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RENATO SCHIRER Der Einsatz der Kleinkampfverbände der Kriegsmarine an Donau und Drau

Der Einsatz der Kleinkampfverbände der Kriegsmarine an ... · Luftwaffe gemeinsam, im Verband der Heeresgruppe E, auf das Reichsgebiet zurückkämpften. Dieser über die Balkanhalbinsel

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RENATO SCHIRER

Der Einsatz derKleinkampfverbändeder Kriegsmarinean Donau und Drau

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Renato SchirerSt. Martin im Innkreis

2016

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Inhalt

Einige Anmerkungen zum Thema ……….……….….………………….…… 5

Das Kommando Oberfähnrich Scholz (3./M.E.K. 71) ………………………. 7

Das Kommando Oberleutnant Tegethoff (1./M.E.K. 71) …..…….…………. 13

Die Parallelaktion .……………………………………………………….. 16

Das Sonderkommando „Glatze“ …...……………..…………………….……. 24

Der gescheiterte Entsatz von Budapest ……………………….……………… 33

Die Brücke von Dunaföldvar ………………………………………………… 36

Die Neuorganisation im Südosten …………………………………………… 40

Das Sonderkommando „Apache“...…………………………………………… 45

Das Sonderkommando „Winnetou“…………………………………………… 47

Die letzte deutsche Offensive ………………………………………………… 50

Letzte Änderungen …………………….……………………………………… 52

Das Ende von „Apache“ ………………………………………………………. 53

„Winnetous“ Ende …………………………………………………………….. 55

Das Sonderkommando „Sioux“ ..……………………………………………… 58

Schlussbemerkung ……………………………………………………………. 73

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Einige Anmerkungen zum ThemaDer vorliegende Bericht, vordergründig dem maritimen Bereich zuzuordnen, passt so gar nicht insübliche Schema der Marine-Bücher. Das hier behandelte Thema war seinerzeit, ebenso wieheutzutage nur schwer ins Kriegsgeschehen einzuordnen. Obwohl der Grundsatzbefehl desOberkommandos der Wehrmacht vom 15. April 1944 den Einsatz von Sonderkampfmitteln (See)der Kriegsmarine auf den Flüssen und Seen im Kommandobereich des Heeres explizit ausschloss,war es letztlich die Kriegsmarine welche für die Auswahl, Planung und Ausführung der K.-Einsätzeauf Donau, Drau und Plattensee zuständig war. Den höheren Kommandobehörden des Heeres kamlediglich ein Vorschlagsrecht in Bezug auf die zu bekämpfenden Ziele zu. Damit unterscheiden sichdiese Unternehmen grundsätzlich von ähnlichen Operationen im Heeresbereich, wo esgleichwertige und ähnliche Unternehmen auf Flüssen und Seen gab, welche aber demAufgabenbereich der Pioniertruppe und den zur Abwehr gehörenden „Brandenburger“ zuzuordnenwaren. Diese Zwiespältigkeit machte sich bereits während des Krieges bemerkbar, doch die zuklärenden Fragen blieben unbeantwortet. Handelte es sich hier nicht um eine eindeutig demLandkrieg zuzuordnende Form der Kampfführung? War der Führungsanspruch der Kriegsmarineberechtigt und sinnvoll?

Tatsache ist, dass das Wirken der Kleinkampfverbände im „Feuerofen“ der Ostfront denMarinehistorikern fremd blieb, aber auch die auf den Landkrieg spezialisierten Kollegen dieseEpisode in der Endphase des Zweiten Weltkrieges lange ignorierten. Dies darf nicht wundern,hielten sich die Erfolge dieser Einsätze aus vielerlei Gründen auf diesen Kriegsschauplätzen inengen Grenzen. Dieses Schicksal des vergessen Werdens teilten die an der südlichen Ostfronteingesetzten K.-Verbände mit jenen Einheiten der Kriegsmarine, welche sich 1944 aus dembesetzten Griechenland zurückziehen mussten und sich die Verbände von Heer, Marine undLuftwaffe gemeinsam, im Verband der Heeresgruppe E, auf das Reichsgebiet zurückkämpften.Dieser über die Balkanhalbinsel heraufführende Marsch erfolgte unter schwierigsten Gelände- undWetterbedingungen, wobei die Verbände ständig auch von einer gegnerischen Übermacht bedrohtwaren.

Es brauchte mehr als ein Jahrzehnt nach der Beendigung des Krieges bis es zu einem ersten Ansatzkam, diese Beteiligung der Kriegsmarine im Bereich des Feuerofens der Ostfront zu würdigen.1958 legte Jürg Meister sein Werk über den Seekrieg in osteuropäischen Gewässern vor, in dem erauch die Vorgänge im Donauraum analysierte und dabei auch den Kleinkampfverbänden derKriegsmarine seine Aufmerksamkeit zuwandte. In den folgenden Jahrzehnten richtete sich dasInteresse zumeist auf die Sonderkampfmittel der Kriegsmarine zur See und die zahlreichenVeröffentlichungen zum Thema Kleinkampfverbände konzentrierten sich zumeist auf technischeDetails der Waffensysteme und gaben Erlebnisberichte wieder. Hierbei blieb der K.-Einsatz an derOstfront ausgespart, was auch kaum wundern darf begünstigten die vorhandenen Quellen eineBearbeitung dieses Themas in keiner Weise. Es fehlte auch an entsprechenden Erlebnisberichtenvon ehemaligen Angehörigen dieser Verbände. Da die erhofften großen Erfolge ausblieben gab esin diesem Bereich keine Ritterkreuze und selbst bei den wenigen propagandistisch großherausgestellten Erfolgen blieb selbst bei den Durchführenden ein berechtigter Zweifel am Sinndieser Opfergänge. Erst in jüngster Zeit verbesserte sich die Quellenlage, durch die Bereitstellungder während des Krieges in „Bletchley Park“ entschlüsselten deutschen Funksprüche, grundlegend.

Dieses lange unter Verschluss gehaltene Material, welches vom Londoner Nationalarchiv indigitalisierter Form angeboten wird, bot erstmals die Möglichkeit auch dieses dunkle Kapitel derKriegsgeschichte auszuleuchten. Erst der von den Alliierten abgehörte Funkverkehr, zwischen demKommando der Kleinkampfverbände und den an der Ostfront eingesetzten K.-Verbänden,ermöglichte es dieses Spezialthema umfassend zu bearbeiten. Dies war in der Vergangenheit nicht

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möglich, da die überlieferten deutschen Aktenbestände kaum über das Jahr 1944 hinausreichten.Hier sei eine Warnung, besonders für die K.-Einsätze im Bereich des Heeres, angebracht, wo dieEinsatzvorbereitungen zum Teil über das stationäre Nachrichtennetz der Wehrmacht abgewickeltwurden und dadurch der alliierten Funküberwachung verborgen blieben. Demnach ist bei denabgehörten deutschen Funkmeldungen, wie sie sich im Bestand DEFE-3 überliefert haben, unterUmständen von beachtlichen Lücken auszugehen, welche ganze Unternehmen ausblendeten. Einweiterer Anreiz zur Bearbeitung dieses „Orchideen-Themas“ ging von der gründlich recherchiertenArbeit von Hartwig Kobelt über die Marine-Einsatz-Kommandos aus, welches 2012 als Buch aufdem Markt kam. Hier fanden zum ersten Mal seit 1958 auch die an der Ost- und Südostfronteingesetzten Marine-Einsatz-Kommandos wieder eine entsprechende Berücksichtigung. Einweiteres Verdienst dieses Buches ist es, die Organisationsstruktur und die Kommunikationssträngedes Kommandos der Kleinkampfverbände mit den unterstellten Einheiten klar herausgearbeitet zuhaben. In diesem Zusammenhang möchte ich mich bei Herrn Dr. Hartwig Kobelt auch für seineuneigennützige mannigfache Hilfestellung bei der Erstellung dieser Arbeit bedanken.

Die vorliegende Arbeit macht den Versuch einen ganz speziellen Bereich der Kriegsführung, imSchnittpunkt der Wehrmachtsteile Heer und Marine, zu analysieren und innerhalb eines geografischklar definierten Raumes darzustellen. Dabei ist es dem Autor klar, dass eine solcheAufgabenstellung kaum auf ein breites Interesse hoffen darf, doch manches auch für dieGesamtsicht wichtige Detail wird erst unter Zuhilfenahme einer Lupe erkennbar. Eine Besonderheitdieses Themas ist auch, dass der K.-Einsatz an der Ost- und Südostfront stets eng mit demGeschehen auf der obersten Führungsebene verbunden war. Als auslösendes Moment lässt sich fastimmer die Interaktion zwischen Hitler und Dönitz ausmachen, welche in der Folge stets zuentsprechenden Aktivitäten der Seekriegsleitung führten und das Kommando derKleinkampfverbände tätig werden ließ. Zusammenfassend darf gesagt werden, dass alle diese vonder obersten Führungsebene inspirierten Operationen auf dem Schlachtfeld bei weitem nicht dieerhofften Wirkungen hatten und in keinem Verhältnis zu dem erforderlichen Aufwand an Menschund Material standen.

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Das Kommando Oberfähnrich Scholz (3./M.E.K. 71)Am 22. Oktober 1944 traf beim Kommando der Kleinkampfverbände (K.d.K) eine Anfrage des imSüdostraum führenden Marinegruppenkommandos Süd ein, ob die Zerstörung einer nur teilweisegesprengten Brücke im Raum Belgrad durch den Einsatz von K.-Mitteln möglich wäre. Hierbeiwurde Vukovar als Operationsbasis in Aussicht genommen.1 Es ging hier um die misslungeneSprengung einer der beiden Straßenbrücken über die Save, in der Nacht vom 19. auf dem 20.Oktober, anlässlich der Räumung des Brückenkopfs Belgrad.2 Bei der seit längerem umkämpftenBrücke versagten im entscheidenden Moment die vorbereiteten Sprengladungen, lediglich einenachträglich angebrachte Schnellladung kam zur Detonation. Diese hob die Brücke zwar leicht anund die Konstruktion hing danach leicht durch, blieb aber passierbar.3 Ein angedachter Einsatz vonSturzkampfflugzeugen musste wegen der drückenden Luftüberlegenheit des Gegners außer Betrachtbleiben und wurde daher vom Chef des Generalstabes der Heeresgruppe verworfen.4

Ausschnitt aus dem Stadtplan von Belgrad (1945). Deutlich zu erkennen ist die gesprengte Donaubrücke und imBereich der Save die gesprengte Eisenbahn- und Kettenbrücke (König Alexander I. Brücke). Bei der zweitenStraßenbrücke über die Save (13) war die Sprengung misslungen. (Sammlung des Autors).

Am 20. Oktober 1944, kurz nach Einbruch der Dunkelheit, kämpfte sich ein Zug Pioniere, verstärktdurch vier Sturmgeschütze, durch den gegnerischen Brückenkopf bis zur Brückenauffahrt vor. Dortzündete man um 20:10 Uhr vier mitgeführte und mit Sprengstoff beladene Lastkraftwagen, wobeider Brückenoberbau erheblich beschädigt wurde. Aber es gelang nicht, so wie erhofft, die Brücke

1 Bundesarchiv-Militärarchiv (BArch-MArch), RM 35III/150, S. 9, 12, 13, 15.2 National Archives Record Administration (NARA) Microfilm Publikation (MF) T-77 roll 194 (Tagesmeldungen desO.B. SÜDOST). Geheime Tagesmeldung O.B. Südost (OKdo.H.Gr.F) an OKW/WFSt, vom 20.10.1944,3 NARA MF T-77 roll 194. Aufzeichnung der geführten Ferngespräche vom 20.10.1944.4 Ebd.

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zum Einsturz zu bringen. Bei dieser gewagten und verlustreichen Aktion wurden fünf russischePanzerabwehrgeschütze zerstört, aber auch auf deutscher Seite gingen zwei der vier Sturmgeschützeverloren.5 Am 21. Oktober wurde dann doch die Unterstützung durch die Luftwaffe angefordert,obwohl man einen solchen Einsatz am Vortag noch als „selbstmörderisch“ abgelehnt hatte.6 DerSchlachtfliegereinsatz gegen den feindlichen Brückenkopf an der Straßenbrücke über die Saveerfolgte am 22. Oktober. Die Luftwaffe meldete einen erfolgreichen Einsatz und eine guteTrefferlage im Bereich des russischen Brückenkopfes, die Brücke selbst wurde jedoch nichtgetroffen.7

Nun kam die Marine an die Reihe, der Marine-Verbindungsoffizier (M.V.O.) der Heeresgruppefragte in dieser Angelegenheit beim Marinegruppenkommando Süd wegen eines möglichenEinsatzes von K.-Mitteln an, das seinerseits das Kommando der Kleinkampfverbände (K.d.K.) mitdieser Frage konfrontierte. Wegen der besonderen Dringlichkeit sollte die Antwort direkt an denM.V.O. bei der Heeresgruppe F (O.B. Südost) übermittelt werden, wo man vergebens daraufwartete.8 Aus nicht näher bekannten Gründen hatte das diesbezügliche Fernschreiben denAdressaten nicht erreicht und erst nach einer Urgenz konnte das K.d.K. am 31. Oktober 1944 dazuStellung nehmen. Die verspätete Antwort erschien vielversprechend, da ein Einsatz mitSprengbooten („Linsen“) und Kampfschwimmern in Betracht gezogen wurde. Das K.d.K. bot fürden Einsatz von Kampfschwimmern neben Torpedo-Minenpaketen mit Auftriebskörpern undUhrwerkszündern auch solche mit Selenzellen an, die als treibende Torpedo-Minenpakete mitSelbstzündung durch den Schattenwurf der Brückenkonstruktion, eingesetzt werden konnten. Auchein Einsatz von Flusstreibminen (Kugelminen) in größerer Anzahl könnte in Frage kommen.9 DerHinweis auf den Einsatz von treibenden Sprengmitteln zeigt, dass man beim K.d.K. über das insAuge genommene Zielobjekt auf der Save nicht informiert oder sich über die Einsatzverhältnissenicht im Klaren war.

Bedingt durch die auf dem Nachrichtenweg eingetretene Verzögerung wurde der Stab Haun, der inOpicina unweit von Triest sein Stabsquartier hatte, erst am 1. November 1944 kurz vor Mitternacht,mittels eines Fernschreibens des K.d.K informiert.10 Es ging um die Unterstützung derHeeresgruppe F, im konkreten Fall um die Zerstörung von Brücken im dortigenHeeresgruppenbereich durch Kleinkampfverbände der Marine.11 In diesem Zusammenhang kam esam 6. November in Agram (Zagreb) zu einer Besprechung. Teilnehmer waren nebenKorvettenkapitän Haun, der bereits am Abend des Vortages in Agram eingetroffen war, GeneralBazing, der General der Pioniere bei der Heeresgruppe F, und der M.V.O. Kapitän zur See vonBoth.12 Das Thema war die Zerstörung der Straßenbrücke über die Save in Belgrad, derenSprengung misslungen war. General Bazing, welcher die missglückte Brückensprengung zu

5 NARA MF T-77 roll 194. Geheime Tagesmeldung O.B. Südost (OKdo.H.Gr.F) an OKW/WFSt. vom 21.10.1944.6 Ebd. Aufzeichnung der am 20. und 21.10.1944 geführten Ferngespräche.7 Ebd. Geheime Tagesmeldung O.B. Südost (OKdo.H.Gr.F) an OKW/WFSt, vom 22.10.1944, S. 3.8 Der M.V.O. bei der Heeresgruppe F (OB Südost) war Kapitän zur See v. Both. Nach den Unterlagen hatte er imGeneralstab der Heeresgruppe keinen leichten Stand, so lautete eine der überlieferten Aussagen des Ia der HGr. ausdieser Zeit: „So werde ich immer von der Marine belogen“.9 Zitiert nach: Hartwig Kobelt, Marine-Einsatz-Kommandos, Aachen 2012 (in der Folge zitiert als „Kobelt, MEK“)S. 133 und BArch-MArch, RM 35III/150, S. 9, 12, 13 und 15. Die Signaturen des Bundesarchivs wurden in derMehrzahl aus dem sorgfältig recherchierten Werk von Hartwig Kobelt übernommen.10 Der Einsatzstab Haun, später umbenannt in 6. K.-Division, unterstand dem K.-Stab Süd und diente als Führungsstabfür alle in der Adria eingesetzten Einheiten des K.d.K., wie M.E.K., K.-Flottillen und Meereskämpfer/Kampfschwimmer(freundliche Auskunft von Dr. Hartwig Kobelt)).“11 NARA MF T-1022 roll 2586, PG-46125 Kriegstagebuch (KTB) des K.-Stabes Süd, 1.11.1944 (BArch-MArch RM 103S. 17—20.12 Dem auf dem Balkan führenden „Oberbefehlshaber Südost“, Generalfeldmarschall von Weichs, stand für dieseAufgabe der Generalstab der Heeresgruppe F zur Verfügung, der zugleich auch als Oberkommando der 2.Panzerarmee fungierte. Dazu kam dann noch die in Griechenland stationierte Heeresgruppe E (Generaloberst Löhr).

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verantworten hatte, war kein ausgeprägter Freund der Kriegsmarine. Anlässlich des erfolgreichenDurchbruchs der Donauflottille von Belgrad nach Neusatz (Novi Sad) ist von ihm von der lockereSpruch überliefert: „man muss die Marine eben immer treten“.13 Die nachstehende Lagekarte vom3. November zeigt, wie aussichtslos sich die Ausgangslage für das geplante Unternehmen, bereitsvor der am 6. November in Agram stattgefundenen Besprechung, war.

Die Lagekarte vom 3. November 1944 zeigt den Frontverlauf zwischen Mohacs und Belgrad. Unterhalb von Ilok (km1298) waren beide Ufer der Donau bereits in der Hand des Gegners (NARA, MF T-78 roll 136).

Einig war man sich, dass durch den mittlerweile erfolgten Rückzug, so wie vorgesehen ein Einsatzvon Linsen und Kampfschwimmern auf der Donau, aus dem Raum Vukovar, nicht mehr in Fragekam. Daher hatte das K.d.K., wohl ohne die näheren Umstände zu kennen, einen Einsatz vonTreibminen vorgeschlagen. Aufgrund der vom Admiral der Kleinkampfverbände (A.d.K.) erteiltenGenehmigung konnte Korvettenkapitän Haun einen solchen Einsatz auch zusagen. Es darf wohlangenommen werden, dass allen Beteiligten die Aussichtslosigkeit eines solchen Unternehmensvöllig klar sein musste, denn wie sollten die in die Donau gesetzten Treibminen die Savestromaufwärts schwimmen? Wie dem auch sei, man wurde sich einig und Haun bestimmte für dieseAufgabe den 3. Zug des ihm unterstellten Marine-Einsatzkommandos (M.E.K.) 71.14

Diese Einsatzkommandos hatte man ursprünglich für Kommando-Unternehmen auf und über Seeaufgestellt, sie sollten in der Regel über drei Züge zu jeweils 20 Mann verfügen. Entsprechend denVorgaben verfügte auch das M.E.K. 71, nach erfolgter Neuaufstellung im September 1944, über 72

13 NARA MF T-77 roll 194. Aufzeichnung der geführten Ferngespräche am 15.10.1944.14 Die offizielle Bezeichnung nach der Feldpostübersicht vom 25.1.1945 war: Marine K.-Verband Einsatzkommando 71.

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Mann, nämlich 12 Funker, 20 Kraftfahrer und 40 Einzelkämpfer. An der Spitze des M.E.K. 71stand der Oberleutnant der Marineartillerie der Reserve Walters. Zur Durchführung entsprechenderAufgaben konnten auch Kampfschwimmer, damals als Meereskämpfer bezeichnet, von demzuständigen Lehrkommando 700, in der erforderlichen Zahl zugewiesen werden.15 Mit dem Einsatzim Bereich der südlichen Ostfront betrat man allerdings Neuland.

Das M.E.K. 71 hatte am 21. Oktober 1944 in Lübeck verladen und langte am 27. Oktober in Triestein. Zwei Tage später verlegte man weiter nach Pola, dem zukünftigen Standort.16 Der 3. Zug, unterFührung von Oberfähnrich Scholz, den man für die Brückenbekämpfung im Donauraumvorgesehen hatte, wurde umgehend zurück nach Triest beordert um sich für den Abtransport mit derEisenbahn in seinem neuen Einsatzraum bereitzuhalten. Doch das Unternehmen stand unter keinenguten Stern, denn als der Transport am 6. November bei der Transportkommandantur in Veronaangemeldet wurde, verweigerte diese die Vergabe einer Transportnummer unter Hinweis auf einezwischen Italien und dem Reichsgebiet verhängte Transportsperre.17 Erst nach einer Urgenz undunter Berufung auf die Kriegswichtigkeit der Verlegung, die sonst, trotz des Treibstoffmangels, aufder Straße durchgeführt werden müsse, wurden die angeforderten Waggons bereitgestellt.18 Erst am15. November standen diese in Triest zur Verladung der Fahrzeuge bereit. Das bereits mehrfachzitierte KTB vermerkte, der Transport werde noch am Abend nach Agram abgehen.19

Die Abfahrt erfolgte vermutlich aber erst am nächsten Tag, als die Wehrmachts-Verkehrsdirektion(WVD) in Verona den Verkehr in begrenztem Ausmaß, über Tarvis (Tarvisio), freigab.20 Doch dieFahrt verlief bei weiten nicht so wie geplant. Zur Verkehrslage auf der Strecke durch das Kanaltal(Val Canale) ist nur bekannt, dass die WVD Verona bereits am nächsten Tag wieder alleFahrtnummern für Fracht- und Kohlenzüge stornierte. Folglich dürfte der Verkehr nur sehrstockend abgelaufen sein. Am 22. November vermerkte die Generalbetriebsleitung Süd (GBL Süd)überdies, dass zahlreiche Streckenunterbrechungen in den Bereichen Assling - St. Veit undKlagenfurt - Marburg an der Drau (Maribor) den Verkehr erheblich behinderten.21 Ein Schriftstückder Oberkommandos der Wehrmacht (OKW) gibt über die prekäre Situation in diesem BereichAuskunft. So war die 141 km lange Hauptstrecke von Marburg bis zum Grenzbahnhof Brückel inder Zeit vom 23. November bis zum 8. Dezember insgesamt 204 Stunden durch Sabotageaktionender Partisanen unterbrochen. Lediglich an drei Tagen war diese wichtige Verbindung insReichsgebiet störungsfrei zu befahren.

Weitere Verzögerungen entstanden dadurch, dass die Züge nachts in Bahnhöfen, die als„bandensicher“ galten, abgestellt werden mussten.22 Da man bei der Heeresgruppe F über dieVerkehrslage wohl besser informiert war, ersuchte der M.V.O. am 22. November, Korvettenkapitän

15 Kobelt, MEK, S. 15—19 und BArch-MArch, RM 7/56, S. 62. Vergleiche dazu auch: The National Archives London(TNA) WO 204/12809, CSDIC/CMF/SD 56, S. 20 und PRO ADM 1/18222 C. R. 1148/45 Part IV (Interview withAdmiral Heye and Staff, S. 2).16 NARA MF T-1022 roll 2586, PG-46125. KTB E.-Stab Haun 1.—31.10.1944. Zur Person des Kommandoführers sieheTNA, WO 204/12809, CSDIC/CMF/56, S. 5 u. 8).“17NARA MF T-1022 roll 2586, PG-46125. KTB E.-Stab Haun 1.—31.10.1944, 12.11.1944 (BArch-MArch RM B103/1,F. 19). Vgl. dazu auch: NARA, RG 243, USSBS Transport Division Report E-201 Rail Operations over the BrennerPass, Exhibit K 1. Von der Wehrmachts-Verkehrsdirektion (WVD) Verona wurden erst ab dem 8. November wiederFahrtnummern in begrenzten Umfang, für Wehrmachts- und wichtige Gütertransporte ausgegeben. Bereits amfolgenden Tag mussten alle Wehrmachtstransporte über dem Brenner storniert werden.18 NARA MF T-1022 roll 2586, PG-46125. KTB E.-Stab Haun 1.—31.10.1944, 15.11.1944 (BArch RM B103/1, F. 20).19 Ebd., 15.11.194.20 NARA, RG 243, USSBS Transport Division, Report E-201 Rail Operations over the Brenner Pass, Exhibit K 1,17.11.1944.21 NARA, RG 243, USSBS Transport Division, Report E-200 Effects of Strategic Bombing on Transport, Exhibit 66.22 NARA, MF T-311 roll 195. O.B. Südost (O.Kdo.H.Gr.F) Ia/F 1699/44 gKdos., vom 11.12.1944 (siehe Faksimile).

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Haun möge doch Oberfähnrich Scholz befehlen umgehend die Bahn zu verlassen. um mit seinenKraftfahrzeugen im Straßenmarsch Fünfkirchen (Pecs) zu erreichen.23

Im Kriegstagebuch der Seekriegsleitung findet sich am 24. November ein Beitrag desGeneralreferates Skl./S. (Sonderkampfmittel), in dem es hieß: „Bezüglich Einsatzes von MEK´sgegen Donaubrücken wird gemeldet, daß Einsatzstab Adria in ständiger Verbindung mitHeeresgruppe F steht. Benötigtes Sprengmaterial ist zugeführt“.24 Der Eintrag weist darauf hin,dass man an oberster Stelle zu diesem Zeitpunkt noch keinerlei Probleme ortete. Am 25. Novemberinformierte der M.V.O. der Heeresgruppe F, dass Oberfähnrich Scholz, nach Rücksprache mit derHeeresgruppe, den Befehl erhalten habe die russische Ponton-Brücke bei Apatin mit Hilfe vonTreibminen zu zerstören. Als voraussichtlicher Einsatzort wurde Mohacs bestimmt, der Termin fürdas Absetzen der Treibminen sollte die Nacht vom 26. auf den 27. November sein.25 Doch dieTransportfrage war nicht die einzige Friktion beim Einsatz des 3. Zuges. Bereits unmittelbar nachder Besprechung vom 6. November in Agram hatte Korvettenkapitän Haun 200 Kugeltreibminen 41angefordert. Als am 10. November bekannt wurde, dass auch die Heeresgruppe F die gleicheAnzahl bestellt hatte, stornierte die vorgesetzte Dienststelle die Anforderung der Marine.26

Groß war die Überraschung als am 12. November der M.V.O. aus Agram mitteilte, dass es sich umkeine Doppelanforderung handelte, da die Heeresgruppe die angeforderten 200 Treibminen füreigene Zwecke benötige. Korvettenkapitän Haun meldete dies unverzüglich dem K.d.K., wobei erzweifelnd den Zusatz anfügte: „falls die Aufgabe überhaupt noch durchgeführt werden sollte“.27

Über die ursprüngliche Absicht die Savebrücke in Belgrad zu zerstören breitete man den Mantel desSchweigens und war froh einen neuen Auftrag gefunden zu haben, der ebenfalls das Werfen vonFlusstreibminen in der Donau vorsah. Das Problem war jedoch, dass es keine Treibminen gab. Fürdie Lieferung der angeforderten Kugeltreibminen gab es noch immer keine Zusage. Da sprang aufVermittlung des Inspekteurs Minenräumdienst Donau (IMRDD) die ungarische Armee hilfreichein. Man bot Hilfe an, da eine größere Menge Flusstreibminen ungarischer Bauart in einemMunitionsdepot, in der zwischen Komárom und Esztergom gelegenen Ortschaft Süttö(Stromkilometer 1743) lagerten.28

Oberfähnrich Scholz sollte für die Abholung der Minen sorgen und sich auch nähere Informationenüber dem Einsatzraum direkt bei der Heeresgruppe Süd beschaffen.29 Die Stärke des 3. Zuges wirdübereinstimmend mit 14 Mann, davon vier Kampfschwimmer, angegeben. Dabei dürfte es sich nurum die Kämpfer gehandelt haben.30 Dazu müssen dann noch die Kraftfahrer, Funker und dasVersorgungspersonal gezählt werden. Allerdings dürften die Kampfschwimmer erst später, mit dem1. Zug des M.E.K. 71 in den Einsatzraum verlegt haben um hier zum 3. Zug aufzuschließen. Dieungarischen Treibminen hätten bereits in der Nacht vom 26. auf den 27. November bei Mohacs(Stromkilometer 1447) abgelassen werden sollen.31 Diese Termin dürfte jedoch nicht zu haltengewesen sein, wofür eine Eintragung im KTB des IMRDD spricht, die am 29. November vermerkt:

23 BArch-MArch, RM 35III/97, S. 63 und TNA, DEFE 3/680, S. 68 (22.11.1944).24 Kriegstagebuch der Seekriegsleitung 1939—1945, Teil A, Berlin, Bonn, Hamburg1996 (zukünftig zitiert als KTB Skl.)Band 63/II, S. 539.25 NARA MF T-1022 roll 2539. Fernschreiben (FS) des M.V.O. der Heeresgruppe F, Nr. 3228, gKdos., vom 25.11.1944(BArch-MArch, RM 35III/161, S. 39).26 NARA MF T-1022 roll 2586, KTB, K.-Stab Süd vom 1.—15.11.1944, 10.11.1944 (BArch-MArch, RM B103/1, F. 19).27 Ebd. 10. und 12.11.1944.28 NARA MF T-1022 roll 2539. Fernschreiben (FS) des M.V.O. der Heeresgruppe F, Nr. 3228, gKdos., vom 25.11.1944(BArch-MArch, RM 35III/161, S. 39).29 Der Einsatz erfolgte im Befehlsbereich der Heeresgruppe Süd.30 Kobelt, MEK, S. 132 und Lawrence Patterson, Waffen der Verzweiflung, Berlin 2009, künftig zitiert als „Paterson,Waffen“, S. 148.31 NARA MF T-1022 roll 2539. Fernschreiben (FS) des M.V.O. der Heeresgruppe F, Nr. 3228, gKdos., vom 25.11.1944(BArch-MArch, RM 35III/161, S. 39).

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„Mehrere Lkw´s mit Treibminen beladen haben heute die Fahrt zur Heeresgruppe Süd nachMohacs angetreten“.32 Da jedermann klar sein musste, dass mit den Treibminen kaum eindurchschlagender Erfolg zu erreichen sei, suchte man natürlich nach effizienteren Lösungen. Soschloss der M.V.O. der Heeresgruppe F ein diesbezügliches Fernschreiben mit dem Satz, dassandere Mittel auf Grund der militärischen Lage derzeit nicht einsetzbar wären und man die Prüfungder Verfügbarkeit von geeigneten Torpedo-Minen bereits veranlasst hätte.33

Eine Gruppe „Meereskämpfer“ bei der Befehlsausgabe (PK.-Aufnahme).

