderen Quellen1634 in Camberg, ist der Konventunter gegangen.

Aus der Zeit zwischen 1619und 1634 sind knapp ein Dut-zend Dokumente über denGnadenthaler Hof in Igstadterhalten. In einem Schreibenaus dem Jahr 1619 teilenSchultheiß, Gericht, Bürger-meister und Gemeinde Igstadtder Äbtissin mit, dass der bis-herige Hofmann des Gnaden-thaler Hofes diesen verlassenhabe, nachdem zuvor schon20 Morgen Äcker wüst undbrach gelegen hatten; die Ge-meinde wäre bereit, den Hofzu pachten. 1620 wird dieScheune des GnadenthalerHofes von (angeblich nassaui-schem) Kriegsvolk abge-brannt, und das Kloster erhälteine Entschädigung durchden Grafen von Nassau.

Für die Jahre 1624 bis 1627ist eine Abrechnung des (neu-en) Igstadter Gutsverwaltersfür den Gnadenthaler Hof er-halten (HStA Abt. 28 / IIIb27). Trotz der in unserer Ge-gend anwesenden kaiser-lichen Truppen - Werner vonTilly hatte vorübergehend seinHauptquartier in Erbenheimaufgeschlagen - konnte Hof-

mann Johannes Werner 1624sieben Malter Korn und 10Sack Hafer, für 1625 und1626 sogar 15 Malter Korn fürdas Stift Gnadenthal erwirt-schaften. Außerdem waren 9Malter nach Castell wegen derSoldaten zu liefern und auchdie Mainzer Domherren erhiel-ten die ihnen zustehenden 10Malter Korn. Schließlichmussten noch 54 Reichstalerfür Baumaßnahmen an derHofreite ausgegeben werden.Aus einem Register uber in-namb unndt außgab derenfruchtgefällen dem closter Gna-denthal zustendig aus demJahr 1633 gehen auch die Ig-stadter Abgaben an Korn,Zinshühnern und Zinskapau-nen hervor.

Schließlich ist noch einSchreiben der Igstadter Hof-leute Joh. Werner und Joh.Bucher an die Äbtissin zunennen, in dem sie anfragen,wie sie es mit den monatlichenKriegskontributionen haltensollen, die sich auf 46 Guldenjährlich beliefen und mit de-nen sie schon eine Zeitlang imRückstand seien. Diese Belas-tung würde dem Hof hart zu-setzen und der hessische Amt-mann habe erklärt, dass keineAusnahmen gemacht würden.

Während des 30jährigen Kriegskam es immer wieder zu “Besitz-ergreifungen” des verlassenenund schlimm zugerichteten ehe-maligen Klosters. Dabei ging esnicht nur um den nicht unerheb-lichen wirtschaftlichen Besitz anGrund und Boden, sondern auchum die Rekatholisierung, die so-wohl vom Trierer Erzbischof, vonden Hadamarer Jesuiten als auchvom Abt des Zisterzienser-Klosters Marienstatt (nördlichvon Hachenburg gelegen) betrie-ben wurde. [Fortsetzung S.16]

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Von Gottes Gnaden Wir Anna Verwittibte Prinzessin von Oranien und Fürstin zu Nassau Gräffin zu Catzenelnbogen Vianden, Dietz, Spiegel-berg, Büren, Leerdam, Cuylenbourg, Frau von Beilstein, und Liesfeldt, gebohrne Cronprintzeßin von Groß-Bri-tanien und Churfürstliche Printzeßin von Braunschweig und Lünebourg, Gouvernante der Vereinigten Nieder-lande, Vormündin und Regentin pp

für Uns und nahmens des Durchlauchtigsten Printzen und Herrn Wilhelm Printzen von Oranien

Fürst zu Naßau Grafen zu Catzenelnbogen, Vianden, Dietz, Spielberg, Büren, Leerdam und Cuylenbourg pp Erb-stadthalter und Capitain, Admiral, General der Vereinigten Niederlanden, Ritter des Hosenbandes, unßeres ge-liebtesten pflegbefohlenen Sohns Lbtl [Liebten]

urkunden in Kraft dieses welchergestalt Eingeseßene zu Igstadt nahmentlich

Johann Reinhard Goebele, Georg Friedlieb Deul, Johann Krafft Schilgen, Johann AnthonBücher und Johann Jacob Klein,

uns unterthänigst zu vernehmen gegeben, wie von weyl. unßeres nun mehro in Gott ruhendenHerrn Gemahls Wilhelm Carl Henrich Friso Printzen von Oranien

Dietz, Spiegelberg, Büren, Leerdam und Cuylenbourg pp Erbstadthaltern Capitain und Admiral General der Ver-einigten Niederlanden pp Ritter des Hosenbandes Lbtl Uhrgroß Frau Mutter [im Concept zusätzlicher Text: derfrau Fürstin] Albertinen verwittibten Fürstin zu Naßau geborene Printzeßin von Oranien Lbtl piae memoriae

unterm 20ten Nov. 1669 ihren Vorfahren als ersten Aquirenten ein zum Closter Gnadenthal gehöri-ger und in Igstadt gelegener Hoff vor sich und deren Erben und Nachkommenen vererblehnet, solcheErbleyhung auch hiernechst von weyl. Carl Landgraffen zu Hessen-Caßel als angeordneten Hohenvormundts Lbtl in Anno 1716 den 6ten Januarii gegen Entrichtung eines jährlichen Pfachts ad 28Mltr Korn und 2 Mltr Hafer beides Mayntzisch maaß, zugleichen 2 Stück hühner und 7 Stück ca-paunen confirmiert worden sey, und dahero unß obgemelte Supplicanten, welchen dieses hofgut vonden Letzteren, nunmehro sämtlich mit Tod abgegangnen letzteren Erbbeständern, namentlich

Johann Heinrich Feyen, Johann Henrich Goebel, Johannes Deul, Johannes Klein und Jo-hannes Büchern

Ausschnitt aus der Ur-kunde in Originalgröße,HStA 28 / IIIb 27b

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Im Machtpoker um das Stift, demhier nicht weiter nachgegangenwerden kann, mischten außer-dem der inzwischen wieder ka-tholisch gewordene Graf JohannLudwig von Nassau-Hadamarund die protestantische Fürstinvon Nassau-Diez kräftig mit.

Erwähnt sei nur, dass der Ma-rienstatter Abt den früheren Klos-terverwalter Heinrich Hambach1638 aufforderte, ein Verzeichnisder Einkünfte des Klosters bzw.des Stifts zu erstellen. In diesemauf 48 Blättern in lateinischerSprache geschriebenen Werk er-scheint auch der Igstadter Hofmit den ursprünglichen, schon

im Jahr 1305 kontraktierten 28Maltern Korn-Pacht, übrigens vorBierstadt (24 Malter), Kirnberg(20 Malter), Lindenholzhausen(15 Malter) und weiteren Kloster-höfen.

Mit dem Ende des 30jährigenKrieges kam die Gutsverwaltungdes ehemaligen Stifts Gnadenthalwieder in geordnete Bahnen - ge-blieben war vom früheren Klosterallein der selbstständige herr-schaftliche Gutshof Gnadenthalmit seinen Außenstellen, der un-ter der Aufsicht des nassauischenAmtmannes in Kirberg bzw. Cam-berg, später eines eigenen Rent-meisters, stand.

Für den Gnadenthaler Hof inIgstadt brachte das Jahr 1669eine bedeutende Neuerung:Erstmals wurden die Lände-reien an fünf ortsansässigeBauernfamilien in Erbpachtgegeben. Die Urkunden überdiese Erbleihe sind allerdingsnicht greifbar. Wir erfahrendavon erst in der historischenRückschau aus dem Jahre1753, als der Pachtvertragdurch die Fürstin Anna “kon-

ihren eltern und respective halb Brüder zugefallen, unterthänigst gebeten, sothane Erbley auf die ih-re leibens Erben und Nachkommen gnädigst zu confirmiren.

Wenn wir nun von der beschaffenkeit dieser erbleyh den unterthänigsten brief empfangen, und dar-auß befunden haben, wie es eines theils damit seyne richtigkeit habe, und andern theils die suppli-canten sich freywillig erbotten, und erkläret, den von dem jahr 1727 wegen angeblichen Kißelschlagrückständig verbliebenen pfacht, mit dem lauffenden in den drey nechsten jahren abzutragen undvon dem deshalb verschiedentlich gethanen Erlaßgesuch nicht nur abzustehen, sondern auch denjährlichen pfacht bestehende in 28 Mltr Korn 2 Mltr Hafer 2 stück hühner und 7 stück capaunen [Ein-fügung im Concept: nach abzug der 10 Malter korn, so wegen diesen hofs als eine gülden an dasdohm stift zu Mayntz zu entrichten sind,] alljährlich richtig und ohn einig versäumniß an das closterGnadenthal zur gehörigen zeit um Martini, auf ihre eigene kosten und gefahr auch zu liefern, odernach des closters Gnadenthal verlangen das geldt dafür, wie umb die zeit es in Mayntz im preiß ist,zu erlegen.

Alß confirmiren und bestättigen wir vorstehende erbleyh diesen gnadenthalischen hofguths in allenübrigen, in dem erbleyhbrief vom 26ten nov 1669 und deßen confirmation vom 6ten januarii 1716enthaltenen clausulen, puncten und artikeln nichts davon ausgeschieden, auf vorbesagte derer erßtgemelten fünff Acquirenten Descenten und deren eheliche Leibeserben und nachkommen, jedoch mitdem weiteren anhang daß dieselbe bey verlust der erbleyhe nicht alleine obbemelten und referirtenclauseln und conditionen nach leben, sondern auch unter nochmaliger verpfändung all des ihrigenden obspecificiten maaßen alljährlich zu entrichten habenden Canonem als 28 Mltr Korn und 2 MltrHafer beide Mayntzer maaß zugleichen 2 hühner und 7 capaunen, als eine erbpfacht, ohne den ge-ringsten abzug, möge nahmen haben wie er wolle, alle jahre, und den nachstand de 1727 innerhalb3 jahren an das closter Gnadenthal auf oben stehende weiße behörlich und unweigerlich so wohlentrichten, und die güter in gutem bau und beßerung halten.

Alß auch die hierdurch neu ernante erbbeständer und zwar

Johann Reinhard Goebel, Georg Friedlieb Deul, Johann Anthon Bücher und Jacob Klein

an Renovations und Laudemial gebühren, jeder 15 gulden, hingegen aber Johann Krafft Schilgen,weil er ein neuer ankömmling ist und ein fünfter theil dieses hoffguths per testamentum auf ihntransferiret worden fünffzig gulden an das closter Gnadenthal erlegen solle.

Zu weßen urkund wir dieses eigenhändig unterzeichnet und mit Unßerem Fürstlichen Secret Insigelwißentlich beurkunden laßen. So geschehen Foesdijk den 3ten August 1753

Daß diese Abschrift mit dem Original Erbleyhbrief in allem gleichlautend, solches wird hirmit attes-tieret. Kirberg den 22ten Dec 1753

G Rühle fürstl Oranien-Naßauischer Rath und Ambtmann auch Administrator derer GnadenthalerCloster Gefällen

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* * *

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firmiert”, d.h. bestätigt wurde.Bei der “Erbleihkonfirmation”von 1753 (HStA Abt. 28 Nr. III-b 27), die hier als Beispiel füreinen Pachtvertrag aus dem18. Jahrhundert vollständigabgedruckt ist, befindet sichauch ein Stammregister dererin der Gnadenthaler HofguthsErbleihe vom Dato Dietz den20ten Nov 1669 benahmten 5Stämmen zu Igstadt. DiesesDokument trägt kein Datum.Da die Handschrift jedoch mitder der Vertragskopie überein-stimmt, ist anzunehmen, dassdas Verzeichnis aus Anlassder von den Pächtern bean-tragten Erbleihbestätigung er-stellt wurde.

Nach dem Stammregister be-stand die erste Pächtergenera-tion des Gnadenthaler Hofesaus Hans Peter Fey, Hans Gö-bel, Georg Senner, MatheusMaaß und Conrad Büchern.Im Vertrag des Jahres 1753sind als nunmehro sämtlichmit Tod abgegangnen letzterenErbbeständer Johann Hein-rich Fey, Johann HenrichGoebel, Johannes Deul, Jo-hannes Klein und JohannesBüchern genannt. Diese Na-men dürften der zweiten Päch-tergeneration gehören. VonMatheus Maaß war die Hof-pacht auf seinen Schwieger-sohn Johannes Klein überge-gangen. Johann Heinrich Feyist nach dem Stammregisterder Enkel von Hans Peter Fey;ob sein Vater Johann PhilippFey auch Pächter war, läßtsich den wenigen Dokumen-ten nicht entnehmen.

Schließlich setzte sich diedritte Generation laut Ver-tragstext aus Johann Rein-hard Göbel, Georg FriedrichDeul, Johann Krafft Schilgen,Johann Anton Bücher und Jo-hann Jacob Klein zusammen.Johann Krafft Schilgen warder Stiefbruder von JohannHeinrich Fey aus seines Vaterzweiter Ehe. Wegen seinesdauerhaft schlechten Gesund-heitszustands hatte JohannHeinrich seinen Pachtanteilam Gnadenthaler Hof schon1729 seinem Stiefbruder ver-erbt, der in meinem kränk-lichen und langwierigen Zu-stand mehr als brüderlicheTreue an mir erwiesen undsehr viel Mühe meinetwegengehabt, solches auch fernerhinan mir zu thun und zu leistenversprochen.

