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LEBEN Freitag, den 25. April 1969 •. . , Aufnähme: Peter G. WicHmans Diese Aufnahme von Peter Wichmann gehört zu den 522 Bildern der Eröffnung, darüber berichtet). Sie wird in sechs Serien im In- und Aus- „2. Weltausstellung der Photographie", eines gemeinschaftlichen Unter- land gezeigt,:zur Zeit in Bremen, Lausanne, London und Prag. ;Ende die- nehmens der Illustrierten „stern" mit 261 Kunstmuseen aus 36 Ländern, ses Monats wird sie auch im Münchener Stadtmuseum und beim Badi- Die Ausstellung steht unter dem Thema „Die Frau" (die ZEIT hatbei der sehen Kunstv.erein in Karlsruhe eröffnet. 1970/71 geht sie in die USA, Wo man Goldzähne spenden kann... Verrückt oder vernünftig? „Help" schreibt für eine bessere, schönere Welt D ie Zeitschrift sieht flott aus: großes Format, feiner Tiefdruck, attraktive bunte Bilder. Zum Beispiel sitzen da auf einer grünen Wiese ein kleines blondes Mädchen und ein:kleines dun-' kelhäutiges Mädchen und sind in 'den Anblick gelber Dotterblumen versunken; im Bild daneben blickt eine dreckige kleine Rotznase aus einem Fenster. Bildunterschriften: »Wenn. diese. subtile . Artjdes britischen .Vorurteils rmr, ; so-ei-rt:bißchen bösartig wird ..."•— „... wie s'eriäde, daß,eine der zwei Schwestern Emigrant genannt wird." Die,Zeitschrift heißt „Help". Sie erscheint seit gut einem Jahr in London, Vorbilder: hat sie. keine. „Help" ist auch nicht am Kiosk zu haben, man bekommt sie nur im Abonnement. Es ; soll niemand an ihr verdienen. Titel und Titelbilder stellen ein Programm dar. „Help" will helfen allerdings in einem Stil, der das Wohlfahrtsdenken vergangener , Jahr- hunderte weit hinter sich läßt und manche er- graute Försorgerin das Gruseln lehrt. „Help" will helfen aber das Blatt bittet nicht um Almosen und predigt kein Nett-zueinander-Sein, sondern es versucht, den Einzelnen zur^Aktivität. zu reizen. . Am Anfang war die Idee, war auch das Geld. Um das erste zu verwirklichen und das zweite zu erhalten, gründeten zwei Engländer Anfang 1967 die „Community Publications Group Ltd". Es waren Group Captain Leonard Cheshire, der nach dem Krieg eine weltweite private Organi- sation für Körperbehinderte aufgebaut hatte, und Richard Exley, der als freiwilliger Helfer in Südafrika gewesen war. Beiden gelang es, die „International Publishing Corporation" zu inter- essieren, in der an die zweihundert, britische Zei- tungen und Zeitschriften, .darunter der „Daily Mirror", zusammengeschlossen sind. Der Verlag stellte zu großzügigen Bedingungen das Anfangs- kapital. „Help" erscheint alle drei Monate; zur Zeit werden etwa 10 000 Exemplare verkauft. Die wenigsten in der Redaktion sind vom Fach. .Ein Redakteur war früher Vorsitzender der süd- afrikanischen Arbeitslager, ein anderer arbeitete beim „London Look". Dann gibt es noch etliche freie Mitarbeiter, zum Beispiel Kim Redford, der den Premierminister bei einem ; Methodisten-, Gottesdienst einen Heuchler genannt hatte. Seine •ständige Kolumne macht deutlich, was an dieser Zeitschrift so neu ist. Man brauchte sich nur vor- zustellen, eine private deutsche Hilfsorganisation gäbe ein Blatt heraus, auf dessen erster Seite unter der Überschrift „Zur Verteidigung, des Ex- tremismus" über Tomaten, rote Farbe .und Na- palm geschrieben und die (hier sicherlich „bri- tische") Schlußfolgerung gezogen würde, • daß Napalm „irgendwie unfreundlicher und besser : haftend"'sei