27
Der folgende Beitrag ist ein Auszug aus dem Buch „Praxis der Wirtschaftspsychologie – Band III“. Die Nutzung erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Herausgeber. Die Wirtschaftspsychologie wird auch im dritten Band dieses Praxisbuchs in ihrer ganzen Breite dargestellt. Das Buch gliedert sich in folgende Themenfelder: Personal- und Führungskräfteentwicklung, Teamentwicklung, Change Management, Coaching, Personaldiagnostik & Recruiting. Eine Vielzahl von Autoren aus Praxis und Wissenschaft stellen aktuelle Projekte, erprobte Arbeitsweisen sowie grundsätzliche Erkenntnisse dar. Die Themen reichen dabei z.B. von grundlegenden Betrachtungen der Mitarbeiterführung über die konkrete Beschreibung von Workshop-Konzepten bis hin zur Evaluation von Karriere-Webseiten im E-Recruiting. Studierende und Berufsanfänger erhalten Einblicke in das weite Tätigkeitsfeld der Wirtschaftspsychologie und einen Überblick über aktuelle Praktiken und Konzepte. Erfahrene Berufspraktiker finden Best Practice Ansätze sowie hilfreiche Anregungen für die eigene Arbeit. Weitere Informationen zum Buch erhalten Sie unter: www.praxis-der-wirtschaftspsychologie.de 22,80€; 380 Seiten Verlagshaus Monsenstein und Vannerdat ISBN 978-3-95645-289-5

Der folgende Beitrag ist ein Auszug aus dem Buch „Praxis ... & Bruch - Leader… · Der folgende Beitrag ist ein Auszug aus dem Buch „Praxis der Wirtschaftspsychologie –Band

  • Upload
    others

  • View
    1

  • Download
    0

Embed Size (px)

Citation preview

Page 1: Der folgende Beitrag ist ein Auszug aus dem Buch „Praxis ... & Bruch - Leader… · Der folgende Beitrag ist ein Auszug aus dem Buch „Praxis der Wirtschaftspsychologie –Band

Der folgende Beitrag ist ein Auszug aus dem Buch „Praxis der Wirtschaftspsychologie – Band III“.

Die Nutzung erfolgt mit freundlicher Genehmigung der Herausgeber.

Die Wirtschaftspsychologie wird auch im dritten Banddieses Praxisbuchs in ihrer ganzen Breite dargestellt.

Das Buch gliedert sich in folgende Themenfelder:• Personal- und Führungskräfteentwicklung,• Teamentwicklung,• Change Management,• Coaching,• Personaldiagnostik & Recruiting.

Eine Vielzahl von Autoren aus Praxis undWissenschaft stellen aktuelle Projekte, erprobteArbeitsweisen sowie grundsätzliche Erkenntnisse dar.Die Themen reichen dabei z.B. von grundlegendenBetrachtungen der Mitarbeiterführung über diekonkrete Beschreibung von Workshop-Konzepten bishin zur Evaluation von Karriere-Webseiten imE-Recruiting.

Studierende und Berufsanfänger erhalten Einblicke indas weite Tätigkeitsfeld der Wirtschaftspsychologieund einen Überblick über aktuelle Praktiken undKonzepte.

Erfahrene Berufspraktiker finden Best PracticeAnsätze sowie hilfreiche Anregungen für die eigeneArbeit.

Weitere Informationen zum Buch erhalten Sie unter:www.praxis-der-wirtschaftspsychologie.de

22,80€; 380 SeitenVerlagshaus Monsenstein und VannerdatISBN 978-3-95645-289-5

Page 2: Der folgende Beitrag ist ein Auszug aus dem Buch „Praxis ... & Bruch - Leader… · Der folgende Beitrag ist ein Auszug aus dem Buch „Praxis der Wirtschaftspsychologie –Band

Leadership 2.0 – Führung in

digitalen Zeiten: Leadership-

Chancen und Herausforderungen

der Digitalisierung

Ivonne Preusser & Heike Bruch

Universität St. Gallen | energy factory St. Gallen

1 Einführung // Leadership 2.0 - Trends und

Impulse des digitalen Wandels

Das Verständnis von Führung in Unternehmen ist im Wandel begriffen. Füh-

rungskräfte stehen jeden Tag vor neuen Herausforderungen und müssen in kür-

zester Zeit Veränderungen bewältigen und Chancen ergreifen können. Dabei

wird erwartet, dass sie Höchstleistungen erbringen, Innovationen vorantreiben,

Kunden begeistern und die Potenziale von Mitarbeiterengagement und

-begeisterung nutzen.

Auch die Anforderungen an Führung haben sich geändert und sind insbesondere

durch grundlegende, dynamische Veränderungen in Wirtschaft und Gesellschaft

geprägt. In einer aktuellen Studie unter deutschen Spitzenführungskräften wird

Page 3: Der folgende Beitrag ist ein Auszug aus dem Buch „Praxis ... & Bruch - Leader… · Der folgende Beitrag ist ein Auszug aus dem Buch „Praxis der Wirtschaftspsychologie –Band

26 Ivonne Preusser & Heike Bruch

als eine der zentralen Herausforderungen an Führung im 21. Jahrhundert die

steigende Komplexität angeführt: Informationsflüsse, Führungsaufgaben und

Stakeholdermanagement werden vielschichtiger. Die Transparenz- und Beteili-

gungsanforderungen steigen, Führung wird weniger kontrollierbar. Gleichzeitig

beschleunigt sich die Taktung von Entscheidungszyklen rasant und das Gefühl

von wachsender Unvorhersagbarkeit einer globalisierten und vernetzten Welt

steigt, so das Ergebnis dieser Führungsstudie aus 2012 (Leipprand, Allmendin-

ger, Baumanns & Ritter, 2012). Weltweit befragt, geben Top-Manager an, dass

Technologie heute und zukünftig mehr Veränderungen in Unternehmen bewirkt

als jede andere Einflussgröße bisher, sogar mehr als die Wirtschaft. Dieser Glo-

bal CEO Studie 2012 zufolge, wissen die Führungskräfte, dass die neue vernetzte

Welt die Kommunikation und Interaktion zwischen Menschen grundlegend und

zutiefst verändert (IBM, 2012). Die Bedeutung sozialer Medien in den Unter-

nehmen wächst demnach. Dieser „digitale“ Wandel führt auch gleichzeitig zu

neuartigen Verbindungen von Kunden, Mitarbeitern und externen Stakeholdern

mit Unternehmen sowie auch untereinander (Berman & Korsten, 2013).

Aber ist diese beschriebene Digitalisierung und die Wirkung von Social Media

„nur“ technologieorientiert und daher Aufgabe einer Abteilung im Unternehmen

oder gar eine grundlegende, übergreifende (R)evolution? Was sind die „neuen“

Herausforderungen an Unternehmen? Und welche Anforderungen ergeben sich

daraus für Unternehmen? Diese Fragen betrachten erst einmal nur die möglichen

emergenten Herausforderungen an die Organisation – Führung galt jedoch bisher

als der zentrale Stellhebel zur Unternehmensteuerung. Es ist daher von besonde-

rer Bedeutung und Relevanz, die Chancen von Führung in den veränderten

Strukturen zu betrachten. Welchen Stellenwert kann Führung in digitalen Zeiten

einnehmen? Welche Anforderungen ergeben sich an Leadership 2.0? Und wie

können Führungskräfte zur erfolgreichen Gestaltung beitragen?

Der folgende Beitrag geht anhand von Praxisbeispielen und Forschungsimpul-

sen, die am Institut für Führung und Personalmanagement (IFPM) der Universi-

tät St. Gallen durchgeführt wurden, der Frage nach, wie Unternehmen und Füh-

rungskräfte in zunehmend miteinander vernetzten Organisationen, Märkten und

Gesellschaften, in hochkomplexen und dynamischen Umwelten – in einer digita-

len, vernetzten Welt – erfolgreich agieren können?

Page 4: Der folgende Beitrag ist ein Auszug aus dem Buch „Praxis ... & Bruch - Leader… · Der folgende Beitrag ist ein Auszug aus dem Buch „Praxis der Wirtschaftspsychologie –Band

Leadership 2.0 – Führung in digitalen Zeiten 27

1 Digitalisierung und Social Media – eine

digitale (R)evolution ?

„Die neue elektronische Interdependenz formt die Welt zu einem globalen Dorf“,

behauptete Marshall McLuhan1 bereits 1962. Die Verbreitung des Internet hat

viele Jahre später als Web 1.0 zuerst umgreifende technologische Veränderungen

bewirkt. Doch insbesondere das Web 2.0 – bezeichnend für die Entwicklung hin

zu sozialen Massenmedien – hat als „neue“ vernetzte Welt die Kommunikation

und Interaktion zwischen Menschen grundlegend verändert. Betrachtet man

diese Veränderungen genauer, so weisen Social-Media-Nutzungs- und Verbrei-

tungsstatistiken hingegen oft rein technologische Aspekte auf. Beispielsweise

werden Internetnutzer häufig nach bestimmter Softwarenutzung beschrieben, so

auch die ARD/ZDF-Onlinestudie 2012, nach der 2 % der Onliner den Dienst

Twitter regelmäßig nutzen (Busemann & Gescheidle, 2012). Es stellt sich jedoch

stärker die Frage, wie weit soziale Massenmedien inzwischen in die Lebenswel-

ten eingegriffen haben. Ist diese Technologisierung, das Social Web „nur“ eine

digitale Revolution – ein „elektronischer Umbruch“ oder doch sogar eine tief-

greifende gesellschaftliche Evolution?

