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Technische Universität Darmstadt FB 2 Institut für Politikwissenschaften Semester Veranstaltungstitel Dozent/in: Titel Vorname Nachname Hausarbeit Demokratisierung transnationaler Politik durch Nichtregierungsorganisationen? 31.03.2009 vorgelegt von Vorname Nachname Anschrift Matrikelnummer Studiengang Fachsemester E-Mail-Adresse

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Technische Universität Darmstadt FB 2 – Institut für Politikwissenschaften Semester Veranstaltungstitel Dozent/in: Titel Vorname Nachname

Hausarbeit

Demokratisierung transnationaler

Politik durch

Nichtregierungsorganisationen?

31.03.2009

vorgelegt von Vorname Nachname

Anschrift

Matrikelnummer Studiengang

Fachsemester E-Mail-Adresse

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Gliederung

1. Einleitung – Problemaufriss ..................................................................... 2

2. Demokratiedefizite transnationaler Politik .............................................. 3

2.1 Ein demokratischer Maßstab ....................................................................................... 3

2.2 Ein Lagebericht: Forschungsstand und Schlussfolgerungen ......................................... 4

2.3 Zwischenfazit ............................................................................................................... 7

3. Der Beitrag von NGOs zur transnationalen Demokratisierung ................. 9

3.1 Begriffsbestimmung: was sind NGOs? ......................................................................... 9

3.2 NGOs und transnationale Demokratisierung ............................................................. 10

4. Schlussbemerkung ................................................................................. 15

5. Literatur ................................................................................................. 16

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1. Einleitung – Problemaufriss

„Die Legitimationsdecke internationaler Politik ist dünn.“ Mit diesen Worten fasst

Ansgar Klein (2002: 4) das Problem des Demokratiedefizites auf globaler Ebene

zusammen. Überhaupt gibt es einige Anzeichen dafür, dass die Demokratie heute in die

Enge getrieben ist – in die Enge getrieben von einer wirtschaftlichen Globalisierung

und einer ihr auf den Fuß folgenden Entstaatlichung von politischen Entscheidungen

(vgl. hierzu Bunkhorst 2002).

Globale Mächte reduzieren auf der einen Seite die Fähigkeit der Bürger, auf der

nationalen Ebene demokratischen Einfluss auszuüben, auf der anderen Seite gibt es

auf globaler Ebene keine Institutionen, die nach gängigem Verständnis demokratisch

genannt werden könnten (Streeten 2001: 115f, zit. nach Brunkhorst 2002: 171f). Dass

eben solche Institutionen nötig wären, ist augenscheinlich, denke man an die

zunehmende Zahl inter- oder supranational geregelter Sachverhalte1. Neben der

Globalisierung der „heterarchischen Netzwerke von Kapital und Macht“ (Brunkhorst

2002: 173) hat sich ein Weltrechtssystem entwickelt, dem sich Staaten kaum bzw. nur

unter hohen Austrittskosten entziehen können, wobei fraglich ist, inwieweit die in den

Entscheidungszentren der globalen Ebene getroffenen Beschlüsse demokratisch

legitimiert sind bzw. inwieweit die von ihnen Betroffenen Einfluss auf den

Entscheidungsprozess ausüben konnten.

Wenn mit dieser Entkopplung der Politik von den Nationalstaaten nicht

gleichzeitig eine Entdemokratisierung von Herrschaft einhergehen soll, ist eine

Demokratisierung der inter- bzw. supranationalen Institutionen und Organisationen

unerlässlich (Gusy 2000: 132). Ob und wie genau diese Demokratisierung möglich ist,

ist gegenwärtig ein äußerst zentrales Thema der Politischen Theorie sowie der

Internationalen Beziehungen.

Auch die vorliegende Arbeit beschäftigt sich mit der Frage nach der Möglichkeit

einer transnationalen Demokratisierung, speziell mit der Fragestellung, ob und wenn ja

wie Nichtregierungsorganisationen (NGOs – Non-Governmental-Organizations) zur

1 Als ein Beispiel unter vielen sei angeführt: ca. 50% der Gesetze, die in Frankreich Gültigkeit erlangen, sind lediglich Umsetzungen

von Maßnahmen, die auf Ebene der Europäischen Union entschieden wurde (Majone 1996: 59, zit. nach Zürn 1998: 232)

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Demokratisierung des internationalen Systems beitragen können. Im Speziellen möchte

ich auf Hauke Brunkhorsts (2002: 184ff) Hoffnung der Herausbildung einer starken

Weltöffentlichkeit und die Rolle von NGOs in Bezug auf diese eingehen.

