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Arch. exper. Path. u. Pharmakol., Bd. 219, S. 148--155 (1953). Aus dem ZoologischenInstitut der Universit~t Graz. Der fermentative Abbau der Erregungssubstanz der sensiblen Nerven, seine p.-Abhiingigkeit und seine Hemmung dureh zentral erregende Stoffe*. Von KARL UMRATH, (Eingegangen am 16. Februar 1953.) Einleitung. Ffir die sensiblen Nerven der Wirbeltiere haben HELLAUER U. UM- RAT~v gezeigt, dab sie eine Erregungssubstanz haben, die sich am denervierten Kaninchenohr durch eine R6tung nachweisen l~Bt, die auf Capfllarerweiterung beruht. So wie das Acetylcholin der cholinergen Nerven durch Cholinesterase abgebaut wird, so wird die Erregungs- substanz der sensiblen Neurone dutch ein Ferment abgebaut, das UM- RATH U. HELLAUER 11 in hSchster Konzentration in sensiblen Nerven und in etwas geringerer in yon diesen innervierten cholinergen Neuronen nachgewiesen haben. So wie sich der fermentative Acetylcholinabbau durch Eserin und ~hnlich wirkende Gifte hemmen l~13t, so l~Bt sich, wie HELLAUER U. UMRATH 8 gefunden haben, der fermentative Abbau der Erregungssubstanz der sensiblen Neurone durch die Krampfgifte Strychnin, Pikrotoxin, Brucin und Cardiazol hemmen. Kri~mpfe ent- stehen offenbar dann, wenn sich im Zentralnervensystem die Erregungs- substanz der sensiblen Neurone anh~uft, meistens infolge einer Hem- mung ihres fermentativen Abbaues. Ich habe es unternommen, den fermentativen Abbau der Erregungssubstanz der sensiblen Neurone, der offenbar im Zentralnervensystem eine wichtige Rolle spielt, noch n~her zu untersuchen. Ich habe dabei 1. orientierende Versuche fiber seine pm Abh~ngigkeit angestellt und 2. die Wirkung derjenigen Stoffe unter- sucht, die man oft als zentral erregend bezeichnet. Die zentral erregenden Stoffe gehSren eigentlich zu den Krampfgfften, was auch die vergleichende Physiologie zeigt. Schon durch eine Untersuchung yon I~LOREY a wissen wir, daft zwar eine grol3e Gruppe yon Tieren, die Deuterostomier, dieselben Krampfgffte haben wie die auch in diese Gruppe gehSrigen Wirbeltiere, dab aber die verschiedenen Gruppen der Protostomier sich abweichend und unter einander verschieden verhalten. Eine Untersuchung, die FrL STIX im hiesigen Zoologischen Institut ausfiihrt, zeigt, dab bei jeder bisher untersuchten Gruppe * Diese Arbeit ist OTTOLOEWI zum 80. Geburtstag gewidmet.

Der fermentative Abbau der Erregungssubstanz der sensiblen Nerven, seine pH-Abhängigkeit und seine Hemmung durch zentral erregende Stoffe

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Arch. exper. Path. u. Pharmakol., Bd. 219, S. 148--155 (1953).

Aus dem Zoologischen Institut der Universit~t Graz.

Der fermentative Abbau der Erregungssubstanz der sensiblen Nerven, seine p.-Abhiingigkeit und seine

Hemmung dureh zentral erregende Stoffe*.

Von KARL UMRATH,

(Eingegangen am 16. Februar 1953.)