Den Einfluss von Social Media auf die Lebenswelten zeigt u.a. die Studie der

Standford-Universität zur Partnersuche und der Bedeutung des Internet als ge-

sellschaftlicher Vermittler: Jedes fünfte Paar hat sich online kennengelernt, bei

gleichgeschlechtlichen Paaren lernen sich sogar drei von fünf über das Internet

kennen (Rosenfeld & Thomas, 2012). Im Jahre 2010 waren bereits 69 % aller

Eltern in den USA auf Social-Media-Plattformen mit ihren Kindern befreundet

(Liberty Mutual, 2010). Auch hatten in diesem Jahr weltweit schon 82 % der

unter 2-Jährigen digitale Spuren im Netz; 7 % der Kleinkinder bekamen eine

eigene E-Mailadresse. Und 23 % der Eltern hatten die Ultraschallbilder ihrer

Ungeborenen ins Netz gestellt und so bereits vor der Geburt einen digitalen Fuß-

abdruck ihrer Babies erzeugt (AVG Digital Diaries, 2010). Wenn Wikipedia im

Jahre 2011 als Buch gedruckt worden wäre, so hätte dieses Buch über 2,25 Mil-

lionen Seiten – es würde über 123 Jahre dauern, dies zu lesen (vgl. Valby, 2011).

Auch Empfehlungen und Konsumentscheidungen und somit das Kundenhandeln

erfahren einen Wandel durch soziale Medien; so vertrauen 90 % der Nutzer

Kundenrezensionen im Web, hingegen trauen nur 14 % der Werbung.

1 Obwohl McLuhan das Internet nicht kannte, prägte er den Begriff des "globalen Dorfs" für eine

Welt, die durch Medien zusammengeführt wird.

Page 5: Der folgende Beitrag ist ein Auszug aus dem Buch „Praxis ... & Bruch - Leader… · Der folgende Beitrag ist ein Auszug aus dem Buch „Praxis der Wirtschaftspsychologie –Band

28 Ivonne Preusser & Heike Bruch

Digitalisierung und Social Media verändern aber nicht nur Medien- und Kom-

munikationsverhalten sondern beeinflussen soziale und gesellschaftliche

Lebenswelten fundamental und wirken tiefgreifend in die Arbeits- und Ge-

schäftswelt ein.

2.1 Social Media und die digitale (R)evolution – Was

sind die neue Heraus- und Anforderungen an

Unternehmen?

„Wir stehen an einem historischen Wendepunkt der Geschäftswelt, an der

Schwelle zu dramatischen Veränderungen der Organisation, Innovation und

Wertschöpfung von Unternehmen“, formulierte Don Tapscott in einem Beitrag

(Tapscott, 2008, S. 123).

Unternehmen sind in nun dynamischen, vernetzten und globalisierten Märkten

aufgefordert, sich drei zentralen Herausforderungen zu stellen: Die des Wettbe-

werbs, der Mitarbeiter und die des Kunden.

WETTBEWERB

MITARBEITER

KUNDE

Enterprise 2.0

• Innovation

• Dynamisierung

• globale Vernetzung

• Hochleistungs-

organisationen

„Digital Natives“

(Generation Y/Millenials)

• Social Workplace

Vernetzung & Wandel

• Employer Branding

• War for «Hearts»

Social Business

• „Vom Nutzer zum

Produtzer“/Co-Creation

• Individuelles & vernetztes

Feedback

Abbildung 1: Neue Herausforderungen an Unternehmen in digitalen Zeiten

Page 6: Der folgende Beitrag ist ein Auszug aus dem Buch „Praxis ... & Bruch - Leader… · Der folgende Beitrag ist ein Auszug aus dem Buch „Praxis der Wirtschaftspsychologie –Band

Leadership 2.0 – Führung in digitalen Zeiten 29

2.1.1 Wettbewerb und „Enterprise 2.0“

Der Markt ist durch Dynamik gekennzeichnet – beschleunigte Innovationszyklen

und -anforderungen, Wissenswachstum und zunehmende globale Vernetzungen

sowie schnell wandelnde Wirtschaftssysteme stellen das Management von Hoch-

leistungsorganisationen vor neue Herausforderungen. Die Bezeichnung „Enter-

prise 2.0“ steht derzeit als Synonym für die neuen Anforderungen an das Ma-

nagement von Unternehmen im High Performance-Umfeld und geht deutlich

über den ursprünglich technologischen Aspekt hinaus. Der Begriff „Enterprise

2.0“ wurde 2006 von Andre McAfee für den Einsatz von Social Software im

Unternehmenskontext eingeführt. Hierbei lag der Schwerpunkt noch auf der

Technologie – also der Beschreibung von Social Software und Tools wie etwa

Blogs und Wikis. Diese Integration von technischen Innovationen und Social

Media Kanälen in die betrieblichen Abläufe beeinflusste zuerst Wissensma-

nagement, Projektkoordination sowie Außendarstellung und Kommunikation mit

externen Stakeholdern. Beim Wissensmanagement förderte dies u.a. den freien

Austausch, die Selbstorganisation und hierarchieunabhängige Kommunikation.

Der Einsatz in der internen Kommunikation beeinflusst z.B. auch die Logik der

Koordination und Kooperation in der Bedeutung eines „emergenten Kommuni-

kationsprozesses“: In der hierarchischen Organisation werden Abläufe geplant

("Organigramm"), bei Enterprise 2.0 entwickeln sich Koordinationskanäle, die

stärker auf den tatsächlichen Interaktionen und Bedürfnissen der Mitarbeiter

basieren. Entsprechend weichen diese informellen Koordinationsnetzwerke häu-

fig erheblich von formellen Organisationsschemata ab. Und berühren damit auch

im besonderen Maße die Unternehmenskultur.

Auch die inzwischen fortgeschrittene Durchdringung von Social Media in beruf-

lichen und privaten Lebenswelten beeinflusst das Verhalten und die Erwartungen

aller anderen Stakeholder. Denn die Vernetzungsfähigkeit und -bereitschaft der

Mitarbeiter untereinander, mit Führungskräften, Kunden, Geschäftspartner und

Lieferanten, erschließen ein neues Potenzial für Wertschöpfungsaktivitäten von

Unternehmen und werden damit auch zum kritischen Erfolgsfaktor im Wettbe-

werb. In einer globalen McKinsey Studie (Bughin & Chui, 2010) zu realisierten

Benefits durch Social-Media-Nutzung zeigte sich, dass vollständig vernetzte

Unternehmen am erfolgreichsten sind. Die Autoren zeigten u.a. auf, dass die

Page 7: Der folgende Beitrag ist ein Auszug aus dem Buch „Praxis ... & Bruch - Leader… · Der folgende Beitrag ist ein Auszug aus dem Buch „Praxis der Wirtschaftspsychologie –Band

30 Ivonne Preusser & Heike Bruch

positive Auswirkung auf Erfolgskennzahlen und anderen organisatorischen Grö-

ßen bei vollständig vernetzten2 Unternehmen am größten ist (vgl. Dörner, 2012).

Diese Wirkungsrichtungen – nach außen zum Markt und nach innen zur Kultur –

skizzieren die Notwendigkeit, Unternehmen ganzheitlich für den Veränderungs-

prozess in digitalen Zeiten aufzustellen.

Hieraus folgt: Agilität und Flexibilität werden nun zu zentralen Anforderungen

an Unternehmen.

2.1.2 Mitarbeiter und „Digital Natives“

Um erfolgreich agieren zu können, müssen Unternehmen über das entsprechende

– und immer bedeutender werdende – Human Capital verfügen. Insbesondere in

Informations- und Wissensgesellschaften und aufgrund des demografischen

Wandels ist es strategisch bedeutsam, Mitarbeiter binden und gewinnen zu kön-

nen. So führen etwa die demografischen Veränderungen zunehmend zu einem

Mangel an Fach- und Führungskräften und zu einem schärfer werdenden Wett-

bewerb um qualifizierte und talentierte Mitarbeiter. Nach Schätzungen einer

McKinsey-Studie fehlen bis zum Jahr 2025 in Deutschland bis zu 6,5 Millionen

Arbeitskräfte, darunter rund 2,4 Millionen Akademiker (McKinsey, 2011). Diese

häufig auch als “War for Talents”3 bezeichnete Veränderung auf dem Arbeits-

markt sowie der Stellenwert von Employer Branding zeigen überdies auf, dass es

längst ein „Arbeitnehmermarkt“ geworden ist und der Wettbewerb zukünftig

stärker über einen „War for Hearts“ geprägt sein wird. Um unter solchen Rah-

menbedingungen erfolgreich zu sein, muss sich ein Unternehmen den Heraus-

forderungen der neuen Generation stellen und gleichzeitig die „ältere“

Generation nicht verlieren. Die sogenannten „Digital Natives“, also die Genera-

tion der unter 30- bzw. unter 35-Jährigen, die auch häufig als „Millennials“ oder

„Generation Y“ bezeichnet wird, steht für die Absolventen, die nach der Jahrtau-

sendwende auf den Arbeitsmarkt gekommen sind. Der Begriff der „Digital Nati-

ves“ und das Bild von den „Eingeborenen“ im Netz, die mit allem, was im Inter-

net möglich ist, bestens vertraut sind, wurde von Marc Prensky (2001) geprägt

und wird seitdem immer wieder als Synonym für die heutige junge Generation

2 Vgl. Petry 2012: Vollständig vernetzt im Sinne des Enterprise 2.0 Reifegradmodells nach

Schönfeld (2009): Vernetztes Unternehmen in einer vernetzten Gesellschaft, dort wird Social