Hierbei werde ich zunächst die Problematik des internationalen

Demokratiedefizits beschreiben und erläutern, um aufzuzeigen, wo genau die

angesprochene Problematik liegt und woraus diese entsteht (siehe hierzu Punkt 2:

Demokratiedefizite transnationaler Politik). Hierfür ist es nötig, einen Maßstab zu

entwickeln, an dem man den Demokratiegehalt der derzeitigen Ordnung festmachen

kann (2.1 Ein demokratischer Maßstab). Im dritten Abschnitt dieser Arbeit werde ich

die Möglichkeiten einer Demokratisierung durch NGOs erörtern (siehe hierzu Punkt 3:

Der Beitrag von NGOs zur transnationalen Demokratisierung), wobei es vorerst

notwendig ist, den oft schwammig benutzten Begriff „NGO“ zu spezifizieren (3.1

Begriffsbestimmung: was sind NGOs?), um das zentrale Objekt meiner Analyse

einzugrenzen. Letztendlich werde ich meine Ergebnisse in einer Schlussbemerkung

(siehe hierzu Punkt 4: Schlussbemerkung) zusammen fassen.

2. Demokratiedefizite transnationaler Politik

2.1 Ein demokratischer Maßstab

Will man das durch die Entstaatlichung von Politik entstehende Demokratiedefizit

erläutern und beurteilen und zudem die Möglichkeiten einer Demokratisierung durch

NGOs beurteilen, muss in einem ersten Schritt bestimmt werden, was unter dem

Begriff „Demokratie“ verstanden werden soll. Schließlich gibt es eine Vielzahl

unterschiedlicher Demokratietheorien (vgl. Massing/Breit 2006), von denen viele unser

heutiges Demokratieverständnis prägen.

Dieses Demokratieverständnis beruht im Zentrum auf drei Pfeilern: (1) Zum

einen gehen die meisten Demokratietheorien von dem Leitbild aus, dass die Stimmen

all jener Personen in politischen Entscheidungen einbezogen werden, deren Interessen

von diesen Entscheidungen betroffen sind (Betroffenheitsprinzip). (2) Ein zweites,

weniger allgemeines Prinzip, das ebenfalls die meisten Demokratietheorien

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einbeziehen, ist das Selbstgesetzgebungsprinzip, nach dem sich Bürger nur jenem

Recht unterwerfen müssen, als dessen Autoren sie sich verstehen können. (3)

Schließlich beruhen viele Demokratietheorien auf der Vorstellung, dass die persönliche

Integrität des Individuums geschützt werden muss, was u.a. auch die Möglichkeit zur

Verwirklichung persönlicher Projekte und die gerechte Verteilung von Ressourcen und

Chancen beinhaltet (Integritätsprinzip) (Gabriёls/Kreide 2002: 337).

Für meine Untersuchung möchte ich zusätzlich zu diesen eher allgemeinen

Annahmen der Demokratietheorie neuere Überlegungen hinzuziehen: (4) hierzu zählt,

dass politisches Handeln erst dann als demokratisch angesehen werden kann, wenn es

effektive Problemlösungen ermöglicht (Output-Legitimation) und wenn (5) eine

Transparenz der Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse besteht, sowie die

Handlungsfolgen eindeutig zugeordnet werden können (Accountability) (Auel 2002:

194).

Zudem setzen demokratische Prozesse voraus, dass die Personen, die am

Entscheidungsprozess beteiligt sind, insofern eine kollektive Identität aufweisen, eine

„Wir-Identität“ (Elias 1997, zit. nach Scharpf 1998: 232), dass sie neben des

Maximierens ihres eigenen Nutzens zudem ein Interesse an der Förderung des

Gemeinwohls haben und sich gegenseitig als autonome Akteure anerkennen. Dies ist

von Wichtigkeit in Bezug auf die Entfaltung einer deliberativen Komponente der

Demokratie, da ein öffentlicher Diskurs im Sinne der Suche nach dem richtigen Weg

nur möglich ist, wenn gemeinsame Interessen existieren (Zürn 1998: 239). Zudem

fördert diese kollektive Identität, dass Mehrheitsvoten nicht als Fremdherrschaft

empfunden, sondern als kollektive Selbstbestimmung, auch wenn sie den eigenen

Interessen zuwider laufen (Scharpf 1998: 232).

2.2 Ein Lagebericht: Forschungsstand und Schlussfolgerungen

Solange das gesellschaftliche Zusammenleben vornehmlich im Rahmen des

Nationalstaates organisiert wurde, konnte man den genannten Prinzipien mehr oder

minder gerecht werden. Durch die ökonomische, gesellschaftliche und politische

Globalisierung besteht jedoch die Gefahr der Untergrabung der genannten

demokratischen Leitbilder (Gabriёl/Kreide 2002: 337f).