Einleitung. Ffir die sensiblen Nerven der Wirbeltiere haben HELLAUER U. UM-

RAT~ v gezeigt, dab sie eine Erregungssubstanz haben, die sich am denervierten Kaninchenohr durch eine R6tung nachweisen l~Bt, die auf Capfllarerweiterung beruht. So wie das Acetylcholin der cholinergen Nerven durch Cholinesterase abgebaut wird, so wird die Erregungs- substanz der sensiblen Neurone dutch ein Ferment abgebaut, das UM- RATH U. HELLAUER 11 in hSchster Konzentration in sensiblen Nerven und in etwas geringerer in yon diesen innervierten cholinergen Neuronen nachgewiesen haben. So wie sich der fermentative Acetylcholinabbau durch Eserin und ~hnlich wirkende Gifte hemmen l~13t, so l~Bt sich, wie HELLAUER U. UMRATH 8 gefunden haben, der fermentative Abbau der Erregungssubstanz der sensiblen Neurone durch die Krampfgifte Strychnin, Pikrotoxin, Brucin und Cardiazol hemmen. Kri~mpfe ent- stehen offenbar dann, wenn sich im Zentralnervensystem die Erregungs- substanz der sensiblen Neurone anh~uft, meistens infolge einer Hem- mung ihres fermentativen Abbaues. Ich habe es unternommen, den fermentativen Abbau der Erregungssubstanz der sensiblen Neurone, der offenbar im Zentralnervensystem eine wichtige Rolle spielt, noch n~her zu untersuchen. Ich habe dabei 1. orientierende Versuche fiber seine pm Abh~ngigkeit angestellt und 2. die Wirkung derjenigen Stoffe unter- sucht, die man oft als zentral erregend bezeichnet.

Die zentral erregenden Stoffe gehSren eigentlich zu den Krampfgfften, was auch die vergleichende Physiologie zeigt. Schon durch eine Untersuchung yon I~LOREY a wissen wir, daft zwar eine grol3e Gruppe yon Tieren, die Deuterostomier, dieselben Krampfgffte haben wie die auch in diese Gruppe gehSrigen Wirbeltiere, dab aber die verschiedenen Gruppen der Protostomier sich abweichend und unter einander verschieden verhalten. Eine Untersuchung, die FrL STIX im hiesigen Zoologischen Institut ausfiihrt, zeigt, dab bei jeder bisher untersuchten Gruppe

* Diese Arbeit ist OTTO LOEWI zum 80. Geburtstag gewidmet.

Der fermentative Abbau der Erregungssubstanz der sensiblen Nerven. 149

der Protostomier einige der an Wirbeltieren wirksamen Krampfgifte Kr/impfe aus- 15sen, wobei mitunter einzelne Stoffe sehr stark wirken, die bei Wirbeltieren nur sehr schwach wirksam sind. In einzelnen F/~llen wirkt auch Eserin als Krampfgfft, bei Anneliden, wie ich gezeigt habe, st/trker als Strychnin, Brucin, Cardiazol und Coffein.

Nach all dem glaube ich, dab die Er regungssubs tanzen der ver- schiedenen Gruppen der Protos tomier und die der Deuterostomier zwar vone inander verschieden, aber doch un te re inande r chemisch ~hnlich sind u n d dab sie auch eine gewisse chemische Ahnl ichkei t mi t dem Acetylcholin haben, denn das Eser in ist als s tarke Antichol inesterase b e k a n n t und viele Krampfgi f te der Wirbel t iere hemmen, wie die Tabel le zeigt, auch die Cholinesterase.

Die pH-Abhdngigkeit des/ermentativen Abbaues der Erregungssubstanz der sensiblen Nerven.

Ich babe Extrakte aus dorsalen Rfickenmarkswurzeln vom Rind hergestellt, so wie HELLAVER und UMRATH ? es beschrieben haben, d. h. ich habe die dorsalen Riickenmarkswurzeln in der dreifachen Gewichtsmenge einer LSsung yon 0,65% NaC1 und 0,01% CaC12 gekocht und den Extrakt nach etwa 2 Std dekantiert. Teile solcher Extrakte wurden durch Zugabe kleiner Mengen 0,5 n HC1 oder 0,5 n NaOH, mitunter auch dutch Zugabe yon Na~COa, auf verschiedenen pH gebracht und dieser mit der Glaselektrode gemessen. Die Proben wurden bei 100 ° C sterilisiert. Darauf habe ich als Fermenttr/~ger einen rohen, sterilen Extrakt aus dorsalen Riickenmarkswurzeln vom Rind in einer solchen Konzentration und Menge zu- gesetzt, dab die Verdiinnung schlielllich 1:200 his 1:400 war, was in einem Thermo- staten bei 33°C in 15--18 Std bei normalem pH einen praktisch volIkommenen Abbau ergab. Die Unterbrechung der Fermentwirkung erfolgte durch Erwarmen auf 100 ° C. Vor dem Test wurden alle LSsungen neutralisiert.