als rote Färbe. ... Eben das will „Help":'.Kritik an'der'Gesell- schaft, üben und nicht bloß- an> Erscheinungen, die unter dem Rubrüm „Soziales" stattzufinden pfle- gen. '. _ . " . ' ' ,,'Help" informiert auch im voraus über Pro- testmärsche; Doch -bevor Barrikaden errichtet werden,.möchte diese .Zeitschrift sich am, Gegen- teil '. versuchen:' nämlich Mauern einzureißen. Sie will über das-berichten, was Journalisten nor- 1 malerweise wehig zu interessieren pflegt, will die Umwelt unter die Lupe, nehmen, in der man täg- lich viele'Stunden zübring.t, .ohae sie wahrzuneh- men. „Sind wir so verrückt, uns eine Gesellschaft zu wünschen, wo sogar Supermärkte anmutig und schön sind?" Nun, „Help" ist so verrückt, „Help" will die- Gesellschaft verändern: Die Zeitschrift rüttelt . am Establishment, der Humor trieft schwarz, vor allem aber: sie handelt, weil ihr Kritik-allein nicht genügt. , Sie hatte beispielsweise versprochen, die menschliche Umgebung. kritisch . zu betrachten. „Die U-Bahn ist häßlich",, hieß es, „ändert sie!" Es '.folgten viele Anregungen, man zeigte 'das bunte Modell, das eine Gruppe moderner Indu- strie-Designer entworfen hatte, und druckte einen . Auf rufzur Selbsthilfe. Für den besteh Vorschlag wurden- fünfzig- Mark geboten. Fett gedruckte „letzte Meldung" am. Ende des Artikels: Die Verantwortlichen -hätten einen zentralen Lon- doner U-Bahnhof ohne Bedingungen für eine Nacht zur Verfügung gestellt. , Es. wurden „Liebes- und Kriegsgedichte" von Tick, Trick und Track geben Anti-Unterricht Denkübungen in der Entenschule / Von Gisela Stelly W as ist ein Eisberg?" fragt der Schulinspektor die Kinder. Antwort: „Vanilleeis, Schoko- ladeneis und Sahne." „Hm, nenne mir die fünf Erdteile!" Er zeigt auf einen Schüler, der sagt: „Sand, Steine, Wasser, Kalk und Würmer." Und schließlich: „Wie lange hat der Siebenjährige Krieg gedauert?" „Hundert Jahre", „Dreizehn Jahre", „Zwei Jahre", „Achtzig Jahre .... ".„ Sie, hör'n Sie mal!"" empört sich der Klassenlehrer gegen den prüfenden Schulinspektor, „das ist doch viel zu schwierig für die Kleinen!" Diese Szene nicht in dem neuen deutschen Schüler- und Schulfilm, „Ich bin ein Elefant, Madame", zu sehen. Auch ist sie keine Sprach- entspannungsübung wider das Leistungsdenken; vielmehr sitzen hier Tick, Trick und Track in Donald Ducks Meisterschule. ; Donald Duck und'seine Neffen Tick, Trick und Track sind Walt Disneys Schöpfungen —• wie Mickey Mquse. Donald Duck (anpassungsfähig, träumt vom Aufstieg und ist bei jeder Kletter- partie der Gelackmeierte)' bildet mit seinen drei Neffen, .eine Feindstellung. gegen Multimilliardär Dagobert, Donalds geizigen, geldfressenden, stets um sein Kapital bangenden, es aber stetig ver- mehrenden Bruder. Es ist ein Handlungsmuster, . das • sich schon in jahrelangen Fortsetzungen be- währt - hat und auch in der Bundesrepublik in hun.derttausendfächer Auflage verkauft wird. Im neuesten Donald-Duck-Heft („Donald in 1000 Nöten") scheinen die Geschichtenfertiger vom Lernprozeß gelernt zu haben (die Werbe- leute greifen schon seit einiger Zeit in die Revolutipnskiste): Die bundesrepublikanische Schüleraufmüpfigkeit ist in die Entenschule von Entenhaüsen eingezogen. Dabei haben die Strip- texter die utopische Perspektive insoweit .be- herzigt, als sie schon die Schüler der 1. Klasse ideologisch sattelfest agieren lassen. Donald, vielgeplagtes Stehaufmännchen, wird auch diesmal wieder von seinem Bruder