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Demokratie und Zivilgesellschaft Demokratie und Zivilgesellschaft Deutsch-ukrainische Projekte in Hochschule und Wirtschaft

Demokratie und Zivilgesellschaft - DAAD · te sind arm und bekommen für diese Arbeit kein Geld – ich hätte ... Mit Zuversicht in die Zukunft ... von Journalisten, die vor der

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Demokratie und ZivilgesellschaftDemokratie und ZivilgesellschaftDeutsch-ukrainische Projekte in Hochschule und Wirtschaft

Inhalt

Grußwort� 4Deutschland�und�die�Ukraine:���Partnerschaft�für�mehr�Demokratie� 6Geförderte�Kooperationen�2009� 8

Zivilgesellschaft Die Menschen mitnehmen 10Auf�der�Suche�nach�der��Zivilgesellschaft� 11Tiefe�Spuren� 13Es�ist�viel�in�Bewegung� 15„Es�gibt�viele�Ukrainen“�� 17

Demokratieverständnis Den Dialog fördern 18Grundrechte�im�Praxistest�� 19Den�Rechtsstaat�hautnah�erlebt� 21Eine�große�Menge�nützlicher�Ideen� 23Symmetrie�des�Dialogs� 24Fit�für�Europa� 26

Gesetzliche Grundlagen Den Rechtsstaat ausbauen 28Neuland�betreten�� 29Unerwartet�großes�Interesse� 30Das�Recht�zu�den�Bürgern�bringen� 32

Wirtschaft und Verwaltung Das Wissen verbreiten 34Sicher�investieren� 35Die�Denkweise�verändern� 37Vertrauensvolle�Beziehungen� 38Von�Nachbarn�lernen� 40

Geförderte�Kooperationen�2010� 42

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Grußwort

Seit�dem�Ende�des�Kalten�Krieges�hat�sich�die�politische�Landschaft�in�Europa�grundlegend�umgestaltet.�Staaten�sind�verschwunden,�

andere� sind� (wieder)� erstanden,� die� politische� Landkarte� Europas�wurde� neu� gezeichnet.� Gleichzeitig� hat� sich� auch� die� geistige� und�kulturelle�Landschaft�in�Europa�neu�formiert.�Der�DAAD�ist�stolz,�mit�seinen�Austauschprogrammen�zu�diesem�Veränderungsprozess�bei-getragen�zu�haben�und�ihn�auch�weiterhin�mit�gestalten�zu�dürfen.

Die�Ukraine�gehört�zu�den�„neuen“�Staaten�in�Europa.�Bereits�nach�dem�Ersten�Weltkrieg�hat�es�für�kurze�Zeit�einen�ukrainischen�Natio-nalstaat�gegeben,�der�sich�jedoch�nicht�gegen�die�aufstrebende�Sow-jetunion�behaupten�konnte.�Dauerhaft�etablieren�in�der�europäischen�Staatengemeinschaft�konnte�sich�die�Ukraine�deshalb�erst�nach�dem�Zerfall�der�Sowjetunion�1991.�Auch�wenn�der�Nationalstaat�Ukraine�in� Kürze� sein� erst� zwanzigjähriges� Bestehen� feiert,� ist� die� Ukraine�jedoch� als� historische� europäische� Kulturlandschaft� immer� Teil� des�europäischen�Gedächtnisses�gewesen.

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Der�DAAD,�der�mit�der�Sowjetunion�schon�1974�Austauschbeziehun-gen�aufgenommen�hat,�unterstützt�die�Nachfolgestaaten�der�UdSSR�intensiv�bei�ihren�Transformationsprozessen.�Der�Ukraine�als�größtem�europäischen�Territorialstaat�mit�einer�ausgebauten�Hochschul-�und�Wissenschaftslandschaft� kam� dabei� schon� immer� eine� besondere�Bedeutung�zu.�So�hat�der�DAAD�nach�der�so�genannten�Orangenen�Revolution�des�Jahres�2004� zusätzliche�Austauschmaßnahmen�auf�den�Weg�gebracht,�um�die�Zusammenarbeit�besonders�im�Rechtsbe-reich�zu�verstärken.�

Das�Programm�„Unterstützung�der�Demokratie� in�der�Ukraine“,�das�der�DAAD�2009�mit�Mitteln�des�Auswärtigen�Amtes�begonnen�hat,�zielt�in�dieselbe�Richtung.�Die�Erfahrung�zeigt,�dass�die�Kooperation�zwischen�Hochschulen�und�der�Gedankenaustausch�der�Studieren-den� und� Lehrenden� die� beste� Basis� zur� Schaffung� demokratischer�Strukturen� sind.� Gemeinsame� Seminare� und� Workshops� sollen� bei�den� deutschen� und� ukrainischen� Studierenden� Offenheit� und� Tole-ranz�gegenüber�kulturellen�Unterschieden�wie�auch�die�Bereitschaft�zum�gesellschaftlichen�Engagement�fördern.

Die�ersten�Stipendiaten�aus�der�unabhängigen�Ukraine�kamen�1992�nach�Deutschland.�Mittlerweile�gehört�die�Ukraine�mit�zu�den�wich-tigsten�Partnern�des�DAAD�in�Europa,�in�der�Statistik�der�vom�DAAD�eingeladenen�Ausländer�steht�die�Ukraine�weltweit�an�fünfter�Stelle.�Gemeinsam�sind�wir�auf�einem�guten�Wege.

Dr. Dorothea RülandGeneralsekretärin des DAAD

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Über� die� Ukraine� weiß� man� in� Deutschland� nicht� viel.� Das� Land,�das�erst�vor�20�Jahren�nach�dem�Zerfall�der�UdSSR�auf�der�eu-

ropäischen�Bühne�als�unabhängiger�Staat�aufgetaucht�ist,�erscheint�in�den�deutschen�Medien�vorwiegend�dann,�wenn�es�um�die�Ener-giesicherheit�Deutschlands�geht�und�die�Ukraine�als�Transferland�für�russisches�Erdöl�und�Erdgas�thematisiert�wird.�Dabei�ist�die�Ukraine�der�größte�Flächenstaat�in�Europa;�mit�46,7�Millionen�Einwohnern�ist�sie�der�bevölkerungsreichste�Staat�unter�den�Ländern�der�GUS.

Im�Zuge�der�europäischen�Nachbarschaftspolitik,�die�die�Beziehun-gen�zu�den�unmittelbaren�Nachbarn�der�Europäischen�Union�(EU)�im�Süden�und�Osten�stärken�soll,� ist�die�Ukraine�seit�2003�in�das�Zen-trum� der� EU-Außenpolitik� gerückt.� Das� 1994� zwischen� der� Ukraine�und�der�EU�abgeschlossene�„Abkommen�über�Partnerschaft�und�Zu-sammenarbeit“�wurde�2005�durch�einen�Aktionsplan�ergänzt,�der�die�Ukraine�näher�an�die�EU�heranrücken�soll.�Auch�die�EU-Initiative�der�„Östlichen�Partnerschaft“�die�im�Mai�2009�auf�dem�Gründungsgipfel�in�Prag�beschlossen�wurde,�bezieht�die�Ukraine�als�eines�der�wich-tigsten� Nachbarländer� der� EU� in� Osteuropa� ein.� Zur� Zeit� wird� zwi-schen�der�EU�und�der�Ukraine�über�ein�erweitertes�Abkommen�ver-handelt�mit�dem�Ziel,�die�Ukraine�noch�enger�an�die�EU�anzubinden.

Die� wirtschaftlichen� und� kulturellen� Verbindungen� zwischen�Deutschland�und�der�Ukraine�haben�eine�lange�Tradition.�Schon�seit�den�Zeiten�der�Kiewer�Rus�vor�rund�1000�Jahren�gab�es�Verbindun-gen� zwischen� den� beiden� Ländern.� In� der� Ukraine� wohnte� in� den�letzten� Jahrhunderten� eine� große� deutsche� Bevölkerungsgruppe,�von�der�noch�immer�ein�Teil�in�der�Ukraine�lebt.�Der�Platz�des�Deut-schen�als�zweitwichtigste�Fremdsprache�nach�dem�Englischen�ist�in�der� Ukraine� unumstritten.� Es� existiert� ein� dichtes� Netz� politischer,�wirtschaftlicher,�kultureller�und�privater�Beziehungen�zwischen�bei-den�Ländern.

Dies�gilt�auch�für�die�Kooperation�im�Bereich�Hochschulen�und�Wis-senschaft.�Es�gibt�allein�rund�150�Hochschulkooperationen,�die�von�der� Hochschulrektorenkonferenz� statistisch� erfasst� wurden.� Die�deutschen� Hochschulen� und� Wissenschaftseinrichtungen� genie-ßen� in�der�Ukraine�einen�hervorragenden�Ruf,�und�Deutschland� ist�das� wichtigste� westliche� Zielland� für� ukrainische� Studenten� und�Wissenschaftler,�die�im�Ausland�studieren�oder�forschen�wollen.�In�der�Statistik�der�an�deutschen�Hochschulen�studierenden�Ausländer�nehmen�die�Ukrainer�die�sechste�Stelle�ein;�in�der�DAAD-Statistik�der�geförderten�Ausländer�liegt�die�Ukraine�sogar�an�fünfter�Stelle.

Deutschland und die Ukraine: Partnerschaft für mehr Demokratie

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So� wurde� auf� Vorschlag� des� DAAD� mit� Mitteln� des� Auswärtigen�Amtes� im� Rahmen� der� Außenwissenschaftspolitik� im� Jahr� 2009�das� Programm� „Unterstützung� der� Demokratie� in� der� Ukraine“� be-gonnen.� Die� Erfahrung� zeigt,� dass� studentische� Kooperation� und�wissenschaftlicher� Austausch� die� demokratische� Entwicklung�in� den� beteiligten� Ländern� fördert.� Das� Programm� richtet� sich� an�deutsche� Hochschulen,� die� partnerschaftliche� Beziehungen� zu� uk-rainischen�Universitäten�haben.�Gefördert�werden�insbesondere�die�Geistes-� und� Gesellschaftswissenschaften,� wobei� ein� besonderer�Schwerpunkt� auf� der� Kooperation� im� Bereich� Jura� liegt.� Als� kon-krete� Maßnahmen� werden� Tagungen,� Workshops� und� Fachkurse�in�Deutschland�und�der�Ukraine�finanziert.�Auch�trilaterale�Projekte�mit�der�Einbeziehung�von�Partnerhochschulen�aus�Polen�und�Belarus�werden�in�dem�Programm�gefördert.

Die�vorliegende�Broschüre�gibt�einen�Überblick�über�die�Projekte�des�Jahres�2009.�In�Deutschland�und�der�Ukraine�wurden�insgesamt�19�Veranstaltungen� durchgeführt,� an� denen� knapp� 400� Personen� (89�Deutsche,�309�Ukrainer)�teilgenommen�haben.�Im�Jahr�2010�lag�die�Zahl�der�Veranstaltungen�in�gleicher�Höhe;�für�2011�wurden�13�Ko-operationen�für�eine�Förderung�ausgewählt.�

Die� Broschüre� zeigt� die� Vielfalt� der� Themen� und� Problemfelder,� die�in� den� Projekten� behandelt� wurden.� Deutlich� wird� aber� auch� der�Enthusiasmus� aller� Beteiligten,� der� sich� in� den� Berichten� der� Pro-jektleiter� und� den� Fotos� widerspiegelt.� Die� deutschen� und� ukraini-schen�Teilnehmer�der�Veranstaltungen�haben�in�den�Vorträgen�und�Diskussionen�nicht�nur� fachlich�Neues�gelernt,� sondern�es�wurden�auch�viele�Freundschaften�geschlossen.�Demokratie�erweist�sich�hier�als� Prozess� des� „learning� by� doing“.� Durch� die� Netzwerke,� die� hier�geknüpft�werden,�entsteht�ein�friedliches�Veränderungspotenzial�zur�Schaffung� einer� starken� Zivilgesellschaft,� ein� Potenzial,� das� nicht�hoch�genug�eingeschätzt�werden�kann.

