11
Anhang 12 zur „Siedlungsgeschichte im Bereich der Gemeinde Kreuzau“ Der 1. Weltkrieg u. die nachfolgende Besatzungszeit Dem 1. Weltkrieg ging 1870/1871 noch der „Deutsch-/Französische Krieg“ vorauf, der eine militärische Auseinandersetzung zwischen Frankreich einerseits und dem Norddeutschen Bund unter der Führung Preußens sowie den mit ihm verbündeten süddeutschen Staaten Bayern, Württemberg, Baden und Hessen-Darmstadt andererseits war. Auslöser war der Streit zwischen Frankreich und Preußen um die Frage nach der spanischen Thronkandidatur durch einen Hohenzollernprinzen. Dies veranlasste den französischen Kaiser Napoléon III. am 19. Juli 1870 zur Kriegserklärung an Preußen. Offiziell endete der Krieg am 10. Mai 1871 mit dem Frieden von Frankfurt, der hohe Reparationen sowie die Abtretung Elsass-Lothringens durch Frankreich an Preußen vorsah. Noch während des Verlauf des Krieges traten Baden, Bayern, Württemberg und Hessen-Darmstadt dem Norddeutschen Bund bei, der sich mit Wirkung vom 1. Januar 1871 „Deutsches Reich“ nannte. Der preußische König Wilhelm I. nahm den Titel „Deutscher Kaiser“ an; Otto von Bismarck wurde erster Reichs- kanzler. In Deutschland wiederum verfestigte sich die Vorstellung von der so genannten Erbfeindschaft gegenüber Frankreich. Dies belaste- te die deutsch-französischen Bezie- hungen bis weit ins 20. Jahrhundert hinein. 1914 - 1918 Als das deutsche Kaiserreich unter Kaiser Wilhelm II. (1859 – 1941) im Sommer 1914 in den Krieg zog, war es schon eines der führenden In- dustriestaaten weltweit. Grundlagen waren die Eisen- und Stahlindustrie, die elektrotech-

Der 1. Weltkrieg u. die nachfolgende Besatzungszeit · Der Erste Weltkrieg, ... (Beginn der Julikrise) bedingungslose Unterstützung zu und stellten damit den sogenannten ... Aufgrund

  • Upload
    vandien

  • View
    222

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Anhang 12 zur „Siedlungsgeschichte im Bereich der Gemeinde Kreuzau“

Der 1. Weltkrieg u. die nachfolgende Besatzungszeit Dem 1. Weltkrieg ging 1870/1871 noch der „Deutsch-/Französische Krieg“ vorauf, der eine militärische Auseinandersetzung zwischen Frankreich einerseits und dem Norddeutschen Bund unter der Führung Preußens sowie den mit ihm verbündeten süddeutschen Staaten Bayern, Württemberg, Baden und Hessen-Darmstadt andererseits war. Auslöser war der Streit zwischen Frankreich und Preußen um die Frage nach der spanischen Thronkandidatur durch einen Hohenzollernprinzen. Dies veranlasste den französischen Kaiser Napoléon III. am 19. Juli 1870 zur Kriegserklärung an Preußen. Offiziell endete der Krieg am 10. Mai 1871 mit dem Frieden von Frankfurt, der hohe Reparationen sowie die Abtretung Elsass-Lothringens durch Frankreich an Preußen vorsah. Noch während des Verlauf des Krieges traten Baden, Bayern, Württemberg und Hessen-Darmstadt dem Norddeutschen Bund bei, der sich mit Wirkung vom 1. Januar 1871 „Deutsches Reich“ nannte. Der preußische König Wilhelm I. nahm den Titel „Deutscher Kaiser“ an; Otto von Bismarck wurde erster Reichs-kanzler. In Deutschland wiederum verfestigte sich die Vorstellung von der so genannten Erbfeindschaft gegenüber Frankreich. Dies belaste-te die deutsch-französischen Bezie-hungen bis weit ins 20. Jahrhundert hinein. 1914 - 1918 Als das deutsche Kaiserreich unter Kaiser Wilhelm II. (1859 – 1941) im Sommer 1914 in den Krieg zog, war es schon eines der führenden In-dustriestaaten weltweit. Grundlagen waren die Eisen- und Stahlindustrie, die elektrotech-