Die jährliche Pacht bestandaus 28 Malter Korn, 2 MalterHafer, 2 Hühnern und 7 Ka-paunen. Wie eingangs er-wähnt, hatten die von Dehrnschon im Jahre 1305 einePacht von 28 Malter Korn zuerbringen, also ca. 450 Jahrenfrüher! Die Pacht war nachdem Vertrag richtig und ohnversäumniß ... zur gehörigenzeit um Martini auf ihre eigenkosten und gefahr zu liefern,oder nach des closters verlan-gen das geldt dafür, wie umbdie zeit es in Mayntz im preißist, zu erlegen. Im ebenfalls er-haltenen Konzept des Vertragswar ein Halbsatz eingefügt,der nicht in den Vertrag aufge-nommen wurde: nach abzugder 10 Malter korn, so wegendiesen hofs als eine gülden an

das dohm stift zu Mayntz zuentrichten sind. Man dachtedemnach daran, dass die Ig-stadter Hofpächter die schonim Zinsbuch von 1380 aufge-führte Abgabe des Klosters andas Domstift direkt in das na-he gelegene Mainz bringenund mit ihrer eigenen Pachtverrechnen sollten. Warumdavon Abstand genommenwurde, ist unklar.

Zwei weitere Regelungen desErbleihvertrags sind bemer-kenswert. Eine Bedingung fürdie Bestätigung war das Ver-sprechen der Pächter, den vondem jahr 1727 wegen angeb-lichen kißelschlags [Hagel]rückständig verbliebenenpfacht, mit dem lauffenden inden drey nechsten jahren ab-zutragen und von dem deshalbverschiedentlich gethanen Er-laßgesuch ... abzustehen - al-so ein Streitpunkt, der sichnicht weniger als 25 Jahrehingezogen hatte! Schließlichmussten die neuen Erbbe-ständer Göbel, Deul, Bücherund Klein an Renovations- undLaudemialgebühren jeder 15gulden, aber Johann KrafftSchilgen, weil er ein neuer an-kömmling ist und ein fünftertheil dieses hoffguths per tes-tamentum auf ihn transferiertworden, fünffzig gulden an dascloster Gnadenthal [d.h. anden staatlichen Klosterfonds]erlegen. Auch schon damalsließ die Obrigkeit keine Gele-genheit zur Gebührenerhe-bung ungenutzt!

Eine Generation später schon- und damit wesentlich früher

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als bei den Altmünster-Höfen- erlangten die Erbbeständerdes Gnadenthaler Hofes dasvollständige Eigentum ihrerPachtgüter. Nach dem damali-gen juristischen Sprachge-brauch wurde ihnen nebendem dominium utile (Nut-zungsrecht) das dominium di-rectum (Verfügungsrecht)übertragen. Nach dem aufrich-tig recht und redlich Kauf- undVerkauf-Contract, der am 23.August 1785 in Wallau undam 17. Oktober 1785 in Dil-lenburg ausgefertigt wurde(HStA Abt. 212 Nr. 910), ver-kauft das Fürstlich OranienNassauische Consistorium zuDillenburg, vermög habenderVollmacht, an die bisherigeErbbeständer des sogenann-ten Gnadenthaler Guts zu Ig-

stadt, nahmentlich JohannHeinrich Göbel sen., JohannAnton Schilgen, Johann GeorgKlein, Johann Philipp Rennei-sen und Johann Philipp Deul,sämtliche Einwohner und Ge-meindemänner zu Igstadt dasDominium directum des zu Ig-stadt und Medenbach gelege-nen sogenannten Gnadentha-ler Erbbestandsgutes. Eineweiter gehende Grundstücks-beschreibung enthält der Ver-trag nicht. Der Kaufpreis be-lief sich auf 2800 Gulden, wo-von die Hälfte sofort und derRest mit drei Prozent Zinsennach einem Jahr zu bezahlenwaren.

Mit dem Kaufpreis waren diealt hergebrachten Abgaben-verpflichtungen gegenüber

dem früheren Eigentümer,dem nassauischen Kloster-fonds, zwar erledigt, nichtaber die schon im Zinsbuchvon 1380 aufgeführte Abgabevon 10 Malter Korn an dasMainzer Domstift. Nach derSäkularisation der Kirchengü-ter zwischen 1803 und 1806gingen deren Abgabenansprü-che in unserem Gebiet auf denneuen nassauischen Staatüber. Doch wie langwierig sichder Wechsel von den seitJahrhunderten gültigen Ei-gentums- und Abgabenstruk-turen zum modernen Steuer-staat der 19. Jahrhundertsgestaltete, zeigt ein gehorsam-ster Bericht des Wallauer Hof-kammerraths Eiffert an dieHerzogliche General DomainenDirection aus dem Jahr 1826,der klarstellen musste: dasGnadenthaler Gut wird nur all-lein wegen der 10 Malter Korn,welche darauf haften, als Erb-leihgut angesehen ... es be-steht kein Erbleihbrief mehr ....das Gut wird als Privateigen-tum behandelt.

Quellen: Neben den im Text zitier-ten Dokumenten des HessischenHauptstaatsarchivs vorallemStruck, W.H.: Quellen zur Ge-schichte der Klöster und Stifte imGebiet der mittleren Lahn ... ,Wiesbaden 1959 und 1961 (Bd 3,1961, Kl. Gnadenthal). -- DerAutor dankt Herrn H. Pflug ausKloppenheim für einige wichtigeHinweise.

Erste Seite der Kopie des Kaufvertrags von 1785,HStA 212 / 910

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Der früheste offizielle und ei-nigermaßen realistische Orts-plan für Igstadt ist erst einempreußischen Messtischblattaus den Jahren um 1880 zuentnehmen.

Im Zuge der großen Flurberei-nigung (sog. Konsolidation)der 60er Jahre des 19. Jahr-hunderts wurde ein Ortsplanerstellt, jedoch nicht veröffent-licht (Hessisches Hauptstaats-archiv Abteilung 3011 Nr.2814/12).

Als sehr frühe “Ortsansicht”wird gelegentlich die für Ig-stadt eingesetzte Signatur inder Landtafel 2 von 1608 desKartografen Wilhelm Scheffler,genannt Dilich (1571-1655),angesehen.

Dilichs Anliegen (und Auftragdes Hessischen Landgrafen)war es jedoch nicht, wirklich-keitsgetreue Ortsansichten zuliefern; er verwendete vielmehr- wie damals üblich und auchmit Rücksicht auf die Unge-duld des Landgrafen - stili-sierte Standardansichten vonDörfern, die sich in der Land-karte wiederholen. Allenfallsandeutungsweise dürften be-sondere örtliche Merkmaleaufgenommen worden sein.

Abgesehen von diesen weni-gen Darstellungen ist über dieräumliche Entwicklung des al-ten Igstadt aus den ortsge-schichtlichen Quellen wenigzu erfahren. Es gibt punk-tuelle Aussagen zur Einwoh-nerzahl bzw. zur Anzahl derHaushalte. So hatte Igstadt imJahr 1570 nach dem Eppstei-nischen Salbuch 46 “Hausge-seß”; 1592 lebten hier schon72 Familien. Nach den Pest-jahren im DreißigjährigenKrieg (1635 und 1637) zählteman nur noch neun Hausge-seß, 1655 wieder 24 Familien;32 Hofraiten waren niederge-brannt. Neben den Bevölke-rungszahlen sind Steuer- undAbgabenregister vorhanden,z.B. aus dem Jahr 1600. Auchdiese Quellen sind Personenbezogen und ergeben keinräumliches Bild des alten Ig-stadt.

Erst ein Lagerbuch (Besitzver-zeichnis) aus dem Jahr 1695enthält Angaben über Igstad-ter Einwohner und ihre Hof-reiten. Eine umfassende Be-standsaufnahme sämtlicherGrundstücke der Gemarkungeinschließlich aller Gebäudedes Dorfes erbrachte bald da-nach die große Feldmässereyvon 1702, deren Ergebnisse ineinem neuen Lagerbuch sowiein umfangreichen Feldmess-und Gewannbüchern festge-halten sind.

Anlass für die aufwändigeLandvermessung war einegroße Steuer-Renovation (-Er-neuerung), die der hessen-darmstädtische LandgrafErnst Ludwig in einem Dekretwie ein guter Landesvater fol-gendermaßen begründet:Liebe Getreue. Wir geben Euchhiermit gnädigst zu vernehmen/daß obzwar verschiedene mahlgute und heilsame Verordnungwegen besserer Einrichtung desSteuer-Stocks in Unsern Fürsten-thumb und Landen ergangen/dennoch entweder aus Nachläßig-keit oder Unverstand einiger Be-ambten denselben nicht nachgele-bet worden/ also daß fast täglichüber die grosse Ungleichheit so-wohl eines Amtes gegen das an-dere/ als auch eines Dorffs oderFleckens gegen dem andern ein-kommen/ und dann wir für nöthigbefunden/ sothaner Disproportiondurch eine General Steuer-Reno-vation abzuhelfen/ .../ Wir seyndEuch in Gnaden wohl gewogen.Darmstadt am 3. Augusti 1700

Zur Durchführung dieser sognädig gewährten Maßnah-men für einen gleichmäßigenund guten Fluss der Steuernwurden Kommissionen einge-

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Igstadt im Jahr 1702Hans Dieter Dörr und Hartmut Essig

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richtet, die im wesentlichenaus “geschworenen” Feld-messern, Amtsschreibern so-wie den örtlichen Schulthei-ßen und Schöffen bestanden,in Igstadt Schultheiß PhilippHabel sowie Joh. Georg Hen-nemann, Joh. Henrich Lauck,Hans Peter Bücher, Hans Pe-ter Kleber, Heinrich Göbel undJoh. Henrich Metz. Um Ei-gennutz, Täuschung undÜbervorteilung anderer aus-zuschließen, wurden die Kom-missionsmitglieder mit einerscharfen Eidesformel zu Neu-tralität verpflichtet.

Um dem Steuerfluss noch et-was nachzuhelfen, veränderteder Landgraf bei dieser Gele-genheit die Maße für landwirt-schaftliche Flächen: der Mor-gen als steuerliche Bezugsgrö-ße hatte jetzt nur noch 160statt 180 Ruten, was die An-zahl der Morgen um gut 12Prozent erhöhte. Im Compen-dium Bilhildis aus dem Jahr1735 (siehe Igstadter Heft Nr.9) wird dieser Steuertrick sobeschrieben:

[wurde] die alte maaß, so ... derMorg ad 180 ruthen und noch dar-über gewesen/ vergeringeret, da-durch aber die Morg zahl vergrö-ßeret, der fürstl.en steüerstockvermehret, der Morg durchaus nurad ein hundert und sechtzig obge-dachter gerthen oder ruthen redu-ciret ...

Die Ergebnisse der großenVermessung von 1702 sindhier für den Dorfbereich - oh-ne die Feldgewanne - in eineran den Schluß gestellten Ta-belle zusammengefasst. Sieenthält die Namen der Grund-stückseigner, die Grund-stücksflächen sowie die Steu-ermessbeträge.

Gezählt wurden 52 Wohnhäu-ser mit Scheunen, Ställenund Gärten, drei Kelterhäu-ser, zwei Schmieden und zweiBrauhäuser; 15 Hofraiten wa-ren “ledig” (verlassen) oder un-bebaut, vielleicht noch alsNachwirkung des Dreißigjäh-rigen Krieges. Die größtenHofflächen gehörten dem Alt-münster-Kloster mit rund 400Ruten und dem Pfarrhof mit224 Ruten. Der Altmünsterhofwar damals nur mit einerZehntscheuer bebaut, weil diePächter der landwirtschaft-lichen Flächen auf ihren eige-nen Höfen wohnten und -sehr zum Verdruss der Klos-terfrauen - es nicht eilig hat-ten, das im DreißigjährigenKrieg zerstörte Wohnhaus wie-der aufzubauen - trotz ent-sprechender Verpflichtungaus dem Pachtvertrag unddeshalb gewährtem Pacht-nachlass.

Drei weitere Hofreiten umfass-ten über 100 Ruten Fläche, 20Hofreiten (einschließlich ledi-ger und unbebauter Reiten)waren zwischen 50 und 80Ruten groß. Da eine (Qua-drat)Rute mit knapp 16 Qua-dratmetern anzusetzen ist,entsprechen 50 Ruten also800 Quadratmetern Fläche.An öffentlichen Einrichtungengab es neben der Kirche unddem Pfarrhaus ein Schulge-bäude, ein Rathaus, ein Back-haus und zwei Straßenpfor-ten.

Eine zeichnerische Darstel-lung des Dorfes Igstadt ausder Zeit der Landvermessungvon 1702 ist nicht bekannt.

Gute Kenntnisse der IgstadterFamilien und ihres Besitzesüber viele Generationen hin-weg ermutigen jedoch zu demVersuch, die Grundstücks-nummern des Lagerbuchesvon 1702 (soweit zuordenbar)sowie die Art der Bebauung ineinen Ortsplan für dieses Jahrumzusetzen. Die Basis für die-sen Plan bildet die oben ge-nannte Zeichnung der Konso-lidierung aus dem Jahr 1862mit den - abgesehen von Tei-lungen und Zusammenlegun-gen - wenig verändertenGrundstücksgrenzen.

Wie das Ortsbild damals aus-sah, wissen wir nicht. Die inden Plan eingesetzten Häus-chen sind deshalb als Symbo-le zu verstehen, die lediglich -dies aber recht anschaulich -den damaligen Umfang derBebauung im heutigen Orts-kern deutlich machen. Sostanden etwa im heute dichtbebauten Dreieck zwischenSt. Walbertus Straße, St. Gal-lus Straße und Hauptstraßeim Jahr 1702 nur noch dreiBauerngehöfte. Die Freiflä-chen der Nr. 61 und 97 warenvermutlich noch Folgen derüber 60 Jahre zurück liegen-den Zerstörungen des Dreißig-jährigen Krieges.