Dr. Peter HillerLeiter des Referates 322 Moldau, Rumänien, Ukraine, Länderübgrei-fende Programme Osteuropa, „Go East“ im DAAD

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Deutschland Berlin

Heidelberg Regensburg

Halle

Saarbrücken

Münster

Jena

Erfurt

Rostock

Passau

Geförderte Kooperationen 2009Geförderte Kooperationen 20098

Deutsche Hochschulen Ausländische Hochschulen

Fachhochschule�ErfurtPolytechnische�Nationale�Universität�Lwiw�Ivan-Franko-Universität,�Sambir

Universität�Jena Nationale�Universität�Mohyla-Akademie�Kiew

Universität�Passau Pädagogische�Nationale�Universität�Ternopil

Universität�Rostock Regionale�Verwaltungsakademie,�Odessa

Universität�HeidelbergNationale�Universität�Mohyla-Akademie�Kiew�Jagiellonen-Universität�Krakau�(Polen)

Universität�Regensburg Staatliche�Universität�des�Innern,�Dnipropetrowsk

Universität�Regensburg,�EUROPAEUM

Nationale�Taras-Shevchenko-Universität�Kiew

Institut�für�Ostrecht�München,�Regensburg

Institut�für�Gesetzgebung�der�Verchovna�Rada�der�Ukraine,�Kiew

Hochschule�für�Wirtschaft�und�Recht�Berlin

Nationale�Akademie�für�Öffentliche�Verwaltung,�Kiew

Universität�des�Saarlandes Petro-Mohyla-Schwarzmeeruniversität�Mykolajiw

Universität�Münster Nationale�Iwan-Franko-Universität�Lwiw�

Universität�Halle-WittenbergNationale�Agraruniversität�Sumy�Universität�Olsztyn�(Polen)

Universität�RegensburgNationale�Taras-Shevchenko-Universität�Kiew�Internationale�Geisteswissenschaftliche�Universität�Odessa

Humboldt-Universität�zu�Berlin

Nationale�Universität�für�Lebens-�und��Umweltwissenschaften,�Kiew

Polen

UkraineKrakau

Olsztyn

Sumy

Dnipropetrowsk

Kiew

Lwiw

Ternopil

Sambir

Odessa

Mykolajiw

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ZivilgesellschaftZivilgesellschaft

Die Menschen mitnehmen

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Am�meisten�beeindruckte�mich�in�der�Ukraine�das�ehrenamtliche�Engagement� der� Menschen“,� sagt� Vladislav� Jefanov,� einer� von�

17�Studierenden�der�Universität�Jena,�die�sich� im�Juli�2009�auf�die�„Suche� nach� der� ukrainischen� Zivilgesellschaft“� machten� –� so� der�Titel�ihrer�DAAD-geförderten�Exkursion�nach�Kiew.�Die�ukrainischen�Nichtregierungsorganisationen�(NGOs)�leben�allein�vom�persönlichen�Einsatz�ihrer�Helfer,�da�die�finanziellen�Mittel�begrenzt�sind.�„Die�Leu-te� sind� arm� und� bekommen� für� diese� Arbeit� kein� Geld� –� ich� hätte�nie�gedacht,�dass�sich�so�viele�gesellschaftlich�engagieren“,�erklärt�der�Student�der�Betriebswirtschaftslehre,�der�in�der�Ukraine�geboren�wurde�und�als�Kind�nach�Deutschland�kam.�

Er� und� seine� Kommilitonen� aus� sozial-� und� geisteswissenschaftli-chen�Fächern,�die�sich�zuvor�in�einem�zweitägigen�Blockseminar�auf�die�Reise� vorbereitet�hatten,� lernten�bei�dem�Besuch�viel�über�das�Demokratieverständnis�der�Ukraine�–�und�sahen�ein�Land,�das�sich�trotz�vieler�Rückschläge�auf�einem�guten�Weg�sieht.�In�Gesprächen�mit�Vertretern�der�deutschen� politischen�Stiftungen� in�der�Ukraine�

erfuhren�die�Studierenden�allerdings�von�einem�wachsenden�Miss-trauen�in�die�Politik�und�in�die�NGOs.�Drängende�soziale�Themen�stün-den�nicht�unbedingt�ganz�oben�auf�der�politischen�Agenda.�

Mit Zuversicht in die Zukunft

Einen� nachhaltigen� Eindruck� bei� den� Studierenden� hinterließ� ein�Bericht� des� Journalisten� Oleksandr� Akimenko� von� der� unabhängi-gen� Mediengesellschaft� Svidomo.� Er� präsentierte� ihnen� eine� Liste�von�Journalisten,�die�vor�der�Orangenen�Revolution�auf�mysteriöse�Weise� ums� Leben� kamen.� „Das� war� sehr� unheimlich,� verdeutlichte�uns�aber,�welche�Rolle�Medien�in�einer�Demokratie�spielen“,�berichtet�Vladislav�Jefanov.�Aus�Sicht�von�Akimenko�nehme�die�Pressefreiheit�zu.�Die�Medien�bemühten�sich�um�mehr�Unabhängigkeit,�berichteten�sachlicher�als�früher�und�ließen�auch�unabhängige�Experten�zu�Wort�kommen.�Allerdings�gebe�es�bei�den�Lesern�wenig�Interesse�an�poli-tischen�Themen.�Die�Menschen�glaubten,�dass�Russland�und�einige�Oligarchen�die�Berichterstattung�beeinflussten.�

Auf der Suche nach der Zivilgesellschaft

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ukrainischen�Kommilitonen�ging�sogar�ein�konkretes�Projekt�hervor:�eine� binationale� Geschichtswerkstatt,� in� der� sich� die� Studierenden�zu�Themen�wie�Geschichtsaufarbeitung�künftig�regelmäßig�austau-schen�und� zum�Beispiel�gemeinsame�Ausstellungen� für�die�Öffent-lichkeit�organisieren.�

Die�Jenaer�Gäste�sprachen�auch�mit�Politikern�sowie�Vertretern�von�Kirchen,� Verbänden� und� Gewerkschaften.� Ein� Höhepunkt� war� die�Führung�durch�das�ukrainische�Parlament,�die�Verchovna�Rada,�die�ausländischen� Gästen� normalerweise� nicht� zugänglich� ist.� „Trotz�mancher� Probleme� zeigten� unsere� Gesprächspartner� keine� Frustra-tion,�sondern�blickten�zuversichtlich�in�die�Zukunft“,�erzählt�Vladislav�Jefanov.�Überhaupt�waren�er�und�seine�Mitreisenden�erstaunt,�wie�offen�und�selbstkritisch�die�Ukrainer�über� ihr�Land�redeten�und�auf�alle�Fragen�der�Besucher�eingingen.�

Persönliche Kontakte sorgen für mehr Verständnis

Vladislav�Jefanov�ist�überzeugt,�dass�der�intensive�Austausch�mit�der�Ukraine� für� beide� Seiten� wichtig� ist.� „Die� Annäherung� der� Ukraine�an�die�EU� ist� ein� ständiger�Hindernisparcour“,� sagt�er.� „Da� ist� sehr�hilfreich,� dass� beide� Seiten� mehr� miteinander� ins� Gespräch� kom-men,� zumal� die� meisten� Westeuropäer� die� Ukraine� ausschließlich�aus� den� Medien� kennen� –� das� persönliche� Kennenlernen� sorgt� für�einen� entspannteren� Umgang� miteinander.“� Die� Jenaer� Studieren-den�fanden�deshalb�in�Kiew�viel�Inspiration.�Aus�Gesprächen�mit�den�

Projektinfo Fachgebiet: Politikwissenschaften

Einrichtung: Universität�Jena�

Projektkoordination: Prof.�Dr.�Helmut�Hubel

www.powi.uni-jena.de/lehrst/ib/prof-dr-helmut-hubel.html

Partner: Nationale�Universität�Mohyla-Akademie�Kiew

Geförderte Personen: 20�Deutsche

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Tiefe Spuren

Behinderte�Menschen�wurden� lange�Zeit� in�der�ukrainischen�Ge-sellschaft�nicht�wahrgenommen.�„Wir� trafen�zum�Beispiel�einen�

etwa�50-jährigen�Mann,�der�von�Geburt�an�gelähmt�ist,�aber�erst�vor�zehn�oder�15�Jahren�einen�Rollstuhl�bekommen�hat“,� sagt�Michael�Hasenbein,� Student� der� Sozialen� Arbeit� an� der� Fachhochschule� Er-furt.�„Zu�Sowjetzeiten�hatte�man�Behinderte�einfach�aus�dem�öffent-lichen�Leben�verbannt.“�Das�hat�bis�heute�Konsequenzen:�Es�gibt�we-nig�Fahrstühle� in�Mietshäusern,�wenig�abgesenkte�Bordsteine�oder�behindertengerechte�Arbeitsplätze.

Die�Hochschulen�in�Sambir�und�Lwiw�hatten�Studierende�ihrer�deut-schen�Partnerhochschule�eingeladen,�um�zu�zeigen,�was�Sozialarbeit�in� der�Ukraine� bedeutet.� „Unser� zentrales� Thema� des� interkulturel-len�Austauschs�war�die�Demokratieentwicklung�in�beiden�Ländern“,�sagt�die�Erfurter�Erziehungswissenschaftlerin�Professorin�Michaela�Rißmann,�die�die�vom�DAAD�geförderte�Studienreise�organisiert�hat.�„Spannend�war�der�Vergleich�der�beiden�Systeme�im�Hinblick�auf�das�Thema�soziale�Arbeit.�Wir�waren�beeindruckt,�mit�welcher�Offenheit�unsere�Gesprächspartner�die�gesellschaftlichen�Probleme�in�der�Uk-raine�ansprachen.“�

Ein neues Bild der Ukraine

So�haben�Behinderte��noch�immer�einen�schweren�Stand�in�der�Gesell-schaft.�Selbst�Unternehmen�weigerten�sich�oft,�Behinderte�einzustel-len,�obwohl�ihnen�eine�Strafe�dafür�droht.�Private�Initiativen�kämpfen�dagegen�an.�Die�Erfurter�Studierenden�besuchten�beispielsweise�eine�Art�Selbsthilfegruppe.�„Wir�sahen�dort,�wie�sich�Behinderte�gegen-seitig� unterstützen,� etwa� Techniken� lernen,� wie� sie� sich� am� besten�bewegen�oder�wie�sie�trotz�Behinderung�Sport�treiben�können“,�sagt�

Gelungener Austausch: Mit ihren ukrainischen Kommilitonen diskutierten die Erfurter Studierenden über „Soziale Arbeit als Menschenrechtsprofession“ 13

Projektinfo Fachgebiet: Sozialwissenschaften

Einrichtung: Fachhochschule�Erfurt

Projektkoordination: Prof.�Dr.�Michaela�Rißmann

www.fh-erfurt.de/soz/index.php?id=400

Partner: Polytechnische�Nationale�Universität�Lwiw��Ivan-Franko-Universität�Sambir

Geförderte Personen: 14�Deutsche,�130�Ausländer

Michael�Hasenbein.�„Die�modernen�Konzepte�und�Einrichtungen�der�Behindertenhilfe�haben�uns�sehr�überrascht�–�sie�sind�teilweise�bes-ser�als�in�Deutschland.“�

Überhaupt�mussten�die�Studierenden�ihr�Bild�von�der�Ukraine�korri-gieren.�Die�Studentin�Lisa�Würkner�etwa�glaubte�vor�der�Reise,�die�Ukraine�sei�vor�allem�grau,�verschlossen�und�arm.�Danach�sagte�sie:�„Ich�habe�noch�nie�eine�solche�Herzlichkeit�und�Gastfreundschaft�er-lebt.“�Die�Leute�seien�alle�sehr�interessiert�an�den�deutschen�Gästen�gewesen�–�und�unglaublich�großzügig,�obwohl�sie�selbst�kaum�Geld�haben.�Die�Exkursionsteilnehmer�erhielten�aber�auch�einen�Einblick�in�die�Alltagsprobleme.�„Wir�haben�nur�wenige�Familien�kennen�gelernt,�die�zusammen�leben�konnten.�Viele�Menschen�arbeiten�im�Ausland,�um�die�Daheimgebliebenen�zu�ernähren“,�sagt�Lisa�Würkner.�

Interesse an Osteuropa geweckt

Die� widersprüchlichen� Eindrücke� hinterließen� bei� den� Erfurter� Stu-dierenden� tiefe� Spuren.� Sowohl� Michael� Hasenbein� als� auch� Lisa�Würkner� glauben� deshalb,� dass� der� Austausch� sehr� viel� bewirken�kann,�allein�schon�weil�die�Besucher�ein�anderes�Bild�von�dem�Land�erhalten� und� dies� auch� in� Deutschland� kommunizieren.� Bei� beiden�

Studierenden�weckte�die�Studienreise�ein�größeres�Interesse�an�Ost-europa.�Michael�Hasenbein�fuhr�noch�im�gleichen�Sommer�erneut�in�die�Ukraine,�um�das�Land�noch�einmal�mit�Kommilitonen�zu�bereisen.�Sogar�seine�Diplomarbeit�war�von�der�Studienreise�inspiriert:�Er�ver-glich�darin�das�Studiensystem�der�Erfurter�Fachhochschule�mit�dem�der� beiden� Partneruniversitäten.� Lisa� Würkner� indes� möchte� sich�nun�mit�den�anderen�Ländern�in�Osteuropa�beschäftigen.�An�Weih-nachten� etwa� nimmt� sie� an� einer� Initiative� teil,� bei� der� Privatleute�persönlich� Weihnachtspäckchen� nach� Rumänien� fahren� –� und� sie�hofft�dabei,� auch�etwas�mehr�über�das�Land�und�seine�Menschen�zu�erfahren.