Media strategiegetrieben angegangen, umfassend in interne Prozesse eingesetzt, in der Interakti-

on mit externen Stakeholdern genutzt und offene Kultur gelebt

3 Vgl. Chambers, Foulon, Handfield-Jones, Hankin, &, Michaels III, 1998

Page 8: Der folgende Beitrag ist ein Auszug aus dem Buch „Praxis ... & Bruch - Leader… · Der folgende Beitrag ist ein Auszug aus dem Buch „Praxis der Wirtschaftspsychologie –Band

Leadership 2.0 – Führung in digitalen Zeiten 31

genutzt (Van Eimeren & Frees, 2012). Für sie ist das Internet und Social Media

fest im Alltag integriert. Inzwischen können rund 41 % der deutschen Bevölke-

rung als „Digitals Natives“ bezeichnet werden, so das Ergebnis einer Studie zu

Internet-Milieus aus 2012. Demnach stellt für fast 29 Millionen Menschen in

Deutschland die digitale Welt einen wesentlichen Teil des Lebens dar, frei nach

dem Lebensmotto „ich surfe, also bin ich“. Sie stehen dem Internet sehr positiv

gegenüber, sind vernetzt-entgrenzt und ihre Grundorientierung ist stärker durch

„Machen & Erleben“ und „Grenzen überwinden“ geprägt (Sinus-Institut, 2012).

Digital Natives werden die Arbeitswelt und Organisationen der Zukunft nachhal-

tig prägen. Die derzeitige Diskussion hierüber ist vielfältig und gängige Kli-

schees lesen sich etwa so: „Sie sind behütet aufgewachsen, selbstbewusst und

anspruchsvoll. Sie distanzieren sich von „Workaholics“ und mögen keine Hie-

rarchien. Sie wissen, dass junge Fachkräfte weniger werden und somit mehr

Auswahl haben, wo und wie sie arbeiten wollen“ (vgl. Bös, 2012). Als Generati-

on Y / Why, die erstmals fast alles hinterfrage, erwarten sie von Unternehmen,

dass diese umdenken und sich auf ihre Ansprüche einstellen. Man könne sie

durchaus als „Generation Pippi“ bezeichnen, so Bund und Heuser (2013). „Denn

diese Generation macht sich die Welt, widdewidde wie sie ihr gefällt […] Die

Neuen wollen Spaß haben, schnell vorwärtskommen und dabei weniger Zeit in

ihrem Job verbringen. Und nebenbei wollen sie auch noch die Welt retten“

(Bund & Heuser, 2013, S. 1).

Auch wenn die Ergebnisse von ersten Studien zeigen, dass sich „die / eine“ Ge-

neration Y nicht festlegen lässt, so ist ihnen jedoch gemeinsam, dass sie den

Wunsch nach zunehmender Flexibilität, echter Partizipation und Kollaboration

sowie mehr direktem, zeitnahem Feedback einbringen (PwC, 2013). Die Digita-

lisierung und Vernetzung und die veränderten Arbeitseinstellungen wirken sich

bereits auf Arbeitsumgebungen und -gestaltung aus – seit vielen Jahren zeigt sich

ein Trend zu Social Workplace und Co-Working Spaces. Auch flexible Arbeits-

zeiten wie Home-Office-Regelungen und veränderte Büros, die kreatives, selbst-

gestaltetes und kollaboratives Arbeiten in neuen Kontexten ermöglichen, weisen

auf die neuen Herausforderungen hin.

Hieraus folgt: Offenheit, Kollaboration und Bindung werden nun zu zentralen

Anforderungen an Unternehmen.

2.1.3 Kunde und „Social Business“

Das Internet hat sich durch Social Media vom Informations- zum Mitmach-

Medium gewandelt und bietet durch die interaktive Nutzung sowohl erhebliches

Potenzial für geschäftliche Aktivitäten aber auch die Notwendigkeit für Verände-

Page 9: Der folgende Beitrag ist ein Auszug aus dem Buch „Praxis ... & Bruch - Leader… · Der folgende Beitrag ist ein Auszug aus dem Buch „Praxis der Wirtschaftspsychologie –Band

32 Ivonne Preusser & Heike Bruch

rungen und Anpassung der Unternehmen. Durch Social Media ist eine andere

Art und Weise der Kommunikation entstanden. An die Stelle medialer Monologe

– der 1:n Kommunikation – treten sozial-mediale Dialoge – eine n:n Kommuni-

kation. Dadurch verändern sich Informationsstand und -erwartungen sowie das

Verhalten von Konsumenten (vgl. Petry 2012). Der Kunde 2.0 ist vom „Nutzer

zum Produtzer“4 geworden (Bruns, 2008, 2009).

Dies zeigt, dass Soziale Medien nicht nur das Verhalten, sondern auch die Rolle

der Konsumenten und Kunden verändern. Bereits im Jahr 2008 waren einer

amerikanischen Studie zufolge, 85 % der Nutzer Sozialer Medien der Ansicht,

dass ein Unternehmen nicht nur eine Präsenz in den Sozialen Medien haben

sollte, sondern vor allem mit seinen Kunden interagieren sollte (Cone, 2008).

Noch nie scheint es so wichtig, seine Kunden zu verstehen und von ihnen ver-

standen zu werden. Dies erfordert die Bereitschaft zur aktiven Teilnahme am

Dialog und neue Formen der Kooperation. So stehen inzwischen die Bezeich-

nungen „Crowdsourcing“, „Crowd-Creation“ und „Co-Creation“ für die neue

Form der Kooperation und Partizipation in der digitalen, vernetzten Welt. Hier-

bei bezieht sich Crowdsourcing auf Aufgaben, welche bisher von Mitarbeitern

eines Unternehmens ausgeführt wurden, die nun mittels Aufruf über das Internet

an eine große, nicht näher bestimmte Gruppe von Menschen ausgelagert wird.

Wie etwa beim Automobilhersteller Fiat, der bereits 2006 im Netz zur Design-

Mitgestaltung des neuen Fiat 500 aufrief5 - mehr als 170.000 Entwürfe folgten in

kürzester Zeit und zeigten auf, wie sich die Fans den neuen Cinquecento vorstell-

ten (vgl. Grünweg, 2006). Auch Tschibo nutzt Crowdsourcing über eine eigene

Online-Community tschibo ideas6 zur Ideengenerierung. Auf dieser Plattform

können Interessierte ihre Ideen, Aufgaben und Lösungsansätze zu Alltagsprob-

lemen vorstellen und gegenseitig bewerten.

Co-Creation fokussiert hingegen direkt die Kunden eines Unternehmens. Der

Begriff wurde von Prahalad und Ramaswamy (2000) geprägt und bezeichnet die

4 Medieninhalte unterliegen also nicht länger der Wertschöpfungskette der industriellen Produktion

(vom Produzenten über den Distributor zum Konsumenten), sondern werden von denselben Leu-

ten produziert, die die Inhalte auch nutzen bzw. konsumieren, der Umweg über den Distributor

fällt weg. Der Nutzer ist gleichzeitig auch Produzent oder eben „Produtzer“.

5 Mit der Kampagne „500 wants you“ wurde 500 Tage vor der internationalen Markteinführung zum

Mitmachen aufgerufen, weltweit konnten über eine interaktive Online-Plattform Wünsche, Er-

wartungen sowie Tipps und Vorschläge für den neuen Fiat 500 geäußert werden:

http://www.fiat500.de/500-and-you

6 Ideenplattform: www.tschibo-ideas.de

Page 10: Der folgende Beitrag ist ein Auszug aus dem Buch „Praxis ... & Bruch - Leader… · Der folgende Beitrag ist ein Auszug aus dem Buch „Praxis der Wirtschaftspsychologie –Band

Leadership 2.0 – Führung in digitalen Zeiten 33

zunehmende Integration des Kunden in den Produktionsprozess. Die Kunden

werden zu Kompetenzquellen für Unternehmen. Sie steuern Wissen und Fertig-

keiten bei, geben Feedback und experimentieren eigenständig mit neuen Produk-

ten. Und werden somit in die Wertschöpfungskette auf Unternehmensebene

eingebunden.

Die Herausforderung für Unternehmen im „Social Business“ ist daher, Verände-

rungen zu erkennen, Risiken einzuschätzen und die Potenziale und Möglichkei-

ten wertschöpfend zu nutzen, die durch die Verbindung von sozialen Netzwerke,

Blogs oder Online-Portale entstehen.

Hieraus folgt: Dialog und Partizipation werden nun zu zentralen Anforderungen

an Unternehmen.

• Agilität

• Flexibilität

WETTBEWERB

Enterprise 2.0

• Bindung

• Offenheit & Kollaboration

MITARBEITER

Digital Natives

• Dialog

• Partizipation

KUNDE

Social Business

Abbildung 2: Zentrale Anforderungen an Unternehmen im digitalen Wandel

Chancen durch Führung // Können Führungskräfte zur erfolgreichen

Gestaltung und Vermittlung beitragen?

