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Denkmalpflege in Sachsen Jahrbuch 2017 Mitteilungen des Landesamtes für Denkmalpflege Sachsen

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Denkmalpflege in Sachsen

Jahrbuch 2017

Mitteilungen des Landesamtes für Denkmalpflege Sachsen

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Herausgeber© 2018 Landesamt für Denkmalpflege SachsenSchloßplatz 1, 01067 Dresden Telefon: (03 51) 48 43 04 00 Telefax: (03 51) 48 43 04 991. Auflage, 2018

Konzept und RedaktionLandesamt für Denkmalpflege Sachsen

Für den Inhalt der Beiträge zeichnen die Autoren verantwortlich. Alle Rechte vorbehalten.

Die Deutsche Nationalbibliothek verzeichnet diese Publikation in der Deutschen Nationalbibliografie; detaillierte bibliografische Daten sind im Internet über http://dnb.ddb.de abrufbar. Dieses Werk einschließlich seiner Teile ist urheberrecht­lich geschützt. Jede Verwertung außerhalb der engen Grenzen des Urheberrechtsgesetzes ist ohne Zustimmung des Verlages unzulässig und strafbar. Das gilt insbesondere für die Vervielfältigung, Übersetzungen, Mikrover­filmungen und die Einspeicherung und Verarbeitung in elektronischen Systemen.

Herstellung und VertriebSandstein Verlag, Dresden978­3­95498­397­1

Titelseite: Kulturpalast Dresden nach der Sanierung (Foto: Wolfgang Junius, LfD Sachsen)Rückseite: Kulturpalast Dresden, Schmetterlingstrep­penhaus, 1970 (Foto: Deutsche Fotothek, Dresden).

Seite 4: Antonio Corradini, »Die Zeit enthüllt die Wahrheit«, um 1720, Dresden, Großer Garten. (Foto: Stefan Dürre, Dresden)

Inhalt

Rosemarie PohlackVorwort 5

BEITRÄGE

Reinhard Spehr Das mittelalterliche Turmhaus »Alte Kapelle« in Cossebaude 6

Norbert Oelsner, Matthias ZötzlDie »Alte Münze« in ZwickauNeue Erkenntnisse zur Baugeschichte und naturwissenschaftliche Untersuchungen an historischen Baumaterialien 18

Manfried EisbeinKalkestrich-Fußboden im Batzdorfer Totenhäuschen 31

Stefan Dürre»über fünfzehnhundert Bildhauerstücke« Der Skulpturenbestand des Großen Gartens in Dresden im 18. Jahrhundert 39

Nora KindermannDer Herrschaftsgarten in HerrnhutVom »Hochgräffl. Lust- Zier- Baum- und Gemüß -Garten« zur öffentlichen Parkanlage 60

Hendrik BärnighausenNochmals zum Schlosspark OberlichtenauEin Nachtrag 76

Sven BrummeLutherbäume als DenkmaleEine ethnobotanische Betrachtung für Sachsen 77 im Jubiläumsjahr 2017

Heinrich MagiriusPläne von Ernst Ziller für eine Kuppelkirche in Oberlößnitz in der Nationalpinakothek Athen 89

Thomas Löther, Dorit GühneDie Wiederherstellung des historischen Lüftungssystems in der Friedhofskapelle Werdau 99

Ulrike Hübner­Grötzsch»Ostmoderne wie aus dem Ei gepellt«Möglichkeiten der Denkmalpflege bei der Sanierung des Kulturpalastes Dresden 106

Ralf­Peter PinkwartDie Rechteckschablonen-Einfachdeckung auf Gebindesteigung aus Waliser SchieferEine regionale Besonderheit in Ostsachsen 116

Thomas NokyZur Pflege ländlicher Denkmale in der DDR 128

VERANSTALTUNGEN/ AUSSTELLUNGEN/ PROJEKTE

Julia Maitschke, Sabine Webersinke, Steffen DelangTag des offenen Denkmals – Sachsenweite Eröffnung am 10. September 2017 in Torgau 146

Sabine Webersinke»PEGASUS Schulen adoptieren Denkmale« – Bericht aus dem Sächsischen Landesprogramm 148

Hendrik Bärnighausen»Im Zeichen der Reformation« – Tagung mit den ehrenamtlichen Beauftragten für Denkmalpflege 2017 149

Julia MaitschkeJahresfachtagung mit den Unteren Denkmalschutzbehörden 2017 150

Martin SchusterJahresausstellung »Sächsische Landsitze« vom 15. November 2017 bis 2. März 2018 151

Christine KelmSchlossbergungen im Spiegel der Denkmalpflege 153

Franziska PekerProjekt »Digitale Denkmaltopographie« 155

PERSONALIA 157

AUTOREN 166

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4 Vorwort 5

Vorwort

Das Landesamt für Denkmalpflege Sachsen wurde 1917 im Sächsischen Ministerium des Innern gegründet und vorerst einer Abteilung des hohen Hauses zugeordnet. Erst 1920 erhielt der erste sächsische Landeskonservator Dr. Walter Bachmann mit seiner Berufung den Auftrag, ein eigenes Sächsisches Landes­amt für Denkmalpflege aufzubauen. Dessen seither 100­jährige Entwicklung ist von vielfältigen Turbulenzen geprägt, die sich bis heute fortsetzen, auch in Gestalt von anstehenden altersbe­dingten, dramatischen Personalverlusten, die den Bestand des Hauses gefährden.

Herr Staatsminister Ulbig hatte Unterstützung zugesagt und so konnte die Referentenstelle in der Plansammlung wiederbe­setzt werden. Allerdings haben wir sie geteilt und so Frau Hübner­ Grötzsch und Herrn Schuster hinzugewonnen. Diese Kombi­nation trägt mit dem Kalender und der Jahresausstellung »Sächsische Landsitze« erste schöne Früchte. Auch die Sekretä­rin­Stelle der Abteilung III ist nun mit Frau Barth nachbesetzt, und ab März 2018 werden zwei junge Kollegen als Gebietsre­ferenten im Landesamt beginnen. Für die Haushaltaufstellung 2019/ 20 konnten wir den vollen Nachbesetzungsbedarf, das sind mehr als 20 % der gegenwärtigen Planstellen (!) anmelden, die es ja dann auch einzuarbeiten gilt.

Es ist sehr erfreulich, dass im Haushaltsansatz 2019/ 20 die Denkmalfördermittel des Freistaates angehoben wurden. Dies ist inzwischen ein dringlicher Wunsch auch vieler Unterstützer aus dem politischen Raum; ebenso wie eine Vereinfachung der Förderregularien und die kluge Vernetzung von Denkmal­Fördermöglichkeiten mit denen des Städtebaus und des länd­lichen Raumes. Das Landesamt schaut den kommenden Haus­haltsverhandlungen hoffnungsvoll entgegen.

Das Zusammenspiel von Unteren Denkmalschutzbehörden (UD) und dem Landesamt läuft gut und es ist seit Ende der 1990er­Jahre unter anderem auch durch die »Verwaltungsvor­schrift Einvernehmen« bestimmt. Sie regelt, welche Kulturdenk­male selbständig von den UDs oder aber im Einvernehmen mit dem LfD betreut werden. Die VwV hat sich grundsätzlich be­währt und wird gegenwärtig aktualisiert.

Die Themen des Jahrbuches 2017 reichen wieder vom Mit­telalter bis in das 21. Jahrhundert; sie sind weit und bunt gefä­chert, wie die sächsische Denkmallandschaft selbst. So wird Berichten über ein mittelalterliches Turmhaus in Dresden­Cossebaude und der »Alten Münze« in Zwickau ebenso Raum gegeben wie besonderen Details – einem gemalten Kalkestrich­

Fußboden oder der nur selten anzutreffenden Waliser Schiefer­deckung. Im Lutherjahr bietet sich eine ethnobotanische Be­trachtung über sächsische »Lutherbäume« an, aber auch der eindrucksvolle Wandel eines Herrschaftsgartens zur öffentlichen Parkanlage scheint aktuell. Als herausragendes Element der ehemaligen Residenz Dresden beeindruckt der umfangreiche und qualitätvolle Skulpturenbestand des 18. Jahrhunderts im Großen Garten ebenso wie die opulenten Entwürfe für Kuppel­kirchen des Architekten Ernst Ziller. Technische Nachrüstun­gen wie für die Friedhofskapelle in Werdau sind sicher beispiel­gebend für analoge Fragestellungen, und auch die Rückschau auf die Pflege der ländlichen Denkmale in der DDR kann nachdenklich machen.

Mit dem Bericht über Möglichkeiten und Grenzen von Denkmalpflege bei der Sanierung und Nutzungserweiterung des Dresdner Kulturpalastes wird eine Inkunabel der »Ostmo­derne« in den Blick genommen. Die Wiedereröffnung dieses von den Dresdnern liebevoll »Kulti« genannten Baudenkmales und die inzwischen ebenso großartige wie rasante Revitalisie­rung des Dresdner technischen Denkmals »Kraftwerk Mitte« – nachdem erst einmal erfolgreich mit Staatsoperette und Thea­ter der Jungen Generation begonnen – machen Mut für die Chancen vieler noch immer wartender »dicker Bretter«. Und natürlich wünschen wir der Erzgebirgsregion einen vollen Er­folg für den gemeinsam mit der Tschechischen Republik ein­gereichten Welterbeantrag »Montane Kulturlandschaft Erzge­birge/Krušnohoři«!

Wie immer beschließen Berichte zu Veranstaltungen des Lan­desamtes, Tagungen, Vorträgen, zur Jahresausstellung, zum nun angelaufenen Projekt »Digitale Denkmaltopographie« sowie zu Personalia den Themenkreis des Jahrbuches; und hier wird die unmittelbare Verankerung von Denkmalpflege in ganz Sachsen – im Ehrenamt wie in der Bevölkerung vor Ort – besonders eindrücklich.