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Es ist viel in Bewegung

A lkoholismus,� drogenabhängige� Kinder,� illegaler� Aufenthalt� im�Ausland�mit�all� seinen�negativen�Folgen�–�ukrainische�Frauen-

organisationen�beschäftigen�sich�mit�einer�Vielzahl�von�Problemen,�deren�Wurzeln� im�privaten�Bereich� liegen.�Von�politischen�Tätigkei-ten� haben� sich� die� Organisationen� weitgehend� abgewandt.� „Es� ist�bedauerlich,�dass�Frauen�dem�Engagement�in�der�Öffentlichkeit�eher�zurückhaltend�gegenüberstehen“,�sagt�Nadija�Hapon�vom�Institut�für�Pyschologie�der�Universität� Lwiw.� „Sie�nehmen�keinen�Einfluss�auf�Reformen�in�diesem�Bereich.“

Um�solche�Diskrepanzen�zwischen�„Öffentlichkeit�und�Privatsphäre“�ging�es�unter�anderem�auf�einer�Tagung�an�der�Westfälischen�Univer-sität�Münster,�die�der�DAAD�im�Rahmen�des�Programms�„Unterstüt-zung�der�Demokratie�in�der�Ukraine“�gefördert�hat.�Wissenschaftler�aus�beiden�Ländern�untersuchten�das�Verhältnis� zwischen�öffentli-chem� Raum,� Privatsphäre� und� politischer� Kultur� –� insbesondere� in�der� ukrainischen� Literatur,� aber� auch� in� der� gegenwärtigen� Gesell-schaft.�„Wir�wollten�gemeinsame�Problemlagen�in�Deutschland�und�der�Ukraine�vergleichen“,�sagt�Organisator�Professor�Alfred�Sproede,�geschäftsführender� Direktor� des� Slavisch-Baltischen� Seminars� der�Universität� Münster.� „Beide� Länder� kennen� etwa� das� Problem� der�

Politikverdrossenheit� und� des� Rückzugs� ins� Private;� beide� sind� mit�Problemen� der� Globalisierung,� der� Migration� und� der� Vergangen-heitsbewältigung�konfrontiert.“

Schlussstrich oder Aufarbeitung?

Der�Philosoph�Andruj�Dachnij�von�der�Universität�Lwiw�versuchte�bei-spielsweise�mit�Hilfe�der�politischen�Theorie�von�Jürgen�Habermas�die� jüngste� Geschichte� der� Ukraine� zu� analysieren.� Habermas� geht�davon�aus,�dass�eine�Demokratie�eine�Verknüpfung�von�Philosophie�und�politischer�Orientierung�braucht.�Dachnij�glaubt,�dass�die�Ukra-ine�es�verpasst�habe,�sich�mit�der�kommunistischen�Vergangenheit�auseinanderzusetzen�und�so�auch�die�geistige�und�moralische�Grund-lage�der�Demokratie�zu�schaffen.

Thomas� Wünsch,� Professor� für� Neuere� und� Neueste� Geschichte�Osteuropas�an�der�Universität�Passau,�verweist�dagegen�auf�ande-re�Beispiele�in�Osteuropa.�„In�Polen�hat�man�zunächst�einmal�einen�Schlussstrich� unter� die� Vergangenheit� gezogen,� um� nach� vorne� zu�schauen.�Man�kann�sich�auch�nach�und�nach�mit�der�Vergangenheit�auseinandersetzen.“� Die� Universität� Passau� und� die� Pädagogische�

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Nationale� Universtät� Ternopil� in� der� Westukraine� veranstalteten� in�Ternopil�mit�DAAD-Unterstützung�ein�Symposium�über�„Die�Ukraine�und�die�Entwicklung�ihrer�Zivilgesellschaft�nach�2004“.�Deutsche�und�ukrainische� Wissenschaftler� versuchten� auch� dort� gemeinsam,� die�jüngsten�Entwicklungen�in�der�Ukraine�zu�bewerten�–�und�mit�ande-ren�Nationen�zu�vergleichen.

Gemeinsame Projekte und bessere Vernetzung

„Die�wichtigste�Grundlage�für�die�Herausbildung�einer�Zivilgesellschaft�in�der�Ukraine�stellt�die�Bereitschaft�der�Bevölkerung�dar,�ihre�Einfluss-möglichkeiten�zu�nutzen“,�so�ein�Fazit�von�Olha�Stadnicenko�vom�Insti-tut�für�Internationale�Beziehungen�der�Nationalen�Luftfahrtuniversität.�Erst�dann�könne�man�von�einer�entwickelten�Zivilgesellschaft�sprechen.�Die�Tagung�in�Ternopil�sollte�deshalb�auch�Startschuss�für�eine�bessere�Vernetzung�der�Wissenschaftler�sein:�„Wir�wollen�gemeinsame�Projek-te�entwickeln,�um�die�Bildung�einer�solchen�aktiven�Zivilgesellschaft�in�der�Ukraine�zu�fördern“,�so�Thomas�Wünsch.�

Die�Referenten�beider�Tagungen�waren�sich�einig,�dass�der�Europa-bezug�der�Ukraine�gestärkt�werden�muss�und�dabei�der�akademische�Austausch� eine� große� Rolle� spielt.� Die� Universität� Passau� hat� eine�Kooperation�mit�Ternopil�initiiert,�die�diesen�Austausch�von�Wissen-schaftlern�und�Studierenden�in�den�nächsten�Jahren�fördert.�Ähnli-ches�plant�die�Universität�Münster,�die�zudem�weitere�Tagungen�zur�Vertiefung�der�wissenschaftlichen�Beziehungen�veranstalten�will.

Projektinfo Fachgebiet: Osteuropäische�Geschichte

Einrichtung: Universität�Passau

Projektkoordination: Prof.�Dr.�Thomas�Wünsch

www.phil.uni-passau.de/die-fakultaet/lehrstuehle-professuren/geschichte/neuere-geschichte-osteuropas.html

Partner: Pädagogische�Nationale�Universität�Ternopil

Geförderte Personen: 11�Deutsche,�9�Ausländer

ProjektinfoFachgebiet: Philologie

Einrichtung: Universität�Münster

Projektkoordination: Prof.�Dr.�Alfred�Sproede

www.uni-muenster.de/�SlavBaltSeminar/Institut/�sproede.html

Partner: Staatliche�Ivan-Franko-Universität,�Lwiw

Geförderte Personen: 18�Ausländer

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„Es gibt viele Ukrainen“

Professor Alfred Sproede ist geschäftsführender Direktor des Slavisch-Baltischen Seminars der Universität Münster. Der Ex-

perte für Kulturen und Literaturen Ostmitteleuropas organisierte die Tagung „Öffentlichkeit und Privatsphäre“.

Professor Sproede, warum ist der Austausch zwischen deut-schen und ukrainischen Wissenschaftlern wichtig?

Wissenschaftleraustausch�ist�ein�Kernstück�des�Europabezugs�der�Ukraine.�Die�Öffnung�Richtung�Europa�war�für�die�Ukrainer�selbst�seit�jeher�Gradmesser�dafür,�wie�das�imperiale�sogenannte�„Klein-russland“�im�nachholenden�„nation-building“�auf�dem�Weg�zu�einer�modernen,�demokratischen�Ukraine�vorankommen�würde.�Dass�die�Ukraine�auch�umgekehrt�für�Europa�besser�sichtbar�wird�–�das�könnte�jetzt�unser�Beitrag�sein.�

Interessiert man sich in der Ukraine für westliche Gesellschaftsmodelle?

Der�„Europa-Wille“�der�ukrainischen�Eliten�durchläuft�seit�langem�immer�wieder�neue�Zyklen;�in�wechselnden�Projektionen�und�mit�schwankenden�Prioritäten�zielt�er�beispielsweise�auf�das�durch�die�

Französische�Revolution�begründete�Modell�des�modernen�Natio-nalstaats,�die�nordatlantischen�Sicherheitsstrukturen�oder�die�euro-päische�Wirtschafts-�und�Währungsunion.�Bemerkenswert�ist�das�gegenwärtige�Interesse�an�westeuropäischer�Philosophie�und�So-ziologie,�etwa�an�den�Ideen�von�Jürgen�Habermas.�

Was sagt die ukrainische Literatur über die Zivilgesellschaft aus?

Die�Literatur�befördert�die�Wiederaneignung�einer�Lebenswelt,�die�den�Bürgern�über�Jahrzehnte�hin�aus�der�Hand�genommen�war.�Ein�an�der�Literatur�ablesbares,�aber�über�sie�hinausreichendes�Symp-tom�dafür�ist�der�neue�Regionalpatriotismus.�Die�Teilung�des�Lan-des�in�eine�pro-westliche�und�eine�pro-russische�Ukraine�ist�ein�Mythos;�gerade�in�der�jüngsten�Literatur�gibt�es,�wie�ein�junger�His-toriker�gesagt�hat,�zweiundzwanzigmal�Ukraine.�Und�aus�dem�Fli-ckenteppich�der�auseinanderstrebenden�Regionen�kann�vielleicht�künftig�politischer�Pluralismus�erwachsen.

Gemeinsame Analyse: Auf der Tagung in Ternopil bewerteten Wissenschaftler beider Länder die Entwicklung der Zivilgesellschaft in der Ukraine 17

Den Dialog fördern

DemokratieverständnisDemokratieverständnis

Grundrechte im Praxistest

In�Deutschland�schützen�Grundrechte�den�Einzelnen�vor�dem�Staat.�Die�meisten�Grundrechte�sind�zugleich�Menschenrechte.�Nicht�nur�

deutsche�Staatsangehörige,�sondern�alle�Menschen,�die�in�Deutsch-land�leben,�können�sich�auf�sie�berufen.�Welche�Funktion�und�Wir-kungskraft� diese� Rechte� im� demokratischen� Rechtsstaat� haben,�erfuhren�ukrainische�Studierende�während� ihres�zweiwöchigen�Se-minars�Ende�Juli�2009�an�der�Universität�Regensburg.

Die� juristische� Fakultät� der� Universität� kooperiert� schon� seit� meh-reren� Jahren� mit� der� Dnipropetrowsker� Staatlichen� Universität� des�Inneren.�Durch�den�Aufenthalt�der�13�Studierenden�und� ihrer� zwei�wissenschaftlichen�Betreuer�aus�der�ukrainischen�Industriemetropo-le�wurde�diese�Zusammenarbeit�erfolgreich�fortgeführt.�Das�Seminar�bestand�aus�Vorträgen�zu�verschiedenen�rechtlichen�Aspekten�und�mehreren�Besuchen�von�Gerichtsverhandlungen�am�Land-,�Verwal-tungs-�und�Strafgericht� in�Regensburg.�Die�Gäste�konnten�dadurch�eine� Vielzahl� neuer� Erfahrungen� und� Erkenntnisse� sammeln,� wie�etwa� Iryna�Kovalova:� „Im�Rahmen�des�Begleitstudiums� ‚Deutsches�Recht‘�in�Dnipropetrowsk�bekam�ich�vorwiegend�theoretische�Kennt-nisse� über� das� deutsche� Rechtssystem.� Dank� des� Seminars� erfuhr�ich,�wie�die�deutsche�Rechtsprechung�in�der�Praxis�gestaltet�ist.“�Als�

besonders�beeindruckend�empfand� sie�eine� öffentliche�Sitzung�am�Landgericht.�Bei�dem�Prozess�–�einem�Jugendlichen�wurde�Totschlag�vorgeworfen�–�standen�die�mündlichen�Aussagen�der�Prozessbetei-ligten�im�Vordergrund.�

Chance zur Annäherung genutzt

Ihr� Kommilitone� Igor� Korotych� interessierte� sich� insbesondere� für�Zivilrecht.�Der�Vortrag�von�Projektleiter�Professor�Andreas�Spickhoff�zum�Thema�„Grund-�und�Menschenrechte�im�Zivil-�und�Zivilprozess-recht“�war� für� ihn�besonders�wertvoll.� „Solche�Programme�verbes-sern�die�Chance�der�Ukraine�bei�ihrer�Annäherung�an�die�Europäische�Union�und�unterstützen�die�ukrainische�Jugend�in� ihrem�Bestreben�nach�Kennenlernen�anderer�Kulturen“,�betont� er.�Olga�Tymoshenko�bekennt,�dass�sie�Deutschland�nicht�nur�besser�kennengelernt,�son-dern�auch�liebgewonnen�hat:�„Ich�konnte�nicht�nur�meine�Kenntnisse�im�deutschen�Recht�vertiefen,�sondern�auch�neue�Erfahrungen�durch�die� interkulturelle� Kommunikation� mit� anderen� Menschen� erwer-ben.“�In�Zeiten�zunehmender�Europäisierung�und�Globalisierung�der�ukrainischen�Gesellschaft�seien�die�in�verschiedenen�Rechtszweigen�gewonnenen�neuen�Kenntnisse�von�großer�Bedeutung,�waren�sich�

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die�Teilnehmer�einig.�Großen�Anklang�fand�bei�der�Gruppe�auch�die�Besichtigung�der�Gebäude,� in�denen�die�Nürnberger�Prozesse�nach�dem� Zweiten� Weltkrieg� stattgefunden� hatten.� Dort� erhielten� die�ukrainischen� Gäste� einen� plastischen� Eindruck� von�der� juristischen�Aufarbeitung�der�faschistischen�Diktatur.�

Andreas� Spickhoff,� inzwischen� von� Regensburg� an� die� Universität�Göttingen� gewechselt,� kann� erfolgreich� Bilanz� ziehen:� „Unser� Ziel,�

Projektinfo Fachgebiet: Rechtswissenschaften

Einrichtung: Universität�Regensburg�

Projektkoordination: Prof.�Dr.�Andreas�Spickhoff

www.uni-goettingen.de/de/133328.html

Partner: Staatliche�Universität�des�Inneren,�Dnipropetrowsk

Geförderte Personen: 16�Ausländer

den�ukrainischen�Gästen�umfassend�die�Bedeutung�der�Grund-�und�Menschenrechte� im� demokratischen� Rechtsstaat� zu� veranschau-lichen,� haben� wir� erreicht.“� Und� nicht� nur� das,� der� Aufenthalt� hat�bei� einigen� Appetit� auf� mehr� geweckt.� So� finanzierte� das� Bundes-ministerium� für� Justiz� Anfang� 2011� einer� Seminarteilnehmerin� ei-nen�vierwöchigen�Aufenthalt� in�Göttingen.�Und�Natalia� Ishyna,�die�als� wissenschaftliche� Betreuerin� der� Gruppe� angehörte,� will� bei��Andreas� Spickhoff� promovieren� –� „...�was� ich� sehr� befürworte“,� so�der�Jura-Professor.