Die dargestellten Anforderungen fordern Unternehmen zu einer aktiven Gestal-

tung eines zukunftsorientierten Veränderungs- und Transformationsprozesses

Page 11: Der folgende Beitrag ist ein Auszug aus dem Buch „Praxis ... & Bruch - Leader… · Der folgende Beitrag ist ein Auszug aus dem Buch „Praxis der Wirtschaftspsychologie –Band

34 Ivonne Preusser & Heike Bruch

heraus. Bisher wurde Führung ein hoher Stellenwert zur erfolgreichen Steuerung

von Organisationen zugesprochen. Wie sieht jedoch Führung in digitalen Zeiten

aus? Weisen die drei Anforderungen auch drei Chancen für – und durch – Füh-

rung auf? Kann Führung einen sichtbaren und erfolgreichen Beitrag leisten, die

Agilität und Flexibilität im Wettbewerb zu fördern, Offenheit und Bindung der

Mitarbeiter zu erhöhen und die Partizipation und Dialog mit den Kunden stär-

ken?

3 Leadership-Chancen in digitalen Zeiten

Verständnis von Leadership und Trends in modernen Führungsansätzen

Forschungen zu Führung sind vielfältig, zahlreich und blicken auf über 100 Jahre

Forschungsarbeit aus unterschiedlichen Gebieten – wie Psychologie, Wirtschaft,

Politik – zurück. In den klassischen Ansätzen stand stärker die Person des Füh-

renden – etwa bezogen auf Eigenschaften (Trait-Skill-Aproach), Verhalten (Be-

havior), Stil (Style Approach) – im Vordergrund (vgl. z.B. Stogdill, 1948; Blake

& Mouton, 1964). Führung wurde dabei eher als einseitige Einflussnahme in

Richtung der Geführten, die als Kollektiv angesehen wurden, verstanden.

In modernen Führungsansätzen ist zu beobachten, dass Emotionen an Bedeutung

gewinnen. So ist eine Verschiebung weg von formaler Autorität über Hierarchie

oder Tradition hin zu Inspiration und individueller Beachtung erkennbar. Dieses

Verständnis von Führung zeigt sich insbesondere in dem sogenannten „New

Leadership approach“ (Bryman, 1992), dem Konzepte wie die „inspirierende“

„transformationale“ oder „charismatische“ Führung zugeordnet werden (Bass,

1985; Conger & Kanungo, 1988; House, 1977). Dieser seit den frühen 80er Jah-

ren aufkommende neue Trend in der Führungsforschung versteht Leadership als

einen Prozess, bei dem die Führungskraft das Commitment der Mitarbeiter zum

gemeinsamen Ziel stimuliert und diese durch ihre persönliche Weiterentwick-

lung in die Lage versetzt, diese Ziele zu erreichen. Diese modernen Führungsan-

sätze gründen darauf, die Menschen zu begeistern, sie zu inspirieren und ihnen

Sinn zu vermitteln. All diesen Führungsstilen ist gemein, dass sie eine Führungs-

kraft als jemanden skizzieren, der Menschen die Bedeutung ihrer Arbeit aufzeigt,

sie emotional anspricht und motiviert. Die Grundlage der Führungsbeziehung ist

somit das Schaffen von Identifikation und Commitment für eine gemeinsame

Aufgabe sowie das Befähigen und Begeistern – und nicht Hierarchie oder

formale Position.

Page 12: Der folgende Beitrag ist ein Auszug aus dem Buch „Praxis ... & Bruch - Leader… · Der folgende Beitrag ist ein Auszug aus dem Buch „Praxis der Wirtschaftspsychologie –Band

Leadership 2.0 – Führung in digitalen Zeiten 35

Leadership 2.0 - Führung in digitalen Zeiten

Führung in digitalen Zeiten wird vor allem durch die Veränderungen der zuneh-

mend miteinander vernetzten Organisationen, Märkten und Gesellschaften beein-

flusst. Es ist daher notwendig, die Anforderungen in diesen hochkomplexen und

dynamischen Umwelten aufzugreifen und erfolgreich zu gestalten. Dabei gilt:

Agilität und Flexibilität zu fördern, um den Herausforderungen des Wettbewerbs

begegnen zu können. Offenheit, Kollaboration und Bindung für und zu den Mit-

arbeitern zu erhöhen. Und gegenüber den Kunden Dialog und Partizipation zu

stärken. Insbesondere der neue Trend im Führungsverständnis und die damit

einhergehende kulturelle Veränderung von den „klassischen“ hierarchischen und

organisationszentrischen Beziehungen hin zu einer wechselseitigen, netzwerk-

zentrischen Führungskultur mit partizipativen und individuellen Beziehungen

birgt Chancen in digitalen Zeiten (vgl. Buhse, 2012; Li, 2010).

Leadership 2.0 kann daher auch als Führungsverständnis verstanden werden, das

diese Chancen aufgreift und den Veränderungsprozess – die Transformation in

digitalen Zeiten – als „Change Agent“ erfolgreich gestaltet.

Forschungen am Institut für Führung und Personalmanagement der Universität

St. Gallen (IFPM) untersuchten diese Leadership-Chancen. Für die nachfolgende

Studie wurden Daten von 15.544 Mitarbeitern, 264 Geschäftsführungsmitglie-

dern sowie den Personalleitern aus 96 Unternehmen ausgewertet. Für diese Ana-

lysen7 wurden drei Führungsansätze in Unternehmen und ihre Wirkung auf ver-

schiedene erfolgsrelevante Faktoren untersucht. Die nachfolgend dargestellten

Ergebnisse analysierten die Potenziale und Chancen von (1) austauschorientierter

Führung (Leader-Member-Exchange), (2) auf Empowerment basierender Füh-

rung (Empowering Leadership) und (3) transformationaler Führung mit besonde-

rem Fokus auf die zuvor dargestellten Anforderungen an Unternehmen in digita-

len Zeiten. Darüber hinaus werden zu jedem der drei Forschungsimpulse und

Führungsansätze entsprechende Beispiele aus der Praxis angeführt.

7 Analysemethoden u.a. (Top-/Low-10) Extremgruppenvergleich von Unternehmen mit höchster

Ausprägung der jeweiligen Treibervariable versus Unternehmen mit niedrigster Ausprägung der

jeweiligen Treibervariable (vgl. Elmes, Kantowitz & Roediger III, 1999)

Page 13: Der folgende Beitrag ist ein Auszug aus dem Buch „Praxis ... & Bruch - Leader… · Der folgende Beitrag ist ein Auszug aus dem Buch „Praxis der Wirtschaftspsychologie –Band

36 Ivonne Preusser & Heike Bruch

3.1 Forschungsimpuls (1) // Austauschorientierte

Führung (Leader-Member-Exchange) und die

Wettbewerbsanforderungen Agilität und

Flexibilität

Bei den austauschorientierten Führungsansätzen wird die Interaktion zwischen

dem Führenden und den Geführten im Führungsprozess betont, Führung wird als

Beziehungsphänomen verstanden. Zu den bekanntesten Ansätzen zählt die Lea-

der-Member-Exchange Theorie, die die Individualität und Zweiseitigkeit der

Beziehungen von Leader und den einzelnen Followern betont (vgl. Dansereau,

Graen & Haga, 1975; Graen & Uhl-Bien, 1995).

3.1.1 Analyse (1) // Vergleich zwischen Unternehmen mit stark und

schwach ausgeprägter austauschorientierter Führung (Top / Low-

Vergleich)

In Unternehmen, mit einem starken austauschorientierten Führungsklima, ist

Intrapreneurship – als Offenheit für internes Unternehmertum - um 40 % ausge-

prägter. Ihnen gelingt es in sehr hohem Maße, die Mitarbeiter zu unternehmeri-

schem Denken und Handeln zu ermutigen und ihnen Freiräume zu geben. Mitar-

beiter in diesen Unternehmen werden stärker ermuntert, mit neuen Ideen bere-

chenbare Risiken einzugehen. Ferner ist der Grad der Formalisierung um 45 %

niedriger, auch die Zentralisierung ist um 11 % geringer ausgeprägt. Diese struk-

turellen Aspekte haben Einfluss auf die Handlungsfreiheit und Entscheidungs-

spielräume. Je weniger zentralisiert und formalisiert ein Unternehmen ist, desto

deutlicher sind Flexibilität, Agilität und Raum für Innovationen und Ideengene-

rierung ausgeprägt. Dies zeigt sich auch auf Performance-Ebene durch eine Zu-

nahme der produktiven Energie um 23 %. Diese produktive Energie - ein positi-

ver Energiezustand der organisationalen Energie - ist für die Leistungsfähigkeit

und den Erfolg von Unternehmen – insbesondere für Wachstum, Wandel und

Innovation ein entscheidender Treiber und gibt die Kraft an, mit der Unterneh-

men zielgerichtet Dinge bewegen. Das Konzept der organisationalen Energie

zeigt an, in welchem Ausmaß ein Unternehmen sein emotionales, mentales und

verhaltensbezogenes Potenzial zur Verfolgung seiner Ziele mobilisiert hat

(Bruch & Ghoshal, 2003; Cole, Bruch & Vogel, 2005). Es ergeben sich vier in

Unternehmen typischerweise vorherrschende Energiezustände, welche sich an-

hand der Dimensionen Qualität und Intensität voneinander abgrenzen lassen. Die

Intensität gibt hierbei das Ausmaß der Aktivierung der Potenziale an; die Quali-

tätsdimension zeigt, ob die Energie positiv oder negativ genutzt wird. Berück-

Page 14: Der folgende Beitrag ist ein Auszug aus dem Buch „Praxis ... & Bruch - Leader… · Der folgende Beitrag ist ein Auszug aus dem Buch „Praxis der Wirtschaftspsychologie –Band

Leadership 2.0 – Führung in digitalen Zeiten 37

sichtigt man beide Dimensionen, ergeben sich die vier Energiezustände ange-

nehme Energie, resignative Trägheit, korrosive Energie und produktive Energie.