Es zeigte sich, dab Ex t r ak t e ohne S~ure- oder Laugenzusatz ur- sprfinglich einen prT yon 6,8--7,1 ha t ten , der w/~hrend des Abbaues auf 5 ,6--6 ,0 sank. Ext rak te , die durch Si~urezusatz auf pH 4,9 bzw. 5,6 ge- bracht worden waren, h a t t e n nach dem Abba u pH 5,2 bzw. 5,4. Ex- t rakte , die duch Zusatz yon Nat ronlauge auf pH 8,3 gebracht worden waren, b a t t e n nach dcm Abbau pH. 6,4 Es scheint demnach beim A b b a u ein System zu entstehen~ das bei pH 5,4 s tark gepuffert ist.

Zum Test wurden die Ohren yon Kaninchen verwendet, aus deren ~qervus auricularis magnus mindestens eine Woche vorher ein etwa ~/~ cm ]anges Stfick entfernt worden war. Sollten die Kaninchen l~nger als drei Wochen verwendet werden, so wurde durch eine zweite Operation etwas welter proximal ein eben- 'solches Stfick des Nel yen entfernt; die Kaninchen kSnnen dann weitere vier Wochen verwendet werden, d:;des Kaninchen wurde hSchstens einmal in der Woche ver- wendet. Zu vergleichende LSsungen wurden subcutan in korrespondierende Stellen der beiden Ohren eines Kaninchens, ungef~hr in ihrer L~ngsachse injiziert, oft im oberen und im unteren Teil der Ohren mit Vertauschung der Seiten. Alle Ver- gleiche wurden an mehreren Kaninchen durchgeffihrt.

I n einem E x t r a k t mi t pH 9,3 oder 8,8 t r a t kein e rkennbarer A bba u mehr ein. I n E x t r a k t e n mit PH 8,2--8,4 war der Abbau wesentlich

150 K. UMRATH :

geringer als bei unbeeinflul3tem pm I n Ex t r ak ten mit p~ 7,8, 5,2 oder 4,9 war kein Unterschied des Abbaues gegen einen unbeeinflui~ten Ex t r ak t yon anf~nglichem pH 6,8 zU erkennen. I n einem Ex t r ak t mit pH 4,6 fiel das EiweiI~ aus, und es erfolgte kein Abbau.

Bemerkenswert erscheint mir die H e m m u n g des fermentat iven Ab- baues der Erregungssubstanz der sensiblen Neurone bei pH-Werten fiber 8. Vielleicht t r i t t sie schon bei niedrigeren pH-Werten (etwas fiber 7) ein, denn ein Ex t r ak t mit einem Anfangs-p~ 8,3 hat zu Ende des gehemmten Abbaues nur etwa pH 6,4. Die von ttELLAVER ~ entdeckte, nicht fermen- tat ive ZerstSrung der Erregungssubstanz der sensiblen Nerven durch alkalische Reakt ion ist, wie mir einige Versuche zeigten, bei halbstfindi- gem Erhi tzen auf 100°C erst bei pH 9,5 und darfiber merklich. Es ist also die Erregungssubstanz der sensiblen Nerven bei pH 8 - -9 sehr stabil.

In dieser Beziehung verh~lt sich das Acetylcholin anders. Nach GLIe~: s wirkt die Cholinesterase bei pH 8,5 optimal und die nicht fermentative ttydrolyse nimmt im alkalischen Bereich stark zu. Innerhalb des physiologisehen Bereiches nimmt die St.abilit~t des Acetylcholins daher mit sinkendem p~ zu. Es kSnnten so bei saurer Reaktion die cholinergen Ubertragungen wirksamer werden und GESELL, BRASSFIELD und HAMILTOIN 4 bringen hiermit die gesteigerte Atmung bei saurer Reaktion des Blutes in Zusammenhang. Umgekehrt kSnnten bei alkalischer Reak- tion die ~-bertragungen yon sensiblen Neuronen wirksamer werden. Ich halte es fiir mSglich, daI3 die KrampfanfMle, die man bei Epfleptikern mitunter durch Hyperventilation und durch die so bedingte Alkalose auslSsen kann, durch eine Verlangsamung des fermentativen Abbaues der Erregungssubstanz der sensiblen Neurone bedingt sind, so wie ja Krampfgifte, die diesen fermentativen Abbau hemmen, lokal auf die GroBhirnrinde aufgebracht, ~hnliche Krampfanf~lle auslSsen.