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Diese Gefahr erstreckt sich in zwei Sphären: zum einen betreffen scheinbar

„lokale“ politische oder auch ökonomische Entscheidungen immer mehr Menschen,

man denke z.B. an politische Entscheidungen im Bereich der Ökologie: So sind z.B. vom

Klimawandel nicht nur dessen Verursacher betroffen, sondern in gleichem Maße auch

Personenkreise, die keinerlei Einfluss auf den jeweiligen Entscheidungsprozess hatten

(Gabriёl/Kreide 2002: 338; Roth 2005: 80), zum anderen haben die Bürger der

Nationalstaaten durch eine Entstaatlichung der Politik, d.h. eine Verlagerung politischer

Entscheidungen von der nationalen Ebene auf die supra- bzw. transnationale, die ja

gerade der besseren Bearbeitung grenzübergreifender Probleme dienen soll und in der

die Entscheidungsfindung vorrangig innerhalb von multilateralen

Verhandlungssystemen bzw. Netzwerken geschieht, immer weniger Einfluss auf

Entscheidungen, von denen sie jedoch maßgeblich betroffen sind (Scharpf 1998: 230;

Roth 2005: 80; Held 1996: 223; vgl. hierzu auch Curbach 2003: Kap. 2). So wird in der

Literatur sowie in der Öffentlichkeit häufig bemängelt, dass internationale Institutionen

zunehmend verbindliches Recht für demokratische Gesellschaften setzen, die

Entscheidungen jedoch von nicht gewählten Diplomaten, Bürokraten, Experten sowie

Vertretern multinationaler Unternehmen getroffen werden. Diese sind nur indirekt

über gewählte nationale Regierungen demokratisch legitimiert, wobei die

Legitimationsketten hinsichtlich der Tragweite der getroffenen Entscheidungen

eindeutig zu lang sind (Brunkhorst 2002: 202; Nanz/Steffek 2007: 88). An dieser Stelle

muss auch darauf hingewiesen werden, dass durch die Verlagerung von

Entscheidungen auf die Ebene oberhalb der Nationalstaaten die „Legislativmacht der

Exekutivorgane“ (Brunkhorst 2002: 174) wächst und somit einem entscheidenden

Prinzip aller westlichen Demokratien – der Gewaltenteilung – widersprochen wird. Der

Einfluss der jeweiligen Legislativen der Nationalstaaten wird hier auf eine Ja-/Nein-

Entscheidung reduziert, da nationale Akteure wie beispielsweise die Parlamente mit

fertigen Verhandlungspaketen konfrontiert werden, welche sie aufgrund der

Unmöglichkeit der Nachverhandlung nicht substantiell verändern können (vgl. Auel

2005). Ebenso lässt sich die Verabschiedung von Resolutionen im UN-Sicherheitsrat

beurteilen, die neues Recht schaffen, aber nicht von einer gesetzgebundenen

Legislative beschlossen werden, sondern von einem „absolutistischen Potentat“

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(Brunkhorst 2002: 194). Da diese Resolutionen darüber hinaus häufig direkt innere

Angelegenheiten von Nationalstaaten betreffen, insbesondere wenn es sich um

Resolutionen bezüglich der Wiederherstellung von Frieden und Sicherheit handelt,

stehen sie unter Verdacht, die Souveränität der betroffenen Nationalstaaten zu

untergraben (vgl. zum Souveränitätsverlust, Maus 2002). Der Einfluss der Bürger wird

ferner dadurch entscheidend vermindert, dass sich die Wirtschaft, vorrangig

transnationale Konzerne, mittels des weltweiten Freihandels aus der gesellschaftlichen

Kontrolle entwindet (Altvater 1997: 240; Brunkhorst 2002: 159). So merkt auch

Brunkhorst (2002: 178) an, dass transnationale Konzerne über ein erhebliches

Drohpotential im Zuge der Konkurrenz der Nationalstaaten um Direktinvestitionen

verfügen und somit ihre Interessen nicht nur gegenüber Drittweltländern, sondern

auch immer häufiger gegenüber mächtigen Organen wie der US-Regierung durchsetzen

können. Offensichtlich laufen diese Umstände sowohl dem oben erläuterten

Selbstgesetzgebungsprinzip als auch dem Betroffenheitsprinzip zuwider.

Auch hinsichtlich des Integritätsprinzips bestehen Diskrepanzen, zum einen

innerhalb der Staaten selbst, weil es den Nationalstaaten aufgrund der eben

beschriebenen Herausforderung des Standortwettbewerbs schwer fällt, sozialstaatliche

Strukturen aufrecht zu erhalten und sie zur Verbesserung der Standortqualität mittels

einer Senkung der Produktionskosten gezwungen sind, Lohnnebenkosten zu senken

und in der Konsequenz aufgrund fehlender Mittel nicht in der Lage sind, mithilfe von

keynesianischer Nachfragestimulation positiv auf die nationale Wirtschaft einzuwirken

und diese in sozialverträgliche Bahnen zu lenken (Brunkhorst 2002: 150; Scharpf 1998:

228), zum anderen auf globaler Ebene, da zwar die gesamte Weltbevölkerung von den

Leistungen der Funktionssysteme wie z.B. der Wirtschaft, der Technologie und der

Schulen abhängig ist, jedoch nur eine Minderheit effektiven Zugang zu eben diesen

Leistungen hat (Brunkhorst 2002: 162). In der Konsequenz kann von einer gerechten

Verteilung von Ressourcen und Chancen und somit von der Erfüllung des

Integritätsprinzips nicht die Rede sein.