32 BArch-MArch, RM 61/IX-2. KTB des Inspekteurs Minenräumdienst Donau (IMRDD), 29.11.1944.33 NARA MF T-1022 roll 2539. Fernschreiben (FS) des M.V.O. der Heeresgruppe F, Nr. 3228, gKdos., vom 25.11.1944(BArch-MArch, RM 35III/161, S. 39).

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Das Kommando Oberleutnant Tegethoff (1./M.E.K. 71)Am 22. November, als sich der Transport mit dem 3. Zug des M.E.K. 71 gerade seinemZielbahnhof Agram näherte, befahl der K.-Stab Süd unverzüglich ein weiteres Kommando samtSprengmaterial bereitzustellen und dieses so rasch als möglich mittels Bahntransport nachFünfkirchen (Pécs) zu verlegen. Der Grund für diese Maßnahme war ein neuer dringlicher Auftrag,einen von der Roten Armee errichteten Übergang über die Donau bei Batina zu zerstören. Zudiesem Zeitpunkt war noch nicht festgelegt, welcher der beiden in Zuführung befindlichen Züge desM.E.K. 71 diesen Auftrag letztlich ausführen sollte.34 Erst am 23. November bestimmte man den 1.Zug unter dem Kommando von Oberleutnant Tegethoff für diese Aufgabe. Das Kommando hatteeine Stärke von 16 Mann, zu denen so bald als möglich noch sechs Kampfschwimmer, unter demKommando von Oberfeldwebel Mitschke, stoßen sollten.35 Der 1. Zug führte auch Torpedominenund eine Boot vom Typ „Linse“ mit. Die nachgeführten Kampfschwimmer sollten erst imEinsatzraum auf die beiden Züge (1. u. 2./M.E.K. 71) aufgeteilt werden.36

Der Transport fuhr am 24. November um die Mittagszeit von Triest ab.37 Doch schon bald mussteman zur Kenntnis nehmen, dass die unwägbare Transportsituation zwischen dem Reich und Italienjede noch so sorgfältig erstellte Planung zunichtemachen konnte. Fakt ist, dass der Bahntransport,anstelle des Zielbahnhofes Agram, vorzeitig am Wörthersee in Kärnten endete.38 Hier, im BahnhofKrumpendorf, wurde am Abend des 25. Novembers entladen. Von Kärnten aus wurde am Morgendes 26. Novembers der Weitermarsch nach Kroatien, nun allerdings auf der Straße, angetreten. EinHinweis auf die Gründe des vorzeitigen Abbruchs des Eisenbahntransports findet sich, wie bereitsangemerkt, in den zahlreichen Streckenunterbrechungen in den Bereichen Assling - St. Veit undKlagenfurt - Marburg an der Drau.39 Die Weiterfahrt nach Agram, die auf der Straße erfolgte,verlief ohne weitere Probleme, wobei die Kolonne neben einer Linse auf einem Spezialanhängerauch zwei Torpedominen mitführte.40 Ein Vorkommando fuhr mit einem VW-Kübelwagen vorausum in Agram den M.V.O. über die mitgeführten Torpedominen und deren Einsatzmöglichkeiten zuinformieren. Nach Erledigung dieser Aufgabe sollte das Vorkommando weiter nach Fünfkirchen(Pecs) fahren.41 Hierher sollte später auch die Kolonne, welche mittlerweile ebenfalls Agramerreicht hatte, kommen.42

In Verbindung mit dem Eintreffen des Kommandos in Agram erteilte der K.-Stab Süd, in einem anden M.V.O. der Heeresgruppe F gerichteten Fernschreiben, entsprechenden Vorgaben für einenerfolgversprechenden Einsatz. Es wurde darauf hingewiesen, dass die geplanten Einsätze bei Apatinund Batina einer sorgfältigen Vorbereitung bedurften und Kugeltreibminen wurden als ungeeignetbezeichnet. Besonderes Augenmerk wurde vom K.-Stab Süd auf die Problematik beim Einsatz dermitgeführten Torpedominen gelegt.43 Es wurde darauf aufmerksam gemacht, dass eine Verbringungdieser Minen durch Kampfschwimmer bei den derzeitigen Wassertemperaturen problematisch undnur auf allernächste Entfernung möglich sei.

34 TNA, DEFE 3/680, S. 68 (22.11.1944).35 BArch-MArch, RM 35III/161, S. 39. Vgl. dazu auch TNA, DEFE 3/680, S. 96 (23.11.1944).36 BArch-MArch, RM 35III/161, S. 33 f. und NARA MF T-1022, roll 2539. FS M.V.O. HGr. F, 3228 gKdos. sowie FS(E-Stab Haun) G 463 D MFS Triest, beide vom 25.11.1944. Vgl. dazu auch TNA, DEFE 3/680, S. 71 u. 96 f.(23.11.1944).37 NARA, MF T-1022 roll 2539. FS K.-Stab Süd g. 463 D MFS Triest, vom 25.11.1944.38 Ebd. FS K.-Stab Süd g. 483 vom 26.11.1944.39 NARA, RG 243, USSBS Transport Division, Report E-200 Effects of Strategic Bombing on Transport, Exhibit 66.40 BArch-MArch, RM 35III/161, S. 33 f. und NARA, T-1022, roll 2539. FS K.-Stab Süd g. 483, vom 26.11.1944.41 TNA, DEFE 3/680, S. 95 (22.11.1944).42 Ebd., S. 118 (24.11.1944).43 Zu den Sonderkampfmitteln vgl. auch das diesbezügliche Kapitel bei Kobelt, MEK, S. 19—22.

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Ein Fernschreiben des O.B. Südost, vom 11. Dezember 1944, informierte das OKW über die katastrophaleTransportlage in der Untersteiermark. Zu jener Zeit, als sich der 1. und 3. Zug des M.E.K. 71 im Bahntransport nachAgram befanden (NARA MF T-311 roll 195).

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Auch müssten die Torpedominen unmittelbar an den Brückenpfeilern angebracht werden. Bei derZündung wäre dafür Sorge zu tragen, dass alle Ladungen gleichzeitig zur Explosion gebrachtwerden, wobei in jedem Fall eine genaue Berechnung der zur Anwendung kommenden Ladungenerforderlich sei.44 Eine weitere Forderung war, dass kein Einsatz ohne eine vorherige Unterweisungerfolgen dürfe. Auch wurde darauf hingewiesen, dass Torpedominen mit „Sofie“ (vermutlich sindhier jene mit dem fotoelektrischen Zündsystem gemeint) noch nicht lieferbar wären.45 Doch allediese Forderungen und Mahnungen blieben graue Theorie, denn die Stellung eines M.V.O. im Stabeiner Heeresgruppe hatte nicht annähernd das Gewicht um diese Vorgaben auch durchzusetzen.Dieses galt für die Kommandoführer vor Ort in noch größerem Ausmaß, waren diese doch schonKraft ihres niederen Ranges Getriebene im turbulenten Geschehen der wankenden Fronten.

Meereskämpfer beim Uhrenvergleich (Deutsche Wehrmacht, Propagandafoto).

44 BArch-MArch, RM 35III/161, S. 31.45 Ebd. und NARA MF T-1022 roll 2539. FS, K.-Stab Süd gKdos. 160 D MFS Triest, vom 26.11.1944.

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Die ParallelaktionUm sich alle Möglichkeiten offen zu halten, wurde auch der 3. Zug des M.E.K. 71 in dieÜberlegungen bezüglich der Bekämpfung der Übergangsstelle der Roten Armee bei Batina miteinbezogen. Denn auch Oberfähnrich Scholz, der ursprünglich den Treibmineneinsatz gegen dieÜbergangsstelle bei Apatin leiten sollte, war mit seinen Männern zu diesem Zeitpunkt noch auf derBahn in Richtung Agram unterwegs.

Der kleine kroatische Ortschaft Batina heute. Die Brücke im Hintergrund gab es damals noch nicht (WikimediaCommons).

Am Vormittag des 21. November hatte der Transport Villach passiert und beim K.d.K. rechneteman mit einer baldigen Ankunft in Agram. Allerdings endete die Weiterfahrt, wegen einerStreckenunterbrechung durch einen Anschlag der Partisanen, unvorhergesehen am Bahnhof vonCilli (Celje). Es ist nicht bekannt ob der vom K.d.K. in Betracht gezogene Befehl zum Abladen undzum Weitermarsch auf der Straße auch erteilt wurde, bzw. ob er Oberfähnrich Scholz auchrechtzeitig erreichte.46 Erst nach zwei Tagen konnte der Transport am 23. November von Cilli ausdie Weiterfahrt antreten.47 Da Scholz mit seinen Männern erst am 24. in Agram einlangte, hatte sichdie Hoffnung zerschlagen, über den 3. Zug wesentlich früher als über den ebenfalls im Anmarschbefindlichen 1. Zug verfügen zu können.48

46 TNA, DEFE 3/680, S. 68 (22.11.1944).47 Ebd., S. 96 f. (23.11.1944).48 Ebd., S. 98 f (23.11.1944), S. 109 ff. (24.11.1944) u. S. 118 (24.11.1944).

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Der verzögerte Anmarsch bot auch den Anlass für den Führungsstab des K.d.K. neuerlich Druck zumachen. Dies vor allem, da die Seekriegsleitung plötzlich, nachdem sich in den vergangenen Tagenalles auf Batina konzentriert hatte, plötzlich einen Bericht über die Möglichkeiten zur Zerstörungder Behelfsbrücke bei Apatin einforderte. In der Folge wurde dieser Einsatz auch von VizeadmiralHeye als essentiell bezeichnet. Doch die Voraussetzungen für einen Einsatz waren gerade hier allesandere als günstig. Die Wassertemperatur der Donau betrug im Raum Apatin 0,06 Grad Celsius unddie Strömung wurde mit 0,8 bis 1 Meter pro Sekunde angegeben. Erschwerend war, dass dieFahrrinne hier besonders eng war und sich bei Stromkilometer 1401 auch noch eine großeSandbank befand. Auch mehrere Wassermühlen behinderten in diesem Abschnitt einen Einsatz.49

Die Donau bei Apatin heute, wo die Rote Armee einen Donauübergang errichtet hatte (Wikimedia Commons).

Während die Akteure in Agram vorerst auf weitere Befehle warteten, fiel am 25. November aufoberster Ebene die Entscheidung. Entgegen den ursprünglichen Intentionen erhielt der zuletztzugeführte 1. Zug unter Oberleutnant Tegethoff die Donaubrücke bei Apatin als Ziel zugewiesen.Der Grund dafür, dass der 3. Zug, anstelle zur ursprünglich vorgesehenen Brücke bei Apatin zumDonauübergang bei Batina umdirigiert wurde ist nicht bekannt.50 Bei dieser der Brücke handelte essich um eine von Pionieren der Roten Armee errichtete Pontonbrücke bei Stromkilometer 1424 dieOrtschaften Bezdan und Batina verband.

Jeder Zug eines M.E.K. verfügte über eine eigene Funkstation, was einerseits ein großer Vorteil füreine flexible Führung war. Ein Nachteil war, dass dieses Führungsverfahren zu einem regen FunK.-und Funkfernschreibverkehr führte, der oft ausufernde Formen annahm, wollten doch die

49 TNA, DEFE 3/680, S. 115 f. (25.11.1944).50 Ebd., S. 125 u. 127 f. (25.11.1944).

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übergeordneten Stäbe ständig über das aktuelle Geschehen informiert sein. Demgegenüber stand dietaktische Forderung den Sendebetrieb möglichst kurz zu halten, um dem Gegner nicht dieMöglichkeit eines Anpeilens der Funkstelle zu geben. Dem wirkte entgegen, dass dieKommandoführer vor Ort nur bescheidene Befugnisse hatten und ständig bei den vorgesetztenStellen um Erlaubnis fragen mussten. So konnte der Vorteil einer flexiblen Führung über Funk auchzum Nachteil werden, besonders wenn der Gegner fast ohne Zeitverzug den Funkverkehr mitlesenkonnte. Dies war ab Juli 1944 der Fall, als die Alliierten die von den Deutschen mit Hilfe derSchlüsselmaschine (ENIGMA) codierten Sprüche entziffern konnten, was der deutschen Seite nichtbekannt war.51

Die K.-Verbände benutzten den im März 1944 eingeführten Schlüssel „Eichendorff“, der bei denBriten den Decknamen Bonito bekommen hatte. Dieser Schlüssel wurde unverändert bis zumKriegsende verwendet, was die alliierte Dechiffrierung begünstigte. Erstmals war es im Mai 1944gelungen, damals allerdings noch in bescheidenen Umfang, in den Schlüssel einzubrechen. Späterkonnte man die Funksprüche und Fernschreiben in kürzester Zeit entschlüsseln. Von Vorteil für diedeutsche Seite war, dass man im Bereich des K.d.K. für die wesentlichen taktischen Begriffe undspäter auch für die Einheitsbezeichnungen durchwegs Tarnnamen verwendete. Ebenso teilte dasK.d.K. Fernschreiben und Funksprüche mit längeren Textpassagen grundsätzlich auf mehrere Teileauf, wobei der nachfolgende Teil erst abgesetzt wurde, wenn der Eingang des vorhergehendenAbschnitts quittiert worden war. Da man auf britischer Seite dem Funkverkehr der K.-Verbände imBereich der Ostfront nicht die höchste Priorität einräumte, kam noch der Zeitverzug, zwischen derEchtzeit der Funksprüche und der Weitergabe des entschlüsselten Textes, dazu. Positiv wirkte sichfür die alliierte Seite die seit langem bestehende und gut eingespielte Funküberwachung imBalkanraum aus. Dementsprechend ließen sich die erzielten Ergebnisse der Funküberwachung unddie daraus gewonnenen Erkenntnisse im Mittelmeer-Bereich nicht mit jenen der südlichen Ostfrontvergleichen. Hier, besonders in den Bereichen der Heeresgruppen Süd und Mitte, erzielte diealliierte Funkaufklärung (SIGINT) nur sporadische Erfolge.

Anfang Dezember 1944 hatte sich die Situation dahingehend verändert, dass sich der Einsatz derbeiden Kommandos immer mehr in den Befehlsbereich der Heeresgruppe Süd verlagerte. Hierbesonders in dem hart umkämpften Teil der Donau in Ungarn, von Gran (Esztergom) bis zurserbischen Grenze. Dies hatte insofern atmosphärische Auswirkungen, da der Stab derHeeresgruppe Süd, im Gegensatz zu jenem der Heeresgruppe F, der bereits seit Jahren mit derMarine in den Bereichen Adria und Ägäis kooperieren musste, noch weniger Wert auf einegedeihliche Zusammenarbeit legte. Mittlerweile war der 3. Zug des M.E.K. 71, unter der Führungvon Oberfähnrich Scholz, befehlsgemäß in Richtung Mohács unterwegs und befand sich zumMonatsende im Raum Stuhlweißenburg (Székesfehérvar) wobei man auf vier Lastkraftwagen 150ungarische Treibminen mitführte, welche man am 29. November vom Munitionslager in Süttoabgeholt hatte.52 Der ursprünglich geplante Termin, die Nacht vom 26. auf den 27. November, warmittlerweile längst verstrichen.53 So konnte buchstäblich in letzter Minute, südlich von Paks 100Treibminen ungarischer Bauart abgelassen werden. Die Aktion erfolgte in der Nacht zum 1.Dezember 1944, zwischen 02:00 und 04:00 Uhr, unter der Leitung von Fähnrich Eger.54

Mit Tagesanbruch musste die Ortschaft Paks geräumt werden, den die russischen Angriffsspitzenstanden bereits tief im Rücken der deutschen Front, die zum Teil noch immer an der Donau stand.

51 Patterson, Waffen, S. 72.52 BArch-MArch, RM 61/IX-2. KTB IMRDD, 29.11.1944 u. TNA, DEFE 3/680, S. 209 f. (30.11. u. 1.12.1944.)53 NARA MF T-1022 roll 2539. Fernschreiben (FS) des M.V.O. der Heeresgruppe F, Nr. 3228, gKdos., vom 25.11.1944(BArch-MArch, RM 35III/161, S. 39).54 TNA, DEFE 3/680, S. 443 (4.12.1944) und NARA MF T-1022 roll 2539, FS, MSKF 0529, vom 4.12.1944 (M.V.O.HGr. Süd gKdos. 1402/44).

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Doch im Bereich von Paks war es den über die Donau angreifenden sowjetischen Verbändengelungen die deutsche Verteidigung zu durchstoßen, um sich hier mit der nach Norden angreifendenHauptmacht zu vereinigen.55

Die Lagekarte der Heeresgruppe F vom 30. November 1944 zeigt den Beginn des Durchbruchs an der Nahtlinie derHeeresgruppen F und Süd, der erst auf Höhe der Ortschaft Paks abgewehrt werden konnte (NARA MF T-78, roll 136).

Mit dem Ablassen der Treibminen bei der Ortschaft Paks war man zwar der ursprünglichen Planungsehr nahe gekommen, allerdings lagen zwischen der Absetzstelle der Minen bei Stromkilometer1533 und der Engstelle der Donau bei Batina bei km 1425 mehr als 100 km. Doch dieLageentwicklung erforderte ein rasches Handeln und für den 3. Zug war es allerhöchste Zeit sich inRichtung auf den Plattensee zurückzuziehen. In diesen turbulenten Tagen verlor der Zug auchseinen Führer, Oberfähnrich Scholz, bei einem nicht überlieferten Ereignis. Der Leichnam vonScholz wurde in den in den ersten Dezembertagen in Stuhlweißenburg zu Grabe getragen. Nebendem Todesfall von Scholz gab es auch bei diesem Vorfall auch zwei schwer verletze Soldaten dienach Wien ins Lazarett transportiert wurden.56 Fähnrich Eger, der bald darauf zum Oberfähnrichbefördert wurde, hatte mittlerweile das Kommando übernommen und setzte sich mit seinen Leutennach Balatonkenese ab, wo man sich mit dem 1. Zug von Oberleutnant Tegethoff vereinigte. Diezum Transport der Minen zugeteilten vier Lastkraftwagen wurden von hier nach Agramzurückgeschickt und beide Züge verlegten am 3. Dezember weiter nach Stuhlweißenburg. Hierwartete man auf weitere Befehle, während Tegethoff weiter nach Budapest fuhr, um im

55 NARA MF T-78 roll 136, Lagekarte vom 1. und 2.12.1944.56 TNA, DEFE 3/680, S. 443 f. (4.12.1944).

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Hauptquartier der Heeresgruppe Süd neue Instruktionen zu empfangen.57 Wie verwirrend dieSituation war zeigt deutlich das Kriegstagebuch des IMRDD. Kapitän zur See Lautenschlager, derim Donaubereich für alle hier eingesetzten Teile der Marine zuständig war, ging von der Annahmeaus, dass das Ablassen der Treibminen bei Paks, so wie ursprünglich vorgesehen, der Brücke vonApatin bei Stromkilometer 1401 gegolten hatte. Doch dieser Donauübergang befand sich 30 kmstromabwärts der Pontonbrücke von Batina. Daher konnte man nicht damit rechnen, dass mit Hilfeder Treibminen ein Erfolg zu erzielen war. Noch dazu, wo im Fall von Apatin auch noch eineEngstelle der Donau dem Ziel, der russischen Pontonbrücke, vorgelagert war. So ist es auchverständlich, das sich im Kriegstagebuch am 3. Dezember folgender Beitrag findet: „Der Generalder Pioniere Heeresgruppe Süd bittet, das Werfen von Treibminen auf der Donau einzuschränken,da bislang keine Erfolge erzielt sind“.58

Versucht man diese erste Phase des Einsatzes zusammenzufassend zu beurteilen, kommt manzwangsläufig zu dem Urteil „Außer Spesen nichts gewesen“. Der ursprünglich vorgegebene Einsatzgegen die Straßenbrücke über die Save in Belgrad entbehrte von Anfang an jeder vernünftigenGrundlage und war einfach undurchführbar. Für die danach geplanten Einsätze gegen dieÜbergangsstellen der Roten Armee bei Apatin und Batina galt, dass der vorgesehene Einsatz durchdas verspätete Eintreffen am Kriegsschauplatz zu diesem Zeitpunkt bereits überholt war. DieKommandos fuhren unmittelbar in die sowjetische Offensive hinein und mussten froh sein sichnoch rechtzeitig vom Feind absetzen zu können. Die Gründe für die in letzter Minute geplanteRochade zwischen den 1. und den 3. Zug, in Hinsicht auf die zugewiesenen Ziele, bleiben imDunklen. Möglicherweise lag es daran, dass der 1. Zug bereits an den erstmals mitgeführtenTorpedominen geschult war und man sich daher größere Erfolgschancen versprach. Letztlich bliebes ohne Belang, da beide Unternehmen in dieser Form nicht zur Ausführung kamen.

Oberleutnant Tegethoff der den Befehl erhalten hatte sich unverzüglich nach der Ankunft im neuenEinsatzraum beim M.V.O. der Heeresgruppe Süd, im 30 km nordwestlich von Budapest gelegenHauptquartier zu melden, erlebte hier eine böse Überraschung.59 Als er sich dort am 2. Dezembermeldete, erklärte man ihm, dass man derzeit keine Verwendungsmöglichkeit für die K.-Mittel derMarine sehe.60 In diesem Zusammenhang ist auch eine im Stab des Marine-Gruppenkommando Süddurchgeführte Korrektur an einem Fernschreiben interessant, in dem der M.V.O. der HeeresgruppeSüd über die Vorsprache von Oberleutnant Tegethoff berichtete. Das an das Marine-Gruppenkommando Süd und den K.-Stab Süd adressierte Fernschreiben enthält folgendeTextpassage: „H GR SUED GEN D PIONIERE HAT GEBETEN, DASZ TEGETHOFF WERFENTREIBMINEN AUF DONAU EINSCHRAENKT, DA BISHER ALLE VORBEREITUNGENUNGARN NICHT ZUM ZIEL GEFUEHRT HABEN. Der danach folgende Satz ist allerdings schwerverständlich und möglicherweise verstümmelt: „TEGETHOFF DAHER 3/12 IN VERBINDUNGMIT 6. ARMEE BEI ORGANISATION TREIBMINENWERFEN DONAU“. In dem überliefertenExemplar des Marine-Gruppenkommando Süd, hatte jemand das Wort „EINSCHRAENKTdurchgestrichen und handschriftlich „IN DIE HAND NIMMT“ darüber geschrieben.61 ImKriegstagebuch des IMRDD findet sich hingegen die ursprüngliche Aussage.62

57 BArch-MArch, RM 35III/161, S. 16. NARA T-1022 roll 2539. FS M.V.O. HGr. Süd, SSD MSKF 3550, vom 3.12.1944und FS MSKF 0529, vom 4.12.1944 (M.V.O. HGr. Süd gKdos. 1402/44), entspricht BArch-MArch, RM 35III/161, S. 16.Vgl. dazu auch TNA, DEFE-3/680, S. 209 f. (30.11. und 1.12.1944) und 443 f (4.12.1944).58 BArch-MArch, RM 61/IX-2. KTB IMRDD, 3.12.1944.59 TNA, DEFE 3/680, S. 237 (1.12.1944). Das Hauptquartier der Heeresgruppe war in der Ortschaft Dobogókö,westlich von Budapest (vgl. dazu auch die Lagekarte vom 1.12.1944).60 NARA MF T-1022 roll 2539. FS, KR MSFK 0529, vom 4.12.1944 (M.V.O. HGr. Süd gKdos 1402/44). In dem an dieOperationsabteilung der Heeresgruppe Süd und an den K.-Stab Süd in Triest gerichteten Fernschreiben heißt eswörtlich: […] „Nach Vortrag bei HGr. Süd hier keine Verwendung für besondere K.-Mittel Tegethoff.“ […] (entsprichtBArch-MArch, RM 35III/161, S. 16). Diese Aussage findet sich auch in TNA, DEFE 3/680, S. 237.61 NARA T-1022 roll 2539. FS MSKF 0529, vom 4.12.1944 (M.V.O. HGr. Süd gKdos. 1402/44).62 BArch-MArch, RM 61/IX-2. KTB IMRDD, 3.12.1944.

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DIE DEUTSCHE KUGELTREIBMINE 41

Kugeltreibmine 41, Schwimmlagen, Packgefäß und Querschnitt. Abbildungen aus dem Merkblatt Gen.d.Pi.u.Fest.,Merkblatt 29a/16 Flußtreibminen vom 1.3.1944. Zentralarchiv des Verteidigungsministeriums der RussischenFöderation (CAMO) 500/12451/Akte 437.

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Nachdem die angeforderten 200 deutschen Kugelminen 41 in dem in der Slowakei gelegenenHeeresmunitionslager Bolerinz zur Abholung bereitlagen, setzte sich Tegethoff diesbezüglich mitder Armeegruppe Balck in Verbindung.63 Doch der Oberbefehlshaber der 6. Armee wollte von K.-Mitteln nichts wissen sondern wünschte die Aufstellung einer Motorboots-Abteilung für denPlattensee, deren Aufgabe der Einsatz im Vorpostendienst sein sollte. Damit konnte Tegethoff nichtdienen.64 Am 4. Dezember fasste der K.-Stab Süd für das Marine-Gruppenkommando die Situationfolgendermaßen zusammen: „Für Einsatz gegen Donaubrücken Budapest Draumündung GruppeOblt Tegethoff eingesetzt. Ist z. Zeit bei H Gr Süd um weitere Einsätze zu erkunden. EinTreibmineneinsatz hat 1/12 stattgefunden. T. hat Anweisung Mittel und Möglichkeiten zumelden“.65 Zur selben Zeit reagierte das K.d.K. auf die niedrigen winterlichen Wassertemperaturender Donau und untersagte jegliche Planung und Durchführung von Operationen mitKampfschwimmern.66 Gleichzeitig erfolgte der Befehl die Kampfschwimmer der Gruppe Mitschkeunverzüglich nach „Weißkoppel“ in Marsch zu setzen. Am 8. Dezember trat die Gruppe dann vonGraz aus mit der Bahn die Fahrt nach Schleswig-Holstein an.67

Die beiden Züge verlegten von Stuhlweißenburg nach Balatonfüred, eine Stadt am Nordufer desPlattensees, wo man auf die Rückkehr von Tegethoff wartete.68 Da keine neuen Aufträge vorlagen,blieb man vorerst in Balatonfüred. Die Zerstörung der russischen Donaubrücken südlich vonBudapest blieb weiterhin auf dem Tisch, dieses Thema wurde am 10. Dezember 1944 neuerlichvom Chef des Generalstabs des Heeres beim Lagevortrag vor Hitler angesprochen. AlsGeneraloberst Guderian die Wichtigkeit der Unterbindung dieser Donauübergänge betonte,schaltete sich der Oberbefehlshaber der Marine ein. Dönitz der an der Lagebesprechung teilnahmerwiderte darauf, dass dafür bereits Marine-Einsatzkommandos im Bereich der Heeresgruppe Südbereitstünden. Seiner Meinung nach wäre es die Aufgabe der örtlichen Stellen die Modalitäten einesEinsatzes im Detail festzulegen und für die Durchführung zu sorgen.69

Ohne neue Aufträge nutzte Tegethoff die Zeit um seinen Verband neu zu formieren. Auffallend ist,dass ab diesem Zeitpunkt nur mehr der 1. Zug des M.E.K. 71 im Funkverkehr aufscheint.70 Dieskönnte ein Hinweis darauf sein, dass es in Balatonfüred zu einer Zusammenlegung der beiden Zügegekommen war.71 Am 18. Dezember 1944 wurde das Prozedere für den Funkbetrieb zwischen demFührungsstab des K.d.K., dem K.-Stab Italien und dem Einsatzstab Haun neu festgelegt.72 Dieseswar notwendig geworden, da am 12. Dezember 1944 die Marinefunkstelle des aufgelösten Marine-

63 NARA MF T-1022 roll 2539. FS, KR MSFK 3611 vom 4.12 1944 und FS, KR MSFK 0529, vom 4.12.1944, entsprichtBArch-MArch, RM 35III/161, S. 15.64 BArch-MArch, RM 61/IX-2. KTB IMRDD, 5.12.1944.65 NARA MF T-1022 roll 2539. FS, SSD MSTF 02926 vom 4.12.1944 (K.-Stab Süd, gKdos. 209/44), entspricht BArch-MArch, RM 35III/161, S. 9.66 TNA, DEFE 3/680, S. 209—211 u. 443 f. (4.12.1944).67 Ebd. S. 443 f. (4.12.1944) u. 692 (9.12.1944). „Weißkoppel“ war die Tarnbezeichnung für List auf Sylt, wo es einLager bzw. eine Ausbildungsstelle für die Kleinkampfverbände der Marine gab. Hier befand sich unter anderem auchdas für die „Meereskämpfer“ zuständige Lehrkommando 700.68 BArch-MArch, RM 61/IX-2. KTB IMRDD, 8.12.1944.69 Gerhard Wagner (Hg.), Lagevorträge des Oberbefehlshabers der Kriegsmarine vor Hitler 1939—1945,München1972, S. 622 (künftig zitiert als „Wagner, Lagevorträge“). Hier: Skl. B. Nr. 1. Skl. Ib 3707/44 gK. Chefs., vom15.12.1944, Betr.: Niederschrift über die Teilnahme des Ob.d.M. an der Führerlage am 10.12.44, 15.00 Uhr.70 TNA, DEFE 3/680 S. 692. Ab dem 9.12.1944 findet man im Bestand DEFE 3 nur mehr Funksprüche bezüglich des 1.Zuges des M.E.K. 71, nun unter dem Kommando von Oberleutnant Tegethoff. Daher liegt die Annahme nahe, dass mandie beiden Züge, zur Freimachung einer Funkstelle und der anteiligen Versorgungsteile und zugunsten des neuzugeführten „Sonderkommandos Glatze“ zusammengelegt hatte.71 Beide Züge hatten zusammen kaum mehr als dreißig Kämpfer. Überdies würde die Hälfte der FunK.- undVersorgungsfahrzeuge eingespart, die man für das neu zugeführte „Sonderkommando Glatze“ nicht neu zuführenmusste.72 TNA, DEFE 3/680, S. 746 f. (18.12.1944).