Dagobert für kapitalistische Ränke benutzt. Er ist in Enten- hausen von Dagobert zum Pädagogen von Dago- berts Gnaden bestellt worden (aus undurch- sichtigen Gründen findet sich kein Lehrer, der hier unterrichten will), damit das Schulhaus, das einer neuen Eisenbahnlinie weichen sollte, nicht abgerissen werden kann. Dagobert, der eher den verteilen, raunzen Tick, Trick und Track ihm nur entgegen: „Ausbeuter!" Im übrigen ist Verständ- nis zwischen Lehrer und Schülern sonst aber recht gut: „Herr Lehrer, ich konnte die Schul- arbeiten nicht machen. Ich hab' mir beim Qua- dratwurzelziehen den Daumen verletzt!" Lehrer Donald: „So! Dann schick demnächst deinen Bruder in den Garten!" Oder: „Nimm die Tür und geh!" „O. K.", sagt Raudi, hakt die Tür aus und geht. Was Regisseur Peter Zadek seinen neunzehn- jährigen „Ich-bin-ein-Elefant-Madame"-Helden Rull an nonkonformistischen Schülerscherzen im Klassenzimmer abziehen läßt, ist reine Anerken- nungspoliuk für deutsches Schulwesen, verglichen mit den Lehrpraktiken der siebenjährigen Donald-Duck-Schule-Schülern. Wenn Rull im Film sich einen Lichterkranz auf 'den Kopf setzt und den Happy-Birthday-to-You-Gesa.ng an- stimmt, beweist Raudi dem Schulinspektor, daß zwei und zwei gleich eins ist. Der Beweis: „Meine Mutter gibt mir zweimal am Tag eins hinter die Löffel! Macht jedesmal eins! Oder?" Löst Rull im Film jede mathematische Formel exakt nach den Regeln, so beweist Trick auf vorbildliche Weise, daß 35 geteilt durch 5 gleich 16 ist. Auch die Probe, letzter Weg, den Schul- inspektor zu überzeugen, funktioniert: „Ich zähle fünfmal 16 zusammen. Sechs und sechs ist zwölf, 18, 24, 30! Dazu die Einser: 31, 32, 33, 34, 35! Was zu beweisen war!" Auch der humanistische Teil der Bildung wird bewältigt. Während Rull und seine Mitschüler gegen den Lateinunterricht protestieren und Ver- gangenheit und Gegenwart als politische Einheit dem Lehrer unverständlich sehen wollen, hat Donald längst die Lösung gefunden. „Wir machen heute Englisch", sagt er und zeigt den Schülern das Buch. „Aber das ist Latein!" wollen ihn die Schüler belehren. Darauf Donald: „Wißt ihr denn nicht, daß die Lateiner die Engländer der Antike waren?" Ebenso vorbildlich sind die literarischen Lei- stungen: „Wie lange hat Till Eulenspiegel gelebt?" Raudi: „Bis zu seinem Tode!" Und weiter: „Von . wem stammt der berühmte Ausspruch: ,Rast' ich, so rost' ich'?" „Vom Ritter Götz von Ber- lichingen!" , Die Sprache in Entenhausen ist verständlich, Kenneth Patchen besprochen, „erstes Heft einer neuen ..Guerilla-Publikation".' Der italienische Architekt Danilo Dolci schrieb einen langen Ar- tikel über die Zustände ..auf Sizilien, .wo er seit Jahren versucht, den Teufelskreis von Armut, Unwissenheit und religiösem Fanatismus zu durch- brechen. Der Bericht über die Clochards von, Lon- don ist die nüchterne Analyse über die mehV als 35 000: rMenschen, die in London kein Zuhäause haben.,' !; ' '" Der Holzindustrie wird, der Kampf angesagt, weil sie im Süden England zu viele.alte Eichen fällen will. Man zeigt Bilder, alter Fachwerkhäu- ser auf, dem Land, die Verfallen und trotzdem nicht gekauft werden dürfen, weil sie. unter Denkmalschutz stehen;' man beschäftigt sich mit der Mitbestimmung und den haarsträubenden Zuständen in Krankenhäusern, wo.bis.'zu sechzig geisteskranke Kinder in einem Schlafsaal. liegen und wo Toiletten keine Türen haben. Dann fol- gen immer wieder konkrete Hinweise, wo