Überraschende Begegnung: Bei einem Ausflug nach München trafen die ukrainischen Gäste auf eine Landsfrau in Heimattracht

Den Rechtsstaat hautnah erlebt

Wir�hatten�hochmotivierte�Studierende�hier“,�schwärmt�Profes-sor�Oesten�Baller�von�der�Hochschule�für�Wirtschaft�und�Recht�

Berlin� (HWR)�von�seinen�Gästen�aus�der�Ukraine.�17�Masterstudie-rende�der�Nationalen�Akademie�für�Öffentliche�Verwaltung�beim�Prä-sidenten�der�Ukraine�in�Kiew�lernten�bei�der�Berliner�Summer�School�im� Juli� 2009� Kernfragen� und� zentrale� Prinzipien� eines� demokrati-schen�Rechtsstaates�kennen.�Außerdem�erhielten�sie�einen�Einblick�in�das�Staatssystem�der�Bundesrepublik�Deutschland.

Den� Masterstudiengang� der� Kiewer� Gäste� hat� das� Institut� für� Ver-waltungsmodernisierung�und�Polizeireform�in�Mittel-�und�Osteuropa�der�HWR�zwischen�2007�und�2009� für�die�ukrainische�Hochschule�entwickelt.�An�diesen�Studiengang�knüpft�die�vom�DAAD�geförder-te�Summer�School�an.�Darüber�hinaus�ging�es�auch�um�Defizite� im�Rechtssystem� und� in� der� gesellschaftlichen� Entwicklung� der� Ukra-ine:� etwa� um� Verkehrssicherheit,� Lücken� im� Verwaltungsrecht� und�schwach�entwickelte�Rechtssetzungskultur.�„Wir�wollten�damit�be-wusst� die� Reformfreudigkeit� der� Studierenden� stimulieren“,� erzählt�Projektleiter�Oesten�Baller.

Neben� den� Vorlesungen� besuchten� die� Studierenden� zahlreiche�Einrichtungen� und� diskutierten� unter� anderem� mit� Fachleuten� im�

Deutschen� Bundesrat,� in� verschiedenen� Bezirksämtern,� im� Verwal-tungsgericht�Berlin�und�bei�der�Berliner�Polizei.�Nicht�nur�der�Eindruck�der�Projektverantwortlichen�war�positiv,�auch�aus�studentischer�Pers-pektive�war�die�Veranstaltung�eine�„runde�Sache“.�Eine�zum�Ende�der�Summer�School�durchgeführte�Befragung�ergab,�dass�bei�den�Studie-renden�sowohl�die�Vorträge�und�Präsentationen�als�auch�die�Exkursi-onen�mit�ihren�„hautnahen“�Erlebnismöglichkeiten�sehr�gut�angekom-men�waren.�Die�Mehrheit�war�überzeugt,�von�der�Summer�School�sehr�profitiert�und�neue,�relevante�Einsichten�gewonnen�zu�haben.

Demokratie – eine internationale Angelegenheit

Das�Thema�Demokratie�und�Rechtsstaatlichkeit�beleuchteten�deut-sche� sowie� ukrainische� Studierende� und� Wissenschaftler� bei� drei�vom�DAAD�geförderten�Seminaren�in�Kiew,�Odessa�und�Regensburg.�„Für�die�deutschen�Studierenden�bedeuteten�die�beiden�Seminare�in�der�Ukraine�eine�wichtige�Begegnung�mit�dortigen�jungen�Juristen,�die� Verbindung� zwischen� den� Studierenden� beider� Länder� konnte�durch� gemeinsame� Aktivitäten� und� das� Abschluss-Seminar� in� Re-gensburg�besonders�gefestigt�werden“,�berichtet�der�Projektkoordi-nator,�der�Regensburger�Jura-Professor�Rainer�Arnold.�

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Das�Abschluss-Seminar�fasste�nicht�nur�die�bis�dahin�erzielten�Ergeb-nisse�zusammen,�es�fügte�dem�Thema�auch�die�internationale�Dimen-sion�hinzu.�„Demokratie�bedeutet�heute�nicht�nur�die�Entscheidung�des�Parlaments�in�einem�Staat,�ist�nicht�nur�mit�der�Rechtsstaatlich-keit� in� einem� bestimmten� Land� verbunden,� sondern� ist� vielmehr� in�das� internationale� Grundrechts-� und� Menschenrechtssystem� ein-gebunden“,�sagt�Rainer�Arnold.�Der�Europarechtler�verweist�auf�die�fundamentale�Rolle,�die�die�Europäische�Menschenrechtskonvention�dabei�spielt.�Die�Seminarbeiträge� zeigten�darüber�hinaus,�dass�das�internationale� Recht� in� vielfacher� Hinsicht� die� interne� Rechtslage�prägt.�Ebenfalls�deutlich�wurde�der�große�Einfluss�des�EU-Rechts�auf�den� staatlichen� Demokratiebegriff.� Wichtiger� Erfolg� der� Seminare:�Die�gemeinsame�wissenschaftliche�Bearbeitung�motivierte�die�Teil-nehmer,� sich� weiter� mit� dem� Themenkomplex� zu� beschäftigen� und�die�Rechtsordnungen�beider�Länder�intensiver�zu�vergleichen.�

Projektinfo Fachgebiet: Rechtswissenschaften

Einrichtung: Universität�Regensburg,�Jean-�Monnet-Lehrstuhl�für�Europarecht

Projektkoordination: Prof.�Dr.�Rainer�Arnold

www-europarecht.uni-regensburg.de�

Partner: Nationale�Taras-Shevchenko-Universität�Kiew�Internationale�Geisteswissen-schaftliche�Universität�Odessa�Juraakademie�Odessa

Geförderte Personen: 10�Deutsche,�8�Ausländer

Projektinfo Fachgebiet: Rechtswissenschaften

Einrichtung: Hochschule�für�Wirtschaft�und�Recht�Berlin

Projektkoordination: Prof.�Dr.�Oesten�Baller

www.hwr-berlin.de/hwr-berlin/�lehrende/detailansicht/oesten-baller

Partner: Nationale�Akademie�für�Öffentliche�Verwaltung,�Kiew

Geförderte Personen: 18�Ausländer

Zusammengerückt: Die persönliche Begegnung, wie hier in Odessa, schuf neue Bindungen zwischen deutschen und ukrainischen Projektteilnehmern

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Kateryna Pitenina, Masterstudentin an der Nationalen Akademie für Öf-

fentliche Verwaltung beim Präsidenten der Ukraine in Kiew, gehörte zu den Teilnehmern der Summer School in Berlin.

Was kann die Ukraine von der deut-schen Rechtssprechung lernen?

Deutschland�könnte�als�Beispiel�dienen,�wie�eine�wirksame�Kontrolle�der�gesetz-

lichen�Normen�gewährleistet�werden�kann.�An�diesen�von�der�Euro-päischen�Union�festgesetzten�Normen�sollte�sich�die�politische�Pra-xis�in�der�Ukraine�orientieren.

Welche Erkenntis haben Sie von der Summer School mitgenommen?

Nach�meiner�Einschätzung�ist�die�regionale�Politik�eines�Staates�von�höchster�Wichtigkeit.�Auf�den�ersten�Blick�erscheint�der�Vergleich�

Eine große Menge nützlicher Ideen

eines�föderalistischen�Landes�wie�Deutschland�mit�einem�Einheits-staat�wie�der�Ukraine�nicht�zulässig,�dennoch:�Ich�bin�überzeugt,�dass�die�öffentliche�Verwaltung�in�der�Stadt�beginnt�und�sich�nicht�über�die�Regionen�ausbreitet.�Und�dieses�Prinzip�muss�aus�meiner�Sicht�der�Schlüssel�für�jeden�Staat�sein.

Wie wichtig sind Angebote wie die Veranstaltung in Berlin?

Man�kann�dies�vielleicht�mit�Zahlen�erläutern.�Gehen�Sie�davon�aus,�dass�jeder�Teilnehmer�in�den�zehn�Tagen�die�Erfahrung�von�ungefähr�20�Studierenden�und�Beamten�übernimmt.�Bei�17�Teilnehmern�wä-ren�das�alleine�340�nützliche�Ideen�–�ein�sehr�wertvoller�Beitrag�zum�System�der�öffentlichen�Verwaltung�der�Ukraine.

Welches persönliche Fazit geben Sie an Ihre Kommilitonen daheim weiter?

Ich�würde�allen�die�Teilnahme�an�solchen�Veranstaltungen�empfeh-len,�die�sich�weiterbilden�und�nützliches�Wissen�über�die�öffentliche�Verwaltung�erwerben�wollen,�die�offen�sind�für�ihre�persönliche�Wei-terentwicklung�und�die�bereit�sind,�ihre�eigene�Sichtweise�zu�ändern.

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Symmetrie des Dialogs

Der�Eiserne�Vorhang�ist�weg,�die�Mauer�in�den�Köpfen�und�Herzen�ist� noch� da.� So� empfindet� Slavistik-Professor� Walter� Koschmal�

von� der� Universität� Regensburg� das� Verhältnis� zwischen� Ukraine�und� Deutschland,� das� noch� von� manchen� Missverständnissen� ge-prägt�sei.�„Wir�müssen�daher�eine�Symmetrie�des�Dialogs�herstellen�und�eine�emotionale�Bindung�schaffen“,� fordert�er.�Wie�das�gehen�könnte,�war�vom�11.�bis�16.�Oktober�2009�in�Regensburg�zu�sehen.�Koschmal�veranstaltete�in�Zusammenarbeit�mit�Partnern�von�der�Na-tionalen�Taras-Shevchenko-Universität�Kiew�den�Workshop� „Junge�Ukraine� und� Junges� Deutschland� debattieren“,� den� der� DAAD� im�Rahmen�des�Ukraine-Programms�unterstützte.�Konzipiert�und�durch-geführt�hat�die�Veranstaltung�das�Ost-West-Zentrum�Europaeum�der�Universität,�dessen�Leiter�Walter�Koschmal�ist.�

Je� neun� Studierende� aus� beiden� Ländern� nahmen� teil.� Die� fachli-che�Mischung�war�bunt�und�reichte�von�Volkswirtschaftslehre�über�Wirtschaftsmathematik� und� Journalistik� bis� zur� Philosophie.� Hinzu�kamen� zwei� Teilnehmerinnen� aus� Frankreich.� Vorangegangen� war�eine� zweimonatige� Vorbereitungsphase,� in� der� jeder� Teilnehmer� je-weils� zwei� Thesen� für� die� Debatte� formulierte� und� Vorträge� konzi-pierte.�„Wir�wollten�zeigen,�wie�das�Leben�in�einer�demokratischen�

Gesellschaft�laufen�kann“,�erläutert�Walter�Koschmal.�Unter�diesem�Leitthema� fanden� Vorträge,� Gruppenarbeiten� und� Spiele� statt.� Die�Idee,� die� dahinter� steckt:� Demokratie� –� in� der� postsowjetischen�Transformation� der� Ukraine� –� kann� man� nicht� aus� theoretischen�Abhandlungen� lernen,� sondern� durch� interkulturellen� Dialog� auf�persönlicher�Ebene.�Maxim�Gatskov,�Absolvent�des�Europaeums�aus�Russland,�setzte�dies�als�Seminarleiter�um.