nische und die chemische Industrie. Zwischen 1870 und 1913 war die deutsche Industrieproduktion um das 4-fache angestiegen. Das Deutsche Reich besaß 1913 die stärkste Eisen-, Stahl- und Kohleindustrie Europas. Absolute Schwerpunktsregion war das Ruhrgebiet mit der Dynastie Hoesch, eingewandert aus Kreuzau. Das Deutsche Reich präsentierte sich Anfang des 20. Jahrh. aber nicht nur als wirtschaftliche sondern auch als militärische Großmacht; der Respekt des Auslands gemischt mit bangen Gefühlen ob der Übermacht war groß. Die militärischen Disziplinen wie strenge Ordnung, unbedingter Gehorsam und die Liebe zu Kaiser und Vaterland waren auch im täglichen Leben der Deutschen deutlich spürbar – nicht zuletzt weil die Kriegshelden bei jeder möglichen Gelegenheit verehrt und verherrlicht wurden. Der Gedanke, zwischenstaatliche Konflikte militärisch auszutragen, wurde in weiten Kreisen des bürgerlichen Lebens als durchaus annehmbar angesehen. Nicht zuletzt fühlte man sich als moderner richtungsweisender Rechtsstaat, dessen Grundlage die Verfassung vom April 1871 bildete. Der Kaiser, der das Reich nach außen vertrat, entschied zusammen mit dem Bundesrat, dem obersten Organ aus fürstlichen Länderregierungen und den Stadtstaaten, über Krieg und Frieden. Der Erste Weltkrieg, bei dem sich vom Grunde her länger aufgestaute Spannungen und Konkurrenzbestrebungen im Bereich Kolonialismus und Bildung von weltweiten Großreichen entluden, wurde von 1914 bis 1918 in Europa, dem Nahen Osten, in Afrika, Ostasien und auf den Weltmeeren geführt und forderte rund 17 Millionen Menschenleben. Seinem Beginn mit der Kriegserklärung Österreich-Ungarns an Serbien am 28. Juli 1914 war das Attentat von Sarajevo vom 28. Juni 1914 vorausgegangen. Der Krieg endete mit dem Waffenstillstandsabkommen von Compiègne am 11. November 1918, der einen Sieg der aus der Triple-Entente (England, Frankreich, Russland) hervorge-gangenen Kriegskoalition bedeutete, wobei 2 Tage zuvor die Abdankung Kaiser Wilhelm II. veröffentlicht worden war. Wesentliche Kriegsbeteiligte waren Deutschland, Österreich-Ungarn, das Osmanische Reich und Bulgarien einerseits sowie Frankreich, Großbritannien und das Britische Weltreich, Russland, Serbien, Belgien, Italien, Rumänien, Japan und die USA andererseits. 40 Staaten beteiligten sich am bis dahin umfassendsten Krieg der Geschichte, insgesamt standen annähernd 70 Millionen Menschen unter Waffen. Beim Attentat von Sarajevo wurde der österreichische Thronfolger Erzherzog Franz Ferdinand von Mitgliedern der revolutionären Untergrundorganisation Mlada Bosna ermordet, die in Verbindung mit offiziellen Stellen Serbiens (Geheimdienst) stand bzw. gebracht wurde. Hauptmotive waren die Befreiung Bosnien-Herzegowinas (Annexion Bosniens und Herzegowinas durch Österreich-Ungarn 1908) von der österreichischen-ungarischen Herrschaft mit dem Ziel einer Einigung der Südslawen unter Führung Serbiens.