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Gruppenkommandos Süd ihren Betrieb eingestellt hatte und die bisher vom GruppenkommandoSüd bezüglich des K.-Einsatzes wahrgenommenen Aufgaben an den K.-Stab Italien übergingen.73

Vizeadmiral Heye hatte, in Bezug auf die Zusage seines Oberbefehlshabers bei der Besprechung am10. Dezember im Führerhauptquartier, die Unmöglichkeit des Einsatzes gegen die russischenDonauübergänge südlich von Budapest erkannt. So vermerkte am 12. Dezember dasKriegstagebuch der Seekriegsleitung, dass der A.d.K. infolge der Entwicklung der militärischenLage in Ungarn keine Einsatzmöglichkeiten mehr für Kleinkampfmittel auf der Donau, unterhalbder ungarischen Hauptstadt, sah.74 Trotzdem sollte seiner Ansicht nach der 1. Zug des M.E.K. 71vorerst für zukünftige Einsätze im Donauraum verbleiben.75 Am 18. Dezember findet sich imKriegstagebuch der Seekriegsleitung zu den „Sonderkampfmitteln“ folgender Vermerk: „Chef Skl.befürchtet, daß auch auf der Donau Eis einsetzen wird, ehe die Aufgaben durchgeführt werden,empfiehlt daher beschleunigtes Handeln“.76 Diese Bedenken waren mehr als berechtigt, dochTegethoff wartete weiter auf Befehle und war zur Untätigkeit verdammt.77

Die Gründe dafür waren einerseits bei der Heeresgruppe Süd zu suchen, aber auch die imDonaubereich oberhalb und unterhalb von Budapest führenden Armeegruppe Balk (6. Armee und 3.ungarische Armee) ließ es an diesbezüglichen Initiativen mangeln. So blieb das schmale Zeitfensterbis zum Zufrieren des Stromes ungenutzt. Auch die zu diesem Zeitpunkt erfolgte Auflösung desMarine-Gruppenkommando Süd, welches in der Vergangenheit immer wieder zum Handelngedrängt hatte, dürfte hier mitgewirkt haben. Am 22. Dezember 1944 vermerkte dasKriegstagebuch der Seekriegsleitung plötzlich, dass für die Sprengung von Brücken in Budapest K.-Mittel bereitgestellt seien.78 Dabei stellt sich die Frage nach dem Sinn dieser Eintragung, da inBudapest zu jeder Zeit genügend Pioniere des Heeres für die Sprengung der Brücken verfügbarwaren. Wahrscheinlich wollte das Generalreferat Skl./S. mit diesem Beitrag auf KommandoTegethoff hinweisen, welches in Balatonfüred ohne Aufträge bereitstand.79

73 KTB Skl., Band 64/I, Berlin, Bonn, Hamburg 1996, S. 149 u. 158 (12. u. 13.12.1944). Mit 13.12.1944 wurde derIMRDD einsatzmäßig der 1./Skl. unterstellt.74 Ebd. S. 282.75 TNA, DEFE-3/680, S. 878 f. (20.12.1944). Hier wird ausdrücklich der 1. Zug des M.E.K. 71 unter OberleutnantTegethoff genannt.76 KTB Skl., Band 64/II, Berlin, Bonn, Hamburg 1996, S. 444.77 TNA, DEFE-3/680, S. 878 f. (20.12.1944).78 KTB Skl., Band 64/II, S. 550 (22.12.1944).79 Ebd., S. 550 (22.12.1944).

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Das Sonderkommando „Glatze“Hatte man bei der Heeresgruppe Süd zu Anfang des Monats Dezember noch keinerlei Verwendungfür K.-Kräfte der Marine gesehen, so änderte sich dies zur Monatsmitte. Da es an geeignetenVerbänden bei der Sicherung des Plattensees mangelte wünschte man hier eine Unterstützung derMarine zur Sicherung des flachen Steppensees.80 Damit begann eine neue Phase der Kooperationzwischen Heer und Marine, wobei der Plattensee im Mittelpunkt stand. Die Aktivitäten der Marinewurden von dem im Donauraum führenden Inspekteur Minenräumdienst Donau geleitet, wobei eineZuführung von geeigneten Schiffen und Booten sowie von Artillerie- und Sperrmaterial geplantwar. Das meiste blieb im Planungsstadium stecken und nur wenig konnte realisiert werden.81 ImRahmen dieser Aktivitäten kam es, dank des Eingreifens des Oberbefehlshabers der Marine, auchzur Aufstellung eines Sonderkommandos für diesen Zweck. Der K.-Stab Süd hatte noch am 4.Dezember, mit Blick auf die hier eingesetzten Teile des M.E.K. 71, festgestellt, dass die Sicherungund Verteidigung des Plattensees keine Aufgabe für die K.-Verbände sein könne, änderte sich diesvon einem Tag auf den anderen.82

Diese Sinnesänderung war auf Großadmiral Dönitz zurückzuführen, der am 10. Dezember 1944 imFührerhauptquartier an einer militärischen Lagebesprechung teilnahm. Als der Chef desGeneralstabs des Heeres bei der täglichen Mittagslage bei Hitler auf die eminente Bedeutung derSicherung des Plattensees hinwies und eine Unterstützung der Marine einforderte, versicherteDönitz das die Marine für diese Aufgabe bereits 24 „Linsen“ bereitgestellt hätte.83 Diese voreiligeund überdies unrichtige Meldung welche wohl dem alleinigen Zweck diente Hitler zu gefallen,führte dazu, dass die Seekriegsleitung noch am selben Tag die Aufstellung eines neuen K.-Verbandes mit 24 „Linsen“ veranlasste und dem K.d.K. mitteilte, dass der Oberbefehlshaber eineweitgehende Unterstützung der Heeresoperationen auf dem Plattensee wünsche.84 Entsprechend derZusage von Dönitz kam es am 10. Dezember zur Bildung eines Sonderkommandos für denPlattensee unter der Tarnbezeichnung „Glatze“. Am 11. Dezember wurde in der Seekriegsleitungunter Vorsitz von Großadmiral Dönitz die Angelegenheit Plattensee besprochen und der 22.Dezember 1944 als spätestes Datum für das Eintreffen der 24 „Linsen“ im Einsatzraum festgelegt.85

Ein weiterer Besprechungspunkt am 10. Dezember war der Einsatz von K.-Mitteln gegen diesowjetischen Brücken südlich von Budapest, wofür Dönitz ebenfalls entsprechende Zusagen machteund Hitler versicherte, dass Marineeinsatzkommandos für diesen Zweck bei der Heeresgruppe Südbereitständen. Dönitz führte weiter aus, es sei Aufgabe der örtlichen Stellen den Einsatz imeinzelnem festzulegen und durchzuführen.86 Bei der am nächsten Tag abgehaltenenLagebesprechung der Seekriegsleitung, kam die Meldung des Einsatzstabes Haun zur Sprache, dassdie Heeresgruppe Süd keine Aufträge für die K.-Verbände im Gebiet südlich von Budapest hätte.Worauf Dönitz veranlasste, dass der M.V.O. beim Generalstab des Heeres sofort GeneraloberstGuderian über den Standpunkt der Heeresgruppe informiere, da sich dieser am Vortag in dieserAngelegenheit gegenteilig geäußert hatte.87 Es ist nicht bekannt, wie man in derOperationsabteilung des Generalstabs des Heeres auf diese Intervention reagierte.

80 BArch-MArch, RM 61/IX-2. KTB IMRDD 10.12.1944. Die 1. Skl. beauftragte den IMRDD an diesem Tag mit derUnterstützung der Heeresoperationen am Plattensee.81 Vergleiche dazu das KTB IMRDD, 1.—15.12.1944 und Januar und Februar 1945. Die Teile vom 16.—31.12.1944und für März und April 1945 sind im BArch-MArch nicht überliefert.82 TNA, DEFE 3/680, S. 443 f. (4.12.1944).83 Wagner, Lagevorträge, S. 622.84 KTB Skl., Band 64/II, S. 236 und KTB IMRDD, 10.12.1944.85 KTB Skl., Band 64/I, S. 236 u. 252 f.86 Wagner, Lagevorträge, S. 622.87 KTB Skl., Band 64/I, S. 256 und Wagner, Lagevorträge S. 622 (Skl. B. Nr. 1. Skl. Ib 3707/44 gK. Chefs., vom15.12.1944, Betr.: Niederschrift über die Teilnahme des Ob.d.M. an der Führerlage am 10.12.44, 15.00 Uhr).

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Fakt ist, dass der Druck des Oberbefehlshabers der Marine auf die Seekriegsleitung in dieser Sacheerheblich gewesen sein musste, da man sich nicht mit der Verlegung des „Linsen“-Verbandes zumPlattensee begnügte, sondern auch mit den ersten verfügbaren Sprengbooten ein Unternehmengegen eine südlich von Budapest gelegene russische Kriegsbrücke plante. Die Mitwirkung desHeeres dürfte sich dabei auf die Vorgabe des Zieles beschränkt haben. Konkret ging um zweisüdlich von Budapest errichtete Pontonbrücken bei Ercsi (Donau-Kilometer 1613,50), über welchepausenlos der Nachschub für die in den westungarischen Raum vorstoßenden Verbände der RotenArmee rollte. In der Vergangenheit hatte man die beiden Übergange mit 21 cm-Mörsern und 17 cm-Kanonen, zum Teil auch mit Hilfe von Artilleriebeobachtern in Flugzeugen, bekämpft. Dabei wurdeam 11. Dezember eine der beiden Brücken, wie die Luftbilder zeigten, im südlichen Bereich schwerbeschädigt.88 Durch die inzwischen eingetretenen Erfolge des Gegners lag die Brücke nun außerReichweite der Fernartillerie. Zusätzlich hatten die sowjetischen Jagdflieger einen kaum zudurchdringenden Abwehrschirm über dem Übergangsbereich gebildet, welche ein Bombardementder Brücken unmöglich machte. Zusätzlich hatte man die Übergangsstellen mit einer Netzsperregegen den Einsatz von Treibminen und Kampfschwimmer gesichert.

Während die Heeresgruppe Süd in den letzten Dezembertagen der sich anbahnenden Einschließungvon Budapest, wegen der Überlegenheit des Gegners und dem Mangel an eigenen Verbänden,tatenlos zusehen musste, wurde in Schleswig Holstein der für den Plattensee vorgesehene K.-Verband auf seine Aufgabe vorbereitet.89 Um den von Dönitz vorgegebenen Termin, den 22.Dezember 1944, einzuhalten, wurde in Plön die Aufstellung des „Linsen“-Verbandes rücksichtslosund mit allen Mitteln vorangetrieben. So konnte Kapitänleutnant Benthin bereits am 15. Dezember1944 seine Abmarschbereitschaft in der Kaserne in Plön melden.90 Trotzdem dauerte es bis zum 26.Dezember, bis das Sonderkommando im Einsatzraum in Balatonalmádi eingetroffen war. Hierwurde es dem „Kampfkommandanten Plattensee“ unterstellt.91 Die vorgesehenen 24 Spreng- undFernlenkboote waren zu diesem Zeitpunkt bereits im Bahntransport in Raab (Györ) eingetroffen.Von dort musste sie die von Oberleutnant Schleyer geführte Sprengbootgruppe abholen und imStraßenmarsch zum Plattensee bringen.92

Am 12. Dezember 1944 wurde der Seekriegsleitung bekannt, dass die Heeresgruppe Süd denEinsatz von „Glatze“ zwar begrüße, sich jedoch vom Einsatz der Sprengboote keine entscheidendeWirkung erwarte.93 Nach Ansicht des Heeres konnte damit bestenfalls eine Störung der feindlichenAbsichten erreicht werden, da es auf dem flachen Steppensee keinerlei lohnenden Ziele fürSprengboote gäbe. Des Weiteren wurde angemerkt, dass die „Linsen“ wegen ihrer geringen Größeals Waffenträger kaum geeignet wären, was ihren Nutzen erheblich reduzieren würde.94 UnterHinweis auf diese ernüchternde Stellungnahme des Heeres erbat Vizeadmiral Heye von der

88 NARA MF T-311 R-160. Fernschreiben vom 12.12.1944 an die Operationsabteilung im Generalstab des Heeres,HGr. Süd Ia Nr. 4798/44 g.Kdos.89 Die offizielle Bezeichnung lautete nach der Feldpostübersicht: Marine K.-Verband Sonderkommando Glatze.90 Die Angaben nach Helmut Blocksdorf, Das Kommando der Kleinkampfverbände der Kriegsmarine, künftig zitiert als„Blocksdorf, KdK“, S. 190.91 NARA MF T-311 R-160. KTB HGr. Süd, 26.12.1944.92 TNA, DEFE 3/680, S. 746 (18.12.1944) u. S. 878 f. (20.12.1944) sowie 1049 f (29.12.1944). Vgl. dazu auchBlocksdorf, KdK, S. 189. Kommandoführer war Kapitänleutnant Friedrich Benthin, Gruppenführer war OberleutnantKonrad Schleyer und der Führer des Fernlenkzuges Leutnant Gerhard Weidlich. TNA, DEFE 3/680, S. 1048 u. 1049 f.nennt auch eine Gruppe Schimkus.93 Blocksdorf, KdK, S. 189, hier findet man die entsprechenden Angaben zu dem Einmann-Sprengboot „Linse“, weitereAngaben zu den technischen Daten und zur Einsatzform auf S. 142 ff. Die Seekriegsleitung gab in einem hausinternenSchriftstück für die „Linse“ folgende Parameter an: Gewicht 1,2 Tonnen; Gesamtfahrbereich bei 15 km 80 sm = 5 Std.;Höchstgeschwindigkeit 31 kn = 2 Std.; Marschgeschwindigkeit 15 kn = 4,5 Std., Bewaffnung Sprengladung im Heckder Ladungsboote = 300 kg (später wurde das Gewicht der Sprengladung erhöht); je zwei Landungsboote werden voneinem Leit-Boot gleichen Typs durch Fernsteuerung an das Ziel herangeführt (NARA MF T-1022 roll 1708 PG-32121S. 783—785).94 KTB Skl., Teil A, Band 64/I, S. 282.

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Seekriegsleitung eine neuerliche Entscheidung, wobei er suggestiv die Frage stellte, ob diewertvollen Sprengboote nicht doch einer anderen Verwendung zugeführt werden sollten und ob„Glatze“ unter diesen Umständen überhaupt weitergeführt werden sollte. Letztlich war es Dönitzder diese Angelegenheit mit der Bemerkung, dass jedes Maschinengewehr von großem Wert seinkann, persönlich entschied. Damit war die Sache erledigt und Dönitz hatte gegenüber Hitler seinGesicht gewahrt.95

Bei der bereits zitierten Lagebesprechung am 11. Dezember 1944 war auch die Meldung vonVizeadmiral Heye zur Sprache gekommen, dass infolge des raschen Vormarsches des Gegnerssüdlich von Budapest keine Einsatzmöglichkeit für K.-Mittel mehr gegeben sei, was von Dönitzkommentarlos zur Kenntnis genommen wurde.96 Unter diesen Umständen ist die Umsetzung dervon Dönitz getätigten Zusage, bezüglich der Bekämpfung der gegnerischen Donauübergänge imRaum Budapest durch K.-Kräfte von besonderem Interesse. Dazu finden sich im Kriegstagebuchder Seekriegsleitung lediglich zwei dürre Einträge, die mehr verschleiern als erhellen. Am 22.Dezember wurden im kleinen Kreis, nach der Lagebesprechung beim Chef der Seekriegsleitung,noch einige Punkte besprochen. Darunter befand sich auch ein Punkt des Sonderreferats Skl./S., inder die Absicht gemeldet wurde, einen Teil der K.-Mittel vom Plattensee abzuziehen und gegenNetzsperren auf der Donau einzusetzen. Wobei die Kriegsbrücken bei Ercsi im Kriegstagebuch derSeekriegsleitung mit keinem Wort erwähnt wurden.97 Etwas abgesetzt davon findet sich imKriegstagebuch dann folgender kryptische Satz: „Für die Sprengung von Brücken in Budapest sindK.-Mittel bereitgestellt“.98

Mit dieser Formulierung, die einerseits die Brückenbekämpfung (Stichwort „Netzsperre“) undandererseits die Vorsorge für den Fall einer missglückten Brückensprengung durch die Pioniere desHeeres (K.-Mittel bereitgestellt) umfasste, wollte man eine Desavouierung von Vizeadmiral Heyevermeiden. Hatte dieser doch bereits vor zehn Tagen erklärt, dass infolge des raschen Vormarschesder Roten Armee südlich von Budapest keine Einsatzmöglichkeiten für K.-Mittel bestünden. DieseAussage, welche Dönitz damals ohne Widerspruch zur Kenntnis nahm, wurde im Kriegstagebucham 11. Dezember 1944 festgehalten.99 Das diese Operation in Budapest überhaupt nachvollzogenwerden konnte, ist dem Kriegstagebuch der Heeresgruppe Süd zu verdanken, wo sich diefernschriftlich übermittelte Einsatzplanung überliefert hat.100 Demnach wurde KorvettenkapitänHaun von in Italien nach Wien zum Wehrkreiskommando XVII beordert um von hier aus den K.-Einsatz vorzubereiten und zu leiten.101 Vermutlich war es der 21. Dezember 1944, an jenem Tag andem sich Hitler entschlossen hatte den bisherigen Oberbefehlshaber Generaloberst Friesner durchden General der Infanterie Wöhler zu ersetzen, als Korvettenkapitän Haun am Gefechtsstand derHeeresgruppe in Dobogokö eintraf.102

Am Gefechtsstand trug Haun, unterstützt vom M.V.O. der Heeresgruppe, dem Chef desGeneralstabs, Generalmajor von Grolman, seinen Plan vor. Es ging um die zirka 30 km vomStadtrand Budapests entfernte und unweit der Ortschaft Ercsi bei Stromkilometer 1633 gelege

95 KTB Skl., Band 64/I, S. 282. Vgl. dazu auch Blocksdorf, KdK, S. 190.96 KTB Skl., Band 64/I, S. 282.97 KTB Skl., Band 64/II, S. 550.98 Ebd.99 KTB Skl., Band 64/I, S. 282.100 NARA MF T-311 R-160. FS HGr. Süd Nr. 204/44 g.Kdos. Chefsache, abgesetzt in Wien am 21.12.1944 um 20:30Uhr, eingegangen in Dobogokö am 22.12.1944 um 02:40 Uhr.101 Hier wurde er von Kapitän zur See Höring, der M.V.O. bei den Wehrkreisen XVII (Wien) und XVIII (Salzburg), derzugleich auch Donaureferent des OKM war, unterstützt.102 Generaloberst Friessner und sein 1 Generalstabsoffizier waren an diesem Tag in Zossen, beim Oberkommando desHeeres, zu einer Besprechung mit Generaloberst Guderian und kehrten erst am späten Abend zum Gefechtsstand inDobogokö zurück.

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Netzsperre und die beiden dahinter liegenden Pontonbrücken. Nach Abklärung der offenen Fragenwurde einvernehmlich die Nacht vom 26. zum 27. Dezember für die Durchführung desUnternehmens „Gazelle“ bestimmt. Haun fuhr noch am selben Tag nach Wien zurück, wo er nocham Abend des 21. Dezember vom der Fernschreibstelle des Wehrkreiskommandos aus dieEinsatzplanung an die Heeresgruppe Süd und dem K.d.K. übermittelte.

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Die Einzelheiten der Durchführung können dem hier in Faksimile wiedergegebenen Dokumententnommen werden. Entgegen allen geltenden Grundsätzen handelte sich um einen auf dem grünenTisch erstellten Plan, der ohne vorhergehender gründlicher Erkundung erstellt wurde. Dessen größteSchwäche war, wie sich bald herausstellen sollte, dass er in keiner Weise die sich rasantverschlechternde militärische Lage im Großraum Budapest berücksichtigte, was letztlich auch dazuführte, dass das Unternehmen für den damit beauftragten Kapitänleutnant Benthin in dieser Formundurchführbar wurde. Weder das Kriegstagebuch der Seekriegsleitung, noch jenes derHeeresgruppe Süd erwähnt den weiteren Verlauf des Unternehmens „Gazelle“. Immerhin dürfte esKapitänleutnant Benthin noch rechtzeitig gelungen sein die erforderlichen neun Linsen nachBudapest zu bringen um wie vorgesehen in der Nacht vom 26. auf den 27 zu dem Unternehmenantreten zu können.

Aufgrund der drohenden Einschließung wurde der Angriffstermin um einen Tag vorgezogen, wieein am 25. Dezember um 21:20 Uhr abgesetzter Funkspruch an die Armeegruppe Balck vermutenlässt, in dem die Heeresgruppe darauf hinwies, dass die gegen Brücke bei Ercsi eingesetztenMarinekampfmittel unter keinen Umständen in Feindeshand fallen dürften.103 Am 26. Dezemberum 03:30 Uhr folgte ein Fernschreiben, welches diesmal nachrichtlich auch an den M.V.O. ging,worin es hieß: „1.) K.-Stab Süd der Kriegsmarine führt vermutlich Nacht 25./26.12. Unternehmenmit Marine-Kampfmittel zur Sprengung der Netzsperre und Kriegsbrücke bei Ercsi durch.Deckname des Unternehmens „Gazelle“. Führer Kapitänlt. Benthin. 2.) Kapitänlt. Benthin istangewiesen, wegen Vorbereitung und Durchführung unmittelbar mit IX. SS-Geb. Korps Verbindungaufzunehmen und Armeegruppe zu unterrichten. Zusammenarbeit mit Luftwaffe regeltArmeegruppe“.104

Näheres über das Geschehen in der belagerten Stadt unmittelbar vor der Schließung des Kessels, istin Bezug auf das Unternehmen „Gatelle“ nicht überliefert. Am wahrscheinlichsten ist, dass unterdem Druck der Ereignisse, der Ring um Budapest wurde am 26. Dezember geschlossen, dasUnternehmen sich als undurchführbar herausstellte und abgebrochen wurde. Immerhin gelang esKapitänleutnant Benthin und seinen Männern Budapest noch in letzter Minute zu verlassen. Überden Verbleib der „Linsen“ machte man sich beim K.-Stab Süd keine Illusionen, wie einFernschreiben vom 23. Dezember 1944 zeigt, indem es heißt: „Bei Gazelle verbrauchte Boote(Linsen) werden für Glatze (Plattensee) aus der Heimat nachgeschoben, damit Bestand dort mit 24Stück bestehen bleibt“.105 Damit endete auch die Budapest-Episode des Sonderkommandos„Glatze“.

Am 26. Dezember 1944 vermerkte das Kriegstagebuch der Heeresgruppe Süd, dass das Marine-Sonderkommando am Plattensee, in Balatonalmádi, eingetroffen ist und dem„Kampfkommandanten Plattensee“ unterstellt wurde. Mit selben Datum findet sich imKriegstagebuch der Seekriegsleitung die Eintragung, dass infolge des Zufrierens des Plattensees einEinsatz der „Linsen“ hier nicht mehr möglich wäre. Daher wolle man die vorhandenen „Linsen“ zuBrückensprengungen auf der Donau einsetzen.106 Drei Tage später berichtete „Glatze“ an dasK.d.K. genaueres über die Eisbildung am See, welche einen Einsatz für die nächste Zeit unmöglicherscheinen lasse. Daher dachte man an Einsätze auf der Donau im Bereich von Raab (Györ), wobeiman argumentierte, dass man bei entsprechendem Bedarf ja innerhalb kürzester Zeit zum Seezurückverlegen könne.107 Doch es kam anders, denn am 31. Dezember traf der fernschriftliche

103 NARA MF T-311 R-160, HGr. Süd, Funkspruch Ia Nr.4962/44 g.Kdos. Die Heeresgruppe hatte bereits am 23.Dezember von dem 15 km so. von Gran gelegenen Dobogokö nach Martinsberg (Pannonhalma) verlegt, von dort ausging es nach Esterhaza (heute Fertöd) weiter, wo im Schloss der Fürsten Esterhazy, Quartier genommen wurde.104 Ebd. HGr. Süd Ia Nr. 4980/44 g.Kdos. vom 25.12.1944, abgesetzt erst am 26.12.1944 um 03:30 Uhr.105 Ebd. HGr. Süd Ia Nr. 206/44 g.Kdos. Chefsache.106 KTB Skl., Band 64/II, S. 620107 TNA, DEFE-3/680 S. 1049 f. (29.12.1944).

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Befehl ein sofort nach Wien zu verlegen und auf weitere Befehle zu warten.108 Damit war dasUnternehmen „Glatze“ im eigentlichen Sinn gescheitert, obwohl eigens dafür aufgestellt, solltedieser K.-Verband niemals auf dem seichten ungarischen Steppensee zum Einsatz kommen.

Die Lagekarte der Operationsabteilung im Generalstab des Heeres vom 1. Januar 1945 (NARA RG-242 via WW IIAerial Photos and Maps) zeigt die katastrophale Situation: Budapest ist eingekesselt, Gran (Estergom) ist gefallen undKomorn (Komarom) ist unmittelbar bedroht.

Der rasche Abzug der „Linsen“ vom Plattensee ist wohl auch im Zusammenhang mit derEntwicklung der militärischen Situation zu sehen. In den letzten Dezembertagen war die 2. und 3.Ukrainische Front zu einer sorgfältig abgestimmten Operation mit dem Ziel der EinschließungBudapests angetreten, die in der Folge die gesamte Front der Heeresgruppe zum Einsturz zu bringendrohte. Nach der Einkesselung von Budapest sollte der Angriff mit einem kraftvollen Vorstoß inRichtung auf Neutra fortgesetzt werden. Doch dieses Unternehmen scheiterte, da es der 7.Gardearmee, welche gemeinsam mit Teilen der 6. Garde-Panzerarmee, nicht gelang über Leva(Levice) hinauszukommen. Damit endete die russische Angriffsoperation nördlich der Donau, nacheinem acht Tage lang währenden Panzerkampf, vorerst am Fluss Gran (Hron).109

Vor dem Hintergrund dieser kriegerischen Ereignisse, deren Schwerpunkt eindeutig im Donauraumlag, kam es bei den K.-Verbänden der Marine zu einer Neuausrichtung, die auch dasSonderkommando „Glatze“ betraf, welches in den letzten Tagen des Jahres 1944, ohne die inBudapest eingesetzten Teile, am Westufers des Plattensees versammelt war. Da sich VizeadmiralHeye über die Nutzlosigkeit der „Linsen“ am Plattensee im Klaren war, entschloss er sich zur Tat.Lediglich ein Vorkommando sollte in Kövágóörs, einer Ortschaft am Nordufer des Plattensees,

108 Ebd. S. 1061 (31.12.1944).109 Eingehend Dargestellt bei: Norbert Számvéber, Festung an der Donau (Materialien aus dem Bundesarchiv Heft 14),Budapest u. Freiburg im Breisgau 2003, s. 18 f. u. 28.

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zurückbleiben, während das Schlüsselpersonal nach Gänserndorf, einer Kreisstadt nordöstlich vonWien, beordert wurde, wohin auch das kurz vor Jahresende formierte Sonderkommando „Goliath“,unter der Leitung von Oberleutnant Tegethoff, verlegen sollte.110 Die am Plattensee vorhandeneAusrüstung wurde auf die Eisenbahn verladen und auf zwei Transporte aufgeteilt. Der eine Zug, mitdem für die zukünftigen Aufgaben benötigten Gerät, hatte Györ zum Ziel, von wo aus derTransport, sobald der Entladebahnhof bekannt war, in den Raum Wien weitergeleitet werdensollte.111

Das überzählige Personal und die entbehrliche Ausrüstung wurden in einem zweiten Transportzusammengefasst, der ebenfalls auf der Schiene, jedoch unter Umgehung des äußerst belastetenSchienennetzes im Wiener Raum, über Slowenien in das Reichsgebiet geführt werden sollte. DerZielbahnhof für diesen Transport war Plön in Schleswig-Holstein. Dieser Transport nahm seinenWeg über das Südende des Plattensees nach Nagykanisza. Von hier ging es über Pragerhof(Pragersko) nach Marburg an der Drau (Maribor) und weiter nach Spielfeld-Strass, wo man das alteReichsgebiet erreichte.112 Kurz vor Pragerhof wurde der Transport am 3. Januar 1945, unweit derOrtschaft Stauden (Cirkovce), von alliierten Flugzeugen angegriffen. Dabei beanspruchte dieBedienung des im Transport mitgeführten 2 cm Flakvierlings den Abschuss einer der anfliegendenMaschinen, welche in Brand geriet und eine Tragfläche verlor. Da der Zug weiterfuhr war es derGeschützbedienung jedoch nicht möglich die Absturzstelle zu lokalisieren.113

Zu Anfang des Jahres 1945 waren alle im Bereich der Heeresgruppe Süd eingesetzt gewesenenKleinkämpfer, sowohl jene vom Sonderkommando „Glatze“ als auch die vom M.E.K. 71, nun unterder Tarnbezeichnung „Goliath“, im Wiener Raum versammelt. Die Zusammenführung undNeuordnung der K.-Verbände hing eng mit der Auffassung der Heeresgruppe Süd über den Einsatzder K.-Verbände in ihren Befehlsbereich zusammen. Als Korvettenkapitän Haun Ende 1944,bezüglich des K.-Einsatzes gegen den russischen Flussübergang bei Ercsi, im Generalstab derHeeresgruppe vorstellig wurde, sah er sich mit den eher konservativen Vorstellungen undForderungen der Heeresgruppe konfrontiert. Das Heer hielt wenig von handstreichartigen Einsätzenim Hinterland des Gegners, man wünschte vor allem eine Unterstützung der Marine bei derAbsicherung gegen die Eventualitäten im Rahmen des unmittelbaren Kampfgeschehens. Bei denHeeresstäben galt als Schreckensszenario eine misslungene Brückensprengung die dem Gegnerentscheidende operative Vorteile bot.