Sprache als Schlüssel

Eine�Erkenntnis�des�Workshops:�Die�Sprache�ist�wichtig�fürs�Verständ-nis�der� jeweils�anderen�Kultur.�Deshalb�wünscht�sich�Walter�Kosch-mal,�dass�mehr�Deutsche�Ukrainisch� lernen�und�nicht�nur�Russisch,�das�allerdings�in�der�Ukraine�großen�Einfluss�hat.�Aus�diesem�Grund�erschien�der�Tagungsband�ganz�bewusst�auf�Deutsch�und�Ukrainisch.�Und�eine�weitere�Lehre�haben�die�Partner�aus�der�Veranstaltung�gezo-gen:�Berufliche�Kompetenzen,�die�später�für�die�internationale�Zusam-menarbeit�wichtig�sind,�sollten�gemeinsam�geschult�werden.�

Am�Schlusstag�kam�es�zum�Höhepunkt�des�Workshops:�dem�Turnier-spiel,�eine�der�vielen�Ideen�des�Seminarleiters�Maxim�Gatskov.�Vier�gemischte�Teams�debattierten�in�zwei�Spielrunden�miteinander�und�

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Im�Rahmen�der�DAAD-Förderung�für�das�Workshop-Projekt�verbrachte�Oleksandr�Ivanov�im�Sommer�2009�einen�zweiwöchigen�Forschungs-aufenthalt�an�der�Universität�Regensburg.�Dort�bereitete�er�nicht�nur�den�Workshop�mit�vor,�sondern�befasste�sich�auch�mit�neuester�Lite-ratur�über�deutsche�und�europäische�Geschichte.�Dadurch�konnte�er�den�Lehrinhalt�seiner�Uni-Kurse�erweitern�und�aktualisieren�sowie�an�seinem�ukrainischen�Lehrbuch�über�die�jüngste�deutsche�Geschichte�seit�1989�weiterarbeiten.

Projektinfo Fachgebiet: Europawissenschaften

Einrichtung:�Europaeum�–�Ost-West-Zentrum��der�Universität�Regensburg

Projektkoordination: Prof.�Dr.�Walter�Koschmal

www.uni-regensburg.de/Fakultaeten/phil_Fak_IV/Slavistik/institut/koschmal

Partner: Nationale�Taras-Shevchenko-Universität�Kiew�

Geförderte Personen: 1�Deutscher,�11�Ausländer

gegeneinander,�das�Siegerteam�erhielt�einen�DVD-Sammelband�zum�Thema� Demokratie.� Die� Studierenden� debattierten� über� eine� Top-These,�die�aus�den�36�vorbereiteten�und�zuvor� in�Rhetorikübungen�einstudierten� Thesen� ausgewählt�wurde:� Wenn� die� Ukraine� in� den�nächsten�15�Jahren�keine�EU-Beitrittsperspektive�bekommt,�wird�sie�von�Russland�territorial�gespalten.�„Spannender�als�die�Lösungsvor-schläge�waren�oft�bereits�der�Weg�zu�den�Thesen�und�die�Suche�nach�Pro-�und�Contra-Argumenten“,�erinnert�sich�die�Regensburger�Politik-studentin� Sonja� Plank,� eine� der� Teilnehmerinnen.� Walter� Koschmal�stellte�bei�den�Diskussionen�außerdem�fest,�dass�es�in�der�Argumen-tation�der�jungen�Studierenden�keine�Unterschiede�mehr�gebe�–�ganz�im�Gegensatz�zum�„offiziellen�Ost-West-Dialog“�der�Politiker.�

Walter�Koschmal�plant�bereits�eine�Nachfolgeveranstaltung,�diesmal�in�Kiew,�die�sich�mit�zivilgesellschaftlichen�Entwicklungen�außerhalb�politischer�und�staatlicher�Einrichtungen�beschäftigen�soll.�Auch�Dr.�Oleksandr�Ivanov,�Historiker�an�der�Taras-Shevchenko-Universität�in�Kiew�und�zugleich�Leiter�des�Akademischen�Auslandsamtes,�begrüßt�die�Pläne:�„Initiative�und�Engagement�von�Professor�Walter�Koschmal�und� die� Finanzierung� des� DAAD� verdienen� besondere� Würdigung,�und�ich�freue�mich�auf�neue�gemeinsame�Projekte.“�

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Fit für Europa

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W ie�funktioniert�die�europäische�Wirtschaft?�Worin�unterschei-den� sich� Europas� Kulturen� voneinander?� Wie� sieht� das� EU-

Recht� aus?� Studierende� an� der� Universität� des� Saarlandes� können�diese�Kenntnisse�mit�Hilfe�des�„Europaicum“�erwerben.�Das�Zertifikat�bescheinigt�die�Teilnahme�an�besonderen�Lehrveranstaltungen�und�damit�Kenntnisse�rund�um�Europas�Sprachen,�Wirtschaft,�Geschich-te,� Politik� und� Kultur.� Ein� spezielles� „Europa-Ukraine-Europaicum“�richtete�sich�einmalig�auch�an�Studierende�der�ukrainischen�Partner-hochschule�Petro-Mohyla-Schwarzmeeruniversität�in�Mykolajiw.�

„Wir� wollen� europäisches� Bewusstsein� in� Regionen� exportieren,�die�noch�nicht�so� lange�Erfahrungen�mit�demokratischen�Systemen�haben“,� erklärt� Projektkoordinator� Professor� Roland� Marti� von� der�Fachrichtung� Slavistik� an� der� Universität� des� Saarlandes.� Rund� 20�ukrainische� Studierende� verschiedener� Fakultäten� haben� an� den�Blockseminaren�in�unterschiedlichen�Disziplinen�in�Saarbrücken�und�Mykolajiw�teilgenommen.�Zudem�haben�zwei�Gastwissenschaftlerin-nen�für�zwei�Monate�an�der�Universität�des�Saarlands�ihre�Forschung�im� Bereich� Politikwissenschaft� vorangetrieben� und� sich� an� zahlrei-chen�Seminaren�beteiligt.�Zugleich�bereiteten�sie�zwei�eigene�Lehr-veranstaltungen�zur�Zivilgesellschaft�sowie�zum�Thema�Demokratie�

und�Medien�vor,�die�sie�später�im�Rahmen�des�„Europa-Ukraine-Euro-paicum“�in�Mykolajiw�hielten.

„In�der�Ukraine,�in�der�sich�Demokratie�gerade�entwickelt,�sind�solche�Ausbildungsprogramme�von�größter�Bedeutung“,�meint�die�24-jährige�Teilnehmerin�Kateryna�Starodub,�die�an�der�Petro-Mohyla-Schwarz-meeruniversität�Allgemeine�Sprachwissenschaft�studiert.�„Denn�die�Mehrheit�der�Bevölkerung�wurde� in�eine�Zeit�ohne�Demokratie�ge-boren�und�muss�lernen,�sich�in�dieser�neuen�Welt�zurechtzufinden.“

Anregungen und Antworten

Mit�Seminaren�zu�verschiedenen�Themenblöcken�wie�„Interkulturelle�Wirtschaftskommunikation“� oder� „Herausforderungen� der� Europäi-schen�Integration“�bot�das�„Europa-Ukraine-Europaicum“�dazu�viele�Anregungen.�„Ich�habe�viel�über�Europa�gelernt�und�Antworten�auf�dringende�Fragen�in�der�ukrainischen�Gesellschaft�bekommen“,�meint�die�20-jährige�Olesia�Kompaniiets,�die�an�der�Petro-Mohyla-Schwarz-meeruniversität�den�Studiengang�Internationale�Beziehungen�belegt.�

„Viele� Menschen� in� der� Ukraine� sind� enttäuscht,� dass� die� Unab-hängigkeit�nicht�den�erwarteten�Wohlstand�gebracht�hat“,�sagt�die�

Projektinfo Fachgebiet: Slavistik

Einrichtung: Universität�des�Saarlandes

Projektkoordination: Prof.�Dr.�Roland�Marti

www.uni-saarland.de/fak4/fr44/allgemein.html

Partner: Petro-Mohyla-Schwarzmeeruniversität�Mykolajiw

Geförderte Personen: 5�Deutsche,�2�Ausländer

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Studentin.� „Doch� sie� müssen� selbst� etwas� dafür� tun,� um� die� wirt-schaftliche� Entwicklung� und� den� Demokratisierungsprozess� voran-zutreiben.“� Die� meisten� Menschen� über� 30� seien� jedoch� aufgrund�der�kommunistischen�Vergangenheit�gewohnt,�auf�Instruktionen�von�„oben“�zu�warten.�Zudem�fehle�den�meisten�Menschen�das�Vertrau-en�in�das�Gesetz,�denn�sie�verbinden�damit�mehr�Machtausübung�als�Gerechtigkeit.

Viele Konfliktzonen

Zur� Vergangenheitsbewältigung� gehört� auch� die� Lösung� des� herr-schenden� Sprachkonflikts.� „Die� offizielle� Landessprache� ist� Ukra-inisch,� doch� eine,� auch� politisch,� sehr� starke� Minderheit� spricht�weiterhin� Russisch“,� erklärt� Roland� Marti.� Die� fühlt� sich� seit� der�Unabhängigkeit�1990�unterdrückt,�während�das�vorher�für�die�ukra-inischsprachige� Bevölkerungsgruppe� galt.� Man� müsse� aufeinander�zugehen,�die�Ukraine�könne�hier�von�der�deutschen�Geschichte� ler-nen,�so�Marti.�So�war�das�deutsch-französische�Verhältnis�lange�Zeit�sehr� gespannt.� Frankreich� versuchte,� das� Saarland� als� Pufferzone�zwischen� sich� und� Deutschland� zu� halten.� Doch� irgendwann� habe�die� französische� Seite� eingesehen,� dass� man� sich� politisch� gegen�

den�Willen�der�Bevölkerung�nicht�durchsetzen�kann.�Aus�friedlicher�Koexistenz� ist�heute�eine� länderübergreifende�Zusammenarbeit�ge-worden,�und�es�hat�sich�ein�regionales�Bewusstsein�entwickelt.

Genau�das�war�für�Olesia�Kompaniiets�ein�Schlüsselerlebnis.�Auf�ei-ner�Fahrt�von�Luxemburg�nach�Deutschland�hörte�sie�im�Radio,�wie�der�Moderator�alle�Einwohner�der�Saarland-Lothringen-Luxemburg-Region� willkommen� hieß.� „Das� mag� für� die� Menschen� dort� normal�sein,�aber�für�mich�war�es�bezeichnend,�wie�wichtig�Kooperation�und�Zusammenhalt�über�Ländergrenzen�hinweg�innerhalb�einer�Gemein-schaft�sind.“

Gesetzliche GrundlagenGesetzliche Grundlagen

Den Rechtsstaat ausbauen

Neuland betreten

Für� viele� in� Deutschland� war� die� Ukraine� ein� unbekanntes� Land“,�sagt� Ulrich� Ernst,� Geschäftsführer� der� Schule� des� Deutschen�

Rechts�(SDDR)�an�der�Jagiellonen-Universität�Krakau.�2007�hatte�die�Schule�–�ein�Gemeinschaftsprojekt�der�Universitäten�Krakau,�Mainz�und�Heidelberg�–�ihre�Aktivitäten�auf�die�Ukraine�ausgedehnt.�Seit-dem�vermittelt�sie�nicht�nur�polnischen,�sondern�auch�ukrainischen�Studierenden� Grundlagen� des� deutschen� Rechtssystems.� 2009�förderte� der� DAAD� im� Rahmen� des� Programms� „Unterstützung� der�Demokratie� in�der�Ukraine“�zwei�Veranstaltungen:�die�zweiwöchige�Kiewer�Sommerschule�über�„Recht�in�Deutschland“�und�ein�Seminar�zum�Medienrecht�in�Mainz.