Für ein Vorgehen gegen Serbien, das dessen Verbündeten Russland auf den Plan rufen konnte, suchte Österreich die Rückendeckung durch das deutsche Kaiserreich. Kaiser Wilhelm II. und Reichskanzler Theobald von Bethmann- Hollweg sagten Österreich-Ungarn Anfang Juli (Beginn der Julikrise) bedingungslose Unterstützung zu und stellten damit den sogenannten Blankoscheck aus. Am 23. Juli forderte Österreich-Ungarn ultimativ von Serbien eine gerichtliche Untersuchung gegen die Teilnehmer des Komplotts vom 28. Juni unter Beteiligung von k.u.k. Organen. Die serbische Regierung hatte Russlands Zusage auf militärischer Unterstützung im Konfliktfall. Russland wurde wiederum durch Frankreich unterstützt, das in Bekräftigung der Französisch-Russischen Allianz den Russen für den Kriegsfall mit Deutschland Unterstützung garantierte, da die Franzosen ein starkes deutsches Reich fürchteten. Am 28. Juli 1914 erklärte Österreich-Ungarn Serbien den Krieg. Die Interessenlagen der Großmächte und die deutschen militärischen Planungen (Schlieffen-Plan) ließen den Lokalkrieg innerhalb weniger Tage zum Kontinentalkrieg unter Beteiligung Russlands (deutsche Kriegserklärung vom 1. August 1914) und Frankreichs (deutsche Kriegserklärung vom 3. August 1914) eskalieren. Die politischen Konsequenzen des Schlieffen-Plans – Angriff der deutschen Truppen auf Frankreich unter Umgehung des französischen Festungsgürtels zwischen Verdun und Belfort von Nordosten her auch mit Verletzung der Neutralität Belgiens und Luxemburgs – führten zudem zum Kriegseintritt der belgischen Garantiemacht Großbritannien und seiner Dominions (britische Kriegserklärung vom 4. August 1914). Der deutsche Vormarsch kam im September an der Marne zum Erliegen, zwischen November 1914 und März 1918 erstarrte die Front im Westen. Da Russland im Osten bis zur Oktoberrevolution 1917 und dem separaten Friedensvertrag von Brest-Litowsk weiter am Krieg teilnahm, befand sich Deutschland für lange Zeit entgegen der Planung im Zweifrontenkrieg. Zu typischen Merkmalen des Kampfgeschehens wurden der Stellungs- und Grabenkrieg sowie Materialschlachten mit hohen Verlusten bei zumeist nur

geringfügigen Geländegewin-nen. Das betraf etwa die Schlacht um Verdun (1916, zusammen etwa 1.000.000 tote Soldaten), die Schlacht an der Somme (1916) mit ihren andau-ernden Grabenkämpfen, elf der zwölf Isonzoschlachten und die vier Flandernschlachten. Als besondere Eskalationsstufen

Kriegerdenkmal im Teich an der Teichstraße gelten der Gaskrieg, der unein-

geschränkte U-Boot-Krieg – der 1917 den Kriegseintritt der USA gegen die Mittelmächte zur Folge hatte – und der im Zusammenhang mit dem Kriegsgeschehen stehende Völkermord an den Armeniern.

1916 mussten sich z.B. in Drove alle männlichen Personen zur Landsturmrolle anmelden. Der Bürgermeister Darbrock unterzeichnete im Oktober eine Kriegsanleihe von 10.000 Mark. Die Ausfuhr von Kartoffeln wurde in Drove verboten, da die Ernte kaum für die Drover reichte. Die Fasergewinnung für das Stoffgewerbe erfolgte aus Brennnesseln. In Drove wurde ein Kriegsge-fangenenlager eingerichtet, bei dem man sich gegen eine Gebühr von 15 Mark/Monat Gefangene für Arbeiten ausleihen konnte. In Ermangelung von Kartoffeln und Getreide gab es im extrem kalten Winter 1917/18 (Steckrübenwinter genannt) zu jeder Mahlzeit nur Steckrüben in allen Variationen. Eine erneute Kriegsanleihe wurde von den anundfürsich recht armen Drovern für 244.000 Mark unterzeichnet.