Die Hemmung des/ermentativen Abbaues der Erregungssubstanz der sensiblen Nerven durch zentral erregende Sto//e.

Als ersten Stoff habe ich Coffein untersucht . Zun~chst habe ich Coffeinum-natrio-benzoicum verwendet. I)ieses reagierte schwach alka- lisch, doch so schwach, dab ich nicht glaube, dal] die p~-Steigerung den fermenta t iven Abbau gehemmt hat. Zur Sicherheit habe ich aber bei den entscheidenden Versuchen Coffeinum-natrio-salicilicum verwendet, das schwach sauer reagiert. Verglichen wurden Ex t r ak t e aus dorsalen Rfickenmarkswurzeln, denen Coffein und Fe rmen tex t r ak t gleichzeitig vor der Inkuba t ion oder getrennt vor und nach der Inkuba t ion zugesetzt worden waren. I n der Verdi innung 1:50 hemmte Coffein-Natrium- salicylat den fermenta t iven Abbau vollst~ndig, in der Verdfinnung' 1:100 noch weitgehend (bei genauer Prfifung schien die rStende Wir- kung am Ohr aber etwas geringer als bei dem nicht abgebauten Ex t r ak t gleicher Zusammensetzung). I n der Verdi innung 1:200 war die Hem- mung noeh deutlich nachweisbar, aber gering. Wahrscheinlich liegt also die Grenze ffir die vollst~ndige H e m m u n g dureh Coffein-Natrium- Salicylat bei der Verdiinnung 1 : 75.

Der fementative Abbau der Erregungssubstanz der sensiblen Nerven. 151

Atropinsulfat hatte in der Verdiinnung 1:50 nur einen sehr geringen Effekt. Nur in 4 F~llen von 9 war der Extrakt, auf den das Ferment bei Atropingegenwart eingewirkt hatte, wirksamer (sti~rkere RStung am denervierten Kaninchenohr). Ein umgekehrtes Verhalten kam nicht vor. Bei Atropinsulfat 1 : 25 jedoch war die Fermenthemmung deutlich, wenn sie auch bei dieser Atropinkonzentration noch keine vollkommene gewesen sein dfirfte.

Santonin in Form yon Natrium santoninicum bewirkte in der Ver- diinnung 1:50 noch keine Hemmung, in der Verdfinnung 1:20 war sie jedoch immer erkennbar, die rStende Wirkung am Kaninchenohr also starker als bei fermentativem Abbau mit nachtri~glichem Santonin- zusatz. Bei der Verdfinnung 1:10 war die Fermenthemmung stark und scheinbar vollkommen.

Bei der Untersuchung der st~rkeren Krampfgifte hatten HELLAUER u. UMZATR s die Verdiinnung, die in vitro den fermentativen Abbau der Erregungssubstanz der sensiblen Neurone vollkommen hemmt, mit der Verdfinnung verglichen, die beim Frosch in vivo Kr£mpfe auslSst. Ich habe jetzt fiir Esculenten ~hnlicher GrS•e, wie wir sie damals verwen- det haben, die Krampfdosis yon Coffeinum-natrio-salicylium zu 3 mg bestimmt. Die FrSsche hatten auch eine ~hnliche Strychninempfindlich- keit wie die damals yon uns verwendeten. Mit Atropinsulfat konnte ich auch mit 4 und 6 mg pro Frosch keine echten Kr~mpfe auslSsen, sondern hSchstens manchmal krampfartige Zuekungen, wenn der Frosch be- riihrt oder umgedreht wurde. Nach C~SH~¥ ~ bedingen 0,01--0,02 g Atropin subcutan beim Frosch nach 2--3 Tagen eine Steigerung der Reflexerregbarkeit und spiiter strychnin~hnliche Kri~mpfe, denen meist eine Erholung folgt. Da HELLAUER und UMRATH kleine FrSsehe ver- wendet hatten, habe ich vergleichsweise die Krampfdosis von Atropin mit 10 mg angenommen. Fiir Natrium santoninicum habe ich nach der Untersuehung yon BINZ 1 100 mg als Krampfdosis fiir kleine FrSsche angenommen.