Bisherige Forschungen zur organisationalen Energie konnten darüber hinaus

auch zeigen, dass in Unternehmen mit hoher organisationaler Energie hohes

Engagement und Interaktionsintensität vorherrschen und dies u.a. ein hohes

Veränderungs- und Innovationspotenzial bedingt (Bruch & Vogel, 2005, 2011).

Unserer aktuellen Analyse zum Forschungsimpuls (1) folgend, so zeigt der Ver-

gleich zwischen Unternehmen mit starker und schwacher austauschorientierter

Führung zudem auf, dass die Strategieverbundenheit deutlich besser gelingt und

auch die Zufriedenheit der Mitarbeiter um 25 % höher ist. (s. Abbildung 3).

12%

25%

-11%

-45%

23%

40%

DC

Messung: Leader-Member-

Exchange (LMX)

Mein(e) direkte(r) Vorgesetzte(r) …

� … erkennt meine Potentiale und

Entwicklungsmöglichkeiten.

� … glaubt so stark an mich, dass

er meine Entscheidungen

verteidigen würden, wenn ich es

nicht selber tun kann.

� … versteht meine Problemen

und Bedürfnisse.

(Auszug aus den Items)

Zufriedenheit

Formalisierung

Zentralisierung

Intrapreneurship

Produktive Energie

Strategieverbundenheit

Abbildung 3: Ergebnisdarstellung des Vergleichs zwischen Unternehmen mit stark und schwach

ausgeprägter austauschorientierter Führung

Eine stark auf Austausch und Interaktion basierende Führung erhöht die

Agilität von Unternehmen

Führung mit Leader-Member-Exchange-Fokus kann Mitarbeiter in ihrem Han-

deln bestärken und ein Vertrauens- und Innovationsklima erzeugen, das die Mit-

arbeiter dazu bringt, sich kreativ einzubringen und so den „sicheren Weg“ zu

verlassen, um neue Lösungsmöglichkeiten zu entwickeln und innovativer zu

werden.

Page 15: Der folgende Beitrag ist ein Auszug aus dem Buch „Praxis ... & Bruch - Leader… · Der folgende Beitrag ist ein Auszug aus dem Buch „Praxis der Wirtschaftspsychologie –Band

38 Ivonne Preusser & Heike Bruch

3.1.2 Praxisimpuls (1) // Interaktions- und austauschorientierte

Führung

Reverse Mentoring – «Digital Natives» coachen Führungskräfte

Beim Reverse Mentoring erklären junge Mitarbeiter dem Management die neuen

Technologien und ihre Implikationen und geben damit Wissen und Erfahrungen

in strategisch wichtigen Themengebieten weiter. Sinnbildlich treffen hier „Kapu-

zenpullies“ auf „Anzugträger“ (vgl. Buhse & Reinhard, 2009).

T-Systems und die Deutsche Telekom setzen diesen intergenerativen Dialog

bereits konzernweit ein, um den Managern die Denkweisen, den „Spirit“ und den

Businessnutzen des Web 2.0 näher zu bringen.

„Führungskräfte fragen sich, was könnte ich morgen anders machen, wie muss

ich meine Mannschaft abholen“, so Stephan Grabmeier von der Deutschen Tele-

kom AG. „Die Anforderung kommt aus der steigenden Relevanz von Social

Media und dem Wandel von Unternehmen zu einer Enterprise 2.0. Es ist Aufga-

be der Führungskräfte, ihre Mitarbeiter zu motivieren und ihnen die Vorteile

sozialer Medien im Arbeitsalltag zu verdeutlichen.“ (vgl. Gade, 2012). Und dies

auch mit deutlichem Commitment und Engagement des Top-Managements. Vom

Vorstand bis auf Bereichsebene wurden innerhalb des ersten Jahres zahlreiche

Mentorings durchgeführt. Das Reverse Mentoring-Programm der Telekom ist in

drei Module von je rund ein bis zwei Stunden Dauer unterteilt, die Sessions

erfolgen im Rahmen persönlicher Treffen in vertrauensvoller Atmosphäre (vgl.

Grabmeier, 2011).

Beim Reverse Mentoring sind zudem starke Vorbilder und aktive Unterstützung

im Top-Management notwendig. Es ist als eine Diskussion auf Augenhöhe zu

verstehen, bei der Offenheit und Vertrauen für eine Interaktion und Austausch

wichtig sind. Und dies mit gegenseitigem Nutzen: Junge Mitarbeiter erhalten

Sichtbarkeit, Wertschätzung sowie die Chance sich aktiv einzubringen. Unter-

nehmen und Führungskräfte profitieren vom Wissenstransfer – über organisatio-

nale Strukturen hinaus - und von der Agilität und Innovationskraft, die ausgelöst

wird.

Page 16: Der folgende Beitrag ist ein Auszug aus dem Buch „Praxis ... & Bruch - Leader… · Der folgende Beitrag ist ein Auszug aus dem Buch „Praxis der Wirtschaftspsychologie –Band

Leadership 2.0 – Führung in digitalen Zeiten 39

3.2 Forschungsimpuls (2) // Empowering Leadership

und die Mitarbeiteranforderungen Offenheit,

Kollaboration und Bindung

Bei den Empowering-Leadership-Ansätzen wird die Befähigung im Führungs-

prozess betont. Empowering zielt darauf ab, die Selbstbestimmung der Mitarbei-

ter zu erhöhen, das individuelle Potential zu fördern und Autonomie zu erlauben,

um effektives Verhalten zu erreichen. Empowerment oder Enabling beschreibt

die Bevollmächtigung/Befähigung von Mitarbeitern zu Experten in eigener Sa-

che. „Empowerte“ Mitarbeiter sind sich ihrer eigenen Fähigkeiten bewusst und

entwickeln diese gezielt weiter.

Entsprechend werden beim Empowering-Leadership die Führungsfunktionen der

direkten Einflussnahme und Kontrolle reduziert, während Teamunterstützung,

Entwicklung von Vertrauen und Offenheit, Bereitstellung von Informationen und

Ressourcen sowie Vermitteln und Vorleben von Visionen an Bedeutung gewin-

nen (Lawler, 1986; Arnold et al, 2000; Ahearne, Mathieu & Rapp, 2005).

3.2.1 Analyse (2) // Vergleich zwischen Unternehmen mit stark und

schwache ausgeprägter Empowerment-Führung (Top / Low-

Vergleich)

In Unternehmen mit einem starken befähigenden Führungsklima ist die Identifi-

kation und Begeisterung um 40 % ausgeprägter als in Unternehmen mit gerin-

gem Empowerment und das Vertrauen sogar um 51% erhöht. Eine starke Identi-

fikation der Mitarbeiter mit dem Unternehmen gilt auch als wichtiger Faktor in

High-Performance-Organisationen, da dies zu höherem Engagement und zu

höherer Zufriedenheit führt und zudem positive Auswirkungen auf Arbeitgeber-

attraktivität und weitere Leistungsindikatoren hat. Dies zeigt sich auch im Ver-

gleich von Unternehmen mit starkem vs. schwachem Empowerment deutlich.

Die Mitarbeiter sind zufriedener (Zufriedenheit um 30 % erhöht), emotional

involviert, mit einer tieferen persönlichen Bindung an das Unternehmen und

einen höheren Verbundenheit mit dessen Zielen (affektives Commitment um 26

% größer). Dies wirkt sich auch auf Performance-Ebene aus durch eine Zunahme

der produktiven Energie um 19 %.

Diesen Unternehmen und Führungskräften gelingt es in sehr hohem Maße, die

Mitarbeiter zu befähigen, ihre Selbstständigkeit zu fördern sowie das Selbstbe-

wusstsein und Vertrauen zu stärken.

Page 17: Der folgende Beitrag ist ein Auszug aus dem Buch „Praxis ... & Bruch - Leader… · Der folgende Beitrag ist ein Auszug aus dem Buch „Praxis der Wirtschaftspsychologie –Band

40 Ivonne Preusser & Heike Bruch

Dadurch gelingt es diesen Unternehmen, das Risiko von Kündigungsabsichten

zu reduzieren. Die Wechselbereitschaft ist um 56 % geringer und demnach haben

deutlich weniger Mitarbeiter in den letzten sechs Monaten darüber nachgedacht,

ihren Arbeitgeber zu wechseln (vgl. Abbildung 4).

Messung: befähigendes

Führungsklima

Die Führungskräfte in unserem

Unternehmen …

� … helfen ihren Mitarbeitern zu

verstehen, wie ihre Tätigkeit

zum Gesamten beiträgt.

� … treffen viele Entscheidungen

zusammen mit ihren

Mitarbeitern.

� … geben ihren Mitarbeitern die

Freiheit, ihre Tätigkeit so zu

machen, wie die Mitarbeiter

möchten.