und wie man helfen kann. „Help"' nennt Adressen, wo man Orden oder goldene Zähne spenden kann, weist auf Arbeitslager hin. „Help" hofft auf eine Zukunft, in der es weder Macht noch Status noch Politiker geben wird. Das klingt utopisch und ist auch so gemeint. Die Zeitschrift will beweisen, daß man -— einen Traum im Herzen sehr wohl den Kampf mit den Realitäten aufnehmen und die Übel unserer Gesellschaft mit ihren eigenen Waffen schlagen kann — in diesem Fall mit einer ausgezeichneten graphischen Gestaltung, mit gutem Journalismus, mit Humor. Die Zeitschrift .bekam inzwischen Beifall, wenn auch nicht' durchweg so bärbeißig wie von Mal- colni Muggeridge, der mittlerweile .zu einem .hartnäckigen Verteidiger der bestehenden Ver- hältnisse geworden ist. Er sagte den Heraus- gebern: „Ich bin fest davon überzeugt, daß man nichts Gutes tut, wenn man die .Methoden einer unmoralischen Gesellschaft benutzt, um die Zer- . Störungen ihrer Unmoral wieder auszubessern." Barbara C. Beuys 5 geht in 3p sechs- wis gleich 16! Trick beweist: SSIgeteilt durch 5 ist 16 Staat verkaufen, denn die Eisenbahn durch sein Entenhausen dampfen lassen will, findet die Lücke im Gesetz: Wenn in einer Schule Schüler unterrichtet werden, kann der Staat das Gebäude nicht abreißen. Also opfert sich Doriald den höheren Zielen seines kapitalen Bruders, und in Entenhausen beginnt ein Sehultag mit Schüler- lektionen in antiautoritärem Verhalten. Im Klassenzimmer hängt der wohlbekannte Weisheitsspruch allerdings abgewandelt „Nicht für das Leben, sondern für die Schule lernen wir", und will Lehrer Donald die belieb- ten Saubermach- und Putzarbeiten für Schüler logisch, die Zusammenhänge werden klar und sind nicht verschleiert, und die Kulturkritik ist immanent. Wenn Tick, -Trick und Track „Die Glocke!... von Friedrich von... Schiller!" im Drei-Spalter-Team unter sich aufteilen, dann ist eigentlich alles klar, und jede Schüler-Lehrer- Diskussion über „zeitgenössisch" oder „nicht" ist überflüssig geworden. Auch die von Lehrer Donald angedrohte Strafe „Wer stecken bleibt, mäht drei Jahre lang den Rasen" — ist ein schönes Beispiel für die Bemessungsgrundlage von geistiger Arbeit. , Zum Lesen zu empfehlen auch für Eltern. Es liegt uns viel daran, Sie mit Sangrita „Picante" bekannt zu machen! *f€so urteilt Prof.Dr.med.H.GIatzel: •„Gewürze bringen Freude und Genuß ohne Reue." Kennen Sie schon SANGRITA? Wenn nicht, sollten Sie das bald nachholen. Wenn ja, und wenn Sie ein Freund besonders reichhaltiger Würze sind, dann dürfen wir Ihnen SANGRITA PICANTE vorstellen. Auch SANGRITA PICANTE trinkt man zweihändig zu TEQUILA ESPUELA 42°/o, denn es schmeckt gut und dämpft den Übermut des Alkohols, Wenn Sie SANGRITA PICANTE jzum Herstellen einer Prairie Auster und zum Verfeinern von delikaten Gerichten und Saucen verwenden, dann werden Sie verstehen, warum uns so viel daran liegt, Sie mit SANGRITA PICANTE bekanntzumachen. QAIÜOBHTA Übrigens: uHnbnllMI :en üencnten und baucen SANGRITA PICANTE In Europa gibt es SANG RITA in Deutschland, Belgien, Dänemark, Finnland, Holland, Italien, Luxemburg, Österreich und in der Schweiz. eine Bloody Mary mixt man mit SANGRITA. Informationen, Rezepte ; und Bezugsnachweis: Alleinhersteller von SANGRITA undi SANG RITA PICANTE Alleinimporteur von TEQUILA ESPUELA 42% Anton Riemerschmid 8 München, Praterinsel. Zweihändig trinken: SANGRITA und TEQUILA ESPUELA 42%. Eine Trinksitte, die- begeistert.