Man dachte an eine ähnliche Situation, wie jene im Bereich der Heeresgruppe F in Belgrad, imZusammenhang mit der missglückten Sprengung der Straßenbrücke über die Save. Dieses Ereignishatte im November 1944 auch zum ersten Einsatz von K.-Kräften der Marine im Südostraumgeführt. Konkret wurde die Bereitstellung von K.-Kräften für die Unterbrechung der bestehendenfesten Donauübergänge, im Raum Budapest sowie in Esztergom, Komorn und Preßburg, im Falleeines Versagens der normalen Sprengvorbereitungen gefordert.114 Auf dieses Verlangen reagierteder Einsatzstab Haun, dass man die vor Ort bereits vorhandenen Teile des M.E.K. 71, unter demKommando von Oberleutnant Tegethoff, für diese Aufgabe bestimmte. Die motorisierteEinsatzgruppe in der Stärke von einem Offizier und 21 Mann wurde in der Folge KorvettenkapitänBenthin unterstellt und erhielt den Decknamen „Goliath“ zugewiesen. Für diese Aufgabe wurdenGoliath auch Motorboote und eine entsprechende Ausstattung an Sprengmittel zugeteilt. Tegethoff

110 TNA, DEFE-3/680, S. 1061 (31.12.1944).111 Kobelt, MEK, S.135 f. (BArch-MArch RM 7/657, S. 262, Lage K.-Mittel vom 29.12.1944).112 Kobelt, MEK, S.136.113 Ebd. (BArch-MArch RM 7/658, S. 133, Lage K.-Mittel vom 8. Januar 1945). Dieser Absturz konnte weder in dendeutschen noch in alliierten Unterlagen verifiziert werden. Da am Balkan aber mehrere alliierte Fliegende Verbändeunabhängig voneinander im Einsatz waren und die deutsche Seite im Partisanengebiet nur beschränkten Zugang hatte,könnte dieser Abschuss durchaus erfolgt sein.114 NARA MF T-311 R-160, FS HGr. Süd Nr. 206/44 g.Kdos. Chefsache, vom 24.12.1944 14:00 Uhr.

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wurde in den letzten Tagen des Dezembers nach Wien beordert um hier die aus Lübeckangelieferten Sprengmittel in Empfang zu nehmen. Neben 20 Torpedominen „S“ (TOS), zu je 500kg, handelte es sich auch um kleinere Sprengladungen, welche zur Bekämpfung von Pontonbrückenvorgesehen waren. Daneben wurden auch besondere Sprengmittel, welche zur Beseitigung vonTorpedoschutznetzen vorgesehen waren, angeliefert.

Trotz der am 23. Dezember 1944 ausgesprochenen Unterstellung unter Korvettenkapitän Benthinbehielt „Goliath“ seine motorisierte Funkstelle und war auch unabhängig von „Gazelle“ und„Glatze“. Der erste Auftrag lautete sofort mit der Untersuchung aller in Frage kommendenDonaubrücken zu beginnen, aber auch die Bekämpfung etwaiger Pontonbrücken, die der Gegner imgroßen Donauknie nördlich von Budapest schlagen könnte vorzubereiten.115 Während auf dieSprengmittel gewartet wurde, konnten die Männer des Sonderkommandos die letzten Dezembertagein ihren festen Quartieren in Balatonfüred verbringen. Am 4. Januar 1945 kam dann der Befehl zurVerlegung nach Wien, wo man in einem ehemaligen Ferienlager im 17. Bezirk, in der sogenannten„Rohrerhütte“ in Neuwaldegg, provisorisch unterkam.116 Doch schon am nächsten Tag meldeteTegethoff, dass er am 8. Januar 1945 von Wien nach Gänserndorf weiterverlege und ab diesemZeitpunkt über den M.V.O. bei den Wehrkreiskommanden XVII und XVIII in Wien erreichbarsei.117

Nachdem es nicht zu dem befürchtete russischen Vorstoßes nach Preßburg und zur Öffnung derHainburger-Pforte kam und damit die unmittelbare Bedrohung von Wien wegfiel, übermittelte dasK.d.K. am 8. Januar 1945 ein Fernschreiben mit neuen Direktiven an Kapitänleutnant Benthin.Darin wurde mitgeteilt, dass der Chef des Generalstabs des Heeres den Schwerpunkt der südlichenOstfront nach wie vor im Raum Budapest sehe und dies auch für die Marine zu gelten habe.118

Bereits am nächsten Tag erging der Befehl an Benthin sich unverzüglich beim M.V.O. derHeeresgruppe Süd zu melden.119 In diesem Zusammenhang erfolgte gemeinsam mit dem M.V.O.eine Erkundung des Geländes im Bereich von Raab (Györ), wobei man besonders die Donaustreckevon Gönyü bis Komorn (Komaróm/Komárno) in Augenschein nahm. Bei einer nachfolgendenBesprechung an der auch deutsche und ungarische Pionieroffiziere teilnahmen, einigte man sich,einen Vorrat an Minenpaketen für die bei Vorstößen des Gegners besonders gefährdeten Brückenbei Komorn bereitzustellen.

Eine Vorgangsweise welche vom Pionierführer der 6. Armee vehement abgelehnt wurde und dahernicht zur Ausführung kam. Die Armee bestand darauf, dass so wie bisher die Sprengmittel und daserforderliche Spezialpersonal in Wien auf Abruf bereitzuhalten wären.120 Letztlich kehrteKapitänleutnant Benthin ohne einen konkreten Auftrag bekommen zu haben von der gemeinsamenErkundungsmission mit dem M.V.O. nach Gänserndorf zurück, wo die beiden Sonderkommandos„Glatze“ und „Goliath“ warteten.

115 Ebd. und TNA, DEFE-3/682, S. 664 (8.2.1945), dies ist der einzige an das Sonderkommando „Goliath“ gerichteteund von den alliierten aufgefangene Funkspruch (das K.d.K. übermittelte neue Funkfrequenzen) im Bestand. Derdienstliche Verkehr von „Goliath“, bis zum Aufgehen in „Winnetou“, wurde über das ortsfeste Fernschreibnetz derWehrmacht abgewickelt, daher auch das fast völlige Fehlen von „Goliath“ im Bestand DEFE-3.116 TNA, DEFE-3/680, S. 1133 (4.1.1945).117 TNA, DEFE-3/681, S. 86 (5.1.1945). Der M.V.O., Kapitän zur See Höring, hatte seine Diensträume im Gebäude desWehrkreiskommando XVII in Wien.118 TNA, DEFE-3/681, S. 324 (8.1.1945).119 Ebd., S. 215 (9.1.1945).120 Kobelt, MEK, S.136. (BArch-MArch RM 7/658, S. 234, Lage K.-Mittel vom 14.1.1945.)

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Der gescheiterte Entsatz von BudapestDie kampfkräftigsten Teile von Marschall Malinovskys 2. Ukrainischer Front sollten vomDonauknie aus die deutsche Verteidigung in nördlicher und nordwestlicher Richtung durchbrechenum auf Neutra (Nitra) vorzustoßen. Nach Erreichen dieses Zwischenzieles sollte die Gruppierungzusammen mit den übrigen Verbänden der Front weiter auf Preßburg (Bratislava) vorrücken. DieseOperation welche zu einer raschen Überwindung der Hainburger Pforte und zu einer akutenGefährdung von Wien hätte führen können, kam zu einem für den deutschen Generalstab besondersungünstigen Moment. Generaloberst Guderian sah sich einer Zwangslage gegenüber.Verantwortlich für die gesamte Ostfront, musste er spätestens Mitte Januar 1945 mit dem Beginnder russischen Hauptoffensive an der Weichsel rechnen, wo den deutschen Verbänden eine bis zufünfzehnfache Übermacht des Gegners gegenüber stand.121 Unter dieser Prämisse war aus seinerSicht Ungarn ein Nebenkriegsschauplatz, wo sich allerdings eine äußerst gefährliche Kriseabzeichnete. Die katastrophale Entwicklung im Donautal ließ den Druck auf den Generalstabschefimmer stärker werden und verlangte nach einer Zuführung von neuen Verbänden.

Der russische Durchbruch zum Gran-Fluss (Hron), vom 20. Dezember 1944 bis zum 1. Januar 1945.

Am 26. Dezember 1944 konnte die Rote Armee wie vorgesehen die Einschließung Budapests durchdie Verbände der 2. Ukrainischen Front erfolgreich abschließen. Doch die geplante Fortsetzung,welche einen Vorstoß in Richtung auf Neutra vorsah, scheiterte jedoch, denn die 7. Gardearmee,welche gemeinsam mit Teilen der 6. Garde-Panzerarmee, vorstoßen sollte, kam im Raum Leva(Levice) zum Stillstand. So endete die russische Angriffsoperation am Fluss Gran (Hron).122

121 Heinz Guderian, Erinnerungen eines Soldaten, Neckargemünd 1960, S. 346.122 Eingehend Dargestellt bei: Norbert Számvéber, Festung an der Donau (Materialien aus dem Bundesarchiv Heft 14),Budapest u. Freiburg im Breisgau 2003, s. 18 f. u. 28.

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Das Jahr 1945 begann am 1. Januar mit einem Angriff des IV. SS-Pz.Korps durch das Vertes-Gebirge, dem Unternehmen „Konrad“. Das Ziel war der Entsatz von Budapest. Um dieseZielsetzung zu verhindern trat die Rote Armee, am 6. Januar 1945, mit den am Ostufer des Gran-Flusses versammelten schnellen Verbänden der 6. Garde-Panzerarmee, zu einem großangelegten,über den Zweck einer bloßen Entlastung hinaus reichenden, Angriffsunternehmen an. Aus seinemGran-Brückenkopf bei Parkany heraus richteten sich die Stoßkeile der Angreifer gegen Komorn undNeuhäusel (Nové Zámky). Die russischen Verbände konnten gegen die abgekämpften deutschenund ungarischen Kräfte einen raschen Durchbruch erzwingen und standen schon am nächsten Tagvor den Brückenköpfen Komorn und Neuhäusel. Im Zsitva-Abschnitt, der die beiden Brückenköpfeverband, kam der Angriff infolge der zähen Verteidigung durch Alarmeinheiten, Ersatzformationenund den Resten der hier liegenden Stellungs-Divisionen zum Erliegen.

Ab dem 10. Januar erfolgte ein deutscher Gegenangriff mit der 20. Pz.-Division, deren Verwendungursprünglich an der Gebirgsfront der 8. Armee vorgesehen war. Von Udvard aus trat diePanzerdivision in südlicher Richtung an, um später nach Südosten einzuschwenken. In erbittertenPanzerkämpfen warf die Division die überlegenen schnellen Kräfte des Gegners vom Zsitva-Abschnitt zurück. Dadurch war fürs Erste die unmittelbare Bedrohung des Industriegebiets vonKomorn, mit den für die Treibstofferzeugung wichtigen Erdölraffinerien, gebannt. Der deutscheAngriff, sollte, mit der Zuführung weiterer Kräfte aus dem Raum südlich der Donau, den russischenBrückenkopf über den Gran gänzlich beseitigen. Das Unternehmen musste jedoch am 20. Januarabgebrochen werden, da die 20. Pz.-Division auf Anordnung des Oberkommandos des Heeres inden ostdeutschen Raum verlegt wurde. Auch die südlich der Donau eingesetzten Kräfte standen füreine weitere Operation nicht mehr zur Verfügung, da sie zum Entsatz von Budapest gebrauchtwurden, der diesmal mit einem Angriffsunternehmen durch die Enge bei Székesfehérvár erzwungenwerden sollte. Nach erneuten russischen Panzerangriffen die nur geringe Geländegewinne brachten,aber der 6. Garde-Panzerarmee den Rest ihrer Panzer kosteten, erstarrte die Brückenkopf-Front amGran-Fluss.

Der Schwerpunkt lag im Monat Januar 1945 eindeutig beim Versuch die eingekesselte ungarischeHauptstadt freizukämpfen. So startete am 7. Januar 1945 ein weiteres Unternehmen, mit dem Zieldas ins Stocken geratene Unternehmen „Konrad“ zu entlasten. Dafür sollte das I. Kavalleriekorpsgemeinsam mit III. Panzerkorps und dem IV. SS-Panzerkorps gegen die sowjetische 46. Armee unddie 4. Garde-Armee vorgehen. Den deutschen gepanzerten- und mechanisierten Verbänden gelanges zwar den sowjetischen Verbänden im Raum Székesfehérvár erhebliche Verluste zuzufügen, dochder erhoffte Durchbruch blieb aus. So wurde „Konrad 2“, wie das Unternehmen nun genannt wurde,am 12. Januar 1945 eingestellt ohne das Ziel erreicht zu haben.123 Zwischen dem 18. und dem 26.Januar 1945 versuchte die Heeresgruppe Süd nochmals die sowjetischen Kräfte zwischen Donauund Vertes-Gebirge aufzuspalten um mit dem Unternehmen „Konrad 3“ den Einschließungsring umBudapest aufzubrechen. Doch wieder erwiesen sich die für diese Aufgabe eingesetzten gepanzertenund mechanisierten Verbände des III. Panzerkorps und des IV. SS-Panzerkorps als zu schwach umdieses Ziel nur annähernd zu erreichen.

Nach der Einkesselung der ungarischen Hauptstadt kam es zum Versuch Budapest durch die Marineüber die Donau mittels Schiff versorgen zu lassen. Die ersten Versuche um den Jahreswechselscheiterten kläglich, da beide Ufer bereits fest in der Hand des Gegners waren.124 Doch dieSeekriegsleitung übte auf Kapitän zur See Lautenschlager, welcher die Marineteile im

123 Genauere Informationen bietet der Dokumentenband „Festung an der Donau“ (Materialien aus dem BundesarchivHeft 14), Koblenz 2003. Hier besonders der Überblick über das Kriegsgeschehen von Norbert Számvéber auf denSeiten 8—34.124 Vergleiche dazu: http://historisches-marinearchiv.de/sonstiges/artikel/versorgung_budapest.php

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Donaubereich führte, enormen Druck aus um doch noch zu Erfolgen zu kommen. In den folgendenTagen verhinderte Niedrigwasser und Eistreiben weitere Aktivitäten und ab Mitte Januar 1945blockierte ein vier Kilometer langer Eisstau, vor der gesprengten Brücke von Esztergom die Donau.

OKH/GenStdH/OpAbt Lagekarte Ost vom 7.1.1945 (NARA RG-242 via WW II Aerial Photos and Maps).

Die Lagekarte vom 28.1.1945 zeigt, im Vergleich zu jener vom 7. Januar, wie kontraproduktiv die drei vergeblichenVersuche zum Entsatz von Budapest (Unternehmen Konrad 1, 2 und 3) für die Gesamtsituation der Heeresgruppe Südin Ungarn waren (NARA RG-242 via WW II Aerial Photos and Maps).

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Die Brücke von DunaföldvarAm 20 Januar 1945 findet sich im Kriegstagebuch der Seekriegsleitung der Eintrag: „VomSonderunternehmen „Glatze“ wurde eine Gruppe von Kleinkampfmitteln nach Dunaföldvar inMarsch gesetzt zum Einsatz gegen eine Donaubrücke im Abschnitt des 4. SS-Pz. Korps. Über dievom Heer gesprengte Brücke hat der Russe inzwischen [eine] Notbrücke geschlagen, die mitLadungslinsen zerstört werden soll.“125 Bei diesem für die weiteren Operationen der sowjetischenTruppen wichtigen Donauübergang bei Stromkilometer 1560,55 handelte es sich um eine in denJahren zwischen 1928 und 1930 errichtete Stahlkonstruktion. Zwar hatte die Wehrmacht die Brückebei ihrem Rückzug gesprengt, doch eine von der Luftwaffe geflogene Aufklärung zeigte, dass dieSprengung nur das dritte und vierte Feld der Brücke zerstört hatte. Hier war die Stahlkonstruktionjeweils in der Mitte eingebrochen und lag im Wasser der Donau. Doch die beiden östlichen Felderwaren noch vorhanden, die Tragwerke waren lediglich zu zwei Drittel zerstört.126 DieseGegebenheiten nutzten die russischen Pioniereinheiten und verlegten in kürzester Zeit auf denTrümmern der gesprengten Brücke eine behelfsmäßige Fahrbahn.

Die Brücke von Dunaföldvar nach ihrer Fertigstellung im Jahr 1930 (Postkarte).

Noch am Tag der Auftragserteilung startete Oberleutnant Tegethoff mit drei Männern zu einemErkundungsunternehmen in den Bereich Dunaföldvar.127 Fünf Tage später meldete er, dass die vonDunapentele zur Brücke führende Straße sich zur Gänze im Besitz des Gegners befand. Eine für dennächsten Tag, am 26. Januar, geplante Aufklärung des unmittelbaren Brückenbereiches konnte,bedingt durch den ständigen Beschuss von Maschinengewehren und Panzerabwehrkanonen nichtdurchgeführt werden. Auch oberhalb von Dunapentele war die Situation wenig erfreulich, da aufHöhe der Ortschaft Rácalmás sich russische Scharfschützen durch gezieltes Feuer im Uferbereich

125 KTB Skl., Teil A, Band 65, S. 371 f.126 TNA, DEFE 3/681, S. 1117 (23.1.1945).127 Ebd., S. 1140 (26.1.1945).

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des Stromes unangenehm bemerkbar machten.128 Betrachtet man die Lagekarte vom 25. Januar, solässt sich erahnen wie gering die Aussicht auf eine erfolgreiche Durchführung dieses Unternehmenswar. Zu der schwierigen militärischen Situation kamen dann noch die widrigen hochwinterlichenVerhältnisse.

OKH/GenStdH/OpAbt Lagekarte Ost vom 25.1.1945 (NARA RG-242 via WW II Aerial Photos and Maps).

Am Morgen des 25. Januar 1945 gab es eine Überraschung, als ein an „Glatze“ und gleichlautendan den Admiral z.b.V. Südost gerichteter Funkspruch vom K.d.K. einlangte. Dessen Inhalt besagtenicht weniger, als das die Operation in dieser Form, unabhängig von der Feindlage, undurchführbarsei. Als Gründe wurden angeführt: 1.) Die Beschaffenheit des Ufers, wo Sandbänke das zu Wasserbringen der Boote verhinderten. 2.) Das solide Packeis im vorgesehenen Angriffsbereich vor derBrücke, welches das Luftbild von der letzten Aufklärungsmission zeigt. 3.) Da Linsen im Eis nichteingesetzt werden können, kann die Operation erst durchgeführt werden, wenn sich die derzeitgegebene Situation grundlegend geändert hat.129 Doch ungeachtet dieses Fernschreibens wurde dasUnternehmen weitergeführt. Am 26. Januar wurde der Feindlagebearbeiter (Ic-Offizier), der sichbeim Restkommando in am Nordufer des Plattensees, in Balatonalmádi befand, mit einemFunkwagen nach Gänserndorf in Marsch gesetzt. Der Auftrag lautete, bei dem hier untergezogenenFernlenkzug, unverzüglich alle Vorbereitungen für einen Einsatz gegen die Brücke vonDunaföldvar zu veranlassen.130

128 TNA, DEFE 3/681, S. 1140 f. und 1141 (26.1.1945).129 TNA, DEFE 3/682, S. 41 (25.1.1945).130 TNA, DEFE 3/681, S. 1141 (26.1.1945).

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Die nach ihrer Zerstörung im Jahr 1945 in den Jahren 1948 bis 1951 mit zusätzlichen Untergurten wiedererrichtetekombinierte Straßen- und Eisenbahnbrücke (Postkarte um 1955).

Noch am selben Tag wurde das für den Einsatz vorgesehene Kommando, welches sich mittlerweilein der Ortschaft Káloz bereitgestellt hatte, weiter nach Sárosd verlegt. Von dort aus sollte dieEinsatzgruppe so bald als möglich in Richtung Donau weiterverlegen. Als Ausgangsbasis für dasUnternehmen hatte man die nördlich von Rácalmás liegenden Ortschaft Kulcs vorgesehen.131 Dochdie Operation war von Anfang an vom Pech verfolgt, so erzwang ein technisches Problem an einemder Transportwagen für die mitgeführten „Linsen“ und starke Schneeverwehungen einenvorläufigen Abbruch des Unternehmens. Man kehrte nach Kulcs zurück, wobei man vorerst nur aneine Verschiebung des Unternehmens dachte.132 Am 27. Januar unternahm man einen neuerlichenVersuch, nach Einbruch der Dämmerung die beiden mitgeführten „Linsen“ zu Wasser zu bringen.Doch das Unternehmen scheiterte kläglich, was ein am 28. Januar um 04:00 Uhr aus Kulcsabgesetzter Funkspruch bestätigte. In dieser Lagemeldung wurde über den Abbruch desUnternehmens berichtet und das man die beiden, unter größten Mühen in den Strom gesetzten,„Linsen“ im Eis der Donau zurücklassen musste.133

Damit hatte sich auch die Ansicht des K.d.K. voll bestätigt, dass es unter diesen Bedingungeneinfach nicht möglich war auch nur in die Nähe der Brücke zu kommen. Zumindest konnte manfroh sein aus diesem mehr als fragwürdigen Unternehmen ohne personelle Verluste herausgegangenzu sein. Aus dem Scheitern konnte man zumindest die Lehre ziehen, dass Sprengboote dieserleichten Bauart bei einer stärkeren Eisbildung auf Flüssen nicht mit Erfolg eingesetzt werdenkonnten, was aber schon vorher eine bekannte Tatsache war. Man musste zur Kenntnis nehmen,dass es unbedingt eines Kranfahrzeugs bedurfte um die schweren Sprengboote bei ungünstigenUferverhältnissen ins Wasser zu setzen. Eine weitere Lehre dieses gescheiterten Unternehmens war,das nur ein nächtlicher Einsatz, infolge der bei Tageslicht pausenlos in Wellen angreifenden

131 TNA, DEFE 3/681, S. 1124 (26.1.1945).132 Ebd., S. 1125 (27.1.1945).133 TNA, DEFE 3/682, S. 98 (28.1.1945).

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Kampfflugzeuge des Gegners, Erfolg haben konnte.134 Obwohl Ende Januar 1945 klar erkennbarwar, dass sich die von Dönitz gegenüber Hitler gemachten Zusagen in Bezug auf den Einsatz derKleinkampf-Verbände in Ungarn in keiner Weise erfüllt hatten, zog man daraus keinerleiKonsequenzen.

Im Gegenteil weitete man den Einsatz von Kleinkampfmitteln im Bereich des Heeres ständig weiteraus. Obwohl mittlerweile bekannt war, dass die Fertigung der vorgesehenen 1000 Linsen in demmittlerweile in Kraft getretenen „Rüstungsnotprogramm“ nicht gedeckt war, wurden die Einsätzeauf den Binnenwasserstraßen weiter forciert. Erst am 27. Februar 1945 musste sich VizeadmiralHeye eingestehen, dass man auf einen Einsatz von „Linsen“ in der östlichen Ostsee, im Interesseder Schwerpunktbildung im Westen und wegen der zahlreichen neuen Aufgaben auf Oder, Donau,Drau und Rhein, verzichten müsse.135 Als kurz danach bekannt wurde, dass im günstigsten Fallnoch mit einer Auslieferung von 200 „Linsen“ zu rechnen sei, dämmerte es den Verantwortlichendas die zukünftigen Einsätze mit den bereits vorhandenen Beständen bewältigt werden müssten.Aufgrund dieser misslichen Versorgungslage musste sich Vizeadmiral Heye zu folgendenEntschluss durchringen: „Für Wehrmachtsaufgaben bereitgestellte Sondergruppen für Einsätze aufOder, Donau, Drau und Rhein können in Zukunft nicht mehr in gleichem Umfang mitLinsengruppen ausgerüstet werden, da erfahrungsgemäß gerade diese Einsätze eine Bereitstellungvon zahlreichen Gruppen in weitverzweigten Bereitstellungsräumen erfordern und alleFlußaufgaben einen unverhältnismäßig hohen Materialeinsatz im Gegensatz zum zu erwartendenErfolg fordern. […] Bereitstellung von Linsengruppen für Sondereinsätze auf Flüssen dann nur aufAnforderung Wehrmachtsführungsstab.136

Vorstellung des Sprengbootes der Kriegsmarine, vermutlich am 22. oder 23. Mai 1944,anlässlich der in Linz an der Donau stattgefundenen Rüstungstagung (Foto US-Army,Office Chief of Ordnance).

134 TNA, DEFE 3/682, S. 98 (28.1.1945).135 KTB Skl., Band 66, S. 315.136 Ebd. S. 319 f.

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Die Neuorganisation im SüdostenNach dem Scheitern des Unternehmens gegen die Brücke von Dunaföldvar waren Anfang Februar1945 die beiden im Bereich der Heeresgruppe Süd eingesetzten Sonderkommandos „Glatze“ und„Goliath“ wieder im Wiener Raum versammelt.137 Als Ende Januar 1945 die Aufstellung der K.-Flottille 217 in Schleswig-Holstein abgebrochen wurde und deren Personal und Ausrüstung nachWien verlegt wurde, kam es hier zu einer beachtlichen Konzentration von K.-Verbänden.138 Dieehemalige K.-Flottille traf am 14. Februar 1945 mit ihrem Chef Oberleutnant zur See Dr. Müller-Voß, aber ohne „Linsen“, in Gänserndorf ein.139 Mit ihrem Abtransport aus Schleswig-Holsteinwurde die Einheit umbenannt und am 11. Februar 1945 unter der Bezeichnung „Marine K.-VerbandSonder-Kommando“ in die Feldpost-Übersicht eingetragen.140 Diese Massierung von K.-Verbändenim Wiener Raum, die alle für einen Einsatz im Heeresbereich vorgesehenen waren, ging vermutlichauf Dönitz zurück, welcher damit Hitlers Schwerpunktsetzung Rechnung tragen wollte. WährendVizeadmiral Heye den Einsatz auf Flüssen aufgrund der Materiallage und des erheblichenAufwandes durchaus begrenzen wollte, teilte sein Oberbefehlshaber diese Ansicht nicht. So musstesich Vizeadmiral Heye mit dem System des „sowohl als auch“ abfinden.

Die Gründe dafür dürften in dem besonderem Nahverhältnis von Dönitz zu Hitler zu suchen sein.Der Oberbefehlshaber der Marine hatte in der „Führerlage“ vom 23. Januar 1945 einen RüffelHitlers hinnehmen müssen, der Dönitz belehrte, dass das ungarische Öl-Gebiet und die Ölförderungim Wiener Becken an der Spitze aller strategischen Überlegungen zu stehen habe, da ohne dieses Öleine weitere Kriegsführung nicht möglich wäre.141 Kurze Zeit später, als Dönitz am 5. Februar 1945eine Erhöhung der Dieselölzuteilung für die Weiterführung des U-Bootskrieges einforderte, kamHitler sofort auf die Wichtigkeit des Kriegsgeschehens in Ungarn und im Wiener Becken zusprechen. Er zeigte zwar Verständnis für das Anliegen der Kriegsmarine, verwies aber zugleich aufseine Voraussicht und die Richtigkeit der von ihm befohlenen Maßnahmen zur Sicherstellung derÖlgebiete in Ungarn und Österreich, da diese nach Hitlers Worten 80% der damaligenGesamtförderung abdeckten. Monologisierend wies er vor der versammelten Generalität darauf hin,dass der moderne Krieg vorwiegend ein Wirtschaftskrieg sei, dessen Forderungen auch in derKriegsführung bevorzugte Berücksichtigung finden müssten.142

Ein typisches Beispiel für die Knappheit der Ressourcen zeigt das nachstehende Beispiel. Nachdemin der Nacht vom 16. auf den 17. Januar 1945 bei einem erfolglosen Einsatz im Ligurischen Meer,nur 23 von den 33 gestarteten „Linsen“ nach La Spezia zurückkehrten, verfügte das K.d.K. dieBeendigung des dortigen Einsatzes. Die Spreng- und Kommandoboote sollten unverzüglich von LaSpezia nach Verona verbracht werden, von wo sie mittels Bahntransport nach Wien gebrachtwerden sollten, um hier für einen Einsatz zur Verfügung zu stehen.143 Wobei sich die Frage stellt,wie viele von den aus La Spezia abtransportierten „Linsen“, wegen der prekärenVerkehrsverhältnisse überhaupt den Weg über den Alpenhauptkamm fanden. Auch der Abbruch derAufstellung der K.-Flottille 217, ebenfalls eine Linsen-Flottille, erfolgte um Personal und Gerät fürden Kampfraum Donau und Drau frei zu bekommen.144

137 TNA, DEFE 3/681, S. 1141 (26.1.1945) und DEFE 3/682, S. 98 (28.1.1945) u. S. 664 (8.2.1945).138 Blocksdorf, KdK, S. 149 und Patterson, Waffen, S. 337.139 TNA, DEFE 3/683, S. 43 (15.2.1945).140 Norbert Kannapin, Die deutsche Feldpostübersicht 1939—1945, Osnabrück 1982, Band III, S. 267, „Marine K.-Verband Sonder-Kommando“ Feldpostnummer 63227.141 Wagner, Lagevorträge, S. 637 (Skl. B. Nr. 1. Skl. Ib 190/45 Chefs., vom 23.1.1945, Betr.: Niederschrift über dieTeilnahme des Ob.d.M. an der Führerlage am 23.1.1945, 16.00 Uhr).142 Ebd., S. 647 (Skl. B. Nr. 1. Skl. Ib 292/45 GKdos. Chefs., vom 5.2.1945, Betr.: Niederschrift über die Teilnahme desOb.d.M. an der Führerlage am 5.2.1945, 16.00 Uhr).143 Blocksdorf, KdK, S. 156.144 Blocksdorf, KdK, S. 156 und Patterson, Waffen, S. 337.