Quellen: Stadtarchiv Wiesbaden,Lagerbuch sowie Feldmess- undGewannbücher aus dem Jahr1702, IGS 112 und 136. - Hessi-sches Hauptstaatsarchiv Wiesba-den 3011/2814.12 - HessischesStaatsarchiv Darmstadt R1A 2/67 Steuer-Rescript.

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Im Jahr 1816 kam ein neuerPfarrer nach Igstadt. JohannPhilipp Bender - so hieß derPfarrer, Inspector und spätereDekan - musste bald mitSchrecken feststellen, dasssein Einkommen in Igstadtdeutlich niedriger lag als inseiner früheren Pfarrstelle inIdstein. Noch selbigen Jahresrichtete er an die herzoglicheLandesregierung ein Gesuchum Entschädigung. DiesesGesuch scheint nicht die er-wünschte Beachtung gefun-den zu haben, denn Ende1817 reichte er ein neues Ent-schädigungsgesuch ein, indem er anhand einer mit stren-ger Gewissenhaftigkeit erar-beiteten Aufstellung übersämtliche Einnahmen undAusgaben der Pfarrei darzule-gen versuchte, dass ich durchdie Versetzung hierher nochweit beträchtlicher in meinerBesoldung verkürzt wordenbin, als ich es in meiner frühe-ren Berechnung gehorsamstvorgelegt hatte - nach PfarrerBenders Berechnungen beliefsich sein Einkommen in Ig-stadt nur noch auf 1147 Gul-den, an Stelle der 1854 Gul-den in Idstein.

Zu damaliger Zeit konnten diePfarrer nicht über eine Beam-ten ähnliche Besoldung verfü-gen, die pünktlich und zuver-lässig in einem Geldbetragmonatlich ausbezahlt wurde.Sie erhielten überwiegend Na-turalien aus der Gemeinde

und nur wenig Bargeld. Dertraurigen und schwierigen Si-tuation des Igstadter Pfarrersin den Jahren nach 1816 ver-danken wir eine peinlich ge-naue Auflistung von nicht we-niger als 35 Einnahmen- und24 Ausgabenpositionen, ausdenen sich das Jahreseinkom-men der Pfarrei ergab. Zur Be-rechnung dieses Jahresein-kommens bewertete PfarrerBender die Naturalien mitPreisen, vermutlich den jewei-ligen örtlichen Marktpreisen.

Die Hauptprobleme für PfarrerBender - und gleichermaßenfür seine Amtsbrüder in denländlichen Gegenden - be-standen zum einen in der gro-ßen Abhängigkeit von denErnteerträgen in der Gemein-de, d.h. in schlechten Jahren

wurden weniger landwirt-schaftliche Produkte abgelie-fert und es mussten Lebens-mittel für die Familie undvielleicht sogar Viehfutter zuden in solchen Jahren nocherhöhten Preisen zugekauftwerden. Zum andern warf diein Igstadt noch vorhandenePfarrlandwirtschaft wenig Er-träge ab. Es ist leicht einzuse-hen, dass die Kosten einer sol-chen “Nebenerwerbslandwirt-schaft” höher lagen als bei denBauern am Ort, weil der Pfarr-rer viele Arbeiten, die die Bau-ernfamilien selbst erledigten,gegen Lohn ausführen lassenmusste.

Doch lassen wir Pfarrer Ben-der mit seinem Gesuch umBesoldungserhöhung selbstzu Wort kommen:

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Ein Igstadter Pfarrer in NötenHartmut Essig

Vollständige Transkription des Gesuches siehe Text

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An herzogliche Landesregie-rung zu Wiesbaden gehorsam-ste Bitte von dem InspectorBender zu Igstadt - um hoch-geneigte Verfügung, daß erwegen des durch seine Verset-zung nach Igstadt erlittenenbeträchtlichen Verlusts an Be-soldung entschädigt werde.

Ich bin nun in dem Falle, einerherzoglichen Landesregierungden Stand der hiesigen Pfarr-besoldung mit den darauf las-tenden Abgaben und Unkostengenauer angeben zu können,als ich es im vorigen Jahre ver-mochte, und wage es daherietzt, mein Entschädigungsge-such gehorsamst zu wiederho-len. Die Anlagen, in welchenich nach meiner Pflicht mitstrenger Gewissenhaftigkeitaufgestellt habe, was ich indiesem Jahre bezogen habe,und welchen Kostenaufwandich machen mußte, um das Be-zogene zu erhalten, weisen esmit Klarheit aus, daß ich durchmeine Versetzung hierher nochweit beträchtlicher in meinerBesoldung verkürzt wordenbin, als ich es in meiner frühe-ren Berechnung gehorsamstvorgelegt hatte, und meine ho-hen Vorgesetzten es mir nichtverargen können, wenn ichmich dabei nicht zu beruhigenvermag. Schon in dieser Hin-sicht habe ich durch meine Ver-setzung einen großen Verlusterlitten, daß ich in dem Laufedes letzten Jahres, wo derPreis der Früchte ungewöhn-lich hoch gestiegen war, keinenErlös aus Früchten habenkonnte, sondern im Gegentheilnoch ankaufen mußte - in Id-

stein hingegen aus 70 MalterKorn, 2 Malter Waizen u. 70Malter Hafer ein ansehnlichesKapital hätte beziehen können.Und wie weit stehe ich nunauch mit meiner hiesigen Be-soldung in Vergleichung mitder, die mir in Idstein wurde,zurück! Dort hatte ich nach derim vorigen Jahre einer herzo-glichen Landesregierung auf-gestellten Durchschnittsbe-rechnung iährlich 1854 fl ohnedie geringste Mühe zu bezie-hen; hier wurden mir schon imersten Jahre, und zwar in ei-nem Jahre, wo die Erndte ge-wiß eine der guten war, nichtmehr als 1147 fl - und diesemußten mit großer Beschwer-de, welche auf den Meinigenlastete, und wohl auch mitmanchen unvermeidlichen Un-annehmlichkeiten, errungenwerden. Hier stellt sich dasWeniger so auffallend be-trächtlich heraus, daß ich mitvollem Vertrauen darauf rech-nen darf, herzogliche Landes-regierung werde das Gerechtemeines gehorsamsten Gesuchsanerkennen, und zu meinerEntschädigung hochgeneigtverfügen. Wird doch Anderen,seien es auch solche, die sichminder treu und eifrig in Erfül-lung ihrer Berufspflichten er-wiesen haben, als ich, wennsie auf eine andere Stelle ver-setzt werden, die volle Besol-dung, die sie zu beziehen hat-ten, gelassen; warum sollte ichbei dem guten Bewußtsein,mich auf meiner Stelle immerwürdig behauptet, und mit ge-wissenhafter Redlichkeit ge-leistet zu haben, was mir in ei-nem gewiß vielumfassenden

und mühevollen Wirkungskrei-se oblag, zweifeln dürfen, daßmeine hohe Vorgesetzten mir,der ich nicht verdiente, zurück-gesetzt zu werden, den Bezugund Genuß der vollen Besol-dung, welcher ich mich zu er-freuen hatte, mit Einschluß der200 fl, die mir der höchstseligeHerzog, gewiß nicht auf einigeJahre, sondern für meine gan-ze Lebenszeit, als eine Zulagegnädigst zu bewilligen geruhte,auf meiner neuen Stelle zuer-kennen werden?

Hier glaube ich aber auch dembegegnen zu müssen, was mirin Ansehung des Vortheils ent-gegengesetzt werden könnte,der auf dem Lande aus demViehstande, und überhauptaus der Hausnahrung, wieman es zu bezeichnen pflegt,fließe. Es hat den Anschein,als ob deshalb meine Besol-dung um ein Bedeutendes hö-her angeschlagen werdenmüßte, als ich sie in der anlie-genden Berechnung aufgestellthabe. Allein dieser Anscheinverschwindet gänzlich, er-scheint als eine bloße Täu-schung, wenn ich bemerke,wie teuer ich den aus demViehstand fließenden Vortheil,und überhaupt die Hausnah-rung bezahlen muß. Ich mußja, um dieselbe zu gewinnen,alles in der anliegenden Be-rechnung in Geldanschlag ge-brachte Stroh, woraus ich nichteinen Kreuzer erlösen kann,die Hälfte des Heues, zweiDrittheile von den Kartoffeln,und alle übrige Fütterung ver-wenden. Dieses beträgt inSumma 336 fl 20 xr. Dazu

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kommen noch 100 fl für eineMagd, die ich bloß für denViehstand halten muß, undaußerdem nicht nötig hätte -50 fl für zwei Klafter Holz, dieich wegen des Viehstandeshier mehr brauche, als mir inIdstein in einer weit größerenWohnung Bedürfnis war, 1 ½Malter Korn und Gerst Hirten-lohn mit 6 fl 45 xr, und wenig-stens 10 Malter Früchte allerArt zur Fütterung mit 35 fl;Nehme ich dieses alles zu-sammen, so muß ich den Vor-theil aus dem Viehstand undüberhaupt die Hausnahrungmit 528 fl bezahlen, u. dem-nach gewiß nicht minder hochals wenn ich, was dazu gehört,mit barem Geld ankaufen müß-te.

Dabei kann ich nicht unberührtlassen, wie unsicher hier in je-dem Jahre meine ganze Ein-nahme ist, weil ich Nichts zubeziehen habe, worauf ich mitGewißheit rechnen kann. Istdoch alles der Gefahr, zu miß-rathen, oder durch ein Unge-witter zerstört zu werden,unterworfen!

Die Stimme der Pflicht, die ichals Vater von sechs Kindernauf mir habe, welche mit Kraftfordern, daß ich mit Vaterliebefür sie sorge, ruft mich daherauf, meine gehorsamste Bitteso dringend, als fest vertrau-end auf die Gerechtigkeitherzoglicher Landesregierungzu wiederholen, Hochdieselbewolle meine durch meine Ver-setzung hierher beträchtlichverschlimmerte Lage in einehochgefällige Erwägung neh-

men, und die hochgeneigte Sor-ge für mich haben, daß ich fürdas, was ich an Besoldungverloren habe, entschädigtwerde, und mir diese Entschä-digung vom Anfange meinerhiesigen Dienstzeit an zufließe.- Igstadt, am 10t Dec. 1817 -Bender

Hier folgt nun die von PfarrerBender erstellte Berechnungüber die Pfarrbesoldung in Ig-stadt im Jahr 1817 in voll-ständiger Transkription; abge-bildet ist nur die erste Seitemit einer Zwischensumme von1429 fl. (Gulden).

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Noch eine weitere, in der Auf-stellung nicht enthaltene“Verkürzung” seitens der Ig-stadter mußte Pfarrer Benderbeklagen. Nach der Gesamt-summe steht der Eintrag:Hierbei muß ich noch bemer-ken, daß sich die Pachter desPfarrguths zu den 52 fl, welchesie vorher von dem Brachfeldgaben, nicht mehr verstandenhaben.

Aus den vorhandenen Unter-lagen ist nicht erkennbar,dass Pfarrer Benders ausführ-lich begründetes Gesuch vomDezember 1817 irgend etwasin Bewegung gesetzt hätte.Fast ein Jahr später, im Ok-tober 1818 richtet Bender,nun als Kirchenrat, nochmalseine gehorsamste Bitte an dieLandesregierung. Durch diezu geringe Besoldung sei er ineine Lage versetzt worden,welche mit meiner Dienststelleganz unverträglich ist, mit ie-dem Tage drückender für michwird, und mir immer mehr denfreudigen Muth raubt, mit wel-chem ich sonst meinem Berufelebte. Wegen der nach wie vorausstehenden Regulierungseiner Besoldung wage er es,um die hochgeneigte Verfü-gung gehorsamst zu bitten,daß mir einstweilen ein Vor-schuß von einigen hundert Gul-den gereicht werde.

Als Reaktion auf dieses Ge-such ist ein Aktenvermerkvorhanden, in dem sich zweiBeamte darauf verständigten,den Fall durch Superinten-danten Müller untersuchen zulassen.