Sächsische Landekonservatorin

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Die »Alte Münze« in Zwickau 1918

Norbert Oelsner, Matthias Zötzl

Die »Alte Münze« in Zwickau Neue Erkenntnisse zur Baugeschichte und historischen Baumaterialien

Die Gebäudeanlage Hauptmarkt 6 »Alte Münze« gehört zu den geschichtsträchtigsten Bauwerken der Stadt Zwickau (Abb. 1). Sie befindet sich in exponierter Lage an der Westseite des Hauptmarktes nahe der Hauptpfarrkirche St. Marien. Im Stadt­gefüge wirkt sie zugleich auch als Teil der heutigen Münzstraße, die die beiden mittelalterlichen Marktplätze Zwickaus – den heutigen Hauptmarkt und den Kornmarkt – direkt miteinander verbindet (Abb. 2).

Seinen hohen Bekanntheitsgrad unter der Zwickauer Be­völkerung verdankte das Haus – mit seiner später etwas verun­klärten Fassadengestaltung von 1926 – noch vor Kurzem vor allem der hier bis in die 1980er­Jahre bestehenden, vielbesuch­ten Gaststätte »Centralhalle«. Auf seine ältere Baugeschichte wiesen im Inneren lediglich ein sichtbarer hölzerner Decken­unterzug mit sogenannter Schiffskehlprofilierung und die spitz­bogigen Kellergewölbe hin. Im Auftrag der Denkmalbehörden wurde 1994 eine erste restauratorisch­bauarchäologische

Das Vordergebäude stellte sich ursprünglich bereits im Äu­ßeren als gegliederter Bau dar (Abb. 4). Der südliche Teil erhob sich turmartig über einer breiten Hausdurchfahrt. Nachweisbar ist das Backsteinmauerwerk noch bis knapp unterhalb des heu­tigen Traufgesimses (ursprünglich ca. 13 Meter Höhe). Der nördliche Teil reichte nur bis etwa in Fußbodenhöhe des heu­tigen 2. Obergeschosses (urspr. ca. 9,5 Meter Höhe). Verwen­dung fanden Backsteine des Formates von ca. 29,5 × 14,5 × 9 Zen­timetern, die im sogenannten wilden Mauerverband ohne regelmäßigen Wechsel von Bindern und Läufern verbaut wur­den. Die beiden Hausteile waren durch eine gegenüber der 1 Zwickau, Hauptmarkt 6: »Alte Münze«, Ansicht nach der

Sanierung.

2 Zwickau, Lageplan zur Situation am heutigen Domhof mit Kennzeichnung der nachweislich im 13. Jahrhundert bestehenden Bauten.

3 Zwickau, Hauptmarkt 6, schematischer Rekonstruktionsver-such des ursprünglichen Zustandes (Ende 12. bis 2. Hälfte 13. Jahr-hundert), Erdgeschoss-Grundriss des Vorderhauses und Unterge-schoss-Grundriss des Hinterhauses mit «Zwischenbau« sowie jün-gerer westlicher Anbau aus dem 15. Jahrhundert (± 0,00 OK = 263,30 m ü NHN, entspricht heute EG Podest Eingangsbereich).

Vorunter suchung vorgenommen. Die Befunde dieser begrenz­ten Prospektion sprachen für eine Erbauungszeit des untersuch­ten Vordergebäudes im späten 15. und frühen 16. Jahrhundert. Dieser mit dem »erzgebirgischen Silbersegen« nach 1470 ver­bundenen Blütezeit Zwickaus entstammen die meisten der erhaltenen mittelalterlichen Häuser der Stadt.

Im Jahre 2010 erwarb die WEWOBAU eG Zwickau das leer stehende Kulturdenkmal. Im folgenden Jahr begann die grundhafte Gebäudesanierung. Die Bauplanung und die Bau­leitung übernahm die Bauconzept Planungsgesellschaft MBH Lichtenstein. Heute beherbergt das Gebäude in seinen Räumen wieder eine Gaststätte, den Fernsehsender Television Zwickau, Ferienwohnungen und im neu entstandenen Hinterhaus das Hotel »Alte Münze«. Finanzielle Unterstützung erhielt das Bau­vorhaben durch die Stadt Zwickau, den Freistaat Sachsen, den Beauftragten der Bundesregierung für Kultur und Medien (BKM) und die Deutsche Stiftung Denkmalschutz. Mit der Auszeichnung durch das Architekturforum Zwickau erfuhren der Bauherr und alle Beteiligten die verdiente Würdigung. Die im Zuge des denkmalpflegerisch anspruchsvollen Sanierungs­vorhabens vorbereitend und begleitend durchgeführten bauge­schichtlichen, restauratorischen und naturwissenschaftlichen Untersuchungen erbrachten in Verbindung mit neuen numis­matischen Forschungsergebnissen alle Erwartungen übertref­fende Erkenntnisse zur Hausgeschichte.1

Baubeschreibung und baugeschichtliche BefundeDie Gebäudeanlage Hauptmarkt 6 besteht aus einem Vorder­haus und einem Hinterhaus, die durch einen »Zwischenbau« miteinander verbunden sind (Abb. 3). Das Vorderhaus von ca. 15 × ca. 9 Metern Grundfläche und ca. 13 Metern Höhe nimmt die ganze Breite des Grundstücks ein. In seinem Unter­bau, dem heutigen Keller, besteht das Außenmauerwerk aus Bruchsteinmaterial. Gleiches Material war auch noch in den unteren Partien der nördlichen Außenwand des Erdgeschosses feststellbar. Die anderen Bereiche des Erdgeschosses und der beiden Obergeschosse wurden aus Backsteinmauerwerk gefer­tigt. Das Hinterhaus und der »Zwischenbau« schließen sich als langgestreckter Baukörper von ca. 16,5 Meter Länge und ca. 8,5 Meter Breite direkt an das Vorderhaus an. Das Hinter­haus von ca. 11 Meter Länge × ca. 8,5 Meter Breite ist bis auf geringe Reste der Südwand, ebenso wie der »Zwischenbau«, nur noch im Kellergeschoss erhalten. Das Mauerwerk besteht eben­falls aus Bruchsteinmaterial. Über die oberen Gebäude teile besitzen wir keine genauere Kenntnis. Sie wurden ohne Wissen der Denkmalbehörden Anfang der 1990er­Jahre undoku mentiert

abgebrochen. Vom »Zwischenbau« waren außer dem erhal tenen Kellergeschoss noch Teile des Erdgeschosses vorhanden.

Hinterhaus und »Zwischenbau« erstrecken sich zur Nord­seite hin auf etwa zwei Drittel der Grundstücksbreite und lassen damit Raum für einen südlichen und westlichen Hofbereich. Eine im westlichen Hofbereich befindliche Bebauung wurde Anfang der 1990er­Jahre ebenfalls abgebrochen. Von dieser sind nur noch Fundamente sowie Reste eines tonnengewölbten Kel­lers vorhanden. Sie stammen von einer wohl noch spätmittel­alterlichen Baulichkeit, die man unmittelbar an das Hinterge­bäude angefügt und im Kellerbereich mit diesem über einen Durchgang verbunden hatte. Die betreffenden baulichen Res­te wurden nach ihrer Dokumentation durch das Landesamt für Archäologie wieder verfüllt. Die übrigen Gebäude im Westteil, insbesondere auch die Bebauung am Kirchgäßchen, waren of­fensichtlich nicht unterkellert. Bemerkenswert ist, dass das Grundstück damit als Gesamtparzelle (einem Durchhaus ver­gleichbar) vom Hauptmarkt bis zum Kirchgäßchen reicht.

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Mittelachse leicht nach Norden verscho bene Innenwand ge­trennt, sodass das Gebäude zwei Räume je Geschoss aufwies. Jedoch waren die Geschosshöhen unterschiedlich. So besaß die Erdgeschossdurchfahrt im Südteil eine Höhe von ca. 4,5 Me­tern, während die Raumhöhe der beiden darüber befindlichen Geschosse mit ca. 4 Metern fast schon der heutigen entsprach. Für den Nordteil sind ebenfalls drei ursprüngliche Geschosse, jedoch nur von jeweils ca. 3 Metern Höhe nachweisbar. Die das Gebäude teilende Innenwand ist heute nur noch im Keller erhalten. Im Bereich des heutigen 2. Obergeschosses setzte sich dieser Mauerzug als nördliche Außenwand des turmartigen Hausteils fort. Dies markierte sich durch entsprechende Mau­erfugen mit Resten des einstigen Außenputzes.