Ein weiteres Problemfeld stellt die Form der Entscheidungsfindung auf

internationaler Ebene dar. Wie eingangs erwähnt, ist der politische Aktionsmodus hier

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die Verhandlung2, die in den meisten Fällen unter Ausschluss der Öffentlichkeit

stattfindet, womit eine Transparenz der Entscheidungsprozesse ausgeschlossen ist

(Held 2007: 219). Es wird zudem deutlich, dass es bei Entscheidungen durch

multilaterale Verhandlungen nicht möglich ist, einen einzelnen Akteur zur politischen

Verantwortung zu ziehen, da keiner der Verhandlungsteilnehmer das Ergebnis der

Verhandlung einseitig bestimmt hat. Dementsprechend ist nicht mehr überschaubar,

welche Akteure in welcher Weise an Entscheidungen beteiligt waren (Scharpf 1998:

230). Deutlich wird, dass hier dem Prinzip der Accountability nicht entsprochen wird.

Hinsichtlich der Güte der aus Verhandlungsprozessen entstandenen

Politikergebnisse ist allgemein anzumerken, dass diese von unterschiedlichen Faktoren

abhängig ist: Eine sehr zentrale Stellung nehmen die Arten von Konflikten ein. In der

Literatur wird unterschieden zwischen Koordinationsspielen, Kooperationsspielen und

Konfliktspielen. Blockadesituationen oder suboptimale Kompromisslösungen sind vor

allem bei Konfliktspielen zu erwarten, bei denen vollkommen entgegengesetzte

Interessen gegeben sind und aus diesem Grund der Gewinn des einen Akteurs einen

Verlust des anderen impliziert (Raabe 2000: 46)3. Dies macht das Zustandekommen von

guten Politikergebnissen vor allem dann schwer, wenn es um Umverteilung und damit

um die Erfüllung des Integriätsprinzips geht.

2.3 Zwischenfazit

Im vorherigen Abschnitt wurde deutlich, dass gemessen an dem zugegebenermaßen

sehr starken Maßstab demokratische Defizite im Hinblick auf

(1) das Betroffenheitsprinzip

(2) das Selbstgesetzgebungsprinzip

(3) das Integritätsprinzip

(4) der Transparenz der Willensbildungs- und Entscheidungsverfahren bzw. des

Accountability-Prinzips

und beschränkt auch hinsichtlich

2 In der internationalen Politik werden heute über 300 Verhandlungssysteme gezählt (Walk 2006: 5).

3 Bei Koordinationsspielen stimmen die Interessen der unterschiedlichen Akteure überein. Somit geht es nur noch um eine

Abstimmung des Verhaltens, um das bestmögliche Ergebnis zu erzielen. Ein Koordinationsspiel ist gegeben, wenn eine Einigung zwar für alle Betroffenen von Vorteil wäre, jedoch einen Konflikt über die Verteilung der Gewinne und Kosten besteht (Raabe 2000: 45f).

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(5) der Output-Legitimation

bestehen. In diesem Zusammenhang ist auch die Frage zu stellen, inwieweit westliche

Demokratien überhaupt noch demokratisch genannt werden können, wenn ein

Großteil der in den Parlamenten verabschiedeten Gesetzen von supra- bzw.

internationalen Institutionen vorgegeben werden (Beck 1998: 32).

Schlussfolgern lässt sich hieraus, wie sich die Verfahren der Entscheidungsfindung auf

internationaler Ebene verändern müssten, um diese demokratischen Defizite zu

mildern. Zum einen müssten die von Entscheidungen Betroffenen stärker in die

Entscheidungsfindung einbezogen werden und es müsste gewährleistet sein, dass die

Interessen dieser Betroffenen in den politischen Entscheidungsprozess einfließen, was

einer öffentlichen Deliberation bedarf. Um darüber hinaus das Integritätsprinzip zu

wahren, müsste auf der einen Seite innerhalb der Nationalstaaten eine faire Verteilung

von Chancen und knappen Ressourcen gegeben sein, wozu effiziente sozialstaatliche

Strukturen nötig wären. Dies scheint vor allem vom Standortwettbewerb verhindert zu

werden. Damit die Transparenz der Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse

sichergestellt werden kann, muss es auf der einen Seite innerhalb der Verhandlungen

Akteure geben, die Informationen nach außen tragen, auf der anderen Seite muss eine

für diese Informationen sensible Öffentlichkeit bestehen, welche diese Informationen

aufnimmt und verarbeitet. Dem Problem der fehlenden Accountability liegt wie oben

bereits angedeutet der Entscheidungsmodus des Verhandelns zugrunde und ihm kann

wohl ohne eine Veränderung dieses Modus nicht gänzlich begegnet werden.