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Parallel zu den organisatorischen Veränderungen in der Kommandostruktur erfolgte auch eineNeuordnung der hier eingesetzten K.-Verbände. Nachdem der 3. Zug des M.E.K. 71 bereits imDezember 1944 aus dem Funkverkehr verschwunden war, erfolgte nun die organisatorischeAuflösung aller hier eingesetzten K.-Verbände. Das betraf sowohl den 1. Zuges des M.E.K. 71, derzum Sonderkommando „Goliath“ geworden war, als auch das Sonderkommando „Glatze“, aberauch die in Aufstellung befindliche K.-Flottille 217, deren Teile sich in Gänserndorf befanden. Am11. Februar 1945 wurden daraus zwei neue K.-Verbände gebildet. Die für einen Einsatz auf derDonau, oberhalb von Budapest, bestimmte Einheit wurde mit diesem Datum unter der Bezeichnung„Marine K.-Verband Sonder-Kommando“ mit der Feldpostnummer 63267 in die Feldpostübersichteingetragen.145 Die Einheit unter dem Kommando von Oberleutnant z. S. Dr. Müller-Voß, derenEinsatzraum das Mündungsgebiet der Drau und die Donau oberhalb und unterhalb der Einmündungder Drau sein sollte, erhielt zum selben Datum als „Marine K.-Verband Sonder-Kommando“ dieFeldpostnummer 63227 zugeteilt.146

Über die Stärke und Organisationsform der im Februar 1945 neugebildeten Sonderkommandos istnichts überliefert. Beide Sonderkommandos wurden nach kurzer Zeit umbenannt und erhielten dieTarnnamen „Apache“ für den Donauraum und „Sioux“ für den Bereich Donau-Drau zugewiesen.Die wenigen Angaben in der Literatur zur Organisationsform sind wenig präzise undwidersprüchlich. Jürg Meister nennt für das Sonderkommandos „Sioux“ neben einerSprengbootkompanie auch eine Marine-Einsatzkompanie und eine Sprengkompanie welche dieSprengmittel verwaltete und zum Einsatz brachte.147 Karl Meyer, der diesem Sonderkommandoangehörte, nennt keine Gliederung, spricht von einem 30 Mann starken Sonderkommando undschildert einen eher kleinen Verband, dürfte damit nur die Struktur jenes Teils desSonderkommandos beschreiben dem er angehörte.148 Analysiert man die durchgeführten Einsätzeso kommt man auf eine recht beachtliche Zahl von „Linsen“. So könnte die Zahl der vorhandenen„Linsen“ annähernd der Sollstärke einer „Linsen“-Flottille mit 16 Kommando- und 32 Sprenglinsennahegekommen sein.149

Über die Zusammensetzung des im Donauraum eingesetzten Sonderkommandos „Apache“, welchesunter anderen die Aufgabenstellung des ehemaligen Sonderkommandos „Goliath“ übernahm, istnoch weniger bekannt.150 „Apache“ dürfte zumindest einen Teil der bei „Glatze“ vorhandenen„Linsen“ übernommen haben. Bekannt ist, dass nach erfolgter Auflösung von „Apache“ zweiTransportzüge erforderlich waren.151 Man kann auch davon ausgehen, dass „Apache bei denwenigen Einsätzen auch kaum „Linsen“ verloren hatte.152 Geht man von einem Standard-Transportzug nach den Normen der Wehrmacht für motorisierte Einheiten (K.-Zug) aus, so müsstenauch „Apache“ eine erhebliche Anzahl von „Linsen“ zur Verfügung gestanden haben. Ein solcherMilitärzug verfügte im Durchschnitt über 51 Waggons, acht davon waren Personenwaggons mitrund 250 Sitzplätzen. Dazu kamen 20 Güterwaggon mit einer Länge von 10 Meter und einerLadefähigkeit von bis zu 20 Tonnen, die für die Verladung schwerer Fahrzeuge vorgesehen waren.

145 Norbert Kannapin, Die deutsche Feldpostübersicht 1939—1945, Osnabrück 1982, Band III, S. 268.146 Ebd. S. 267.147 Jürg Meister, Der Seekrieg in den osteuropäischen Gewässern 1941—45, München1958, S. 332, künftig zitiert„Meister, Seekrieg“.148 Karl Meyer, Mit Seesack in den Krieg, Berlin 2008, S. 78, künftig zitiert „Meyer, Mit Seesack“.149 Die Zahlen nach Blocksdorf, KdK, S. 146.150 Bei Aufstellung hatte „Goliath“ 30 Mann. Da in der Folge noch Motorboote und diverses Gerät dazu kam, dürftesich die Stärke des Sonderkommandos verdoppelt haben und annähernd der beiden vor Ort vorhanden (1. u. 3.) desM.E.K. 71 entsprochen haben.151 Patterson, Waffen, S. 337 f. und Anmerkung 119.152 Auch die Aufteilung des Sonderkommandos auf mehrere Einsatzorte in Ungarn spricht eher für eine größere Einheit.

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Für leichte Fahrzeuge und für mitgeführtes Gerät standen 20 Flachwaggons zu jeweils 7 MeterLänge zur Verfügung.

Die von Hitler und Dönitz favorisierte Schwerpunktsetzung erforderte auch eine Neuordnung derim Südostraum vorhandenen Führungsstrukturen.153 Den Anfang machte die Schaffung der neuenDienststelle des „Admirals z.b.V. Südost“ zur Jahreswende 1944/1945. Der direkt derSeekriegsleitung unterstellte Admiral z.b.V. Südost war nach der im Dezember 1944 erfolgtenAuflösung des Marine-Gruppenkommandos Süd erforderlich geworden und sollte die wenigen nochverbliebenen Führungsaufgaben in diesem Raum übernehmen. Vizeadmiral Lietzmann, mit dieserAufgabe betraut zog in die ehemalige Stabsunterkunft des Marine-Gruppenkommandos Süd, inKammer am Attersee, ein. Da auch das OKW die Auflösung der Dienststelle des OberbefehlshabersSüdost (Feldmarschall Freiherr von Weichs) und des von ihm in Personalunion wahrgenommenenOberkommando der Heeresgruppe F beabsichtigte, wurde im Februar 1945 der bewährte M.V.O.der Heeresgruppe F, Kapitän zur See von Both, dem Stab von Vizeadmiral Lietzmann, zurVerwendung, zugeteilt.

Auch bei den in diesem Raume tätigen Marine-Verbindungsoffizieren kam es zu erheblichenVeränderungen. Bei der Heeresgruppe F löste Kapitän zur See Bennecke den bisherigen M.V.O. ab,da Kapitän zur See von Both zum Admiral z.b.V. Südost beordert wurde. Auch bei derHeeresgruppe Süd kam es zu einem Wechsel, hier wurde Kapitän zur See Weygold durchFregattenkapitän Dr. Dietsche ersetzt. Nur bei der Heeresgruppe E blieb alles beim Alten und derbisherige M.V.O., Kapitän zur See Zechlin, weiterhin im Amt.154 Als Mitte März 1945 vom OKWdie Auflösung des Stabes des Oberbefehlshabers Südost, welcher bisher in Personalunion auch dieHeeresgruppe F geführt hatte, befohlen wurde, wurde Generaloberst Löhr, der Oberbefehlshaber derHeeresgruppe E, zum neuen O.B. Südost ernannt. Löhr dessen Heeresgruppe sich von Griechenlandüber die Balkanhalbinsel herauf bis nach Kroatien zurückgekämpft hatte, übernahm nun dieGesamtführung im Südostraum.155 Im Unterschied zu den Heeresgrenzen erstreckte sich derBefehlsbereich von Vizeadmiral Liezmann über den Bereich des O.B. Südost hinaus. Zusätzlichzum Balkanraum waren Liezmann in Bezug auf die Marineangelegenheiten auch auf dieBefehlsbereiche der Heeresgruppen Süd (General der Infanterie Wöhler bzw. GeneraloberstRendulic) und Mitte (Generaloberst bzw. Feldmarschall Schörner) unterstellt.

Im Aufgabenbereich des Admirals z.b.V. Südost übernahm ein K.-Stab z.b.V., an dessen SpitzeKapitän z. S. Düwel stand, die Führung der hier eingesetzten K.-Verbände. Damit war auch dieTrennung von dem im italienischen Raum führenden „Deutschen Marinekommando Italien“, demspäteren Marine-Oberkommando Süd, vollzogen. Die Führung der K.-Verbände im Südosten gingvom K.-Stab Süd (Einsatzstab Haun) auf Kapitän zur See Düwel über.156 Am 22. Februar 1945unterrichtete er fernschriftlich die unterstellten Verbände über ihre Berichtspflicht an VizeadmiralLiezmann.157 Ein Einsatz von Kampfschwimmern dürfte Anfang Februar 1945 wegen der fehlendenVoraussetzungen noch nicht vorgesehen gewesen sein. Zur Situation auf der Donau berichtet dieTagesmeldung der Heeresgruppe Süd am 8. Februar, dass die Eisdecke der Donau oberhalb vonBudapest zwar aufgetaut sei, sich aber ein beginnender Eisstau abzuzeichnen begann. Der

153 In der Feldpostübersicht wurde die Neuorganisation der K.-Verbände mit dem Datum 11.2.1945 eingetragen.154 Walter Lohmann, Hans H. Hildebrand, Die Deutsche Kriegsmarine 1939—1945, Bad Nauheim 1956—1964, BandII, Hauptkapitel XVI; Kapitel 5, S. 1.155 Am 18.3.1945 erfolgte die Befehlsübernahme durch die HGr. E und Generaloberst Löhr wurde zum O.B. Südosternannt.156 TNA, DEFE 3/683. Im überlieferten Funkverkehr ist der K.-Stab z.b.V. erstmals am 22.2.1945 im Bereich desAdmirals z.b.V. Südost nachzuweisen. Nach Lohmann/Hildebrand, Die Deutsche Kriegsmarine 1939—1945, Band II,Hauptkapitel XVc, S. 7, war Kapitän zur See Düwel im Zeitraum 11.1944 bis Kriegsende Chef des K.-Stab Skagerak,der zugleich auch K.-Stab z.b.V war. Dem kann aufgrund der Faktenlage nicht zugestimmt werden.157 TNA, DEFE 3/683, S. 620 f. (22.2.1945).

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Wasserstand stieg infolge der Schneeschmelze rasch an und es bestand akuteÜberschwemmungsgefahr. Drei Tage später lag die Luft-Temperatur über 0o, der noch vorhandeneSchnee schmolz dahin und die Donau führte starkes Treibeis.158 Am 14. Februar war dieTemperatur auf 5o angestiegen und im Bereich der Armeegruppe Balck gab es eine nächtlicheFlutwelle in einer Höhe von 2 Meter. Auch in den darauffolgenden Tagen gab es weitereFlutwellen, in deren Gefolge es zu extremen Hochwasserständen kam.159

Nachdem man lange Zeit vergeblich darauf gewartet hatte, übermittelte die Heeresgruppe Süd am14. Februar 1945 ihre Forderungen an die Marine. Bezüglich der K.-Mittel wurden folgende Punktegenannt: 1.) Die Bereitstellung von Marine-Kleinkampfmitteln zum Einsatz gegen Fähren undBrücken, im Falle eines Übersetzversuches des Gegners aus dem Gran-Brückenkopf auf dassüdliche Donauufer; 2.) eine vorsorgliche Bereitstellung von Marine-Kleinkampfmitteln zurZerstörung von nicht gesprengten Brücken im Falle eines feindlichen Durchbruchs bei Komorn; 3.)die Bereitstellung von Marine-Kleinkampfmitteln zum Einsatz gegen feindliche Fähren undBrücken für den Fall des Vorstoßens eigener Verbände bis an die Donau im Bereich südlich vonBudapest; 4.) die Bereitstellung von Marine-Kleinkampfmitteln für den Plattensees, um hier einÜbersetzen des Feindes zu verhindern.160 Dieser Forderungskatalog, der sich bereits an den Zielender geplanten Offensive der Heeresgruppen Süd und E orientierte, wurde vom IMRDDunverzüglich an den K.-Stab z.b.V. weitergeleitet. Nach kurzer Prüfung sagte Kapitän zur SeeDüwel zu, den Forderungen des Heeres mit seinen Kräften nachzukommen, nur im Fall desPlattensees sah er sich dazu nicht in der Lage, da keine geeigneten Kampfmittel für diese Aufgabeverfügbar waren.161

Um die Aufträge abzuklären fuhr Düwel am 21. Februar 1945 nach Hainburg an der Donau, wo dasStabsschiff des IMRDD lag. Auf der „Helios“ besprach er mit Kapitän zur See Lautenschlager denweiteren Einsatz der K.-Verbände sowie deren Einsatzmöglichkeiten auf der Donau.162 Am 27.Februar kam der Einsatz von K.-Mitteln der Marine auch im Generalstab der Heeresgruppe Süd zurSprache. Im Zusammenhang mit der für den 6. März 1945 geplanten Offensivoperation wollte manmit Hilfe von K.-Mitteln nochmals gegen die Brücke bei Dunaföldvar aktiv werden. Für denBereich der Heeresgruppe E, die gleichzeitig offensiv werden sollte, wurden die Donauübergängebei Batina und Baja als lohnende Ziele festgelegt.163 Der Donauübergang bei Dunaföldvar rückteneuerlich ins Blickfeld, da sich Hitler für das Unternehmen “Frühlingserwachen“ für eineSüdlösung entschieden hatte. Diese Variante sah einen raschen Vorstoß der gepanzerten Verbände,an Budapest vorbei, zur Donau vor. Hier sollten bei Dunaföldvar und Dunapentele großeBrückenköpfe über die Donau gebildet werden, aus denen heraus man gegebenenfalls, am östlichenDonauufer, auf Budapest einschwenken wollte.164

Im Zusammenhang mit der Offensive wurde eine besondere Pflicht zur Geheimhaltung, unterAndrohung der Todesstrafe, verfügt. Dies hatte natürlich auch entsprechende Auswirkungenbezüglich des Funkbetriebes.165 Die verhängte Funkstille führte dazu, dass von den imOperationsgebiet befindlichen K.-Verbänden von den Alliierten kaum Funksprüche abgehörtwurden und sich daher im Bestand DEFE-3 auch nur einige wenige Meldungen finden.166 Die

158 NARA MF T-311 roll 162. KTB, HGr. Süd, Tagesmeldung vom 11.2.1945.159Ebd. KTB, HGr. Süd, Tagesmeldung vom 8., 11., 14., 16. u. 18.2.1945.160 BArch-MArch, RM-61-IX-2, KTB IMRDD, 14.2.1945.161 Ebd.162 Ebd., 21.2.1945.163 NARA MF T-311 roll 162. KTB HGr. Süd, 27.2.1945, S. 11.164 Ebd. S. 12 f.165 Ebd. S. 13.166 So scheint „Glatze“ bei den von den Briten im Februar 1945 aufgefangenen und entschlüsselten Funksprüchen nurzweimal auf.

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schlechte Quellenlage wird für die letzten beiden Monate des Krieges noch verschärft, da dasüberlieferte Kriegstagebuch des IMRDD mit dem Februar 1945 endet. Damit versiegt auch dieletzte deutsche Quelle, welche zumindest sporadisch über die Aktivitäten der K.-Verbände imSüdosten berichtet hatte. Ab diesem Zeitpunkt finden sich nur mehr vereinzelte Hinweise imKriegstagebuch der Seekriegsleitung. Doch auch hier wird mit der zunehmenden Nähe zumKriegsende immer spärlicher über die Vorgänge berichtet, wobei der Donauraum zumeist gänzlichausgespart blieb.

So bleiben für den letzten Abschnitt des Krieges nur die von den Alliierten abgehörten undentschlüsselten Funksprüche im Londoner Nationalarchiv (TNA). Doch auch dieser Bestand istlückenhaft und eher eine Auswahl des Zufalls, denn nicht jeder Funkspruch wurde aufgenommenund entschlüsselt. Viele Meldungen sind verstümmelt und oft fehlen ganze Teile. Nachteilig istauch, dass die gesendeten Nachrichten nicht immer im Originalwortlaut überliefert sind, sondern oftin der Form eines von dem jeweiligen Sachbearbeiter erstellten Auszuges, der zum Teil auch mitKommentaren versehen wurde. Des Weiteren wird bei jenen meist umfangreichen „Bonito“-Meldungen die nicht entschlüsselt wurden nur das Datum und der Umfang (Anzahl derSchlüsselgruppen) angegeben. Die alliierte Funkhorchorganisation (Signal-Intelligence/SIGINT) imAdriaraum und auf dem Balkan die schon seit langen bestand, war demnach bestens eingespielt.Daher gibt es bezüglich der mitgelesenen Funksprüche eine starke Verzerrung zugunsten derOstfront. Während die Funksprüche aus dem Bereich der auf dem Balkan kämpfendenHeeresgruppen F und E überproportional vertreten sind, wurden von der südlichen Ostfront und denhier kämpfenden Heeresgruppen Mitte und Süd nur vereinzelte Funksprüche aufgezeichnet.Dementsprechend ist auch der K.-Einsatz im Bereich der Mündung von der Drau in die Donau gutnachvollziehbar, während vom Einsatz auf der Donau zwischen Wien und Budapest nur wenigeMeldungen vorliegen.

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Das Sonderkommando „Apache“Vermutlich im Zusammenhang mit der geplanten Operation „Frühlingserwachen“, der letztendeutschen Großoffensive, erhielten die bisher namenlosen K.-Verbände Tarnnamen zugeteilt, dieausschließlich zur Verwendung kamen. Das neu formierte Sonderkommando „Apache“ übernahmdie Aufgaben der im Verlauf der Neuorganisation im Südostraum aufgelösten Sonderkommandos„Goliath“ und „Glatze“. Aufgrund der gemachten Erfahrungen konzentrierte sich der Einsatz nunmehr auf die Donau als auf den Plattensee. Bedingt durch eine straffere Funkdisziplin und diestrikte Verwendung der Tarnbezeichnungen ist aus den Funksprüchen die Besetzung derKommandantenstellen nicht mehr erkennbar. Daher bleibt die Frage offen, ob die bisher hieragierenden Offiziere Kapitänleutnant Benthin und Oberleutnant Tegethoff in der neuenOrganisation ihre Positionen behielten. Bekannt ist, dass an der Spitze der jeweiligenSonderkommandos ein „Einsatzleiter“ stand, dem mehrere „Gruppenleiter“ unterstellt waren. DasSonderkommando „Apache“ verlegte nach einem zweiwöchigen Aufenthalt in Gänserndorf, der vorallem zur Ausbildung genutzt wurde, im Straßenmarsch nach Balatonalmádi, einer Ortschaft amNordufer des Plattensees. Zu diesem Zeitpunkt war das östliche Ufer des Plattensees bereits in derHand des Gegners, der jedoch keinerlei Angriffsabsichten erkennen ließ. Hier wurde eine weitereWoche für die Herstellung der Einsatzbereitschaft und zur Wartung der Ausrüstung eingeschoben.

Ein Licht auf die damaligen Verhältnisse wirft der Werdegang eines Linsen-Fahrers, welcher beider K.-Flottille 211 im Einsatz gestanden hatte und der Mitte Dezember 1944 zur neuaufzustellenden K.-Flottille 217 versetzt wurde.167 Anfang Februar 1945 kam der Maschinen-Obergefreite Keller mit der Bahn von Plön, dem Aufstellungsort der Flottille, nach Gänserndorf beiWien und wurde dem Sonderkommando „Apache“ zugeteilt. Während der größere Teil deraufgelösten Flottille mit dem ehemaligen Flottillenchef Oberleutnant zur See Dr. Ulrich Müller-Voßden Grundstock für das Sonderkommando „Sioux“ bildete, kam ein kleinerer Teil zu dem für denDonaubereich vorgesehenen Sonderkommando „Apache“. Die neugebildeten Kommandosverfügten über eine speziell für den Nahkampf ausgebildeten „Einsatzgruppe“, daneben gab es eine„Linsen“-Gruppe in der sowohl über „Kommandoboote“ mit einer Fernsteuereinrichtung als auchüber „Sprengboote“, die mit einer 480 kg schweren Sprengladung versehen waren,zusammengefasst waren.

Die „Linsen“ waren auf speziellen Bootsanhängern verladen und diese wurden an Lastkraftwagenangehängt mitgeführt. Für die Instandhaltung der Fahrzeuge des vollmotorisierten Verbandes,besonders aber der als besonders reparaturanfällig bekannten Ford-V-8 Motoren der „Linsen“, gabes eine Instandsetzungsgruppe mit einem Werkstatt-Lkw. Zur Versorgungsgruppe gehörte nebenden für die Transportaufgaben erforderlichen Lastkraftwagen auch ein Küchen-Lkw der über einefest aufgebaute Feldküche verfügte. Bedingt durch die zu dieser Zeit durchwegs gegebeneLuftüberlegenheit des Gegners gab man den Sonderkommandos auch ein Lkw, mit einem festaufgebauten 2 cm Flakvierling 38, zur Fliegerabwehr bei.168 Wohl bereits im Zusammenhang mitden Vorbereitungen zur Offensive wurde der Verband von Balatonalmádi näher an die Front nachStuhlweißenburg (Székesfehérvár) herangeführt. Als weitere Einsatzorte werden im März 1945neben den Städten Raab (Györ) und Komorn (Komárom) auch die Ortschaft Karmacs, ein Ortunweit der Stadt Keszthely, genannt. Da der erwartete Durchbruch im Rahmen der Offensiveausblieb und es im Raum südlich von Budapest zu keinem Vorstoß kam, der die Donau erreichte,gab es für die „Apache“ auf der Donau südlich von Budapest auch keine Einsätze.

167 Patterson, Waffen, S. 337 f. Hier wird auf Grund von Originalunterlagen aus dem Archiv von Maurice Laarman derWerdegang des Maschinenobergefreite Norbert Keller dargestellt.168 Die Angaben nach Meyer, Mit Seesack, S. 76—79.

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Nur im Bereich des Donauknies unterhalb der Stadt Gran (Esztergom) soll es noch zu mehrerenerfolglosen Versuchen gekommen sein die „Linsen“ auf der Donau zum Einsatz zu bringen.Dokumentiert ist nur ein Unternehmen in der Nacht vom 15. auf den 16. März, als zwei Linsen-Rotten den erfolglosen Versuch unternahmen den regen sowjetischen Fährbetrieb zwischenNagymaros und Visegrád zu unterbinden.169 Dafür hatte man auf Anforderung der HeeresgruppeSüd in aller Eile zwölf „Linsen“ von Komorn nach Gran, zum Brüko-Staffel-Stab 939, verlegt, umsie von hier aus im Donauknie einzusetzen.170 Im KTB der HGr. Süd findet sich dazu keinerleiHinweise, was aber nicht wundern darf, trat doch an diesem 16. März 1945 die Rote Armee zumGegenangriff an, der „Wiener Operation“ die vor der Reichsgrenze nicht mehr zum Stillstandgebracht werden konnte.

Der Bereich Nagymaros/Visegrád, kurz vor der oberen Mündung des Szent-Endreer-Armes der Donau. (NARA RG-373, Dick Tracy/Target Map [Ausschnitt] via WW II Aerial Photos and Maps).

169 BArch-MArch RM 7/852. KTB der Skl. Teil D, Ergänzungen Teil I, 14.3—20.4.1945, S. 55; zitiert nach Kobelt,MEK, S. 136 f.170 Blocksdorf, KdK, S. 189 und Patterson, Waffen, S. 337. Blocksdorf verlegt diesen Einsatz irrtümlich auf den 2.Dezember 1944, was aufgrund der damaligen militärischen Lage ausgeschlossen werden kann.

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Das Sonderkommando „Winnetou“Anfang März 1945 wurde für das Gebiet von Donau und Drau ein weiteres Sonderkommando mitden Decknamen „Winnetou“ gebildet. In diesem Sonderkommando waren die dem K.-Stab z.b.V.zugeteilten Kampfschwimmer zusammengefasst.171 Dass es sich bei dem Sonderkommando„Winnetou“ um ein Detachement von Kampfschwimmern handelte, wird dadurch bestätigt, dassalle „Winnetou“ betreffenden Meldungen auch nachrichtlich auch an das Lehrkommando 700gingen. Bei diesem im Juni 1944 aufgestellten Lehrkommando handelt es sich um jenes fürKampfschwimmer, welches nach einem Zwischenspiel in Venedig im November 1944 nach List,auf die Insel Sylt, wechselte.172 Über die Stellenbesetzung ist nichts bekannt, aus den dechiffriertenFunkmeldungen ist lediglich zu ersehen, dass als Sperrwaffenoffizier ein Oberleutnant Bartscheingeteilt war.

Oberkommando der KriegsmarineSeekriegsleitung s O.U., den . . . . . . . . .

Ausweis Nr. . . . . . .

Der . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . .Dienstgrad Vorname Name St.R.Nr.

untersteht dem Oberkommando der Kriegsmarine. Er ist auf Befehl des Oberkommandos derKriegsmarine, Seekriegsleitung s, für einen Spezialauftrag eingesetzt, nach dessen Durchführunger sofort auf schnellstem Wege zu seinem Kommando zurückzukehren hat. Er darf von keinemanderen Truppenteil zu anderer Verwendung eingesetzt werden, vielmehr ist ihm von allenmilitärischen und zivilen Dienststellen bei der Durchführung seines Auftrages und bei derRückkehr zu seinem Kommando jede erdenkliche Hilfe zu gewähren.

Über das Auffinden von verwundeten oder gefallenen Soldaten mit diesem Ausweis ist dasOberkommando der Kriegsmarine, Seekriegsleitung s, sofort fernschriftlich oder auf demFunkwege zu verständigen.

Für das Oberkommando derKriegsmarine

Dienstsiegel Seekriegsleitung sKriegsmarine

Kommando der K.-Verbände

THOMSENKapitänleutnant

Spezialausweis für die Angehörigen der K.-Verbände.

Schon im November 1944, in der ersten Einsatzphase im Donauraum, waren den beiden hiereingesetzten Zügen des M.E.K. 71 Kampfschwimmer und zugeteilt. Da das K.d.K. AnfangDezember 1944 einen Einsatz von Kampfschwimmern, wegen den winterlichen Wassertemperatur

171 TNA, DEFE 3/683; S. 1133 und S. 1169. Am 5. März übermittelte das K.d.K. zwei MaschinenverschlüsselteGeheimfernschreiben, mit 95 bzw. 74 Gruppen, an „Winnetou“. Zum Einsatzgebiet vgl. auch das KTB Skl. Band 67, S.157 (11.3.1945). Zu Oberleutnant Bartsch siehe DEFE 3/684, S. 247 (12.3.1945).172 TNA, DEFE 3/683, S. 1133 und 1169 (5.3.1945) und Blocksdorf, KdK, S. 33.

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der Donau, untersagte, wurden die unter der Führung von Oberfeldwebel Mitschke stehendenKampfschwimmer abgezogen.173 Die Gruppe sammelte befehlsgemäß in Graz von wo man am 8.Dezember 1944 die Fahrt nach List auf der Insel Sylt, der Ausbildungsstelle der „Meereskämpfer“mit dem Decknamen „Weißkoppel“, antrat.174

Ein Trupp von „Meereskämpfern“ bei der Überprüfung der Ausrüstung (Propagandafoto).

Im ersten Quartal des Jahres 1945 kam es neuerlich zur Zuteilung von Kampfschwimmern. AnfangMärz 1945 erfassten die Briten erstmals ein Sonderkommando mit dem Decknamen „Winnetou“.175

Gemäß dem Kriegstagebuch der Seekriegsleitung ist diese Tarnbezeichnung dem K.d.K.-Einsatz„Donau-Drau“ zugeordnet.176 Da man Ende 1944 alle im Bereich von Donau und Drauvorhandenen Kampfschwimmer aus dem Einsatz gezogen hatte, war es nur logisch, mit demEinsetzen der wärmeren Jahreszeit, neue Kampfschwimmer für einen Einsatz bereitzustellen. Dabeidürfte man auch die in Ungarn geplante Offensive im Auge gehabt haben. Ursprünglich sollte dasfür den Bereich des K.-Stabes z.b.V. vorgesehene Sonderkommando aus zwei Teilen bestehen. EinTeil war für den Bereich der Heeresgruppe Süd, in Kooperation mit dem Sonderkommando„Apache“ bestimmt. Der andere Teil sollte beim O.B.-Südost (Heeresgruppe E), parallel zumSonderkommando „Sioux“, zum Einsatz kommen.

173 TNA, DEFE 3/680, S. 209—211 u. 443 f. (4.12.1944).174 Ebd., S. 443 f. (4.12.1944) u. 692 (9.12.1944).175 TNA, DEFE 3/683; S. 1133 und S. 1169. Am 5. März übermittelte das K.d.K. zwei maschinenverschlüsselteGeheimfernschreiben an „Winnetou“.176 KTB Skl., Band 67, S. 157 (11.3.1945).

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Doch bald zeigte sich, dass sich diese Vorgaben nicht durchführen ließen, wie einGeheimfernschreiben des K.-Stabes z.b.V. vom 22. Februar 1945 zeigt.177 Denn die für Agram(Zagreb) bestimmten Meereskämpfer hingen in Wien fest, da alle Straßen- und Bahnverbindungenin die kroatische Hauptstadt unterbrochen waren. Da eine Wiederaufnahme des Verkehrs in dennächsten Tagen nicht absehbar war, wurde „Winnetou“ beauftragt das für die Drau bestimmteKontingent aufzulösen. Unmittelbar vor dem Beginn der seit langen in Westungarn geplantenOffensivunternehmen wies das K.d.K. am 5. März 1945 „Winnetou“ an, wegen der niederenWassertemperaturen bei Donau und Drau vorerst keine Sabotageeinsätze mit Meereskämpfern zuplanen und durchzuführen.178 Auf Grund dieses Verbots und der im Zusammenhang mit derFrühjahrsoffensive angeordneten Funkstille, findet sich im Monat März nur ein einziger Funkspruchin Bezug auf die „Winnetou“ im Bestand des Britischen Nationalarchivs.179

Zwar wurde im Rahmen der Vorbereitungen zur Operation „Frühlingserwachen“ auch ein Einsatzvon Kampfschwimmern, im Rahmen der K.-Mittel der Marine, in die Überlegungen einbezogen.Doch aufgrund der niedrigen Wassertemperaturen und des Ausbleibens eines durchschlagenden

Erfolges des Angriffsunternehmens sollte es dazu nichtkommen. So blieb den im Sonderkommando „Winnetou“zusammengefassten Kampfschwimmern ein Einsatz imWestungarn erspart. Über die Gliederung undStellenbesetzung dieses für Donau und Drau zuständigenSonderkommandos hat sich wenig Konkretes überliefert. Esgibt lediglich einen Hinweis, dass Korvettenkapitän (V)Hermann Lüdke, welcher als Verwaltungsoffizier imQuartiermeisterstab des A.d.K. tätig war, bereits AnfangNovember 1944 von Vizeadmiral Heye mit der Führung derUnternehmens „Winnetou“ beauftragt worden sei.180 DieEinsetzung eines Logistikexperten zur Koordinierung derEinsätze im Bereich von Donau und Drau nach dem Ende derWinterpause würde durchaus einen Sinn gemacht haben, dochbleiben hier, vor allem bezüglich des zeitlichen Ablaufs vieleFragen offen.