Wie archäologische Untersuchungen zeigten, lag der Um­gebungshorizont des Gebäudes zur Erbauungszeit ca. 1,0 bis 1,3 Meter tiefer als heute. Damit erhält auch das repräsentative Sandsteinportal der großen Toreinfahrt, das unter Außenputzen des 19. und 20. Jahrhunderts zum Vorschein kam, angemesse­nere Proportionen (Abb. 5). Das aus Werksteinen beachtlichen Formats bestehende Portal mit seinem kräftigen Rundstabpro­fil ist leider nicht mehr vollständig erhalten. Der Befund lässt sowohl die einstige Form eines Rundbogens, als auch die eines

leichten Spitzbogens zu. Das Gebäude selbst erwies sich als eindeutig ebenerdig angelegt. Die heutigen Kellerbereiche bil­deten das ursprüngliche Erdgeschoss (vgl. Abb. 3). Nach dem Passieren des großen Eingangsportals gelangte man in eine ge­räumige Einfahrtshalle, die mit dem nördlichen Erdgeschoss­raum verbunden war. Wahrscheinlich gab es auch schon den hinteren kleinen Durchgang zum »Zwischenbau«. Ein zweites rückwärtiges Portal mit nur einfach gefastem Sandsteingewän­de führte in den Hofbereich. Bereits hier im Erdgeschoss war in der hinteren Außenwand ein »Mauerblock« zur Aufnahme eines großen Schornsteins angelegt, der sich baulich bis in die Obergeschosse verfolgen ließ. Im Bereich des 2. Obergeschosses fand sich hofseitig eine kleine rundbogige, vielleicht »tech­nische« Maueröffnung. Aufgrund ihrer Lage dürfte sie mit dem Schornstein in Verbindung gestanden haben. Im 1. Ober­geschoss war im Inneren noch die unregelmäßig zugesetzte einstige Feuerungsöffnung zu erkennen. Der betreffende Raum über der Durchfahrt weist als Besonderheit in der südlichen Giebelwand eine doppelte Wandnische mit flachen Bögen auf. (Abb. 6). Diese enthielt eine lange Sitzbank. Reste des durch­gängigen hölzernen Sitzbrettes sind noch erhalten.

Als Hinweis auf die ursprüngliche Erschließung des Vor­dergebäudes kann ein hofseitig in Höhe des einstigen 2. Ober­geschosses erhaltener Kragstein gelten. Er diente wohl als Auf­lager für einen Laufgang, der vielleicht in Verbindung mit einer Treppenanlage stand.

Von erheblicher Bedeutung für unsere Vorstellung von der Außengestalt des Erstbaus ist der Befund einer Fensteröffnung von ca. 1,7 Meter Breite mit »Marktblick«. Von diesem zum einstigen 1. Obergeschoss gehörenden Fenster erhielten sich Teile der äußeren Sandsteinrahmung und die Anfänger eines rundbogigen Überfangbogens aus Backstein. Aufgrund der lichten Weite ist ein gekoppeltes Fenster wahrscheinlich, viel­leicht handelte es sich um ein Drillingsfenster. Das Fenster, vor allem aber das imposante Hauptportal lassen sich kunstge­schichtlich aufgrund ihrer frühgotischen bzw. spätromanischen Formensprache am ehesten in den Zeitraum vom Ende des 12. bis in die zweite Hälfte des 13. Jahrhunderts einordnen. Damit ist zugleich auch eine vorsichtige Datierung für die Entstehung des Vorderhauses gegeben.

Im 15. und 16. Jahrhundert wurde das Vorderhaus grund­legend umgebaut. Eine entscheidende Veränderung erfolgte dabei um 1440/ 41. Indem man den nördlichen Hausteil nun­mehr bis zur Höhe des Südteils aufführte, wurde die markante gegliederte Baugestalt der Spätromanik/ Frühgotik aufgegeben.

Als Baumaterial für die Außenwände verwendete man Backstein mit einem Format von ca. 29,5 × 13,5 × 8,5 Zentimetern. Das Gebäude erhielt damit seine im Wesentlichen noch heute be­stehende einheitliche Traufhöhe. Zugleich wurde in dieser Bau­phase die gotische Holzbalkendecke im 1. Obergeschoss des Südteils eingebaut (Abb. 7) – sie wurde dendrochronologisch mit 1441d datiert2 – und es begann die Angleichung der Ge­schosshöhen. Errichtet wurde in diesem Zusammenhang auch die große spitzbogige Gewölbetonne aus Backsteinen (Format ca. 28,0 × 13,5 × 8,5 Zentimeter) im Nordteil. Aufgrund des seit der Erbauungszeit des Hauses inzwischen »gewachsenen« Ober­flächenniveaus im Stadtraum handelte es sich aber nicht mehr um einen Erdgeschossraum, sondern um einen halb im Boden

5 Zwickau, Hauptmarkt 6, Torportal des Vorderhauses nach der Restaurierung.

6 Zwickau, Hauptmarkt 6, doppelte Wandnische im südlichen Raum des 1. Obergeschosses (Nischenbögen nachträglich nach oben aufgeweitet und von eingestellter Säule getragen) mit Resten der einstigen Sitzbank und Kennzeichnung der ursprünglichen Ni-schenbögen (oben).Zwickau, Hauptmarkt 6, doppelte Wandnische mit Sitzbank im südlichen Raum des 1. Obergeschosses, zeichnerische Darstellung des ursprünglichen Zustandes (grau) und des Zustandes nach der Umgestaltung um 1530 (unten).

4 Zwickau, Hauptmarkt 6, marktseitige Ansicht des Vordergebäudes mit Kennzeichnung der ursprüng-lichen Gliederung in einen turmartigen und einen niedrigeren Hausteil sowie Rekonstruktionsversuch des Torportals (rundbogige Variante) und freier Rekonstruktion der Binnengestaltung des Fensters im ehemali-gen 1. Obergeschoss (spitzbogige Variante).

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befindlichen Keller. Um die Durchfahrt in den Hof weiterhin zu gewährleisten, muss das Fußbodenniveau im Südteil dage­gen, vielleicht bereits mehrfach, an das Außen niveau angepasst worden sein. Das Haupteingangsportal stand jedenfalls spätes­tens seit dieser Zeit, ebenso wie das Hofportal, nicht mehr in voller Höhe frei. Das Erdgeschoss im Nordteil über der neuen Kellertonne erhielt nun bereits den noch heute vorhandenen Charakter eines »Hochparterre«. Das Fenster aus dem 13. Jahr­hundert entsprach nicht mehr der neuen Geschoss einteilung und wurde aufgegeben.

Mit seiner Aufstockung erhielt der Nordteil nun ebenfalls einen großen Schornstein, der hofseitig an die Außenmauer angefügt wurde. Zum Schornstein führte ein Trockenkanal, wohl ein Luftkanal, der unterhalb des erhöht liegenden Erdge­schosses an der nördlichen Außenmauer quer durch das Vor­derhaus verlief und eine Öffnung in der straßenseitigen Außen­wand aufwies. In Verbindung mit dem Schornstein stand auch eine im heutigen 2. Obergeschoss erhaltene Feuerungsöffnung. Aus dieser Bauphase dürften auch die sekundär verwendeten gotischen Fenstergewände in diesem Geschoss stammen. An eine weitere spätmittelalterliche Bauphase in den 1470er­Jahren erinnern der Deckeneinbau über der Durchfahrt (1478 d; heu­tiger Fußboden 1. Obergeschoss südlicher Raum) und der Un­terzug mit Schiffskehlprofilierung im nördlichen Raum des 1. Obergeschosses.

Bemerkenswert ist die Umgestaltung des Gebäudes im ersten Drittel des 16. Jahrhunderts. Der südliche Raum mit der goti­schen Holzbalkendecke im 1. Obergeschoss erhielt eine reprä­sentative Ausstattung in den Formen der Frührenaissance. Die Fensternischen und der Wandbereich mit der Sitzbank wurden aufgeweitet. Zwischen die Fenster und die Wandnischen setzte man insgesamt drei Säulen zur Aufnahme der höheren Nischen­bögen. Die Säulen waren farbig gefasst. Beeindruckend sind die Befunde einer italienisch beeinflussten, qualitätvollen Wandma­

lerei in Form eines Wandfrieses mit Groteskendarstellungen und farbenfrohen Fruchtgehängen (Abb. 8).

Mit der in den anderen Obergeschossräumen ebenfalls vor­genommenen Vergrößerung der Fensternischen war auch der Einbau neuer Fenstergewände mit aufwendig gekreuzten Stab­profilierungen verbunden. Eine wesentliche bauliche und struk­turelle Veränderung erfolgte im 17. Jahrhundert mit der Auf­gabe der Zweigliedrigkeit im Vorderhaus durch die Errichtung des südlichen Kellers, dessen flache Holzbalkendecke dendro­chronologisch 1690 (+/­ Waldkante) datiert wurde. Entspre­chend erhielt auch das bis dahin nur im nördlichen Hausteil höher liegende Erdgeschoss seine noch heute bestehende, da­mals zwei Räume umfassende Ausdehnung, während sich die Zufahrt auf den schmalen südlichsten Hausbereich reduzierte, der noch immer den Hauszugang bildet.

Auf die weiteren baulichen Veränderungen im 17. Jahrhun­dert, wie den Einbau der Holzbalkendecke mit den fischgrä­tenartig verlegten Brettern im nördlichen Raum des 1. Oberge­schosses (1686 d) oder auf die vielfältigen Umbauten im 19. Jahrhundert, wie die Einrichtung von Gasträumen im Erd­geschoss und die Errichtung des stattlichen Treppenhauses an der Hofseite, sei hier nur hingewiesen.

Entscheidend für das Erscheinungsbild des Gebäudes war die Neugestaltung der Fassade im Jahre 1926 in der modernen Formgebung des Art déco. Dieser Zustand mit seiner prägnan­ten Farbigkeit ist heute auf der Grundlage der Putz­ und Farb­befunde wiederhergestellt.

Betrachten wir nun das Hintergebäude samt »Zwischen­bau«. Die erhaltenen Untergeschosse waren ursprünglich – an­ders als das ebenerdige Vorderhaus – halb in den Boden einge­tieft. An der Außenseite der Westwand des Hinterhauses zeigte sich, dass das einstige oberirdische Mauerwerk ca. 1,3 Meter unter der heutigen Hofoberfläche begann, worauf das dort vorspringende Fundament hinweist.

Der »Zwischenbau« diente wohl vor allem der Erschlie­ßung. Er enthielt nämlich einen bequemen von Sandsteinen überwölbten Treppenabgang, der vom Hof aus in einen damals knapp 1,5 Meter tiefer liegenden Raum führte.