(Auszug aus den Items)

30%

19%

26%

-56%

51%

40%

AC

DC

DC

Produktive Energie

Wechselbereitschaft

Identifikation/Begeisterung

Affektives Commitment

Zufriedenheit

Vertrauen

Abbildung 4: Ergebnisdarstellung des Vergleichs zwischen Unternehmen mit stark und schwach

ausgeprägter Empowerment-Führung

Eine starke auf Empowerment basierende Führung erhöht die Bindung mit

dem Unternehmen und das Vertrauen

Die Ergebnisse zeigen, dass Führung durch Empowerment die Mitarbeiter an-

regt, stärker zu partizipieren, sich einzubringen und eigene Handlungsspielräume

auszuloten und steigert so die Zufriedenheit der Mitarbeiter, ihre Identifikation

mit dem Unternehmen und die Chance, sie als Teil der Firma zu halten.

3.2.2 Praxisimpuls (2) // Führung mit Empowerment & Enabling

OpenSpace - Offenheit und Kollaboration für Transformation

Open Space ist ein dynamisches, kollaboratives Format und eine Methode der

Gruppenmoderation zur (Un-)Strukturierung von Veranstaltungen. Open-Space

gilt als geeignete Methode, um die Dynamik der vernetzten Welt für alle

Beteiligten erfahrbar zu machen. Inhaltliche und formale Offenheit,

Selbstorganisation und Selbstverantwortung sowie hierarchiefreie Kommu-

Page 18: Der folgende Beitrag ist ein Auszug aus dem Buch „Praxis ... & Bruch - Leader… · Der folgende Beitrag ist ein Auszug aus dem Buch „Praxis der Wirtschaftspsychologie –Band

Leadership 2.0 – Führung in digitalen Zeiten 41

nikation sind charakterisch hierfür. Ziel von Open Space ist, in kurzer Zeit mit

einer großen Zahl von Menschen eine Aufbruchsstimmung zu erzeugen, zu nut-

zen und in Projekte abzuleiten. Offene Veranstaltungsformate wie Bar Camps

und Open Space, bei dem die Teilnehmer die Agenda definieren und die damit

die Herangehensweise einer „vernetzten“ Gemeinschaft an ein Thema

widerspiegeln, geben allen Beteiligten den Raum, Erwartungen zu formulieren

und Lösungen zu identifizieren (vgl. Buhse, 2012).

Alcatel-Lucent setzen Open Space bereits erfolgreich im Unternehmen ein. So

wurden beim ersten Inhouse Open Space 100 Top-Manager mit internen und

externen Digital Natives zusammengeführt. „Hierbei ging es darum, Augen zu

öffnen im Management, dass unsere jungen Mitarbeiter möglicherwiese ganz

andere Vorstellungen haben, wie eine Firma aussehen muss, was sie vom Ma-

nagement erwarten. Und weil wir von den jungen Mitarbeitern erfahren wollten,

wie sie kommunizieren“, so Dr. Rainer Fechner, Vorstandsmitglied von Alcatel-

Lucent. So wurden beim ersten Open Space neue Projektideen gemeinsam von

Managern und Digital Natives erarbeitet, um das Unternehmen in die Zukunft zu

führen. Und dies auch ergebnisorientiert: Wenige Tage danach wurde vom Vor-

stand entschieden, 13 von 15 Ideen als Projekte weiterzuführen (vgl. Buhse,

2010).

„Ich bin immer wieder begeistert, wie viel Energie hier freigesetzt wird und wie

die Mitarbeiter aus sich heraus gehen“, so Dr. Rainer Fechner nach einem Open

Space (doubleyuu, 2011).

3.3 Forschungsimpuls (3) // Inspirierende Führung

und die Kundenanforderungen Dialog und

Partizipation

Inspirierende (transformationale) Führung verdeutlicht den Sinn gemeinsamer

Ziele und Ideale. Transformationale Führungskräfte inspirieren und motivieren

ihre Mitarbeiter dadurch, dass sie attraktive Visionen vermitteln, überzeugend

kommunizieren, wie Ziele gemeinsam erreicht werden können, selber als Vor-

bild wahrgenommen werden und die Entwicklung der Mitarbeiter unterstützen.

Transformationale Führung bedeutet, Begeisterung und Zuversicht zu erzeugen,

Wertschätzung zu vermitteln und neue Denkweisen zu entwickeln, um gemein-

sam einen sinnvollen Beitrag zum Erfolg der Organisation und somit zur Ver-

wirklichung der Vision zu leisten (Burns, 1978; Bass, 1985; Bass und Aviolo,

1994).

Page 19: Der folgende Beitrag ist ein Auszug aus dem Buch „Praxis ... & Bruch - Leader… · Der folgende Beitrag ist ein Auszug aus dem Buch „Praxis der Wirtschaftspsychologie –Band

42 Ivonne Preusser & Heike Bruch

Wenn die Mitarbeiter in einem Unternehmen den inspirierenden Führungsstil

ihrer Führungskraft einheitlich wahrnehmen, spricht man von einem inspirieren-

den Führungsklima (Menges, Walter, Vogel & Bruch, 2011).

3.3.1 Analyse (3) // Vergleich zwischen Unternehmen mit stark und

schwach ausgeprägter inspirierender Führung (Top / Low-

Vergleich)

In Unternehmen mit einem starken inspirierendem Führungsklima ist die Kun-

denorientierung der Mitarbeiter um 24 % ausgeprägter. Ihnen gelingt es in sehr

hohem Maße, die Mitarbeiter zu kundenorientiertem Denken und Handeln anzu-

regen. Die Bedürfnisse, Interessen und Erwartungen der Kunden werden von den

Mitarbeitern als Schlüsselfaktor für den Unternehmenserfolg stärker wahrge-

nommen. Ferner wird die Zufriedenheit der Kunden häufiger als vorrangiges Ziel

verinnerlicht. Dies wirkt sich auch auf die Strategieverbundenheit aus, die in

Unternehmen mit hohem inspirierenden Führungsklima um 16 % höher ausge-

prägt ist. Das Commitment zu den strategischen Entscheidungen des Manage-

ments ist größer und dies führt wiederum zu höherem Engagement für die ge-

meinsamen Ziele und den Unternehmenserfolg.

Es zeigt sich darüber hinaus, dass dies auch von den Kunden wahrgenommen

wird. Die Wertschätzung, die die Mitarbeiter durch und über die Kunden erleben,

ist um 41 % größer. In Unternehmen mit hohem inspirierendem Führungsklima

ist für die Mitarbeiter deutlicher spürbar, dass ihre Arbeit und Leistung von den

Kunden anerkannt und sehr wertgeschätzt wird. Ferner ist die Interaktion und

Kommunikation mit den Kunden intensiver, die regelmäßige und positive

Rückmeldung ist um 27 % größer, Mitarbeiter erhalten häufiger Feedback und

Lob. Ebenso ist das Beschwerdeverhalten und Kritik um 1 % geringer, negatives

Kundenfeedback wird etwas seltener geäußert (vgl. Abbildung 5).

Page 20: Der folgende Beitrag ist ein Auszug aus dem Buch „Praxis ... & Bruch - Leader… · Der folgende Beitrag ist ein Auszug aus dem Buch „Praxis der Wirtschaftspsychologie –Band

Leadership 2.0 – Führung in digitalen Zeiten 43

16%

41%

-1%

27%

24%Messung: inspirierender

(transformationale) Führung

Mein direkter Vorgesetzter …

� … schafft es, dass die

Mitarbeiter gemeinsam für das

gleiche Ziel arbeiten.

� … inspiriert andere mit seinen

Plänen für die Zukunft.

� … bringt mir neue Sichtweisen

auf Dinge nahe.� … regt mich dazu an, auf neue

Weise über Probleme

nachzudenken.

(Auszug aus den Items)

Positives Feedback

Negatives Feedback

Wertschätzung

durch Kunden

Kundenorientierung

Strategieverbundenheit

Abbildung 5: Ergebnisdarstellung des Vergleichs zwischen Unternehmen mit stark und schwach

ausgeprägter transformationaler Führung

Eine starke inspirierende Führung erhöht die Kundenorientierung und

stärkt Feedback und Wertschätzung

Die Ergebnisse zeigen, dass transformationale Führung Mitarbeiter begeistert

und sie zum Mitdenken anregt. Es gelingt den Führungskräften, die Mitarbeiter

für die Ziele der Organisation zu gewinnen und für die Kundenbedürfnisse zu

sensibilisieren. Diese Begeisterung übertragen die Mitarbeiter wiederum auf

ihren Kontakt mit den Kunden.

3.3.2 Praxisimpuls (3) // Inspirierende Führung und

Kundenbegeisterung

« Happiness & Surprise» - Begeisterung strahlt aus

Wie Begeisterung sogar zum Geschäftsmodell werden kann – und dies sogar

überaus erfolgreich – wird anhand von Zappos deutlich. Das US-amerikanische

Unternehmen, 1999 als Onlineshop für Schuhe gegründet, hat inzwischen mit

der Vision und dem Kundenversprechen „Delivering Happiness“ die Begeiste-

rung ins Zentrum allen Handels gestellt. Denn einige Jahre nach der Gründung

fragten sich die Zappos Führungskräfte, wie sie sich zukünftig aufstellen möch-

ten: geht es um Schuhe oder um etwas Bedeutungsvolleres? Darauf folgte die

Entscheidung, dass sie mit der Zappos Marke den besten Kundenservice liefern

und die beste Kundenerfahrung schaffen wollten, eben „Delivering Happpiness“.