Im folgenden Abschnitt gilt es nun aufzuzeigen, ob und wenn ja wie NGOs in der Lage

sind, auf die soeben erläuterte oder auch auf andere Art und Weise, die genannten

Defizite zu mildern oder gar zu beheben. Hoffnungen liegen hierbei in der Ausbildung

einer „starken Öffentlichkeit“, d.h. einer Öffentlichkeit, die „[…] über die strukturelle

Kopplung von Meinungsäußerungen, provokanten Aktionen, zivilem Ungehorsam und

Demonstrationen mit Musterprozessen und Gerichtsurteilen die Konkretisierung

bürger- und sogar völkerrechtlicher Normen effektiv durchsetzen […]“ kann (Brunkhorst

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2002: 186, Hervorhebungen dort). Folgerichtig wird es auch darum gehen, zu

untersuchen, ob NGOs in der Lage sind, zur Herausbildung einer solchen starken

Öffentlichkeit beizutragen.

3. Der Beitrag von NGOs zur transnationalen Demokratisierung

3.1 Begriffsbestimmung: was sind NGOs?

Obwohl NGOs bzw. Nichtregierungsorganisation schon seit einigen Jahren im Interesse

der Forschung und der Öffentlichkeit liegen, herrscht heutzutage immer noch ein

terminologisches Durcheinander und eine einheitliche Begriffsverwendung hat sich

bisher nicht durchgesetzt. Die Bezeichnung Nicht-Regierungsorganisation kann

zunächst lediglich das Gegenteil von Regierungsorganisation bedeuten, wobei dann ein

sehr breites Begriffsverständnis vorliegt (Klein/Walk/Brunnengräber 2005: 14). Eine

normative und quasi idealtypische Konstruktion des Begriffs bietet Wahl (1997: 313),

nach der NGOs (1) aus einem freiwilligen Zusammenschluss entstehen, (2)

parteipolitisch unabhängig sind, (3) nicht an wirtschaftlichem Gewinn orientiert sind,

(4) sich nicht an den Eigeninteressen ihrer Mitglieder orientieren, (5) nicht exklusiv

sind. Es ist zu vermuten, dass in der Realität wenn überhaupt nur wenige NGOs diesen

hohen Anforderungen entsprechen.

Möchte man sich mit dem Wirken von NGOs beschäftigen, muss daher vorab

geklärt werden, um welche Organisationen es sich im Speziellen handelt und ein

Sortieren der unterschiedlichen Formen der NGOs kann lohnenswert sein. So werden

zum Beispiel aus staatlichen Organisationen ausgelagerte NGOs als QUANGOS

bezeichnet, von Regierungen stark gesteuerte Nichtregierungsorganisationen als

GRINGOS (Government Run/Inspired NGOs), von Regierungen ins Leben gerufene und

kontrollierte NGOs als GONGOS (Governmental Organized NGOs) und

fremdressourcenabhängige NGOs als FUNGOS (Foreign Funded NGOs)

(Klein/Walk/Brunnengräber 2005: 14). Es wird an dieser Stelle deutlich, dass man nicht

von vorneherein von einer Orientierung an Gemeinnützigkeit und einer

stellvertretenden Interessenwahrnehmung in Bezug auf NGOs ausgehen darf, sondern

dass man zunächst evtl. Abhängigkeitsverhältnisse und auch Eigeninteressen der

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Mitglieder von NGOs berücksichtigen muss.

Für meine Analyse scheint es ratsam, statt der o.g. Negativdefinition einen

analytisch genaueren und damit auch engeren Begriff zu verwenden. Schließlich haben

nicht alle Nichtregierungsorganisationen demokratische Ziele und nach der genannten

allgemeinen Definition als Gegenteil von Regierungsorganisation gelten auch

beispielsweise die Internationale Handelskammer, der Ku Klux Klan oder die Mafia als

NGO (Brunkhorst 2002: 213). Im Folgenden verstehe ich in Anlehnung an Joachim

Hirsch (1999: 3) unter NGO’s Organisationen, die folgende Eigenschaften aufweisen: (1)

Non-Profit-Orientierung, (2) stellvertretende Interessenwahrnehmung, (3) finanzielle

Unabhängigkeit von Staatsapparaten und wirtschaftlichen Unternehmen.

3.2 NGOs und transnationale Demokratisierung

Nachdem ich die Problematik des Demokratiedefizits des transnationalen Regierens

aufgezeigt und definiert habe, was ich unter NGOs im Folgenden verstehe, werde ich

mich nun der zentralen Frage widmen, ob und inwiefern NGOs zu einer

Demokratisierung transnationaler Politik beitragen können. Darüber hinaus ist zu

prüfen, ob NGOs selbst demokratische Legitimität für sich beanspruchen können und

ob ihr Handeln Wirkung zeigt im Hinblick auf Ergebnisse transnationaler Politik.