Über diesen nachträglich mit einem spitzbogigen Tonnen­gewölbe aus Backsteinen (Format ca. 20 × 20 × 5,0 Zentimeter) versehenen »Vorraum« gelangte man durch einen breiten, im Stichbogen überspannten Zugang direkt in das Untergeschoss des Hinterhauses (Abb. 9). Dieses bestand aus einem einzigen Raum von ca. 8,7 × 5,8 Metern Grundfläche. Den Fußboden bildete ein massives Packlager aus gemörteltem Bruchsteinma­terial, das mit einem Estrich versehen war. Der unverputzte Raum besaß an der Südseite drei Mauerschlitze von ca. 1,2 Me­ter Höhe und 0,5 Meter Breite, bei denen es sich nicht um Schlitzfenster handelte. Ihrer Lage nach zum Teil schon dem

ursprünglich oberirdischen Mauerwerk des Untergeschosses an­gehörend, reichen die gut erhaltenen Schlitze nur bis in halbe Mauertiefe und gehen dann in senkrecht nach oben führende Mauerschächte mit einem Querschnitt von ca. 0,4 × ca. 0,3 Me­tern über. In Verbindung mit den festgestellten Rußablagerun­gen, die auf intensive Brennvorgänge hinweisen, lässt sich bei diesem bemerkenswerten Befund auf ein System von Rauchab­zügen schließen. Durch den Verlust des oberen Teils des Gebäu­des kann die weitere konstruktive Ausbildung dieses mittelalter­lichen »Entrauchungssystems« aber leider nicht mehr geklärt werden. Abb. 10 zeigt als Beispiel einer Feinschmelze der Frühen Neuzeit das Schmelzhaus der kurfürstlichen Münze in Dresden.)

Anzumerken ist allerdings noch, dass das sonst ca. 1,3 Me­ter breite Mauerwerk des Hinterhausuntergeschosses im Bereich dieser Abzüge mit ca. 1,45 Metern etwas stärker ausgebildet ist, wodurch das Gebäude hier zum Hof hin wohl risalitartig vor­sprang. Die Rauchabzüge im Untergeschoss waren seit dem ausgehenden 15. Jahrhundert nicht mehr in Funktion. Seither wurden sie durch eine Kellertonne verdeckt und traten erst nach dem vollständigen Ausbau des um 1990 eingestürzten Gewölbes zutage.3 Mit dem Einbau der Kellertonne einher ging offen­sichtlich auch die Errichtung eines solchen Kellerraumes in einem nur noch in Resten im Boden erhaltenen westlichen Anbau, für den nun ein Zugang in der Untergeschoss­West­wand des Hinterhauses geschaffen wurde. Dieser westliche Anbau war ursprünglich nur ebenerdig angelegt, wie die gerin­ge Fundamenttiefe und die Reste des Innenputzes zeigten. Da­gegen reichte der jüngere tonnengewölbte Keller erheblich tiefer als die Fundamente der seitlichen Gebäudewände, mit denen er auch statisch konstruktiv nicht direkt in Verbindung stand. Der Keller besaß ein Fußbodenniveau, das demjenigen im Untergeschoss des Hinterhauses und im o. g. Vorraum des »Zwischenbaues« entsprach. Diese Gebäudesituation mit hof­seitigem Hinterhaus und Anbau gibt die fundierte Rekonstruk­

9 Zwickau, Hauptmarkt 6, Untergeschoss des Hinterhauses mit den drei Mauerschlitzen/ Rauchabzügen an der Südseite; an der Westseite nachträglich eingebrochener Zugang zu einem spätmittelalterlichen Anbau, der Putzbefund weist auf das eingestürzte und inzwischen abgetragene jüngere Tonnengewölbe hin.

10 Dresden, Residenzschloss, ehemalige kurfürstliche Münze, errichtet 1556, einzige bekannte Gesamtansicht von Schmelzhaus/ Feinschmelze (links) und eigentlichem Münzgebäude (rechts), einstiger Standort nördlich des Georgenbaues.

7 Zwickau, Hauptmarkt 6, Holzbalkendecke (1441 d) des süd-lichen Raumes im 1. Obergeschoss des Vorderhauses.

8 Zwickau, Hauptmarkt 6, südlicher Raum im 1. Obergeschoss des Vorderhauses mit wohl italienisch beeinflusster Wandmalerei der Frührenaissance in Form eines Wandfrieses.

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Möglichkeiten der Denkmalpflege bei der Sanierung des Kulturpalastes Dresden 107106

Ulrike Hübner­Grötzsch

»Ostmoderne wie aus dem Ei gepellt«Möglichkeiten der Denkmalpflege bei der Sanierung des Kulturpalastes Dresden

Mit dem titelgebenden Zitat überschrieb der Berliner Archi­tekturhistoriker Falk Jaeger eine Architekturkritik zur Wieder­eröffnung des umgebauten und sanierten Kulturpalastes in Dresden in der Sächsischen Zeitung am 28. April 2017 und kritisierte den »gestrengen Denkmalschutz« und »absoluten« Rekonstruktionswillen. Dabei stand die erst im Jahr 2008 offiziell erklärte Eigenschaft des Kulturdenkmals selbst wäh­rend des Bauprozesses mehrfach in Frage. Grund dafür war nicht das Baufenster im Herzen des Gebäudes für den neuen Konzertsaal, das bereits mit Beginn der Sanierungsplanung kurz nach der Denkmalausweisung – wenn auch unter kont­roversen Diskussionen – abgestimmt worden war. Ausschlag­gebend war auch nicht die funktionelle Umnutzung vom Kulturhaus mit repräsentativem Mehrzwecksaal und großzü­gigen Foyers mit feierlichem Charakter zur stark frequentier­ten städtischen Zentralbibliothek, die das obere Foyer mit Funktionseinbauten und Alltagsnutzung veränderte. Aus­schlaggebend waren neben den zu knapp kalkulierten Finanz­mitteln für konservatorische Maßnahmen vielmehr die Pro­

bleme, die die moderne Bausubstanz dem denkmalpflegerisch wichtigen Primat des möglichst authentischen Erhalts bot. Dass es trotzdem gelungen ist, den Charakter des Gebäudes in wichtigen Teilen zu erhalten, ist dem Engagement aller Beteiligten auf ihrem jeweiligen Arbeitsgebiet und einer groß­zügigen Denkmalförderung zu verdanken.

Die Planungsgeschichte des Kulturpalastes ist symptoma­tisch sowohl für die kulturpolitische, architekturgeschichtliche und städtebauliche Entwicklung in der DDR als auch auf­schlussreich für die Verhältnisse in Dresden. Sie wurde umfas­send dargelegt.1 Der markante Bau der internationalen Architek­turmoderne, auf der Grundlage der Konzeption von Leopold Wiel von einem Kollektiv unter der Leitung von Wolfgang Hänsch im VEB Hochbauprojektierung Dresden geplant, wurde zum 20. Jahrestag der Gründung der DDR 1969 eröff­net und in der Folge dank seiner breit gefächerten Nutzungen stark frequentiert und überwiegend akzeptiert. Nach der Wen­de erforderten die Nutzungsänderungen mit zunehmenden Kongressen in den Gesellschaftsräumen und mit der Öffnung

der »Ladenlokale« im Erdgeschoss sowie allgemeiner Sanie­rungsbedarf bauliche Anpassungen. Die Wahrnehmung der Ost moderne als Altlast ohne künstlerische Bedeutung verhin­derte einen Konsens über Wert und Schutzwürdigkeit der betroffenen DDR­Architektur. Die sich wandelnden städte­baulichen Leitbilder führten zu einem Korrekturbedürfnis gegenüber der großzügigen Nachkriegs­ Stadt planung durch Verdichtung. In diesem Kontext standen die Umbauungsplä­ne des Kulturpa lastes von Architekt Hans Kollhoff aus Berlin 2002 und Wolfgang Hänschs Antwort eines eigenen Umbau­ungsentwurfes, die allerdings die öffentliche Diskussion über gestalterische Qualitäten und Wert des Kulturpalastes, u. a. mit der Kampagne »Kulturpalast erhalten« von »Dresdens Erben«, anfachten. Im Juli 2008 erfolgte die Ausweisung des Denkmals durch das Landesamt für Denkmalpflege, die be­reits seit 2005 vorbereitet worden war. Für den Denkmalwert des Gebäudes sind zunächst der vorbildhafte Bautypus in in­dustrieller Bauweise in der Formensprache der Internationalen Moderne und dessen Umsetzung als Zentralbau mit flacher Kuppel wichtig, die den Dresdner Stadtraum weniger beein­trächtigte als frühere Planungsstufen mit vertikaler Stadtdo­minante. Große baukünstlerische Qualität und hochwertige Materialien zeichnen den Repräsentationsbau für Kultur und Bildung aus.