Korvettenkapitän (V) Hermann Lüdke war bis Januar 1945 alsVerwaltungsoffizier im Quartiermeisterstab der K.-Verbändetätig und wurde im Januar 1945, als Nachfolger vonMarinestabsarzt Dr. Wandel, neuer Chef des Lehrkommandos700 in List, welches für die Ausbildung der Kampfschwimmerzuständig war. In dieser Funktion könnte er ab März 1945

auch den Einsatz der Kampfschwimmer im Bereich Donau und Drau geleitet haben und in diesemSinne „Winnetou“ zuzuordnen sein. Als Kommandoführer selbst, dürfte er aufgrund seinesDienstgrades wohl kaum in Frage gekommen sein.

177 TNA, DEFE 3/683, S. 621—623 (22.2.1945). FS K.-Stab z.b.V. 6/45 g.Kdos.178 TNA, DEFE 3/684, S. 120 (5.3.1945).179 Ebd., S. 512 (23.3.1945). So meldete „Winnetou“ am 23. März 1945 das Eintreffen der letzten Teile desSonderverbands „Apache“ in Gänserndorf.180 Für den Hinweis danke ich Dr. Hartwig Kobelt. Vgl. dazu: Michael Jung, Sabotage unter Wasser, Die deutschenKampfschwimmer im Zweiten Weltkrieg, Hamburg, Berlin, Bonn 2004, S. 123. Das Datum November 1944 und die inden letzten Wochen des Krieges verwendete Tarnbezeichnung „Winnetou“ schließen sich jedoch gegenseitig aus.

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Die letzte deutsche OffensiveIm Kriegstagebuch der Heeresgruppe Süd findet sich am 27. Februar 1945 bezüglich derVorbereitung dieser letzten deutschen Offensivoperation folgender Hinweis: „Die Kriegsmarinewird Kleinkampfmittel besonders gegen die Brücke bei Dunaföldvar und beim O.B. Südost gegendie Brücken bei Batina und Baja bereitstellen.“181 Am. 1. März präzisierte das Kriegstagebuch:„Kleinkampfmittel der Kriegsmarine stehen für den Einsatz gegen die feindlichen Donau-Übergangsstellen bei Batina und Baja nach Regelung mit dem Verbindungs-Offz. der Kriegs-Marine bei der H.Gr. Süd zur Verfügung.“182

Unmittelbar vor dem Angriffsbeginn, am 3. März 1945, regte der Chef des Generalstabes der 6. SS-Panzerarmee an, gleichzeitig mit der Offensive auch ein Unternehmen über den Plattensee mit

181 NARA MF T-311 roll 162. KTB HGr. Süd, 27.2.1945, S. 11.182NARA MF T-311 roll 162. KTB HGr. Süd, 1.3.1945, S. 4.

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Sturmbooten der Marine durchzuführen.183 Dieser Vorschlag wurde von der Heeresgruppe zwarerwogen, musste jedoch verworfen werden, da die Stürme das Packeis an das Südufer des Seesgetrieben hatten, sodass dort keine Landemöglichkeit gegeben war.184 An diesem Tag wurde auchder Angriffsbefehl für die letzte deutsche Offensive „Frühlingserwachen“ durch General derInfanterie Wöhler unterzeichnet. Der Befehl sah vor die K.-Mittel der Marine je nach Entwicklungder Lage, bei der 6. SS-Pz. Armee oder bei der Armeegruppe Balck einzusetzen. Dies betraf die beiBalatonalmádi und Szekesfehervar bereitgehaltenen Sonderkommandos „Winnetou“ und „Apache“.Während das Sonderkommando „Sioux“ bei dem den O.B. Südost unterstellten LXXXXIArmeekorps zum Einsatz kommen sollte.185

Während im kroatisch-ungarischen Raum das Sonderkommando „Sioux“ mehrmals imZusammenhang mit der Offensive aktiv wurde, gab es an der oberen Donau im Bereich derHeeresgruppe Süd für die hier bereitgestellten K.-Kräfte kaum vergleichbare Aufgaben zuerledigen. Sowohl „Winnetou“ als auch „Apache“ standen im Verlauf der am 6. März 1945begonnen Angriffsoperation „Frühlingserwachen“ abseits vom kriegerischen Geschehen. Dies vorallem auch, da die Offensive ihr weit gestecktes Ziel, das Erreichen und Überschreiten der Donauim Abschnitt südlich von Budapest, nicht annähernd erreichte. Betrachtet man die von derHeeresgruppe am 14. Februar 1945 übermittelten Aufgaben, so muss man feststellen, dass keineinziger dieser Punkte im Bereich von „Apache“ und „Winnetou“ auch nur ansatzweise zurAusführung gekommen war. Das Sonderkommando „Apache“ lag während der Offensive zeitweisein Raab (Györ) und Komorn (Komárom/Komárno) in Bereitschaft, ohne jedoch zum Einsatz zukommen.186

Erst im letzten Moment, am 16. März 1945, als sich die Angriffskraft der deutschen Verbändebereits erschöpft hatte, startete man unterhalb der Stadt Gran (Esztergom) den vergeblichenVersuch die sowjetischen Aktivitäten auf der Donau mit Hilfe einiger „Linsen“ zu stören. Andiesem Tag traten die sowjetischen Truppen, direkt aus der Verteidigung heraus, zurGegenoffensive an, die vor der Reichsgrenze nicht mehr zum Stehen gebracht werden konnte. Dersowjetische Vorstoß führte dazu, dass die im Bereich der Heeresgruppe Süd befindlichen K.-Verbände in den Strudel des Rückzuges hineingezogen wurden. Am 24. März wurde „Winnetou“vom K.d.K. informiert, dass das Sonderkommando „Apache“ sofort aufzulösen sei und allebisherigen Aufgaben auf „Winnetou“ übergingen.187 Wenige Tage später erhielt auch „Winnetou“den Befehl eine Rückverlegung nach Norddeutschland vorzubereiten und jenes Material zu meldenwelches auf den vorhandenen Lastkraftwagen mitgeführt werden könne. Die vorhandenenSprengmittel sollten zurückgelassen und an das Heer übergeben werden.188 Diese Eile wirdverständlich, da die Rote Armee bereits am 29. März 1945, um 11:04 Uhr, unweit der kleinenburgenländischen Ortschaft Kloster Marienberg die Reichsgrenze überschritt.189

183 Es ist nicht eindeutig, ob hier an „Linsen“ oder an sonstige Boote der Marine gedacht war.184 NARA MF T-311 roll 162. KTB HGr. Süd, 3.3.1945, S. 4.185 NARA MF T-311 roll 162. Frame 7214344—7214360 (HGr. Süd, Ia 84/45gKdos. Chefs., vom 3.3.1945)..186 Meister, Seekrieg, S. 332 nennt als zeitweise Stationierungsorte Raab (Györ), Komorn (Komarom), Karma(vermutlich ist Karmacs gemeint, eine Ortschaft unweit von der am südlichen Ende des Plattensees gelegenen StadtKeszthely) und zuletzt Gänserndorf.187 TNA, DEFE-3/684, S. 618 f. (24.3.1945) u. S. 620 (25.3.1945).188 Ebd., S. 742 (31.3.1945).189 Das 14. (selbstständige) Garde-Motorrad-Bataillon, unter dem Kommando von Garde-Major Plotnikow, überschrittals erstes die Reichsgrenze. Dieser Aufklärungsverband des 9. Garde-Mech-Korps verfügte neben 90Beiwagenmaschinen auch über 10 Panzer vom Typ M-4A3 „Sherman“ und einige M-3 Halbkettenfahrzeuge, beidesamerikanische Bauarten. Für die freundliche Auskunft bin ich Dr. Mag. Markus Reisner zu Dank verpflichtet.

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Letzte ÄnderungenIn den letzten Wochen des Krieges verzichtete man im Bereich der Ostfront auf die bisher üblicheGliederung, da diese dem Wechsel von Teilen verschiedener K.-Verbände entsprechend denErfordernissen der militärischen Lageentwicklung im Wege stand. Durch den Verzicht konnte manbesser auf die spezielle Situation der unterschiedlichen Kriegsschauplätze reagieren und dieEngpässe bei den Sonderkampfmitteln leichter ausgleichen. Hier wäre besonders auf denvorhandenen Mangel an Spreng- und Fernlenkbooten hinzuweisen, aber auch die erforderlichenbesonderen Sprengmittel waren immer schwerer aufzubringen. Die Sonderkommandos „Apache“und „Sioux“ dürften einsatzmäßig einem Mix aus M.E.K. und „Linsen“-Flottillen entsprochenhaben, ohne an eine bestimmte Größenordnung und Gliederung gebunden zu sein. Diese„Sonderkommandos“ verfügten über die den M.E.K. üblichen Kampfmitteln auch über „Linsen“,die man auf Anhängern mitführte. Zusätzlich konnten bei entsprechend dem Bedarf eine bestimmteAnzahl von Kampfschwimmern zugeteilt werden. Neu war, dass die Kampfschwimmer eineeigenständige Kommandostruktur hatten und im Südostraum im Sonderkommando „Winnetou“zusammengefasst waren.

Das Sonderkommando „Apache“ war dem Befehlsbereich der Heeresgruppe Süd zugeordnet und„Sioux“ war für den Befehlsbereich der Heeresgruppe E vorgesehen. Beide Sonderkommandoswurden am 11. Februar 1945 in die Feldpostübersicht aufgenommen. Mit einiger Verspätungverzeichnete die Feldpostübersicht am 26. März 1945 die Umbenennung auf Marine K.-VerbandSonderkommando „Apache“ und „Sioux“.190 Gleichzeitig neigte sich auch die Ära von Kapitän zurSee Düwel dem Ende zu. Ende März wurde der K.-Stab z.b.V. vom Attersee abgezogen und nach„Strandkoppel“, dem in Schleswig-Holstein, in der Gemeinde Timmendorfer Strand, errichtetenStabsquartier des Kleinkampfverbandes, beordert.

Ab dem 25. März 1945 führte das K.d.K. direkt und übernahm die bisher dem Stab Düwelwahrgenommenen Aufgaben. Scheinbar war man mit den Abläufen im Bereich des Admirals z.b.V.Südost unzufrieden gewesen und glaubte die verfahrene militärische Situation und dienachrichtentechnischen- und logistischen Probleme durch eine Straffung der Organisation wendenzu können.191 Auch der ehemalige M.V.O. beim O.B. Südost, Kapitän zur See von Both, welcherVizeadmiral Liezmann zur Verwendung zugeteilt war, wurde von seiner Funktion entbunden undverließ den Attersee. Kapitän zur See von Both wurde in der Folge zum Leiter des„Marineauffangstabes Adria“ ernannt.

190 DEFE 3/683, S. 620 (22.2.45). Hier werden die neuen Tarnbezeichnungen für die Einsätze Donau und Draubestätigt. Funksprüche mit der Kennung „Winnetou“ wurden von den Alliierten erstmals am 5., solche mit „Sioux“ am8. und mit „Apache“ am 12. März 1945 aufgenommen. Für „Winnetou“ konnte keine Feldpostnummer ermitteltwerden. Möglicherweise wurde hier die Feldpostnummer vom Lehr-Kdo 700 (13104) verwendet.191 TNA, DEFE 3/684, S. 618 A u. 619 (24.3.1945) und 620 (25.3.1945).

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Das Ende von „Apache“Zum Zeitpunkt der unmittelbaren Übernahme der Führung im Südosten durch das K.d.K. nähertensich die Truppen der 3. Ukrainischen Front bereits der Reichsgrenze. Die hier im Bereich derHeeresgruppe Süd eingesetzten K.-Verbände hatten ihre Basislager räumen müssen und zogen sichauf Komorn, dem Sammelpunkt, zurück. Da sich die an beiden Ufern der Donau gelegene Stadtbald zu einem neuralgischen Punkt der deutschen Abwehrfront wurde, marschierte man weiter überdie Reichsgrenze, so das „Winnetou“ am 23. März melden konnte, dass „Apache“ bereitsvollständig in Gänserndorf eingetroffen sei.192 Am nächsten Tag befahl das K.d.K. die sofortigeAuflösung des Sonderkommandos „Apache“, wobei die bisher wahrgenommenen Aufgaben fortanvon „Winnetou“ wahrgenommen werden sollten. Alles im Wiener Raum nicht mehr benötigtePersonal und Gerät sollte unverzüglich im Bahntransport nach Plön in Marsch gesetzt werden.193

Da die Transportkommandantur Wien die benötigten Waggon nicht sofort bereitstellten konnte,fuhr der Transportzug erst am 1. April 1945, zu einem Zeitpunkt als die Rote Armee bereits dieReichsgrenze auf breiter Front überschritten hatte, von Gänserndorf ab. Von hier führte die Fahrtüber Prag und Berlin um nach zahlreichen Zwangsaufenthalten und Umleitungen undzweieinhalbwöchiger Fahrt den Entladebahnhof Plön zu erreichen.194 Der zweite Transport mit denFührungsteilen und der Funkstation hatte weniger Glück. Zwar konnte der Zug noch rechtzeitig dasumkämpfte Wien verlassen, doch man kam nicht weit und stand am Abend des 6. April 1945 in derBahnstation Göpfritz an der Wild, wo man auf die Weiterfahrt ins Protektorat wartete.195 Nachendlosen Warten endete hier am 9. April 1945 die Fahrt und die Zugsgarnitur musste aufAnordnung der Transportdienststellen entladen werden. Von Göpfritz aus ging es im Straßenmarschin die nahegelegene Kreisstadt Horn.196

Der Grund für das Ende der Fahrt war in der Entscheidung Hitlers zu suchen, drei gepanzerteDivisionen von dem damals noch ruhigen Oder-Abschnitt der Ostfront abzuziehen um sie imWiener Raum einzusetzen. Diese vorrangigen Transporte welche auf den Nord-Süd-Transversalenin Richtung Wien unterwegs waren, sorgten dafür, dass das übrige Verkehrsgeschehen zumErliegen kam, wobei anzumerken wäre, dass alle diese Divisionen viel zu spät kamen um nochnachhaltig in das Kampfgeschehen um die zweitgrößte Stadt des Reiches einzugreifen. In Hornversuchte der Einsatzleiter von „Apache“ vergeblich Befehle für das weitere Vorgehen zubekommen. Der einzige Erfolg war, dass ihm der Kommandant der Donauübergänge bei derHeeresgruppe Süd, der Kommandant des Stabes der Heeres-Pionierbrigade 127, schriftlichbestätigte, dass es keinerlei Verwendung mehr für die Sonderkommandos der Marine gab, was auch„Winnetou“ betraf.

Am 12. April 1945 setzte „Apache“ einen umfangreichen Funkspruch mit 155 Gruppen an dasK.d.K. ab, dessen Inhalt wir nicht kennen, da er von den Briten nicht dechiffriert wurde.197

Vermutlich ging es dabei um die Absicht die in Horn festsitzenden Restteile von „Apache“ mit demSonderkommando „Sioux“ zu vereinen, welches sich zu dieser Zeit kämpfend von Kroatien nachSlowenien abgesetzt hatte um von hier aus das Reichsgebiet zu erreichen. Aufgrund dermilitärischen Lage und dem Kollaps des Schienennetzes war ein solcher Versuch der von

192TNA, DEFE 3/684, S. 512 (23.3.1945).193Ebd., S. 618 f (24.3.1945).194Patterson, Waffen, S. 337 f. Hier ein Auszug des Briefes von Norbert Keller an Maurice Laarman, vom 30.3.1987.195 TNA, DEFE 3/684, S. 1025 (7.4.1945). Göpfritz an der Wild, eine zwischen Tulln und Gmünd (Ceske Velenice)gelegene Bahnstation an der Franz-Josef-Bahn, unweit des Bahnknotens Sigmundsherberg. Von hier aus funkte„Apache“ um 18:00 Uhr seine Lagemeldung an das K.d.K.196 Ebd., S. 1232 (9.4.1945). Funkspruch von „Apache“ an das K.d.K. In Horn gab es eine Kaserne des Heeres.197 TNA, DEFE 3/685, S. 5 (12.4.1945).

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vornherein zum Scheitern verurteilt. Dementsprechend verbot das K.d.K. am 16.4.1945 dieDurchführung der geplanten „Operation Graz“.198 Noch am selben Tag übermittelte „Apache“seinen täglichen Lagebericht, mit Stand vom 15. April um 14:00 Uhr. Darin berichtete derEinsatzleiter dass er hier keinerlei Möglichkeit für eine weitere Verwendung mehr sähe.

Er habe nochmals mit der Heeres-Pionierbrigade 127, deren Gefechtsstand sich imVerteidigungsbereich Krems an der Donau befand, Kontakt aufgenommen ohne weitere Befehle zubekommen. Auch eine Vorsprache beim Kommandanten des örtlichen Kampfabschnittes,Generalmajor Volkmann, der hier die Verteidigung des nördlichen Uferbereichs der Donauübernommen hatte, blieb ergebnislos. Ebenso scheiterte der Versuch an Sprengmittel zu kommen,da aufgrund der prekären allgemeinen Versorgungslage sich niemand imstande sah diesemAnliegen nachzukommen.199 Da weder Befehle noch Aufträge vorlagen und mit einerTransportmöglichkeit nach Norddeutschland nicht mehr zu rechnen war, wurde wohl imEinvernehmen mit dem K.d.K. beschlossen sich auf den naheliegenden TruppenübungsplatzDöllersheim (heute Allentsteig) zurückzuziehen, wo man im Raum Zwettl die weitere Entwicklungabwarten wollte.

Damit endete auch die Geschichte des im Einsatzraum verbliebenen Teils von „Apache“. Da sichdas Wehrkreiskommando XVII ebenfalls ins nördliche Waldviertel nach Zwettl abgesetzt hatte, istes nicht auszuschließen, dass hier nochmals ein direkter Kontakt mit Kapitän zur See Höring, demM.V.O. bei den Wehrkreiskommando XVII und XVIII, zustande gekommen ist. Fest steht, dass mitder Lagemeldung vom 16. April 1945 die Funksprüche von „Apache“ im Bestand DEFE 3 enden.200

Die Funkverbindung zu „Winnetou“ war aus unbekannten Gründen bereits am 4. April 1945abgebrochen.201

198 Ebd., S. 216 (16.4.1945). Bei dem Begriff „Operation Graz“ ist nicht klar, ob damit die Hauptstadt der Steiermarkgemeint war oder ob es sich hierbei um einen Tarnbegriff handelte.199 Generalmajor Volkmann war vorher Kommandeur der Luftkriegsschule 7 in Tulln.200 TNA, DEFE 3/685, S. 221 f. (16.4.1945).201 Ebd., S. 926 f. (4.4.1945). Der letzte Funkspruch wurde am 4. April um 12:04 Uhr abgesetzt.

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„Winnetous“ EndeAm 1. April meldete „Winnetou“ an das K.d.K., dass der Einsatzleiter vom Ia im Stab derHeeresgruppe Süd den Befehl erhalten hatte, sich für den Eventualfall bereitzuhalten, falls eine derBrücken zwischen Preßburg und Wien unzerstört in den Besitz des Gegners gelangen würde.202

Damit wurde die alte Forderung der Heeresgruppe erneuert, welche man bereits zum Jahresende1944 an das Sonderkommando, welches später die Tarnbezeichnung „Apache“ führte, gerichtethatte. Doch dieser Fall war bisher nicht eingetreten. Die von Preßburg nach Engerau (Petrzalka)führende Straßenbrücke wurde, als die letzte Donaubrücke vor Wien, am 3. April 1945 um 04:00Uhr von Pionieren der Heerespionierbrigade 127 planmäßig gesprengt.203 Nach dieserBrückensprengung wurde die Frage der Sicherung der in Wien vorhandenen Donaubrücken akut.So meldete sich der Pionierführer der Heeresgruppe Süd am Abend des 31. März 1945 in dieserAngelegenheit telefonisch beim Oberkommando des Heeres, um Befehle zur Sprengung der WienerDonaubrücken, bei einem überraschenden sowjetischen Vorstoß, zu erhalten. Der Leiter derOperationsabteilung im Generalstab des Heeres hielt die Angelegenheit für so wichtig, dass dieseAngelegenheit sofort Hitler zur Entscheidung vorgelegt wurde.

Gänzlich unerwartet untersagte Hitler jegliche Brückenzerstörungen innerhalb der Ostmark.204 Daim Fall einer unzerstört in die Hände der Roten Armee gelangten Donaubrücke unabsehbarenegative Folgen für die Lage der Heeresgruppe zu befürchten waren, reagierte der taktischeFührungsstab der Heeresgruppe mit der vorsorglichen Bereitstellung von K.d.K.-Kräften für diesenFall.205 In diesem Zusammenhang wurde von der Heeresgruppe im Einvernehmen mit dem K.d.K.vereinbart, dass die für den Einsatz in Wien nicht benötigten Teile von „Winnetou“ weiter nachWesten verlegt werden sollten. Dafür wurde der Raum Znaim (Znojmo) in Aussicht genommen.Diese Verlegung sollte mittels Bahntransport erfolgen, nur die mit Sprengmittel beladenenLastkraftwagen sollten im Straßenmarsch in den neuen Bereitstellungsraum verlegen. Im WienerRaum sollten lediglich zwei „Linsen“ samt der dazugehörigen Besatzung und Ausrüstungverbleiben.206

Am 3. April 1945 erhielt „Winnetou“ einen Sonderauftrag vom K.d.K. Der Einsatzleiter sollte sichunverzüglich mit dem für die östliche Ägäis zuständigen M.V.O. und mit der Transportleitung derLuftwaffe in Wien-Aspern in Verbindung zu setzen, um den Lufttransport einer Gruppe von„Meereskämpfern“ nach der Insel Leros sicherzustellen. Da zu diesem Zeitpunkt die Rote Armeebereits vor den Toren Wiens stand, sollten diese Kampfschwimmer mit ihrer 2.600 kg schwerenAusrüstung noch rechtzeitig ausgeflogen werden.207 Es darf bezweifelt werden ob diesesUnternehmen noch zur Durchführung kam. Am 4. April 1945 präzisierte die Heeresgruppe ihrenAuftrag vom 1. April dahingehend, dass der Einsatzleiter sofort mit dem Stab des neu ernanntenKampfkommandanten von Wien Kontakt aufzunehmen habe. Im Sinne der Auftragserfüllung sollte

202 TNA, DEFE 3/684, S. 846 f (1.4.1945). Die Funktion Ia im Generalstab der Heeresgruppe war die des 1.Operationsoffiziers/Leiter der Führungsabteilung im taktischen Führungsstab.203 Vgl. dazu auch den Fachartikel im HMA „Der deutsche Mineneinsatz auf der Donau 1944/45, wo dasKriegsgeschehen um die Festung Preßburg ausführlich behandelt wird.http://historisches-marinearchiv.de/sonstiges/artikel/donauverminung2.php204 Vergleiche dazu auch Renato Schirer, Die Reichsbrücke im Zweiten Weltkrieg, in PRO CIVITATE AUSTRIAE,Informationen zur Stadtgeschichtsforschung in Österreich, Heft 17, 2012, S. 81—108, wo das Ringen um dieDonaubrücken eingehend dargestellt wird. Eine wesentlich erweiterte Fassung findet sich unter:http://www.döbling.com/data/documents/DIE-REICHSBRUeCKE-.xps205 Der wahre Hintergrund dieses Auftrages wurde „Winnetou“ natürlich nicht bekanntgegeben. In der diesbezüglichenMeldung an das K.d.K. heißt es, dass genaue Anweisungen zu dieser Aufgabe erst später erteilt werden.206 TNA, DEFE 3/684, S. 846 f. (1.4.1945). Nach der Auflösung von „Apache“ standen „Winnetou“, neben den„Meereskämpfern“, nun auch „Linsen“ für einen Einsatz zur Verfügung.207 Ebd., S. 877 (3.4.1945).

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der Einsatzleiter die Absichten von General der Infanterie von Bünau, hinsichtlich der Sicherungder Donaubrücken und ihrer allfälligen Zerstörung erkunden.208 Vor allem aber sollte auf diesemWege der Kampfkommandant auch über das Sonderkommando und seine Einsatzmöglichkeiten, imFalle des Scheiterns einer Sprengung der Donaubrücken, informiert werden.209

Die chaotischen Umstände in Wien verhinderten in der Folgezeit sowohl eine entsprechendeErkundung der in Frage kommenden Brücken, als auch die Durchführung von vorbereitendenMaßnahmen, welche für ein solches Unternehmen unabdingbar waren. Daher konnte man unterdiesen Umständen kaum mit einer erfolgreiche Durchführung dieses K.-Einsatzes rechnen. Auchder Abtransport der nicht benötigten Teile von „Winnetou“ verzögerte sich erheblich, da dieTransportkommandantur Wien die erforderlichen Waggons nicht bereitstellen konnte.210

Mittlerweile war die nach Westen führende Bahnlinie durch ständige Bombardements desBahnknotens St. Pölten, durch die 15. US-Luftflotte, unterbrochen. So kam für diese Aufgabe nurmehr die nördlich der Donau, über Sigmundsherberg und Gmünd (Ceské Velenice), ins Protektoratführende Strecke in Frage. Auf dieser befand sich auch der zweite Transport von „Apache“, dessenFahrt hier am 6. April, am Bahnhof Göpfritz an der Wild, endete.211 Auch die aus Wienabtransportierten Teile von „Winnetou“ wird es wohl ähnlich ergangen sein.

Am Abend des 6. April 1945 musste auf Befehl des Kampfkommandanten die erste von den WienerDonaubrücken, die Stadlauer-Ostbahnbrücke, gesprengt werden, um eine Inbesitznahme durch dieim Südosten der Stadt zur Donau vorrückenden Truppen der 3. Ukrainische Front zu verhindern.Dieses Ereignis wurde vor Hitler, wegen seines Befehls der jegliche Brückensprengung untersagte,bis zum 9. April 1945 geheim gehalten. Am diesem Tag meldete um 17:00 Uhr die Funkstation von„Apache“ dass der Transport noch immer in Göpfritz stehe und auf Anordnung derTransportdienststellen mittlerweile den Zug frei gemacht hatte, da an ein Weiterkommen vorerstnicht zu denken sei. In Bezug auf das Sonderkommando „Winnetou“ wurde berichtet, das man vonder Dienststelle „Kommandant der Donauübergänge“ (Kommandeur Heeres-Pionierbrigade 127)einen schriftlichen Befehl bekommen habe, der besagte, dass für das Sonderkommando „Winnetou“kein weiterer Bedarf mehr bestehe und dessen Spezialauftrag hinfällig geworden sei.212 Dies istsomit der letzte bekannte Hinweis auf das Sonderkommando „Winnetou“.

Nach den vorliegenden Funkmeldungen ist zu vermuten, dass „Winnetou“ bereits in derAnfangsphase des Kampfes um Wien seine Funkstelle verloren hatte, oder technische Probleme dieAufrechterhaltung der Funkverbindung zum K.d.K. verhinderten.213 Bis zum 10. April 1945adressierte die Funkstelle des K.d.K. ihre Funksprüche noch nachrichtlich an „Winnetou“.214 Nachdiesem Zeitpunkt gab es dann keinerlei Sprüche adressiert an „Winnetou“ mehr. Ab dem 4. April1945 wurde nur mehr mit der Funkstelle von „Apache“, die es hier im Großraum Wien eigentlichgar nicht mehr geben sollte, ein Funkverkehr aufrechterhalten. Es darf angenommen werden, dassdas Sonderkommando „Winnetou“ mit der Beendigung der Kampfhandlungen in Wien, am 14./15.April 1945, zumindest als Organisationseinheit, nicht mehr existierte. Eine Laune des Kriegsgotteswollte es, dass letztlich genau jener Fall eintrat, den der Chef des Stabes der Heeresgruppe zurMonatswende März/April befürchtete. Nämlich das eine der Donaubrücken unversehrt in die Handdes Gegners fallen könnte. Es war dies die tagelang hart umkämpfte Reichsbrücke, welche amAbend des 13. April 1945, als sich die deutschen Truppen aus dem Bereich der am linken Ufergelegenen Vorbrücken zurückziehen mussten, nicht mehr gesprengt werden konnte. So konnte die

208 Der Kampfkommandant General der Infanterie von Bünau war erst am Abend des Vortages in Wien eingetroffen.209 Dem Kampfkommandanten wurde für diese Aufgabe die Heeres-Pionierbrigade 127 unterstellt.210 TNA, DEFE 3/684, S. 926 f. (4.4.1945). Geplant war Wien am Vormittag des 4.4.1945 zu verlassen.211 Ebd., S. 1025 (7.4.1945).212 Ebd., S. 1232 (9.4.1945).213 Die letzte im Bestand DEFE 3/684 vorhandene Funkspruch von „Winnetou“ ist vom 4.4.1945 (S. 926 f.).214 TNA, DEFE 3/684 S. 1239 (10.4.1945).

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Rote Armee diesen wichtigen Donauübergang mit nur geringen Beschädigungen in Besitz nehmen.In diesem Zusammenhang wäre noch anzumerken, dass nach der Einnahme von Wien durch diesowjetischen Truppen nicht die geringste Chance bestand die Brücke eventuell noch durchKampfschwimmer oder Sprengboote zu zerstören.215 Um von dem noch von der Wehrmachtgehaltenen linken Donauufer, oberhalb des Gaues Groß-Wien, bis zur Reichsbrücke vorzustoßen,hätte man drei gesprengte und im Strom liegende Brücken überwinden müssen.

Eine allerletzte Meldung zur Donau, vom 23. April 1945, die sich im Bestand DEFE 3 im LondonerNational Archiv überliefert hat, zeigt deutlich das Zusammenrücken von West- und Ostfront. Denndas von der Wehrmacht gehaltene Gebiet wurde von Tag zu Tag kleiner, mittlerweile hatten diewestlichen Alliierten das Reichsgebiet in einen Nordraum und einen Südraum aufgespalten. Die inLondon dechiffrierte Meldung besagte das ein Marine-Spezialkommando zum Einsatz auf derDonau zwischen Donauwörth und Dillingen zum Einsatz bereit stünde. Es handelte sich um fünfGruppen zu jeweils drei Kampfschwimmern. Jeder dieser Kampfschwimmer sei mit zwei 5 kgschweren Sprengstoffpaketen und den entsprechenden Zündmitteln ausgestattet. Ihre Aufgabe wares im Morgengrauen des 24. April 1945, im Hinterland des Gegners, die bereits im Besitz derAlliierten befindliche Brücken zu sprengen um den Nachschub zu stören.216 Dieser wohl letzteEinsatz von Kampfschwimmern auf der Donau, wenn er denn überhaupt zur Ausführung kam,dürfte in keinem Zusammenhang mit „Winnetou“ gestanden haben.