Auch wenn sich an der demokratischen Legitimation der

Entscheidungsverfahren innerhalb der transnationalen Politik alleine durch die

Anwesenheit oder das Wirken von NGOs nichts ändert, trägt die Arbeit eben dieser

NGOs dennoch dazu bei, Interessen an die Verhandlungssysteme heranzutragen und so

zumindest die Inhalte der politischen Verhandlungen mitzubestimmen (Curbach 2003:

136). So wurde beispielsweise im Rahmen der Vereinten Nationen zumindest für eine

Teilnahme von NGOs im Wirtschafts- und Sozialrat (ECOSOC) der UN eine

Konsultationspraxis eingerichtet, die auf gestaffelten Teilnahmerechten aufbaut: Je

nach Arbeitsschwerpunkt werden Nichtregierungsorganisationen in eine von drei

Gruppen mit unterschiedlich weit reichenden Partizipationsmöglichkeiten an

Entscheidungsprozessen eingeteilt (Walk 2006: 8). Erhält eine

Nichtregierungsorganisation den allgemeinen Konsultativstatus, so darf sie Vorschläge

zur Tagesordnung machen und Vertreter zu öffentlichen Sitzungen entsenden. Eine

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Organisation mit besonderem Konsultativstatus wird im Unterschied zum allgemeinen

Konsultativstatus kein Einfluss auf die Tagesordnung eingeräumt, Anhörungen werden

nur in Einzelfällen zugelassen und schriftliche Stellungnahmen dürfen einen Umfang

von 1500 Wörtern nicht überschreiten. Der niedrigste Status, der Roster-Status, erlaubt

hingegen keine weiteren Rechte. NGOs mit diesem Status werden nur in bestimmten

Einzelfällen zur Konsultation herangezogen (Klein/Walk/Brunnengräber 2005: 44). Auch

in weiteren internationalen Organisationen wie z.B. der Weltbank oder anderer

Unterorganisationen der UN können NGOs einen Beraterstatus erlangen. Dabei muss

jedoch bedacht werden, dass es immer noch von den Nationalstaaten, i.d.R. von deren

Regierungen, bzw. von internationalen Organisationen abhängt, ob und auf welche

Weise es Nichtregierungsorganisationen gestattet ist, sich in Entscheidungsgremien

einzubringen. Deutlich wird dies, da NGOs in erster Linie in so genannten „weichen

Themenfeldern“ – beispielsweise Menschenrechte, Frauenbewegungen, Umwelt –

einbezogen werden, während sie weitgehend ausgeschlossen bleiben, wenn es um

internationale Wirtschafts- oder Finanzpolitik geht (Klein/Walk/Brunnengräber 2005:

59). Zudem besteht auch bei den Themenfeldern, in denen NGOs grundsätzlich

zugelassen werden, eine starke Selektivität im Hinblick auf die akzeptierten NGOs

(Curbach 2003: 48). Es verwundert somit nicht, dass darüber hinaus Vorschläge von

NGOs nur dann in entscheidenden Texten auftauchen, wenn sie von Regierungen

aufgegriffen werden (Curbach 2003: 10). Trotz dieser Einschränkungen machen NGOs

auf zuvor nicht beachtete Interessen aufmerksam und auch in Fällen, in denen sie nicht

direkt an Verhandlungen teilnehmen, ist ihr Einfluss nicht annulliert, da sie neben des

direkten Einwirkens auf Verhandlungsprozesse auch durch das Aktivieren einer breiten

Öffentlichkeit wirken. In diesem Zusammenhang sei auf die Verhinderung der

Verabschiedung des Multilateralen Investitionsabkommens (MAI) im Jahre 1998

hingewiesen, bei der eine Koalition aus unterschiedlichen NGOs auf Missstände des

MAI öffentlich aufmerksam und so eine Verabschiedung auch hinter verschlossenen

Türen unmöglich machte (Altvater/Brunnengräber 2002: 11).