Nach einjähriger Schließzeit wegen Brandschutzmängeln im Jahr 2007 beschloss der Dresdner Stadtrat im Juli 2008 den Umbau des Gebäudes einschließlich der Erneuerung des zen­tralen Saales und den Einzug der Stadtbibliothek. 2008 schrieb die Stadt diesbezüglich einen nichtoffenen zweistufigen Wett­bewerb aus, den gmp Architekten von Gerkan, Marg und Part­ner 2009 gewannen.2 Bereits für die Ausschreibung war der

Kompromiss des Baufensters an Stelle des Mehrzwecksaales für den neuen Saal der Philharmonie in den Obergeschossen und das Kabarett »Herkuleskeule« im Untergeschoss sowie den Erhalt der übrigen Bauteile geschlossen worden. Nachdem die Urheberrechtsklage von Wolfgang Hänsch gegen den Abriss des Mehrzwecksaales 2009 und 2012 in zwei Instanzen ab­schlägig beschieden worden war, begann 2012 der fünfjährige Umbau durch die städtische Trägergesellschaft Kommunale Immobi lien Dresden GmbH & Co. KG. Grundlage für die denkmalpflegerische Arbeit war der »Maßnahmenkatalog Denkmalpflege« als Bestandteil der Baugenehmigung, der den Erhalt der Fassaden einschließlich der Bronzetüren und des Wandbildes »Weg der Roten Fahne«, den strukturellen Erhalt der Foyers und der Schmetterlingstreppenhäuser, den Erhalt ausgewählter Ausbauteile wie der Decken­ und Wandverklei­dung in der ehemaligen Studiobühne und dem Chorproben­raum, der Kranichdecke sowie einiger Kunstwerke festschrieb. Der Restaurator Wilfried Sitte fertigte eine umfassende Doku­mentation an, die im Laufe der Baumaßnahme noch partiell ergänzt wurde. Dabei waren die unterschiedlichen Herange­hensweisen der Planer, die neue Elemente des Denkmals durch moderne Formensprache klar absetzen wollten, und der Denk­malpfleger, die ein geschlossenes Erscheinungsbild anstrebten, das auch die ansichtsgleiche Rekonstruktion verlorener Subs­tanz beinhaltete, zusammenzuführen.

Die Sanierung des Kulturpalastes in seiner ursprünglichen Kubatur schreibt mit der gleichzeitigen Rekonstruktion der Bürgerhausquartiere um den Neumarkt in Dresden die Über­schneidung verschiedener städtebaulicher Leitbilder fest. Die Grenze ist nicht neu definiert worden, stattdessen werden die alten Quartiere dem zeitlich späteren Bestand entsprechend

1 Kulturpalast Dresden, Hauptfassade am Altmarkt von Süden vor der Sanierung. 2 Kulturpalast Dresden, Grundriss Erdgeschoss mit Markierung denkmalrelevanter Bereiche, Genehmigungsplanung.

Möglichkeiten der Denkmalpflege bei der Sanierung des Kulturpalastes Dresden

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beschnitten, was zu deren partieller Neugestaltung führt. Der umgebende Raum für den großzügig in horizontaler Ausdeh­nung geplanten Kulturpalast wird auf der Ost­ und der Nord­seite stark eingeschränkt, während die südliche Hauptfassade zum Altmarkt und die ebenfalls wichtige Westseite an der Schlossstraße – zur Erbauungszeit des Gebäudes als Teil der zen­tralen fußläufigen Nord­Süd­Achse durch das Stadtzentrum – ihre Wirkung weiter entfalten. Das an dieser Stelle vorbildlich restaurierte Wandbild »Weg der Roten Fahne« verbildlicht und tradiert die ursprüngliche politische Funktion des Kulturpalas­tes und wirft nach seiner jahrelangen »Verhängung« durch ein Baunetz nun wieder Fragen zum Umgang mit politischen »Alt­lasten« auf. Der vor Beginn des Kulturpalastumbaus realisierten Baumgruppe vor dem Wandbild kann eine Verstetigung seines Versteckens unterstellt werden. Dass der Kulturpalast aber nicht auf die politische und städtebauliche Funktion der DDR­Zeit reduziert werden darf, macht die außergewöhnliche künstleri­sche, gestalterische und handwerkliche Qualität des Baus von der expressiv gefalteten Kupferhaube auf dem Dach bis zu den Details der Ausstattung deutlich.

Der Vorplatz des Kulturpalastes konnte durch den Land­schaftsarchitekten Günter Kretzschmar, der bereits an der ur­sprünglichen Gestaltung 1969 beteiligt war, und sein derzeitiges Büro Günter Kretzschmar & Partner, rekonstruiert werden. Dazu gehörte die Wiederherstellung des zwischenzeitlich mehr­fach durch Umbauten gestörten Mäanderbandes aus verschie­denfarbigen Waschbetonplatten und die Rekonstruktion der 2007 im Zuge des Tiefgaragenbaus am Altmarkt abgebauten drei flachen Brunnen. Da der östliche an der Stelle der in der DDR­Zeit eingezogenen, aber zwischenzeitlich wieder herge­stellten Galeriestraße lag, mussten sie etwas nach Westen ver­schoben werden. Ihre gestalterische Funktion als horizontaler Akzent vor der Kulturpalastfassade und als Bindeglied zur wei­3 Kulturpalast Dresden, Südwestecke mit Südfassade (um 1970).

4 Kulturpalast Dresden, Mehrzwecksaal vor dem Umbau in Richtung Zuschauerraum, 2013. 5 Kulturpalast Dresden, Garderobenfoyer im Erdgeschoss nach Norden (2013).

6 Kulturpalast Dresden, Foyer im ersten Obergeschoss mit Treppengeländern, Wandbild und Deckengestaltung vor dem Umbau (2013).

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teren Bebauung im Osten entspricht damit nicht mehr dem Idealmaß, konnte aber aufrechterhalten werden. Die drei Fah­nenmasten als vertikaler gestalterischer Akzent vor der Haupt­fassade im Westen hingegen konnten 2012 in der Denkmal­liste ergänzt und von Juni bis November 2018 vor Ort durch Fuchs & Girke, Bau­ und Denkmalpflege GmbH Ottendorf­Okrilla, mit partieller technischer Aufrüstung restauriert wer­den. Der Konflikt aus neuer Wohnbebauung und zur Betrei­bung des Kulturpalastes notwendiger nächtlicher Logistik an dessen Rückseite ist juristisch noch nicht entschieden. Die vom Bauherren der Wohnhäuser finanzierte Planung einer tempo­rären Einhausung der Anlieferungszone durch gmb Architekten sieht die Verlängerung der gestalterisch dominanten Betonplat­te zwischen Erdgeschoss und erstem Obergeschoss des Kultur­palastes als Träger einer im Bedarfsfall zu schließenden Lärmschutz hülle vor.

Die äußere Gebäudehülle des Stahlbetonskelettbaus wurde unter partieller Demontage und dem Wiedereinbau aufgear­beiteter oder rekonstruierter Teile erhalten. Die Kupferhaube konnte an Ort und Stelle verbleiben, da der Abriss und Neubau des mittigen Saales durch die demontierte Vorhangfassade der Südseite erfolgte. Die Alurahmen­Glasscheiben­Konstruktion der Gebäudehülle der beiden Obergeschosse war in der Sanie­rungsplanung zunächst zum Ersatz durch eine neue, den heu­tigen gebäudetechnischen Anforderungen genügende Konstruk­tion vorgesehen. Die finanzielle Überprüfung führte jedoch zu einer günstigeren Bilanz durch die Wiederverwendung und Aufarbeitung der bauzeitlichen Alurahmen, die die Firma Fuchs & Girke in ihren Werkstätten in Ottendorf­Okrilla vornahm. Das ursprünglich klare Glas der Obergeschosse war 1986 aus Sonnenschutzgründen durch bedampfte Thermoscheiben auf Kupferbasis ersetzt worden, die das VEB Flachglaskombinat Torgau unter dem Namen Theraflex­Gold nach einer Entwick­lung des Ardenne­Institutes in Dresden hergestellt hatte.3 Nun

konnte die für den Gebäudecharakter wichtige Transparenz durch den Einbau moderner Scheiben mit den notwendigen, optisch nicht in Erscheinung tretenden Beschichtungen wieder hergestellt werden: besonders bei nächtlicher Beleuchtung er­strahlen die Foyers in beeindruckender Außenwirkung bis auf den Altmarkt.

Eine weitere partielle Rekonstruktion betrifft die südlichen Gebäudeecken im Erdgeschoss. Die in Glas und Alurahmen geöffnete Haupteingangsfassade war hier von roten Granitplat­ten gerahmt worden, die das übrige, gegenüber den Oberge­schossen eingezogene Erdgeschoss verkleideten. Für den Einbau einer Ticket­Zentrale und des Besucherzentrums Frauenkirche waren die Ecken um 1999 bzw. 2006/ 07 vollständig in Glas geöffnet worden und konnten nun zumindest in Teilen wieder geschlossen werden, um die ursprüngliche Intention des Baus

wenigstens anzudeuten. Die sockelartige Granitverkleidung des Erdgeschosses wurde demontiert, eingelagert und soweit mög­lich wieder montiert. Fehlende Steinbestände konnten dem Bestandsmaterial visuell entsprechend ergänzt werden. Die Betonformsteinelemente der Rück­ und Seitenfassaden wurden nach restauratorischem Befund wieder gebrochen weiß gefasst. Sekundäre Fassadenteile wie das Fensterband im ersten Zwi­schengeschoss wurden durch ansichtsähnliche moderne Ele­mente ersetzt. Die gestalterisch bemerkenswerten Schaukästen mit Alurahmen werden derzeit noch aufgearbeitet.

Zu den Verlusten des Sanierungsprozesses gehören die Alu­rahmen der Fenster in der Erdgeschosszone der Südfassade, die zur Wiederverwendung vorgesehen waren, aber bei der Demon­tage zerstört wurden. Ebenso wurden die Balkongeländerrah­men im ersten Oberschoss, die auf der Südseite wegen der Zugänglichkeit des Balkons zur Ertüchtigung nach Bauauf­sichtsvorgaben vorgesehen waren, bei der Demontage verse­hentlich zerschnitten. Die aus Alupaneelen bestehenden rück­seitigen Türen für Diensteingänge wurden nicht erhalten und die Bühnenzugänge im Untergeschoss geschlossen. Die gastro­nomische Nutzung des Balkons, die der Betreiber anstrebte, musste aus denkmalpflegerischer Sicht versagt werden, um das Erscheinungsbild des Gebäudes verändernde Nachfolgeelemen­te wie Sonnenschirme zu verhindern und den Raum als Wan­delgang in der Pausenzeit von Konzerten ohne Behinderung durch fest installierte Tische zu erhalten.