Schematische Darstellung eines Angriffs auf große Brückenpfeiler mit vier Meereskämpfern und schwerenSprengpäckchen (NARA, Foreign Military Studies).

215 Der aktuelle Forschungsstand findet sich bei Renato Schirer, Die Reichsbrücke im Zweiten Weltkrieg, in PROCIVITATE AUSTRIAE, Informationen zur Stadtgeschichtsforschung in Österreich, Heft 17, 2012, S. 81—108.216 TNA, DEFE 3/570 S. 382. Die Meldung lag entschlüsselt am 24.4.1945 um 12:17 Uhr vor, der Einsatz war andiesem Tag bereits im Morgengrauen erfolgt. Dieses Beispiel zeigt recht deutlich, dass nicht jede abgehörteInformationen für die kämpfende Truppe auch von direktem Wert war.

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Das Sonderkommando „Sioux“Die bisher in Ungarn eingesetzt gewesenen Teile von Glatze sammelten um die MonatswendeJanuar/Februar 1945 im Wiener Raum, um hier neu formiert zu werden. Weitere Teile desSonderkommandos, welche man vorsorglich für einen Einsatz auf Drau und Donau nach Kroatienverbracht hatte, befanden sich noch im Raum Agram (Zagreb). Wegen der ständig blockiertenBahn- und Straßenverbindung, welche durch das von den Partisanen beherrschte Gebiet derUntersteiermark und Krain führten, entschloss man sich diese Teile an Ort und Stelle aufzulösen, daan eine Rückholung nach Wien in absehbarer Zeit nicht zu denken war.217 Nachdem die Teile deraufgelösten K.-Flottille 217, unter dem Kommando von Oberleutnant z. S. Müller-Voß, inGänserndorf eingetroffen war, wurde hier mit der Aufstellung von zwei neuen Sonderkommandosder Marine, jeweils für die Heeresgruppe Süd und F, begonnen. Dafür standen neben demNeuzugang aus Schleswig-Holstein auch Personal und Gerät des aufgelösten Sonderkommandos„Glatze“ und des 1. Zuges des M.E.K. 71, welcher ebenfalls der Auflösung anheimfiel, zurVerfügung.218 Bereits nach drei Tagen Aufenthalt in Gänserndorf wurde der für die Heeresgruppe Fbestimmte Verband unter Oberleutnant z. S. Dr. Müller-Voß im Bahntransport weiter nach Agrambefördert.219 Hier blieb das vorerst noch namenlose Sonderkommando einige Tage, die dazu benütztwurden um das von „Glatze“ zurückgebliebene Personal und Gerät einzugliedern.220

Erst mit dem Eintreffen im neuen Einsatzraum änderte sich die Bezeichnung der Einheit aufSonderkommando „Sioux“.221 Die Aufgabe des Sonderverbandes sollte es sein, hier im Bereich derHeeresgruppe F und in Kooperation mit der Heeresgruppe Süd gegen die stromabwärts vonBudapest gelegenen Donauübergänge des Gegners zu operieren.222

Alte Ansicht von Aljmas (ungarisch Almás, deutsch Apfeldorf), heuteein Teil der kroatischen Gemeinde Erdut. (Postkarte um 1930).

217 TNA, DEFE 3/683, S. 620 f. (22.2.1945). Vergleiche dazu den ähnlichen Vorgang, die Auflösung der für den Drau-Bereich vorgesehen Kampfschwimmer-Gruppe von „Winnetou“ in Wien, wegen der fehlenden Transportmöglichkeit.218 Oberleutnant zur See Dr. Ullrich Müller-Voß war ursprünglich als Flottillenchef der in Aufstellung befindlichen K.-Flottille 217 vorgesehen. Oberleutnant Gerhard Greß war als Gruppenführer und Leutnant Alfred Mohr Führer desFernlenkzuges in Aussicht genommen.219 Meyer, Mit Seesack, S. 79.220 Ebd. und TNA, DEFE 3/683, S. 620 f. (22.2.1945).221 In DEFE 3/683, S. 620 (22.2.45) werden die neuen Tarnbezeichnungen für die Einsätze Donau und Drau bestätigt.Funksprüche mit der Kennung „Sioux“ wurden erstmals am 8.3.1945 aufgenommen.222 TNA, DEFE 3/683, S. 43 (15.2.1945). Meister, Seekrieg, S. 322, nennt folgende Zusammensetzung:Sprengbootkompanie, Marine-Einsatzkompanie, Sprengkompanie mit Torpedosätzen (wohl TMB).

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„Sioux“ richtete seine Basis in Aljmas, einer kleinen am rechten Donauufer gelegenen Ortschaftein. Die Lage des Ortes, unmittelbar unterhalb der Einmündung der Drau, machte ein Befahren vonbeiden Flüssen möglich.223 Als hauptsächliches Einsatzgebiet war die Donau vorgesehen, wobeisich der Einsatzbereich flussaufwärts bis nach Baja und flussabwärts bis nach Novi Saderstreckte.224 So günstig die die Basis auch gelegen war, das umliegende unwegsame Gebiet, heuteein Nationalpark, wimmelte von Partisanen welche das Sonderkommando ständig im Augebehielten. Es konnte daher nur eine Frage der Zeit sein, bis die Aktivitäten des Sonderkommandosauch der gegnerischen Seite zur Kenntnis kamen.

Die Mündung der Drau in die Donau bei Aljmas (Postkarte).

Bereits unmittelbar nach der Ankunft in Aljmas wartete ein erster Auftrag auf dasSonderkommando. Mit Hilfe zweier „Linsen“ sollte ein Kundschafter, vermutlich war es einAngehörigen eines Frontaufklärungs-Kommandos, am feindbesetzten linken Donauufer abgesetztwerden. Während die Besatzung einer „Linse“ die Anlandung mit ihren Handwaffen sicherte,brachte das andere Boot den Agenten sicher an Land. Nach erfülltem Auftrag kehrten beide„Linsen“ unbehelligt nach Aljmas zurück. Der Erfolg des Unternehmens blieb zweifelhaft, da kurznach der Umkehr der Boote, in dem Bereich wo man den Mann abgesetzt hatte, ein heftigerSchusswechsel zu hören war.225 Als man im Einsatzraum angekommen war, musste man mitBestürzung feststellen, dass eine Fernsteuerung der mit Sprengstoff beladenen Linsen, sowieursprünglich vorgesehen, wegen der starken Strömung auf dem Strom kaum möglich war. Dahermusste eine andere Einsatztaktik gefunden werden. Diese überraschende Erkenntnis war besondersbitter, da man unmittelbar vor den Frühjahrsoffensiven stand, dem Unternehmen

223 Meyer, Mit Seesack, S. 79. Aljmas ist ein kleines Dorf südlich der Mündung der Drau und Teil der slawonischenGemeinde Erdut in Ostkroatien. Der Ort liegt direkt am rechten Donauufer bei Stromkilometer 1380,50.224 Meister, Seekrieg, S. 332.225 Meyer, Mit Seesack, S. 80.

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„Frühlingserwachen“ im Bereich der Heeresgruppe Süd und „Waldteufel“ im Bereich des OB.Südost (Heeresgruppe F und E).

Als Alternative zur Fernlenkung wollte man die „Versenklinsen“, ohne die Fernsteuerung zubenutzen, unter dem Schutz der im Nahkampf ausgebildeten Einsatzgruppe einsetzen. DerenMänner sollten auf drei „K.-Linsen“ verteilt werden und die Sprengstoffträger bis zum Zieleskortieren. Die beiden Männer, welche den „Versenklinse“ ins Ziel steuerten, sollten ihr Fahrzeugdann unmittelbar vor der zu erwarteten Detonation verlassen. Wegen der vor dem Beginn derOffensiven verhängten Funkstille konnte diese Änderung nicht an das K.d.K. gemeldet werden.Erschwerend war, dass selbst die Seekriegsleitung wegen der von Hitler verordneten besonderenGeheimhaltung über das Vorhaben erst mit Angriffsbeginn informiert wurde. So rätselte das K.d.K.,aber auch der K.-Stab z.b.V., über das Ausblieben der täglichen Lagemeldungen und den Verbleibdes Sonderkommandos.

Batina/Bezdan und Apatin. Der neue Einsatzraum von „Sioux“, die Donau zwischen Mohács und der Mündung derDrau (Drava). NARA RG 242, Fliegerkarte 1:500000 L 34-SW BELGRAD (Ausschnitt).

Das Kriegstagebuch der Heeresgruppe Süd vermerkte am 1. März 1945 erstmals, dassKleinkampfmittel der Kriegsmarine für einen Einsatz gegen die feindlichen Donau-Übergangsstellen bei Batina und Baja, nach Absprache mit dem Verbindungsoffizier derKriegsmarine bei der Heeresgruppe Süd, zur Verfügung stehen.226 Für einen derartigen Einsatz kamvorerst nur „Sioux“ in Frage, da nur hier ein Zugang zur Donau im Abschnitt unterhalb vonBudapest gegeben war. Bei den angesprochenen Übergangsstellen bei Baja handelte es sich um eine

226 NARA MF T-311 roll 162. KTB HGr. Süd, 1.3.1945, S. 4.

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Brücke im ungarischen Bereich der Donau bei Stromkilometer 1480. Der wichtige Übergang direktin der Hauptstoßrichtung der Offensive sollte unbedingt zerstört werden und befand sich etwa 80Kilometer unterhalb der bereits bekannten Brücke bei Dunaföldvar, wo im Januar 1945 der ersteEinsatz der K.-Verbände im Südostraum gescheitert war.

Im Bereich Serbien und Kroatien galt als primäres Ziel die von russischen Pionieren, im Bereich derStromenge bei Kilometer 1425, errichtete Pontonbrücke welche die serbischen Stadt Bezdan mitdem kleinen kroatischen Ort Batina verband. Hier lagen die Erfolgsaussichten wesentlich günstigerals in Ungarn, da sich der Übergang nur 45 km oberhalb des Basislagers befand. Die Brücke beiBaja war schon von der Erreichbarkeit her ein unlösbares Problem. Hier mussten die Linsen 100 kmbergwärts fahrend, gegen die starke Strömung ankämpfen. Doch das größte Hindernis war, dass aufhalber Strecke noch die Pontonbrücke von Batina zu überwinden war. Sieht man sich hier dieDetailkarte bezüglich des Verlaufs der Donau in diesem Bereich an, so stellt sich unweigerlich dieFrage, wie diese Engstelle bei Batina, wo sich auch die russische Pontonbrücke befand, überhauptüberwunden werden sollte.

Oberleutnant zur See Dr. Müller-Voß

Der Einsatzleiter Oberleutnant z. S. Dr. Müller-Voß, völlig auf sich gestellt und ohne Funkkontaktzum K.d.K., musste, nach dem Motto „Befehl ist Befehl“, den Auftrag wohl oder übel exekutieren.Der Zeitdruck war derartig groß, dass man nicht nur auf jegliche Erkundung und Vorbereitungverzichten musste sondern die Abstrusität dieses Unternehmens gar nicht realisierte. Obwohl dieGroßoffensive bereits in den Morgenstunden des 6. März begonnen hatte, konnte Sioux“ erst in derNacht vom 7. auf den 8. März 1945 antreten. Mit Einbruch der Dämmerung eskortierten drei K.-Linsen die Sprengstoffträger auf ihren gefahrvollen Weg. Doch das Schicksal hatte Einsicht mit denMännern, eine „Linse“ nach der anderen fiel mit defekten Motoren aus und das Unternehmenmusste bereits in der Anfangsphase abgebrochen werden.227 Die Motoren der schwer beladenen undvollbesetzten „Linsen“ waren für eine lange Fahrt gegen die starke Strömung, so wie sie auf der

227 TNA, DEFE 3/684, S. 118 (8.3.1945).

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Donau gegeben war, einfach nicht ausgelegt. Die bekannten Probleme mit dem Ford V-8 Ottomotorder „Linsen“ sorgten dafür, dass dieses wahnwitzige Unternehmen für die Beteiligten einigermaßenglimpflich ausging. Der einzige messbare Erfolg des nächtlichen Unternehmens beschränkte sichauf die Gewinnung einiger Erkenntnisse über die am Ufer liegenden gegnerischen Stellungen.

Als in der Funkzentrale des K.d.K., nach einer langen Periode des Schweigens, am 8. März 1945ein Funkspruch von „Sioux“ empfangen wurde, gab dieser Rätsel auf. Darin wurde ein Abbruch desUnternehmens wegen zahlreicher technischer Defekte gemeldet und die Durchführung desUnternehmens „Batina“ für die nächste Nacht angekündigt.228 Da man weder beim K.d.K. nochbeim K.-Stab z.b.V. etwas über diese Vorhaben wusste, wurde am nächsten Tag folgenderFunkspruch abgesetzt: Welches Unternehmen wurde abgebrochen? Was war das Objekt desUnternehmens? Was ist die „Batina-Gruppe“?229 Erst mit der noch am selben Tag eingehendenAntwort kam Klarheit in diese Angelegenheit. Zu diesem Zeitpunkt war bereits das Scheitern derzweiten Operation bekannt, welche sich in der vergangenen Nacht gegen die russischePontonbrücke bei Batina gerichtet hatte.230

Beim Unternehmen „Batina“ waren vier „K.-Linsen“ und fünf „Versenklinsen“ zum Einsatzgekommen, doch nur eine „K.-Linse“ erreichte die 45 km stromaufwärts gelegene Pontonbrücke.Dabei kam zu einem kurzen Geplänkel mit der Brückenwache, wobei aus der „K.-Linse“ auch einePanzerfaust abgefeuert wurde, anschließend kehrte die Besatzung ohne Verluste zur Basis zurück.Von der Verunsicherung des Gegners abgesehen, dürften sich der Schaden an der Pontonbrücke inGrenzen gehalten haben, ebenso dürften die Angaben über die Verluste des Gegners, von mehr alszehn Mann, übertrieben gewesen sein. Letztlich war es für die Sowjets nicht mehr als einNadelstich, für die deutsche Seite war die Bilanz jedoch eine Katastrophe. Drei „K.-Linsen“ unddrei „Versenklinsen“ waren noch vor dem Ziel durch Motorschäden ausgefallenen und zwei„Versenklinsen“ galten als vermisst und mussten mit der Besatzung von vier Mann als Totalverlustangesehen werden.231

Beide Unternehmungen scheiterten an den fehleranfälligen Bootsmotoren. Die wohlkonstruktionsbedingten Mängel, wie ungenügende Kühlleistung und häufige Vergaserausfälle durcheindringendes Spritzwasser, waren durch keine noch so hohe Motivation wettzumachen.232 DieSerie der technischen Probleme riss nicht ab, so wurde am 11. März vor einer Verwendung derTMB-Pakete gewarnt, auf deren Einsatz man so große Hoffnungen gesetzt hatte.233 Nach demFiasko mit den „Linsen“ hatten nun auch die Kampfschwimmer ein ernsthaftes Problem.234

Nachdem sich die Angriffskraft der deutschen Armeen verbraucht hatte trat die Rote Armee am 16.März 1945 zur Gegenoffensive an. In diesem Zusammenhang sollte auf Befehl der Heeresgruppe Edas gescheiterte Unternehmen gegen die Pontonbrücke zwischen Bezdan und Batina in der Nachtvom 16. auf den 17. März 1945 wiederholt werden. Der Angriff wurde prompt zu einemneuerlichen Fiasko. Bereits von Anfang an stand das Unternehmen unter keinen guten Stern. So fielbereits bei der Abfahrt der Motor eine „Versenklinse“ wegen eines Wasserschlages im Zylinder aus.

228 TNA, DEFE 3/684, S. 118 (8.3.1945).229 Ebd., S. 126 (9.3.1945).230 Ebd., S. 128 u. 357 (9.3.1945).231 Ebd., S. 128 (9.3.1945). Die Schilderung der „Linsen“-Einsätze im Buch von Karl Meyer, auf Seite 80 f., lassen sichim Einzelnen nicht nachvollziehen. Hier dürfte es sich um eine Zusammenziehung des erlebten Geschehens ausmehreren Einsätzen handeln.232 Ebd., S. 118 (8.3.1945), S. 126 und S. 357 (9.3.1945). Bei den „Linsen“ verwendete man einen handelsüblichenFord V-8 Motor, dessen Modifizierung zum Bootsmotor mit Fehlern behaftet war.233 Ebd., S. 161 (11.3.1945). Die Uhrwerkschalter in den TMB-Paketen funktionierten nicht. Diese Nachricht ging auch„Winnetou“ und „Apache“. Bei der Torpedo-Mine B, mit der Kurzbezeichnung TMB handelte es sich um eineGrundmine mit 580 kg Sprengladung welche ursprünglich für den Einsatz in U-Booten gedacht war.234 Ebd., S. 247 (12.3.1945). Die Nachricht für „Winnetou“ war an den dortigen Sperrwaffenoffizier OberleutnantBartsch gerichtet.

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Bald nach dem Start fiel eine „K.-Linse“ aus, nach kurzer Fahrt folgten zwei „Versenklinsen“ nach,die alle Probleme mit dem Kühlsystem bekamen.235 Die weiter stromaufwärts fahrenden „Linsen“trafen bei Apatin auf eine russische Sperre und wurden von zwei am Ufer postierten Scheinwerfernerfasst und mit Maschinenwaffen bekämpft. Da an eine weitere Durchführung des Auftrags, mit nurzwei einsatzklaren „Linsen“, ohnehin nicht zu denken war, brach man das Unternehmen ab.236 Nachdiesem neuerlichen Versagen meldete der Einsatzleiter, dass keine neuen Operationen mehrdurchgeführt werden können, solange die technischen Mängel nicht behoben wären.237 DieHeeresgruppe Süd, deren Frontlinie bereits weit hinter dem Plattensee lag und sich derReichsgrenze näherte, hatte mittlerweile das Interesse an der Pontonbrücke bei Batina verloren.Daher wandte sich die Heeresgruppe E, der „Sioux“ unterstellt war, lohnenderen Zielen zu, diestromabwärts von Aljmas lagen. Hier versprach man sich auch wesentlich günstigereErfolgsaussichten.238

Der Bereich der Fährstellen der Roten Armee bei Sarengrad und Ilok. NARA RG-77, AMS M501, 1:250000(Ausschnitt).

Nach Ansicht des Heeresgruppe E kam hier in erster Linie die Bekämpfung der von den russischenPionieren betriebenen Fährstellen bei den Ortschaften Sarengrad (Stromkilometer 1306) und Ilok(km 1298,80) in Frage. Gegen die Fähren bei Sarengrad und Ilok wollte man jeweils drei Boote

235 TNA, DEFE 3/684, S. 258 (16.3.1945).236 BArch-MArch, RM 7/852. KTB der Skl. Teil D, Ergänzungen Teil I, 14.3—20.4.1945, S. 55, (19.3.1945); zitiert nachKobelt, M.E.K., S.136 f.237 TNA, DEFE 3/684, S. 258 (16.3.1945).238 Die Heeresgruppe E übernahm ab dem 23. März das Kommando über den Bereich der bisherigen Heeresgruppe F.Generaloberst Löhr, der O.B. der Heeresgruppe E, wurde als Nachfolger von Generalfeldmarschall von Weichs, der indie Führerreserve versetzt wurde, der neue O.B. Südost.

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einsetzen, wobei eine „K.-Linse“ den Feuerschutz von zwei „Versenklinsen“ übernehmen sollte.Unter Verzicht auf die Fernsteuerung sollten die Sprengboote bis zum Ziel eskortiert werden.239 MitHilfe der Strömung rechnete man damit das Ziel rasch zu erreichen, trotzdem war ein derartigerVorstoß auf der nächtlichen Donau ein gewagtes Unternehmen. Besonders wenn der Gegner bereitsalarmiert ist und die Boote gegen die starke Strömung, vorbei an feindbesetzten Ufer, zur Basiszurück mussten. Zu diesem Zeitpunkt arbeitete man in Aljmas fieberhaft daran, möglichst vieleBoote einsatzbereit zu bekommen und die Mängel an den Antriebsaggregaten zu beseitigen.Entsprechend den Angaben der Instandsetzungsstaffel rechnete man frühestens mit der Möglichkeiteiner Durchführung während der Nacht vom 25. auf den 26. März 1945.

Bei den gewünschten Einsätzen gegen Sarengrad und Ilok handelte es sich um schwierige, aberdurchaus erfüllbare Aufgaben. Hier konnte die rund 80 km Fahrt flussabwärts, mit Hilfe derStrömung, rasch erfolgen. Doch dabei blieb es nicht, auch bei der Heeresgruppe E konnte man eseinfach nicht lassen, nach den Sternen zu greifen. So wurden, neben Sarengrad und Ilok, auch dievermutlich bereits wiederhergestellte Donaubrücke bei Novi Sad und jene über die Save bei Sabacals lohnende Ziele vorgegeben, obwohl dazu nicht einmal aktuelle Luftbilder vorlagen.240

Die von der Heeresgruppe E vorgegeben Ziele, weit im Hinterland der Front. Novi Sad an der Donau und die an derSave gelegene Stadt Sabac. NARA, RG-242, Fliegerkarte 1:500000 Belgrad (Ausschnitt).

Liest man diese Zielvorgaben, so könnte man den Eindruck gewinnen, dass Heer wollte die lästigenKleinkrieger einfach loswerden, den die Städte Novi Sad und Sabac lagen weit im Hinterland dersowjetischen Front. Nach den bisherigen Erfahrungen lag Novi Sad an der Grenze des Machbaren.An ein weiteres Vordringen bis in den Raum Belgrad war bei der damaligen Frontlage überhaupt

239 TNA, DEFE 3/684, S. 508 f. (21.3.1945).240 Ebd.

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nicht zu denken und die Vorstellung von der Donau aus über die Save bis zur Brücke von Sabacvorzudringen muss als eine Utopie abgetan werden. Es war das gleiche Wunschdenken und derselbeEinsatzraum, damals war es die Heeresgruppe F, welcher zur Monatswende Oktober/November1944 zum Einsatzs von K.-Mitteln im Südosten geführt hatte. Um den Vorstellungen derHeeresgruppe entgegen zu kommen bezog man zumindest Novi Sad in die Planung ein, wasimmerhin eine Fahrtstrecke von jeweils 120 km für die Hin- und Rückfahrt erforderte.

Bezüglich Sarengrad und Ilok hatte man sich zu der Einsicht durchgerungen, dass der ursprünglichvorgesehene Plan, zumindest für die Besatzungen der Sprengstoffträger, einemSelbstmordkommando gleichkam. Daher modifizierte man das Vorhaben dahingehend, dass manauf den Einsatz der klassischen „Versenklinsen“ verzichtete. Zusätzlich bezog man auch einenVorstoß nach Novi Sad in das Unternehmen ein. Die sieben einsatzbereiten „Linsen“ wollte manauf drei Gruppen aufteilen. Drei sollten gegen Sarengrad eingesetzt werden und jeweils zwei gegenIlok und Novi Sad. Jeder Bootsbesatzung wurde mit 50 kg an Sprengmitteln ausgestattet, mit derenHilfe möglichst viele Fähren und Schiffe des Gegners ausgeschaltet werden sollten. Einen Einsatzgegen eine Donaubrücke, so wie es im Fall von Novi Sad ursprünglich vorgesehen war, konnte manmit dieser Menge Sprengstoff sicherlich nicht durchführen. Des Weiteren lautete der Auftrag an dieBesatzungen, möglichst umfassende Erkenntnisse über den gegnerischen Schiffsverkehr und überdie mittlerweile errichteten Behelfsbrücken und Fähren zu gewinnen.241

Der „Dreifachschlag“ kam so wie vorgesehen in der Nacht vom 25. auf den 26. März 1945 zurAusführung. Zur Überraschung aller, konnte die für den Raum Novi Sad bestimmte Gruppe alseinzige ihre Mission erfolgreich ausführen, obwohl sie den weitesten Weg durchs feindbesetzteGebiet zurückzulegen hatte. Unter der Ausnützung des Überraschungsmoments gelang es dreiMotorfrachter von jeweils 500 Tonnen, einer davon war mit Getreide beladen und einen hölzernenKahn von etwa 300 Tonnen zu versenken. Bei einer weiteren Aktion, es handelte sich um einkleines Motorschiff, konnte der Erfolg nicht mehr beobachtet werden. Vor dem Antritt derRückfahrt konnte noch jeweils eine Sprengladung an einem Verladekran und an einer Lagerhalleangebracht werden. Auf dem Weg zurück zur Basis konnte noch eine Fähre und ein Schlepperdurch Sprengladungen außer Betrieb gesetzt werden.242 Obwohl, nach einer gewissen Verzögerungdurch die Überraschung, eine starke Gegenwehr einsetzte, kam die Gruppe ohne Verluste zurück.

Doch nun war der Gegner gewarnt und die für Ilok vorgesehene Gruppe wurde schon von zweisowjetischen Monitoren erwartet. Es gelang noch eine Panzerfaust abzufeuern, dann waren dieBoote zur Umkehr gezwungen, wobei eine „Linse“ einen Treffer abbekam und drei Soldatenverwundet wurden. Auch der für Sarengrad bestimmten Gruppe gelang es nicht den zugewiesenenAuftrag zu erfüllen. Die drei Linsen mussten wegen des starken Abwehrfeuers, welches bereitsunmittelbar nach dem Verlassen der Basis einsetzte, umkehren.243 Der Vorstoß bis auf Höhe vonNovi Sad war wohl ein einmaliger und kaum zu wiederholender Glücksfall, der unter Ausnutzungdes Überraschungsmoments gelang. Der erfolgreiche Teil des Unternehmen, jener gegen Novi Sad,wurde in der Folge propagandistisch überhöht und weidlich ausgeschlachtet. So fand er auchEingang in den Wehrmachtsbericht vom 29. März 1945: „Sprengboote der Kriegsmarine versenktenauf der Donau bei Neusatz vier Flussschiffe und sprengten Fähr- und Verladeeinrichtungen sowieMateriallager der Sowjets in die Luft“.244 In Zusammenhang mit diesem Vorstoß erwähnt JürgMeister in seinem Werk über den Seekrieg in osteuropäischen Gewässern, dass die Besatzungen der

241 TNA, DEFE 3/684, S. 522 (23.3.1945).242 BArch-MArch, RM 7/852. KTB der Skl. Teil D, Ergänzungen Teil I, 14.3—20.4.1945, S. 55; zitiert nach Kobelt,M.E.K., S.136 f. und DEFE 3/684, S. 621A (27.3.1945) u. S. 709 (29.3.1945).243 TNA, DEFE 3/684, S. 621A (27.3.1945).244 Wehrmachtsbericht vom 29.3.1945. Das Ereignis wurde auch in den Wiener Tageszeitungen kundgemacht.

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„Linsen“ den bevorstehenden sowjetischen Aufmarsch rechtzeitig erkannt hätten, doch dieseMeldungen vom Heer als wenig wahrscheinlich abgetan wurden.245

Zur Zusammenarbeit der Heeresgruppe mit den Kräften der Kriegsmarine wäre anzumerken, dassdie von Generaloberst Löhr geführte Heeresgruppe E in der Vergangenheit stets kooperativgewesen war. Diese Zusammenarbeit basierte auf den gemeinsam durchgeführten zahlreichen undoft auch verlustreichen Operationen zur Versorgung und Räumung der Inselfestungen in der Ägäis.Als Indiz für die gedeihliche Zusammenarbeit darf gelten, dass der bewährte M.V.O. derHeeresgruppe, als einziger von den im Südostraum tätigen Verbindungsoffizieren bis zurKapitulation in seiner Funktion verblieb. Ein Funkspruch des K.d.K. forderte am 22. März 1945 diebisherigen Erfahrungen beim Einsatz von Treibminen zu berichten. Der Grund des Interesses war,dass die Mitte Februar angeforderten 100 Kugel-Treibminen 41 samt Zubehör im Sperrwaffen-Arsenal in Linz-Ebelsberg eingetroffen waren.246 Die Antwort lautete, dass das Ablassen vonTreibminen bisher durch Pioniere des Heeres erfolgt sei, ohne das ein Erfolg zu erkennen war.Böses ahnend, fügte der Einsatzleiter vorsorglich hinzu, dass im hiesigen Bereich kein Bedarf anKugeltreibminen gegeben sei und er auch keine Möglichkeit zum Einsatz von TMB-Paketensehe.247

Seit dem 23. März hatte die Heeresgruppe E den Oberbefehl über dem gesamten Balkanraumübernommen. Die unter dem Oberbefehl von Generaloberst Löhr stehende Heeresgruppe hatte sichvon Griechenland aus, ständig bedrängt durch griechische, albanische und jugoslawischePartisanenverbände und die 3. Ukrainische Front, durch das winterliche Balkangebirgezurückgekämpft. Nun näherte sich die Front langsam der Reichsgrenze und die Heeresgruppe warin schwere Abwehrkämpfe mit dem nachdringenden Gegner gebunden. Die großen Aufgaben,welche die hier eingesetzten K.-Verbände ohnehin zumeist überfordert hatten, waren nun vorbei.Von der nahen Front war bereits der Kanonendonner zu hören und die Partisanen machten sich nunauch in unmittelbarer Nähe der Basis bemerkbar. Nach vereinzelten Zusammenstößen mit kleinerenGruppen plante man für die Zeit nach dem Osterfest ein größeres Unternehmen in der Umgebungvon Aljmas. In der Nacht vom 4. auf den 5. April wurde gemeinsam mit Heerestruppen einbefestigter Stützpunkt gleichzeitig vom Wasser und vom Land aus angegriffen und zerstört.248 Miteiner erheblichen Verspätung meldete der kroatische Wehrmachtsbericht am 9. April einen voneiner Marineeinheit durchgeführten Handstreich gegen einen an der Donau gelegenen sowjetischenStützpunkt, wobei die dortigen Befestigungen nachhaltig zerstört wurden.249

Zu Anfang des Monats April 1945 verdichteten sich die Anzeichen für eine Offensive in Syrmiendurch die jugoslawischen Partisanenverbände.250 Wohl in diesem Zusammenhang verlangte dasK.d.K. unverzüglich über die Absichten für die nächste Zukunft zu berichten und den aktuellenStand der „Linsen“, Sprengmittel und Kraftfahrzeuge zu melden.251 Kurz danach forderte er denEinsatzleiter auf sofort Kontakt mit der Heeresgruppe, bezüglich eines Abzuges aus demEinsatzraum, aufzunehmen. Nach Ansicht des K.d.K. gab es hier keine lohnenden Ziele mehr undes bestand die akute Gefahr im Falle einer Offensive vom Gegner überrollt oder abgeschnitten zuwerden. Das Ergebnis der Kontaktaufnahme mit der Heeresgruppe sollte sofort gemeldet werden.252

245 Meister, Seekrieg, S. 332.246 BArch-MArch RM 61-IX-2, KTB IMRDD, 15.2.1945.247 TNA, DEFE 3/684, S. 495 (22.3.1945) und S. 709 (29.3.1945).248 Karl Meyer, Mit Seesack, S. 82 f.249 TNA, DEFE 3/684, S. 881 (4.4.1945) und Kobelt, MEK, S. 137.250 Erich Schmidt-Richberg, Der Endkampf auf dem Balkan, Heidelberg 1955, S. 118 f.251 TNA, DEFE 3/684, S. 881 (4.4.1945). Das K.d.K. forderte mit selben Datum Informationen über die nächstenVorhaben an. Ebenso sollte der Bestand an Linsen, Sprengmittel und Kraftfahrzeugen gemeldet werden (S. 898).252 Ebd., S. 900 (4.4.1945, 23:24 Uhr).