In der Tabelle sind die Angaben ffir die st~rkeren Krampfgifte aus der Arbeit yon HELLAUER U. UMRATH s iibernommen. Bei Coffein, Atropin und Santonin sind ffir die krampfauslSsenden Dosen beim Frosch die eben besprochenen Werte eingesetzt.

Aus diesen krampfauslSsenden Dosen ist ausgerechnet, welche Verdfinnungen diese in 4% des KSrpervolumens eines 5 g schweren Frosches ergeben wiirden. 40/0 wurden schon yon HELLAUER U. UMRATH s nur deswegen gew~thlt, weft die Verhaltniszahlen so denjenigen sehr ahnlieh werden, die in vitro eine vollstandige Hemmung des fermentativen Abbaues der Erregungssubstanz der sensiblen Neu- rone ergeben. Tatsachlich wird die Verteilung der Krampfgifte im FroschkSrper eine ungleiehm~ige sein, aber die Gewebe, die viel von ihnen enthalten, werden doch mehr ausmachen als 40/0 . Dafiir wird aber bei der KrampfauslSsung die Fer- menthemmung noch lange keine vollst~ndige sein.

152 K. UMRATH :

Bei Vergleich dieser Zahlen mi t den Verdi innungen, in denen die gepriiften Gifte den fe rmenta t iven Abbau der Er regungssubs tanz der sensiblen Neurone praktisch vo l lkommen hemmen, sieht m a n sehr gu t und eindrucksvoll , dab die Krampfaus lSsung der F e r m e n t h e m m u n g durchaus parallel geht.

I m le tz ten Stab der Tabelle ist schlieBlich die Verdf innung verzeich- net, in der der fe rmenta t ive Abbau des Acetylcholins, d. h. die Cholin- esterase prakt isch vollst/indig gehemmt wird.

TabeUe

Pharmakon

Strychnin . . . . . . Pikrotoxin . . . . . Brucin . . . . . . . Cardiazol . . . . . . Coffein . . . . . . . . Atropin . . . . . . . Santonin . . . . . .

Krampfdosis mg pro Frosch yon

5g

I

' Verdiinnung fiir noch Kfampfdosisdes] vollkommene Hemmung Frosches in 4% ] des fermentativen Abbaues seines K6rper- I der Erregungs-

volumens substanz d. sen- d.Acetsleholins

0,02 0,05 0,4 1 3 I

10 100

siblen Nerven

1 : 1 0 0 0 0 1 : 10000 1 :4000 1 :2000 1: 500 1: 1000 1 : 200 1 : 250 1 : 7 0 1 : 7 5 1: 2 0 1: < 2 5 1: 2 l : 10

1: 3000 1 : < < 3 0 0 1 : 300 1: 200 1: 800 1: <20 1 : < < 5 0

Die Daten fiir Strychnin, Pikrotoxin und Brucin sind aus der Arbeit von I-[EL- LAUER und UMRATH s entnommen, die ffir Cardiazol ist nach einer neueren Arbeit yon mir l° berichtigt und dieser Arbeit ist auch die Angabe fiir Coffein entnommen. Fiir Atropinsuffat habe ieh dureh Versuehe, die am Rfiekenmuskel des Egels Haemopis sanguisuga getestet wurden, festgestellt, dab ein Abbau auf etwa 1% des anfanglich eingebraehten Aeetylcholins folgendermallen gehemmt wird: Atropinsuffat 1:100 eben merklich, 1 : 60 schon deutlich starker, 1 : 20 weitgehend aber noch nicht voll- standig (etwa 30% des Acetylcholins bleiben erhalten). Die Cholinesterasehemmung dureh Natrium santoninieum habe ieh am Froschherzen und am Riickenmuskel des Egels .getestet: Die Verdfinnung 1:100 war unwirksam, 1:50 geringfiigig hemmend.