Den größten Einschnitt in die historische Bausubstanz stellt der Neubau des Saales dar. Im Sommer 2008 vom Stadtrat beschlossen, blieb die Maßnahme bis zum Beginn des Umbaus ein umstrittenes Thema. Der ursprüngliche Multifunktionssaal, den die Philharmonie dennoch aus Ermangelung eines anderen Auftrittsortes bespielt hatte, wies gegenüber einem Konzertsaal akustische Defizite auf, die durch den Neubau in Weinbergform nach dem Entwurf von gmp Architekten behoben werden soll­ten. Die Denkmalpflegebehörden waren mit der Unterschutz­stellung bereits diesen lokalpolitischen Kompromiss eingegan­gen. Somit wurde der historische Saal mit dem Kippparkett, der Bühnentechnik und der aufwendigen und wertvollen Holzver­kleidung durch AIVG Architektur­ und Ingenieurvermessung Dipl.­Ing. Lutz Graupner umfassend fotogrammetrisch doku­mentiert. Die Holzverkleidung war in Teilen zur Wiederverwen­dung in den künftigen Übergangsräumen zwischen neuem Saal und Altbau vorgesehen, was aus technischen Gründen letztend­lich nicht umgesetzt wurde.

Im Gegensatz zum großen Baufenster hatte der denkmal­pflegerische Substanzerhalt wie für die Gebäudehülle auch für die Foyers und die den Saal umgebenden Räume Priorität. Allerdings ist moderne Bausubstanz nicht wie historisches massives Mauerwerk zur Konservierung geeignet. Um Schad­stoffe zu beseitigen und neuen haustechnischen und sicher­heitstechnischen Anforderungen zu genügen, mussten alle Wandverkleidungen entfernt werden. Ein Aufschrei in Presse und Bevölkerung kommentierte das verbleibende nackte Be­tongerüst. Die zur Wiederverwendung vorgesehene Modell­gipsdecke (Mogidecke) erwies sich bereits bei der Demontage als zu brüchig. Der qualitätvolle Vorschlag zur Neugestaltung durch gmp in heutiger Formensprache nach dem Prinzip der Ablesbarkeit neuer Bausubstanz wurde zugunsten der denk­malpflegerischen Forderung nach Wiederherstellung des Er­

scheinungsbildes verworfen, da die dem Original ansichtsglei­che Kopie der Deckenplatten möglich war. Den finanziellen Ausgleich zwischen geplanter Wiederverwendung bzw. Neu­planung und kosten intensivem Nachbau ermöglichte die Un­terstützung durch das Sonderprogramm Denkmalpflege des Freistaates Sachsen 2014. Darüber hinaus wurden nach Verga­be des Auftrages an die Firma Lindner AG nach dem Gespräch des Oberbauleiters Torsten Horst mit Stefan Scherf, Leiter des Stuckhauses Scherf & Ritter aus Waldenburg, originale Mat­rizen der Decken aus dessen Garage geborgen, sodass eine authentische Nachbildung möglich war. Die Prüfung der sta­tischen Belastbarkeit der nicht mehr zugelassenen Materialien und Technik im Prüflabor Lindner AG Arnstorf ergab eine vierfache Sicherheit. Material bruch trat erst bei 13­facher Be­lastung von 90 Kilogramm pro Platte ein.

Integrierter Bestandteil der Decken sind die als plastisch hervortretendes Raster wirkenden Leuchten, die die Decken­gliederung verstärken. Die kostengünstigere Planung neuer, bündig eingelassener Leuchten in reduzierter Gesamtzahl war aus denkmalpflegerischer Sicht deshalb nicht umsetzbar. Auch hier ermöglichte eine großzügige Denkmalförderung den Neu­bau von ansichtsähnlichen plastischen Leuchtkörpern mit neu­er technischer Ausstattung, allerdings ohne die historischen Gittereinsätze.

Einig waren sich Bauherren, Planer und Denkmalpfleger in der Wertschätzung der filigranen Treppengeländer mit domi­

7 Kulturpalast Dresden, Foyer im Erdgeschoss mit Treppengeländern, Deckengestaltung und Marmorscheiben nach der Sanierung nach Westen (2017).

8 Kulturpalast Dresden, Foyer im Erdgeschoss mit Holzverklei-dungen und Zugang zu den Schmetterlingstreppenhäusern nach der Sanierung (2017).

9 Kulturpalast Dresden, Schmetterlingstreppenhaus (um 1970).

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befriedigendem Ergebnis umgesetzt. Die originale Metallkon­struktion war während der Bauzeit eingehaust vor Ort verblie­ben, die eingelagerten Holzhandläufe wurden nach ihrer Auf­arbeitung durch die Constantia Bühnenbau GmbH Pophal, Werkstatt für Holzbau und Restaurierungen, und der Montage der Glasergänzungen wieder angebaut.

Die Constantia GmbH Pophal arbeitete neben den Hand­läufen auch die Wandverkleidungen der Stirnseiten im Foyer auf. Sie verbargen ursprünglich Telefonzellen und andere Ne­benräume, seit der Sanierung befinden sich an dieser Stelle durch alle Geschosse laufende Leitungsschächte. Um die wert­vollen Tropenhölzer im ursprünglichen Lacksystem mit Nitro­zellulose behandeln zu können, war eine Sondergenehmigung nötig. Dem stilistisch der internationalen Moderne entspre­chenden Prinzip des Zusammenklangs verschiedener edler Ma­terialien wie Holz, Naturstein und Putz entsprachen die mit weißem Marmor verkleideten Wandscheiben im Foyer, die scheinbar vom Erdgeschoss bis zum ersten Obergeschoss durch­liefen. Nach der Einlagerung während der Bauzeit wurden sie ohne Dehnungsfuge und in anderem Muster neu montiert sowie im ersten Obergeschoss an der Schnittstelle zum Bau­fenster des neuen Saales durch eine neu proportionierte Ver­kleidung mit Holz ersetzt, da sich die Wandgliederung an die­ser Stelle verändert hat. Der Steinfußboden aus Lausitzer Granit im Erdgeschoss wurde an Ort und Stelle gereinigt. Der Erhalt der Windfänge war nach mehrfacher Umplanung nicht durchzusetzen, sie wurden sorgfältig dokumentiert. Die Wand­farbigkeit wurde nach restauratorischem Befund in gebroche­nem Weiß wieder hergestellt. Der textile Fußbodenbelag der Obergeschosse, der zwischenzeitlich durch einen blauen ersetzt worden war, wurde im ursprünglichen Rot rekonstruiert. Die etwas gedämpfte Farbe konnte die rosa Abstrahlung auf die Wände nicht verhindern, die wahrscheinlich in der Vergangen­heit zur Farbkorrektur geführt hatte.

Die ursprünglich zum Erhalt vorgesehenen Glas­Alu­rahmen­ Türen vom Hauptfoyer zu den Schmetterlingstreppen­häusern fielen der Notwendigkeit zertifizierter Brandschutz­türen zum Opfer. Eine ansichtsähnliche oder zumindest identisch gegliederte Rahmung war nicht finanzierbar, weil deren Neubau eine Einzelfallprüfung erfordert hätte. Der Glatt­putz auf den Außenseiten der Schmetterlingstreppenhäuser kontrastierte zu einem groben Rauputz auf den Wänden zum Saal, was neben gestalterischen auch akustische Gründe gehabt haben mag. Der zum Erhalt vorgesehene Rauputz wurde durch das Entfernen von nicht mehr benötigten Elektroleitungen, die aus Brandschutzgründen zu demontieren waren, so stark ge­stört, dass sich die Erhaltungsbemühungen auf einzelne Be­fundfenster reduzierten. Doch auch diese waren nicht zu halten, da der unterschiedliche Aufbau zu verschiedenen Oberflächen­höhen führte und letztendlich ein nachgestellter Rauputz auf­getragen wurde. Das Geländer am Durchbruch der Schmetter­lingstreppenhäuser zum Untergeschoss auf Grund der neu eingebauten Spielstätte Herkuleskeule mit Zugang zur Tief­garage unter dem Altmarkt setzt sich gemäß dem Credo der Architekten von gmp entschieden von der historischen For­mensprache ab. Trotz dieser Einschränkungen blieben die drei­eckigen Treppenaugen der vier Schmetterlingstreppenhäuser in ihrer Wirkung erhalten. 13 Kulturpalast Dresden, Restaurant mit Gobelin und Kranichdecke im ersten Obergeschoss (um 1970).

10 Kulturpalast Dresden, Faltwände in den Gesellschaftsräumen im zweiten Obergeschoss vor der Sanierung (2013).

11 Kulturpalast Dresden, »Chorprobenraum« im Erdgeschoss zu Beginn der Sanierung (2013).

12 Kulturpalast Dresden, Studiobühne mit Foyer im ersten Obergeschoss (1970).

nantem Edelholzhandlauf, verkleidet mit dem dunklen Tropen­holzfurnier Makassar. Der auf den zarten Füllungsstäben, die bereits kurz nach der Bauzeit durch stärkere ersetzt worden, horizontal scheinbar schwebende Handgriff in einfachem Rechteckprofil entspricht der großen Struktur des Gesamtbau­werkes von transparenten Vorhangfassaden zwischen massiven Betonscheiben. Da die beantragte Ausnahmegenehmigung der Bauaufsicht wegen Mängeln in der Gesamthöhe, dem Stabab­stand der Füllungen und dem Abstand des Geländers von den Treppen nicht erteilt wurde, kamen verschiedene Varianten zur Erprobung: eine Neuplanung nach geltenden Anforderungen fügte sich nicht in das bestehende Bild ein; eine Anpassung des Bestandes mit enger angeordneten Füllstäben genügte den An­forderungen noch immer nicht; die aus gestalterischen Grün­den bereits verworfene Ertüchtigung durch die Addition von Glaselementen wurde wieder aufgegriffen und nach der Lösung zahlreicher Detailprobleme von der Firma Fuchs & Girke mit

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Zur Pflege ländlicher Denkmale in der DDR 129128

Thomas Noky

Zur Pflege ländlicher Denkmale in der DDR1

Wie ein Architekturstudent im Dresden der 1980er-Jahre zur Denkmalpflege finden konnte. Es ist wohl ein Wagnis, über den Zeitraum eines Arbeitsfeldes zu schreiben, in dem auch Geburt, Heranwachsen, Bildung und Ausbildung des Autors liegen. Heute zwar mit der zu betrach­tenden Aufgabe betraut, hatte er doch bis zum Ende des Beste­hens der Deutschen Demokratischen Republik nur wenige Berührungspunkte mit historischen ländlichen Bauten.