Mit dieser Vision hat Gründer Tony Hsieh das gesamte Unternehmen konse-

quent auf die Schaffung des Wow-Erlebnisses ausgerichtet: “Wir verkaufen

Page 21: Der folgende Beitrag ist ein Auszug aus dem Buch „Praxis ... & Bruch - Leader… · Der folgende Beitrag ist ein Auszug aus dem Buch „Praxis der Wirtschaftspsychologie –Band

44 Ivonne Preusser & Heike Bruch

Schuhe, Bekleidung, Taschen – aber das ist irrelevant. Was zählt, ist Service, die

Tatsache, dass jeder Kunde ein rundum angenehmes, persönliches Erlebnis hat.“

Um jedoch als Unternehmen Kunden begeistern zu können, müssen auch die

Mitarbeiter diese Mission bzw. Werte verinnerlichen und selbst nach außen tra-

gen. Dies führte zu einem Führungsverständnis bei Zappos, welches Inspiration

und Individualität betont und zu Leitlinien, die es ermöglichen, Begeisterung bei

Mitarbeitern und Kunden zu entfachen. Dies etwa dadurch, dass das Unterneh-

men eine Umgebung schafft, in der die Menschen aufblühen können, sie begeis-

tert werden und in Einklang mit ihren Werten und gemeinsamen Zielen arbeiten

können. Sichtbar wird dies auch in der Unternehmenskultur von Zappos, in der

die zehn grundlegenden Werte fest verankert sind, die zudem auch das Marken-

und Businessverständnis prägen (vgl. Zappos, 2013). Zu den „Zappos Core Va-

lues“ gehört z.B.

• Schaffe ein Wow-Erlebnis durch herausragenden Service.

• Begrüße Veränderungen und treibe sie voran.

• Versuche ständig zu wachsen und zu lernen.

• Nutze die Kommunikation mit allen Stakeholdern, um offene und ehrliche

Beziehungen zu schaffen.

• Sei leidenschaftlich und zielorientiert.

Tony Hsieh beschreibt dies auch so, „Kunden rufen uns an oder emailen uns, um

zusagen, dass es sich so anfühlt wie «delivered happiness», wenn ein Zappos

Paket ankommt. Und so sehen wir dieses Unternehmen“ (vgl. auch Hsieh, 2010a,

2010b).

Für Zappos ist die Begeisterung der Kunden und Mitarbeiter zum Erfolgsfaktor

geworden, der Umsatz des Unternehmens ist in zehn Jahren auf 1,2 Milliarden

Dollar angewachsen, heute ist Zappos der größte Online-Schuhhändler der Welt.

4 Zusammenfassung: Leadership 2.0 –

Führung in digitalen Zeiten

Social Media und die wachsende Vernetzung der Lebens- und Arbeitswelten

stellt Unternehmen vor neue Herausforderungen und damit auch das bisherige

Page 22: Der folgende Beitrag ist ein Auszug aus dem Buch „Praxis ... & Bruch - Leader… · Der folgende Beitrag ist ein Auszug aus dem Buch „Praxis der Wirtschaftspsychologie –Band

Leadership 2.0 – Führung in digitalen Zeiten 45

Verständnis von Führung. Der Beitrag ging der Frage nach, welche Veränderun-

gen der digitalen Wandel hinsichtlich Wettbewerb, Mitarbeiter und Kunden

bewirkt und was dies für das Verständnis von Führung bedeutet.

Zusammenfassend ist festzuhalten, dass auch in Zeiten des digitalen Wandels,

Führung einen erfolgreichen Beitrag leisten kann. Führung wird auch in der

sozial vernetzten und digitalisierten Arbeitswelt nicht obsolet, jedoch ist Lea-

dership 2.0 von einem anderen Verständnis geprägt. Als Brückenbauer, Mittler

und Inspirator kann Leadership 2.0 die Chancen des digitalen Wandels auf-

greifen und den Veränderungsprozess – die Transformation erfolgreich gestalten.

Als Brückenbauer im Wettbewerb kann Führung mit dem Fokus „vernetzen,

personalisieren“ Barrieren abbauen, Schranken überwinden, und Freiräume

schaffen: Unternehmen mit hohem austauschorientierten Führungsklima bestär-

ken Mitarbeiter in ihrem Handeln, sind offener für neue Ideen und Vorschläge.

Strukturen und Prozesse sind weniger formalisiert. Sie sind deutlich agiler, fle-

xibler und ideenreicher und innovativer.

Als Mittler und Enabler für Mitarbeiter kann Führung mit dem Fokus „einbin-

den, individualisieren“ Offenheit fördern, Kollaboration wagen und Verbindun-

gen schaffen: Unternehmen mit hohem Empowerment Führungsklima fördern

Gestaltungsräume und regen zur Zusammenarbeit an. Sie haben eine deutlich

höhere Mitarbeiterbindung, stärkere emotionale Verbundenheit und Vertrauen.

Es gelingt, die Mitarbeiter fürs Unternehmen zu gewinnen und zu begeistern,

indem sie aktiv eingebunden und gefördert werden.

Als Inspirator kann Führung mit dem Fokus „emotionalisieren, anregen“ Enga-

gement entfachen und Begeisterung auslösen: Unternehmen mit stärker inspirie-

render Führung sind erfolgreicher, die Mitarbeiter für Strategie und Kundenori-

entierung zu gewinnen und den Dialog und die Partizipation anzuregen. Dies

wird von den Kunden wahrgenommen, wert geschätzt und kommuniziert.

Page 23: Der folgende Beitrag ist ein Auszug aus dem Buch „Praxis ... & Bruch - Leader… · Der folgende Beitrag ist ein Auszug aus dem Buch „Praxis der Wirtschaftspsychologie –Band

46 Ivonne Preusser & Heike Bruch

Interaktion/Austausch

Befähigen/ Enablen

Inspirieren

Führung als „Brückenbauer“

vernetzen, personalisieren

• „Barrieren abbauen“

• „Schranken überwinden“

• „Freiräume schaffen“

Führung als „Mittler/Enabler“

einbinden, individualisieren

• „Offenheit fördern“

• „Zusammenarbeit trauen“

• „Verbindungen schaffen“

Führung als „Inspirator“

emotionalisieren, anregen

• „Engagement entfachen“

• „Begeisterung auslösen“

• „Bindungen schaffen“

1

2

3

Abbildung 6: Leadership 2.0: Führung als Brückenbauer, Mittler und Inspirator in der

Digitalisierung

5 Literatur

Ahearne, M., Mathieu, J., Rapp, A. (2005): To Empower or Not to Empower Your Sales

Force? An Empirical Examination of the Influence of Leadership Empowerment Be-

havior on Customer Satisfaction and Performance. Journal of Applied Psychology,

90(5), 945-955.

ARD/ZDF-Onlinestudie (2012). Web-2.0-Nutzung 2012. Verfügbar unter http://www.ard-

zdf-onlinestudie.de/index.php?id=354 [01.03.2013]

Arnold, J. A., Arad, S., Rhoades, J. A., & Drasgow, F. (2000). The Empowering Leader-

ship Questionnaire: The construction and validation of a new scale for Measuring

leader behaviors. Journal of Organizational Behavior, 21, 249-269.

AVG Digital Diaries (2010). Digital Diaries – Part one „Digital Birth“. Verfügbar unter

http://www.avgdigitaldiaries.com/tagged/stage_one [20.03.2013] und unter

http://www.businesswire.com/news/home/20101006006722/en/Digital-Birth-Online-

World [20.03.2013]

Page 24: Der folgende Beitrag ist ein Auszug aus dem Buch „Praxis ... & Bruch - Leader… · Der folgende Beitrag ist ein Auszug aus dem Buch „Praxis der Wirtschaftspsychologie –Band

Leadership 2.0 – Führung in digitalen Zeiten 47

Bass, B. M. (1985). Leadership and Performance Beyond Expectations. New York: Free

Press.

Bass, B. M. & Avolio, B. J. (Eds.). (1994). Improving organizational effectiveness

through transformational leadership. Sage.

Berman, S. & Korsten, P. (2013). Embracing connectedness: insights from the IBM 2012

CEO study. Strategy & Leadership, 41(2), .46 – 57.

Blake, R. R. & Mouton, J. S. (1964): The Managerial Grid. Houston: Gulf Publishing.

Bös, N. (2012). Generation Y - Harte Arbeit auf der Parkbank. FAZ net, 07.08.2012.

Verfügbar unter http://www.faz.net/aktuell/beruf-chance/generation-y-harte-arbeit-

auf-der-parkbank-11842037.html [01.03.2013]

Bruch, H. & Ghoshal, S. (2003). Unleashing organizational energy. MIT Sloan Manage-

ment Review, 45, 45-51.

Bruch, H. & Vogel, B. (2005). Organisationale Energie – Wie Sie das Potential Ihres

Unternehmens ausschöpfen. Wiesbaden: Gabler.

Bruch, H. & Vogel, B. (2011). Fully Charged – How Great Leaders Boost Their Organi-

zation's Energy and Ignite High Performance. Boston: Harvard Business Press.

Bruns, Axel (2008. Blogs, Wikipedia, Second Life, and Beyond: From Production to

Produsage. New York.

Bruns, A. (2009). „Anyone Can Edit“: Vom Nutzer zum Produtzer. kommunikation@

gesellschaft, 10.

Bryman, A. (1992). Charisma and Leadership in Organizations. London: Sage.

Busemann, K. & Gscheidle, C. (2012). Web 2.0: Habitualisierung der Social Communi-

tys. Media Perspektiven, 7, 380-390.

Burns, J. M. (1978). leadership. NY.