Die�1998�gegründete�SDDR�will� junge�Juristen�motivieren,� sich� für�eine�Tätigkeit�im�deutschen�Sprachraum�und�bei�europäischen�Insti-tutionen�ausbilden�zu�lassen.�Mit�dem�polnischen�Nachwuchs�läuft�das�sehr�erfolgreich.�„Daher�bauen�wir�die�Kooperation�mit�unserem�ukrainischen�Partner,�der�Mohyla-Akademie�Kiew,�schrittweise�nach�diesem�Vorbild�aus“,�erklärt�Ulrich�Ernst,�zugleich�DAAD-Fachlektor�für�Jura�in�Krakau.�

Die� ersten� Erfolge� sind� bereits� sichtbar.� So� steigt� das� Interesse� an�der�jährlichen�Sommerschule:�Anfangs�bewarben�sich�rund�20,�nun�sind� es� etwa� 30� Interessenten.� 2009� wurden� 19� Studierende� und�Doktoranden� zugelassen.� Neben� einem� einwöchigen� Sprachkurs�erhielten� sie� einen� Überblick� über� Privatrecht,� Öffentliches� Recht�und�die�Rolle�Deutschlands�in�der�Europäischen�Union.�„Die�besten�Teilneh�mer� möchten� wir� für� ein� Aufbaustudium� in� Deutschland�gewinnen“,� sagt� der� Heidelberger� Jura-Professor� Peter-Christian��Müller-Graff.� Er� ist� einer� der� Direktoren� der� Schule� des� Deutschen�Rechts�und�Dozent�bei�der�Kiewer�Sommerschule.�

Zur� Vertiefung� der� Kontakte� dienen� die� trilateralen� Seminare.� An�der�Premiere�im�Juli�2009�in�Mainz�nahmen�17�Studierende�und�ihre�Betreuer�aus�Heidelberg,�Mainz,�Krakau�und�Kiew�teil.�Im�Mittelpunkt�stand�der�verfassungsrechtliche�Schutz�der�Meinungs-�und�Presse-freiheit�–�für�die�Ukrainer�zum�Teil�Neuland.�„Medienrecht�ist�bei�uns�ein�neuer�Rechtszweig“,�sagt�die�Kiewer�Jura-Studentin�Sofiya�Shav-lak.� Zum� viertägigen� Programm� gehörten� zudem� Führungen� durch�das� Mainzer� Gutenberg-Museum� und� den� Südwestrundfunk� sowie�

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Projektinfo Fachgebiet: Rechtswissenschaften

Einrichtung: Universität�Heidelberg

Koordination: Prof.�Dr.�Dres.�h.c.�Peter-Christian�Müller-Graff

www.igw.uni-heidelberg.de/lehrstuehle/prof_mg

Partner: Schule�des�Deutschen�Rechts,�Heidelberg/Krakau/Mainz�Nationale�Universität�Mohyla-Akademie�Kiew�(Ukraine)�Jagiellonen-Universität�Krakau�(Polen)

Geförderte Personen: 4�Deutsche,�34�Ausländer

Ausflüge.�„Wir�wollen�den�wissenschaftlichen�und�den�persönlichen�Austausch�fördern.�Beides�ist�wunderbar�gelungen“,�zeigt�sich�Mitor-ganisator�Peter-Christian�Müller-Graff�mehr�als�zufrieden.�

Brücke zwischen den Rechtskulturen

Geplant� sind� weitere� Seminare,� gemeinsame� Publikationen� und�Aufenthalte� ukrainischer� Gastwissenschaftler.� 2009� forschte� die�Rechtswissenschaftlerin� Anna� Khvorostjankina� von� der� Mohyla-Akademie�mehrere�Wochen�in�Heidelberg�und�Mainz�über�die�Theorie�der�Menschenrechte.�Künftig�soll�sie�als�deutschsprachige�Kontakt-person�und�Koordinatorin� in�Kiew�wirken.�Eine�weiteres�Bindeglied�im�Netzwerk�ist�Olena�Shabliy.�Sie�gehörte�zu�den�drei�besten�Absol-venten�der�Sommerschule�2009.�Dabei�ist�die�Dozentin�an�der�Taras-Shewtchenko-Universität� Kiew� keine� Juristin,� sondern� Germanistin�–�allerdings�mit�enger�Bindung�an�die�Rechtswissenschaften.�Sie�be-fasst�sich�mit�„Landeskunde�der�deutschsprachigen�Länder,�Rechts-linguistik�und�Rechtsübersetzung“.

Olena�Shabliy�will�gemeinsam�mit�deutschen�und�ukrainischen�Kollegen�eine�Brücke�zwischen�den�beiden�Rechtskulturen�bauen.�„Viele�deutsche�

Rechtsbegriffe�gelangen�erst�über�die�englische�Sprache�in�das�ukrai-nische� Rechtssystem.� Dadurch� geht� vieles� an� Bedeutung� verloren“,�sagt� Olena� Shabliy.� Die� Sommerschule� hat� ihr� geholfen,� ihr� Wissen�über�das�deutsche�Recht�zu�vertiefen,�Lehrmaterialien�und�Quellen�zu�sammeln�sowie�Kontakte�zu�Rechtswissenschaftlern�zu�knüpfen.�2010�hat� sie� ihr�Wissen�weitergegeben:�als�Sprachlehrerin�bei�der�Kiewer�Sommerschule�und�als�Betreuerin�beim�trilateralen�Seminar�in�Krakau.�

Wissen vertieft, Kontakte geknüpft: ukrainische Studentinnen bei der Kiewer Sommerschule30

Unerwartet großes Interesse

Sofiya Shavlak studiert Jura an der Mohyla-Akademie Kiew. Der Kontakt zur Akademie entstand über die Sommerschule „Recht

in Deutschland“ in Kiew, die die Ukrainerin 2008 erfolgreich be-suchte. Ein Jahr später nahm sie am Deutsch-Polnisch-Ukraini-schen Seminar zum Medienrecht in Mainz teil.

Warum haben Sie sich für das Seminar in Mainz beworben?

Von�dem�Seminar�hatte�ich�bereits�in�der�Sommerschule�in�Kiew�ge-hört.�Die�Sommerschule�gefiel�mir�sehr�gut,�die�Unterrichtsweise�war�ganz�anders�als�an�meiner�damaligen�Hochschule.�Das�Seminar�erschien�mir�daher�als�gute�Fortsetzung.�

Wie wichtig sind solche Veranstaltungen, insbesondere für Nachwuchswissenschaftler?

An�solchen�Seminaren�nehmen�sehr�begabte�und�erfolgreiche�Stu-dierende�teil;�viele�streben�eine�Karriere�an�der�Universität�an.�Die�neuen�Erfahrungen�und�Kenntnisse�aus�den�Seminaren�werden�sie�in�ein�paar�Jahren�an�ihre�eigenen�Studierenden�weitergeben.�Au-ßerdem�schaffen�solche�Veranstaltungen�den�Raum,�künftige�Kolle-gen�aus�anderen�Ländern�kennenzulernen.�

Was haben Sie persönlich mitgenommen?

Es�ist�schwer,�etwas�Konkretes�zu�nennen,�weil�das�ganze�Seminar�eine�sehr�schöne�Erinnerung�ist.�Neben�dem�Fachlichen�habe�ich�ei-niges�über�das�wissenschaftliche�Arbeiten�dazugelernt.�Sehr�span-nend�waren�die�Diskussionen�und�Aktivitäten�mit�den�Studierenden�aus�Polen�und�Deutschland.�Zu�einigen�Teilnehmern�habe�ich�nach�wie�vor�Kontakt,�ebenfalls�zu�Professoren.�Ich�war�überrascht,�wie�interessiert�die�Professoren�an�unserem�Studium�waren�und�wie�viel�sie�über�ihre�eigene�Arbeit�erzählten.�Das�Seminar�hat�mich�außer-dem�in�meinem�Wunsch�bestärkt,�nach�meinem�Abschluss�in�Deutschland�zu�studieren.�Im�Herbst�2011�trete�ich�ein�Master-of-Law-Aufbaustudium�in�Heidelberg�an.

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Das Recht zu den Bürgern bringen

Mit�Einführung�einer�demokratischen�Verfassung�legte�die�Ukrai-ne�vor�20�Jahren�einen�Grundstein�auf�ihrem�Weg�in�die�Demo-

kratie.�Nun�gilt�es,�diesen�rechtsstaatlichen�Rahmen�weiter�mit�Le-ben�zu�füllen�–�etwa�durch�die�Etablierung�einer�unabhängigen�Justiz�und� eines� transparenten� Rechtssystems.� Anregungen� dazu� bot� ein�rechtswissenschaftlicher� Austausch� mit� Vorträgen� und� Diskussio-nen�zwischen�Dozenten�und�Studierenden�der�deutschen�Universität�Halle-Wittenberg,� der� Staatlichen� Agraruniversität� im� ukrainischen�Sumy�und�der�polnischen�Universität�Olsztyn.�Bei�dem� fünftägigen�Seminar�in�Halle�erörterten�die�Teilnehmer�Fragen�und�Probleme�der�rechtsstaatlichen� Entwicklung� in� der� Ukraine� und� besuchten� unter�anderem�das�Bundesverwaltungsgericht�in�Leipzig.�

„Die� beteiligten� drei� Länder� spiegeln� die� verschiedenen� Entwick-lungsstufen� im� europäischen� Integrationsprozess� und� damit� auch�im� jeweiligen�Rechtssystem�wider“,�erklärt�Professor�Armin�Höland�von� der� rechtswissenschaftlichen� Fakultät� der� Universität� Halle-Wittenberg.�Deutschland�ist�langjähriges�EU-Mitglied,�Polen�erst�seit�2004�und�die�Ukraine�hat�schon�einmal� Interesse�an�einem�Beitritt�bekundet.“�Polen�nehme�daher�nicht�nur�geografisch,�sondern�auch�

in�der�Entwicklung�seines�Rechtssystems�eine�mittlere�Position�zwi-schen�Deutschland�und�der�Ukraine�ein.�Diese�befinde�sich�mitten�im�Wandel�von�einer�Sowjetrepublik�zur�europäischen�Zivilgesellschaft.

In der Ukraine fehlen Mittler

„In�der�Ukraine�kennen�nur�wenige�Menschen�ihre�Rechte“,�berichtet�Armin�Höland.�Daher�haben�sich�die�Seminarteilnehmer�unter�ande-rem�damit�beschäftigt,�wie�Bürger�zu� ihrem�Recht�kommen�und�an�wen�sie�sich�wenden�können.�In�Deutschland�berichten�etwa�Medien�regelmäßig�über�Prozesse�und�Gerichtsentscheidungen�und�vermit-teln� auf� diese� Weise,� welche� Rechte� die� Bürgerinnen� und� Bürger�haben.� Auch� Verbraucherorganisationen� informieren� hierzulande�darüber,�wie�man�sich�im�Streitfall�verhalten�soll.�In�der�Ukraine�feh-len� solche� Mittler.� „Schieds-� und� Schlichtungsstellen� könnten� dort�den�Zugang�zum�Recht�erleichtern.�Dazu�müssen�zum�Beispiel�Rich-ter� als� Mediatoren� speziell� geschult� werden“,� meint� der� Hallenser�Rechtswissenschaftler.�

„Es� ist� verständlich,� dass�Unterschiede� zwischen�den�Rechtssyste-men�der�Länder�bestehen“,�sagt�die�Dekanin�der�Juristischen�Fakultät�

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Projektinfo Fachgebiet: Rechtswissenschaften

Einrichtung: Martin-Luther-Universität�Halle-Wittenberg

Projektkoordination: Prof.�Dr.�Armin�Höland

http://hoeland.jura.uni-halle.de

Partner: Nationale�Agraruniversität�Sumy�(Ukraine)�Universität�Olsztyn�(Polen)

Geförderte Personen: 3�Deutsche,�11�Ausländer

der� Agraruniversität� in� Sumy,� Professorin� Svetlana� Zapara,� die� an�dem�Seminar�teilnahm.�So�gebe�es�zum�Beispiel�in�Deutschland�ein�eigenes� arbeitsgerichtliches� Verfahren,� in� der� Ukraine� hingegen�gehören� Streitigkeiten� im� Beruf� vor� die� allgemeine� Gerichtsbarkeit.�„Die�Ukraine�braucht�Unterstützung� in�Form�konkreter�Hilfestellung�beim�Ausbau�des�Rechtstaats“,�betont�die�ukrainische�Expertin.�Aus�ihrer�Sicht�ist�das�Dreiländer-Seminar�das�beste�Beispiel�dafür:�„Die�Ergebnisse� fließen� in� Forschungsarbeiten� und� Gutachten� der� Wis-senschaftler�unserer�Fakultät,�die�in�den�Sonderkommissionen�für�die�Reform�des�Rechtssystems�in�der�Ukraine�als�Experten�tätig�sind.“�

Seminarergebnisse fließen in die Praxis ein

Svetlana�Zapara�und�zwei�weiteren�Dozenten�der�Universität�Sumy�nutzten� den� Besuch� in� Halle� außerdem� für� einen� mehrwöchigen�wissenschaftlichen� Forschungsaufenthalt.� Dabei� verglich� sie� unter�anderem,� auf� welch� unterschiedliche� Weise� Arbeitsverhältnisse� in�Deutschland�und�der�Ukraine�geregelt�werden.�Und�sie�beschäftigte�sich� intensiv� damit,� wie� man� Arbeitsrechtsstreitigkeiten� hierzulan-de�löst.� Im�Rahmen�des�Seminars�hielt�die�Rechtswissenschaftlerin�

zudem� einen� Vortrag� über� Probleme� im� Arbeits-� und� Wirtschafts-recht�in�der�Ukraine.�

Denn�Svetlana�Zapara�ist� in�ihrer�ukrainischen�Heimat�nicht�nur�als�Dozentin,�sondern�auch�als�Richterin�tätig;�wie�viele�der�ukrainischen�Dozenten,�die�an�der�Veranstaltung�teilgenommen�haben.�„Sie�und�die�Studierenden�sind�wichtige�Multiplikatoren,�die�dazu�beitragen�können,�dass�das�zarte�Pflänzchen�Demokratie�in�der�Ukraine�stetig�wächst“,�so�Armin�Höland.