Denkübungen in der Entenschule / Von Gisela Stelly

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Page 1: Denkübungen in der Entenschule / Von Gisela Stelly

LEBEN Freitag, den 25. April 1969

•. . , Aufnähme: Peter G. WicHmans

Diese Aufnahme von Peter Wichmann gehört zu den 522 Bildern der Eröffnung, darüber berichtet). Sie wird in sechs Serien im In- und Aus-„2. Weltausstellung der Photographie", eines gemeinschaftlichen Unter- land gezeigt,:zur Zeit in Bremen, Lausanne, London und Prag. ;Ende die-nehmens der Illustrierten „stern" mit 261 Kunstmuseen aus 36 Ländern, ses Monats wird sie auch im Münchener Stadtmuseum und beim Badi-Die Ausstellung steht unter dem Thema „Die Frau" (die ZEIT hatbei der sehen Kunstv.erein in Karlsruhe eröffnet. 1970/71 geht sie in die USA,

Wo man Goldzähne spenden kann...Verrückt oder vernünftig? — „Help" schreibt für eine bessere, schönere Welt

Die Zeitschrift sieht flott aus: großes Format,feiner Tiefdruck, attraktive bunte Bilder.

Zum Beispiel sitzen da auf einer grünen Wieseein kleines blondes Mädchen und ein:kleines dun-'kelhäutiges Mädchen und sind in 'den Anblickgelber Dotterblumen versunken; im Bild danebenblickt eine dreckige kleine Rotznase aus einemFenster. Bildunterschriften: »Wenn. diese. subtile .Artjdes britischen .Vorurteils rmr,;so-ei-rt:bißchenbösartig wird . . . " •— „. . . wie s'eriäde, daß,eineder zwei Schwestern Emigrant genannt wird."

Die,Zeitschrift heißt „Help". Sie erscheint seitgut einem Jahr in London, Vorbilder: hat sie.keine. „Help" ist auch nicht am Kiosk zu haben,man bekommt sie nur im Abonnement. Es; sollniemand an ihr verdienen.

Titel und Titelbilder stellen ein Programm dar.„Help" will helfen — allerdings in einem Stil,der das Wohlfahrtsdenken vergangener , Jahr-hunderte weit hinter sich läßt und manche er-graute Försorgerin das Gruseln lehrt. „Help"will helfen — aber das Blatt bittet nicht umAlmosen und predigt kein Nett-zueinander-Sein,sondern es versucht, den Einzelnen zur^Aktivität.zu reizen. .

Am Anfang war die Idee, war auch das Geld.Um das erste zu verwirklichen und das zweite zuerhalten, gründeten zwei Engländer Anfang 1967die „Community Publications Group Ltd". Eswaren Group Captain Leonard Cheshire, dernach dem Krieg eine weltweite private Organi-sation für Körperbehinderte aufgebaut hatte,und Richard Exley, der als freiwilliger Helfer inSüdafrika gewesen war. Beiden gelang es, die„International Publishing Corporation" zu inter-essieren, in der an die zweihundert, britische Zei-tungen und Zeitschriften, .darunter der „DailyMirror", zusammengeschlossen sind. Der Verlagstellte zu großzügigen Bedingungen das Anfangs-kapital. „Help" erscheint alle drei Monate; zurZeit werden etwa 10 000 Exemplare verkauft.

Die wenigsten in der Redaktion sind vom Fach..Ein Redakteur war früher Vorsitzender der süd-afrikanischen Arbeitslager, ein anderer arbeitetebeim „London Look". Dann gibt es noch etliche

freie Mitarbeiter, zum Beispiel Kim Redford, derden Premierminister bei einem ; Methodisten-,Gottesdienst einen Heuchler genannt hatte. Seine•ständige Kolumne macht deutlich, was an dieserZeitschrift so neu ist. Man brauchte sich nur vor-zustellen, eine private deutsche Hilfsorganisationgäbe ein Blatt heraus, auf dessen erster Seiteunter der Überschrift „Zur Verteidigung, des Ex-tremismus" über Tomaten, rote Farbe .und Na-palm geschrieben und die (hier sicherlich „bri-tische") Schlußfolgerung gezogen würde, • daßNapalm „irgendwie unfreundlicher und besser

: haftend"'sei als rote Färbe. . . .Eben das will „Help":'.Kritik an'der'Gesell-

schaft, üben und nicht bloß- an> Erscheinungen, dieunter dem Rubrüm „Soziales" stattzufinden pfle-gen. ' . _ . • • " . ' ' •