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Aufgestellte Berechnung der Pfarrbesoldungzu Igstadt vom Jahre 1817

fl xrAus dem Kirchenkasten 9 -Vergütung für den Blutzehnten 56 30

Vom Pfarrgut u. Zehnten

27 Mltr Korn à 5 fl. p Mltr 135 -43 M. Waizen à 7 fl. 301 -43½ M. Gerst à 4 fl. 174 -25¾ M. Hafer à 2 fl. 51 30

4 M. Erbsen à 6 fl. 24 -3½ Fiernsel Wicken à 5 fl. 4 22

½ Fierns. Linsen 301½ Mltr Schlagsaamen 16 30

188 Bosen Kornstroh à 7 xr p B. 21 56380 Bosen Waizenstroh à 5 xr 31 40460 B. Futterstroh à 4 xr 30 40126 B. Schotenstroh à 4 xr 8 24120 B. Plaustroh à 4 xr 8 -

40 Säcke Spreu à 2 xr 1 2033 Karrn Heu, vom K. 5 .. à 1 fl 165 -

129 Mltr Kartoffeln à 1 fl p M. 129 -56 Mltr Aepfel à 3 fl p M. 168 -

4 Mltr Birn à 2 fl 8 -47 Karrn Dickwurz, weiße Rüben und Kraut à 1 fl 47 -

3 M. Hopfen 3 -12 Geb. Hanf à 10 xr p G. 2 -

das Atzfutter von Grasstücken 3 -das Futter von der Wiese außer 4 Karrn Heu,

welche oben schon angeschlagen sind, noch 5 -1 Ohm Wein, nicht mehr wert, als höchstens 15 -

das Obst aus dem Baumgarten ist auch oben schonangeschlagen, und was an Fütterung in dem-selben erzogen worden ist, ist höchstens zurechnen 10 -

Alles, was auf dem Krautland erzogen worden, istschon in Anschlag gebracht, u. bestande inSchlagsaamen, Kartoffeln u. Kraut

das Obst von dem Baumstück ist auch schon ange-schlagen, u. die auf demselben erzogene Fütterung war höchstens wert 30

der Gemüsegarten 10 -4 Stächte Pferch à 1 fl 30 xr 6 -

Pfarrkorn 1 Mltr 1 f.[Firnsell] 3 3/8 Gesch[eid] 6 -Pfarrzinsen 48die Accidenzien betrugen nur 16 -Von 8 Schulprüfungen habe ich noch bezogen 24 -Aus dem Kirchenkasten habe ich für Schreibma-

terialien erhalten 4 20

Summa 1497 -

davon gehen ab die onera [Steuern] u. Kosten

dem Schullehrer 2 Mltr 1 1/3 f. Korn 10 40demselben 1 ½ Mltr Hafer 3 -Gewerbsteuer in Simplo 25 xr von 4 S. 1 40Grundsteuer nach Abzug der Vergütung von 4 S. 8 19Zehntsteuer nach Abzug der Vergütung von 4 S. 6 58Steuer von Pfarr-Zinsen und Korn von 4 S. 1 8Interessen von zwei aus dem Kasten entlehnten

Kapitalien à 115 fl 50 xr u. 67 fl 1 xr 9 8Zur Verminderung des letzteren Kapitals iährlich 3 -Die in der Beilage specificirten Unkosten mit 304 30

Onera und Unkosten in Summa 349 30

Diese von obiger Summe abgezogen, sobleiben noch Besoldung in Summa 1147 37

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Bevor es dazu kam, unter-nahm Kirchenrat Bender ei-nen ganz anderen Schritt. Ineinem gehorsamsten Berichtvom 1. Dezember 1818 - dieVerpachtung des IgstadterPfarrguths und des großenund kleinen Zehnten betreff-fend - teilt Bender der Lan-desregierung mit:

Das höchste Edikt vom 18tenApril dieses Jahres fordert,daß die Geistlichen ihre Pfarr-güter und Zehnten verpachten,und sich dadurch von den mitihrem Amt unverträglichen Sor-gen und Lasten, so wie auchvon den mannichfaltigen Un-annehmlichkeiten, welche mitder eignen Benutzung dieserBesoldungsstücke unvermeid-lich verknüpft sind, loswindensollen. Nichts konnte mehr mei-nen Wünschen entsprechen,als diese weise Verfügung, be-sonders da die hiesige Pfarrbe-soldung beinahe ganz aus demPfarrgut und dem Zehnten be-zogen werden muß, und vor-nämlich die eigne Benutzungdes kleinen Zehntens unbe-schreiblich große Beschwer-den, womit eine immer kränkli-che Frau, wie die meine ist,nicht mehr belästigt werdendarf, mit sich führt, und dabeiauch nicht selten ärgerlicheVerdrüßlichkeiten verwickelt.Ich habe daher durch den hie-sigen Orths- und Kirchenvor-stand das Pfarrgut nicht allein,sondern auch den großen undkleinen Zehnten öffentlich andie Meistbietenden verpachtenlassen, und übergebe in denAnlagen [in den vorliegendenAkten nicht enthalten] einer

hohen Landesregierung dieVerpachtungsprotokolle zur ho-hen Genehmigung, mit der ge-horsamsten Bitte, darauf mei-ne Besoldung, und insonder-heit auch die mir gebührendeEntschädigung wegen derschon abgelaufenen Zeit mei-nes Hierseins hochgeneigt zuregulieren und mir anzuwei-sen. Dabei kann ich aber auchnicht unbemerkt lassen, daßder Betrag dessen, was ich bisdahin aus dem Pfarrgut undZehnten erhalten habe, nachAbzug der damit verbundenengroßen Kosten nicht so groß ge-wesen ist, als der Betrag des-sen, was die Verpachtungnach dem angeschlossenenProtokoll einbringt, besondersweil das Pfarrgut über alle Er-

wartung hoch gesteigert wor-den ist.

Man spürt deutlich die Er-leichterung von KirchenratBender, nun die eigene, solästige Landwirtschaft unddas mühsame Eintreiben desZehnten los zu sein. Doch sei-ne Freude war verfrüht. An-fang Januar 1819 kam Super-intendant Müller nach Igstadtund mußte feststellen, daß diereichen Igstadter, die keinenMangel an Feldgütern leiden,ihren Pfarrer mit ihren Pacht-angeboten sehr engherzig be-dacht hatten. Der Schultheißmusste zugeben, dass vor all-lem die Pacht für den kleinenZehnt weit unter Wert lag. Dadie Igstadter zu höheren

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[Beilage]Unkosten vom Pfarrgut u. großen u. kleinen

Zehnten zu Igstadt im Jahr 1817

fl xr1 Malter Korn zur Aussaat 5 -3 Fierns. 3 Kümp Waizen zur Aussaat 6 341 Mltr 2 F. 2 K. Gerst zur Aussaat 6 303 Fierns. 2 K. Hafer zur Aussaat 1 451 Fierns. Erbsen zur Aussaat 1 30für Bau- und Fuhrlohn habe ich bezahlen müssen 106 22für zweimaliges Umgraben der Weinberge habe

ich bezahlt 14 fl 12 xr - für das Ausrupfen und Stecken der Pfähle 3 fl - für das Bindenund Lauben der Weinstöcke 3 fl - für neue Pfähle 6 fl - für Einlegen iunger Stöcke 3 fl. -außerdem noch 1 Mltr 1 F. 3 K., halb Korn undhalb Gerst à 6 fl 28 xr u. 9 Geb. Stroh à 7 xr p Geb 1 fl 3 xr - in Summa 36 43

der Kostenbetrag für das Auszehnten des Heues u. für Taglöhner in der Gemeindte ist 12 24

der Kostenbetrag für Taglöhner in der Fruchterndte 12 4der Kostenbetrag für das Auszehnten sämtlicher

Früchte 14 42der Kostenbetrag für das Auszehnten der Kartoffeln,

Dickwurz, weißen Rüben u. des Krautes, u. fürdie dabei nötigen Taglöhner 28 4

der Kostenbetrag für Taglöhner in der Obsternte, fürdas Abpflücken und Auszehnten des Obstes 9 20

für das Ausdreschen sämtlicher Früchte habe ichbezahlt 45 48

für Taglöhner in der schlechten Weinlese 2 8dazu kommt noch der Kostenbetrag für Taglöhner

in Geschäften von mancherlei Art 14 24dem Schäfer für das Pferchrücken 1 12

Summa 304 30

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Pachtzahlungen nicht zu be-wegen waren, kam Müller inseinem Bericht vom 18. Janu-ar zu dem Ergebnis: Ich glau-be hiernach, die Verpachtungnicht bestätigen zu dürfen,sondern halte es für das beste,wenn beschlossen wird, so-wohl den großen als den klei-nen Zehnten wiederholt, etwadurch den Herrn Hofkammer-rath Eyffert zu Wallau oderdurch herzogliches Amt inHochheim aufsteden zu las-sen.

Am 24. Februar 1819 berich-tet Superintendent Müller andie Landesregiergung, dassLandoberschultheiß Langs-dorf aus Hochheim nochmalsin Igstadt die Versteigerungdes großen und kleinen Zehn-ten versucht habe, zum Ver-steigerungstermin aber nie-mand erschienen sei. Nachherhat jedoch der Schultheiß Her-ber für den großen Zehnten260 fl gebothen und Hoffnunggemacht, der kleine Zehntewerde, wenn man ihn erst ge-gen die Heuernte von neuemzur Steigung bringe und in klei-nen Parzellen vergeben wolle,ein Beträchtliches mehr ertra-gen.

Der Landoberschultheiß woll-te sowohl das Angebot des Ig-stadter Schultheißen von 260fl wie auch seinen Rat hin-sichtlich einer späteren Ver-steigerung des kleinen Zehn-ten annehmen. Superinten-dent Müller war aber dochmehr dafür, den großen undkleinen Zehnten der Gemeindefür 473 fl zu lassen, so ärger-

lich auch ist, die Pfarrbesol-dung auf diese Weise von derGemeinde geschmälert zu se-hen.

Eine Aktennotiz der Landesre-gierung vom 3. April 1819 be-sagt, dass der Verpachtungdes großen Zehnten anSchultheiß Herber zuge-stimmt wird, die Verpachtungdes kleinen Zehnten aber füreine Genehmigung zu geringausgefallen sei und der Selbst-einsammlung des Herrn Kir-chenrats Bender überlassenbleiben müsse. Im übrigenseien heute 400 Gulden aufkünftige Berechnung ... aufden Central-Kirchenfonds fürBender angewiesen worden.

Dieser Vorschuss scheint nurwie ein Tropfen auf den hei-ßen Stein gewirkt zu haben.Am 25. Oktober 1819 gehtwieder eine gehorsamste (undziemlich verzweifelte) Bitte vonKirchenrat Bender an die her-zoglich-nassauische Landes-regierung. Bei meiner geringenBesoldung ... kann ich mit mei-ner zahlreichen Familie nichtbestehen. Ich finde mich immer

mehr zurückgesetzt, je längersich die Regulierung und Fest-setzung der mir zukommendenEntschädigung hinauszieht. ...Ich sehe mich daher genötigt,um so mehr, da mir auch dastraurige Verhängnis, durchwelches mir meine Frau ent-rissen wurde, neue beträchtli-che Ausgaben verursacht hat,eine hohe Landesregierungabermals um eine hochgefälli-ge Anweisung auf einen meineLage erleichternden Vorschußaus dem Central-Kirchenfondsehrfurchtsvoll zu bitten, undwage diese Bitte mit dem herz-lichen Vertrauen auf eine bal-dige hochgeneigte Willfahrung.

Die baldige Willfahrung benö-tigte gut fünf Wochen, dannwurden gemäß einer Aktenno-tiz 500 fl für Pfarrer Benderangewiesen. Mit diesem Ver-merk endet die vorliegendeAktensammlung. Über einedauerhafte Besserbesoldungvon Pfarrer und KirchenratBender erfahren wir an dieserStelle nichts.

Quelle: Akten des HessischenHauptstaatsarchivs Abt. 211 Nr.3222.

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Vorgetragen und genehmigt in der Sitzung am 1t dec 1819 - Fünfhun-dert Gulden ... angewiesen (Ausschnitt aus einer Aktennotiz)

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Über die Herkunft und die Be-deutung des Namens des imDreißigjährigen Krieg unterge-gangenen Dorfes Kosloff ist inder Vergangenheit viel gerät-selt und geschrieben worden.Dazu hat sicher auch dieunterschiedliche Schreibweisedes Namens über die Jahr-hunderte beigetragen. Lt.Renkhoff und Dauber (Nas-sauische Annalen Bd. 109,1998, S.416 ff) wird das Dorfim 13. bis 15. JahrhundertCostolf, 1323 Kostorf, im 16.Jahrhundert Costlof(f), Kos-tenloff oder Cosloff genannt.Der Karthograph Dilich be-zeichnete es in seiner 1607 er-stellten Ansicht des Gerichts-bezirkes Mechthildshausenmit Costloff. im 1970 neu auf-gelegten Nassauischen Na-menbuch von Joseph Kehreinwird ausgeführt, dass Na-mensteile wie aff, off und uffals besonderes Wort der frü-heren deutschen Sprachenicht erhalten ist. Im Sanskritso führt er weiter aus ist apund apa Wasser. Daraus wur-de durch Lautverschiebung imAlthochdeutschen affa undspäter auch afa, iffa, effau.a.m. und schließlich ein blo-ßes ff oder f. Zu dieser Na-mensgruppe gehören lt. Keh-rein Elsoff, Mauloff, Niederau-roff, Niederwalluff "und wolauch das unsichere Costloff".Solche Namensgebungen sol-len bis in das 4. und 5. Jahr-hundert zurückreichen. Dies

würde sich auch mit der Ver-mutung Renkhoffs decken,dass Kosloff viel früher als Me-denbach entstanden ist.

Soviel also zur Erklärung deszweiten Namensteiles. Esbleibt also die Erklärung fürden ersten Namensteil. Renk-hoff/Dauber weisen in der An-merkung 67 der bereits er-wähnten Arbeit darauf hin,dass eine Beziehung zu "Ku-sel" = Schmutz oder dem gal-lischen "Coslo" = Hasel vermu-tet wird.