Anschaulich wird aus dem Beschriebenen, dass NGOs durch das Einbringen

neuer Interessen, Blickwinkel und politische Alternativen die Erfüllung des

Betroffenheitsprinzips im Hinblick auf transnationales Regieren zumindest partiell

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verbessern. Partiell, weil auch durch das Wirken von NGOs keinesfalls gewährleistet ist,

dass die Interessen aller Betroffenen in Entscheidungsprozesse Eingang finden. Dies hat

mehrere Ursachen: Untersucht man zum einen die Beschaffenheit des Spektrums der

an trans- bzw. internationalen Entscheidungs- und Willensbildungsprozessen

beteiligten Nichtregierungsorganisationen, wird man feststellen, dass es auch innerhalb

dieses Spektrums entscheidende Unterschiede gibt, was die Macht- und

Ressourcenausstattung der unterschiedlichen NGOs anbetrifft. Augenscheinlich

existiert auch hier ein Nord-Süd-Gefälle, das sich in erster Linie darin zeigt, dass es Süd-

NGOs an den finanziellen Ressourcen für eine fruchtbare Mitarbeit innerhalb der

Entscheidungsgremien fehlt4 (Walk 2006: 8). Diese Süd-NGOs sind in vielen Fällen von

der Subventionierung von Seiten der Nord-NGOs abhängig, womit es neben den

Nationalstaaten und internationalen Organisationen die Nord-NGOs sind, die über

Teilnahme oder Nichtteilnahme aber auch einer medienwirksamen Präsentation von

Süd-NGOs und der von Ihnen präsentierten Interessen entscheiden (Schmidt/Take

1997: 19, zit. nach Curbach 2003: 139). Von einer Chancengleichheit der Interessen

kann demnach nicht die Rede sein. Zudem sind Nichtregierungsorganisationen

aufgrund generell fehlender materieller Ressourcen von der Medienindustrie abhängig,

wenn es darum geht, eine breite Öffentlichkeit zu mobilisieren, was sich unter anderem

darin zeigt, dass nachhaltige und damit auch unspektakuläre Projekte nur selten

medienwirksam in Erscheinung treten (Hirsch 1999: 11f). In der Konsequenz ist nicht

bei allen Interessen gleichsam eine wirksame mediale „Vermarktung“ und damit eine

effektive Öffentlichkeitsmobilisierung möglich.

Aus dem soeben Aufgezeigten lässt sich auch folgern, dass alleine durch die

Arbeit von Nichtregierungsorganisationen das Selbstgesetzgebungsprinzip auf

internationaler Ebene zumindest unter den gegebenen institutionellen

Rahmenbedingungen nicht verwirklicht wird, da dieses nur dann als erfüllt angesehen

werden kann, wenn garantiert ist, dass die von politischen Entscheidungen Betroffenen

zumindest die Möglichkeit haben, diese politische Entscheidungen zu verhindern, oder

- interpretiert man das Selbstgesetzgebungsprinzip ein wenig abgeschwächt – die

4 Ungefähr 80% der transnational tätigen NGOs haben ihren Hauptsitz in Europa oder Nordamerika, während in Afrika nur 5% der

transnational tätigen NGOs beheimatet sind (Curbach 2003: 140)

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Betroffenen in der Weise in einer „Weltgesellschaft“ integriert sind, sodass eine

kollektive „Wir-Identität“ gemeinsam mit ausgestalteten deliberativen Prozessen das

Auffassen dieser Entscheidungen als kollektive Selbstbestimmung ermöglicht. Dies

würde jedoch voraussetzen, dass entweder institutionell verankerte oder aber durch

öffentliches Einwirken realisierte Mitbestimmungsbefugnisse, und zwar in allen

politischen Themenfeldern, der betroffenen Personen realisiert wären – dann wäre

allerdings die Diskussion über ein Demokratiedefizit transnationalen Regierens

höchstwahrscheinlich obsolet – oder aber zumindest dass die eben erwähnte

„Weltgesellschaft“ mit einer kollektiven Identität vorhanden wäre.

Ersteres spricht Brunkhorst (2002: 184ff) im Sinne einer „starken Öffentlichkeit“

an. Die zunehmende globale kommunikative Vernetzung, bei der ein Ausschluss eher

die Ausnahme darstelle, so Brunkhorsts Hoffnung, wirke positiv auf die Herausbildung

einer solchen „starken Öffentlichkeit“. Hier zeigt sich trotz der eben genannten

Einwände ein Wirkungsfeld von NGOs, da die Konstituierung einer solchen

Öffentlichkeit und einer Weltgesellschaft den Zugang der Bürger zu sachgerechten

Informationen voraussetzt, wobei NGOs eine zentrale Bedeutung einnehmen könnten.

Denn zum einen wirken Nichtregierungsorganisationen als „Transmissionsriemen“

(Nanz/Steffek 2007: 95) in dem Sinne, dass sie Interessen in Entscheidungsforen

einbringen, zum anderen leiten Nichtregierungsorganisationen aber auch

Informationen – wie oben bereits angedeutet – zurück an die zivilgesellschaftliche

Basis, wobei sie diese häufig sehr komplexen Informationen aufbereiten, konkretisieren

und somit für den Bürger handhabbarer machen. Offensichtlich ist jedoch auch, dass

für die effektive Konstituierung einer „starken Öffentlichkeit“ sichergestellt sein muss,

dass ein möglichst großer Personenkreis in Besitz dieser Informationen gelangt.

Eingeschränkt wird dies nicht zuletzt durch die bereits erläuterte Abhängigkeit von der

Medienindustrie.