,,'Help" informiert auch im voraus über Pro-testmärsche; Doch -bevor Barrikaden errichtetwerden,.möchte diese .Zeitschrift sich am, Gegen-teil '. versuchen:' nämlich Mauern einzureißen. Siewill über das-berichten, was Journalisten nor-

1 malerweise wehig zu interessieren pflegt, will dieUmwelt unter die Lupe, nehmen, in der man täg-lich viele'Stunden zübring.t, .ohae sie wahrzuneh-men. „Sind wir so verrückt, uns eine Gesellschaftzu wünschen, wo sogar Supermärkte anmutig undschön sind?" Nun, „Help" ist so verrückt, „Help"will die- Gesellschaft verändern: Die Zeitschriftrüttelt . am Establishment, der Humor trieftschwarz, vor allem aber: sie handelt, weil ihrKritik-allein nicht genügt. ,

Sie hatte beispielsweise versprochen, diemenschliche Umgebung. kritisch . zu betrachten.„Die U-Bahn ist häßlich",, hieß es, „ändert sie!"Es '.folgten viele Anregungen, man zeigte 'dasbunte Modell, das eine Gruppe moderner Indu-strie-Designer entworfen hatte, und druckte einen

. Auf rufzur Selbsthilfe. Für den besteh Vorschlagwurden- fünfzig- Mark geboten. Fett gedruckte„letzte Meldung" am. Ende des Artikels: DieVerantwortlichen -hätten einen zentralen Lon-doner U-Bahnhof ohne Bedingungen für eineNacht zur Verfügung gestellt. ,

Es. wurden • „Liebes- und Kriegsgedichte" von

Tick, Trick und Trackgeben Anti-Unterricht

Denkübungen in der Entenschule / Von Gisela Stelly

W as ist ein Eisberg?" fragt der Schulinspektordie Kinder. Antwort: „Vanilleeis, Schoko-

ladeneis und Sahne." „Hm, nenne mir die fünfErdteile!" Er zeigt auf einen Schüler, der sagt:„Sand, Steine, Wasser, Kalk und Würmer." Undschließlich: „Wie lange hat der SiebenjährigeKrieg gedauert?" „Hundert Jahre", „DreizehnJahre", „Zwei Jahre", „Achtzig Jahre ....".„ Sie,hör'n Sie mal!"" empört sich der Klassenlehrergegen den prüfenden Schulinspektor, „das istdoch viel zu schwierig für die Kleinen!"

Diese Szene nicht in dem neuen deutschenSchüler- und Schulfilm, „Ich bin ein Elefant,Madame", zu sehen. Auch ist sie keine Sprach-entspannungsübung wider das Leistungsdenken;vielmehr sitzen hier Tick, Trick und Track inDonald Ducks Meisterschule. ;

Donald Duck und'seine Neffen Tick, Trick undTrack sind Walt Disneys Schöpfungen —• wieMickey Mquse. Donald Duck (anpassungsfähig,träumt vom Aufstieg und ist bei jeder Kletter-partie der Gelackmeierte)' bildet mit seinen dreiNeffen, .eine Feindstellung. gegen MultimilliardärDagobert, Donalds geizigen, geldfressenden, stetsum sein Kapital bangenden, es aber stetig ver-mehrenden Bruder. Es ist ein Handlungsmuster,

. das • sich schon in jahrelangen Fortsetzungen be-währt - hat und auch in der Bundesrepublik inhun.derttausendfächer Auflage verkauft wird.

Im neuesten Donald-Duck-Heft („Donald in1000 Nöten") scheinen die Geschichtenfertigervom Lernprozeß gelernt zu haben (die Werbe-leute greifen schon seit einiger Zeit in dieRevolutipnskiste): Die bundesrepublikanischeSchüleraufmüpfigkeit ist in die Entenschule vonEntenhaüsen eingezogen. Dabei haben die Strip-texter die utopische Perspektive insoweit .be-herzigt, als sie schon die Schüler der 1. Klasseideologisch sattelfest agieren lassen.