Russlands Ausscheiden aus dem Kriegsgeschehen nach dem Separatfrieden mit den Bolschewiki ermöglichte zwar die Deutsche Frühjahrsoffensive 1918, doch blieb auch diese letztlich erfolglos. Die Versorgungsmängel durch die britische Seeblockade, der Zusammenbruch der Verbündeten und die Entwicklung an der Westfront während der alliierten Hunderttageoffensive führten zur Einschätzung der deutschen Militärführung, dass die deutsche Front unhaltbar geworden war. Die Euphorie, die Anfang des Krieges in der deutschen Bevölkerung noch herrschte, war längst der Ernüchterung gewichen. Am 29. September 1918 informierte die Oberste Heeresleitung entgegen allen bisherigen Verlautbarungen den Deutschen Kaiser und die Regierung über die aussichtslose militärische Lage des Heeres und forderte durch Erich Ludendorff ultimativ die Aufnahme von Waffenstillstandsverhandlungen. Am 4./5. Oktober 1918 ersuchte Reichskanzler Max von Baden die Alliierten um einen Waffen-stillstand. Indem die Seekriegsleitung mit dem Flottenbefehl vom 24. Oktober 1918 im Sinne eines „ehrenvollen Untergangs“ die bisher vermiedene Entschei-dungsschlacht mit der Grand Fleet suchte, weckte sie den Widerstand von Matrosen, die in wachsender Zahl den Befehl verweigerten und als Folge die Novemberrevolution auslösten. Am 11. November 1918 trat der Waffenstillstand in Kraft. Die Friedensbedingungen wurden in den Jahren 1919 bis 1923 in den Pariser Vorortverträgen geregelt. Von den Verlierermächten konnte lediglich Bulgarien die staatliche Verfasstheit der Vorkriegszeit erhalten, das Osmanische Reich und Österreich-Ungarn zerfielen, in Russland ging das Zarentum unter, in Deutschland das Kaiserreich.

Der Erste Weltkrieg wurde zum Nährboden für den Faschismus in Italien sowie für den Nationalsozialismus in Deutschland, damit aber auch zum Vorläufer des

Zweiten Weltkriegs. Aufgrund der Verwerfungen, die der Erste Weltkrieg auslöste, gilt er als die „Urkatastrophe des 20. Jahrhunderts“. Nach dem Ausbruch des 1. Weltkrieges 1914 wurde unsere Heimat zwar nicht unmittelbar in das Kriegsgeschehen einbezogen, doch mussten tausende junger Menschen an die Front. In der ersten Zeit des Krieges war es noch möglich, Pakete zu Verpflegung der Soldaten an die Front zu schicken – sog. Liebesgaben; sie wurden in der Heimat vielfach bei den Angehörigen der Soldaten eingesammelt, zu Konvois zusammen-gestellt und dann mit Begleitschutz an die Front