Aufgewachsen in einer Villa auf dem Weißen Hirsch in Dresden waren mir bürgerliche Pracht und Herrlichkeit in ihrer in den 1970er­Jahren schon patinierten Erscheinung weit­aus vertrauter als das Bauernhaus, das ich in seiner nicht erfass­baren Vielfalt doch nur vom Vorbeifahren mit Blick aus dem Fond des elterlichen Wartburgs kannte. Ferien an der Ostsee boten die erste Möglichkeit, mit der Welt der einfachen Häuser aus Holz, Lehm und Rohr in Kontakt zu kommen. Es war ein Besuch im damals noch kleineren Freilichtmuseum Klocken­hagen bei Ribnitz­Damgarten, wo ich in Halle, Lucht und Döns die Faszination einer mir unbekannten Welt spürte. Da­mit verbunden bleibt Karl Baumgarten, dessen Buch zum deut­schen Bauernhaus ich nach diesem Besuch das erste Mal las. Auch beim späteren Einblick in das Werk war die für meine Jugend im abgeschlossenen Teilstaat bemerkenswerte gesamt­deutsche Beschreibung des Themas ein Lehrstück des grenzen­losen Denkens im fachlichen Zusammenhang über politisch gesetzte Rahmenbedingungen hinweg. Nachdem die erste Auf­

lage von 1980 nur mit anschaulichen Zeichnungen auskommen musste, verstärkte in der zweiten Auflage von 1985 ein Fototeil die Verbindung von Ost und West zu einem Ganzen.

Veranstaltungen an der Technischen Universität Dresden öffneten mir den Zugang zur Baugeschichte. Noch zur Zeit des Abiturs legte Irma Emmerich mit ihren begeisternden Vor­trägen ein erstes Samenkorn in die Erde, welches im Studium der Architektur durch Klaus Mertens und Kurt Milde umfang­reiche Nahrung erhielt, um zu gedeihen. Jedoch waren Tempel, Klöster, Kathedralen und Schlösser noch weitaus interessanter als das Haus im Dorfe. Denkmalpflege als Lehrgebiet oblag zu meinen Studienzeiten Hans Nadler, der uns Studierenden mit seinen Lichtbildervorträgen das weite Feld denkmalpflegeri­scher Arbeit vorstellte. Zur Fülle der von ihm präsentierten Bilder sagte er zu uns – den an zwei Projektoren Dias Schie­benden, was Doppelprojektion genannt wurde – immer: »Mehr als sechzig Bilder pro Minute dürfen es nicht werden, dann wird es ja ein Film.« Auch die Exkursionen mit dem blauen Ello der Technischen Universität Dresden, einem Bus von Robur Zittau mit Panoramafenstern, sind in guter Erin­nerung geblieben, insbesondere das kreischende Erschüttern durch das Triebwerk beim Erklimmen der Stadt Annaberg. Sehr einprägsam für uns junge Menschen war die Ankündi­gung einer Äußerung von Hans Nadler, wenn er mit dem Stock mehrfach auf den Boden stoßend sich Gehör verschaffte mit den Worten, nun wolle er »auch mal was sagen«. Es folgten Ausführungen zu Konser vierungs­ und Restaurierungsmetho­den mit (für uns mit Nitro­, Pur­ und Bootslack Vertrauten) abenteuerlichen Begriffen wie Kalk­Kasein oder Pflanzen­schwarzpigmenten. Es eröffnete sich eine andere Welt der Ma­terialien. Durch diese geheimnisvollen Lehrinhalte übte die Denkmalpflege einen besonderen Reiz im sonst doch mehr von Beton, Stahl und Zement geprägten Archi tekturstudium aus. Dieses außergewöhnlich Reizvolle ver mit telten ebenso die hohen Gänge des Instituts für Denkmalpflege/ Arbeitsstelle Dresden in der Halbruine des Stände hauses, wohin es den sich der Denkmalpflege widmenden Studenten immer wieder zog. Nicht zuletzt waren es die dort ausgehängten großformatigen Schwarzweißfotografien und Zeichnungen, die den Wunsch nach Mitarbeit auf diesem Felde bestärkten.

Durch die Möglichkeit, beim Um­ und Ausbau des Hauses des Ziegelmeisters in Pillnitz zu helfen, bekam ich, durch das Architekturstudium inzwischen im Sehen und Erkennen ein wenig belehrt, die erste Gelegenheit, mich intensiver mit einem Beispiel dieser vielen kleinen Häuser zu befassen. Zwar führte das benannte Vorhaben, ähnlich wie beim benachbarten Fi­scherhaus, dem Zeitverständnis folgend zu einem nahezu voll­

ständigen Neubau in historisch stimmiger Form, doch der Neubau der Laube in Fachwerk durch den Eigentümer weckte mein Interesse mehr als die bloße Betrachtung der Bauten. Als Berater in der Angelegenheit fiel von Seiten des Bauherrn im­mer wieder der Name von Jochen Helbig am damaligen Insti­tut für Denkmalpflege/ Arbeitsstelle Dresden. Auch diese Auf­gabe der Beratung zur historisch glaubhaften Gestaltung von ländlichen Bauten war also ein Tätigkeitsfeld für einen in der Architektur Gebildeten.

An die Kunst des Zimmermanns führte mich ein Aufmaß des Giebeldachreiters der Kirche Maria am Wasser in Dresden­Hosterwitz heran. Es war eine studentische Nebenbeschäf­tigung, die neben der Weitung des Blickfelds auch Geld für Reisen bis ans Ende der sozialistischen Welt einbrachte. Auf diesen Reisen mit Transitvisum in die Bergwelt des Kaukasus und Mittelasiens bis nach Kamtschatka nahmen mich mehr als die Städte die Bauten der Landbevölkerung gefangen. Die Lehmbauten mit ihren farbigen Ausstattungen warfen für mich die Frage auf, wie das denn in den Dörfern zuhause ausgesehen hat. Dennoch blieben das Bauernhaus und seine Hausgenossen für mich bis zum Ende des Bestehens der DDR nur ein Randthema. Auch die Möglichkeit, das im Studium enthaltene Aufmaßpraktikum in einem Umgebindehaus der Oberlausitz zu absolvieren, kam für mich nicht in Betracht, Marstall und Schloss Basedow reizten weitaus mehr.

Für die für unser Studium notwendige Seminararbeit wählte ich als Thema die Moreauschänke in Altpestitz südlich unterhalb der Dresdner Südhöhe. Vormals oft dort eingekehrt mit dem Kommersbuch zu Bier und Gesang studentischer Tradi tion folgend, sollte mich die Entdeckung der Schänke als kleinbäuerliches Häusleranwesen mit Begriffen wie Stube, Kammer und Banse vertraut machen. Der Blick für das Bau­ernhaus war in den Grundzügen geschult. Doch zum Diplom gab es wieder ein Schloss, es steht in Hoyerswerda. Im an­schließenden Aufbaustudium Denkmalpflege in Bamberg begann das Interesse für das Dorf zu wachsen. Auf der Suche nach einem Thema für die Abschlussarbeit stieß ich auf das Thema Fenster. Die Dokumentation historischer Fenster führ­te mich nach dem Aufbaustudium durch den wiedergegrün­deten Freistaat Sachsen zu städtischen Bauten und hinaus in das Dorf zu den Wohnstallhäusern, Auszugshäusern, Seiten­gebäuden und Scheunen. Über das Fenster stieg ich in das Thema ein, welches einen großen Teil meiner beruflichen Tätigkeit einnehmen sollte. Der praktische Teil folgte mit dem Ausbau eines Umgebindehauses mit Seitengebäude und Scheunenteil im Umkreis von Dresden. All das führte schließ­lich 2002 zu einer Teilzeitstelle als Referent für Volksbauwei­se am Landesamt für Denkmalpflege Sachsen und damit auf die Spuren von Jochen Helbig, zu dessen Aufgaben bis 1993 dieser Bereich zählte.

Zur Pflege ländlicher Denkmale in der DDR

1 Klockenhagen, Freilichtmuseum (Mitte der 1980er-Jahre). aus: Baumgarten, Karl/ Heim, Angelika: Landschaft und Bauernhaus in Mecklenburg,. Berlin 1987, S. 146, Abb. 203).

2 Dresden-Pillnitz, August-Böckstiegel-Str. 8, Fischerhaus vor und nach der Erneuerung durch die Kommunale Wohnungsver-waltung des Stadtbezirks Dresden-Ost (1959/ 76).

3 Dresden-Pillnitz, August-Böckstiegel-Str. 10, Haus des Ziegel-meisters vor und nach der Erneuerung durch einen privaten Bau-herrn (um 1988).