Donald, vielgeplagtes Stehaufmännchen, wirdauch diesmal wieder von seinem Bruder Dagobertfür kapitalistische Ränke benutzt. Er ist in Enten-hausen von Dagobert zum Pädagogen von Dago-berts Gnaden bestellt worden (aus undurch-sichtigen Gründen findet sich kein Lehrer, derhier unterrichten will), damit das Schulhaus, daseiner neuen Eisenbahnlinie weichen sollte, nichtabgerissen werden kann. Dagobert, der eher den

verteilen, raunzen Tick, Trick und Track ihm nurentgegen: „Ausbeuter!" Im übrigen ist Verständ-nis zwischen Lehrer und Schülern sonst aberrecht gut: „Herr Lehrer, ich konnte die Schul-arbeiten nicht machen. Ich hab' mir beim Qua-dratwurzelziehen den Daumen verletzt!"

Lehrer Donald: „So! Dann schick demnächstdeinen Bruder in den Garten!" Oder: „Nimmdie Tür und geh!" „O. K.", sagt Raudi, hakt dieTür aus und geht.

Was Regisseur Peter Zadek seinen neunzehn-jährigen „Ich-bin-ein-Elefant-Madame"-HeldenRull an nonkonformistischen Schülerscherzen imKlassenzimmer abziehen läßt, ist reine Anerken-nungspoliuk für deutsches Schulwesen, verglichenmit den Lehrpraktiken der siebenjährigenDonald-Duck-Schule-Schülern. Wenn Rull imFilm sich einen Lichterkranz auf 'den Kopf setztund den Happy-Birthday-to-You-Gesa.ng an-stimmt, beweist Raudi dem Schulinspektor, daßzwei und zwei gleich eins ist. Der Beweis: „MeineMutter gibt mir zweimal am Tag eins hinter dieLöffel! Macht jedesmal eins! Oder?"

Löst Rull im Film jede mathematische Formelexakt nach den Regeln, so beweist Trick aufvorbildliche Weise, daß 35 geteilt durch 5 gleich16 ist. Auch die Probe, letzter Weg, den Schul-inspektor zu überzeugen, funktioniert: „Ich zählefünfmal 16 zusammen. Sechs und sechs ist zwölf,18, 24, 30! Dazu die Einser: 31, 32, 33, 34, 35!Was zu beweisen war!"

Auch der humanistische Teil der Bildung wirdbewältigt. Während Rull und seine Mitschülergegen den Lateinunterricht protestieren und Ver-gangenheit und Gegenwart als politische Einheit— dem Lehrer unverständlich — sehen wollen,hat Donald längst die Lösung gefunden. „Wirmachen heute Englisch", sagt er und zeigt denSchülern das Buch. „Aber das ist Latein!" wollenihn die Schüler belehren. Darauf Donald: „Wißtihr denn nicht, daß die Lateiner die Engländerder Antike waren?"

Ebenso vorbildlich sind die literarischen Lei-stungen: „Wie lange hat Till Eulenspiegel gelebt?"Raudi: „Bis zu seinem Tode!" Und weiter: „Von

. wem stammt der berühmte Ausspruch: ,Rast' ich,so rost' ich'?" — „Vom Ritter Götz von Ber-lichingen!" ,

Die Sprache in Entenhausen ist verständlich,

Kenneth Patchen besprochen, „erstes Heft einerneuen ..Guerilla-Publikation".' Der italienischeArchitekt Danilo Dolci schrieb einen langen Ar-tikel über die Zustände ..auf Sizilien, .wo er seitJahren versucht, den Teufelskreis von Armut,Unwissenheit und religiösem Fanatismus zu durch-brechen. Der Bericht über die Clochards von, Lon-don ist die nüchterne Analyse über die mehV als35 000: rMenschen, die in London kein Zuhäausehaben.,'!; ' '"

Der Holzindustrie wird, der Kampf angesagt,weil sie im Süden England zu viele.alte Eichenfällen will. Man zeigt Bilder, alter Fachwerkhäu-ser auf, dem Land, die Verfallen und trotzdemnicht gekauft werden dürfen, weil sie. unterDenkmalschutz stehen;' man beschäftigt sich mitder Mitbestimmung und den haarsträubendenZuständen in Krankenhäusern, wo.bis.'zu sechziggeisteskranke Kinder in einem Schlafsaal. liegenund wo Toiletten keine Türen haben. Dann fol-gen immer wieder konkrete Hinweise, wo undwie man helfen kann. „Help"' nennt Adressen,wo man Orden oder goldene Zähne spendenkann, weist auf Arbeitslager hin.