Drover Heide in Frankreich gebracht. Der Inhalt der Pakete war vielfältig von Lebensmittel über warme Wäsche bis hin zu Tabak und anderen Genussmitteln. So wurde zuhause auch fleißig gehäkelt und gestrickt. Nicht nur Lebensmittel wie z.B. Speck, und Wurst, oder auch Wein, Tabakwaren und Verbandsmaterial jedweder Art, sondern auch Ohrenklappen, Leibbinden, Halstücher, Socken, Kopfschützer, usw. wurden somit in die Pakete gepackt. Selbst die jungen Mädchen wurden in allen Orten in diese Strick- und Häkelarbeiten einbezogen. Es kam fast zu einer Überhäufung der Soldaten mit Liebesgaben, bis dass der Schweiß wegen des dicken Materials reichlich lief. An der Front wurden diese Pakete immer sehnsüchtig erwartet. Nicht zuletzt erfolgte mit den Liebesgaben ein ausgiebiger Briefpostverkehr in beide Richtungen. Auch wurden z.B. in Drove bedürftige Familien der zum Heer Einberufenen durch eine Kommission unterstützt und die Gemeinde spendete Kriegsbeihilfen an die Angehörigen der Kriegsteilnehmer. Die anfängliche Begeisterung in der Bevölkerung wich mit der Dauer des Krieges allmählich jedoch der Trauer über die Gefallenen und der immer drückender werdenden Einschränkung des Konsums und vor allem der Lebensmittel. So wurden ab 4. März 1915 die ersten Brotkarten bzw. für die Selbstversorger Mahlkarten mit 2 kg Zuteilung pro Woche ausgegeben. Die Zuteilung wurde im April 1917 herabgesetzt. Weil aber viele bei uns etwas Land oder einen Garten hatten, war die Not nicht so groß wie in den Städten. Die Säuglingssterblichkeit stieg rapide an, die Rathäuser der Region beschäftigten sich alle mit der Frage der Lebensmittelbeschaffung zur Versorgung ihrer Bevölkerung, das öffentliche Leben kam aufgrund des Mangels an Rohstoffen und allen anderen notwendigen Dingen des täglichen Lebens fast ganz zum Erliegen. Die Versorgung der vielen heimkehrenden Verwundeten bereitete zusätzliche Probleme.

Nachdem im Oktober 1918 das Kaiserreich durch eine in aller Eile vollzogenen Verfassungsänderung in eine parlamentarische Monarchie umgewandelt worden war, brach dennoch am 9.11.1918 in Deutschland die sog. „November-Revolution“ (die die ländlichen Regionen kaum berührten) aus, die zwei Tage später zum Waffenstillstand mit den Alliierten führte. Bis Ende November kehrten die deutschen Verbände in voller Ordnung von der Front zurück, was jeden Tag erhebliche Einquartierungen in allen Orten notwendig machte. Das traurige Ergebnis für das deutsche Kaiserreich waren

- 1,8 Mio. tote Soldaten - 4,2 Mio. Verwundete Soldaten - 0,31 Mio. seelisch schwerst Verletzte - 0,76 Mio. tote Zivilisten, bei denen es sich meist um Säuglinge und

Kleinkinder sowie alte, schwache und kranke Menschen gehandelt hatte, die infolge der Blockade der Alliierten an Hunger und Unterernährung und somit an Entkräftung gestorben sind.

- Die Lebensmittelknappheit ließ natürlich dann auch die Preise in schwindelerregende Höhe steigen.

Davon war natürlich auch unsere Heimatregion nicht verschont geblieben. Im Jahre 1918 wurde, um Eskalationen zu vermeiden, im Rheinland verboten, Branntweine aller Art auszuschenken, an Karnevalssitzungen und -umzügen teilzunehmen, Verkleidung zu tragen, karnevalistischer Lieder zu singen oder zu spielen und Konfetti, Luftschlangen oder andere Karnevalsartikel zu verkaufen. 1919 – 1933 Der Versailler Vertrag sah für unsere Heimatregion vor, dass das linksrheinische Gebiet für min. 5 Jahre von alliierten Truppen besetzt bleiben würde. Anfang Dezember rückten englische Soldaten für mehr als ein halbes Jahr als Besatzungstruppen in unsere Heimat ein. Sie wurden überwiegend in Privatquartieren untergebracht. Nach der Unterzeichnung des Friedensvertrages im Spiegelsaal von Versailles (am 28. Juni 1919 von der Reichsregierung