Man sieht also aus der Tabelle, dal~ zwischen der Cholinesterasehem- m u n g u n d der Krampfaus lSsung kein so enger Paral lel ismus besteht, wie zwischen der H e m m u n g des f e rmenta t iven Abbaues der Erregungs- substanz der sensiblen Neurone u n d der KrampfauslSsung. Bei der Cholinesterasehemmung fallen vor allem das P ikro toxin mi t seiner ge- r ingen u n d das Coffein mi t seiner hohen Chol inesterasehemmung aus der l~eihe. Beide Fe rmen te werden durch Cardiazol, At ropin u n d San ton in etwa gleich stark gehemmt, durch S t rychnin u n d Brucin die Cholin- esterase nur wenig schw/icher, als das auf die Erregungssubs tanz der sensiblen Neurone wirkende Ferment . Diese, bei vielen Stoffen/~hnliche Wirkung auf die beiden Fe rmen te sprieht, wie schon erw/ihnt, dafiir,

Der fermentative Abbau der Erregungssubstanz der sensiblen Nerven. 153

daB die Erregungssubstanz der sensiblen Neurone dem Acetyleholin irgendwie ~hnlich ist.

Wenn nun d ie eben krampfauslSsende Dosis eines Stoffes nur von der St~rke der Hemmung desjenigen Fermentes abhKngt, das die Er- regungssubstanz der sensiblen Neurone abbaut, so scheint doch das AusmaB der gleichzeitigen Cholinesterasehemmung von EinfluB auf den Charakter der Kr~mpfe zu sein.

Schon HELLAUER und U~RATK haben gefunden, daft man die klonischen Pi- krotoxinkrampfe, bei denen besonders bei schwaehen Dosen die krampfhaften Be- wegungen den normalen ghnlich sind, durch einen geringen Eserinzusatz besonders den Cardiazol-, aber auch den Strychninkrgmpfen ghnlieher machen kann, wobei das raseh aufeinanderfolgende Zuriickschlagen der Hinterbeine, die Streckkrampfe und das Anlegen der Vorderbeine an den KSrper mehr in Erscheinung treten.

Ieh habe jetzt mittelgroBen Eseulenten 0,6 mg Pikotroxin allein oder zugleich mit 0,0008, sowie 0,02--0,08 mg Eserin injiziert. Die FrSsche der ersten Gruppe (mit geringem Eserinzusatz) bekamen cardiozolartige Kr~mpfe, was die seinerzeitigen Befunde yon HELLAUER U. UMRATH s bestgtigt. Die Fr6sche der zweiten Gruppe (mit gr6Berem Eserinzusatz), bekamen coffeinartige Kr~mpfe; ihre Glieder waren meist in gebeugtem Zustand steif, Streckkr~mpfe waren seltener und bei Streckungen der Hintergelenke blieb das Fersengelenk meist gebeugt. Es scheint dem- nach tatsgchlich die durch ein Krampfgift bedingte Cholinesterase- hemmung fiir den Charakter der Kr~mpfe wesentlich zu sein; fiir die KrampfauslSsung iiberhaupt kommt es allerdings fast nur auf die Hem- mung des Fermentes an, das die Erregungssubstanz der sensiblen Neu- rone abbaut.

Manche Krampfgifte, wie besonders das Strychnin und das Cardiazol werden als zentral wirkende Kreislaufmittel angewandt. Sicher spielt dabei die Hemmung des fermentativen Abbaues der Erregungssubstanz der sensiblen Neurone die Hauptrolle, mSglicherweise wird sie aber durch die Hemmung des Acetylcholinabbaues in den Vasomotoren- zentren unterstfitzt.

Das Coffein ist ein sehr verbreitetes GenuBmittel, das sieh vor anderen durch seine FSrderung der Tgtigkeit nervSser Zentren, besonders des GroBhirns, aus- zeichnet. Auch hierbei diirfte die Hemmung der Fermente eine Rolle spielen. Die zentrale Wirkung auf den Kreislauf ist beim Coffein weniger ausgepr~gt als bei den oben genannten Stoffen.

Bei Atropinvergiftungen tritt die zentral erregende Wirkung in Erscheinung. Wghrend bei den anderen besprochenen Stoffen die Fermenthemmungen bei Ver- dfinnungen auftreten, die keine wesentlichen anderen Wirkungen im Nervensystem haben, hat das Atropin in ~hnlieher Verdiinnung noch eine Reihe anderer Wir- kungen; es hemmt die muscarinartige Aeetyleholinwirkung sehon in auBerordentlieh hoher Verdiinnung, aber in hoher Konzentration auch die nieotinartigen Aeetyl- eholinwirkungen, wie z.B. am Riickenmuskel des Egels, Haemopis sanguisuga, ganz deutlich in der Verdfinnung 1 : 1000. Naeh einer Untersuehung yon U~Rxr~ und

154 K. UMRATH:

M/JSSBICHLER TM hemmt Atropin auch die cholinergen ~bertragungen yon sekun- d~ren Sinneszellen auf sensible Nerven und yon Hornhautepithelzellen auf sensible Nerven. Hier blockiert Atropin in der Verdiinnung 1:100 weitgehend und in der Verdiinnung 1:10000 eben noch merklieh; bei diesen Acetylcholinwirkungen auf sensible Nerven ist keine starker blockierende Substanz als Atropin bekannt.