Bughin, J. & Chui, M. (2010). The rise of the networked enterprise: web 2.0 finds its

payday. The McKinsey Quarterly, 12, 1–9.

Buhse, W. (2010). Enterprise 2.0 im Management – Frischzellenkur für Sales & Services.

In Professionelles Sales & Service Management, 405-417. Gabler.

Buhse, W. ( 2012). Changing the Mindset: Die Bedeutung des Digital Leadership für die

Enterprise 2.0-Strategieentwicklung. In G. Lembke, N. Soyez (Hrsg.), Digitale Medi-

en im Unternehmen. Springer-Verlag Berlin Heidelberg 2012.

Buhse, W. & Reinhard, U. (2009). Wenn Anzugträger auf Kapuzenpullis treffen. whois-

Verlag, 2009.

Page 25: Der folgende Beitrag ist ein Auszug aus dem Buch „Praxis ... & Bruch - Leader… · Der folgende Beitrag ist ein Auszug aus dem Buch „Praxis der Wirtschaftspsychologie –Band

48 Ivonne Preusser & Heike Bruch

Bund, K. & Heuser, U.-J. (2013). Generation Y: Wollen die auch arbeiten? DIE ZEIT, 11.

Auch verfügbar unter http://www.zeit.de/2013/11/Generation-Y-Arbeitswelt

[15.03.2013]

Chambers, E., Foulon, M., Handfield-Jones, H., Hankin, S., Michaels III, E. (1998). The

war for talent. The McKinsey Quarterly, 3, 44–57.

Cole, M., Bruch, H. & Vogel, B. (2005). Development and validation of a measure of

organizational energy. Academy of Management Proceedings, V1-V6.

Cone (2008). Business in Social Media Study. Boston.

Conger, J. A., & Kanungo, R. N. (1988). Charismatic leadership: The elusive factor in

organizational effectiveness. Jossey-Bass.

Dansereau, F., Graen, G., & Haga, W. J. (1975). A vertical dyad linkage approach to

leadership within formal organizations: A longitudinal investigation of the role mak-

ing process. Organizational behavior and human performance, 13(1), 46-78.

Doubleyuu (2011). OpenSpaces als innovative Lernmethode für Unternehmen – eine

Firma auf dem Weg zum Social Business. Interview mit Vorstand Dr. Fechner über

OpenSpaces bei Alcatel-Lucent. Verfügbar unter

http://doubleyuu.com/blog/openspaces-bei-alcatel-lucent/ [20.02.2013]

Dörner, K. (2012) Mehrwert durch den Einsatz von Social Media im Unternehmen –

Zahltag für die einen, Nachsitzen für die anderen. In Jäger W, Petry T (Hrsg.), Enter-

prise 2.0 – die digitale Revolution der Unternehmenskultur.

Elmes, D.G., Kantowitz, B.H. & Roediger III, H.L. (1999). Research methods in psychol-

ogy (6. Auflage). Pacific Grove: Brooks/Cole Publishing Company.

Gade, B. (2012). Leadership 2.0 - Interview mit Stephan Grabmeier, Deutsche Telekom

AG. Verfügbar unter https://www.netmedia.de/de/blog/leadership-2-0-interview-mit-

stephan-grabmeier-deutsche-telekom/ [22.02.2013]

Grabmeier, S. (2011). Alles Twitter oder was? Personalmagazin, 11(4), 98.

Graen, G. B. & Uhl-Bien, M. (1995). Relationship-based approach to leadership: Devel-

opment of leader-member exchange (LMX) theory of leadership over 25 years: Ap-

plying a multi-level multi-domain perspective. The leadership quarterly, 6(2), 219-

247

Grünweg, T. (2006). Fiat 500: Das Retortenbaby. Spiegel Online, 15.12.2006. Verfügbar

unter: http://www.spiegel.de/auto/aktuell/fiat-500-das-retortenbaby-a-454606.html

[19.04.2013)

House, R. (1977). A 1976 theory of charismatic leadership effectiveness. Leadership: The

cutting edge. Feffer and Simons, Carbondale.

Page 26: Der folgende Beitrag ist ein Auszug aus dem Buch „Praxis ... & Bruch - Leader… · Der folgende Beitrag ist ein Auszug aus dem Buch „Praxis der Wirtschaftspsychologie –Band

Leadership 2.0 – Führung in digitalen Zeiten 49

Hsieh, T. (2010a). Delivering Happiness: A Path to Profits, Passion, and Purpose. New

York. Business Plus.

Hsieh, T. (2010b). Zappos’s CEO on Going to Extremes for Customers. Harvard business

review, 88(7), 41-45.

IBM (2012). Global CEO Study 2012 - Führen durch Vernetzung. IBM Institute for Busi-

ness Value.

Lawler, E.E. (1986). High involvement management. San Francisco: Jossey-Bass.

Leipprand, T., Allmendinger, J., Baumanns, M. & Ritter, J. (2012). Jeder für sich und

keiner fürs Ganze? Warum wir ein neues Führungsverständnis in Politik, Wirtschaft,

Wissenschaft und Gesellschaft brauchen. stiftung neue verantwortung, Wissenschafts-

zentrum Berlin für Sozialforschung. Verfügbar unter

http://www.wzb.eu/sites/default/files/projekte/fuehrungsstudie-snv-ezi-wzb.pdf

[01.03.2013]

Li, C. (2010). Open leadership: how social technology can transform the way you lead.

Wiley. Com.

Liberty Mutual ( 2010). Liberty Mutual’s Responsibility Project: Social Media and Per-

sonal Responsibility Survey. Your Kids and Facebook, MySpace and Twitter: What’s

Responsible Online Behavior? Verfügbar unter

http://www.mamapedia.com/voices/placeholder-liberty-mutual [20.03.2013]

McAfee, A. (2006). Enterprise 2.0: The Dawn of Emergent Collaboration. MIT Sloan

Management Review, 47(3) 20–28.

McKinsey (2011): Wettbewerbsfaktor Fachkräfte. Düsseldorf 2011.

McLuhan, M. (1962). The Gutenberg Galaxy: The making of Typographic Man. Universi-

ty of Toronto Press 1962.

Menges, J. I., Walter, F., Vogel, B., & Bruch, H. (2011). Transformational leadership

climate: Performance linkages, mechanisms, and boundary conditions at the organiza-

tional level. The Leadership Quarterly, 22(5), 893-909.

Petry, T. (2012). State-of-the-Art und Herausforderungen von Enterprise 2.0 in Unter-

nehmen. In Digitale Medien im Unternehmen (197-210). Springer Berlin Heidelberg.

Prahalad, C. K., & Ramaswamy, V. (2000). Co-opting customer competence. Harvard

business review, 78(1), 79-90.

Prensky, M. (2001) Digital Natives, Digital Immigrants. In: On the Horizons 9, 5/2001

Verfügbar unter unter http://www.marcprensky.com/writing/Prensky%20-

%20Digital%20Natives,%20Digital%20Immigrants%20-%20Part1.pdf [01.03.2013]

Page 27: Der folgende Beitrag ist ein Auszug aus dem Buch „Praxis ... & Bruch - Leader… · Der folgende Beitrag ist ein Auszug aus dem Buch „Praxis der Wirtschaftspsychologie –Band

50 Ivonne Preusser & Heike Bruch

PwC (2013). PwC’s NextGen:A global generational study. Verfügbar unter

http://www.pwc.com/en_GX/gx/hr-management-services/pdf/pwc-nextgen-study-

2013.pdf [20.03.2013]

Rosenfeld, M. J. & Thomas, R. J. (2012). Searching for a Mate The Rise of the Internet as

a Social Intermediary. American Sociological Review, 77(4), 523-547.

Schönefeld, F. (2009). Praxisleitfaden Enterprise 2.0: Wettbewerbsfähig durch neue

Formen der Zusammenarbeit, Kundenbindung und Innovation. Hanser, München.

SINUS-Institut (2012). DIVSI Milieu-Studie zu Vertrauen und Sicherheit im Internet: eine

Grundlagenstudie des SINUS-Instituts Heidelberg im Auftrag des Deutschen Instituts

für Vertrauen und Sicherheit im Internet (DIVSI). Hamburg: Deutsches Institut für

Vertrauen und Sicherheit im Internet (DIVSI). Verfügbar unter

https://www.divsi.de/sites/default/files/presse/docs/DIVSIMilieu-

Studie_Gesamtfassung.pdf [20.04.2013]

Stogdill, R. M. (1948): Personal factors associated with leadership: A survey of the litera-

ture. Journal of Psychology, 25, 35-71.

Tapscott, D. (2008). Mit Enterprise 2.0 gewinnen in: Wilms Buhse und Sören Stamer

(Hrsg.), Enterprise 2.0: Die Kunst loszulassen, Berlin 2008, 123-148.

Valby, K. (2011). Wikipedia's Librarian To The World - "I'M DIDEROT...BITCH.".Fast

Company, April, 2011. Verfügbar unter

http://www.fastcompany.com/1739776/wikipedias-librarian-world [15.02.2013]

(1,500 books at 1,500 pages per book; (50 pages per day x 365 days) [01.03.2013]

Van Eimeren, B., & Frees, B. (2012). Ergebnisse der ARD/ZDF-Onlinestudie 2012.

Media Perspektiven, 7, 362-379.

Zappos (2013): The Zappos Family Core Values. Verfügbar unter

http://www.zapposinsights.com/ [21.04.2013]

Bilderverweis: © Depositphotos.com/@ kbuntu