unterschrieben, Inkrafttreten aber erst am 10.01.1920) wurden die englischen Besatzungstruppen durch französische abgelöst. Die Engländer hatten bereits die Kasernen in Düren belegt. Während der französi-schen Besatzung wurden vor allem bei den Manövern im Sommer und Herbst noch größere Truppeneinhei-ten in der ganzen Umgebung einquartiert. Die Bearbeitung der Felder wurde durch Beschlagnahmungen der Ernte und auch durch den Truppenübungsplatz stark behindert. Es kam immer wieder zu Belästigungen der Bevölkerung und zu Beeinträchtigungen im täglichen Leben, über die die Akten des Bürgermeister-

amtes in Drove ein beredtes Zeugnis ablegen. Ab 1914 wurde von den Engländern als Exerzierplatz für die Garnison in Düren, beziehungsweise für deren Rekrutenausbildung im Ersten Weltkrieg der Truppenübungsplatz auf der Heide zwischen Drove und Soller in Angriff genommen. Reichspräsident Friedrich Ebert hatte am 11.08.1919 die Weimarer Reichsverfas-sung unterschrieben. In Drove baute man an der Grünstraße, wo sich bereits ein Zeltlager befand, ein Barackenlager für ein Bataillon französischer Besatzungstruppen. Bis zur Fertig-stellung des Wohnblocks für die Offiziere und ihre Familien, der 1921 am Ortsausgang nach Kreuzau errichtet wurde, heute noch den Namen „Offiziershäuser“ trägt, mussten diese in Privatquartieren in Drove und den umliegenden Orten untergebracht werden. .

Aber auch das normale Leben kehrte wieder ein z.B. in Drove: Der Fußballclub organisierte das erste Nachkriegsfest mit Fußball auf dem Platz auf der Drover Heide und mit einer Tanzveranstaltung im Saale Valter. Der Wanderclub feierte sein Stiftungsfest. Es gab wieder eine Prozession mit der Bahn nach Trier. Der Turnverein nahm seinen Betrieb wieder auf. Es gab Schauturnen auf der Festwiese in der Wehrstraße. Aber auch die Drover Heide wurde andererseits von den Besatzungsmächten zu Schießübungen genutzt. 1923 wurde dann sogar ein Kriegerdenkmal errichtet.

Nachdem am 11.1.1923 französische und belgische Truppen das Ruhrgebiet besetzt hatten, um die als Wiedergutmachung geforderten Kohlelieferungen zu

sichern, kam es im gesamten von den Franzosen besetzten Rheinland zum „passiven Widerstand“ (die Verweigerung jeglicher Zusammenarbeit mit den Besatzungsmächten). Die unter französischer „Regie“ stehende Eisenbahn wurde von der Bevölkerung sabotiert. Eisenbahnbeamte, die den Anordnungen der Besatzung nicht Folge leisteten, wurden ausgewiesen. Aber auch andere