Nun habe ich im Rahmen mei-ner Untersuchung der Flurund Gewannnamen der Ge-markung Medenbach festge-stellt, dass in unmittelbarerNähe des Dorfes Kosloff eineSchleifmühle gewesen seinmuß. Die im "Fluhr und Ge-wannbuch der Gemeind Me-denbach" von 1702 aufgeführ-te "Schleifmühlgewann" ist einHinweis darauf. Es ist imübrigen die einzige am Meden-bach nachweisbare Mühle.Das relativ geringe Wasserauf-kommen des Medenbachesdürfte für den Betrieb einerSchleifmühle zur Schärfungvon Werkzeugen und Waffennoch ausgereicht haben.Schleif und Wetzsteine werdenlateinisch mit "cos" bezeich-net. Dadurch ergibt sich einesinnvolle Bezeichnung desDorfes "Cosloff", das wohlähnlich wie das jüngere Me-

denbach seinen Namen vondem nahen Wasserlauf erhal-ten hatte. Das Dorf Meden-bach benannt nach dem mitt-leren (= meden, lat. medius =der mittlere) Quellbach desWickerbaches und in ältererZeit der "Cosloff" ( bach), alsoder Bach mit dem Schleifsteinals Namensgeber für dasgleichnamige Dorf, Ein weite-res Indiz für den zeitlichenRahmen der Namensgebungist das "Frankenstück". DiesesFrankenstück stieß auf dieSchleifmühle und entsprachder 2. bis 4. Gewann des Kos-loffer Honigfeldes. Die Be-zeichnung "Frankenstück"läßt einen Rückschluß auf diekarolingische Landnahme im6. Jahrhundert zu, zumal dieNamensgebung einer weiterenGewann in der unmittelbarenNachbarschaft, nämlich"keer", den Zusammenhangmit der Bezeichnung "Fran-kenstück" vermuten lässt."Keer" bedeutet nach RudolfKunz (Wörterbuch für süd-hessische Heimat und Famili-enforscher, 1995, Verlag desHistorischen Vereins für Hes-sen) soviel wie Schadensersatzoder Wiedergutmachung lei-sten. Ein Vorgang wie man ihnsich im Zusammenhang miteiner kriegerischen Landnah-me durchaus erklären kann.

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Ein Versuch zur Klärung des geheimnisvollenNamens “Kosloff”

Günter Fr. Chr. Sommer

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In Igstadt gab es im 20.Jahr-hundert viele Gasthäuser;aber nicht jedes bot seinenGästen auch Übernachtungan wie das "Gasthaus zur Lin-de" in der Mainzer Straße 2(heute: Nordenstadter Str.2).Der Wirt war Herr Max Hopf-chen, Jahrgang 1876, geborenin Mönchen-Gladbach, verhei-ratet mit Luise, geb. Alles.Schon zu seinen Lebzeitenführten jedoch die Frauen imWesentlichen die Wirtschaft,d.h. die Töchter Gertrude,verh. Koch, und Emma, verh.Mechling, zunächst mit ihrerMutter, dann allein.

Sehr interessant ist das Stu-dium des "Fremdenbuches",weil der Leser in den Eintra-gungen ein Stück Zeitge-schichte wiederfindet. DasFremdenbuch beginnt am9.7.1913 mit der Eintragungeines Privatiers Rudolf Schra-der, preußischer Nationalität,aus Berlin, der mit Ehefrauund Mutter bis zum5.8.1913 dort wohnte. Dieswar ein verhältnismäßiglanger Aufenthalt; diemeisten Gäste quartiertensich nur für eine oder zweiNächte ein. Manche Na-men findet man im Laufeder Jahre immer wieder.

Insgesamt vermietete dieFamilie Hopfchen vierZimmer. Am 25.7.1913nächtigten dort vier Musi-ker (in Zimmer Nr.4), spä-

ter ein Orgelspieler, ein HerrKarl Krämer, Gastwirt ausFriedberg, mit seinem SohnMax, Musikschüler, und zweiSchauspieler aus Darmstadtund Passau. Der HumoristWilly Dauster aus Bierstadtmit Albert Wittlich, Pianistaus Wiesbaden (Zimmer 2),sowie zwei Sängerinnen ausMainz (Hessen) und Wiesba-den (Preußen) (Zimmer 1)

schliefen dort vom 19. bis21.10.1913. (Anmerkung: Indiesem Jahr fand in Igstadtkeine Kerb statt. Vielleichttraten sie bei einer privatenFamilienfeier auf?) Fünf Tagespäter stiegen dieselbenKünstler wieder dort ab, dies-mal nur für eine Nacht.

Ebenfalls im Oktober 1913findet man beispielsweise ei-nen Knecht österreichischerNationalität, einen sächsi-schen Oberkellner aus Wies-baden und den preußischenZahntechniker August Weberaus Wiesbaden (am 20. und26.10. jeweils für eine Nacht).

Geht man die Spalte "Standoder Gewerbe" durch, so fin-det man außer den oben Ge-nannten Hausierer, Knechte,Orgelspieler, Fuhrleute,Händler, Wagner, Schreiner,Pferdehändler, Schäfer, Inge-nieure, z.B. einen Schweizer

Ingenieur aus Cöln, undimmer wieder Orgelbauer;aber auch einen bayrischenFörster mit Frau.

Ab August 1914 zeigt dasFremdenbuch auf, dassDeutschland sich im Kriegbefand: Ulanen, Musketie-re, Gefreite, Unteroffiziereund eine Rot-Kreuz-Schwester haben sich ein-getragen. Sie kamen ausPreußen, Bayern, Baden,Lothringen.

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Das Gasthaus zur LindeRuth Lichtenheldt

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Unter dem 13.2.1915 trugsich für eine Nacht der ameri-kanische Maler George Holzin-ger aus New York ein, der am21.9. wiederkam und bis zum25.9.blieb. Ebenfalls verzeich-net sind in diesem und im fol-genden Jahr ein Kollektant,ein Pferdehändler, ein Muske-tier, Händler und Hausierer.Im Januar 1917 sind der Ge-freite Wöllner mit dem ukrai-nischen KriegsgefangenenPlawko, beide aus Wetzlar,verzeichnet. Beide kamensechs Wochen später nocheinmal; sie blieben jeweils füreine Nacht. Es kamen nochmehr Soldaten, von Reservere-gimentern aus Preußen, Hes-sen, Braunschweig und Ba-den: Gefreite, Füsiliere, Mus-ketiere, ein Kanonier, einWehrmann namens Filipiackaus Wiesbaden, ein Unteroffi-zier aus Erbenheim, ein würt-tembergischer Landsturm-mann aus Wetzlar, der würt-

tembergische Orgelbauer Ri-chard Weigle aus Echterdin-gen für eine Nacht und fünfMonate später der OrgelbauerJoh. Heimach, ebenfalls ausEchterdingen, für fünf Tage.(Daraus könnte man schlie-ßen, dass er hier zu tun hat-

te.) Auch der Leutnant KarlSchwarz, im Privatleben Steu-erbeamter aus Frankfurt/M.,logierte für eine Nacht in Ig-stadt. Seit Oktober 1917 sindaußer wenigen anderen Gäs-ten immer wieder Soldatenaus vielen Teilen Deutsch-lands: z.B. aus Danzig, Sie-gen, Berlin, auch Wiesbaden,

verzeichnet. Auch DirektorHugo Hopfchen, ein Ver-wandter des Wirtes, warimmer mal wieder einigeTage dort. Am 23.2.1918 wohnte der Licht-bildervorführer Land-graf, vom 10.12.1918bis 10.4.1919 der Brief-träger Christian Treh-wald aus Wiesbaden imGasthaus zur Linde.

Und zwei Igstadter, nämlichKarl Göbel, Hilfswachmann(vom 20.4. bis 18.11.1917),und Heinrich Althen, Wach-mann der K.G. (Kriegsgefange-nen), vom 1.12.1917 bis23.11.1918, sind im Fremden-buch eingetragen. Die Kriegs-

gefangenen waren in dem Saalauf dem hinteren Grundstückuntergebracht.

Vom 12.11. bis 3.12.1918nahm das Gasthaus zur Lindenoch viele deutsche Soldatenvon Infanterie- und Artillerie-Regimentern auf, jeweils 30bis 40 Mann. Danach ist inder Spalte "Nationalität" nurnoch eingetragen "franse" (=französisch). Seit Ende De-zember 1918 wurden vielefranzösische Soldaten ein-quartiert, jeweils 30 bis 40Mann. Im Jahre 1919 stehenvon Januar bis August keineeinzelnen Namen mehr in demBuch, sondern nur noch "1Mann, 2 Mann, 4 Mann", ein-mal "Lieutnant u. 2 MannArt.Reg Nr.113".

Ab dem 15.10.1919 sind dieEinträge wieder wie vor demKrieg: Karussellbesitzer, Con-ditor, Orgelbauer, Werkmeis-ter, Händler, Maschinenfüh-rer, Dreschmaschinenarbei-ter, ein Bohrmeister aus Lud-

1938

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wigshafen, Schäfer usw. Im-merhin sind es 1920 wieder43 Eintragungen. (1914 warenes 48 Eintragungen). 1921sind es 41, 1922 noch 27. Ei-ner davon war der Lehrer Au-gust Schimmel aus Neunk-hausen im Westerwald, (derdann in Igstadt als Lehrerwirkte, 1924 Vorsitzender der"Siedlervereinigung EigenesHeim Igstadt b. Wiesbadene.V." wurde und im Jahre1928 mit dem BürgermeisterMüller nach Berlin fuhr, um

die Eingemeindung Igstadtsnach Wiesbaden zu errei-chen). 1923 gab es gar keineEintragung im Fremdenbuch,1924 noch zehn, 1925 nurnoch vier, 1926 eine Eintra-gung, 1927 zwei Eintragungen(Hubert Schäfer und AlbertSchäfer, beide Schäfer aus"Medebach"; die beiden .ka-men auch 1929 noch einmal).1928 ist gar kein Gast ver-zeichnet, 1929 - mit den bei-den Schäfern - drei, und1930 nur noch ein Monteur

aus Weilmünster für 8 Tage.Dann endet das Fremden-buch.

Das Gasthaus bestand aberweiter. In dem hinteren (Saal-)Bau fanden Vereinssitzungenund Tanzveranstaltungenstatt. Nach dem 2. Weltkrieggaben die beiden Schwesternden Betrieb auf. WeitereUnterlagen sind leider nichtmehr vorhanden.

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Dieser Bericht beinhaltetRückblenden und Erinnerun-gen, die weder Anspruch aufVollständigkeit noch auf ge-naue historische Abläufe ha-ben.

60 Jahre sind seit dem Endedes Zweiten Weltkrieges ver-gangen. Da sind die Erinne-rungen an diese Zeit und dieJahre danach zwar nicht ver-schwunden, aber sie sind imLaufe der langen Jahre "in denäußeren Schubladen" abgelegtworden. Die Eindrücke, die imLaufe der neueren Zeit aufuns eingewirkt haben, und dieAnforderungen, die an jedenEinzelnen zum Beispiel imLaufe eines langen Berufsle-bens gestellt wurden, habendie Erinnerungen an die "alteZeit" ziemlich verwischt, abernur scheinbar in Vergessen-heit geraten lassen.

So sollen diese, wennauch sehr unvoll-ständigen und "abge-kürzten" Erinnerun-gen dazu beitragen,den alten IgstadterBürgern die "alteZeit" ein wenig in Er-innerung zu bringenund den Neubürgern,die inzwischen Ig-stadt zu ihrer neuenHeimat gewählt ha-ben, zeigen, was hiervor ihrer Zeit passier-te, wie das täglicheLeben ablief.

Igstadt hatte im Jahre 1939,also zu Beginn des ZweitenWeltkrieges, 1.092 Einwoh-ner. Der Krieg forderte natür-lich auch von den EinwohnernIgstadts seinen Tribut. Sokehrten einige Ehemänner,Väter und Söhne nicht ausdem Krieg zurück und anderetrugen schwere Verletzungendavon. Obwohl das Gasthausmit Saalbau der Familie Klein-schmidt (gegenüber demBahnhof auf dem Gelände desheutigen Wohnhauses von Jo-sef Zeitler) in den letztenKriegstagen völlig zerstörtwurde und einige Scheunen,von Brandbomben getroffen,abbrannten, waren die Wun-den, die der Ort davon trug,verhältnismäßig gering, ge-messen an dem, was anderenStädten und Orten widerfuhr:Wir hatten das große Glück,

dass die Amerikaner unsere"Besatzungsmacht" wurden,und so nahm das Leben ver-hältnismäßig schnell wieder,wenn auch keine normalen,aber doch "normalere Formen"an.

Die Bevölkerung Igstadts be-stand größtenteils aus Land-wirten, Arbeiterfamilien undeinigen Kleinunternehmernim Handel und Gewerbe.Durch den Zuzug von Heimat-vertriebenen aus dem Sude-tenland in den Jahren 1946und 1947 erhöhte sich dieEinwohnerzahl des Ortes auf1.446. Erstmals im Jahre1997 überschritt sie die magi-sche Zahl von 2.000. Igstadthatte 2.013 Einwohner.

Wenn man bedenkt, dass esim Jahr 1950 weder eine Be-bauung am Wiesenhang noch

Am Wasserturm, Ander Allee, Am Heiligen-haus und in der Wein-gartenstraße gab undbis auf zwei dem Ortzugewandte Häuser dieFlorian-Geyer-Straßenur einseitig bebautwar, sich die Einwoh-nerzahl von 1950 bis1997 gerade einmal um550 Einwohner erhöh-te, dann kann man sichvorstellen, welche ge-ringen Wohnflächenden Menschen nachdem Krieg zur Verfü-gung standen.