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Links: Frontverlauf (punktiert eingezeichnet) 27.3. und 3.4.1945; rechts 3.4. und 10.4.1945 (US-Army).

Da die Basis in Aljmas, an der Mündung der Drau in die Donau, schon unmittelbar durch denvorrückenden Gegner bedroht war, wurden der Anlegeplatz geräumt und die „Linsen“ auf dieAnhänger verladen und am 8. April stand die Fahrzeugkolonne bereit, um abzurücken. An diesemTag erteilte die Heeresgruppe den Befehl, unverzüglich im Straßenmarsch von der der Mündung derDrau in die Donau nach dem Süden zu verlegen. Hier wurde das Sonderkommando dem XXXIV.Armeekorps unterstellt. Als mögliche Ortschaften für die Errichtung der neuen Basis an der Savewurden Zupanja oder Samac vorgegeben. Der neu erteilte Auftrag lautete: 1. Überwachung derSave; 2. Einsatz der „Linsen“ gegen Kriegsbrücken oder Fähren des Gegners; 3. Halten des amsüdlichen Ufer der Save befindlichen Brückenkopfs unter allen Umständen.253

Das XXXIV. Armeekorps bekam vom Oberkommando den Auftrag, die Führung in der vorsorglichausgebauten Stellung Save-Fluss – Vrpolje – Djakovo – Valpovo zu übernehmen.254 So berichtete„Sioux“ in seiner abendlichen Lagemeldung zum 8. April, dass das XXXIV. A.K. dasSonderkommando in den Raum Vrpolje beordert hatte, von wo aus Patrouillen zur Abschirmungder Save unternommen werden sollten. An einem Einsatz der „Linsen“ im größeren Umfang wärejedoch wegen des Benzinmangels nicht zu denken.255 Während der Verlegung traf über Funk, am 9.April 1945 um 11:45 Uhr, der Befehl des K.d.K. ein, der den Abzug aus dem bisherigenOperationsgebiet, nach Zustimmung des Chefs des Generalstabes der Heeresgruppe E, anordneteund die Auflösung des Sonderkommandos nach dessen Rücktransport ankündigte. Der Einsatzleitersollte bei der zuständigen Wehrmachts-Transportleitung eine Fahrtnummer für denEisenbahntransport nach Plön beantragen und gegebenenfalls über Probleme berichten.256

In dieser angespannten kritischen Lage war ein Herauslösen der Einheit nicht zu verantworten. Sorichtete Generaloberst Löhr, noch am 8. April kurz vor Mitternacht, ein Fernschreiben an dieKriegsmarine, was dazu führte, dass die fernschriftliche Anordnung zum Abzug widerrufenwurde.257 Der am Abend des 8. April erstellte Lagebericht meldete, dass ein Abzug aus dem

253 TNA, DEFE 3/566, S. 115—118, vom 14.4.1945 (C.i.C. Southeast, Appreciation of 8.4.1945).254 Erich Schmidt-Richberg, Der Endkampf auf dem Balkan, S. 121 f. Das XXIV A.K. hatte vom 12.—18.4.1945 seinenGefechtsstand in Poderkavlje, nördlich von Brod.255TNA, DEFE-3/684., S. 1182 (9.4.1945, 16:16 Uhr).256 Ebd., S. 1210 (9.4.1945, 11:15 Uhr).257 Ebd., S. 1209 (10.4.1945, 01:37 Uhr). Hier wird das Fernschreiben von Generaloberst Löhr vom 8.4.1945 um 23:30Uhr erwähnt (hier wohl irrtümlich C. in C. South-West bezeichnet). Ein ähnlich lautendes Fernschreiben (Nr. 1201/9vom 10.4.1945, 02:46 Uhr), allerdings auf anderer Frequenz abgesetzt, findet sich im Bestand DEFE-3/684, S. 1239.

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Frontbereich, im Sinne des Befehls des K.d.K., nicht möglich wäre. Mit Blick auf den Vormarschdes Gegners gäbe es die günstigsten Voraussetzungen für den Marsch nach Vrpolje. DiesesMarschziel, so hoffte man, würde man zumindest mit Teilen bereits in der kommenden Nachterreichen.258 Am 9. April verlegte man Vrpolje weiter nach Velika Kopanica und am nächsten Tag,am 10. April gegen 16:00 Uhr erreichte die erste Gruppe mit vier „Linsen“ die Save bei SlavonskiSamac.259 Der Lagebericht vom 10. April berichtet über die mehr als chaotische Situation imEinsatzraum, besonders da Fernmeldeverbindungen in weiten Bereichen ausgefallen waren. DerGrund war, dass der Gegner die schwache deutsche Abwehrfront zwischen Drina und Bosna zumEinsturz gebracht hatte und seine Verbände bis zur Save vorfühlten.

Von der Mündung der Drau (Drava) in südlicher Richtung zur Save (Sava). Im Straßenmarsch von Aljmas über Osijeknach Djakovo, wo man 10 km südlich, in der Ortschaft Vrpolje unterzog. Von hier ging es über Velika Kopanica nachSamac, wo die Bosna in die Save mündete. NARA RG-242, Fliegerkarte 1:500000 Belgrad (Ausschnitt).

In Zusammenarbeit mit der Brückenkopf-Kompanie in Samac sollte die Save im Bereich derBosna-Mündung durch Streifen zu Lande und auf dem Wasser überwacht werden um einÜberschreiten des Flusses durch den Gegner zu verhindern und den Aufbau einer Abwehrfront zuermöglichen. Es war der 10. April 1945, als um 20:00 Uhr die erste Kontrollfahrt auf der Save

Möglicherweise handelt es sich hier um eine Wiederholung für einen der angeschriebenen Empfänger („Sioux“,„Winnetou“ und „Apache“, die beiden letzteren wurden nur nachrichtlich verständigt).258 TNA, DEFE-3/684., S. 1182 (9.4.1945, 16:16 Uhr).259 Ebd., S. 1230 f. (10.4.1945, 16:40 Uhr). Lagebericht 10.4.1945.

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durchgeführt wurde.260 Zu diesem Zeitpunkt waren bereits alle Brücken gesprengt, lediglich imBereich von Bosnisch Samac bestand noch am Südufer ein eigener Brückenkopf. Diesen strebtendie sich kämpfend zurückziehenden deutschen Truppen zu, welche in kleinen und größerenGruppen aus allen Richtungen kamen.261 Neben dem Streifendienst auf der Save, fanden die„Linsen“ ihre Hauptaufgabe als Hilfsmittel zum Übersetzen der Soldaten auf das sichere, von deneigenen Truppen besetzte, nördliche Ufer. Wegen der geringen Aufnahmekapazität der Booteentwickelte sich ein Pendelverkehr, in dem rund um die Uhr und unter ständigen Beschuss Soldatenvom feindbesetzten Ufer geholt wurden.262 Diese Einsätze waren besonders gefährlich, da diePartisanen für ihre Handwaffen und Maschinengewehre durchwegs Explosivgeschosseverwendeten.

Links: Frontverlauf 10.4 bis 17.4.1945 (punktiert eingezeichnet); rechts: 17.4. und 24.4.1945 (US-Army).

Als die gegnerische Offensive am 12. April voll einsetzte, war auch der Brückenkopf bei BosnischSamac nicht mehr zu halten und musste geräumt werden. Wiederum konnten die „Linsen“ bei derEvakuierung unschätzbare Dienste leisteten. Doch das Intermezzo an der Save ging für dasSonderkommando nicht ohne personelle und materielle Verluste ab. So musste Leutnant z. SeeSchreier, der bewährte Führer der Einsatzgruppe, bei Brod zu Grabe getragen werden, nachdem erauf der Save von einer feindlichen Kugel tödlich getroffen wurde. Auch einige „Linsen“ blieben aufder Save zurück, als die Boote beim Abzug wieder auf den Anhängern verladen wurden.263 Am 14.und 15. April kam es im Bereich der hier kämpfenden 41. Infanteriedivision, bei Vrpolje und an denUfern der Save zu einer Reihe heftiger Kämpfe, wobei drei von den acht angreifendenjugoslawischen Panzern im Nahkampf zerstört wurden. Am 16. April kam der Befehl zum Absetzenin eine Zwischenstellung, auf halben Weg zwischen Vrpolje und Brod, wo die Kämpfe dann baldabflauten.264

Am 16. April meldete „Sioux“ zur Lage, dass keinerlei Verbindung zur Heeresgruppe E besteheund man sich im Bereich des XV. Geb.A.K. befand.265 Dieses Armeekorps zog sich in der Folge

260 Ebd. (Lagebericht 10.4.1945).261 Ebd. (Lagebericht 10.4.1945) und Meyer, Mit Seesack, S. 84 f.262 Meyer, Mit Seesack, S. 84 f.263 Ebd. S. 84—86.264 Erich Schmidt-Richberg, Der Endkampf auf dem Balkan, S. 123.265 TNA, DEFE-3/685, S. 219 (16.4.1945, 19:26 Uhr).Das XV. Geb.A.K. dürfte über den Abzug von „Sioux“ informiertgewesen sein, da es zwar eine Meldung über die Kampfstärke des Sonderkommandos einholte, ohne jedoch Aufträge zuerteilen.

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aus dem Raum Agram über Steinbrück (Zidani Most) und Laibach (Ljubljana) nach Klagenfurtzurück und auf derselben Route marschierte auch das Sonderkommando in Richtung auf dieReichsgrenze zu. Im abendlichen Lagebericht vom 16. April meldete „Sioux“, dass man damitrechne am Abend des nächsten Tages Agram zu erreichen.266 Schon vorher, in den frühenMorgenstunden des 15. April 1945, hatte das K.d.K. seine Sicht der Dinge übermittelt. Aufgrundder militärischen Situation sei hier keinerlei Operationsmöglichkeit mehr gegeben. Daher solle sichdas Sonderkommando ins Reichsgebiet zurückziehen.

Der Frontverlauf am 16. Februar und am 15. April 1945 sowie am 16. April und am 7. Mai (US-Army).

Im Straßenmarsch sollte das Sonderkommando Bayern erreichen. Als Marschziel wurde dasTrainingslager der Meereskämpfer (Lehrkommando 700) angegeben, welches sich südlich vonMünchen in der SS-Führerschule in Bad Tölz befand. Des Weiteren teilte das K.d.K. mit, dass derOB. Südost über diesen Befehl bereits informiert sei.267 Daraufhin forderte „Sioux“ am 16. Aprilden für den Weitermarsch über die Alpen erforderlichen Treibstoffbedarf an. Für diesen Zwecksollten in Klagenfurt 3000 Liter Benzin und 600 Liter Diesel bereitgestellt werden.268 Die letzteüberlieferte Meldung stammt vom 4. Mai 1945, als „Sioux“ sich aus Vizmarje, einem Vorort vonLaibach (Ljubljana) meldete.269 Die Antwort des Führungsstabes des K.d.K. erfolgte am 5. Mai um01:27 Uhr. Der K.d.K. teilte mit, dass die Lage im Einsatzraum von Plön aus nicht beurteilt werdenkönne und der Verband auf sich selbst gestellt sei. Es folgte die Weisung alle geheimenSchriftstücke zu vernichten und den Widerstand gegenüber Briten und Amerikanern einzustellensowie den Funkverkehr ab sofort im Klartext durchzuführen.270 Damit endete der Kampfauftrag desSonderkommandos, doch die Kampfhandlungen mit den nach Kärnten vorrückenden PartisanenTitos gingen weiter.

266 TNA, DEFE-3/684, S. 219 (Lagemeldung 16.4.1945).267 Ebd., S. 241 (15.4.1945).268 Ebd. S. 219 (Lagemeldung 16.4.1945).269 TNA, DEFE-3/685, S. 626 (4.5.1945, 20:25 Uhr). Von Interesse ist, dass das Fernschreiben an das K.d.K. und denK.-Stab Süd und erstmals auch an die 6. K.-Division (Einsatzstab Haun) gerichtet war.270 Ebd., S. 625 (5.5.1945, 01:27 Uhr).

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Nach mühevollen Marsch auf den überfüllten engen Bergstraßen, auf denen der Gebirgsstock derKarawanken zu überwinden war, erreichte man die Drau und damit die Reichsgrenze im RaumDrauburg (Dravograd) – Lavamünd. In diesem Bereich des europäischen Kriegsschauplatzes zeigtedie am 9. Mai 1945 um 01:00 Uhr in Kraft getretene Waffenruhe vorerst keine Wirkung. DieTruppen Titos wollten Kärnten erobern und die sich zurückziehenden deutschen Truppen wolltensich nicht in allerletzter Minute in jugoslawische Gefangenschaft begeben. So ging das Sterben aufbeiden Seiten weiter.

Das letzte Stück des Weges, von der Save zur Drau, führte „Sioux“ über den Gebirgsstock der Karawanken, mit den um2000 m hohen Berggipfeln. Das Sonderkommando marschierte von Laibach (Ljubljana) kommend auf Nebenstraßendurch Slowenien bis zur Reichsgrenze bei Drauburg (Dravograd). Von hier führte der Weg dann in den RaumKlagenfurt, wo das Sonderkommando in die britische Kriegsgefangenschaft ging. NARA RG-77, AMS M501 1:250000,NL33-5 (Ausschnitt).

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Die Kampfhandlungen und Übergriffe endeten erst, als die von Italien kommenden britischenVerbände nach und nach Kärnten besetzten und die Partisanen Zug um Zug über die Grenze nachJugoslawien zurückdrängen. Während dieser gesetzlosen Zeit gelang es dem Sonderkommando sichder Gefangennahme durch die Tito-Partisanen zu entziehen um sich in geschlossener Formation denmittlerweile in Kärnten eingetroffenen britischen Truppen zu ergeben. Abschließend kann gesagtwerden, dass das Sonderkommando „Sioux“ wohl jener K.-Verband war, der die meisten Einsätzeim Bereich der südöstlichen und südlichen Ostfront durchgeführt hatte. Trotz der chaotischenZustände auf diesem Kriegsschauplatz funktionierte die Funkverbindung klaglos und dieKommunikation des Sonderkommandos mit dem K.d.K. blieb bis in die letzten Kriegstage aufrecht.

ADM(2)

TO I D 8 G ZIP/ZTPCM/102527FROM N 6

5275 KC/S T O O 0220 T O I 0127/5/5/45

FROM: K.D.K. F 1

TO: SIOUX

NO LONGER POSSIBLE FROM HERE TO APPRECIATE SITUATION INOUR AREA. IF YOU CAN NO LONGER GET ORDERS FROM YOURAREA C IN C. KEEP YOUR TROOPS TOGETHER, DESTROY ALLSECRET DOCUMENTS. CEASE RESISTANCE TOWARD THE XXXXXXXXANGLO-AMERCIANS. W/T IN PLAIN LANGUAGE FROM NOW.

(DEPT NOTE: BOUNCE. CF. TRTPG/383)

0456/6/5/45 EGT/MW

Abschrift des letzten von den Briten aufgenommene Funkspruchs an „Sioux“, vom 5. Mai 1945 um 01:27 Uhr (TNADEFE 3/685).

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SchlussbemerkungZum Abschluss dieser regionalen Studie, welche nur einen winzigen Ausschnitt aus dem weitenBereich der unter dem Kommando von Vizeadmiral Hellmuth Heye zusammengefassten„Sonderkampfmittel (See)“ erfasst, sollen noch einige Punkte allgemeiner Art angesprochenwerden. Auffallend ist, dass das behandelte Thema, obwohl eindeutig der Marine zuzuordnen, mitdem Krieg zur See überhaupt nichts zu tun hat. Es lässt sich nicht einmal ein Bezug zu der indiesem Gebiet ebenfalls operierenden Donauflottille herstellen. Wie der nachfolgende, in Faksimilewiedergegebene, Grundsatzbefehl des Oberkommandos der Wehrmacht, vom 15. April 1944, zeigt,hätte es diese Aktivitäten der Kriegsmarine im Heeresbereich gar nicht geben dürfen. Denn imPunkt 4 des ersten Abschnitts ist ausdrücklich festgelegt, dass sich dieser Befehl nicht auf denEinsatz von Sonderkampfmitteln (See) auf Flüssen und Seen bezieht.271 Es handelt sich hier umeinen typischen Fall einer Usurpation, welche sich gegen das Aufgabengebiet des Heeres richtete.Allerdings war dies ein im Rahmen der nationalsozialistischen Herrschaftsstruktur häufigvorkommender Fall, der ganz im Sinne der „teile und herrsche-Mentalität“ Hitlers war.

So gab es auch vorher schon mehrere Beispiele im militärischen Bereich, allen voran jenes derWaffen-SS, die von Kriegsbeginn an danach trachtete sich als vierter Wehrmachtsteil zu etablieren.Auch die Luftwaffe hatte ähnliches versucht, allerdings mit mäßigem Erfolg. Nachdem dieRückzuge an allen Fronten und der Mangel an Treibstoffen die Stilllegung weiter Teile dervorhandenen fliegenden Verbände erzwungen hatte, wagte sich Göring, durch die Aufstellung vonder „Luftwaffen-Felddivisionen“, auf dieses gefährliche Eis. Da diese Masse dieser Verbändebereits nach einigen Monaten zerschlagen und im Heer aufgegangen waren, führte derOberbefehlshaber der Luftwaffe das gescheiterte Experiment mit der Aufstellung einer ihmunterstehenden „Fallschirm-Armee“ weiter. So darf es nicht wundern, dass auch die Marine indieser letzten Phase des Krieges, wo bereits erkennbar war, dass dieser nicht mehr zu gewinnen ist,eine ähnliche Vorgehensweise anwandte.

Die Kriegsmarine hatte zu diesem Zeitpunkt ihre schweren Einheiten zum größten Teil verloren undmusste die wenigen noch vorhandenen Schiffe wegen des Mangels an Treiböl stilllegen. Begünstigtdurch den gleichzeitigen Niedergang des U-Bootskrieges, auf den Hitler und Dönitz ihre ganzeHoffnung gesetzt hatten, öffnete sich ein neues Fenster für die Visionäre des totalen Kriegs. Nunkam es auch im Bereich der Kriegsmarine zu hektischen Aktivitäten auf dem Gebiet derKleinkampfverbände, wobei man sich ähnliche Vorhaben der Royal Navy zum Vorbild nahm.Dönitz unterstützte diese diversen Vorhaben tatkräftig, wobei der Wunsch das vordergründigeMotiv gewesen sein dürfte, als Wehrmachtsteil nicht gänzlich ins Abseits zu geraten. Was man abervöllig außeracht lies, dass zu diesem Zeitpunkt die materiellen Erfordernisse für diese Vorhabenweder von der qualitativen, noch von der quantitativen Seite gesichert waren.272

Bedingt durch die überstürzt begonnene Aufstellung zahlreicher verschiedenartiger K.-Verbändekam es zu erheblichen, vor allem logistischen Problemen. Die zugeteilten Sonderkampfmittel warenzumeist unausgereift und unerprobt. Oft waren sie für die damit ausgestatteten Kämpfergefährlicher als für den Gegner. Obwohl diese Mängel alle durchwegs bekannt waren, wurden siebewusst in Kauf genommenen. Doch es zeigte sich bald, dass diese Mängel auch durch ein noch soambitioniertes Einsatzverhalten der Soldaten nicht ausgeglichen werden konnte.

271 NARA T-1022 R-1709 (PG-32121a). OKW Nr. 003872/44 gKdos. WFSt/Op/Org., vom 15.4.1944, Betr.:Sonderkampfmittel (See).272 Die hier aufgezeigten Probleme beziehen sich entsprechend dem Thema ausschließlich auf die Linsenfertigung.Anzumerken wäre, dass die Fertigungsprobleme bei den Sonderkampfmitteln (See), wie Neger, Marder und Biber, nocherheblich größer waren.

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Bei der Rüstungskonferenz am 12. Juli 1944 musste man bezüglich der Linsen protokollieren:„Linse. Seetüchtigkeit fraglich, Änderungen nötig. 300 werden gebaut, in 14 Tagen Entscheidungüber den Weiterlauf 800“.273Zwei Monate später war alles ganz anders, nun beurteilte man die Lageeuphorisch. Direktor Merker, der Leiter des Hauptausschusses Schiffbau im Ministerium Speer,berichtete über die Auslieferung von 144 Einheiten im August und stellte für September weitere281 „Linsen“ in Aussicht.274 Wie rasch sich diese optimistischen Angaben in Luft auflösen konnten,zeigte ein kurz danach stattgefundener Luftangriff auf Königsberg, bei dem 25 fertige Booteerheblich beschädigt wurden. Bei dieser Besprechung legte man auch die Anzahl der insgesamt zufertigenden Boote mit 1200 Stück fest, wovon 1000 mit Fernsteuerung und 200 mit Drahtlenkunggeliefert werden sollten.

Obwohl zu diesem Zeitpunkt die Fertigung von fernmeldetechnischem Gerät einer der größtenEngpässe in der Wehrmachtsrüstung war, lag von der Firma Hagenuk die Zusage für die Lieferungder Fernsteuerungen für 750 Boote vor.275 Doch die Wirklichkeit sah dann wesentlich anders aus,wie das im Text des Öfteren zitierte Kriegstagebuch der Seekriegsleitung aus dem Jahr 1945 zeigt.Die ständigen Ungereimtheiten, sowohl bei der Planung als auch beim Einsatz der K.-Verbände,können direkt als dass „Markenzeichen“ der im Heeresbereich eingesetzten Marine-Kleinkampfverbände gesehen werden. Im Rahmen des expandierenden Einsatzes von K.-Mittelnder Kriegsmarine, der im Spätherbst 1944 seinen Höhepunkt erreichte, kam es, im Gegensatz zu derFestlegung im Grundsatzbefehl über die Sonderkampfmittel (See) zu einer Ausweitung desEinsatzgebietes auf die Flüsse und Seen im Operationsgebiet des Heeres. Diese Vorgangsweisedürfte auf Dönitz zurückzuführen sein, der damals jede Gelegenheit benutzte um an Hitlers Seite anden militärischen Lagebesprechungen teilzunehmen und dabei der Versuchung erlag, die K.-Mittelder Marine ins Gespräch zu bringen.276

Obwohl unter Missachtung der Abmachung vom April 1944 die Einsätze im Heeresbereich, sowohlan der West- wie an der Ostfront, ständig vermehrt wurden, vermied man es sorgsam, als man zuAnfang des Monats November 1944 die Grundsätze für den Einsatz von K.-Mitteln und dereneinsatzmäßige Steuerung festlegte, auf die bereits im Gange befindlichen Aktivitäten imOperationsgebiet des Heeres einzugehen.277 Das von Dönitz gewünschte, aber auch von Heyegetragene, Eindringen in den Wirkungsbereich des Heeres hatte für die dort zum Einsatzkommenden K.-Verbände ungünstige Auswirkungen, da man im Heer das Eindringen in deneigenen Wirkungsbereich mit Misstrauen betrachtete. Dazu kommt, dass diese K.-Einsätzedurchwegs von der obersten Führungsebene (Hitler, OKW, OKH) den nachgeordneten höherenKommandobehörden des Heeres aufoktroyiert wurden. Eine Folge war, dass man dieLeistungsbereitschaft dieser engagierten Einzelkämpfer vielfach ignorierte und sie zum Teil auchhinhielt. Zumeist erinnerte man sich ihrer nur in äußerst prekärer Lage und übertrug den K.-Verbänden zumeist kaum lösbare Aufgaben, die oft nur dazu dienten vom eigenen Versagenabzulenken.

273 NARA T-1022 roll 1708 (PG-32121). Chef Mar Rüst, Mar Rüst Nr. 5448/44 gKdos, vom 13.7.1944, Betr.: Meldungan Ob.d.M. betr. Rü-Sitzung vom 12.7.1944.274 NARA T-1022 roll 1709 (PG-32121a). Bei der am 11. September 1944 stattgefundenen 19. Rüstungsbesprechung.275 Ebd.276 Dönitz weilte zwischen dem 8.2.1943 und dem 10.4.1945 an 119 Tagen bei Hitler (1943 - 31, 1944 - 32, 1945 - 54)wobei er zumeist auch an den militärischen Lagebesprechungen, welche vom Generalstab des Heeres dominiertwurden, teilnahm (IMT Nürnberg, Document 648-D).277 NARA T-1022 roll 1710 (PG-32122b). 1. Skl., Nr. 3484/44 gKdos. Chefs., vom 7.11.1944 ( Skl./S B.Nr. 32/44Lagebeurteilung und der sich daraus ergebender Einsatz von K.-Mitteln); 1. Skl. Nr. 3483/44, gKdos., Chefs. vom7.11.1944 ( Skl./S B.Nr. 33/44, A.d.K., Überlegungen über den Einsatz der Kleinkampfmittel in der nächsten Zeit); 1.Skl. Op. 33056/44 gKdos., vom 15.11.1944, Betr.: Einsatzmäßige Steuerung der Kleinkampfflottillen.

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Ein weiterer Schwachpunkt an der Schnittstelle zwischen Heer und Kriegsmarine war diemangelhafte Versorgung. Im Unterschied zum maritimen Bereich waren die logistischen Problemehier kaum geregelt. Die Versorgung war hier in erster Linie vom Heer wahrzunehmen, da derEinsatzleiter eines Sonderkommandos nur den jeweiligen M.V.O. im Generalkommando derHeeresgruppen als Ansprechpartner hatte, war es sehr problematisch, wenn eher kleinste Fragen derVersorgung beim Stab des Generalquartiermeister auf den Tisch kamen. Letztlich hatte die Praxisgezeigt, dass die Führung der Sonderkommandos mit Hilfe der M.V.O. wenig erfolgversprechendwar. Entsprechen den Vorstellungen der Seekriegsleitung kam den Oberbefehlshaber der Marine-Gruppenkommandos, Marine-Oberkommandos bzw. der Kommandierenden Admiräle einetragende Aufgabe in Bezug auf Führung und Versorgung zu, die bei den Einsätzen an der Ost- undSüdostfront nirgends zum Tragen kam.278 Völlig verkannt wurde von Seiten der Marineführung diekatastrophale Verkehrssituation die damals im Reich und auf den italienischen Kriegsschauplatzund am Balkan herrschte. Bis in die letzten Kriegstage wollte man nicht zur Kenntnis nehmen, dassdurch die fehlende Mobilität der obersten Führungsebene jegliche Einwirkungsmöglichkeitgenommen war.

Eine Folge war, dass die Sonderkommandos in der Endphase des Krieges oft tagelang ohneVersorgung unterwegs waren und es den motorisierten Teilen ständig an Treibstoff mangelte. Auchwar es im Chaos der letzten Kriegsmonate mehr als vermessen auf eine solidarische Aushilfe durchHeeres- oder Luftwaffendienststellen zu hoffen. Mit Bezug auf den vorstehenden Bericht istanzumerken, dass man im Generalstab der Heeresgruppe Süd nur wenig mit den zugeteilten K.-Kräften anzufangen wusste, was sicher auch dem M.V.O. anzulasten, der nicht in der Lage war dieBelange der K.-Kräfte wirkungsvoll zu vertreten und der im Stab der Heeresgruppevorherrschenden Geringschätzung der Marine entgegenzutreten. Sicherlich hatte auch dasgescheiterte Unternehmen gegen die Brücke von Dunaföldvar dazu beigetragen, dass der Beitragder Kriegsmarine zur Kriegsführung nicht besonders hoch eingeschätzt wurde. Doch die Wurzelnlagen wahrscheinlich tiefer und gingen auf die Kämpfe im Süden Russlands und im Bereich desSchwarzen Meeres zurück. Wo man sich angewöhnt hatte die Verantwortung nach Möglichkeit aufdie Marine abzuwälzen. Das galt für den ungenügenden Nachschub, aber auch für diekatastrophalen Ereignisse bei der Räumung der Krim. Die tragischen Vorgänge um das Ende derdeutschen Machtposition im Schwarzmeerraum sowie die nachfolgende Räumung Rumäniens undBulgariens boten beiden Wehrmachtsteilen reichliche Gelegenheit sich gegeneinander mitVorwürfen zu konfrontieren.

Ein weiterer Grund könnte gewesen sein, dass man im Winter 1944/45 mit der gegnerischenOperation zur Einschließung Budapests und danach mit der Versorgung und dem Entsatz der„Festung“ derart beschäftigt war, dass kaum Zeit für Planung und Vorbereitung vonSonderunternehmen blieb. Unmittelbar nach dem Drama von Budapest war es die letzte deutscheGroßoffensive, welche die volle Aufmerksamkeit der Heeresstäbe erforderte. Während bei dem imBereich der Drau erfolgten Offensivunternehmen die vorhandenen K.-Mittel eingesetzt und auchüberfordert wurden, kam es im ungarischen Bereich zu keinen ähnlichen Aktivitäten. Hier warteteman vergebens auf den erfolgreichen Durchbruch und dem damit verbundenen Erreichen derDonau, zu dem es jedoch nicht kam. Obwohl die bei der Heeresgruppe Süd vorhandenen K.-Einheiten, nach dem Scheitern der Offensive, frühzeitig aus dem Kampfbereich zurückgezogenwurden, konnte der Untergang des größten Teils der hier eingesetzt gewesenen K.-Verbände, imRahmen der „Wiener Operation“ der 2. und 3. Ukrainischen Front, nicht verhindert werden.

278 Ebd.