Beamte waren von den Ausweisungen betroffen. So konnte der damalige Bürgermeister von Drove, Franz Dabrock, erst im August 1924 seinen Dienst wieder aufnehmen. Der von der Reichsregierung in Berlin unterstützte passive Widerstand gegen die Ruhrbesetzung wurde am 26.9.1923 offiziell aufgegeben (Verkündigung durch Reichskanzler Stresemann). Nachdem die Ruhrindustrie sich verpflichtet hatte, einen Teil ihrer Produktion und die Reichskohlensteuer direkt an die Alliierten abzuführen, zogen die Franzosen im Dezember 1923 ihre ersten Truppen wieder aus dem Ruhrgebiet ab. Die Beendigung des Rückzuges und die Aufgabe der „Regie“ der Eisenbahn erfolgten aber erst am 31.8.1924. Diese Krise und der rasante Verfall der Währung (der US-Dollar stieg von 7525 Mark am Anfang 1923 auf 2,9 Milliarden Mark im Oktober) auf riefen im Laufe des Jahres 1923 auch wieder Sonderbündler (rheinische Separatisten) auf den Plan, die mit Duldung der Franzosen und Belgier die Loslösung des Rheinlandes von Preußen und dem Deutschen Reich anstrebten. Im Herbst 1923 hatten sich drei rivalisierende Gruppierungen zusammengeschlossen. So kam es am 1. September im Dürener Stadttheater zu einer Versammlung der Separatisten auf Anregung des Leiters der Dürener Ortsgruppe, des Fabrikanten Theo Klevinghaus. Am 22.10.1923 wurde in Düren die „Rheinische Republik“ ausgerufen. Landratsamt, Rathaus, Post, Bahn und verschiedene Schulen wurden von den Separatisten besetzt. Auf dem Rathaus wurde die grün-weiß-rote Fahne gehisst. Der Oberbürgermeister wurde für einen Tag in Haft genommen und der Landrat für abgesetzt erklärt. Am 24. November griffen bewaffnete Gegner aus Köln die Separatisten in Düren an, wurden aber durch die Franzosen am Erfolg gehindert. Es gab Tote und Verletzte. In Kreuzau und Umgebung traten die Separatisten kaum in Erscheinung. Es kam lediglich zu einigen Plünderungen und zur Beschlagnahme von Schreibpapier, und der Polizei wurden Waffen abgenommen; außer in Kreuzau plünderte man auch in Niederau Bekleidung, demolierte eine Gastwirtschaft und bezahlte mit ungültigem Separatistengeld. Aus Rache steckten unbekannte Täter in Maubach das Sommerhaus des obengenannten Theo Klevinghaus in Brand. Am

21. Februar 1924 verließen die Separatisten die Hilfsschule, ihren letzten Stützpunkt in Düren. Die politische Rechte beantwortete die Politik der Erfüllung der unerfüllbaren Reparationsforderungen mit wüsten propagandistischen Angriffen und fand auch immer mehr Gehör. Ihre Hetzkampagnen führten schließlich zur Ermordung hochrangiger für die Erfüllungspolitik verantwortlicher Politiker in 1921 und 1922, die vorher als Vaterlandsverräter abgestempelt worden waren. Diese rechtsgerichtete Radikalisierung wurde im Ausland jedoch nicht gesehen. Am Vorabend des 09.11.1923 verkündete Adolf Hitler im Münchener Bürger-bräukeller die „Nationale Revolution“; die NSDAP wurde daraufhin jedoch erst einmal verboten. Hitler referierte jedoch in den folgenden Jahren immer wieder vor ausgewähltem Publikum in verschiedenen Städten. Inzwischen hatte die Inflation ungeahnte Höhen erreicht. MiIliarden und zuletzt Billionen wurden zum Teil in Form von Notgeld in Umlauf gebracht. Alle 10 Tage wurden Löhne und Gehälter ausgezahlt, und man musste sich beeilen, sofort nach der Auszahlung einige Lebensmittel gegen irrsinnige Summen einzukaufen. Hart getroffen von der rapiden Inflation waren insbesondere das Bürgertum und die mittelständischen Sparer – also somit auch viele Bürger und Bürgerinnen unserer Heimatregion. In den Städten hungerten sogar die, die noch Arbeit hatten. Der Ruf nach einem Diktator erklang immer öfter. Bei ihrem Marsch auf Berlin als Putschversuch am 08./09. November 1923 mit Adolf Hitler an der Spitze sind die Rechten zunächst jedoch noch einmal kläglich gescheitert. Am 1.11.1923 setzte dann die Einführung der Rentenmark auf Goldbasis dem Spuk der ins Unermesslich führenden Inflation ein Ende. Am 30. August 1924 wurde zusätzlich zur Rentenmark die Dt. Reichsmark eingeführt. Am 26.04.1924 wird Paul von Hindenburg neuer Reichspräsident. Am 25.10.1929 gibt es den „Schwarze Freitag“ an der New Yorker Börse, der eine Weltwirtschaftskrise einleitet und ganz entscheidend wird für die weitere Entwicklung Deutschlands, weil die hiesige Wirtschaft massiv getroffen wird (massenhafte Konkurse und rapide steigende Arbeitslosenzahlen). Noch vor Beendigung der französischen Besatzung im Jahre 1930 räumten die Franzosen im November 1929 ihr Barackenlager an der Grünstraße und die Offiziershäuser in Drove; aus diesem Anlass wurden am 30. November abends und am Sonntag, dem 1. Dezember, mittags eine halbe Stunde lang feierlich die Glocken geläutet. Nach der endgültigen „Befreiung des Rheinlandes“ wurde das Barackenlager abgerissen und das Land den Eigentümern wieder zur Verfügung