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Igstadt nach dem Ende des Zweiten Weltkriegesund in den folgenden Jahren

Karl-Heinz Schmidt

Igstadt im Jahr 1954

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Die Ansprüche an das Lebenwaren noch sehr viel geringerals sie es heute sind. Die Men-schen waren froh, ein Dachüber dem Kopf zu haben, ge-nügend Nahrungsmittel undHeizmaterial zu besitzen undSchuhe und Kleidung besor-gen zu können. Ausder Not - wenn manin unserem Dorf über-haupt von Not, wie siein der Stadt schoneher gegeben war,sprechen kann - wur-de eine Tugend ge-macht. Nachdem dieBauern die Felder ab-geerntet hatten, wur-den Getreide und Kar-toffeln "gestoppelt". Diein Säcken gesammelten Ährenwurden gedroschen und dasGetreide in der Obermühle zuMehl gemahlen. Im Wald sam-melte man Holz ein undbrachte es mit dem Leiterwa-gen nach Hause. Die in denTaunuswäldern mühsam ge-sammelten Buch-eckern tauschteman in der Öl-mühle in Niedern-hausen gegenSpeiseöl ein. Fastalle Familien hat-ten einen Gemü-segarten, um einefast kompletteSelbstversorgung,was Obst und Ge-müse anging, si-cherzustellen. DieMilch wurde jeden Morgenoder jeden Abend direkt beimBauern im Stall gekauft.

So kommen wir auf die Land-wirte. Sind es heute gerade

noch einmal fünf landwirt-schaftliche Vollerwerbsbetrie-be, die zum Teil noch Fremd-erzeugnisse vermarkten, undeinige wenige, die Landwirt-schaft als "Feierabendbauern"betreiben, so waren es nachdem Zweiten Weltkrieg und

auch noch lange danach über30 Vollerwerbslandwirte. Inden Höfen lebten oft mehrereGenerationen unter einemDach, die ausschließlich vomErtrag der Landwirtschaft undder Viehhaltung ihr Aus-kommen hatten. In dieser Zeit

war noch keine Flurbereini-gung durchgeführt, das heißt,dass die Landwirte ihre Äckerund Wiesen, in der gesamtenGemarkung verstreut, zu be-wirtschaften hatten. Es gab

noch keine Traktoren odersonstige modernen Maschi-nen. Transportmittel warenWagen mit größtenteils Eisen-ringen beschlagenen Holzrä-dern. Als Zugmaschinen fürdie Transportwagen, Pflüge,Eggen, Sämaschinen usw.

dienten Pferde undauch Kühe.

Da man auf den HöfenPferde, Bullen, Rinder,Schweine, Gänse, Hüh-ner und vieles mehrhielt, musste auch dasFutter in Form vonDickwurz, Hafer undanderem Getreide, Kar-toffeln, Heu und Stroh

über den Winter vorge-halten werden. Heute wird dasGetreide wie schon immer imHerbst oder Frühjahr gesät.Es muss zwar noch gegenSchädlinge der verschiedenenArten gespritzt werden, kannaber dann mit dem Mähdre-scher geerntet, direkt auf die

Wagen geladenund anschließendzur Bäuerlichen-Haupt-Genossen-schaft (BHG) ge-bracht werden.

Nach dem Krieggab es noch keineM ä h d r e s c h e r .Man musste dasGetreide nichtmehr mit derSense mähen, um

es zu Garben gebunden zumTrocken aufzustellen. DieseAufgabe übernahm der Mäh-binder. Dieser schnitt das Ge-treide und band es automa-tisch zu Garben zusammen.

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Erntezeit in Igstadt

Erntehelferinnen

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Die Garben wurden dann zumTrocken aufgestellt, um dannmit eigens dafür vorgesehenenErntewagen in die Hofscheunegefahren zu werden. EineDreschmaschine kam dannvon Hof zu Hof, und das Ge-treide wurde gedroschen undin Doppelzentnersäcken aufdie Dachböden zum Trocknengebracht.

Da auf den Höfen Pferde, Kü-he, Schweine usw. ganzjährigzu versorgen waren, mussteder Landwirt immer präsentsein. Das bedeutete, dass ne-ben der Feldarbeit die Kühezwei Mal täglich gemolkenwerden mussten, alle Tiere zufüttern, die Ställe zu mistenund die Milch zweimal täglichzur Milchzentrale zu bringenwaren. Diese befand sich inder Altmünsterstraße, denheutigen Ausstellungsräumender Familie Dahlhäuser. BeiFesten und Familienfeiernverschwanden die Bauern ge-gen Abend und waren, wennsie ihre Arbeit getan hatten,wieder da und es wurde weitergefeiert.

Da nach dem Krieg und denfolgenden Jahren die Autobe-sitzer an einer Hand abzuzäh-len waren, es noch keine Fern-seher gab, man nicht in denUrlaub fuhr usw., fanden dieVergnügungen in der knappbemessenen Freizeit im engenUmfeld statt. Es gab bei einerEinwohnerzahl von nicht ein-mal 2.000 drei Gesangsverei-ne (MGV Frohsinn, MGV Ein-tracht und Singkreis). Die bei-den großen Gesangsvereinewaren damals oft außerhalb

zu Gesangswettstreiten unter-wegs. An diesen Tagen wartetehalb Igstadt am Rathaus bisin die späten Abendstunden,um von den Rückkehrern zuerfahren, welcher Preis errun-gen beziehungsweise ersun-gen wurde. Natürlich nahmman auch die Gelegenheitwahr, um sich zu unterhaltenund die letzten Neuigkeitenaus dem Ort zu erfahren. Auf-grund der ständig zunehmen-den Mobilität der Menschenund der vielfältigen Freizeitan-gebote, waren die beiden Ge-sangsvereine letztendlich ge-

zwungen zu fusionieren. Hattejeder der beiden Vereine ein-mal 50 bis 60 aktive Sänger inseinen Reihen, so waren esnach dem Zusammenschlussgerade noch 60 im neuen Ver-ein. Heute ist man froh, einenChor von 25 bis 30 Sängernauf die Bühne zu bekommen.Es ist kaum noch möglich,Nachwuchssänger für denChorgesang zu gewinnen.

Bald nach dem Ende des Krie-ges hat der Turnverein seineAktivitäten in Igstadt wiederaufgenommen. 1951 begannder Bau der Turnhalle und be-reits 1952 konnte die feierli-che Einweihung stattfinden.Unbedingt hervorzuheben ist,dass die Halle unter dem da-maligen Vorsitzenden AugustFuhrmann, der in der Born-straße eine Druckerei betrieb,in Eigenregie von den Mitglie-dern des Turnvereins erstelltwurde. Schon von Anfang angab es in der Halle eine Wirt-schaft, die vom Turnvereinselbst betrieben wurde. DerDienst in der "Kneipe" wurdevon verschiedenen Mitglie-dern reihum im Schichtbe-trieb verrichtet. In diesen Jah-ren fanden sehr viele Feiernund Tanzveranstaltungen inder Jahnhalle statt. Bei dengroßen Maskenbällen war dieHalle jedes Mal brechend voll,und bei diesen Festen wurdedie ebenfalls vorhandene Ke-gelbahn als Sektbar genutzt.

In den Nachkriegsjahren wur-de im Turnverein Handballauf dem Großfeld gespielt. Esgab eine Männer- und Buben-sowie eine Mädchenturn-gruppe. Hinzu kam eine Tanz-gruppe, die bevorzugt zu Fes-ten und Feiern auftrat. Der TVIgstadt war schon damals undist auch heute noch ein sehrreger Verein. Dies kann manan der hervorragend ausge-bauten und gepflegten Halleerkennen und am Riesenpro-gramm an sportlichen Akti-vitäten, die Jung und Alt ge-boten werden.

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Heute die Straße Am Wasserturm

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Im Jahre 1948 fand die Grün-dungsversammlung der SpVggIgstadt im damaligen Gast-haus Born statt. Wie auch inanderen Vereinen, taten sichdie nach dem Krieg aus demehemaligen Sudetenland ge-kommenen Mitbürger hervor.Da es zu dieser Zeit in Igstadtaber noch keinen Sportplatzgab, musste der Spielbetriebbis zur Fertigstellung des er-sten Igstadter Sportplatzes inErbenheim durchgeführt wer-den. Gleiches galt für dieHandballer des TV Igstadt. Siespielten bis zur Einweihungdes heimischen Platzes im be-nachbarten Kloppenheim. AnSonntagen, wenn entweder dieFuß- oder die Handballerspielten, waren immer sehrviele Zuschauer mit dabei. Dakonnte es schon einmal pas-sieren, dass man mit den Ent-scheidungen des Schiedsrich-ters nicht einverstanden warund dann flogen die Fäuste.Zur damaligen Zeit haben sichdie Bürger noch sehr vielmehr mit “ihren Vereinen”identifiziert.

Einige Jahre gab es auch denvon Walter Crecelius und OttoSchmicking gegründeten Rad-fahrverein. Hier wurde aktivRadball gespielt, Kunstradfah-ren betrieben und auch Wan-derfahrten durchgeführt. DasTraining für Radball undKunstradfahren fand im Saaldes Deutschen Hauses in derHauptstraße statt. In diesemSaal und dem des GasthausesBorn fanden vor Fertigstellungder Turnhalle Veranstaltun-gen aller Art statt. DieseRäumlichkeiten wurden auchspäter noch für kleinere Ver-anstaltungen genutzt, wie et-wa Familienabende oder diewöchentlichen Kinovorfüh-rungen. Es soll auch noch Er-wähnung finden, dass der da-malige Gesangsverein Froh-sinn seine Singstunden imSaal des Gasthauses Bornund die Eintracht ihre im Saaldes Deutschen Hauses durch-führten.

Es ist kaum möglich, Detail-darstellungen über den Turn-verein, die SpVgg, den Rad-

fahrverein, die Gesangsverei-ne, den Schützenverein oderdie Freiwillige Feuerwehr unddie anderen Vereine abzuge-ben, denn dies würde denRahmen eines solchen Be-richts bei weitem sprengen.

Ausgangspunkt war die Fest-stellung, dass sich das Lebenund die Freizeit der IgstadterBürger im unmittelbaren Um-feld abspielten. Das Vereinsle-ben hatte damals seine Blüte-zeit. Viele Igstadter Bürger ha-ben sich neben ihrer gewissnicht leichten Arbeit als Land-wirte, Arbeiter, selbständigeUnternehmer und vieles mehrmit großem Engagement fürdie Vereine eingesetzt. Nur sowar es möglich, dass ein Ortwie Igstadt, mit nicht einmal2.000 Einwohnern, so vieleVereine "am Leben haltenkonnte". Einzelne Namen zunennen, würde anderenwiederum nicht gerecht wer-den. Aber ein Name muss hierErwähnung finden: WalterCrecelius. Walter Creceliuskehrte als Schwerstbeschädig-

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Schauturnen des TV Igstadt Reigentanzgruppe des TV Igstadt

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ter aus dem Zweiten Weltkriegnach Hause zurück und warin nahezu allen Vereinen imVorstand tätig. Man war froh,ihn zu haben, wenn es darumging, sich mit Behörden oderähnlichen Institutionen wegender Belange der Vereine aus-einander zu setzen. Er warMitinitiator der ersten "aufzie-henden Kerb" nach dem Krie-ge, Trainer für Radballer undKunstradfahrer, Mitglied in ei-ner Reihe von Igstadter Verei-nen und letztendlich auchnoch viele Jahre Vorsitzenderder InteressengemeinschaftIgstadter Ortsvereine.

Infrastruktur in Igstadtnach dem Krieg

Schule

Nach dem Zweiten Weltkriegbefand sich die Schule in Ig-stadt im heutigen Kindergar-ten in der Altmünsterstraße.In zwei Klassenräumen wur-den die Klassen 1 bis 4 und 5bis 8 unterrichtet. Beheiztwurden die Klassenräume mitgroßen Bolleröfen, und es gabnur eine Wasserzapfstelle aufdem Hof. Die Toiletten befan-den sich ebenfalls außerhalbin einem stallartigen Gebäu-de. Auf dem Schulhof wurdeauch über längere Zeit ausgroßen blauen Behältern dieSchulspeisung ausgegeben,und die Schüler musstenimmer wieder einmal "bitterenLebertran" trinken. 1954 wur-de dann die neue Schule ander Linde fertiggestellt, unddie alten Schulräume wurdenvom Kindergarten, der sich bisdahin nur in einem Raum im

alten Rathaus unter-gebracht war, bezo-gen.

Das alte Rathaushatte nach dem Kriegbis zu seinem Abrisseinige Funktionen. Sobefand sich hier nachdem Ende des Krie-ges, wie bereits er-wähnt, der Kinder-garten, danach für ei-ne gewisse Zeit die Po-lizeistation, es wurdenMütterberatungendurchgeführt und voneinem städtischen So-zialarbeiter Kinderbe-schäftigungen ange-boten. Vor dem Rat-haus befand sich dieGemeindewaage, dievom Wiegeraum ausbedient wurde. Gewo-gen wurden hier Rin-der, Schweine, La-dungen von Getreideund Kohlen. Also soziemlich alles, was vonden in den Höfen be-findlichen Waagennicht bewältigt werdenkonnte.

Metzgereien

Es gab in der Nach-kriegszeit auch dreiMetzgereien in Igstadt.Die Metzgerei Loch-bühler, früher Hennin-ger, die Metzgerei Die-fenbach und die Metzgereiund Gaststätte BernhardLoos, die heutige Linden-schänke. In diesen Metzge-reien wurden die Tiere - Kü-he, Rinder, Bullen und

Schweine - noch geschlach-tet. Auch war man darauf ein-gerichtet, dass einzelne Kun-den am Sonntagabend "hintenherum" kamen, um Wurst

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Abriss des alten Rathauses 1957

Altes Rathaus - Blick von Kleiner Straßeund Glöcknerstraße

Altes Rathaus - Blich Richtung “Unterdorf”

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oder Fleisch zu kaufen, weilplötzlich Besuch erschienenwar. Gleiches galt auch in ei-nigen Kolonialwarenläden(Tante Emma Läden).