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Wie kann ein Beitrag über eine Zeit gelingen, die an einem unerfahrenen Schüler und Studenten vorbeigegangen ist? Er­fahrungsberichte und Anekdoten kann es nicht geben. Befra­gungen sind zeitaufwändig und bringen, werden sie nicht um­fangreich mit einer möglichst großen Zahl Beteiligter durchgeführt, einzelne subjektive Aspekte ein, die zu verarbei­ten bei begrenztem Zeitumfang heikel werden kann. Es bleiben die Literatur, die Archive und Bildsammlungen sowie die er­haltenen ländlichen Kulturdenkmale. Die Aussagen der Quel­len bringen die Sache mitunter nüchtern auf den Punkt. Die Literatur muss, insbesondere bei diesem Thema, auch zwischen den Zeilen gelesen werden.

Ländliche Denkmalpflege der DDR im Spiegel ihrer LiteraturZuerst muss der Blick auf die Pflege ländlicher Baudenkmale im gesamten ostdeutschen Staat gerichtet werden. Mit dem Überblick zur Literatur und der daraus erkennbaren großen Linie wird ein Gesamtüberblick dank der zentralstaatlichen Struktur der DDR besser gelingen als die Beschreibung der praktischen Denkmalpflege. Hier müssen Beispiele aus dem Wirkungskreis der Dresdner Arbeitsstelle des Instituts für Denkmalpflege genügen.

Es ist auffällig, dass es zum Thema Denkmalpflege im um­fassendsten Sinne zwischen 1945 und 1990 aus der DDR um­fangreiche Literatur gibt. Vor allem sind veröffentlichte Fach­beiträge zu baugeschichtlichen und denkmalpflegerischen Themen im ländlichen Raum in unüberschaubarer Menge zu finden. Es entsteht der Eindruck, dass das Volk der DDR all­umfassend und vielseitig auf hohem fachlichem Niveau über Haus­ und Bauforschung, Siedlungsgeschichte, Volkskunde und Denkmalpflege informiert wurde. Auch in Tageszeitungen fand das Thema breiten Widerhall. Möglicherweise schlägt sich hier das im Denkmalpflegegesetz der DDR vom 19. Juni 1975 festgeschriebene Ziel der Denkmalpflege nieder, sie diene »der Entwicklung des sozialistischen Bewusstseins, der ästhetischen und technischen Bildung und ethischen Erziehung«.

In zahlreichen schriftlichen Reihen und Periodika veröffent­lichten über 40 Jahre hinweg sowohl Wissenschaftler, Heimat­forscher und ehrenamtliche Denkmalpfleger der Kreise als auch interessierte Laien, die die Forschung auf einem Kleingebiet des weiten denkmalpflegerischen und bauhistorischen Feldes als sinnvolle Freizeitbeschäftigung betrieben. Solcherart Möglich­keit boten u. a. die »Sächsischen Heimatblätter«, die »Ober­lausitzer Forschungen« und das »Deutsche Jahrbuch für Volks­kunde« der Akademie der Wissenschaften zu Berlin. Ein schönes Beispiel für die Qualität und den dokumentarischen Wert solcher Veröffentlichungen ist das Heft »Fachwerkhäuser im mittleren und westlichen Erzgebirge – Eine Dokumenta­tion« von Werner Spickenreuther in der Reihe »Glück auf« (1984). Der Untertitel zeigt aber auch den mitunter tragischen Teil der Motivation solcher Veröffentlichungen. Es soll in Schrift und Bild dokumentiert werden, was in Gefahr geraten ist, bald verloren zu gehen. Großes öffentliches Interesse führ­te häufig dazu, dass die Hefte sehr schnell vergriffen und nur noch über Bibliotheken zu lesen waren.

Auch von Seiten der Kreise gab es zum Ende der 80er­Jahre Aktivitäten, der breiten Öffentlichkeit die Denkmale vorzustellen. So erschien beispielsweise im Jahre 1987 ein Heft

»Denkmale im Kreis Zwickau« mit einem Vorwort des Rats­mitglieds für Kultur beim Rat des Kreises Zwickau. Nach den vorangestellten Denkmalen der politischen Geschichte folgen vor den Kirchen und Burgen am Ende des Heftes im Mittelteil die »Denkmale zur Kultur und Lebensweise der werktätigen Klassen und Schichten des Volkes«. Was dabei vorgestellt wer­den soll, folgt im Untertitel: «Fachwerk­ und Umgebindehäuser im Kreis Zwickau«. Der Untertitel enthält, was die Überschrift politisch korrekt ankündigt. In Text und Fotografie werden ländliche Denkmale vorgestellt, die aussagekräftig und ver­ständlich den Reichtum des Fachwerkbaus im Kreis Zwickau vorstellen. Solche Hefte hat es zumindest im Gebiet der Dresd­ner Arbeitsstelle mehrere gegeben, so auch vom damals zum Bezirk Leipzig gehörenden Kreis Schmölln und 1991 zum Landkreis Marienberg, nun schon im neuen Staate. In all diesen Heften nehmen ländliche Denkmale einen entsprechend gro­ßen Raum ein.

Die seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges geleisteten Un­tersuchungen und Forschungen basierten natürlich auf den in den Jahrzehnten zuvor erbrachten Ergebnissen. So setzte Karl Baumgarten gewissermaßen das Werk von Johann Ulrich Fol­

4 Studentenaufmaß der Alten Mangel in Ebersbach in der Oberlausitz, Ansicht und Längsschnitt, Konrad Werner, 1952, Technische Hochschule Dresden. Aufmaßpraktika als Studienaufgabe an der späteren Technischen Universität Dresden fanden im Rahmen des Architekturstudiums bis 1990 auf dem gesamten Gebiet der DDR statt.

5 Erfassungsskizze eines Gutsspeichers in Spree bei Niesky von Jochen Helbig. Der Speicher wurde erst 1982, im Jahr der Entste-hung dieser Skizze, als Denkmal erfasst (11.5. 1982). Aus: Bock, Sabine: Denkmale in Raum und Zeit. Neue Beiträge zur Denk-malpflege. Hermann Wirth zum 60. Geburtstag. Schwerin 2000, S. 116).

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kers fort. Viele mit der Thematik Bauernhaus und Denkmal­pflege Befassten arbeiteten bereits seit der Zeit des Dritten Reiches am Gegenstand und nun unter anderen Bedingungen weiter. Jüngere begannen nach ihrem Studium in den 1950er­Jahren mit einer intensiven Forschungstätigkeit, oder aber sie setzten sich mit praktischen Problemen der Denkmalpflege auseinander. So schrieb Eberhard Deutschmann zum Jahre 1959 einen noch heute beachtlichen Band zur Lausitzer Holz­baukunst. Jochen Helbig befasste sich zur Vorbereitung des Aufbaus eines Freilichtmuseums in den Jahren 1955/ 56 inten­siv mit dem Spreewalddorf Lehde. Karl Bernert fand sein Auf­gabenfeld in der praktischen Denkmalpflege und erarbeitete sich mit seinem Einsatz für die Umgebindehäuser in der Ober­lausitz, die schon während der Jahrzehnte des Bestehens der DDR besondere Aufmerksamkeit genossen, hohes Ansehen. Sein Buch »Umgebindehäuser« von 1988 findet noch heute Anerkennung, nicht nur wegen der Fotografien mit Dokumen­tationswert.

Im Rahmen dieses von einer Vollständigkeit weit entfernten Literaturüberblicks sei auf ein in seiner ganzheitlichen Betrach­tung von Land und Haus herausragendes Werk verwiesen. Karl Baumgarten und Angelika Heim brachten 1987 »Landschaft und Bauernhaus in Mecklenburg« heraus und zeigten anschau­lich bau­ und siedlungsgeschichtliche Beziehungen zur Land­

schaft. Angeregt wurde der Bildband mit wissenschaftlich an­spruchsvollen Texten von Karl Heinrich Joost, der ehemals Vorsitzender der Interessengemeinschaft »Denkmale ländlicher Volksbauweise« im Kulturbund Rostock war. Im Kulturbund der DDR und anderen der Kultur verschriebenen Verbänden gab es immer Initiativen, die sich mit dem kulturellen Erbe der DDR, wie es dann hieß, auseinandersetzten und dabei zu denk­

malpflegerischen Fragen vorstießen, die sie im allgemeinen in der Sache befürwortend und unterstützend beantworteten.

Die Akademie der Wissenschaften der DDR, Institut für Geografie und Geoökologie/ Arbeitsgruppe Heimatforschung, hatte durch Veröffentlichungen zu bauhistorisch­denkmalpfle­gerischen Themen wesentlichen Anteil an der Verbreitung die­ses Themenkreises in der Öffentlichkeit. So gab diese Arbeits­

6 Vordere Einbandgestaltung des »Glück auf«-Heftes 16/ 17 mit dem Beitrag von Werner Spickenreuther »Fachwerkhäuser im mittle-ren und westlichen Erzgebirge – Eine Dokumentation«. Im Einklang mit den anspruchsvollen Inhalten steht die Gestaltung des Heftes.

7 Die Verbindung von Handzeichnung und guter Gestaltung zeichnet während des Bestehens der DDR die Literatur zum Thema aus (Karl Baumgarten, Rostock, publ. 1987). Aus: Baumgarten, Karl/ Heim, Angelika: Landschaft und Bauernhaus in Mecklenburg, Ber-lin 1987, S. 14, Abb. 11).

8 Handzeichnungen zu Oberzetzscha, Pöschwitz und Gerstenberg im Altenburger Land (R. Hochtritt, Altenburg. publ. 1974). Aus: Akademie der Wissenschaften der DDR, Geographisches Institut, Arbeitsgruppe Heimatforschung (Hrsg.): Das Altenburger Land. Ber-lin 1974, S. 86, Abb. 14).

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