gestellt. Der Wohnblock „Offiziershäuser“ wurde vom Reichsvermögensamt übernommen und vorwiegend an Beamte vermietet. Die Weltwirtschaftskrise der frühen 30-er Jahre (Schwarzer Freitag am 24.10.1929 wegen Kurszusammenbruch der New Yorker Börse, Beginn einer Weltwirtschaftskrise) brachte dem Dt. Reich erneut Armut, Arbeitslosigkeit und soziale Not, die wiederum die extremen Rechten für ihre Politik auszunutzen wussten. Die radikale Rechte gewann mit ihrer geschickten Propagandapolitik in ihren Wahlkämpfen mehr und mehr an Einfluss. Das Versprechen Hitlers, der schon 1924 einmal zu 5 Jahren Haft wegen Hochverrats verurteilt worden war, das Dt. Reich wieder zu alter Stärke zurückzuführen blieb dabei nicht ungehört. Bei den Reichstagswahlen am 14.09.1930 erringt die NSDAP, die sich im Februar 1925 neu gegründet hatte, 107 von 327 Sitzen (vorher 12). Bereits am 05.10.1930 empfängt Reichskanzler Brüning Hitler, Frick und Göring zu einem Gespräch, um die Nationalsozialisten zur Mitarbeit an der Regierung zu bewegen. Im Juli 1931 beginnt dann mit dem Zusammenbruch der Darmstädter Bank und der Nationalbank eine Bankenkrise. Die Arbeitslosenzahlen stiegen unaufhörlich. Am 13.08.1932 forderte Hitler, zum Reichskanzler ernannt zu werden,

Hindenburg lehnte jedoch ab. Bei der Reichstagswahl am

06.11.1932 erlitt die NSDAP noch einen Rückgang auf 33,5 %. Am 30.01.1933 wurde Hitler jedoch von Reichspräsident von Hindenburg zum Reichskanzler ernannt. (Karte an Hubert Kaptain)

Literaturhinweis: (Dieser Text ist zu einem großen Teil wörtlich übernommen aus: Beiträge zur Geschichte von Kreuzau, 1794 – 1988; Nikolaus Nolden, Dr. Reiner Nolden) (Ansonsten siehe Literaturhinweis im Haupttext)

Bilder: Bild „Urkunde“, S. 1 aus www.wickipedia.de Bilder aus Literaturhinweis 54: Bild „Kriegerdenkmal im Kreuzauer Teich“, S. 3 Bild „Drover Heide“, S. 4 Bild „Französisches Barrackenlager“, S. 5 Bild „Offiziershäuser in Drove“, S. 5 Bilder aus Literaturhinweis 56: Zeichnung „Straßenbahn und Viadukt“, S. 6 Bilder aus Literaturhinweis 126: Bild „Gruppenbild“; S. 10 Bilder aus Literaturhinweis 166: Bild „Des Kriegers Traum“, S. 10 Bild „Sie sollen ihn nicht haben“; S. 10 Bild „Sieg“, S. 10 Bilder aus Literaturhinweis 167: Bild „Der Infanterist an der Westfront“; S. 10