Bäcker

Am Ort gab es damals zweiBäckereien: Die BäckereiSchneider und die BäckereiGöbel. Letztere wurde spätervom Bäcker Maxion über-nommen, bevor dieser in dieSt. Gallus-Straße umzog unddas Geschäft später aufgab.Nach dem Krieg wurden dieBacköfen noch mit Holz be-heizt, bevor sie auf elektri-schen Betrieb umgestellt wur-den. In der Nachkriegszeit wares üblich, dass man zu Hausegroße Hefekuchenbleche mitApfel-, Pflaumen-, Kirsch-oder Streuselbelag vorbereite-te und diese zum Backen beimBäcker abgab. Damit man sei-nen Kuchen beim Abholen er-kannte, wurde vor dem Bak-ken ein Papierschild in denTeig eingedrückt. Man holteseinen Kuchen ab und zahltedann dafür eine gewisse Back-gebühr.

Kolonialwarenläden

1. Alfred Göbel in der damali-gen Garten-, heute Dornkratz-straße

2. Karl Luft in der Hauptstra-ße, dem heutigen IgstadterKiosk

3. “Oma” Etz in der früherenBierstadter- und heutigenSusannastraße 1

4. Karl Göbel in der früherenHintergasse, der heutigen Alt-münsterstraße 9

5. Liesel Möser in der Florian-Geyer-Straße.

Alfred Göbel hatte einen Kolo-nialwarenladen und er warimmer auf der Höhe der Zeit -was die Bedürfnisse seinerKunden betraf. Von heute aufmorgen hatte Alfred Göbel ei-nen Nebenraum gekacheltund so die Voraussetzung fürden Verkauf von frischemFisch geschaffen. An be-stimmten Tagen standen dieKunden in langen Schlangenan, um Heringe oder Kabeljau,damals noch ein "Arme-Leute-Essen", zu kaufen. In "GöbelsKaufhaus" konnte man aberauch Töpfe, Pfannen, Farben,Spaten und Harken, Mützen,Pullover und vieles mehr er-stehen. Nebenher konnte manim Herbst auch Falläpfel ab-geben, die Alfred Göbel an Ap-felweinkeltereien verkaufte.Alfred Göbel war eine "Igstad-ter Institution".

Karl Luft: Gleiches oder Ähnli-ches kann man auch von KarlLuft sagen. Er führte seinenLaden in der Hauptstraße von1938 bis 1990. Sein Ladenwar gleichzeitig auch Kommu-nikationszentrum, und erhatte immer für jeden ein gu-tes Wort übrig. Seine Leiden-schaft war der Sport und hierganz besonders der Fußball.So war er lange Jahre Trainerund Spielausschussvorsitzen-der bei der SpVgg Igstadt under fährt noch heute im Altervon fast 94 Jahren Auto, wenn

auch nur kleine und ihm be-kannte Strecken.

"Oma" Etz, in der früherenBierstadter Straße, heute Su-sannastraße 1. Sie hatte wirk-lich noch einen Tante-Emma-Laden. Hier gab es Mehl,Gries, Zucker und vieles mehrlose aus Schubladen - Öl,Essig, Senf usw. aus Krügenmit Zapfhähnen, Bonbons ausgroßen Gläsern, und es stan-den ein großes Fass mit Sau-erkraut und vieles andere be-reit. Diesen Laden übernahmdann noch für eine gewisseZeit ihre Schwiegertochter.Nach der Aufgabe des Koloni-alwarenladens erfolgten einigeUmbauten und es wurde eineTankstelle eingerichtet undnebenher auch noch ein Ge-tränkehandel betrieben.

Karl Göbel betrieb ehemals ei-ne Landwirtschaft, zumindestim Nebenerwerb. Doch dannbaute er im Hof seines Anwe-sens in der Altmünsterstraßeein altes Wasch- und Küchen-gebäude zum Kolonialwaren-laden aus. Der Laden wurdejedoch nach wenigen Jahrenaus Altersgründen des Betrei-bers geschlossen.

Liesel Möser führte einigeJahre in der Florian-Geyer-Straße einen kleinen SPAR-Lebensmittelladen. Dies be-deutete, dass die älteren undalten Leute aus der Florian-Geyer-Straße, der Susanna-straße, der Straße Am Wiesen-hang und auch der Hinter-bergstraße nicht mehr so oftden weiten Weg in den Ort aufsich nehmen mussten.

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Drogerie

Nach dem Krieg gab es dieDrogerie der Familie Schmuck(Eltern von Frau Gabel - Ehe-frau des inzwischen verstorbe-nen Lehrers Gabel) in der St.Gallus-Straße (früher Mittel-gasse). Als Schmucks die Dro-gerie aus Altersgründen auf-gaben, wechselten noch einigeMale die Pächter (Rothaupt,Gruppa, Eberhardt) bevor dieDrogerie ganz verschwand. Si-cherlich war der Konkurrenz-druck der entstandenen Dro-gerieketten zu groß geworden.

Ärzte/Zahnärzte

Nach dem Krieg kam Dr. Ger-hard Müschner, damals nochin Auringen wohnhaft, als Arztnach Igstadt. Seine erste Pra-xis eröffnete er in der Haupt-straße gegenüber der Metzge-rei Diefenbach, bevor er nachdem Bau seines Hauses in dieHinterbergstraße 8 gegenüberdem Bahnhof umzog.

Dr. Gerhard Müschner warfür Igstadt ein Glücksfall. Erwar mit vielen seiner Patien-ten "per Du", da er sie vonKindheit an kannte. Wenn essein musste, kam er in derNacht, einen Mantel über demSchlafanzug, zu Krankenbe-suchen.

Sein Wartezimmer war Kom-munikationszentrum. Bei Dr.Müschner gab es in der Regelfür den Besuch in der Praxiskeine Termine. Man ging hin,musste, da oft eine Menge Pa-tienten im Wartezimmer sa-

ßen, lange warten, erfuhrdann aber alle Neuigkeitenaus dem Ort. Dr. Gerhard Mü-schner übergab die Praxis, alser mit über 70 Jahren aufhör-te zu praktizieren, an Dr.Bernd Vollmer, der die Praxisdann in sein Wohnhaus AmWasserturm verlegte.

Nach dem Krieg praktizierte inIgstadt als Zahnarzt der Den-tist Willi Schuck, zuerst in derdamaligen Gartenstraße, jetztDornkratzstraße und dann biszur Aufgabe der Praxis imneuen Wohnhaus in der Su-sannastraße 10.

Lokale

In Igstadt gab es, gemessen ander Einwohnerzahl, verhält-nismäßig viele Lokale.

Gasthaus Born in der Brecken-heimer Straße 1 --- Karl Bornbetrieb mit seiner Ehefrauund seinem Sohn und späterdann auch mit seiner Schwie-gertochter eine Landwirtschaft

und das Gasthaus mit einemSaal im Obergeschoss.

Gaststätte und Metzgerei Bern-hard Loos --- Hier konnteman, da neben der Wirtschafteine Metzgerei betrieben wur-de, deftig und gut essen. DieGaststätte Loos war auch dasVereinslokal der "Fußballer".Hier wurden in einem Neben-raum der ja kleinen Wirtsstu-be die Spielerversammlungenabgehalten. Auch der Wa-schraum befand sich hier,nämlich in Form eines Wass-serhahns auf dem Hof. Nachdem Spiel wusch man sich imSommer wie im Winter mitkaltem Wasser und dann ginges im Trainingsanzug ins Lo-kal zur Analysierung desSpiels und zum abschließen-den Skatspiel mit Umtrunk.

Die Fußballer waren die be-vorzugten "Kinder" des Wirts-ehepaares Else und BernhardLoos. Als diese aus Alters-gründen das Lokal nicht mehrbetreiben konnten, übernah-

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Gaststätte Loos 1950

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men zunächst Werner Doll,dann die Familie Messingerund seit vielen Jahren nun"die Schmelzeisens" die altein-gesessene Gaststätte unterdem Namen “Lindenschänke”.

Gasthaus Kiefer --- DiesesGasthaus befand sich genaugegenüber dem GasthausBorn, und bis vor ein paarJahren gab es hier noch dasLokal "Zum Taunus".

Gasthaus mit Saalbau "Deut-sches Haus" (Wilhelm Ketten-bach) --- Im Deutschen Haus(Hauptstraße) gab es nebendem Lokal im Erdgeschoss ei-nen Saal im ersten Stock. Hierund im Saal des GasthausesBorn fand das Igstädter "Kul-turleben" mit Familienfeiern,Vereinsfeiern, Kino, Konzer-ten, Theateraufführungen desdamals sehr aktiven "Sing-kreises", Training der Radbal-ler, Kunstradfahrer und vielesmehr statt. Der Schwieger-sohn gab das Lokal schließ-lich auf und betrieb stattdessen nur noch den land-wirtschaftlichen Betrieb.

Jahnhalle (siehe die vorste-henden Ausführungen zumTurnverein Igstadt)

Alt-Igstadt --- Bevor die Fami-lie Mück den gesamten Ge-bäudekomplex in der Dorn-kratzstraße 14 (früher Garten-straße) erwarb und das Lokal"Alt Igstadt" einrichtete, stelltedort Dr. Jakobi für die FirmaImhausen Cremes her. Da-nach befand sich in denRäumlichkeiten die DruckereiAltenkirch (ehemals Fuhr-

mann). Im Alt-Igstadt wurdenviele Jahre tolle Feste zu Fa-sching gefeiert und mankonnte dort ein gepflegtes Biertrinken und köstliche Kleinig-keiten zu essen bekommen.Nach dem Tod von DieterMück wechselten die Pächterdann des öfteren.

Gaststätte im Bahnhof --- An-fang der 50-er Jahre befandsich ein Lokal im ehemaligenWartesaal des Bahnhofes.Hier gab es Stammkundschaftund die Möglichkeit, vor Ab-fahrt des Zuges oder amAbend nach der Arbeit, nochschnell ein Bier zu trinken,bevor man sich auf denNachhauseweg machte. DerWirt besaß einen der wenigenFernseher in Igstadt - ent-sprechend "proppevoll" war esbeim legendären EndspielDeutschland gegen Ungarnbei der Fußballweltmeister-schaft 1954.

Kurzzeitig bestanden nochzwei weitere Lokale:

Ludwig Stiehl in der Norden-städter Straße 10a. --- Hiergab es einen direkten Durch-gang zum Sportplatz, so dassnach den Spielen ein entspre-chender Andrang herrschte.

Rudi Neumann (jetzt der HofGöbel in der St. Walbertus-Straße 7) --- Dieses Lokal war,wenn die Erinnerungen stim-men, nur wenige Jahre unddann ausschließlich an Festenwie zum Beispiel der Kerb ge-öffnet.

Poststelle

Die Poststelle befand sich inder Unterbornstraße im Hau-se Berschet. Herr Berschet warder Posthalter, seine Ehefrauund eine seiner Töchter tru-gen die Post in Igstadt aus.Dabei war es gar nicht soleicht, die Post der Ober- undUntermühle, dem Finkenhof,der Ziegelei oder dem Bahn-wärterhaus hinter der ZiegeleiRichtung Kloppenheim zuzu-stellen.

Herr Berschet war außerdemlange Jahre der Organist derEvangelische Kirche in Ig-stadt, erteilte Klavierunter-richt und spielte in einer klei-nen Kapelle bei Feiern undFesten auf.

Einmal täglich kam das Post-auto, um Post zu bringen undabzuholen. Da dieser Wageneine mehrsitzige Kabine hatte,stellte er eine begehrte Mit-fahrgelegenheit nach Bier-stadt oder nach Wiesbadendar. Schließlich fuhren dieBusse damals nicht annä-hernd in so kurzen Zeitab-ständen wie heute.

Zimmereien/Schreine-reien

Zimmerei Adolf Stiehl (Altmün-sterstraße, früher Hintergasse)--- Die Firma führte alleZimmererarbeiten in hoherQualität aus und war be-sonders bekannt als Treppen-bauer. Das Geschäft hattenschon Großvater und Vatergeführt; es musste jedoch lei-

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der in Ermangelung einesNachfolgers aufgegeben wer-den. Adolf Stiehl war zudemein ausgezeichneter Geräte-turner und mit seiner gutenStimme eine tragende Säuleim damaligen Männerge-sangsverein Frohsinn.

Schreinerei und SargfabrikWilhelm Ott & Söhne --- Ur-sprünglich als Möbelschreine-rei im jetzigen Hause Brigulla(Hauptstraße 9) begonnen,gründete Wilhelm Ott (Vatervon Wilhelm und Alwin Ott)die Sargfabrik, die danach anWalter Ott, Sohn des WilhelmOtt jun., überging und heutevon Alexander Ott in der vier-ten Generation geführt wird.

Schreinerei Hermann Hönge(heute Firma Dahlhäuser inder Altmünsterstraße 13) ---Hermann Hönge war nichtnur Schreiner, sondern auchWagner, das heißt, dass erneben den Schreinerarbeitenauch Wagnerarbeiten (Her-stellung und Reparatur vonLeiterwagen (sowohl großeBauernwagen als auch Hand-wagen) ausführte.

Nach dem Krieg hatte fast je-der Haushalt Apfelwein imKeller. Wenn die Fässer leerwaren, brachte man sie zurFirma Hönge. Dort wurden sieauseinander genommen undabgedichtet. Wenn eine Fass-daube defekt war, wurde eineneue angefertigt und das Fasswieder zusammengefügt. Da-nach war das Fass nur nochzu schwefeln und stand für ei-ne neue Füllung des guten"Stöffchens" (natürlich Apfel-

wein) wieder zur Verfügung.