Es gibt sogar eincn Fall in dem das Atropin acetylcholinartig wirkt und zwar, wie I~IEDINGER und UMI~ATH 9 fanden, beim Farbwechsel der Fische und Amphibien. Es bewirkt im ,,physiologischen" Farbwechsel eine Expansion des Melanins und im ,,morphologischcn" Farbwechsel eine Vermehrung der Zahl der Melanophoren. Auch quantitativ ist die Atropinwirkung bier der Acetylcholinwirkung vergleichbar. Eine Melaninexpansion in Schuppen von Macropoden war bis zu folgenden Ver- dfinnungen noch zu beobachten: bei Acetylcholin his 1 : l09, bei Atropin bis 1 : l05, ebenso bei Arecolin bis 1:10 ~ und bei Pilocarpin bis 1:109. Die Acetylcholin- und die Arecolinwirkung wurden durch Atropin in h6heren Verdfinnungen blockiert oder abgeschw~cht, und zwar noch in der Verdfinnung 1:101°.

Fermenthemmungen durchAtropin machen sich erst bei h6herenKonzentrationen geltend als viele der anderen Wirkungen. Sie sind daher an und fiir sicb beim Atropin nicht auffallig. Vielleicht ist aber der Umstand bemerkenswert, dab fast dieselben Atropinverdfinnungen zur Hemmung der Cholinesterase und zu der des Fermentes, das die Erregungssubstanz der sensiblen Neurone abbaut, ausreichen, wo doch die sonstigen Atropinwirkungen bis zu ganz verschieden hohen Verdiin- nungen reichen.

Zusammenfassung.

Der f e rmen ta t ive A b b a u der Er regungssubs tanz der sensiblen Ner- yen ist im a lka l i schen Gebie t gehemmt , yon p~ 8 an deut l ich und bei pH 9 sehr wei tgehend. I m sauren Gebie t t r a t eine H e m m u n g des Fer - mentes erst bei pH-Wer ten u n t e r 5, bei der K o a g u l a t i o n des Eiwei•es auf.

Die un te rsuch ten , zen t ra l e r regenden Stoffe, Santonin , A t rop in und Coffein, schliel3en sich durchaus den frfiher un t e r suc h t e n s t~rkeren Krampfg i f t en , Cardiazol , Brucin, P ik ro tox in und S t rychn in an, indem die in vivo k rampfaus l6senden Dosen den jen igen para l le l gehen, die in v i t ro den f e rmen ta t i ven A b b a u der Er regungssubs tanz der sensiblen Neurone hemmen.

Zwischen Krampfaus l6 sung und Chol ines te rasehemmung bes teh t ke in so wei tgehender Para l le l i smus; vor a l lem is t das P ik ro tox in ein s ta rkes K r a m p f g i f t m i t sehr ger inger Chol ines te rasehemmung und das Coffein ein sehr schwaches K r a m p f g i f t mi t r e l a t iv s t a rke r Cholin- es te rasehemmung. Der gewisse Para l le l i smus in der H e m m u n g des fer- m e n t a t i v e n Abbaues des Acety lchol ins und der Er regungssubs tanz der sensiblen Neurone weist d a r a u f hin, dal~ diese be iden wicht igs ten Er- regungssubs tanzen im Zen t r a lne rvensys t em e inander chemisch ~hnlich sind.

Ich danke der Rockefeller Foundation ftir ein Stipendium fiir eine technische Assistentin, wodurch auch diese Arbeit wesentlich gef6rdert worden ist.

Der fermentative Abbau der Erregungssubstanz der sensiblen Nerven. 155

Literatur.

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Prof. Dr. KARL UMRAT~, Zoologisches Inst i tut d. Universit/~t Graz.