„Help" hofft auf eine Zukunft, in der es wederMacht noch Status noch Politiker geben wird.Das klingt utopisch und ist auch so gemeint. DieZeitschrift will beweisen, daß man -— einenTraum im Herzen — sehr wohl den Kampf mitden Realitäten aufnehmen und die Übel unsererGesellschaft mit ihren eigenen Waffen schlagenkann — in diesem Fall mit einer ausgezeichnetengraphischen Gestaltung, mit gutem Journalismus,mit Humor.

Die Zeitschrift .bekam inzwischen Beifall, wennauch nicht' durchweg so bärbeißig wie von Mal-colni Muggeridge, der mittlerweile .zu einem.hartnäckigen Verteidiger der bestehenden Ver-hältnisse geworden ist. Er sagte den Heraus-gebern: „Ich bin fest davon überzeugt, daß mannichts Gutes tut, wenn man die .Methoden einerunmoralischen Gesellschaft benutzt, um die Zer-

. Störungen ihrer Unmoral wieder auszubessern."Barbara C. Beuys

5 geht in 3p sechs-wisgleich 16!

Trick beweist: SSIgeteilt durch 5 ist 16

Staat verkaufen, denn die Eisenbahn durch seinEntenhausen dampfen lassen will, findet dieLücke im Gesetz: Wenn in einer Schule Schülerunterrichtet werden, kann der Staat das Gebäudenicht abreißen. Also opfert sich Doriald denhöheren Zielen seines kapitalen Bruders, und inEntenhausen beginnt ein Sehultag mit Schüler-lektionen in antiautoritärem Verhalten.

Im Klassenzimmer hängt der wohlbekannteWeisheitsspruch — allerdings abgewandelt —„Nicht für das Leben, sondern für die Schulelernen wir", und will Lehrer Donald die belieb-ten Saubermach- und Putzarbeiten für Schüler

logisch, die Zusammenhänge werden klar undsind nicht verschleiert, und die Kulturkritik istimmanent. Wenn Tick, -Trick und Track „DieGlocke!... von Friedrich von. . . Schiller!" imDrei-Spalter-Team unter sich aufteilen, dann isteigentlich alles klar, und jede Schüler-Lehrer-Diskussion über „zeitgenössisch" oder „nicht" istüberflüssig geworden. Auch die von LehrerDonald angedrohte Strafe — „Wer stecken bleibt,mäht drei Jahre lang den Rasen" — ist einschönes Beispiel für die Bemessungsgrundlage vongeistiger Arbeit., Zum Lesen zu empfehlen auch für Eltern.

Es liegt uns viel daran, Sie mitSangrita „Picante" bekannt zu machen!*f€so urteilt Prof.Dr.med.H.GIatzel:

•„Gewürze bringen Freude und Genußohne Reue."

Kennen Sie schon SANGRITA? Wenn nicht, sollten Sie das bald nachholen. Wenn ja, und wenn Sie ein Freundbesonders reichhaltiger Würze sind, dann dürfen wir Ihnen SANGRITA PICANTE vorstellen.

Auch SANGRITA PICANTE trinkt man zweihändig zu TEQUILA ESPUELA 42°/o,denn es schmeckt gut und dämpft den Übermut des Alkohols, Wenn Sie SANGRITA PICANTE

jzum Herstellen einer Prairie Auster und zum Verfeinern von delikaten Gerichten und Saucenverwenden, dann werden Sie verstehen,

warum uns so viel daran liegt,Sie mit SANGRITA

PICANTEbekanntzumachen. QAIÜOBHTA

Übrigens: uHnbnllMI

:en üencnten und baucen

SANGRITAPICANTE

In Europa gibt es SANG RITA in Deutschland, Belgien, Dänemark, Finnland, Holland, Italien, Luxemburg, Österreich und in der Schweiz.

eine Bloody Mary mixt man mitSANGRITA.

Informationen, Rezepte ;und Bezugsnachweis:Alleinhersteller von SANGRITAund i SANG RITA PICANTEAlleinimporteur von

TEQUILA ESPUELA 42%Anton Riemerschmid

8 München, Praterinsel.

Zweihändig trinken:SANGRITA und TEQUILAESPUELA 42%. EineTrinksitte, die- begeistert.