Herr Hönge war ein passio-nierter Imker. Sein Bienen-haus stand im Pfarrgarten.Während der Tannenblüte imTaunus brachte er seine Bie-nenstöcke in die Nähe desFeldbergs, um später Waldho-nig aus den Waben schleu-dern zu können.

Schreinerei Brauer (Unterborn-straße 4/Knottegass) ---WilliBrauer, der Vater des jetzigenInhabers Karl-Heinz Brauer,war ein ausgezeichneter Gerä-teturner und ist noch heuteein begeisterter Chorsänger.

Schreinerei Oesterling (KleineStraße 4) --- Der Senior-Chef,Karl Oesterling, betrieb nebender Schreinerei noch eineLandwirtschaft. Er "fuhr"nach dem Krieg noch mit Kü-hen, bevor er dann, wie dieanderen Landwirte, auf einenTrecker umstieg.

Schreinerei Wolfsheimer (Flori-an-Geyer-Straße 28) --- Schrei-nerei Wilhelm Bauer (Norden-stadter Straße 7 b, im heutigenHause Salka) --- Zimmerei undSchreinerei Walter --- Die Fa-milie Walter kam erst späternach Igstadt. Gerhard Walterwar Zimmerer- und Schreiner-meister. Er wohnte in der Alt-münsterstraße (früher Hinter-gasse) 3 und hatte seinen Be-trieb, den er bis zu seinem To-de zum Teil mit seinen Söhnenführte, in der BreckenheimerStraße.

Maler- und Verputzerge-schäfte

Hier gab es zum einen die Fir-ma August Habel in der Brek-kenheimer Straße 10. AugustHabel übergab den Betrieb anden Sohn Kurt Habel und die-ser wiederum an seinen SohnBernd Habel.

Den zweiten Malerbetriebunterhielt Emil Horne in derUnterbornstraße 13 (Knotte-gass). Emil Horne war begei-sterter Geräteturner und vieleJahre an maßgeblichen Stel-len im Turnverein tätig. In die-sem Zusammenhang solltenoch erwähnt werden, dassdie Handwerksbetriebe, soweit sie extern tätig waren, ih-re Kundschaft in Ermange-lung von Motorfahrzeugen zudieser Zeit mit Handkarrenaufsuchten.

Friseure

Wilhelm Schmidt (Kleine Stra-ße) und Otto Fischer (St. Gal-lusstraße, frühere Mittelstra-

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Fränkische Hofreiten in derHauptstraße

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ße). --- Beim Friseur ließ mansich keinen Termin geben,man ging hin und wartete, bisman an der Reihe war. Dassman warten musste, kam vie-len sehr gelegen, denn dannkonnte man sich an den ofthitzigen Diskussionen be-teiligen und erfuhr dieletzten Neuigkeiten ausdem Dorf.

Schneider

Wilhelm Kleber (Norden-stadter Straße). --- SeineEhefrau betrieb gleichzei-tig einen kleinen Kurzwa-renladen.

Philip Schmidt --- Der Va-ter des Friseurs WilhelmSchmidt hatte seineSchneiderwerkstatt überdem Friseurladen in derKleinen Straße.

Max Hopfchen --- DieSchneiderei von MaxHopfchen befand sich zu-erst in der NordenstadterStraße und später in derSusannastraße.

Schmieden

Christian Voigt (Bornstra-ße 4).--- Hier wurden inerster Linie die "Acker-gäule" beschlagen und Re-paraturen und Erneuerungenjeglicher Eisenteile an land-wirtschaftlichen Fahrzeugenund Gerätschaften vorge-nommen. Nachdem die Pferdein der Landwirtschaft zuneh-mend durch Traktoren ersetztworden waren, brachten sehr

viele Reiter aus der näherenund weiteren Umgebung ihrePferde zum Beschlagen zuChristian Voigt. Einer seinerSöhne, Reinhold Voigt, derdas Wohnhaus neben derSchmiede bewohnt, hat die

Schmiede in ihrem Urzustandbelassen. So haben Kindergar-ten, Schule aber auch andereGruppen nach Anmeldung dieGelegenheit, in eine der vielen"Vergangenheiten" Igstadts zublicken.

Schmiede Heinrich Lind ---Diese Schmiede befand sichim jetzigen Wohnhaus vonKarl-Heinz Hennemann in derGallus Straße 7. Heinrich Lindzog nach gegenüber in dieHauptstraße 18, wo sein Sohn

Paul Günther Lind heutenoch ein Stahlbauun-ternehmen betreibt.

Druckereien

Wilhelm Lauck (Glöck-nerstraße). Er führteseine Arbeiten noch imStein- oder auch Flach-druck aus und war als"Meister Lauck" allseitsbekannt.

Druckerei Fuhrmann/-Altenkirch. --- Die Dru-ckerei Fuhrmann be-fand sich anfangs imUntergeschoss desWohnhauses in derBornstraße 9 und zogdann, inzwischen un-ter der Leitung desSchwiegersohnes PaulAltenkirch, in den jet-zigen Gebäudekom-plex "Alt Igstadt", be-vor man oberhalb desWohnhauses ein neu-es Druckereigebäudeerrichtete. Dieses istinzwischen einer Rei-henhauszeile gewi-

chen, nachdem die Druckerei- nach dem Tode von Paul Al-tenkirch und nach einer kur-zen Übergangsphase unter derLeitung des Sohnes - aufge-geben wurde.

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Auf der Straße nach Medenbach am Friedhof

Spaziergang auf der Straße nachNordenstadt

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Bauunternehmen

Wilhelm Hofmann (Hinterberg-straße) --- betrieb von 1945 bisMitte der 70er-Jahre ein Bau-unternehmen.

Adolf Füll (Florian-Geyer-Stra-ße) --- betrieb einige Jahre zu-sammen mit seinem Sohn einBaugeschäft.

Werner Sternberger --- unter-hielt sein Baugeschäft langeJahre bis zu seinem Ruhe-stand. Er war dafür bekannt,überwiegend Einfamilienhäu-ser in hoher Qualität zu er-stellen.

Schuster

In Igstadt gab es lange Zeit ei-nen Schuhmacher: Adam Zu-ber.--- Adam Zuber kam mitseiner Familie nach dem Kriegaus dem Sudetenland nach Ig-stadt und betrieb schon baldeine Schuhmacherei. Zuerstin der Hauptstraße 5 im Bau-ernhof des Karl Hennemannund später im eigenen Hausin der Nordenstadter Straße2a.

Herr Zuber engagierte sich ineinigen Vereinen wie beispiels-weise bei der Freiwilligen Feu-erwehr. Seine große Liebe ge-hörte jedoch dem Turnsport.So war er lange JahreÜbungsleiter sowohl fürMänner- als auch Kindertur-nen und war somit damals einRädchen im "Getriebe Turn-verein", das diesen dahin ge-brachte hat, wo er heute steht.

Uhrmacher

Die Familie Sudler, ebenfallsaus dem Sudetenland zugezo-gen, wohnte in der Walber-tusstraße 9. Herr Sudler sen.war Uhrmacher und somit fürdie Reparatur der IgstädterUhren jeglicher Art zuständig.

Futter- und Getreide-handlung

Sozusagen Vorgänger derRaiffeisen-Warenzentrale amEnde der Hinterbergstraße inRichtung Kloppenheim wardie Firma Schröder neben demBahnhof. Hier versorgten sichin erster Linie die Landwirtemit Düngemitteln, Setzkartof-feln, Kleie und jeglichen Fut-termitteln. Aber auch dieNichtlandwirte, welche einSchwein mästeten oder Hüh-ner, Gänse und anderes Ge-tier hielten, fanden hier dasNotwendige.

Gleich neben der FirmaSchröder befand sich, von ei-nem hohen Bretterzaun um-geben, das Gelände der FirmaKohlen Hofmann aus Bier-stadt. Hier kamen die Land-wirte mit ihren Pferde- und dieKleinen Leute mit ihren Hand-leiterwagen, um anfangs aufBezugscheine zugeteilte Koh-len und Briketts zu kaufen.

Daneben befand sich der "Ver-ladebahnhof", der aus einemAbstellgleis, einer Rampe undeiner Waage mit Wiegehausbestand. Hier entluden dieKohlenhändler ankommendeKohlen und Briketts, von hieraus erfolgte aber auch der

Transport von Rüben, Kartof-feln und Getreide. Diese Ver-laderampe war sehr stark fre-quentiert, da sie auch von denBürgern der umliegenden Ge-meinden benutzt wurde.

Kohlenhandlung

Arthur Göbel hatte am Orts-ausgang nach Nordenstadt ei-nen Kohlenplatz gebaut. (DieKohlenwaage steht heute nochauf dem Grundstück.) Mit sei-nem Schwiegersohn, HerrnMachenheimer, und Herrn Sil-cher belieferte er die IgstadterHaushalte mit Kohlen undBriketts, die in Säcken in dieKeller gebracht wurden. Spä-ter baute er das Geschäft ausund verkaufte im wesent-lichen Baustoffe und Heizöl.Herr Machenheimer führtedieses Geschäft fort.

Polizei

Es gab sowohl während desKrieges als auch noch langeJahre danach eine eigene Poli-zeistation in Igstadt. Diese be-fand sich zunächst in derHauptstraße 20 (jetzt Wohn-haus Jacobi), dann im altenRathaus, in der MedenbacherStraße und in der neuenSchule. Diese Stationen warenteilweise mit zwei Beamten be-setzt. Außerdem war ein Feld-polizist (Feldschütz) im Ein-satz, so dass die Ordnung imOrt sicher gestellt war. Sokonnte es passieren, dass amSamstagnachmittag der Dorf-polizist an die Tür klopfte unddarauf hinwies, dass "dieGass" noch nicht gekehrt war!

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Es wäre noch so viel aus demLeben nach Ende des Kriegesdarzustellen (Milchzentrale,Kerbegesellschaft, Schützen-verein und vieles mehr), wasaber den Rahmen sprengenwürde. Dennoch hier noch ei-nige ergänzende Anmerkun-gen:

Igstadt wurde noch lange Jah-re nach Kriegsende mit eige-nem Trinkwasser versorgt.Der Brunnen befand sich amWald, gegenüber dem heuti-gen Parkplatz. Das Wasserwurde aus dem Pumpenhausin den Wasserturm gepumpt.Damit war sicher gestellt,dass in allen Igstadter Haus-halten das Wasser mit ent-sprechendem Druck den Zapf-stellen zu entnehmen war.

Willi und Walter Becht (Vaterund Sohn) hatten die Aufgabe,stets für ausreichend Wasserim Turm zu sorgen. Einer vonbeiden musste also immerwieder mit dem Fahrrad (beinoch nicht geteerten Straßen)zum Wasserhäuschen fahren

und für Nachschub sorgen.Da konnte es schon einmalvorkommen, dass man ohneWasser war oder dass derWasserturm überlief unddann ein kleiner Bach, in demdie Kinder im Sommer barfussWassertreten veranstalteten,die Nordenstädter Straße(Kästrich) entlang floss.Bechts hatten also entwedervergessen, Wasser nachzu-pumpen oder die Pumpe imWasserhäuschen abzustellen.

Die Straßen waren zur dama-ligen Zeit noch nicht asphal-tiert. Die bebauten Flächenam und hinter dem Wasser-turm, Zum Golzenberg, AmHeiligenhaus, Am Wiesenhangusw. gab es noch nicht. Überdiese Flächen mit zum Teil al-tem Obstbaumbestand führ-ten Trampelpfade, um denFußweg von einem Ortsteil inden anderen oder zum Bahn-hof abzukürzen.

Igstadt war nach dem Kriegkaum kanalisiert. Erst in den60erJahren begann ein flä-

chendeckender Kanalbau (inden Neubaugebieten entspre-chend später) und der An-schluss (Sammler) zumHauptklärwerk (unter demBachweg Richtung Erlen nachErbenheim) wurde erst in denJahren 1971 bis72 hergestellt.Davor lief alles Abwasser inHöhe der Kleinen BachbrückeRichtung Bierstadt in denWäschbach.

***

Der Heimat- und Geschichts-verein würde sich freuen,wenn weitere “Zeitzeugen” ihmUnterlagen über die IgstadterGeschichte (leihweise) über-lassen oder Einzelheiten ausihren Erinnerungen an dieletzten Jahrzehnte mitteilenwürden, damit wir Neubür-gern und nachfolgenden Ge-nerationen ein möglichst um-fassendes Bild ihres Ortes ver-mitteln können.

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Exklusiv vom Heimat- und Geschichtsverein Igstadt e.V. zugunsten der Renovierung unseres Kirchendaches

Ein weißer Keramikbecher (0,25 L.) mit klassischem Siebdruck der Igstadter Wahrzeichen - Kirche und Wasserturm. Vielen Dank an Herrn Horst Lademann, aus dessen Feder die sehr schönen Zeichnungen stammen. Unterstützen Sie die Renovierung unseres Kirchendaches mit dem Kauf des Igstadtbechers. Der Verkaufspreis von 5.- € (gerne auch mehr) ist in voller Höhe für die Kirche bestimmt. Die Herstellungskosten trägt allein der Heimat- und Geschichtsverein. Der Becher ist ab sofort bei (fast) allen Igstadter Veranstaltungen erhältlich. Für ganz Eilige schon jetzt im Laden bei Bauer Hennemann, Kleine Straße 9. Besuchen Sie auch die Spendenseite der Evangelischen Kirchengemeinde Igstadt im Internet

mit aktuellem Spendenstand und vielen Informationen unter www.igstadt.eu