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Wirtschaft und VerwaltungWirtschaft und Verwaltung

Das Wissen verbreiten

Sicher investieren

Deutschland� zählt� zu� den� wichtigsten� Wirtschaftspartnern� der�Ukraine:�Mehr�als�1000�deutsche�Firmen�sind�in�dem�osteuropä-

ischen� Land� vertreten,� rund� 4,7� Milliarden� Euro� Direktinvestitionen�flossen� aus� Deutschland� in� ukrainische� Unternehmen.� Es� könnten�jedoch�mehr�sein,�viele� Investoren�schrecken�wegen�der�bestehen-den� Rechtsunsicherheit� vor� einem� Engagement� zurück.� Auf� zwei�Tagungen� im� Juni� und� Oktober� 2009� erörterten� deshalb� Wissen-schaftler�vom�Institut�für�Ostrecht�in�Regensburg�und�vom�Institut�für�Gesetzgebung�der�Verchovna�Rada,�dem�ukrainischen�Parlament,�die�rechtlichen� Rahmenbedingungen� für� Auslandsinvestitionen� –� und�suchten�gemeinsam�nach�Lösungsansätzen,�um�das� Investitionskli-ma�zu�verbessern.

„Die�Rechtslage�in�der�Ukraine�ist�typisch�für�die�meisten�GUS-Staa-ten:�Für�Auslandsinvestitionen�gelten�spezielle�Regelungen,�um� ih-nen�Rechtssicherheit�und�besonders�günstige�rechtliche�Konditionen�einzuräumen“,�sagt�Antje�Himmelreich,�wissenschaftliche�Referentin�für�Russland,�die�Ukraine�und�die�sonstigen�GUS-Staaten�am�Institut�für�Ostrecht.�Experten�sehen�hier� jedoch�zahlreiche�risikobehaftete�Gesetzeslücken.� Hinzu� kommen� intransparente� Vergabeverfahren�

und�die�Unsicherheit� für� Investoren,�Rechtsansprüche�auch�durch-setzen� zu� können.� „Die� Ukraine� ist� daher� stark� interessiert,� geeig-nete� rechtliche� Rahmenbedingungen� zu� schaffen“,� berichtet� Antje�Himmelreich.� Der� Austausch� mit� Wissenschaftlern� anderer� Länder�und�mit�Praxisvertretern�sei�in�diesem�Zusammenhang�von�enormer�Bedeutung�für�die�ukrainischen�Experten.�

Entsprechend�groß�war�das�Interesse�an�der�Veranstaltung:�Zu�den�rund�100�Teilnehmern�der�ersten�Tagung,�die�in�Kiew�stattfand,�zähl-ten�neben�Mitarbeitern�des�Instituts�für�Gesetzgebung�auch�Profes-soren�und�Dozenten�mehrerer�ukrainischer�Universitäten,�Mitarbei-ter� von� Behörden,� Rechtsanwälte� sowie� Pressevertreter.� Themen�waren� unter� anderem� die� Erfolgs-� und� Risikofaktoren� für� ausländi-sche�Investoren�und�die�Prinzipien�der�rechtlichen�Regulierung�von�Auslands�investitionen�in�der�Ukraine.�Die�zweite�Tagung�fand�in�Re-gensburg�statt.�Dort�erörterten�die�Teilnehmer,�welche�Schutzstan-dards�für�Investoren�in�den�beiden�Ländern�bestehen,�wie�Korruption�wirksam�eingedämmt�werden�kann�sowie�wie�ausländische�Gerichte�und� internationale�Schiedsgerichte�den� Investor� in�der�Praxis�absi-chern�können.�

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Projektinfo Fachgebiet: Rechtswissenschaften

Einrichtung: Institut�für�Ostrecht�München�e.V.�im�Wissen-schaftszentrum�Ost-�und�Südosteuropa�Regensburg

Projektkoordination: Prof.�Dr.�Herbert�Küpper��Prof.�Dr.�Dres.�h.�c.�Friedrich-Christian�Schroeder

www.ostrecht.de/index.php?id=26

Partner: Institut�für�Gesetzgebung�der�Verchovna�Rada��der�Ukraine,�Kiew

Geförderte Personen: 19�Deutsche,�19�Ausländer

Alla� Sanchenko,� Leiterin� der� Abteilung� für� rechtliche� Probleme� der�europäischen� Integration� des� Instituts� für� Gesetzgebung,� glaubt,�dass�effektive�Aktivitäten� zur� Förderung�von�Auslandsinvestitionen�die�soziale�und�wirtschaftliche�Entwicklung�der�Ukraine�und�die�In-tegration�des�Landes�in�die�Weltwirtschaft�wesentlich�vorantreiben�können.�„Die�auf�den�Tagungen�diskutierten�und�erarbeiteten�Inhalte�können� die� Basis� für� künftige� Politikgestaltung,� Gesetzgebung� und�Entscheidungsfindung�auf�verschiedensten�Ebenen�bilden“,�sagt�Alla�Sanchenko.�

Wertvolle Impulse

Durch�den�intensiven�Austausch�ist�die�Partnerschaft�zwischen�dem�Institut�für�Ostrecht�und�dem�Institut�für�Gesetzgebung,�die�bereits�seit� 2005� besteht,� noch� enger� geworden.� „Wir� konnten� viele� neue�Kontakte�in�die�Ukraine�knüpfen,�auch�zu�zahlreichen�anderen�Insti-tutionen“,�sagt�Antje�Himmelreich.�Es�ist�ein�Netzwerk�mit�rund�100�Personen�entstanden,�darunter�auch�Professoren�der�Universität�Re-gensburg.�Den�Kontakt�pflegen�die�Beteiligten�zum�Beispiel�über�eine�Mailing-Liste.�2010�fand�ein�Folgeprojekt�zum�Thema�„Mediation�als�Verfahren� konsensualer� Streitbeilegung“� mit� zwei� Veranstaltungen�

in�Regensburg�und�Kiew�statt.�Anträge� für�weitere�Aktivitäten�hat�der� DAAD� bereits� bewilligt.� Die� Zusammenarbeit� mit� dem� Institut�für�Gesetzgebung�hält�Antje�Himmelreich�für�einen�wirksamen�Weg,�um�die�Rechtsgrundlagen�für�sichere�Investitionen�zu�schaffen:�„Die�Mitarbeiter� des� Instituts� beraten� das� Parlament� direkt� bei� der� Ge-setzgebungsarbeit�und�können�hierbei�aus�dem�Austausch�wertvolle�Impulse�schöpfen.“

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Die Denkweise verändern

Der Rechtsanwalt Felix Rackwitz hat seit 2004 die ukrainische Niederlassung der Wirtschaftskanzlei Beiten Burkhardt auf-

gebaut. Mit seinen Kollegen hat er zahlreiche Investoren in der Ukraine in Rechtsfragen begleitet – vom mittelständischen Unter-nehmer bis zur Großbank. Die Kanzlei engagierte sich auch bei der ersten Tagung in Kiew über Auslandsinvestitionen.

Herr Rackwitz, deutsche Geldgeber haben mehrere Milliarden Euro in der Ukraine investiert. Wie lukrativ ist das osteuropäi-sche Land für deutsche Investoren?

Die�Ukraine�ist�ein�großes�Land�und�bietet�zahlreiche�interessante�Ge-schäftsmöglichkeiten.�Das�Potenzial�ist�riesig.�Allerdings�sind�viele�Inves-toren�zurückhaltend�–�denn�die�gefühlte�Rechtsunsicherheit�ist�groß.

Wo besteht aus Ihrer Sicht Handlungsbedarf?

Die�Ukraine�ist�ein�junges�Land,�das�Recht�befindet�sich�noch�in�der�Entwicklung.�Neue�Gesetze�wären�etwa�im�Bereich�Steuerrecht�oder�Gesellschaftsrecht�nötig.�Insgesamt�ist�das�geschriebene�Gesetz�jedoch�besser,�als�viele�glauben.�Das�Kernproblem�ist�die�Rechtsan-wendung.�Es�besteht�ein�dramatischer�Unterschied�zwischen�dem�geschriebenen�Recht�und�seiner�konkreten�Anwendung.

Wie kann der wissenschaftliche Austausch mit dem Institut für Ostrecht zu einer Lösung beitragen?

Der�Austausch�ist�sehr�wichtig,�um�das�Niveau�der�Rechtsanwen-dung�zu�heben.�Besonders�im�Bereich�der�Ausbildung�sollte�der�Schwerpunkt�nicht�auf�dem�Auswendiglernen�von�Gesetzestexten�liegen,�sondern�vielmehr�auf�der�konkreten�Anwendung�des�Rechts�–�denn�jeder�Fall�ist�anders.�Deutsche�Rechtswissenschaftler�kön-nen�hierzu�viel�beitragen.�Dabei�geht�es�keinesfalls�darum,�deutsches�Recht�zu�exportieren,�sondern�unsere�Denkweise�und�die�hand-werklichen�Fähigkeiten�als�Anwalt.

Eckpfeiler erörtert: Die auf den Tagungen in Kiew und Regensburg erarbeiteten Inhalte könnten die Basis für künftige Regelungen von Auslandsinvestitionen werden 37

Vertrauensvolle Beziehungen

Unter�ukrainischen�Politik-�und�Verwaltungswissenschaftlern�kur-siert�ein�Scherz:�Das�Verwaltungssystem�des�Landes� lasse�sich�

nicht� verstehen.� Man� könne� aber� zumindest� einmal� darüber� nach-denken.�Da�hierbei�Anregungen�aus�anderen�Ländern�hilfreich�sein�können,�entstand�der�Kontakt�zur�Universität�Rostock.�Um�sich�auszu-tauschen�und�das�jeweils�andere�System�besser�zu�verstehen,�trafen�sich�im�Oktober�2009�ukrainische�und�deutsche�Wissenschaftler�zur�Herbstakademie�„Ukraine�und�Deutschland�–�Politik�und�Verwaltung�im�Demokratischen�Rechtsstaat“�in�Rostock.�Die�Veranstaltung�legte�den�Grundstein� für�den�Aufbau� intensiver�Kooperationen� zwischen�der�deutschen�Universität�und�dem�Odessaer�Regionalen�Institut�für�öffentliche�Verwaltung�(ORIDU)�–�einer�der�wichtigsten�Institutionen�für�die�Ausbildung�der�Spitzenbeamten�des�Landes.

„Wir� waren� überrascht,� wie� deutlich� die� ukrainischen� Wissen-schaftler� Probleme� ihres� Landes� ansprachen“,� so� der� Organisator�des� Treffens,� Ministerialdirigent� Friedhelm� Meyer� zu� Natrup.� Der�Politikwissenschaftler�ist�als�Privatdozent�am�Institut�für�Politik-�und�Verwaltungswissenschaften�der�Universität�Rostock�tätig.�Dozenten�beider�Seiten�hielten�Vorträge�zu�Themen�wie�Korruption,�Wissens-management,�Good�Governance�oder�Jugendpolitik.�„Noch�wichtiger�

als� die� Seminare� war� aber� der� persönliche� Kontakt“,� so� Meyer� zu�Natrup.�Man�habe�durch�die�Zusammenarbeit� sehr� vertrauensvolle�Beziehungen� geknüpft,� die� mittlerweile� auch� tiefe� Einblicke� in� das�ukrainische�Verwaltungssystem�erlaubten.�

Auch� für� die� ukrainische� Professorin� Natalya� Kolisnichenko� waren�besonders� die� persönlichen� Kontakte� zu� den� deutschen� Wissen-schaftlern� und� die� Besuche� bei� hiesigen� Regionalverwaltungen� in-teressant.� „Wenn�man�die�Dinge�mit�eigenen�Augen�sieht,�hat�das�

Demokratie vor Ort: Während ihres Deutschland-Aufenthalts besuchten die Gäste aus der Ukraine auch den Landtag von Mecklenburg-Vorpommern

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Projektinfo Fachgebiet: Politik-/Verwaltungswissenschaften�

Einrichtung:�Universität�Rostock

Projektkoordination: Ministerialdirigent�Dr.�Friedhelm�Meyer�zu�Natrup

www.wiwi.uni-rostock.de/ipv/intpol/mitarbeiter/natrup

Partner: Regionale�Verwaltungsakademie,�Odessa�

Geförderte Personen: 14�Ausländer

eine�ganz�andere�Qualität�als�das�Wissen�aus�Lehrbüchern“,�sagt�die�Wissenschaftlerin,�die� in�der�Abteilung� für�Europäische� Integration�des�ORIDU�arbeitet.�Sie�könne�nun�in�ihre�Vorlesungen�konkrete�Bei-spiele�aus�Deutschland�integrieren.�Auch�ihre�Studierenden�habe�der�Austausch�mit�deutschen�Wissenschaftlern�extrem�motiviert.� „Uns�ist�es�wichtig,�dass�wir�nicht�im�kleinen�Kreis�von�Wissenschaftlern�tagen,� sondern� dass� stets� möglichst� viele� Studierende� teilnehmen�und�mitdiskutieren“,�erklärt�Meyer�zu�Natrup.�

„Demokratie ist machbar“

Inzwischen� gab� es� bereits� zwei� weitere� Tagungen,� eine� in� Rostock�und�eine� in�Odessa.�Hier�standen� für�die�Rostocker�Forscher�Besu-che� bei� diversen� ukrainischen� Verwaltungseinrichtungen� auf� dem�Programm.� Gemeinsam� mit� den� ukrainischen� Dozenten� haben� die�Rostocker�Teilnehmer�Lehrpläne�ausgearbeitet.�Die�Rostocker�Hoch-schullehrer� sind� zudem� eingeladen,� in� naher� Zukunft� an� der� Hoch-schule�in�Odessa�zu�unterrichten.�„Es�ist�unser�Ziel,�den�zukünftigen�Spitzenbeamten�eine�Idee�davon�zu�vermitteln,�wie�man�Demokratie�auch� gegen� Widerstände� und� in� schwierigen� Situationen� ausüben�kann“,�sagt�Meyer�zu�Natrup.