Demgemäß machen Nichtregierungsorganisationen internationale

Politikprozesse durchschaubarer, wirken daher positiv auf die Transparenz der

Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse ein und verbessern auch die

Zurechenbarkeit von Verhandlungsergebnissen, wobei man die zuvor erläuterte

institutionelle Grenze der Zurechenbarkeit aufgrund des Entscheidungsmodus der

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Verhandlung im Blick behalten muss.

Zu alledem verfügen Nichtregierungsorganisationen häufig über

(wissenschaftlichen) Sachverstand, an dem es bürokratisierten Staatsapparaten

mangelt (Hirsch 1999: 11). Wenn sie in der Lage sind, diesen Sachverstand in

Problemlösungs- und Entscheidungsprozesse einzubringen, kann dies zu einer

erhöhten Qualität der Problemlösungen führen und somit die Output-Legitimität der

politischen Entscheidungen gesteigert werden.

Nun bleibt die Frage nach dem demokratischen Mandat der NGOs. Kritiker

werfen ihnen häufig vor, sie seien nicht durch Wahlen legitimiert, was augenscheinlich

richtig ist (Klein 2002: 4). Demzufolge fehlt ihnen nach einer rein liberalen

Demokratieauffassung von vorneherein der Anspruch auf demokratisch legitimiertes

Handeln. Die Frage nach der Legitimität der Nichtregierungsorganisationen auf der

internationalen Ebene ist von Grund auf diffiziler als die Frage nach der Legitimität von

Interessenorganisationen auf staatlicher Ebene, da die Arbeit von NGOs im

internationalen Raum (noch) nicht durch gesetzliche Rahmenbedingungen reguliert ist

(Curbach 2003: 137). In Anbetracht dessen kann diese Kritik nicht einfach von der Hand

gewiesen werden, vor allem nicht, wenn man die in Abschnitt 3.1 dargelegten

Überlegungen in Bezug auf Abhängigkeitsverhältnisse miteinbezieht.

Allerdings drängt sich hinsichtlich der in Abschnitt 2.2 beschriebenen

defizitären Lage der internationalen Politik in demokratischer Hinsicht die Überlegung

auf, ob diese Kritik tatsächlich gerechtfertigt ist. Schließlich sind es ja gerade NGOs,

welche die strukturellen Legitimationsprobleme der internationalen Politik durch ihre

Arbeit offenlegen und zur politischen Willensbildung und Interessenartikulation auf

internationaler Ebene beitragen und zuvor nicht gehörte Interessen auf die politische

Tagesordnung bringen (Klein 2002: 4). Solange Nichtregierungsorganisationen reine

Interessenartikulation betreiben und sie keine verbindlichen Entscheidungen treffen

können, kann behauptet werden, dass NGOs kein Legitimationsproblem haben

(Beisheim 1997: 23, zit. nach Curbach 2003: 137).

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4. Schlussbemerkung

In der vorliegenden Arbeit habe ich zunächst zentrale Überlegungen zum

Demokratiedefizit transnationaler Politik anhand des Forschungsstandes dargelegt.

Dies geschah durch das Ausarbeiten eines demokratischen Maßstabes, anhand dessen

ich in einem nächsten Schritt Möglichkeiten zur Behebung der Probleme aufzeigen

konnte. Als Ergebnis lässt sich hinsichtlich der Frage, ob NGOs zu einer

Demokratisierung des internationalen Systems beitragen können, festhalten, dass sehr

wohl positive Effekte von ihnen ausgehen. Die Quadratur des Kreises gelingt ihnen

dabei jedoch nicht.

Dadurch, dass sie Interessen in Entscheidungszentren einbringen, verhelfen sie

zu einer besseren Erfüllung des Betroffenheitsprinzips, eine Garantie, dass alle

relevanten Interessen berücksichtigt werden, ist hier jedoch keinesfalls gegeben, vor

allem nicht vor dem Hintergrund der Abhängigkeit von den Medien und der ungleichen

Verteilung von Ressourcen innerhalb des NGO-Spektrums.

Im Hinblick auf das Selbstgesetzgebungsprinzip könnten NGOs in Zukunft einen

Beitrag zur Ausgestaltung einer starken Öffentlichkeit leisten. Entscheidend wird hier

aber sein, ob eine breite Öffentlichkeit Zugang zu den von NGOs bereit gestellten

Informationen haben wird und ob sich hieraus deliberative Prozesse entwickeln lassen.

Ebenso muss an dieser Stelle die Medienabhängigkeit der NGOs berücksichtigt werden,

welche ihren Aktionsbereich sicherlich einschränkt.

Deutlich geworden ist, dass die Paradedisziplin der

Nichtregierungsorganisationen das Schaffen von mehr Transparenz bezüglich der

Willensbildungs- und Entscheidungsprozesse ist.

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