Dabei� können� sich� die� Rostocker� Dozenten� bereits� über� erste� Er-folgsmomente� freuen.� So� kam� beispielsweise� ein� ukrainischer� Stu-dent�auf�Meyer�zu�Natrup�zu�und�sagte� ihm,�er�habe�seinen�Traum�von� einer� weiteren� Demokratisierung� der� Ukraine� eigentlich� schon�aufgegeben.�Der�intensive�Austausch�bei�den�Treffen�habe�ihn�aber�wieder�motiviert,�seine�Ziele�weiterzuverfolgen.�Meyer�zu�Natrup�be-tont,�dass�Deutschland� für�die�Ukraine�der�mit�Abstand�wichtigste�Anknüpfungspunkt� in� der� westlichen� Hemisphäre� und� deshalb� ein�wichtiger� Partner� für� die� demokratisch� orientierten� Kräfte� im� Land�sei.�„Wir�müssen�gegen�die�Mutlosigkeit�ankämpfen�und�zeigen,�dass�Demokratie�machbar�ist“,�so�der�Osteuropa-Experte.

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Von Nachbarn lernen

Ob�Wasser,�Boden�oder�Wald:�Die�nachhaltige�Nutzung�natürlicher�Ressourcen� ist� lebenswichtig.�Doch�Strategien�zu� ihrem�Schutz�

stehen�derzeit�auch�in�der�Ukraine�nicht�ganz�oben�auf�der�politischen�Agenda.�Hier�ist�unter�anderem�die�Wissenschaft�gefragt.�Allerdings�kommt� Ressourcenökonomie� nicht� als� eigenständiges� Fach� in� den�Lehrplänen�ukrainischer�Hochschulen�vor.�Um�sowohl�das�Bewusst-sein�für�die�Fachrichtung�als�auch�für�die�Umweltprobleme�in�der�Uk-raine�und�deren�Folgen�zu�wecken,�hat�das�Fachgebiet�Ressourcen-ökonomie�der�Humboldt-Universität�(HU)�zu�Berlin�einen�einwöchigen�Workshop�in�Kiew�initiiert�und�koordiniert.

Im� Fokus� der� im� September� 2009� durchgeführten� und� vom� DAAD�geförderten�Veranstaltung�„Developing�multi-level�and�decentralized�implementation�capacity� for�natural� resource�management�and�en-vironmental�policies:�A�Contribution�to�polycentric�governance�in�an�emerging�democracy“�stand�das�Management�natürlicher�Ressour-cen� nach� demokratischen� Prinzipien.� 19� überwiegend� ukrainische�Studierende�und�Doktoranden�verschiedener� Fachrichtungen�–�da-runter� Agrarökonomie,� Management� und� Naturwissenschaften� –�nahmen�teil.�Projektkoordinator�Professor�Konrad�Hagedorn�von�der�

HU�Berlin�und�seine�sechs�Kollegen�aus�Bulgarien,�Polen,�der�Slowa-kei�und�der�Ukraine�erläuterten�zunächst�Theorien�der�Ressourcen-ökonomie�und�stellten�dann�die�Situation�in�Zentral-�und�Osteuropa�sowie�im�Besonderen�in�der�Ukraine�dar.

Neues Wissen, neue Perspektiven

In�dem�Land�wurden�zwar�zu�sowjetischen�Zeiten�Probleme�wie�Bo-denerosion�oder�Süßwassermangel�erkannt,�mit�der�Unabhängigkeit�kollabierte� jedoch� das� System,� Institute� wurden� geschlossen,� die�Verantwortung�für�das�Ressourcenmanagement�war�lange�Zeit�nicht�geklärt.�Außerdem�führte�die�Ukraine�damals�eine�Umweltpolitik�ein,�die� sich�an�den�Standards�der�Europäischen�Union�orientiert.� „Ihre�Implementierung� ist� allerdings� zentral� organisiert.� Sie� bezieht� die�Bevölkerung�nicht�mit�ein,�ist�daher�nicht�einfach�umsetzbar�und�er-schwert�zum�Beispiel�die�Gründung�von�lokalen�Umweltschutzgrup-pen“,�erklärt�Nataliya�Stupak,�Doktorandin�bei�Konrad�Hagedorn�und�Mitorganisatorin�des�Workshops.�Die�gebürtige�Ukrainerin� lebt�und�forscht�schon�seit�mehreren�Jahren�in�Deutschland,�beschäftigt�sich�aber�weiter�mit�der�Situation�in�der�Ukraine.�

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Projektinfo Fachgebiet: Umwelt-/Agrarwissenschaften

Einrichtung: Humboldt-Universität�zu�Berlin

Projektkoordination: Prof.�Dr.�Dr.�h.c.�Konrad�Hagedorn�

www.agrar.hu-berlin.de/struktur/institute/wisola/fg/ress/mitarbeiter/Hagedorn

Partner: Nationale�Universität�für�Lebens-�und��Umweltwissenschaften,�Kiew

Geförderte Personen: 3�Deutsche,�17�Ausländer

Bei�den�Workshopteilnehmern�kamen�nicht�nur�die�Inhalte,�sondern�auch�die�Art�der�Präsentation�gut�an:�„Ressourcenökonomie� ist�bei�uns�oft�nur�ein�Bestandteil�verschiedenster�anderer�Kurse.�So�hatten�wir� die� Gelegenheit,� aktuelle,� strukturierte� und� vollständige� Infor-mationen�zu�bekommen“,�sagt�die�ukrainische�Studentin�Alexandra�Khalaim� im� Rückblick.� Sehr� hilfreich� fand� sie� die� vorgestellten� Pra-xisbeispiele.�„Diese�Kombination�aus�Theorie�und�Praxis�bedeutet�für�mich�als�Nachwuchsforscherin,�Werkzeuge�an�die�Hand�bekommen�zu�haben�und�sie�künftig�korrekt�nutzen�zu�können.“�Die�Diskussion�mit� erfahrenen�Wissenschaftlern�über� konkrete�Probleme�habe� zu-dem�für�ein�tieferes�Verständnis�der�Zusammenhänge�gesorgt.

Besonders� mit� den� Beispielen� aus� dem� Nachbarland� Polen� setzten�sich� die� Studierenden� intensiv� auseinander.� „Polen� ist� bei� der� Um-setzung�der�EU-Standards�einen�großen�Schritt�voraus,�so�dass�die�Ukraine� von� diesen� Erfahrungen� lernen� könnte“,� erklärte� Nataliya�Stupak.�An�solchen�Stellen� zeigte� sich�auch,�wie�wichtig� internati-onaler�Austausch�für�die�Demokratiebildung�ist.�„Gerade�wir�jungen�Wissenschaftler� können� dieses� neue� Wissen� manchmal� nur� bei�solchen� Workshops� erlangen“,� so� Alexandra� Khalaim.� Für� Nataliya�

Stupak�war�über�den�fachlichen�Austausch�hinaus�noch�etwas�an-deres�interessant:�„Die�ukrainischen�Studierenden�waren�zu�Beginn�der�Woche�sehr�zurückhaltend,�haben�nie�etwas�gefragt.�Auch� ich�hatte�noch�gelernt,�dass�das,�was�der�Professor�sagt,�nicht�in�Frage�gestellt�wird.“�Doch�die�Zurückhaltung�sei�bald�verflogen,�nachdem�die� Studierenden� gemerkt� hätten,� dass� Fragen� und� Diskussion� er-wünscht�seien.�

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Geförderte Kooperationen 2010

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Deutsche Hochschulen Projektleiter/in Ausländische Hochschulen

��Hochschule�für�Wirtschaft��und�Recht�Berlin�(HWR)

Prof.�Dr.�Oesten�Baller ��Nationale�Akademie�für�öffentliche�Verwaltung�Kiew

��Fachhochschule�Erfurt� Prof.�Dr.�Michaela�Rißmann��Nationale�Polytechnische�Universität�Lwiw�Ivan-Franko-Universität�Sambir

�Katholische�Hochschule�Freiburg� Prof.�Dr.�Cornelia�Kricheldorff �Nationale�Jurij-Fedkowytsch-Universität�Czernowitz

�Universität�Freiburg� Prof.�Dr.�Juliane�Besters-Dilger �Nationale�Ivan-Franko-Universität�Lwiw

�Universität�Gießen Prof.�Dr.�Mahulena�Hofmann �Nationale�Taras-Shevchenko-Universität�Kiew

�Universität�Göttingen� Prof.�Dr.�Thomas�Mann �Nationale�Universität�der�Inneren�Angelegenheiten�Charkiw

�Universität�Heidelberg Prof.�Dr.�Peter-Christian�Müller-Graff�Nationale�Universität�Mohyla-Akademie�Kiew�Jagiellonen-Universität�Krakau�(Polen)

�Universität�zu�Köln Dr.�Manfred�Kops �Nationale�Universität�Mohyla-Akademie�Kiew

�Universität�Konstanz� Dr.�Elisabeth�Groß �Nationale�Taras-Shevchenko-Universität�Kiew

�Pädagogische�Hochschule�Ludwigsburg� Dr.�Michael�Gans �Nationale�Jurij-Fedkowytsch-Universität�Czernowitz

�Hochschule�Mittweida Prof.�Dr.�Michael�Meub �Staatliche�Wirtschaftsuniversität�Odessa

�Institut�für�Ostrecht�München,�Regensburg� Prof.�Dr.�Herbert�Küpper �Institut�für�Gesetzgebung�der�Verhovna�Rada�der�Ukraine,�Kiew

�Universität�Regensburg Prof.�Dr.�Jerzy�Mackow �Nationale�Pädagogische�Dragomanov-Universität�Kiew

�Universität�Rostock Dr.�Friedhelm�Meyer�zu�Natrup �Regionales�Institut�für�öffentliche�Verwaltung,�Odessa

Universität�des�Saarlandes Prof.�Dr.�Roland�Marti �Petro-Mohyla-Schwarzmeeruniversität�Mykolajiw

�Pädagogische�Hochschule�Schwäbisch�Gmünd� Prof.�Dr.�Helmar�Schöne �Nationale�Linguistische�Universität�Kiew

�Hochschule�Vechta Prof.�Dr.�Peter�Nitschke �Nationale�Taras-Shevchenko-Universität�Kiew

Impressum

Herausgeber DAAD�Deutscher�Akademischer�Austauschdienst�Kennedyallee�50,�53175�Bonn�www.daad.de

Referat Moldau,�Rumänien,�Ukraine,�Länderübergreifende�Programme�Osteuropa�,�„Go�East“

Projektkoordination Dr.�Peter�Hiller,�Ljuba�Konjuschenko

Redaktion Christian�Hohlfeld,�Trio�MedienService,�Bonn�|�www.trio-medien.de

Autoren Boris�Hänßler�(11–17),�Rosemarie�Kappler�(19–23),�Silke�Meny�(40–41),�Bernd�Müller�(24–25),�Dietrich�von�Richhofen�(35–39),�Sabine�Wygas�(26–27,�32–33)

Bildnachweise:Beiten�Burkhardt�(37�o.);�DAAD�(10);�DAAD/David�Ausserhofer�(40);�dpa�(18);�Fachhochschule�Erfurt�(13,�14);�Fotolia�(27,�28);�Golos�Ukrainy�(37�u.);�Hochschule�für�Wirtschaft�und�Recht�Berlin�(21�l.);�Ove�Kjönsvik�(34);�Eric�Lichtenscheidt�(4);�Martin-�Luther-Universität�Halle-Wittenberg�(32,�33);�Mohyla-Akademie�Kiew/Vladyslav�Burbela�(29�l.,�30,�31�u.);�Presse�amt�Münster�(15�l.);�privat�(Titel,�7,�12,�17�o.,19,�20,�21�r.,�22,�23,�26,�29�r.,�31�o.,�43);�Universität�Münster/Jens�Heinemann�(15�r.);�Universität�Passau�(16,�17�u.);�Universität�Regensburg�(24,�25);�Universität�Rostock�(38,�39);�Violetta�Dirimanova�(41);�Yurudychna�Gazeta�(35)

Gestaltung und Satz axeptDESIGN�GbR,�Berlin�|�www.axeptdesign.de

Druck Brandenburgische�Universitätsdruckerei�und�Verlagssgesellschaft,�Potsdam�März�2011�–�500�©�DAAD�Printed�in�Germany

Diese�Publikation�wird�aus�Zuwendungen�des�Auswärtigen�Amtes�finanziert.

Kontakt im DAAD Ljuba�Konjuschenko�Referat�322��Moldau,�Rumänien,�Ukraine,��Länderübergreifende�Programme�Osteuropa,�„Go�East“

Tel:� +49�228�/�882�851�Fax:�+49�228�/�882�9851

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